Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
0225
2025
91
Ermüdungsverhalten von Betonstählen nach Chloridbeanspruchung
0225
2025
Kevin Kriescher
Christian Helm
Michael Raupach
Stahlbetonbauwerke, insbesondere Brücken, die einer zyklischen Ermüdungsbeanspruchung unterliegen, sind häufig korrosiven Umgebungsbedingungen ausgesetzt. Die korrosionsfördernden Stoffe gelangen über Risse bis zur Bewehrung und können dort zu lokalen Schädigungen führen. In Kombination mit dynamischen Beanspruchungen können die resultierenden korrosionsinduzierten Schädigungen die Lebensdauer eines Bauteils potenziell deutlich stärker reduzieren, als dies nach den derzeit gültigen Bemessungsnormen zu erwarten ist. Ziel des im Rahmen dieses Beitrags vorgestellten Forschungsvorhabens ist die Beurteilung des Zustands und der verbleibenden Lebensdauer nicht vorgespannter, dynamisch und korrosiv beanspruchter Bauteile sowie die Entwicklung normativer Grundlagen. Ein Schwerpunkt liegt auf der detaillierten Charakterisierung der Morphologie von Korrosionsnarben, die mittels 3D-Scans erfasst und flächenanalytisch ausgewertet werden, um relevante Parameter wie laterale Ausbreitung und Querschnittsverlust zu bestimmen. Erste Versuche mit künstlich induzierten Querschnittsverlusten deuteten darauf hin, dass insbesondere die Geometrie der Schädigungen das Ermüdungsverhalten signifikant beeinflusst. Weitere Analysen zur Relevanz der Narbenmorphologie sind noch im Gange.
kevb910157
9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 157 Ermüdungsverhalten von Betonstählen nach Chloridbeanspruchung Kevin Kriescher, M. Sc. Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Dr.-Ing. Christian Helm Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Zusammenfassung Stahlbetonbauwerke, insbesondere Brücken, die einer zyklischen Ermüdungsbeanspruchung unterliegen, sind häufig korrosiven Umgebungsbedingungen ausgesetzt. Die korrosionsfördernden Stoffe gelangen über Risse bis zur Bewehrung und können dort zu lokalen Schädigungen führen. In Kombination mit dynamischen Beanspruchungen können die resultierenden korrosionsinduzierten Schädigungen die Lebensdauer eines Bauteils potenziell deutlich stärker reduzieren, als dies nach den derzeit gültigen Bemessungsnormen zu erwarten ist. Ziel des im Rahmen dieses Beitrags vorgestellten Forschungsvorhabens ist die Beurteilung des Zustands und der verbleibenden Lebensdauer nicht vorgespannter, dynamisch und korrosiv beanspruchter Bauteile sowie die Entwicklung normativer Grundlagen. Ein Schwerpunkt liegt auf der detaillierten Charakterisierung der Morphologie von Korrosionsnarben, die mittels 3D-Scans erfasst und flächenanalytisch ausgewertet werden, um relevante Parameter wie laterale Ausbreitung und Querschnittsverlust zu bestimmen. Erste Versuche mit künstlich induzierten Querschnittsverlusten deuteten darauf hin, dass insbesondere die Geometrie der Schädigungen das Ermüdungsverhalten signifikant beeinflusst. Weitere Analysen zur Relevanz der Narbenmorphologie sind noch im Gange. 1. Einleitung 1.1 Ermüdung metallischer Werkstoffe Seit dem 19. Jahrhundert ist die Materialermüdung als eine maßgebliche Ursache für Werkstoffschäden bekannt. Im Laufe der Zeit wurden Baustoffe speziell für zyklische Belastungen optimiert und weiterentwickelt. Ein Beispiel hierfür ist der Betonstahl mit sichelförmigen Schrägrippen, der in der Baubranche weit verbreitet ist, da er eine geringere Kerbwirkung aufweist als solche mit orthogonalen Querrippen. Die Kerbwirkung spielt besonders bei der Stahlermüdung eine entscheidende Rolle, da sie die Ermüdungsfestigkeit erwiesenermaßen beeinträchtigt. Während statische Belastungen konstant sind, handelt es sich bei zyklischen Belastungen um periodische Last-schwankungen, die im Laufe der Zeit zu einer Schädigung führen und letztendlich im spröden Versagen des Materials enden. Im Gegensatz zu (quasi) statischen Zugbelastungen können Ermüdungs-belastungen bereits deutlich unterhalb der Streckgrenze des Stahls zum Versagen führen. [1, 2] Der Schädigungsverlauf eines Bewehrungsstabes unter Schwingbeanspruchung kann in verschiedene Phasen eingeteilt werden - Risseinleitung, stabiles und instabiles Risswachstum - und endet schließlich in einem Restgewaltbruch (vgl. Abb.-1). Bei jedem Lastwechsel wächst der Riss um einen bestimmten Betrag. [2-4] Abb. 1: Risswachstumsphasen bei Ermüdungs-beanspruchung nach [5] In der Phase der Risseinleitung entsteht durch Versetzungsbewegungen infolge häufiger Belastungswechsel eine mikroskopische Gleitstufe in Richtung der maximalen Schubspannung an der Stahloberfläche. Die Versetzungen erzeugen Fehler im Metallgitter und treten vor allem an Stellen lokaler Spannungsüberhöhung wie z. B Querschnitts-übergängen und Kerben auf. Mit zunehmenden Lastwechseln plastifiziert und verfestigt sich die erste Gleitstufe, wodurch weitere Gleitstufen entstehen und zusammen ein sog. Ermüdungsgleitband bilden. Entlang der Gleitbänder bilden sich aufgrund mikroskopischer Kerben durch Ex- und Intrusionen Mikrorisse, die nach einer erreichten Länge von wenigen Korndurchmessern senkrecht zur Belastungsrichtung weiterwachsen (vgl. Abb.-2). Ab 158 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Ermüdungsverhalten von Betonstählen nach Chloridbeanspruchung einer Risslänge von 1 mm spricht man von einem Makroriss. Dieser breitet sich ab einer kritischen Länge aufgrund des kontinuierlichen Anstiegs der effektiven Querschnittsspannung mit hoher Geschwindigkeit aus (instabiles Risswachstum), bis die vorhandene Restquerschnittsfläche die erforderliche Querschnittsfläche unterschreitet und es zum Bauteilversagen in Form eines Gewaltbruchs kommt. Etwa 60-% bis 90-% der Zeit bis zum Bauteilversagen entfällt auf Mikrorisswachstum und nur ein geringer Anteil auf Makrorisswachstum. [2, 4, 6] Abb. 2: Risswachstumsphasen nach [2] 1.2 Bemessungssituation und Stand der Technik Die Ermüdungsfestigkeit von Betonstahl wird durch Dauerschwingversuche (sog. Wöhlerversuch) ermittelt, deren Ergebnisse in Form von Wöhlerlinien dargestellt werden [3, 7]. Diese Wöhlerlinien dienen als Grundlage für die Bemessung ermüdungsbeanspruchter Stahlbetonbauteile. Der Nachweis erfolgt am Knickpunkt der Wöhlerlinie bei 1 Million Lastwechseln unter der Annahme der Spannungsexponenten k 1 = 5 und k 2 -=-9, vgl. Abb.-3 [8]. Der Einfluss des Stabdurchmessers wird dabei weder auf die Spannungsexponenten noch auf den Verlauf der Wöhlerlinie berücksichtigt. Für Stäbe mit einem Durchmesser von ≤-28 mm wird bei 1 Million Schwingspielen eine Schwingbreite von Δσ Rsk -=-175 N/ mm 2 angesetzt, während für Stäbe mit Durchmesser >-28 mm Δσ Rsk -=-145 N/ mm 2 gilt. Abb. 3: Wöhlerlinien nach DIN EN 1992-2/ NA nach [4] Die DIN EN 1992-2/ NA [8] enthält keine expliziten Regelungen zur Berücksichtigung von korrosiven Beanspruchungen bei der Bemessung. Sie verweist jedoch darauf, dass bei korrosiven Expositionen eine Anpassung der Wöhlerlinie erforderlich ist. Hierbei kann der Spannungsexponent k 2 auf einen Wert zwischen 5 und 9 reduziert werden, vgl. Abb.-3. Im Model Code 90 wird eine zusätzliche Wöhlerlinie für Betonstahl unter Einfluss von Meerwasser angegeben, vgl. Abb.- 4. Diese basiert auf experimentellen Untersuchungen unter den extremen Bedingungen eines Meerwasserangriffs und weist eine deutlich geringere Ermüdungsfestigkeit verglichen mit Wöhlerlinien für korrosionsfreie Stäbe auf. Die betreffende Wöhlerlinie wird unabhängig vom Stabdurchmesser als gültig angesehen. Die in der DIN EN 1992-2/ NA [8] enthaltenen Bemessungswerte könnten daher bei einer Vernachlässigung von Korrosionseinflüssen die tatsächliche Ermüdungsfestigkeit überschätzen. Es fehlen jedoch sowohl im Model Code 90 als auch in der Norm spezifische Erkenntnisse zu den Auswirkungen unterschiedlicher Stabdurchmesser und Expositionsbedingungen, da lediglich der Extremfall „Meerwasser“ berücksichtigt wird [9]. Abb. 4: Wöhlerlinien nach DIN EN 1992-2/ NA nach [9] Weirich [4] untersuchte die Ermüdungskorrosion von ungeschütztem Betonstahl in korrosiven Lösungen, um den Einfluss gleichzeitiger Schwingungs- und Korrosionsbeanspruchung auf den Schadensverlauf zu ermitteln. Es wurden Lösungen für vier Expositionsklassen verwendet: X0 (gesättigte Calciumhydroxid-Lösung, pH-=-12,6), XD3/ XS3 (Calciumhydroxid-Lösung mit 3,0 M-% Chlorid, tausalzhaltiges Spritzwasser/ Meeresspritzwasser), XC4 (Calciumcarbonat-Lösung, pH = 8,0) und XD1 (Calciumcarbonat-Lösung mit 1,0 M-% Chlorid, tausalzhaltiger Sprühnebel). Die Ergebnisse zeigten eine deutliche Unterschreitung der Wöhlerlinien für d = 16- mm [8,- 9]. Zudem beeinflusste der Durchmesser der Stäbe die Schwingfestigkeit. Stäbe mit d = 40 mm wiesen eine geringere Festigkeit als solche mit d = 16 mm. Ein signifikanter Unterschied in der Schwingfestigkeit wurde bis zu einem Durchmesser von 25 mm jedoch nicht festgestellt [8, 10]. Weitere Untersuchungen von Li [11] bestätigten, dass das Versagen korrodierten Stahls in Ermüdungsversuchen von der Korrosionsnarbe ausgeht. Querschnittsverluste 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 159 Ermüdungsverhalten von Betonstählen nach Chloridbeanspruchung von rd. 15-% führten zu einer Reduktion der Schwingfestigkeit um rund 70-%. An den Korrosionsnarben entstehen Spannungs-konzentrationen, die die Streckgrenze des Stahls, welche einen entscheidenden Einfluss auf die Ermüdungsfestigkeit hat, herabsetzen. Diese Narben verkürzen den Einschnürungsbereich der Spannungs- Dehnungskurve und verringern die Dehnung. Im fortgeschrittenen Stadium kann eine Reduktion der Bewehrungsduktilität zu einer potenziellen Gefährdung der gesamten Konstruktion führen [12]. Die aktuelle Literatur belegt, dass die Schwingfestigkeit von Betonstahl durch die gleichzeitige Beanspruchung durch Ermüdung und Korrosion signifikant reduziert wird. Es bestehen jedoch noch grundlegende Lücken in den Erkenntnissen über die maßgeblichen Einflussgrößen. Das Ziel ist, den Zustand von nicht vorgespannten, schwingungsbeanspruchten Bauteilen zu bewerten und deren Restlebensdauer zu ermitteln. Darüber hinaus sollen Konzepte zur Bemessung von Bauteilen entwickelt werden, die unter kombinierten Belastungen aus Ermüdung und chloridinduzierter Korrosion stehen. Erste Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt. 2. Experimentelle Untersuchungen und Ergebnisse 2.1 Materialien Untersucht wird Betonstahl des Typs B500B mit Durchmessern von 25 und 32 mm, da dieser Bereich als besonders kritisch für die Thematik eingestuft wurde und hier gleichzeitig bisher nur begrenzte Erkenntnisse vorliegen, vgl. Tab.-1. Der Betonstahl wurde nach dem TEMPCO- RE-Verfahren gefertigt und vollständig zu einem festgelegten Zeitpunkt direkt aus der laufenden Produktion entnommen, um mögliche Einflüsse aus dem Abnutzungsgrad der Profilierungswalzen weitgehend auszuschließen. Tab. 1: Mittelwerte der mechanischen Kennwerte des Betonstahls Ø R m R e A gt E mm N/ mm² N/ mm² % N/ mm² 25 680 579 12,7 225.600 32 663 563 11,4 240.400 Mit: Ø : Durchmesser R e : Streckgrenze R m : Zugfestigkeit E: E-Modul A gt : Gesamtdehnung bei Höchstlast Um zu einem späteren Zeitpunkt den Einfluss der erzeugten Korrosionsnarben auf die Ermüdungsfestigkeit bewerten zu können, wurden zunächst für die ungeschädigten Betonstähle die Wöhlerlinie bei konstanter Oberspannung im Zug-Schwellbereich gemäß DIN 50100: 2016-12 [7] ermittelt. Für diese Referenzserie wurden insgesamt 30 Proben mit einer einheitlichen Länge von etwa 840 mm geprüft, vgl. Abb.-5. Die Schwingbreiten wurden entsprechend des relevanten Bereich gemäß DIN EN 1992-2/ NA [8] variiert. Für den Durchmesser 25-mm betrugen sie 145, 175 und 200 N/ mm², während sie für den Durchmesser 32 mm 125, 145 und 175-N/ mm² betrugen. Ein Großteil der Proben wurde jedoch bei Erreichen des zuvor festgelegten Durchläuferkriteriums (10.000.000- Zyklen) bruchlos gestoppt, sodass vorerst keine Referenz-Wöhlerlinien erzeugt werden konnten. Abb. 5: Beispiel eines eingebauten Referenzstabes in der Großlastresonanzprüfmaschine POWER SWING 1.500 kN MOT [13] 2.2 Einfluss mechanischer Schädigung auf das Ermüdungsverhalten Um zu beurteilen, ob und in welchem Maße der untersuchte Bewehrungsstahl ein bruchmechanisches Verhalten aufweist, wurden die Schädigungen anfänglich durch einen mechanischen Fräsvorgang induziert. An insgesamt 52 Proben wurden der erzeugte Querschnittsverlust (5-%; 10-%; 20-%; 30-%), der Durchmesser der Bohrung (8 mm; 16 mm) und die geometrische Ausprägung des Fräskopfes (halbrund; kegelförmig; zylindrisch) variiert. Bei Betrachtung der Ergebnisse der Prüfkörper mit halbrunder Bohrung (Ø 16 mm) deutete sich zunächst ein exponentieller Zusammenhang zwischen Querschnitts- 160 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Ermüdungsverhalten von Betonstählen nach Chloridbeanspruchung verlust und Dauerschwingfestigkeit an, vgl. Abb.-6. Darüber hinaus schienen Querschnittsverluste im Bereich von ≤-5-% unkritisch zu sein, da hier ausschließlich Durchläufer erzielt wurden. Abb. 6: Bruchschwingspielzahlen der Prüfkörper mit einseitig halbrunder Bohrung (Ø 16 mm) Bezieht man nun zusätzlich die Ergebnisse der Prüf körper mit zylindrischer Bohrung (Ø 16 mm, 5 %) sowie doppelseitig halbrunder Bohrung (Ø 16 mm, 2 - 5-%) ein, scheinen sich die zuvor aufgestellten Thesen nicht zu bestätigen, vgl. Abb.-7. Während bei der zylindrischen Bohrung im Mittel Bruchschwingspielzahlen unter 1.000.000-Zyklen erzielt wurden, waren alle Prüf körper mit doppelseitig halbrunder Bohrung Durchläufer. Dies deutet darauf hin, dass in erster Linie die morphologische Ausprägung der Schädigung maßgeblich für das Dauerschwingverhalten des Bewehrungsstahls ist und dieser folglich bruchmechanischen Phänomenen unterliegt. Abb. 7: Bruchschwingspielzahlen der Prüfkörper mit halbrunder (Ø 16 mm), zylindrischer (Ø 16 mm, 5 %) und doppelseitig halbrunder (Ø 16 mm, 2 - 5 %) Bohrung 2.3 Einfluss chloridinduzierter Korrosionsnarben auf das Ermüdungsverhalten Um spezifischen Korrosionszuständen entsprechende Dauerschwingfestigkeiten zuordnen zu können, wurden im nächsten Schritt zunächst realitätsnahe Korrosionsnarben auf dem Betonstahl erzeugt. Zu diesem Zweck werden Verbundkörper mit mittig liegendem Bewehrungsstab hergestellt, vgl. Abb.-8. Über einen zentrisch erzeugten Trennriss (> 0,2 mm) wurde der Stahl mit korrosiver Lösung beaufschlagt, wodurch eine möglichst realistische Schädigungssituation geschaffen werden sollte. Während die Verbundkörper durch die eindringende Lösung korrodieren, wurden die Elementströme in der Dreielektrodenkonfiguration (Referenz-, Arbeits- und Gegenelektrode) gemessen und der Korrosionsvorgang mittels anodischer Polarisation beschleunigt. Nach einer variierenden Beaufschlagungsdauer wurden die Prüfkörper ausgebaut, der Beton entfernt und der Korrosionsbereich fotografisch dokumentiert. Um eine Analyse der relevanten morphologischen Eigenschaften der Korrosionsnarben zu ermöglichen, wurden der Korrosionsbereich mittels Glasperlenstrahlen gereinigt und anschließend mit einem 3D-Scanner vermessen, bevor die Dauerschwingfestigkeit der Prüfkörper bestimmt wurde. 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 161 Ermüdungsverhalten von Betonstählen nach Chloridbeanspruchung Abb. 8: Schematische Darstellung des Prüfkörper-konzepts zur Korrosionsnarbenerzeugung Nachfolgend werden stichpunktartig die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse darstellt, die zum aktuellen Zeitpunkt bereits vorliegen: • Plastisch vorbelastete Stähle, d. h. Stähle, die im Rahmen der Trennrisserzeugung bis in die Streckgrenze belastet wurden, versagten ausnahmslos ausgehend von einer Korrosionsnarbe und erreichten Bruchschwingspielzahlen in einem Bereich zwischen 493.779 und 1.054.949 Zyklen. Der Mittelwert betrug 704.103 Zyklen, was einer prozentualen Abminderung von über 90-% gegenüber der ungeschädigten Referenz entspricht. • Die Ausprägung der Korrosionsnarben erweist sich bei den plastisch vorbelasteten Stählen als irrelevant. Dies könnte darauf zurück zu führen sein, dass infolge der plastischen Vorlast Gefügestörungen im Bereich der Korngrenzen entstanden sind, die bei der späteren Korrosion als bevorzugte Angriffsstelle dienen konnten. Durch die tieferliegende interkristalline Korrosion wird die Rissentstehungsphase möglicherweise beschleunigt, was die Schwingfestigkeit herabsetzen kann. • Stähle, die im Rahmen der Trennrisserzeugung lediglich einer Last im linear elastischen Bereich ausgesetzt waren, erreichten im Mittel rd. 2.300.000 Zyklen und somit 77 % weniger als die Referenz. Dabei versagte etwa die Hälfte der Proben ausgehend von einer Korrosionsnarbe, während die andere Hälfte außerhalb des Korrosionsbereich versagte oder als Durchläufer klassifiziert wurde. • Die morphologische Analyse der bruchrelevanten Korrosionsnarben der elastisch vorbelasteten Proben ist noch nicht abgeschlossen, allerdings scheinen vergleichsweise flach ausgeprägte Narben mit geringen Kerbrandwinkeln in Bezug auf das Ermüdungsverhalten besonders kritisch zu sein. 3. Fazit und Ausblick Stahlbetonbauwerke, insbesondere Brücken oder Parkbauten, die zyklischen Ermüdungsbeanspruchungen unterliegen, sind häufig korrosiven Umwelteinflüssen ausgesetzt. Korrosive Substanzen gelangen über Risse in das Betonbauteil und diffundieren bis zur Bewehrung, wo sie lokal begrenzte Schäden initiieren. Die aktuelle Literatur zeigt, dass die simultane Einwirkung dynamischer Lasten und korrosiver Angriffe zu einer signifikanten Reduktion der Lebensdauer des Bauteils führen, die von den derzeit gültigen Bemessungsnormen nicht adäquat abgebildet werden kann. Erste Versuche mit künstlich induzierten Querschnittsverlusten deuteten darauf hin, dass insbesondere die Geometrie der Schädigungen das Ermüdungsverhalten signifikant beeinflusst. Realitätsnahe Korrosionsnarben wurden durch elektrochemische Verfahren erzeugt, analysiert und dynamisch geprüft. Die bisherigen Ergebnisse belegen eine deutliche Reduktion der Dauerschwingfestigkeit insbesondere bei plastisch vorbelasteten Stählen. Weitere Analysen zur Relevanz der Narbenmorphologie sind noch im Gange. Neben der Tiefe sollen u. a. Kerbrand- und Kerböffnungswinkel der schwingfestigkeitsmindernden Korrosionsnarben analysiert werden, um eine quantifizierte Aussage über die „Scharfkantigkeit“ der Narbe zu erlauben. Darüber hinaus soll die Narbengeometrie mittels Funktionsanalyse angenähert werden, um darauf auf bauend potenziell bruchrelevante Paramter beschreiben und zukünftig identifizieren zu können. 162 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Ermüdungsverhalten von Betonstählen nach Chloridbeanspruchung Danksagung Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die finanzielle Unterstützung des Projekts „Resttragverhalten von korrosionsgeschädigten Betonstählen unter dynamischen Beanspruchungen“ (GZ: RA 650/ 32-1), die diese Forschung erst möglich gemacht hat. Literatur [1] Ahrens, M. A. (2011) Ein stochastisches Simulationskonzept zur Lebensdauerermittlung von Stahlbeton-und Spannbetontragwerken und seine Umsetzung an einer Referenzbrücke. [2] Läpple, V. (2008) Einführung in die Festigkeitslehre. Springer. [3] Radaj, D. V., M (2007) Ermüdungsfestigkeit. Berlin, Heidelberg Springer Berlin Heidelberg. [4] Weirich, T. (2013) Ermüdungsverhalten des Betonstahls unter Berücksichtigung möglicher Korrosionseinflüsse. [Dissertation] Ph. D. thesis, Universität Stuttgart, 138 pp. [5] Zilch, K. (2024) Bemessung im konstruktiven Betonbau. Springer. [6] Zerbst, U.; Madia, M.; Vormwald, M.; Beier, H. T. (2018) Fatigue strength and fracture mechanics-A general perspective. Engineering Fracture Mechanics. 198, 2-23. [7] DIN 50100: 2016 Schwingfestigkeitsversuch- Durchführung und Auswertung von zyklischen Versuchen mit konstanter Lastamplitude für metallische Werkstoffproben und Bauteile. Beuth Verlag Berlin. [8] DIN EN 1992-2/ NA: 2013-04, Nat. Anh.- EC 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken Teil 2: Betonbrücken- Bem.- und Konstruktionsregeln). Beuth Verlag Berlin [9] König, G.; Danielewicz, I. (1994) Ermüdungsfestigkeit von Stahlbeton-und Spannbetonbauteilen mit Erläuterungen zu den Nachweisen gemäß CEB-FIP Model Code 1990. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton. [10] Tilly, G. (1979) Fatigue of steel reinforcement bars in concrete: a review. Fatigue & Fracture of Engineering Materials & Structures. 2, 251-268. [11] Li, S.; Zhang, W.; Gu, X.; Zhu, C. (2011) Fatigue of reinforcing steel bars subjected to natural corrosion. The Open Civil Engineering Journal. 5. [12] Yi, W.-J.; Kunnath, S. K.; Sun, X.-D.; Shi, C.-J.; Tang, F.-J. (2010) Fatigue Behavior of Reinforced Concrete Beams with Corroded Steel Reinforcement. ACI Structural Journal. 107. [13] Kriescher, K.; Helm, C.; Raupach, M. (2023) Resttragverhalten von korrosionsgeschädigten Betonstählen unter dynamischen Beanspruchungen. Beiträge zur 10. DAfStb-Jahrestagung mit 62. Forschungskolloquium. 225-232.
