Kolloquium Industrieböden
kibo
2510-7771
expert verlag Tübingen
0301
2020
101
LittmannIndustrieböden - Theorie und Fallbeispiele zu fugenlosen Teilabschnitten von größer 1000 m2
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2020
Ingo Schachinger
Bei Industrieböden im Logistikbereich spielen nicht nur die Herstellungskosten, sondern auch die Instandhaltungskosten und die Gebrauchstauglichkeit eine maßgebende Rolle. Daraus resultieren Forderungen wie: große fugenarme und möglichst rissfreie Teilabschnitte, erhöhte Anforderungen an die Ebenheit und ein hoher mechanischer Verschleißwiderstand. Im ersten Teil dieses Beitrags werden die Grundlagen für die Planung und Ausführung von Industrieböden nach dem DBV-Merkblatt „Industrieböden aus Beton“ [1] gemäß dem Entwurfsgrundsatz a) „Risse vermeiden“ behandelt. Im zweiten Teil dieses Beitrages werden zwei Fallbeispiele beschrieben bei denen durch unterschiedliche Kombinationen von konstruktiven, betontechnologischen und ausführungstechnischen Maßnahmen fugenlose Teilflächen > 1000 m2 realisiert wurden.
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10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 115 Industrieböden - Theorie und Fallbeispiele zu fugenlosen Teilabschnitten von größer 1000 m 2 Dr.-Ing. Ingo Schachinger Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., München, Deutschland Zusammenfassung Bei Industrieböden im Logistikbereich spielen nicht nur die Herstellungskosten, sondern auch die Instandhaltungskosten und die Gebrauchstauglichkeit eine maßgebende Rolle. Daraus resultieren Forderungen wie: große fugenarme und möglichst rissfreie Teilabschnitte, erhöhte Anforderungen an die Ebenheit und ein hoher mechanischer Verschleißwiderstand. Im ersten Teil dieses Beitrags werden die Grundlagen für die Planung und Ausführung von Industrieböden nach dem DBV-Merkblatt „Industrieböden aus Beton“ [1] gemäß dem Entwurfsgrundsatz a) „Risse vermeiden“ behandelt. Im zweiten Teil dieses Beitrages werden zwei Fallbeispiele beschrieben bei denen durch unterschiedliche Kombinationen von konstruktiven, betontechnologischen und ausführungstechnischen Maßnahmen fugenlose Teilflächen > 1000 m 2 realisiert wurden. 1. Industrieböden nach DBV-Merkblatt [1] 1.1 Allgemeines Industrieböden im Sinne des DBV-Merkblatts sind solche, die keine tragende oder aussteifende Funktion gemäß DIN EN 1992-1-1 übernehmen. Das DBV-Merkblatt Industrieböden gilt für die Planung und Ausführung von Industrieböden als monolithische oder mehrschichtige Betonplatte. Es werden die Bauweisen „unbewehrte Betonplatten“, „Stahlfaserbetonplatten“ und „betonstahlbewehrte Betonplatten“ unterschieden. 1.2 Anforderungen aus der Nutzung Die Beanspruchung von Industrieböden erfolgt in der Regel durch flächig oder punktförmig wirkende Lasten aus lagernden Gütern, Regalen oder Radlasten. Die Einwirkungen aus Lasten sind entsprechend DIN EN 1991- 1-1 [7] oder nach konkreten Anforderungen des Bauherrn anzusetzen. Darüber hinaus können folgende Einwirkungen aus Formänderungen des Betons, aus Umgebungsbedingungen und aus der Nutzung auftreten: - Temperaturbeanspruchung beim Abfließen der Hydratationswärme; - Temperaturänderungen der Umgebung; - Schwinden und Kriechen; - mechanische Beanspruchung; - Frostangriff mit und ohne Taumittel; - Chloridbeaufschlagung; - chemische Beanspruchung. Für einige dieser Beanspruchungen werden Industrie-böden nicht im Sinne einer entsprechenden Dimensionierung wie etwa der Plattendicke oder der Fugenabstände, sondern durch deskriptive Festlegungen wie betontechnischer Parameter bemessen. Bei Hallenflächen ist in der Regel kein Betonangriff durch Frost zu erwarten und somit eine Einstufung in die Expositionsklasse XF [1] nicht erforderlich. Lediglich im Bereich von Türen und Toren, die bei kalter Witterung häufig und dann für lange Zeit offenstehen, ist mit einem Betonangriff durch Frost ggf. in Verbindung mit durch Fahrzeuge eingeschleppter Feuchtigkeit und Taumitteln zu rechnen. Für chloridbeanspruchte Industrieböden aus Stahlfaserbeton sind weitergehende Maßnahmen bei der Planung zu berücksichtigen (siehe [2]). Je nach Art der Nutzung können betonangreifende Stoffe, z. B. Säuren wie Frucht- und Fettsäuren, Sulfate, Laugen oder Öle auf Industrieböden in Produktions- und Lagerbetrieben einwirken. Es wird in [1] empfohlen, Anforderungen in Anlehnung an die Expositionsklassen XA1 bis XA3 nach DIN EN 206-1/ DIN 1045-2 [6] zu formulieren. Bei Industrieböden können aus der Nutzung mechanische Einwirkungen z. B. Rollen, Schleifen sowie Schlagen, Stoßen und Prallen - meist in Kombination - auftreten. Der Verschleißwiderstand der Betonplatte kann z. B. durch die Einarbeitung von Hartstoffen nach DIN 1100 oder das Aufbringen einer Hartstoffestrich-Schicht nach DIN 18560, Teil 7 verbessert werden. Buch IB.indb 115 11.02.20 12: 53 116 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Industrieböden - Theorie und Fallbeispiele zu fugenlosen Teilabschnitten von größer 1000 m2 Zum Erreichen eines angemessenen Bauteilwiderstands gegen mechanische Beanspruchung haben sich in der Praxis die in Tabelle 1 angegebenen Grundsätze [1] bewährt. Die Festlegung des Bauteilwiderstands durch die Einstufung des Betons in die Expositionsklassen XM nach DIN EN 206-1/ DIN 1045-2 [6] ist nach [1] für nichttragende und nicht aussteifende Industrieböden nicht erforderlich. Zeile Beanspruchung (Beispiele) Mindestdruckfestigkeitsklasse Anforderungen und Eigenschaften zur Sicherstellung des Verschleißwiderstands 1a luftbereifte Fahrzeuge (keine Gabelstapler) C25/ 30 w/ z ≤ 0,55 1b luftbereifte Gabelstapler und Fahrzeuge mit Reifen aus Elastik-Vollgummi C25/ 30 w/ z ≤ 0,55; mit Hartstoffeinstreuung (Gruppe A, 4 bis 5 kg/ m²) C30/ 37 w/ z ≤ 0,50 2 Fahrzeuge mit Reifen aus Vollgummi, Polyurethan oder vergleichbarem Kunststoff C30/ 37 w/ z ≤ 0,55; mit Hartstoffeinstreuung (Gruppe A, 4 bis 5 kg/ m²) C30/ 37 w/ z ≤ 0,55; mit Hartstoffestrich-Schicht nach DIN 18560-7 C35/ 45 w/ z ≤ 0,45 3 Fahrzeuge mit Reifen aus Stahl, Grauguss, Polyamid, oder vergleichbarem Kunststoff; stark schleifende Beanspruchung C30/ 37 w/ z ≤ 0,55; mit Hartstoffestrich-Schicht nach DIN 18560-7 oder w/ z ≤ 0,55; mit Hartstoffeinstreuung (Gruppe KS, 4 bis 5 kg/ m²) Tabelle 1: Praxisbewährte Anforderungen und Eigenschaften zur Sicherstellung des Verschleißwiderstands von nicht tragenden oder nicht aussteifenden Industrieböden (nach [1]) Die in Tabelle 1 angegebenen Wasserzementwerte sind als Richtwerte zu sehen. Sie können nach regionalen Bedingungen (z. B. Art der verfügbaren Zemente oder Art der Gesteinskörnung) auch abweichen. Eine vollflächige Verbesserung des Verschleißwiderstands ist nur dann zu erreichen, wenn eine ausreichende Menge an Hartstoffen gleichmäßig eingearbeitet wird. In Abhängigkeit von der Betonzusammensetzung - insbesondere vom Wasserzementwert - können zwischen ca. 4 - 5 kg/ m² Hartstoffe zielsicher eingearbeitet werden [1]. Die mittels Einstreuung erreichbare Schichtdicke beträgt im Mittel ca. 2 mm. Die je Flächeneinheit aufzubringende Einstreumenge ist in der Planung festzulegen und in die Leistungsbeschreibung zu übernehmen. Es hat sich in der Praxis gezeigt, dass Hartstoffe bei einer Betonzusammensetzung mit einem Wasserzementwert von w/ z ≤ 0,45, wie nach DIN 1045-2 für die Expositionsklasse XM3 gefordert, nicht zielsicher eingearbeitet werden können [1]. Eine Ausführung in Anlehnung an die Expositionsklasse XM3 kann nach [1] durch eine Hartstoffeinstreuung bei gleichzeitiger Erhöhung des Wasserzementwertes der Betonplatte erreicht werden (siehe Tabelle 1). Formal entspricht jedoch ein derartiger Beton nicht mehr der Expositionsklasse XA3. Diese Ausführung sollte deshalb nur bei Industrieböden ohne tragende oder aussteifende Funktion und nur in Abstimmung mit dem Auftraggeber/ Bauherrn erfolgen. Hartstoffestriche werden entweder „frisch in frisch“ auf den erstarrenden Beton oder nach entsprechender Untergrundvorbereitung mit einer Haftbrücke auf den bereits erhärteten Beton aufgebracht. Üblich sind Dicken von etwa 10 mm. Insbesondere Fahrzeugverkehr mit Stahlrollen sowie stoßende und schleifende Beanspruchungen durch Stahlteile stellen so starke mechanische Beanspruchungen dar, dass auch bei Aufbringen einer Hartstoffestrich-Schicht nach kurzer, intensiver Nutzung bereits deutliche Abnutzungsspuren zu erwarten sind. 1.3 Entwurfsgrundsätze Mit den Entwurfsgrundsätzen (EGS) wird festgelegt, wie planerisch mit der Rissbildung in der Betonplatte infolge von Lasten und vor allem infolge von Zwang umgegangen werden soll. Für Industrieböden gelten folgende Entwurfsgrundsätze: a. Risse vermeiden (in der Regel unbewehrt und durch Fugen und räumliche Begrenzung der sich durch die Fugen ergebenden Teilflächen des Industriebodens); Buch IB.indb 116 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 117 Industrieböden - Theorie und Fallbeispiele zu fugenlosen Teilabschnitten von größer 1000 m2 b. Bauweise mit Rissen: rechnerische Begrenzung der Rissbreite mit dem Ziel, viele Risse mit geringen Rissbreiten zu erhalten; c. Bauweise mit Rissen (Einzelrisse): rechnerische Begrenzung der Rissbreite mit dem Ziel, wenige Risse mit größeren Rissbreiten zu erhalten. Unabhängig von der Festlegung des Entwurfsgrundsatzes ist grundsätzlich zu planen, wie unerwartet entstandene Risse zu behandeln sind. In der Regel wird bei Industrieböden der Entwurfsgrundsatz a) angewendet. Dies setzt voraus, dass durch die Festlegung von konstruktiven Maßnahmen (Ziel: Bauen ohne Verformungsbehinderung i. d. R. werden durch Fugen und räumliche Begrenzung Teilflächen erstellt) sowie von betontechnologischen und ausführungstechnischen Maßnahmen (Ziel: Reduzierung der Verformungen) so geplant und ausgeführt wird, dass weder infolge von Lasten noch infolge von Zwang Risse auftreten. Mit betontechnologischen oder ausführungstechnischen Maßnahmen allein ist dieser Entwurfsgrundsatz a) nicht umsetzbar. 1.4 Konstruktive Maßnahmen beim EGS a) - Risse vermeiden Eine Zwischenschicht (z. B. Gleitschicht) trennt die Betonplatte von der darunter liegenden Schicht und ermöglicht dadurch eine Verringerung der Reibung zwischen der Betonplatte und der Tragbzw. einer Sauberkeitsschicht. Die Wirksamkeit von Gleitschichten wird erheblich von der Oberflächenqualität und Ebenheit der Tragbzw. der Sauberkeitsschicht beeinflusst. Der Reibungsbeiwert kann anhand von Tabelle 2 in Abhängigkeit der ausführungstechnischen Maßnahme quantitativ beurteilt werden. So wird beispielsweise mit der Variante Auflagerung auf Sandbett (mit oder ohne Zwischenschicht) bei fachgerechter Ausführung die gleiche reibungsmindernde Wirkung erzielt wie bei der Ausführungsvariante Auflagerung auf einer flügelgelätteten Sauberkeitsschicht (ein oder zweilagigen Folien). Tragschicht 1 Zwischenschicht Reibungsbeiwert (erste Verschiebung) Kies, grobkörniger Baugrund keine oder Vlies/ Geotextil 1,4 … 2,1 Kies-Sand- Bodenaustausch keine oder Vlies/ Geotextil h = 0,2 m: >1,4 (h = 0,8 m: 0,9) Sandbett keine oder Vlies/ Geotextil 0,9 … 1,1 einlagige PE-Folien 0,2 bis 0,3 mm 0,5 … 0,7 Sauberkeitsschicht, abgezogen oder abgerieben 2 2 x 0,2 mm PE-Folien h = 0,15 m: 1,3 h = 0,30 m: 2,0 Bitumenschweißbahn (Dicke > 5 mm) ≈ 0,35 … 0,7 Sauberkeitsschicht, flügelgeglättet 3 einlagige PE-Folien 0,2 bis 0,3 mm 0,8 … 1,4 Baufolien (2 x 0,2 mm PE-Folien), leicht verschmutzt 0,6 … 0,8 einlagige oder zweilagige Bitumenschweißbahnen, stumpf gestoßen h = 0,3 m: 0,45 (h = 1,0 m: 0,20) PTFE-Folien (Teflonfolien) 0,2 … 0,5 Tabelle 2: Zusammenstellung von Rechenwerten für Reibungsbeiwerte zwischen Betonplatte und Tragschicht (Auszug aus [1]) Die Betonplatte ist durch Raumfugen von den aufgehenden Bauteilen wie Stützen und Wänden zu trennen. Die Unterteilung von großen Industrieböden durch Fugen in Teilabschnitte ist ebenfalls Teil des Entwurfsgrundsatzes a). Die Anordnung und die Detailausbildung von Fugen in Industrieböden (vgl. Tabelle 3) sind bereits bei der Planung zu berücksichtigen und in einem Fugenplan darzustellen. 1 Grenzabweichungen für profilgerechte Lage ±20 mm (Messung im Raster von etwa 5 m x 5 m) 2 Ebenheit nach DIN 18202 [10], Tabelle 3, Zeile 1 3 Oberfläche geschlossen, grat- und riefenfrei; Ebenheit nach DIN 18202 [10], Tabelle 3, Zeile 2a Buch IB.indb 117 11.02.20 12: 53 118 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Tabelle 3: Fugenarten bei Industrieböden aus Beton (Auszug aus [1]) Die Anschlüsse von Betonierfeldern werden als Arbeits- oder Pressfugen ausgebildet, bei denen die Querkraftübertragung über die Fugenrauigkeit oder ggf. über eine Verdübelung sicherzustellen ist. Fugenkanten unterliegen rollender, schlagender und stoßender Belastung und werden somit in Abhängigkeit von der Größe und Härte der Fahrzeugräder beansprucht. Arbeits- und Pressfugen von mittel bis hoch beanspruchten Industrieböden sollten deswegen mittels Fugenprofilen mit Kantenschutz (siehe Bild 1) geplant und ausgeführt werden. Hierfür sind in Abhängigkeit von den Beanspruchungen und Fugenbreiten, Fugenprofile ggf. mit Querkraftübertragung zu planen, die ein erschütterungsfreies Überfahren zum Schutz von Fahrzeugführer und Fahrzeugen ermöglichen (siehe Bild 1). Bild 1: Beispiel für die Ausbildung von gerichteten vorgefertigten Fugenprofilen mit Kantenschutz und Querkraftübertragung Zur Vermeidung von Rissen zwischen den Fugen haben sich je nach Unterkonstruktion (Tragschicht, Trennlage, Sauberkeitsschicht, Gleitschicht usw.) in der Praxis folgende Konstruktionsregeln bewährt: - quadratische oder gedrungene rechteckige Felder mit Längen/ Breitenverhältnis ≤ 1,5, - bei Hallenflächen Fugenabstände bis zum 35-fachen der Plattendicke (< 8,50 m), - bei Freiflächen Fugenabstände bis zum 25-fachen der Plattendicke (< 7,50 m). Bei Einhaltung der oben genannten geometrischen Randbedingungen ergeben sich in Hallen fugenlose Teilabschnitte von maximal 110 m 2 (8,5 m x 12,75 m). 1.5 Betontechnologische und ausführungstechnische Maßnahmen beim EGS a) - Risse vermeiden Nach Lohmeyer [3] kann bei unbewehrten Betonplatten in geschlossenen Hallen bei „Ausführungsart S“ der maximale Fugenabstand auf 10 m erhöht werden. Bei mit Listenmatten bewehrten Betonplatten kann nach Lohmeyer [3] bei gleicher Ausführungsart S der maximale Fugenabstand auf 25 m erhöht werden. Im Wesentlichen fasst Lohmeyer unter der Bezeichnung „Ausführungsart S“ die betontechnologischen und ausführungstechnischen Maßnahmen zur Reduzierung der Verkürzung des Betons infolge Abkühlung und Austrocknung zusammen (Wassergehalt ≤ 165 kg/ m3, Zementleimgehalt ≤ 290 l/ m3, Vermeidung einer schnellen Erwärmung und Austrocknung der Oberfläche bzw. einer zu schnellen Abkühlung durch Zugluft, sofortige Nachbehandlung und anschließendes Feuchthalten z.B. durch Abdecken mit Folie sowie einer Verdoppelung der Nachbehandlungsdauer gegenüber DIN 1045-3 [4]). 1.6 Schachinger.indd 118 13.02.20 17: 05 Industrieböden - Theorie und Fallbeispiele zu fugenlosen Teilabschnitten von größer 1000 m2 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 119 Industrieböden - Theorie und Fallbeispiele zu fugenlosen Teilabschnitten von größer 1000 m2 Durch den Einsatz von hochwirksamen Fließmitteln auf PCE-Basis können auch Betone mit geringem Wassergehalt in weicher bis sehr weicher Konsistenz (F3 und F4) hergestellt werden. Ergänzend zu den Maßnahmen gemäß Ausführungsart S nach [3] empfiehlt es sich, zur Herabsetzung der Hydratationswärme CEM II oder CEM III/ A-Zemente der Festigkeitsklasse 32,5 und 42,5 N einzusetzen. Als weitere ausführungstechnische Maßnahme sollte die Frischbetontemperatur nicht mehr als 25°C (besser 20 °C) betragen [1]. Beide Zusatzmaßnahmen haben zum Ziel, die Temperaturdifferenz zwischen dem Maximum der Betontemperatur im Zuge der Erhärtung und der niedrigsten Umgebungstemperatur in der Nutzungsphase möglichst klein zu halten. Auf diese Weise werden die Verformungen (Verkürzungen) bei Abkühlung des Betons auf die Umgebungstemperatur und die Zwangspannungen (zentrischer Zug) in der Betonplatte bei teilweiser Behinderung dieser Verformungen durch die Reibung zum Untergrund minimiert. 2. Fallbeispiele zu fugenlosen Teilabschnitten von größer 1000 m 2 Bei Industrieböden im Logistikbereich gilt es, möglichst große rissfreie und fugenlose Teilabschnitte mit gegenüber der DIN 18202 erhöhten Anforderungen an die Ebenheit zur Sicherung der Nutzbarkeit und Verringerung der Instandhaltungskosten zu realisieren. Anhand zweier Praxisbeispiele mit fugenlosen Teilabschnitten von > 1000 m 2 werden im Folgenden die Kombinationen aus konstruktiven, betontechnologischen und ausführungstechnischen Maßnahmen beschrieben die für die Realisierung notwendig waren. Ergänzend wird auch auf die verwendete Maschinen- und Gerätetechnik eingegangen. In beiden Fällen wurden Betone mit hohen Stahlfasergehalten eingesetzt. Von dem Einbau einer Betonstahlbewehrung wurde abgesehen. Es wurde der Entwurfsgrundsatz a) „Risse vermeiden“ als Grundlage gewählt. Ebenfalls wurden in beiden Fällen Fugenprofile mit Stahlkantenschutz und Querkraftübertragung zur Begrenzung der Betonierabschnitte (=Teilabschnitte) eingesetzt. 2.1 Fallbeispiel I - Ausnutzung aller Maßnahmen und Einsatz von modernster Maschinentechnik Bei der Ausführung der Industrieböden im Logistikzentrum eines Automobilherstellers mit einer Gesamtfläche von 250.000 m 2 wurde modernste Maschinentechnik (S22-E advanced Laser Screed und STS Topping Spreader) der amerikanischen Fa. SOMERO eingesetzt. Die einzelnen Betonierabschnitte wiesen i.d.R. ein quadratisches Fugenraster von 33 x 33 m und eine Fläche von knapp 1090 m 2 auf. Als Gleitschicht wurden zur Verringerung der Reibung zwischen der Tragschicht (Ev2-Wert = 120 MN/ m 2 ) und der 20 cm dicken, stahlfaserbewehrten Betonplatte zwei Lagen PE-Folie eingebaut. Die Betonzusammensetzung (Festigkeitsklasse C30/ 37) entsprach mit einem Zementgehalt von 340 kg/ m3, dem w/ z-Wert von 0,50 und dem sich daraus ergebenden Zementleimgehalt von 283 l/ m3 im Wesentlichen der Ausführungsart S nach Lohmeyer [3] (vgl. Abschnitt 2.4). Durch Zugabe von Fließmittel wurde eine sehr weiche Konsistenz F4 eingestellt. Zur Verringerung der Hydratationswärme wurde ein CEM II B-S 42,5 N eingesetzt. Die Verdichtung und das Abziehen erfolgte mittels S22-E advanced Laser Screed, einem selbstfahrenden, lasergesteuerten Flächenfertiger (siehe Bild 2). Dieser ermöglicht eine vollständige Verdichtung des Betons und hohe Ebenheit der Oberfläche bei gleichzeitig großer Tagesleistung. Die Walze der Abzieheinheit legt eventuell emporstehende Stahlfasern um und arbeitet sie in die Oberfläche ein. Bild 2: Verdichtung und Abziehen des Industriebodens mittels S22-E advanced Laser Screed Um den geforderten Verschleißwiderstand der Betonoberfläche zu erreichen, wurden insgesamt 5 kg/ m 2 Hartstoffe in zwei Schritten eingearbeitet. Im ersten Schritt wurden direkt nach dem Abziehen 3 kg/ m 2 Hartstoffe „frisch-in-frisch“ mit einem STS Topping Spreader (siehe Bild 3) aufgetragen. Der STS Topping Spreader verfügt über einen elektronisch geregelten Ausleger. Dies bringt folgende Vorteile mit sich: - die Oberfläche muss nicht betreten werden, - Gewährleistung einer einheitlichen Auftragsmenge, - hohe Einbaugeschwindigkeit. Buch IB.indb 119 11.02.20 12: 53 120 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Industrieböden - Theorie und Fallbeispiele zu fugenlosen Teilabschnitten von größer 1000 m2 Bild 3: Auftragen von Hartstoffen frisch-in-frisch mittels STS Topping Spreader Nach Erreichen der Begehbarkeit wurden im zweiten Schritt 2 kg/ m 2 Hartstoffe klassisch mit einem Einstreuwagen aufgebracht und durch Abscheiben in die Oberfläche eingearbeitet. Durch anschließendes maschinelles Flügelglätten in mehreren Übergängen konnte nicht zuletzt aufgrund der hohen Einbaugenauigkeit und gleichmäßigen Hartstoffeinstreuung eine sehr hohe Oberflächenqualität erzielt werden (siehe Bild 4). Bild 4: Betonoberfläche nach maschinellem Flügelglätten in mehreren Übergängen Die wasserhaltende Nachbehandlung erfolgte über einen Zeitraum von 2 Wochen mit Folie. Dadurch wurde ein schnelles einseitiges Austrocknen auf der Oberseite und somit ein „Aufschüsseln“ vermieden. Nach einem Jahr waren die Fugen rd. 15 mm geöffnet. 2.2 Fallbeispiel II -Bauweise mit CSA-Quellzusatz Beim zweiten Fallbeispiel handelte es sich um eine Lagerhalle mit einer Gesamtfläche von rd. 5500 m 2 . Aufgrund der bereichsweisen Nutzung als Hochregallager (siehe Bild 5) wurden gegenüber DIN 18202 erhöhte Anforderungen an die Ebenheit nach DIN 15185 für eine Fahrspurweite von 1,0 bis 1,5 m gestellt. Demzufolge durften die Ebenheitsabweichungen quer zur Fahrspur nicht größer als 2,5 mm ausfallen. Bild 5: Lagerhalle Fallbeispiel II - bereichsweise als Hochregallager genutzt - nach Fertigstellung Vorab wurden ca. 2 m breite Streifen entlang der Stützenachse gemäß der planmäßigen Höhe mit Kantenschutz-Fugenprofilen (mit Querkraftübertragung) abgestellt und betoniert (siehe Bild 9). Die insgesamt vier dazwischenliegenden Felder mit Abmessungen von 21 m x 60 m (Seitenverhältnis 1: 3) und Flächen von 1260 m 2 wurden in Tagesleistungen betoniert, mit Rüttelflaschen verdichtet und mit einer feldüberspannenden Rollbohle abgezogen (siehe Bild 6). Auf diese Weise konnten - analog zu dem Verfahren bei Fallbeispiel I eventuell emporstehende Stahlfasern umgelegt und in die Oberfläche eingebettet werden. Bild 6: Abziehen der Oberfläche mit einer feldüberspannenden 21 m langen Rollbohle Als betontechnologische Maßnahme wurde bei diesem Fallbeispiel durch Zugabe eines Quellzusatzes auf Basis von Calciumsulfoaluminat (kurz: CSA) eine Ausdehnung infolge Ettringitbildung bewirkt. Diese Ausdehnung dient zur Kompensation der Verkürzungen infolge Abkühlung bei Abfließen der Hydratationswärme und Schwindvorgängen während der Erhärtung bzw. im Zuge der Austrocknung. Buch IB.indb 120 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 121 Industrieböden - Theorie und Fallbeispiele zu fugenlosen Teilabschnitten von größer 1000 m2 [5] enthält Detailangaben zu der Herstellung, der Zusammensetzung und den Eigenschaften solcher CSA-Zemente. Wie anhand der gestrichelten Linie in Bild 7 zu erkennen ist, bewirkt die kontrollierte Zugabe der CSA-Komponente bis zu einem Alter von 2 bis 3 Wochen eine leichte Ausdehnung des stahlfaserbewehrten Betons um etwa 0,6 ‰. Durch das Austrocknungsschwinden wird diese Ausdehnung nach einem halben Jahr fast vollständig abgebaut. Im Vergleich zeigt die rote Linie des identisch zusammengesetzten Betons ohne CSA-Komponente nach einem halben Jahr eine Verkürzung von knapp 0,6 ‰. Die Behinderung einer Verkürzung durch die Reibung zum Untergrund bewirkt zentrische Zugspannungen im Betonquerschnitt, so dass mit einer Rissbildung zu rechnen ist. Bild 7: Wirkung eines Quellzusatzes auf Basis von Calciumsulfoaluminat (CSA) auf die Verformungen während der Erhärtung (rote Linie: Referenz Transportbeton; schwarz-gestrichelte Linie: stahlfaserbewehrter Transportbeton mit CSA-Quellzusatz) Die Zugabemenge des CSA-Quellzusatzes muss immer vorab in einer Erstprüfung für Beton nach Zusammensetzung mit den örtlich verfügbaren Ausgangsstoffen abgestimmt werden. Die Stahlfasern und der CSA-Quellzusatz werden immer auf der Baustelle mit geeigneter Maschinentechnik aufbereitet und dem Transportbetonmischer zugegeben (siehe Bild 8). Bild 8: Eingesetzte Maschinentechnik zur Zugabe des CSA-Quellzusatzes und der Stahlfasern in den Transportbetonmischer (oranger Anhänger: Aufbereitung und Druckluftförderung der CSA-Quellzusatz über eine Schlauchleitung; blauer Anhänger: Vereinzelung der Stahlfasern) Um die Wirkungsweise des CSA-Quellzusatzes vollflächig auszunutzen wurde beim beschriebenen Beispiel bewusst auf eine Gleitschicht zwischen der Tragschicht (E v2 -Wert = 100 MN/ m 2 ) und der 18 cm dicken, stahlfaserbewehrten Betonplatte verzichtet (siehe Bild 9). Durch den „flächigen Verbund“ zur Tragschicht bewirkt die Ausdehnung infolge des CSA-Quellzusates (vgl. Bild 7) an jeder Stelle eine „Druckvorspannung“ des Betons, so dass eine Rissbildung bei Abfließen der Hydratationswärme vermieden wird. Bild 9: Einbau des Betons ohne Gleitschicht Auch bei diesem Fallbeispiel entsprach die Betonzusammensetzung (Festigkeitsklasse C30/ 37) mit einem Zementgehalt von 340 kg/ m3, dem w/ z-Wert von 0,45 und dem sich daraus ergebenden Zementleimgehalt von 266 l/ m3 im Wesentlichen der Ausführungsart S nach Lohmeyer [3] (vgl. Abschnitt 2.4). Zur Verringerung der Hydratationswärme wurde auch bei diesem Beispiel ein CEM II B-S 42,5 N eingesetzt. Hier wurde ein mit 32 mm gegenüber 16 mm im Fallbeispiel I größeres Größtkorn verwendet, wodurch der Zementleimbedarf im Vergleich zum Beispiel 1 minimiert wurde. Durch Zugabe von Fließmittel wurde eine sehr weiche Konsistenz F4 (Ausbreitmaß 52 cm) eingestellt. Buch IB.indb 121 11.02.20 12: 53 122 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Industrieböden - Theorie und Fallbeispiele zu fugenlosen Teilabschnitten von größer 1000 m2 Die wasserzuführende/ -haltende Nachbehandlung der Betonoberfläche erfolgte mit einem genässten Geotextil und einer PE-Folie als Verdunstungsschutz. Da die Reaktion des CSA-Quellzusatzes etwa 7 Tage andauert und Wasser benötigt, muss die Nachbehandlung mindestens 10 Tage (besser 14 Tage) durchgeführt werden. Nach 6 Monaten waren die Fugen lediglich um 4 bis 6 mm geöffnet. Risse waren zu diesem Zeitpunkt nicht aufgetreten. Fazit: Die Herstellung von großen, fugenarmen und rissfreien Industrieböden mit Teilflächen von ≥1000 m 2 ist heute möglich, erfordern aber neben Betontechnologie und Konstruktion „modernste“ Maschinentechnik (Fallbeispiel I) bzw. einen „Griff in die betontechnische Trickkiste“ (Fallbeispiel II). Literaturverzeichnis [1] DBV-Merkblatt Industrieböden aus Beton. - Fassung 2017. [2] DBV-Merkblatt Industrieböden aus Stahlfaserbeton. - Fassung Juli 2013. [3] Lohmeyer, Gottfried; Ebeling, Karsten: Betonböden für Produktions- und Lagerhallen - Planung, Bemessung, Ausführung. Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf, 2006. [4] DIN EN 13670: 2011-03: Ausführung von Tragwerken aus Beton. In Verbindung mit: DIN 1045-3: 2012- 03: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 3: Bauausführung - Anwendungsregeln zu DIN EN 13670 mit DIN 1045-3 Berichtigungen 1: 2013-07. [5] Korodur Rapid Set: Beton mit schnellerhärtendem Calcium-Sulfoaluminat-Zement (CSA-Zement) In: Beton- und Stahlbetonbau 112 (2017), Heft 8, A19. [6] DIN EN 206-1: 2001-07: Beton - Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität mit DIN EN 206-1/ A1-Änderung: 2004-10 und DIN EN 206- 1/ A2-Änderung: 2005-09 mit DIN 1045-2: 2008-08 Teil 2 - Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität - Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1. [7] DIN EN 1991-1-1: 2010-12: Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke - Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau; Deutsche Fassung EN 1991-1-1: 2002 + AC: 2009 mit DIN EN 1991-1-1/ NA: 2010-12 und DIN EN 1991-1-1/ NA/ A1: 2015-05. Buch IB.indb 122 11.02.20 12: 53