eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 9/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
0225
2025
91

Betonstahlkorrosion in Verkehrswasserbau – Mechanismen, Vorbeugung, Instandsetzung

0225
2025
Amir Rahimi
Andreas Westendarp
Bei Verkehrswasserbauwerken kann die Betonstahlkorrosion neben Chlorideinwirkung auch durch das Auslaugen des Betons in wasserdurchströmten Rissen (mit oder ohne Chlorideinwirkung) hervorgerufen werden. Die Korrosion geht in beiden Fällen mit einer Depassivierung der Betonstahloberfläche einher. Die carbonatisierungsinduzierte Betonstahlkorrosion ist beim Großteil der Verkehrswasserbauwerke aufgrund des hohen Feuchteangebots und des Wassergehalts des Betons von geringer Relevanz. In diesem Beitrag werden die Mechanismen der Betonstahlkorrosion in Verkehrswasserbauwerken aufgegriffen und dauerhafte Maßnahmen zur Vorbeugung einer Betonstahlkorrosion und zur Instandsetzung entsprechend geschädigter Bauwerke dargestellt. Eine differenzierte Betrachtung erfolgt für rissfreie und gerissene Betonbereiche sowie für die Einwirkung von Süßwasser und chloridhaltigem Wasser.
kevb910281
9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 281 Betonstahlkorrosion in Verkehrswasserbau - Mechanismen, Vorbeugung, Instandsetzung Dr.-Ing. Amir Rahimi Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe Dipl.-Ing. Andreas Westendarp Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe Zusammenfassung Bei Verkehrswasserbauwerken kann die Betonstahlkorrosion neben Chlorideinwirkung auch durch das Auslaugen des Betons in wasserdurchströmten Rissen (mit oder ohne Chlorideinwirkung) hervorgerufen werden. Die Korrosion geht in beiden Fällen mit einer Depassivierung der Betonstahloberfläche einher. Die carbonatisierungsinduzierte Betonstahlkorrosion ist beim Großteil der Verkehrswasserbauwerke aufgrund des hohen Feuchteangebots und des Wassergehalts des Betons von geringer Relevanz. In diesem Beitrag werden die Mechanismen der Betonstahlkorrosion in Verkehrswasserbauwerken aufgegriffen und dauerhafte Maßnahmen zur Vorbeugung einer Betonstahlkorrosion und zur Instandsetzung entsprechend geschädigter Bauwerke dargestellt. Eine differenzierte Betrachtung erfolgt für rissfreie und gerissene Betonbereiche sowie für die Einwirkung von Süßwasser und chloridhaltigem Wasser. 1. Problemstellung Bei Verkehrswasserbauwerken entsteht die Betonstahlkorrosion i. d. R. durch das Erreichen eines kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalts an der Betonstahloberfläche aufgrund Chlorideinwirkung oder durch das Auslaugen des Betons in wasserdurchströmten Rissen und geschädigten Arbeitsfugen (mit oder ohne Chlorideinwirkung). Die Korrosion geht in beiden Fällen mit einer Depassivierung der Betonstahloberfläche einher. Die carbonatisierungsinduzierte Betonstahlkorrosion ist beim Großteil der Verkehrswasserbauwerke aufgrund des hohen Feuchteangebots und des Wassergehalts des Betons von geringer Relevanz. Die für den Wasserbau relevanten Szenarien der Betonstahlkorrosion lassen sich daher wie folgt gliedern: a. Chloridinduzierte Betonstahlkorrosion i. außerhalb von Rissbereichen ii. im Rissbereich b. Auslaugungsinduzierte Betonstahlkorrosion in wasserführenden Trennrissen In diesem Beitrag werden die oben genannten Korrosionsmechanismen, ihre Vorkommen im Verkehrswasserbau, die entsprechenden Maßnahmen und Regeln zur Verbeugung sowie Instandsetzungsmaßnahmen kurz dargestellt. Detaillierte Ausführungen sind [1, 2, 3] zu entnehmen. 2. Chloridinduzierte Betonstahlkorrosion 2.1 Mechanismen Aufgrund der hohen Zwangsspannungen treten in massigen Bauteilen von Verkehrswasserbauwerken häufig Trennrisse auf, die eine besondere Betrachtung der Betonstahlkorrosion in Rissbereichen erfordern. Die Mechanismen der chloridinduzierten Betonstahlkorrosion unterscheiden sich innerhalb und außerhalb von Rissbereichen. Während die Einleitungsphase zur Depassivierung der Bewehrung im nichtgerissenen Bauteil verhältnismäßig lang ist und bei der Dauerhaftigkeitsbemessung die Nutzungsdauer des Bauteils definiert, ist von einer i.-d.-R. raschen Depassivierung der Bewehrung im Bereich von Rissen auszugehen. Auch beim aktiven Korrosionsprozess, d. h. anodischer Eisenauflösung, unterscheiden sich die Randbedingungen im und außerhalb des Rissbereiches. Bei Korrosion im Rissbereich sind deutlich größere Potentialunterschiede zwischen depassiviertem Betonstahl im Riss und passiven Bewehrungsbereichen sowie ungünstigere Anoden-/ Kathodenverhältnisse zu erwarten. Aufgrund des i. d. R. sehr hohen Wassersättigungsgrads des Betons in Verkehrswasserbauwerken sowie des direkten Kontakts mit Wasser können vom anodisch wirkenden Bewehrungsstab weit entfernte gut belüftete Bewehrungsbereiche kathodisch mitwirken. Neben der Rissart (Trennrisse, die durch den gesamten Querschnitt verlaufen, und Biegerisse, die nur die Zugzone erfassen) kann auch die Rissorientierung (Längsrisse parallel zur oder entlang der Bewehrung sowie bewehrungskreuzende Querrisse) sowohl die Initiierung der Korrosion als auch die Korrosionsrate beeinflussen. Die Rissbreite als ein wesentliches Merkmal eines Risses weist sowohl bei der Depassivierung als auch bei der Geschwindigkeit der Korrosion nur eine untergeordnete Bedeutung auf, sofern sie weniger als etwa 0,5 mm beträgt (z. B. [4, 5, 6]). Die Rissbreite übt jedoch eine entscheidende Rolle im Hinblick auf das Selbstheilungsvermögen des Risses aus. Diese ist in DAfStb WU-RiLi [7] in Abhängigkeit von der maximalen Wasserdruckhöhe sowie vom Druckgefäl- 282 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Betonstahlkorrosion in Verkehrswasserbau - Mechanismen, Vorbeugung, Instandsetzung le (Quotient aus Wasserüberstauhöhe und Bauteildicke) definiert und variiert zwischen 0,1 und 0,2 mm. Weitere Voraussetzungen, die nach [7] ebenfalls für eine Selbstheilung der Risse erfüllt sein müssen, sind: ständige Wasserbeaufschlagung des Risses, besondere Beschaffenheit des Wassers (pH-Wert > 5,5, kalklösende Kohlensäure <- 40 mg/ l) sowie keine oder sehr geringe (weniger als 10-% der Rissbreite) Bewegung der Risse (z. B. infolge Temperaturänderung oder Änderung der Überstauhöhe). Diese Bedingungen sind nur in wenigen Bauteilbereichen tatsächlich und über längere Zeiträume gegeben. Weitere wichtige Randbedingungen mit Einfluss auf den gesamten Korrosionsprozess des Betonstahls sowohl im Rissbereich als auch außerhalb von Rissbereichen sind die Qualität und Dicke der Betondeckung, die mechanische Beanspruchung (Zugspannung der Bewehrung) und die Exposition. 2.2 Maßnahmen zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit des Bauwerks 2.2.1 Herausforderungen Verzicht auf günstige Bindemittel Die Bindemittelart spielt beim Chlorideindringwiderstand der ungerissenen Betondeckung eine entscheidende Rolle. So weisen Betone mit hohen Hüttensandgehalten (CEM III/ B) oder mit Zugabe von Flugasche oder Silicastaub einen deutlich höheren Chlorideindringwiderstand auf als Portlandzementbetone (CEM I) ohne weitere insbesondere latent hydraulische oder puzzolanische Hauptbestandteile. Die für den Chlorideindringwiderstand günstigen Bindemittelkombinationen können jedoch für einige andere Betoneigenschaften, insbesondere den Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand, ungünstig sein. An besonders exponierte Bereiche von massigen Verkehrswasserbauwerken (z. B. Wasserwechselzone von Schleusenkammerwänden im Meerwasserbereich) werden Anforderungen hinsichtlich Betonstahlkorrosion, Frost-Tausalz-Angriff und Begrenzung von hydratationsbedingten Zwangsrissen gestellt, deren gleichzeitige Erfüllung die Betontechnologie oft vor eine kaum lösbare Herausforderung stellt. Wegfall von günstigen Bindemittelkomponenten Hinzu kommt, dass die kurz- und mittelfristige Verfügbarkeit einiger Betonzusatzstoffe (Flugasche bzw. Hüttensand) zumindest nicht kontinuierlich gewährleistet ist. Mit dem daraus resultierenden Verzicht bzw. Wegfall bestimmter Bindemittelkomponenten kann eine chloridinduzierte Depassivierung des Betonstahls innerhalb langer Zielnutzungsdauern, wie sie im Verkehrswasserbau gegeben sind, nicht immer sichergestellt werden. Korrosionsrisiko im Rissbereich Wie in Abschnitt 2.1 aufgeführt stellen Risse bei Chlorideinwirkung unabhängig von der Rissbreite ein generelles Korrosionsrisiko für die Bewehrung dar (je nach Exposition und Randbedingungen von sehr gering bis sehr hoch). Von einer Selbstheilung von Rissen kann in vielen Bereichen von Verkehrswasserbauwerken, z. B. im Wasserwechselbereich von Schleusenkammerwänden und -häuptern, nicht ausgegangen werden. Der Ansatz, bei Chlorideinwirkung die Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung in Rissbereichen über eine auf die Begrenzung der Rissbreite abzielende Bemessung sicher zu stellen, ist somit keineswegs in allen Fällen zielführend. Dies steht im Widerspruch zur aktuellen Regelwerksituation, wonach die Dauerhaftigkeit von Bauwerken unter Chlorideinwirkung durch die Einhaltung von maximalen charakteristischen Rissbreiten sichergestellt werden soll (Entwurfsgrundsatz b) nach [7, 8]). Nur bei horizontalen Verkehrsflächen der Expositionsklasse XD3 sieht DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1 [9] zusätzliche Maßnahmen zum Schutz der Bewehrung gegenüber chloridinduzierter Korrosion vor. Betontechnologisch kann die chloridinduzierte Korrosion in Rissbereichen nur begrenzt beeinflusst werden, indem mittels einer dichten und dicken Betondeckung zum einen der Elektrolytwiderstand erhöht und damit der Ladungsaustausch zwischen Anode und Kathode gehemmt und zum anderen der Sauerstoffzutritt in den kathodisch aktiven Bereich beschränkt wird. 2.2.2 Maßnahmen und Regelungen Allgemeines Für intakte, ungerissene Bauteilbereiche (d. h., bei passivem Korrosionsschutz der Betonstahloberfläche durch den umgebenden Beton) kann eine Dauerhaftigkeitsbemessung gemäß BAWMerkblatt MDCC (2019) [10] durchgeführt werden [11]. Die Bemessung erfolgt auf Basis der entsprechenden Parameter für die Chloridbelastung (aufgrund von Annahmen, Vorgaben oder Berechnung), des Betonwiderstands (maßgeblich beeinflusst durch die Bindemittelart), der Betondeckung, des gewünschten Sicherheitsniveaus und der angestrebten Nutzungsdauer des Bauteils. Die zuvor genannten Herausforderungen zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit bei Chlorideinwirkung (Verzicht bzw. Wegfall günstiger Bindemittel, Korrosionsgefahr im Rissbereich) erfordern für bestimmte Fälle und Bauwerksbereiche zusätzliche präventive Maßnahmen. Der Anwendung von Bewehrung aus Betonstahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand (nichtrostender Betonstahl) kommt hierbei aus technischer und wirtschaftlicher Sicht eine besondere Bedeutung zu [1, 12]. Bei Verkehrswasserbauwerken sind Schäden aufgrund chloridinduzierter Betonstahlkorrosion im Küstenbereich (XS) durch Chloride aus dem Meerwasser, im Binnenbereich (XD) infolge der winterlichen Tausalzstreuung oder salzhaltiger Oberflächen- und Grundwässer in unterschiedlicher Ausprägung zu erwarten. Die erforderlichen Maßnahmen und Regeln zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit in Abhängigkeit der Anfälligkeit der Bauwerke für chloridinduzierte Bewehrungskorrosion sowie der entstehenden Folgen werden derzeit für die Neufassung der ZTV-W LB 215 [13] (vsl. 2025) 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 283 Betonstahlkorrosion in Verkehrswasserbau - Mechanismen, Vorbeugung, Instandsetzung und ihre Begleitregelwerke neu sortiert und festgelegt. Die Maßnahmen gliedern sich wie folgt: a. Deskriptive Anforderungen der DIN 1045-2 [14] b. Anforderungen der DIN 1045-2 [13] und Auswahl Bindemittel nach ZTV-W LB 215 [13] für XD/ XS c. Dauerhaftigkeitsbemessung gemäß BAW-MDCC [10] mit geringem oder mit hohem Sicherheitsniveau (β 0 = 0,5 bzw. 1,5) d. Zusätzliche Präventivmaßnahmen, vorzugsweise Einsatz vom Betonstahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand in korrosionskritischen Bereichen (z. B. Oberflächennahe Bewehrung; Mischbewehrung) Im Folgenden werden diese Maßnahmen und Regelungen kurz dargestellt. Expositionsklasse XD Für Verkehrswasserbauwerke im Einwirkungsbereich der Expositionsklassen XD1 bis XD3 liegt im Vergleich zu Bauwerken der Expositionsklassen XS1 bis XS3 in der Regel eine geringere Chloridbelastung und damit ein niedrigeres Korrosionsrisiko für Betonstahl vor. - Bauteile der Expositionsklasse XD1 Für diese Bauteile sind die deskriptiven Anforderungen der DIN 1045-2 ausreichend. - Planie Untersuchungen an Plattformen (Planien) der Binnenschleusen und -wehre zeigen eine sehr geringe Chloridbelastung dieser Bauteile, was auf eine in der Regel moderate Tausalzstreuung zurückzuführen ist. Für die Bauteile sind die deskriptiven Anforderungen der DIN 1045-2 [14] für XD3 ausreichend. - Bauteile im Einflussbereich von Straßenbauwerken Diese Bauteile, z.- B. Schleusenhäupter und Wehrpfeilern unter Straßenbrücken, können im Vergleich zu Plattformen etwas höhere Chloridbelastung aufweisen. Die Dauerhaftigkeit dieser Bauteile soll durch die Wahl eines gemäß ZTV-W LB 215 [13] für die Expositionsklassen XD/ XS zugelassenen Bindemittels unabhängig von der Zielnutzungsdauer sichergestellt werden. - Verkehrsflächen mit hohem Verkehrsauf-kommen Intensivere Tausalzstreuung und damit hohe Chloridbelastung sind bei Verkehrsflächen mit hohem Verkehrsaufkommen, wie z.-B. Umschlagkajen in Binnenhäfen, zu erwarten. Für diese Bauteile ist eine Dauerhaftigkeitsbemessung von Beton gemäß BAW-MDCC [10] unter Berücksichtigung der angestrebten Nutzungsdauer durchzuführen. - Oberflächen- und Grundwässer Bei einer Chloridbelastung von Oberflächen- und Grundwässern von größer als 2.000- mg/ l sind die exponierten Bauteile der Expositionsklasse XD2 oder XD3 zuzuordnen und gemäß BAW-MDCC [10] zu bemessen. Aufgrund von Salzabbau im Wesereinzugsgebiet sind beispielsweise die Weser und bestimmte Nebenflüsse chloridbelastet. Expositionsklasse XS Bauwerke im Küstenbereich und im Ästuar erfahren in der Regel eine höhere Chloridbelastung als die Verkehrswasserbauwerke im Binnenbereich. Für Bauteile der Expositionsklasse XS1, Nebenanlage wie Betriebsgebäude und Lampenfundamente, sind die deskriptiven Anforderungen der DIN 1045-2 [14] ausreichend. Bei Bauwerken der Expositionsklassen XS2 und XS3 werden anhand der Kriterien • Gefährdungspotential, • Relevanz, • Zugänglichkeit, • Art der Wasserbeaufschlagung (ständig oder wechselnd), • Trennrissgefahr (z. B. durch die Bauweise: fugenlos, fugenbehaftet) und • Höhe der Chloridbelastung die oben genannten Maßnahmen und Regelungen a) bis d) getroffen. 2.3 Instandsetzung Alle gängige Instandsetzungsprinzipien und -verfahren zur Instandsetzung von Bauwerksschäden infolge chloridinduzierter Bewehrungskorrosion können in Verkehrswasser eingesetzt werden. Verkehrswasserbauspezifische Besonderheiten und Anforderungen sind zu beachten (siehe u. a. ZTV-W LB 219 [15]). 3. Auslaugungsinduzierte Betonstahlkorrosion in wasserführenden Trennrissen 3.1 Mechanismus In Rissbereichen mit intensiver Wasserdurchströmung kann die schützende Passivschicht der Bewehrung neben der Carbonatisierung und dem Eindringen von Chloriden auch durch eine pH-Wert-Abnahme des Betons an der Bewehrungsoberfläche infolge des Auslaugens des Betons (Calciumhydroxid und Calciumionen) zerstört werden. Die in der Regel hellverfärbte Rissflanke weist einen erhöhten Calciumgehalt auf, im unmittelbar anschließenden Betonbereich sinkt der Calciumgehalt (vgl. [11, 2]). Die Intensität der Betonauslaugung und damit die Wahrscheinlichkeit einer Depassivierung der Bewehrung hängt wesentlich von der Wasseraustauschrate im Riss und deren Dauer ab [2]. Beispiele für Korrosion infolge auslaugungsinduzierter Depassivierung der Bewehrung in Verkehrswasserbauwerken sind in [3] dargestellt. Dabei kann die Ausbildung des kathodischen Teilprozesses (Sauerstoffreduktion) großflächig an gut belüfteten Bauwerksstellen erfolgen, die zum Teil weit entfernt von anodisch aktiven Bewehrungsstäben in gerissenen Unterwasserbauteilbereichen liegen. Auch im Unterwasserbereich können Makroele- 284 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Betonstahlkorrosion in Verkehrswasserbau - Mechanismen, Vorbeugung, Instandsetzung mentkorrosion sowie Eigenkorrosion trotz der Sauerstoffarmut auftreten. Eine sehr intensive Korrosionsentwicklung wurde bei Betonstahlstäben mit zusätzlicher mechanischer Überanspruchung beobachtet. Bei diesen ist ein örtlich begrenzter Bruch im Rissbereich festzustellen, der auf die kombinierte Einwirkung von wiederkehrender mechanischer Beanspruchung und Bewehrungskorrosion zurückzuführen ist. Bild 3 zeigt ein exemplarisches Schadensbild in einer geschädigten horizontalen Arbeitsfuge einer Schleusenkammerwand. Mit dem Fortschreiten der Bewehrungskorrosion wird das Gefüge der Bewehrung durch Korrosionsmulden und -anrisse geschwächt (Risseinleitung). Gleichzeitig rufen die im jahreszeitlichen Wechsel auftretenden temperaturbedingten Zwangsbeanspruchungen sowie die Wasserstandsänderungen infolge der Schleusungsvorgänge Dehnungen in der Bewehrung hervor, die den numerischen Berechnungen zufolge über der Streckgrenze liegen können [14] und mit der Zeit zu einer Ausbreitung dieser Korrosionsanrisse bis hin zum Abriss des Bewehrungsquerschnitts (Rissausbreitung) führen [17]. Das Schadensbild ist demjenigen infolge einer Schwingungsrisskorrosion sehr ähnlich. Die durch den Schleusenbetrieb hervorgerufenen ermüdungsrelevanten Spannungsschwingbreiten der Bewehrung sind jedoch verhältnismäßig gering [18]. Die sehr geringen Dehnungsraten aus relativ langsamen Lastwechseln während der Schleusungsvorgänge mit der sehr niedrigfrequenten, vorwiegend nicht ruhenden Belastung sind die Charakteristika für den im Bauwesen weitgehend unbekannten Schädigungsmechanismus Dehnungsinduzierte Risskorrosion (strain-induced corrosion cracking) [19]. 3.2 Maßnahmen zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit des Bauwerks Bewehrungskorrosion infolge auslaugungsinduzierter Depassivierung der Betonstahloberfläche und deren Schadensfolgen wurden bei Verkehrswasserbauwerken bisher fast ausschließlich in horizontalen Arbeitsfugen festgestellt. Die betroffenen Arbeitsfugen befinden sich überwiegend in Bauwerksbereichen, welche ständig unter Wasser liegen. Aufgrund ihrer geometrischen Lage (z. B. nahe der Sohle von Schleusenkammerwänden) und betriebsbedingter Wasserstandsänderungen in Verbindung mit hohem hydrostatischem Wasserdruck kommt es hier zu intensiven Wasseraustauschraten durch die betroffene Arbeitsfuge (sowie vergleichsweise hoher mechanischer Beanspruchung der Bewehrung). Eine sorgfältige Ausbildung der horizontalen Arbeitsfugen durch eine ausreichende Arbeitsfugenvorbehandlung (Abtrag minderfester Bestandteile an der Oberseite von Betonierabschnitten vor dem Weiterbetonieren), Anordnung und Ausbildung wirksamer Arbeitsfugenabdichtungen und zusätzlicher Maßnahmen, wie z. B. der Einsatz von Injektionsschlauchsystemen, auch und gerade bei dauerhaft unter Wasser liegenden Arbeitsfugen, kann dem Problem entscheidend entgegenwirken. 3.3 Instandsetzung Die folgenden Maßnahmen können, zum Teil einzeln und zum Teil in Kombination, zur Wiederherstellung der Passivität der Bewehrung oder zur Instandsetzung geschädigten Bauwerksbereiche infolge auslaugungsinduzierter Bewehrungskorrosion angewendet werden: • Unterbinden des weiteren Wasserdurchtritts, • Repassivierung der Bewehrungsoberfläche mittels beispielsweise Injizieren mit zementgebundenen Baustoffen (Anstieg des pH-Wertes), • Kathodischer Korrosionsschutz und • Betonabtrag mit anschließender Bewehrungsergänzung und Reprofilierung im Fall einer standsicherheitsrelevanten Querschnittsminderung der Bewehrung. Literatur [1] Rahimi, A.; Westendarp, A. (2024) Dauerhafter und nachhaltiger Korrosionsschutz des Betonstahls in Verkehrswasserbauwerken. Beton- und Stahlbetonbau 119. https: / / doi.org/ 10.1002/ best.202400024 [2] Pollner, T.; Rahimi, A.; Dauberschmidt, C. (2024) Untersuchungen zum Einfluss der Druckwasserhöhe und damit der Wasseraustauschrate im Trennriss auf die Depassivierung und Korrosionsentwicklung der Bewehrung. Beton- und Stahlbetonbau 119. https: / / doi.org/ 10.1002/ best.202400029 [3] Rahimi, A.; Westendarp, A. (2023) Auslaugungsinduzierte Betonstahlkorrosion in Verkehrswasserbauwerken. Technische Akademie Esslingen (TAE), 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken. [4] DARTS (2004) Durable and reliable tunnel structures - Deterioration modelling. Prepared by Ingenieurbüro Professor Schießl, Gehlen, C., Kapteina, G. Project with financial support of the European Commission under the Fifth Framework Program, GROWTH 2000 Project GRD1-25633, Contract G1RD-CT-2000-00467. [5] Boschmann Käthler, A. C.; Angst, U. M.; Wagner, M.; Larsen, C. K.; Elsener, B. (2017): Effect of cracks on chloride-induced corrosion of steel in concrete - a review. Statens Vegvesens Re-port Nr. 454. Norwegian Public Roads Administration. [6] Schießl, P. (1986) Einfluss von Rissen auf die Dauerhaftigkeit von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen. Berlin: Beuth-Verlag. - In: Schriftenreihe des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton, Nr.-370. [7] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (2017) DAfStb-Richtlinie Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton. Beuth, Berlin. [8] Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V. (2016) Merkblatt „Begrenzung der Rissbildung im Stahlbeton- und Spannbetonbau“. Berlin. [9] DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1: 2015-12 (2015) Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbe-tontragwerken - Teil 1-1: 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 285 Betonstahlkorrosion in Verkehrswasserbau - Mechanismen, Vorbeugung, Instandsetzung Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; Änderung A1. Beuth, Berlin. [10] Bundesanstalt für Wasserbau (Hg.) (2019) BAW- Merkblatt Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauwerken bei Carbonatisierung und Chlorideinwir-kung (MDCC). Karlsruhe: Bundesanstalt für Wasserbau (BAW-Merkblätter, -Empfehlungen und -Richtlinien). [11] Rahimi, A.; Gehlen, C. (2018) Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung von Stahlbetonbauten unter Chlorideinwirkung. Beton- und Stahlbetonbau 113 (2018), Heft 1. Berlin: Ernst & Sohn. [12] Rahimi, A. (2024) Application of Stainless Steel Reinforcing Bars in Infrastructures - Requirements and Evaluation of Corrosion Resistance. Proceedings of the 7 th International Conference on Concrete Repair, Rehabilitation and Retrofitting ICCRRR 2024, Cape Town, South Africa. [13] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur [Hrsg.] ZTV-W LB 215: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen - Wasserbau (ZTV-W) für Wasserbauwerke aus Beton und Stahlbeton (Leistungsbereich 215). [14] DIN 1045-2: 2023-08 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 2: Beton. Beuth, Berlin. [15] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur [Hrsg.] ZTV-W LB 219: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen - Wasserbau (ZTV-W) für die Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken (Leistungsbereich 219). [16] Schwotzer, M. (2008) Zur Wechselwirkung zementgebundener Werkstoffe mit Wässern unterschiedlicher Zusammensetzung am Beispiel von Trinkwasserbehälterbeschichtungen [Dissertation]. Universität Fridericiana zu Karlsruhe. [17] Weirich, T. (2013) Ermüdungsverhalten des Betonstahls unter Berücksichtigung möglicher Korrosionseinflüsse [Dissertation]. Institut für Werkstoffe im Bauwesen der Universität Stuttgart. [18] Rahimi, A.; Lutz, M. (2020) Begutachtung des Schadensfalls im östlichen Umlaufkanal der Westkammer der Schleuse Anderten. Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe. [19] Takriti, A.; Keßler, S. (2021) Untersuchung des Einflusses von Rissen auf den Korrosionsschutz der Bewehrung von Wasserbauwerken - Einfluss der mechanischen Beanspruchung auf die Korrosionsrate der Bewehrung. Abschlussbericht BAWAuftrag 739510300020019. Helmuth-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg.