Kolloquium Industrieböden
kibo
2510-7771
expert verlag Tübingen
0301
2020
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LittmannRevitalisierung von Industrieböden im Bestandsbau
0301
2020
Roger Genz
In dem Beitrag werden Arten von Industrieböden dargestellt sowie Grundlagen für die Planung von Revitalisierungen an Bestandsböden erläutert. Anhand von Praxiserfahrungen aus der Planungs- und Sachverständigentätigkeit werden Revitalisierungsmaßnahmen für Industriebodenkonstruktionen in Bestandsbauten dargestellt und erläutert.
Im Besonderen soll dabei aufgezeigt werden, welche funktionale Bedeutung den Bodenkonstruktionen innerhalb von gewerblichen Gebäuden zufällt, da auf diesen gewerblichen Nutzflächen wirtschaftlicher Erfolg realisiert werden soll. Derartige Bodenkonstruktionen können in Industriebauten und auch in öffentlichen Gebäuden, Verwaltungsbauten, Museen sowie Theatern revitalisiert werden. Für die Durchführung einer zielgerichteten Revitalisierung sind planmäßige Festlegungen und Kenntnisse über die Beschaffenheit des Bodens / der Industriebodenkonstruktionen notwendig, um die Verwendungseignung des revitalisierten Bodens über den planmäßigen Nutzungszeitraum dauerhaft sicherzustellen.
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10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 103 Revitalisierung von Industrieböden im Bestandsbau Roger Genz Korschenbroich Zusammenfassung In dem Beitrag werden Arten von Industrieböden dargestellt sowie Grundlagen für die Planung von Revitalisierungen an Bestandsböden erläutert. Anhand von Praxiserfahrungen aus der Planungs- und Sachverständigentätigkeit werden Revitalisierungsmaßnahmen für Industriebodenkonstruktionen in Bestandsbauten dargestellt und erläutert. Im Besonderen soll dabei aufgezeigt werden, welche funktionale Bedeutung den Bodenkonstruktionen innerhalb von gewerblichen Gebäuden zufällt, da auf diesen gewerblichen Nutzflächen wirtschaftlicher Erfolg realisiert werden soll. Derartige Bodenkonstruktionen können in Industriebauten und auch in öffentlichen Gebäuden, Verwaltungsbauten, Museen sowie Theatern revitalisiert werden. Für die Durchführung einer zielgerichteten Revitalisierung sind planmäßige Festlegungen und Kenntnisse über die Beschaffen-heit des Bodens / der Industriebbodenkonstruktion notwendig, um die Verwendungseignung des revitalisierten Bodens über den planmäßigen Nutzungszeitraum dauerhaft sicherzustellen. Foto 1 + 2: revitalisiertes Büro- und Produktionsgebäude 1. Einleitung 1.1 Definitionen Boden / Fußboden / Estrich Boden → Lockergestein. Der Boden ist ein Gemisch der Kornfraktionen Ton, Schluff, Sand und Kies [1] Fußboden → künstlich befestigte, begeh- oder befahrbare ebene Fläche eines Innenraumes, deren oberste Schicht als Bodenbelag bezeichnet wird, wenn sie auf einem Unterboden aus andersartigem Material aufgebracht ist. Entsprechend den unterschiedlichen Anforderungen, die an einen Fußboden gestellt werden, (z.B. sollen Fußböden rutschfest, schall- und wärmedämmend, feuchtigkeits-isolierend und gasdicht sowie widerstandsfähig gegen mechanische Beanspruchung, Chemikalien u.a. sein) [2] Estrich → Schicht oder Schichten aus Estrichmörtel, die auf der Baustelle direkt auf dem Untergrund, mit oder ohne Verbund, oder auf einer zwischenliegenden Trenn- oder Dämmschicht verlegt wird, um eine oder mehrere der nachstehenden Funktionen zu erfüllen: - eine vorgegebene Höhenlage zu erreichen - einen Bodenbelag aufzunehmen - unmittelbar genutzt zu werden [3] 1.2 Definition Revitalisierung Revitalisierung → wieder kräftigen, funktionsfähig machen [4] 1.4 Genz.indd 103 13.02.20 17: 40 104 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Revitalisierung von Industrieböden im Bestandsbau 1.3 Definitionen Instandsetzung / Instandhaltung Instandsetzung → Maßnahmen zur Wiederherstellung des zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustandes (Soll-Zustandes) eines Objekts [5] Instandsetzen → Wiederherstellen des Sollzustandes oder der vollen Gebrauchsfähigkeit eines Bauwerks oder Bauteils in einer Ausführung, die dem gegenwärtigen Stand der Technik entspricht, ohne verbessernden Charakter [6] Instandhaltung → Maßnahmen zur Erhaltung des Soll-Zustandes eines Objekts [5] 2. Arten von Böden 2.1 Fußböden 2.1.1 Estriche Zementestriche (CT) Calciumsulfatestriche (CA) Magnesiaestriche (MA) Gussasphaltestriche (AS) Kunstharzestriche (SR) 2.1.2 Bodenbeläge 2.2 Industrieböden 2.2.1 Betonböden unbewehrte Betonböden mattenbewehrte Betonböden stahlfaserbewehrte Betonböden kombiniert bewehrte Betonböden gewalzte Betonböden (Walzbeton) 2.2.2 zementgebundene Industrieestriche 2.2.3 magnesiagebundene Industrieestriche 2.2.4 kunstharzgebundene Industrieestriche und Reaktionsharz-Beschichtungen 2.3 Betonwerksteinbeläge 2.4 Fliesen- und keramische Bodenbeläge mechanisch hoch belastbare Bodenbeläge Bodenbeläge im Rüttelverfahren säurebeständige Fliesenbeläge 3. Grundlagen der Planung 3.1 Anforderungen an neuen Industrieboden / Bodenkonstruktion Ermittlung der Anforderungen an den neuen Fußboden im Bestandsbau. Muss der Bodenaufbau für die planmäßige Nutzung ein- oder mehrschichtig sein (Stichwort: Versorgungsleitungen im Fussbodenaufbau, Anforderungen an Wärmedämmung und / oder Trittschallschutz)? Soll der Boden unmittelbar nutzbar, also oberflächenfertig sein? Soll der Boden als tragfähiger Untergrund für einen nachfolgenden Nutz- und / oder gestalterischen Belag dienen? Ist ein für den planmäßigen Verwendungszweck „spezieller“ Boden mit besonderen Beschaffenheiten (Eigenschaften) erforderlich? Aus den Anforderungen für die zukünftige Nutzung eines Bestandsbodens resultieren Einwirkungen und Beanspruchungen, die vollumfassend bei der Planung berücksichtigt werden müssen. Bedeutend bei einem Industrieboden sind beispielsweise Schlag- und Stoßfestigkeit, Verschleiß (Abrieb), Ebenheit, Rutschhemmung, Chemikalienbeständigkeit, Hygiene und Pflegeleichtigkeit. Basierend auf der Erkenntnisgewinnung der Kommunikation mit dem Nutzer / Auftraggeber (Grundlagenermittlung) ist die weitere Planung für die Industrieboden-revitalisierung durchzuführen. 3.2 Einwirkungen und Beanspruchungen Bei der weiteren Planung muss das Anforderungsprofil definiert werden (Soll-Zustand). Grundlagen dafür können die nachfolgend aufgeführten und möglicherweise auf den Industrieboden oder Fussboden einwirkenden unterschiedlichen Beanspruchungen sein. Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke → DIN EN 1991-1-1/ NA Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke - Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau Nutzungsbedingte Beanspruchungen, die in Tabelle 1 der DIN 18560 Teil 7 - Hochbeanspruchbare Estriche (Industrieestriche) - beschrieben sind. Zusätzlich müssen auftretende Rad- und Einzellasten aus Flurförderzeugen sowie die Art der Bereifung bekannt sein Statische Lasten, die andauernd ruhend auf den Industrieboden einwirken und von diesem aufgenommen bzw. in den tragenden Untergrund abgeleitet werden müssen Dynamische Beanspruchungen (Fahrbeanspruchungen) Chemische Beanspruchungen 1.4 Genz.indd 104 13.02.20 17: 40 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 105 Revitalisierung von Industrieböden im Bestandsbau Thermische Beanspruchungen Beschaffenheit der Oberfläche Optisches Erscheinungsbild Gefälle Ebenheit → DIN 18 202 - Toleranzen im Hochbau → DIN 15 185 - Lagersysteme mit leitliniengeführten Flurförderzeugen, Anforderungen an Boden, Regal und sonstige Anforderungen Fugen Risse Rutschsicherheit → DGUV Regel 108-003 Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr (früher BGR 181 Berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit) → Einordnung nach DGUV Information 208-041 (früher BGI/ GUV-I 8687) „Bewertung der Rutschgefahr unter Betriebsbedingungen“ Elektrische Ableitfähigkeit Anforderungen an das Wasserhaushaltsgesetz - WHG spezielle Anforderungen Pflege und Wartung Nachfolgend ist beispielhaft ein Anforderungsprofil Industrieboden / Fußboden-konstruktion mit den wesentlichen Parametern zur Konzeption eines nutzungsgerechten Industriebodens / Fußbodens dargestellt. Produktion Elektro Papier Kühlhaus Werkstatt Auto Textil Tiefkühlhaus Lager Chemie Brauerei Molkerei Verkauf Lebensmittel Verzinkerei Schlachterei Ausstellung Kunststoff Getränke Büro Metall Küche Großmarkt Holz Sonstiges Vorschlag zur Ermittlung des Anforderungsprofils an den Boden Foto 3: Betonwerkstein-Bestandsboden mit Fahrbeanspruchung Foto 4: Bohrkern mit Betonwerkstein und Estrichuntergrund 4. Planung / Zustandsfeststellungen 4.1 Beschaffenheit Bestandsfußboden Anhand der für den „neuen“ Industrieboden objketspezifisch ermittelten Einwirkungen und Beanspruchungen muss die objektspezifische Beschaffenheit der Bestands-Fußbodenkonstruktion (Ist-Zustand) untersucht und beurteilt werden. Dazu sind zuerst grundlegende Erkenntnisse zur Beschaffenheit erforderlich, explizit ob der zu revitalisierende Boden aus Beton oder die zu revitalisierende Fussbodenkonstruktion aus Estrich (Zementestrich, Calciumsulfatestrich, Gussasphaltestrich, Reaktionsharz-estrich) besteht. Im Falle einer Estrichkonstruktion ist die Bauart dieses lastaufnehmenden Untergrundes von Bedeutung. Handelt es sich bei der Bauart des Estrichs um einen Estrich im Verbund, einen Estrich auf Trennlage oder einen Estrich auf Dämmung (schwimmenden Estrich). Weitergehend müssen Kenntnisse über die Schichtdicken, die Materialbeschaffenheit sowie die jeweiligen dazugehörigen Materialkennwerte ermittelt werden. 1.4 Genz.indd 105 13.02.20 17: 40 106 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Revitalisierung von Industrieböden im Bestandsbau 4.2 Zustandsfeststellungen / Bauwerksuntersuchungen Sondierungsbohrungen Entnahme von Bohrkernen für Untersuchungen im Baustofflabor Entnahme von Estrichausbauplatten Ermittlung von Abreiß- / Oberflächenzugfestigkeiten Foto 5: Bohrkernentnahmen aus Industrieboden Foto 6: Bohrkernentnahmen aus Industrieboden Foto 7: Entnahme Ausbauplatte aus Estrich Foto 8: Ermittlung Oberflächenzug- und Haftzugfestigkeit 4.3 materialtechnische Untersuchungen im Baustofflabor Druckfestigkeit Biegezugfestigkeit 4.4 Beurteilung Beschaffenheit Bestandsboden / Prüfung Verwendbarkeitseignung → Rückbau und Erneuerung → Revitalisierung / Ertüchtigung Wegen bauphysikalisch bedingter Abhängigkeiten von Materialien / Baustoffen, sollte der Faktor „Zeit“ schon in der Planungsphase und auch bei der Ausführung berücksichtigt werden. 5. Revitalisierungsmaßnahmen 5.1 Untergrundvorbehandlungsmaßnahmen 5.1.1 mechanische Untergrundvorbehandlungen Fräsen Hochdruckwasserstrahlen Feststoffstrahlen Kugelstrahlen Schleifen 5.2 Oberflächenbearbeitungsmaßnahmen 5.2.1 Auftragen / Applizieren / Ertüchtigen Aufbeton Spachtel- und Nivelliermassen selbstverlaufende mineralische Nutzbeläge Estriche / Hartstoffschichten Dünnestriche / Sonderkonstruktionen 1.4 Genz.indd 106 13.02.20 17: 40 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 107 Revitalisierung von Industrieböden im Bestandsbau Applikation Reaktionsharz-Beschichtung Applikation Reaktionsharz-Belag Applikation Reaktionsharz-Estrich Fliesenbeläge → Verbesserung Tragfähigkeit → Verbesserung Verschleißwiderstand / Abnutzungsvorrat 5.2.1 Verbessern / Optimieren Applikation Imprägnierung Applikation Versiegelung → Verbesserung Reinigungsfähigkeit → Verbesserung optisches Erscheinungsbild Schleifen und Planschleifen → Reduzierung Rauheit der Oberfläche → Verbesserung der Ebenheit 6. Praxisbeispiele 6.1 Revitalisierung Betonboden Foto 9: Oberfläche Geschossdecke nach Abtrag Betonrandzone bis 6 cm mittels Hochdruckwasserstrahlen und Feststoffstrahlen der Bewehrung Foto 10: Oberfläche Geschossdecke nach Applikation Haftbrücke mit Korrosionsschutz und Beginn Betonierarbeiten Aufbeton 6.2 Revitalisierung Betonboden Foto 11: Betonboden mit Fuge vor Revitalisierung Foto 12: Betonboden mit Fuge nach Revitalisierung Literatur [1] Rüdiger Wormuth, Klaus-Jürgen Schneider, Baulexikon - Erläuterung wichtiger Begriffe des Bauwesens mit vielen Abbildungen [2] BROCKHAUS Enzyklopädie, 19. Auflage [3] DIN EN 13318 - Estrichmörtel und Estriche Begriffe, Dreisprachige Fassung EN 13318: 2000 [4] DUDEN, Die deutsche Rechtschreibung, 27. Auflage [5] Locher / Koeble / Frik, Kommentar zur HOAI, 10. Auflage [6] Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie) Teil 1: Allgemeine Regelungen und Planungsgrundsätze 1.4 Genz.indd 107 13.02.20 17: 40