eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 9/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
0225
2025
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Denkmalschutz trifft Technische Regel Instandhaltung

0225
2025
Christian Schießl
Architektonisch herausragende Bauten und Konstruktionen in Stahlbetonbauweise der 50er bis 70er Jahre werden seit einigen Jahren zu Recht als Baudenkmale erkannt und zum schützenswerten baukulturellen Erbe erklärt. Mit 50 bis 70 Jahren Baualter haben die dem Brutalismus (Ableitung von béton brut = roher Beton) zugeordneten Baukonstruktionen ihre rechnerische Lebensdauer erreicht, insbesondere wenn sie äußeren Witterungseinflüssen ausgesetzt sind. Konstruktionen können sowohl technisch regelkonform als auch unter restauratorischen Gesichtspunkten instandgesetzt und typische Schadensbilder denkmalgerecht behoben werden. Für Betonkonstruktionen ist mit Stand 2024 die Technische Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt bundesweit als technisches Regelwerk baurechtlich eingeführt. Durch die hierin geregelte Anwendung von „gänzlich unsichtbaren“, nachweislich wirksamen Hydrophobierungen können unbeschichtete Betonsichtflächen regelkonform vor Witterungseinflüssen geschützt werden. Vorbehalten des Denkmalschutzes kann durch einen differenzierten Umgang mit der Bausubstanz und dessen Schadensbildern begegnet werden. Die Nachweisführung erfolgt über das Anlegen von Musterflächen und Wirksamkeitsprüfungen an hieraus entnommenen Bohrkernen. Somit stehen einzuhaltende, technische Anforderungen der Denkmalpflege nicht entgegen und können eingehalten werden. Für schadhafte Bereiche, bei denen i. d. R. die Korrosionsprodukte des Stahls Abplatzungen des Betons bereits bewirkt haben, ist ein anderes Instandsetzungsprinzip anzuwenden, welches mittels qualifizierten Instandsetzungsmörteln eine ebenengleiche Reprofilierung ermöglicht. Technisch gesehen könnte hier die Arbeit enden. Für das Baudenkmal bzw. alle Sichtflächen ist es jedoch unbedingt erforderlich, die restauratorische Überarbeitung von Beginn an mit im Blick zu haben und im gesamten Bauprozess zu berücksichtigen. Im Angleichen der überarbeiteten Schadstellen an den unbeschädigten Bestand, besteht eine hohe Kunstfertigkeit, die viel Erfahrung erfordert, um am Ende ein optisches und haptisches Ganzes zu ergeben.
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9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 237 Denkmalschutz trifft Technische Regel Instandhaltung Umgang mit denkmalgeschützten Stahlbetonfassaden Dipl.-Ing. Architekt Christian Schießl, M. BP. Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat GmbH, München Zusammenfassung Architektonisch herausragende Bauten und Konstruktionen in Stahlbetonbauweise der 50er bis 70er Jahre werden seit einigen Jahren zu Recht als Baudenkmale erkannt und zum schützenswerten baukulturellen Erbe erklärt. Mit 50 bis 70-Jahren Baualter haben die dem Brutalismus (Ableitung von béton brut = roher Beton) zugeordneten Baukonstruktionen ihre rechnerische Lebensdauer erreicht, insbesondere wenn sie äußeren Witterungseinflüssen ausgesetzt sind. Konstruktionen können sowohl technisch regelkonform als auch unter restauratorischen Gesichtspunkten instandgesetzt und typische Schadensbilder denkmalgerecht behoben werden. Für Betonkonstruktionen ist mit Stand 2024 die Technische Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt bundesweit als technisches Regelwerk baurechtlich eingeführt. Durch die hierin geregelte Anwendung von „gänzlich unsichtbaren“, nachweislich wirksamen Hydrophobierungen können unbeschichtete Betonsichtflächen regelkonform vor Witterungseinflüssen geschützt werden. Vorbehalten des Denkmalschutzes kann durch einen differenzierten Umgang mit der Bausubstanz und dessen Schadensbildern begegnet werden. Die Nachweisführung erfolgt über das Anlegen von Musterflächen und Wirksamkeitsprüfungen an hieraus entnommenen Bohrkernen. Somit stehen einzuhaltende, technische Anforderungen der Denkmalpflege nicht entgegen und können eingehalten werden. Für schadhafte Bereiche, bei denen i. d. R. die Korrosionsprodukte des Stahls Abplatzungen des Betons bereits bewirkt haben, ist ein anderes Instandsetzungsprinzip anzuwenden, welches mittels qualifizierten Instandsetzungsmörteln eine ebenengleiche Reprofilierung ermöglicht. Technisch gesehen könnte hier die Arbeit enden. Für das Baudenkmal bzw. alle Sichtflächen ist es jedoch unbedingt erforderlich, die restauratorische Überarbeitung von Beginn an mit im Blick zu haben und im gesamten Bauprozess zu berücksichtigen. Im Angleichen der überarbeiteten Schadstellen an den unbeschädigten Bestand, besteht eine hohe Kunstfertigkeit, die viel Erfahrung erfordert, um am Ende ein optisches und haptisches Ganzes zu ergeben. 1. Historische Einordnung einer neuen Bauaufgabe 1.1 Die Geburtsstunde des „béton brut“ Es gibt wohl Vorläufer bis ins alte Rom, auf die man sich ausführlich beziehen könnte, aber als Geburtsstunde unserer Betrachtung wird gerne auf eine Ikone der Nachkriegsmoderne und einen seiner bedeutendsten Protagonisten, den Architekten Le Corbusier, verwiesen. Mit dem Auftrag zur Unité d’habitation in Marseille wird Le Cobusier kurz nach Ende des 2. Weltkriegs beauftragt. Ihm wurde erlaubt, alle seine Gedanken und Glaubenssätze modernen Wohnungsbaus in ein einziges Gebäude einfließen zu lassen; städtebaulich, architektonisch, gesellschaftlich und auch konstruktiv. Die Unité, umgangssprachlich als Wohnmaschine bezeichnet, war nicht nur beeindruckend in Bezug auf seine Ausdehnung (141 m x 23 m x 53 m), seine 530 Wohnungen in einem Gebäude, die Abbildung der Funktionen einer ganzen Stadt in nur einem einzigen Gebäude, seine Abgehobenheit auf „Pilotis“ stehend auf ansonsten unbebautem Grund, es war zudem das erste Gebäude vollständig in rohem Beton konstruiert. Abb. 1: Unité d’Habitation, Marseille Photo: Paul Kozlowski ©FLC/ ADAGP Le Corbusier war fasziniert von den Möglichkeiten des Stahlbetonbaus - schlanke Querschnitte der Bauteile, aufgelöste Grundrisse, aber ebenso die skulpturalen Potentiale des in Schalung gegossenen Baustoffs. 238 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Denkmalschutz trifft Technische Regel Instandhaltung Er selbst beschreibt die Haptik dieses neuartigen Materials so: „Sichtbeton zeigt die kleinsten Zwischenfälle in der Schalung, die Fugen, die Bretter, die Fasern und Astlöcher des Holzes. Aber sie sehen großartig aus, sie sind interessant zu beobachten und denjenigen mit ein bisschen Fantasie sind sie eine gewisse Bereicherung.“ Le Corbusier versuchte, die Mängel an der Außenfassade der Unité zudem durch Vielfarbigkeit der Loggien zu kontrastieren. Das Farbenspiel ermöglichte es, die graue Masse aus Sichtbeton mit Hilfe von Kontrasten auszugleichen. Es ist also für alle Schmäher dieser Bauweise bedeutsam zu erwähnen, dass ihr frühester Meister sehr wohl erkannte, dass das Material nicht allein, sondern erst im Zusammenspiel mit Licht und Farbe, Form und differenzierter Oberfläche Kraft entfaltet. Das unvermeidbar fehlerhafte und raue bezeichnete Le Cobusier als Ausdruck einer neuen Ästhetik des Sichtbeton. Er begründete damit eine neue Form des Umgangs mit Beton, bekannt als „béton brut“ (roher oder nackter Beton). Der Begriff des Brutalismus ist hiervon abgeleitet, also keineswegs vom Wort brutal. „Der Bau der Unité Marseille hat der neuen Architektur die Gewissheit gebracht, dass armierter Beton als Rohmaterial verwendet, ebenso viel Schönheit besitzt wie Stein, Holz oder Backstein“ (Le Corbusier 1952). 1.2 „Die 2. Nachkriegsmoderne“ Die 70er Jahre - Beton Pur Ab Mitte der 60er Jahre, also beinahe 20 Jahre später, wird die sogenannte „zweite Nachkriegsmoderne“ eingeläutet. Sie wird gefördert durch das hohe Wirtschaftswachstum und dominiert von der massiven Bauaktivität auch in deutschen Städten. Neben der Wohnungsnot in den Großstädten, dem Trend der städtbaulichen Verdichtung und dem allgemeinen Drang neuer, freier Typologien werden städtebauliche Großstrukturen gebaute Realität. Le Corbusiers Unité wird vielfach aufgegriffen und facettenreich als Vorbild verwendet. Der Funktionalismus steht häufig im Vordergrund. Die serielle Vorfertigung, die Elementierung der Bauteile und deren Fügung wurden häufig zum prägenden Charakteristikum. Der pure, ungestrichene, zunehmend anspruchsvoll geschalte Beton bestimmte das haptische Erscheinungsbild. Abb. 2: Olympiadorf München 1972, Foto: Alessandra Schellnberger, SZ-online 1.3 Heute, 50 Jahre später: Kulturdenkmale der 1960er und 1970er Jahre Diese Stahlbetonbauten der 1960er und 1970er Jahre prägen immer noch Ausschnitte des Stadtbilds mancher deutschen Ortschaft und Stadt. Eine Vielzahl von Verwaltungsgebäuden, Kirchen, Schulen, Hochschulen und verdichteten Wohnungsbauten entstand in diesem Zeitraum. Ihr Äußeres prägen Sichtbeton, bisweilen Faserzement und elementierte Aluminium-/ Glaskonstruktionen. Gestalterisch hochwertige Architekturen wurden mit viel Experimentierfreude geschaffen. Die skulpturalen Qualitäten der Stahlbetonbauweise werden nun bewusst ausgeschöpft. Das erstarkte Demokratieverständnis der Zeit und der Glaube an den technologischen Fortschritt findet seinen Ausdruck. Sie haben aus damaliger Sicht neue, besondere Qualitäten. Die Denkmalpflege hat erkannt, dass es ihre Aufgabe ist, aus der großen Zahl der Bauten insgesamt die bedeutenden und authentisch überlieferten als Kulturdenkmale herauszufiltern und zu schützen, denn die heute oft ungeliebten, häufig als farblos und kalt abgetanen Bauten, spiegeln eine Zeit des Auf bruchs, der freiheitlich demokratischen Ideen und Möglichkeiten wider. Diese nunmehr rund 50 Jahre alten Bauten haben häufig bereits eine oder mehrere Instandsetzungszyklen hinter sich. In der Vergangenheit hieß dies i. d. R. Schadstellenreprofilierung und flächendeckende Beschichtung, i. d. R. in deckendem Grau zum Schutz des Betons. Mit der homogenisierenden Beschichtung hat freilich der lebendige Charakter der Oberfläche und seine farbliche und strukturelle Tiefe der sonst streng gegliederten Bauwerke vielfach massiv an Kraft verloren, was sicher zu seiner abnehmenden Wertschätzung beigetragen hat. 1.4 Wärmeschutz der 2. Nachkriegsmoderne - Bauphysik Nähert man sich den bautechnischen Anforderungen dieser Zeit, kommt man an einer knappen Analyse der Anforderungen des Wärmeschutzes dieser Epoche nicht vorbei, denn sie stellt auch einen Schlüssel zum Konstruktionsverständnis der Zeit dar. Mit der ersten DIN 4108 „Wärmeschutz im Hochbau“ wurde 1952 der „Mindestwärmeschutz“ eingeführt, der das Ziel hatte, die Wohngesundheit entscheidend zu verbessern. Tauwasservermeidung auf den Innenoberflächen der Bauteile war das Kriterium. Die Anforderung des Wärmeschutzes wurden in dieser Phase aus dem in Deutschland üblichen Mauerwerksbau abgeleitet und dienten nur der Einhaltung hygienischer Mindestanforderungen. Die hohen Energiebedarfe, hervorgerufen durch geringe Dämmwirkung der Außenbauteile und luftundichte Bauweisen kompensierten die aus heutiger Sicht minderwertigen Detaillösungen und vermieden gleichzeitig erhebliche hygienische Probleme. Mit leichten Änderungen blieb der schwache Mindestwärmeschutz bis Ende der 70er bestehen. Die Anforderungen aus dem Mindestwärmeschutz wurden erst durch die 1.- Wärmeschutzverordnung WSVO von 1977 überholt, die klar als Reaktion auf die 1. Energiekrise im Herbst 1973 zu sehen ist und nun das Ziel der Energieeinsparung erstmals in den Fokus der Betrachtung rückt. 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 239 Denkmalschutz trifft Technische Regel Instandhaltung Monolithische Stahlbetonkonstruktionen erfüllten die definierten Wärmeschutzanforderungen der Zeit nicht, weswegen vorgehängte Konstruktionen die Regelkonstruktion darstellten. In den 60er Jahren z. T. ganz ohne Dämmung zwischen den Schalen, etabliert sich ab den 70er Jahren i. d. R. die mineralfasergedämmte, zweischalige Bauweise, bei der die vorgehängte Schale mit der tragenden Primärkonstruktion häufig über eine Konsole am Vorhangelement in die Konstruktion z. B. im Bereich der Geschossdecken eingebunden wurde. Die statische Nachweisbarkeit dieser wenig redundanten Konstruktionen gestaltet sich heute häufig schwierig bis nicht möglich. Abb.-3: Bsp. Einer vorgehängten, vorgefertigten Stahlbetonkonstruktion (Fassadenelement), nicht redundant befestigt 1.5 Dauerhaftigkeit von Stahlbetonfassaden 1.5.1 Carbonatisierung und Korrosion Beton wird aus Zement, Wasser und mineralischen Zuschlägen hergestellt. Während der Hydratation des Zements werden so genannte CSH-Phasen gebildet, die für das Erstarren des anfangs flüssigen Baustoffs und die anschließende Festigkeitsentwicklung maßgebend sind. Gleichzeitig bildet sich im Beton ein hochalkalisches Milieu mit pH-Werten > 13,0 aus. Unter diesen Bedingungen entsteht auf der Bewehrungsoberfläche eine so genannte Passivschicht, die die eingebettete Betonstahlbewehrung dauerhaft vor Korrosion schützt. Es entsteht der Kompositwerkstoff Stahlbeton, der deshalb so leistungsstark ist, weil der Beton optimal zur Druckaufnahme und der Stahl zur Zugaufnahme geeignet ist und gleichzeitig die Alkalität Porenlösung den Korrosionsschutz des eingebetteten Stahls sicherstellt. Verarbeitbarkeit, Druckfestigkeit und Porosität des Betons werden wesentlich von dem so genannten Wasser- Zement-Wert (w/ z-wert), d. h. dem Verhältnis von Wasserzu Zementgehalt bestimmt. Bei w/ z-Werten von 0,4 bis 0,45 wird das Wasser praktisch vollständig chemisch gebunden. Höhere w/ z-Werte bedeuten eine größere Menge an Wasser, welches zwar zur besseren Verarbeitbarkeit hilfreich und früher notwendig war, beim Prozess der Erhärtung aber nicht mehr chemisch gebunden wird und so durch Verdunstung sukzessive aus dem erhärteten Beton austrocknet und somit einen erhöhten Porenraum hinterlässt. In diesem Porensystem kann Kohlendioxid aus der Atmosphäre in den Beton eindringen und den alkalischen Zementstein neutralisieren („Carbonatisierung“). Wenn die Carbonatisierung von der Betonoberfläche bis zur Bewehrungsoberfläche fortschreitet, wird die anfangs gebildete Passivschicht zerstört und der Bewehrungsstahl kann bei Anwesenheit von Wasser aus Kondensatfeuchte und Niederschlägen korrodieren („carbonatisierungsinduzierte Korrosion“). Die dabei entstehenden, volumenvergrößerten Korrosionsprodukte führen zu Rissbildung und Abplatzungen in der Betondeckung, der durch die Korrosion verminderte Stahlquerschnitt reduziert die Tragfähigkeit. Abb.-4: Mechanismus der Carbonatisierung 1.6 Anforderung im Betrachtungszeitraum „2.-Nachkriegsmoderne“ Mit zunehmender Kenntnis des oben beschriebenen Schadensmechanismus wurden die Anforderungen an exponierte Stahlbetonoberflächen - im hier vorliegen- 240 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Denkmalschutz trifft Technische Regel Instandhaltung den Fall frei bewitterte Fassadenbauteile - sukzessiv angepasst. Die wesentlichen Faktoren zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit sind dabei die Betonqualität, charakterisiert durch den w/ z-Wert für ein dichtes Betongefüge mit hohem Carbonatisierungswiderstand und geringem Wasseraufnahmekoeffizienten, sowie die Betondeckung der Bewehrung. Betondeckung: Ab den 1950er wurde mit der Erforschung der Schadensmechanismen insbesondere der Bewehrungskorrosion begonnen. Die für den Neubau maßgebende DIN 1045 von 1943 wurde erst wieder 1972 novelliert und die Anforderung an die (mittlere) Betondeckung von 15 mm bzw. 20 mm auf 30 bzw. 35 mm bei korrosionsfördernden Einflüssen angepasst. Nachdem Mindestüberdeckung nicht gefordert wurden, sind insbesondere bei schlanken Bauteilen in Teilbereichen regelmäßig Betondeckungen < 10 mm festzustellen. Eine echte Anhebung erfolgte erst mit der DIN 1045: 1988, in der erstmals Mindest- und Nennmaße der Betondeckung definiert wurden. w/ z-Wert: Während noch in der DIN 1045: 1943 die Wasserzugabe nur „nach Konsistenz“ vorgegeben wurde, wurden konkrete Anforderungen an den w/ z-Wert erstmals in der DIN 1045: 1972 definiert (w/ z-Wert < 0,75 (Z 35) bzw. < 0,65 (Z 25)). Eine Einschränkung auf w/ z-Werte < 0,60 bei Außenbauteilen erfolgte mit DIN 1045: 1988, doch das heute gebräuchliche deskriptive System, das w/ z-Wert, Mindestzementgehalt und Betonfestigkeit mit den Expositionsbedingungen koppelt, wurde erst mit der DIN 1045: 2001 eingeführt. Somit bedient sich -ähnlich wie auch im Wärmeschutzdie 2. Nachkriegsmoderne auch zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit noch im Wesentlichen der technischen Regeln der Nachkriegszeit. Trotz wissenschaftlicher Kenntnis dauerte es bis in die frühen 80er Jahre, bis regeltechnisch wirksame Anpassungen erfolgten. Ein Erhalt der Bausubstanz aus dieser Epoche lässt sich nur sicherstellen, wenn sowohl heutige Hygieneanforderungen gleichbedeutend mit einer Einhaltung des Mindestwärmeschutzes gewahrt werden und gleichzeitig die Standsicherheit und Verkehrstauglichkeit der Bauteile bzw. des Gebäudes unter Einhaltung geltender Instandsetzungsregeln wiederhergestellt werden. 2. Denkmalpflege vs. Instandsetzungsrichtlinie 2.1 Der „minimalinvasive“ Ansatz der Denkmalpflege Die Grundprinzipien der modernen Denkmalpflege wurden erstmals 1964 in der Charta von Venedig [1] zusammengefasst. Die Charta gilt bis heute als zentrale und international anerkannten Richtlinie in der Denkmalpflege. Ein Baudenkmal im Sinne der Charta ist ein zu bewahrendes, kulturhistorisches Zeitzeugnis. Bei dessen Restaurierung sollen nach Möglichkeit Maßnahmen angewandt werden, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und die Eingriffe in die historische Bausubstanz auf ein unbedingt notwendiges Maß beschränken. Diese Kernaussagen der Charta decken sich mit vielfachen Erfahrungen, die Bauschaffende mit Denkmalpflegern machen. Es ist ein hohes Gebot der Denkmalpflege möglichst nur „minimalinvasiv“ einzugreifen. Eingriffe sollen in keinem Fall dazu führen, den überlieferten Bestand durch Ergänzung seiner Authentizität zu berauben, oder durch den Eingriff Gefahr zu laufen, den ursprünglichen Zustand dauerhaft und irreversibel zu (zer-)stören. 2.2 Hydrophobierende Imprägnierung in der Denkmalpflege Hydrophobierungen (Begriff der TR-Instandhaltung) oder hydrophobierende Imprägnierungen (Begriff nach [2]) finden seit den 1950er Jahren in der Bauwerkskonservierung Anwendung und blicken somit auf eine lange Entwicklungsgeschichte. Wesentliche Aspekte der Weiterentwicklung sind eine gesteigerte Eindringtiefe und ein verringerter Diffusionswiderstand. Die anfangs verwendeten Siliconharze sind durchweg durch Silan- Siloxangemische als Flüssigkeiten oder Cremes abgelöst worden. Abb.-5: Anwendungszeiträume unterschiedlicher siliziumorganischer Hydrophobierungssysteme [2] Bei den ersten Generationen der Hydrophobierungen hat die Feuchtehinterwanderung an Fehlstellen, Rissen und Bereichen mit anisotropem Saugverhalten in der Vergangenheit zu Schäden geführt, die in der Literatur mit „Schalenbildung“ beschrieben werden. Diese Schalenbildung entsteht durch Eisbildung unter der hydrophobierten Oberfläche, wenn kapillar aufgenommenes Wasser nicht mehr natürlich entweichen kann. Bei hydrophobierenden Imprägnierungen handelt es sich um synthetische Polymere, die in ihrer Anwendung aus Sicht der Denkmalpflege allein dadurch kritisch zu hinterfragen sind, da sie den ursprünglichen mineralischen Untergrund dauerhaft und mit dem Potenzial der nachhaltigen Schädigung mit einem Kunststoff überziehen bzw. schlimmer noch „den Porenraum des Substrats tiefgreifend verändern“ [[4]]. Entscheidungsgrundlagen über die Verwendbarkeit, die insbesondere die Eigenschaften des Untergrundes betrifft, müssen daher erst über bauwerkspezifische Voruntersuchungen des mineralischen Untergrundes und eine differenzierte Bewertung der Notwendigkeit und Eignung der Anwendung erarbeitet werden. 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 241 Denkmalschutz trifft Technische Regel Instandhaltung Beton, historischer Beton: Für die Anwendung auf modernem, dichtem Beton gibt es durchaus geeignete Hydrophobierungsmittel (monomere Silanverbindungen), die zu einer Wasserabweisung und damit, insbesondere durch Verlangsamung der Karbonatisierung, zum Schutz der Bewehrung führen. Allerdings sind historische Betone häufig durch ein sehr heterogenes Gefüge mit offenporigen, bindemittelarmen Bereichen charakterisiert. Hier ist die Applikation einer Hydrophobierung aufgrund der möglichen Risiken [Anm. angespielt wird auf die Schalenbildung] äußerst kritisch zu hinterfragen [3]. Betone der 2. Nachkriegsmoderne dürften aber weder als „moderner Beton“ noch als „historischer Beton“ gelten. Eine differenzierte Betrachtung ist notwendig. Das zitierte Dokument [3] ist aus dem Jahr 2016, also verhältnismäßig aktuell. Der VDL ist die „Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern“, bindet also die deutschen Entscheidungsträger der Denkmalpflege unter einem Dach. Hydrophobierungen werden keinesfalls als bedenkenlos einsetzbar angesehen, das Gegenteil ist der Fall. 2.3 Hydrophobierungen der neuen Generation - Tiefenhydrophobierung Heute basieren wirksame Hydrophobierungen auf langkettigen Silanen und werden mithilfe eines Trägermaterials, z. B. Bentonit, als Hydrophobierungsgel aufgebracht. Sie bilden nach dem Eindringen eine mehrere Millimeter tief hydrophob wirkende Auskleidung des Porenraumes unter der Betonoberfläche, die dem eindringenden Wasser die Oberflächenspannung nimmt und somit kapillares Saugen in der Betonrandzone verhindert. Ermöglicht wird dies durch die hohe Eindringtiefe des Wirkstoffs von circa 6 bis 10 Millimetern. Die Betonrandzone bleibt wasserdampfdurchlässig. Während das Gel in die Betonrandzone eindringt, reagieren die Silane mit dem an den Porenwänden kondensierten Wasser. In einem weiteren Reaktionsschritt vernetzen sich die entstandenen Silanole untereinander und mit dem Zementstein zu Polysiloxanen. Dabei bildet sich eine hydrophobe, chemisch untrennbar mit dem Zementstein verbundene Schicht. Diese Schicht verhindert das kapillare Saugen. Ab einer Mindesteindringtiefe des Wirkstoffs von 60 mm spricht man definitionsgemäß von einer Tiefenhydrophobierung. Neben der Mindesteindringtiefe ist zum Unterbinden der kapillaren Saugfähigkeit auch eine Mindestwirkstoffmenge in der imprägnierten Randzone erforderlich. Der Abstand senkrecht zur Oberfläche, bei dem die kritische, mindestens notwendige Menge Wirkstoff zur Verhinderung von kapillarem Flüssigkeitstransport gerade noch nachweisbar ist, entspricht der effektiven Eindringtiefe [4]. Abb.-6: Wasseraufnahmekoeffizient und Wirkstoffgehalt im Tiefenprofil -Grafische Darstellung ©Ionys AG, Karlsruhe Nach einer erfolgreichen Hydrophobierung ist die kapillare Saugkraft Null. Über die Dampfphase kann dennoch Feuchtigkeit aus der Umgebung aufgenommen und abgegeben werden. Als UV-beständig gelten die Hydrophobierung nicht, so dass die Hydrophobierungen oberflächlich abwittern, die Tiefenwirkung bleibt dauerhaft erhalten. Abb. 7: Wirkungsweise einer Tiefenhydrophobierung 3. Zusammenspiel in der Ausführung 3.1 Instandsetzung von Sichtbetonfassaden nach der Technische Regel „Instandhaltung“ Die TR-Instandhaltung [3] hat 2020 die Rili SIB [4], die seit 2001 die Regeln zur Instandsetzung von Betonbauwerken definiert hat, abgelöst und ist das bauaufsichtlich eingeführte Regelwerk für die Instandsetzung und Instandhaltung von Stahlbetonbauwerken in Deutschland. Diese sieht in Abhängigkeit vom Bauwerkszustand zum Zeitpunkt der Maßnahme unterschiedliche Instandsetzungsprinzipien und -verfahren vor: 242 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Denkmalschutz trifft Technische Regel Instandhaltung Abb. 8: Instandsetzungsprinzipien nach [3] Liegen bereits Betonabplatzungen infolge der zuvor beschriebenen Mechanismen der carbonatisierungsinduzierten Korrosion vor, ist eine Instandsetzung gemäß dem Instandsetzungsverfahren 7.2 („Ersatz von chloridhaltigem oder carbonatisiertem Beton zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Passivität“) erforderlich. Dabei werden die betroffenen Oberflächenbereiche nach definierten Regeln von der Untergrundvorbereitung über klare Vorgaben an die technischen Eigenschaften der Produkte mittels kunststoffvergüteten Reprofilierungsmörteln kleinflächig wieder hergestellt. Für die Wiederherstellung des SOLL-Zustandes ist dies ein unerlässlicher Teilschritt. Betone oder klassische Mörtel ohne organische Zusätze sind häufig nicht verwendbar, da entweder die Auf baustärke nicht ausreichend oder die geforderte Leistungsfähigkeit bei dünnschichtigem Auftrag nicht gegeben ist. Die kritische Betrachtung der Verwendung unter denkmalpflegerischen Aspekten soll hier im Folgenden unberücksichtigt bleiben. Sofern zum Zeitpunkt der Maßnahme noch keine Rissbildung oder Abplatzungen vorliegen, ist alternativ eine Instandsetzung nach dem Instandsetzungsprinzip 8 („Erhöhung des elektrischen Widerstands“) möglich. Dabei werden im Unterschied zur Rili SIB in der TR IH „Hydrophobierungen“ (Verfahren 8.1) für das Erreichen bestimmter Instandsetzungsziele im vorliegenden Anwendungsfall den anderen Oberflächenschutzsystemen (Verfahren 8.3) gleichgestellt. Im Gegensatz zu den klassischen, filmbildenden und deckenden Oberflächenschutzsystemen, für die analog zur Rili SIB auch bei Anwendung der TR IH Mindestschichtdicken am Bauteil nach Ausführung einzuhalten sind, enthält die TR IH für das „Endprodukt Hydrophobierung“ keine allgemein gültigen und projektunabhängigen Vorgaben (z. B. Vorgaben zur Mindesteindringtiefe). Das bedeutet, dass der Planer objektspezifisch entsprechende Anforderungen zum Erreichen der Schutzziele stellen muss und somit einen deutlich höheren Grad an Planungsverantwortung trägt. Der Erfolg einer Hydrophobierungsmaßnahme nach der Technischen Regel Instandhaltung des DIBt hängt damit nicht nur von der Einhaltung fester Vorgaben des Regelwerks ab, sondern ist signifikant von einer entsprechenden Fachkenntnis des Planers geprägt. [7]. Die Wirksamkeit und die Dauerhaftigkeit ist nicht offensichtlich und muss daher über Kontrollprüfungen ermittelt werden. Daher empfiehlt es sich Musterflächen anzulegen mit möglichen Hydrophobierungen, hiervon Bohrkerne entnehmen, um die Wirksamkeit, Leistungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit vom tiefenabhängigen Wirkstoffgehalt und der Eindringtiefe (abhängig von Feuchtegehalt und Porosität) labortechnisch prüfen zu lassen. Am Beispiel Verfahren 8.1: Hydrophobierung zur Erhöhung des elektrischen Widerstandes im Beton werden die Anforderungen in der TR-I wie folgt beschrieben: • Wirksamkeit, Leistungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit sind vom tiefenabhängigen Wirkstoffgehalt bezogen auf den Beton und von der Eindringtiefe abhängig. • Die Eindringtiefe von Hydrophobierungen wird wesentlich durch den Feuchtegehalt bestimmt. • Die Oberfläche muss zur Erzielung einer großen Eindringtiefe möglichst trocken sein. • Die Wirkstoffmenge (Auftragsmenge und Wirkstoffgehalt) ist vom sachkundigen Planer vorzugeben. Zur Überprüfung der Aufnahmefähigkeit der Hydrophobierung sind Musterflächen anzulegen. • Risse mit einer Rissbreite bis 0,1 mm sind erlaubt, bei breiteren Rissbreiten entscheidet der sachkundige Planer. Wenn Risse nach der Hydrophobierung entstehen, kann die Schutzwirkung aufgehoben werden. • Wasser sollte nicht auf der Oberfläche stehen. • Eine möglicherweise nachlassende Wirkung einer Hydrophobierung kann visuell nicht festgestellt werden. Kontrollmessungen sind im Instandhaltungsplan zu berücksichtigen. 3.2 Kunsthandwerkliche Anpassung - Restauratorisches Finish Betonkosmetik Die betonkosmetische Bearbeitung einer Sichtbetonfläche bedeutet eine kunsthandwerkliche Anpassung aller maßgeblichen Aussehenskriterien einer Betonfläche (Farbe, Textur, ggf. Haptik und Glanz) an das Aussehen intakter umgebender Bereiche. Eine betonkosmetische Bearbeitung findet definitionsgemäß auf einer technisch intakten Bauteiloberfläche statt, betrifft also lediglich die Oberfläche des Bauteils oder reicht partiell in kleinen Bereichen bis maximal 3 - 5 mm in die Betonrandzone hinein. Werkstoffe müssen auf den Untergrund und ggf. über dem Feinspachtel zu ergänzenden Farb- und strukturimitierenden Farbaufträgen abgestimmt und verträglich sein. 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 243 Denkmalschutz trifft Technische Regel Instandhaltung Dünnschichtfarben Für die finale Farbangleichung werden patentierte zweikomponentige, silikatische Mineralfarben verwendet, die auch lasierend eingesetzt werden können. Die Wirkungsweise der Farben basiert auf dem Prinzip der Verkieselung: Hierbei geht das Bindemittel in einer chemischen Reaktion eine unlösbare Verbindung mit dem Untergrund ein und bleibt dadurch hoch wasserdampfdiffusionsfähig. Ein Abblättern des Anstrichs ist ebenso ausgeschlossen wie Feuchteansammlungen zwischen Beschichtung und Untergrund. Die Silikatfarben bestehen nur aus ausgewählten, natürlichen Rohstoffen. Die Kombination aus flüssigem Kaliumsilikat-Bindemittel, mineralischen Füllstoffen und anorganischen, lichtechten Farbpigmenten gewährleistet optimale bauphysikalische Eigenschaften, maximale Witterungsbeständigkeit und hohe Dauerhaftigkeit. Eine mögliche schematische Ausführung einer Betoninstandsetzungsstelle mit anschließender Tiefenhydrophobierung und Betonkosmetik zeigt Abb.-9. Abb.-9: Mögliche Kombination von Kleinschadstelleninstandsetzung und flächiger Hydrophbierung 4. Praxisbeispiel Wohnhochhaus in München Auf das Praxisbeispiel wird im Vortrag (vgl. Foliensatz des Vortrags) näher eingegangen, Abb.-10. Abb.-10: Arbeitsschritte der TR-I und denkmalgerechten Instandsetzung: 1.Reprofilierung inkl. Untergrundvorbereitung, 2. Feinspachtel, 3.Retuschierarbeiten, Fotos: Gandalf Hammerbacher Literatur [1] Charta von Venedig: Internationale Charta über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles (Denkmalbereiche) Venedig, 25.-31. Mai 1964 (Fassung von 1989). [2] WTA Merkblatt 3-17 Ausgabe 06.2010/ D: Hydrophobierende Imprägnierung von mineralischen Baustoffen, Fraunhofer IRB Verlag, Juni 2010. [3] VDL Arbeitsblatt Nr. 46: Zum Umgang mit Hydrophobierungen von mineralischen Oberflächen im Bereich der Denkmalpflege, Vereinigung der Landesdenkmalpfleger, November 2016. [4] Wittmann, F. H.; Meier, S. J. (2004) Empfehlungen für die Praxis. Internationale Zeitschrift für Bauinstandsetzen und Baudenkmalpflege 10, H. 4, S. 387-416. [5] Deutsches Institut für Bautechnik (2020) Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung). [6] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (2001) Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instand-setzungsrichtlinie Rili SIB) mit 1. Berichtigung Januar 2002, 2. Berichtigung Dezember 2005 und 3. Berichtigung Oktober 2014. [7] Schießl-Pecka A., Strehlein Doris: Einsatz von Hydrophobierungen nach der TR- Instandhaltung des DIBt, Beton- und Stahlbetonbau 2022, Heft 7 S. 488-497.