Kolloquium Industrieböden
kibo
2510-7771
expert verlag Tübingen
0301
2020
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LittmannEinsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen
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2020
Alfred Stein
Bodenkonstruktionen bestehen im Regelfall aus Materialien mit unterschiedlichen Materialeigenschaften. Dies führt dazu, dass bei einer Erwärmung der Konstruktion, wie dies bei der Nutzung von Räumen auftritt, die miteinander verbundenen Bauteile unterschiedlich ausdehnen. Durch die Verbundkonstruktion führen diese Verformungsdifferenzen zu Zwängungsspannungen in der Konstruktion. Ebenfalls führt das Austrocknen von Bauteilen einer Bodenkonstruktion, die bei der Verarbeitung keine Ausgleichsfeuchte aufweisen, zu Zwängungsspannungen der Bodenkonstruktion. Die fehlende Ausgleichsfeuchte der Baustoffe ist bedingt durch die klimatischen Verhältnisse auf der Baustelle und/oder durch die zu geringe Bauzeit für die Durchführung der Baumaßnahme.
Zum Ausgleich dieser möglichen Verformungsdifferenzen der Baustoffe kommt vielfach ein Entkopplungssystem zur Anwendung. Esichine Aufführung der unterschiedlichen Entkopplungssysteme findet sich im Merkblatt [2] des Fachverbandes Fliesen und Naturstein. Für die Auswahl und die Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Entkopplungssystems liegen keine Kriterien vor. Mit dem Merkblatt Nr. 7 [1] lassen sich die technischen Eigenschaften von Entkopplungssystemen ermitteln. Es werden die Schubsteifigkeit und die Zusammendrückbarkeit der Systeme ermittelt. Auf der Basis dieser technischen Werte lassen sich nach den Regeln der Physik und der Statik die Zwängungsspannungen der Bodenkonstruktion ermitteln.
Die Berechnungen zeigen, dass schwindfähige Lastverteilungsschichten nicht wirksam entkoppelt werden können. Die vielfach festgestellte positive Wirkung von Entkopplungssystemen bei schwindfähigen Lastverteilungsschichten kommt durch eine Abdichtung gegen Feuchte zustande. Durch die Abdichtung wird das Schwinden behindert bzw. verzögert. Bei großen Belaglängen können Verformungsdifferenzen infolge thermischer Ausdehnung nur eingeschränkt entkoppelt werden. Neben Entkopplungssystemen können flexible Mörtelsysteme als Entkopplung eingesetzt werden.
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10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 159 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen Alfred Stein Sachverständigenbüro Prof. Dr. Alfred Stein Zusammenfassung Bodenkonstruktionen bestehen im Regelfall aus Materialien mit unterschiedlichen Materialeigenschaften. Dies führt dazu, dass bei einer Erwärmung der Konstruktion, wie dies bei der Nutzung von Räumen auftritt, die miteinander verbundenen Bauteile unterschiedlich ausdehnen. Durch die Verbundkonstruktion führen diese Verformungsdifferenzen zu Zwängungsspannungen in der Konstruktion. Ebenfalls führt das Austrocknen von Bauteilen einer Bodenkonstruktion, die bei der Verarbeitung keine Ausgleichsfeuchte aufweisen, zu Zwängungsspannungen der Bodenkonstruktion. Die fehlende Ausgleichsfeuchte der Baustoffe ist bedingt durch die klimatischen Verhältnisse auf der Baustelle und/ oder durch die zu geringe Bauzeit für die Durchführung der Baumaßnahme. Zum Ausgleich dieser möglichen Verformungsdifferenzen der Baustoffe kommt vielfach ein Entkopplungssystem zur Anwendung. Esich ine Aufführung der unterschiedlichen Entkopplungssysteme findet sich im Merkblatt [2] des Fachverbandes Fliesen und Naturstein. Für die Auswahl und die Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Entkopplungssystems liegen keine Kriterien vor. Mit dem Merkblatt Nr. 7 [1] lassen sich die technischen Eigenschaften von Entkopplungssystemen ermitteln. Es werden die Schubsteifigkeit und die Zusammendrückbarkeit der Systeme ermittelt. Auf der Basis dieser technischen Werte lassen sich nach den Regeln der Physik und der Statik die Zwängungsspannungen der Bodenkonstruktion ermitteln. Die Berechnungen zeigen, dass schwindfähige Lastverteilungsschichten nicht wirksam entkoppelt werden können. Die vielfach festgestellte positive Wirkung von Entkopplungssystemen bei schwindfähigen Lastverteilungsschichten kommt durch eine Abdichtung gegen Feuchte zustande. Durch die Abdichtung wird das Schwinden behindert bzw. verzögert. Bei großen Belaglängen können Verformungsdifferenzen infolge thermischer Ausdehnung nur eingeschränkt entkoppelt werden. Neben Entkopplungssystemen können flexible Mörtelsysteme als Entkopplung eingesetzt werden. 1. Einführung Entkopplungen werden vielfach zum Ausgleich von Verformungsdifferenzen zwischen Belag und Lastverteilungsschicht eingesetzt. Das restliche Schwinden von Belägen oder Lastverteilungsschichten nach der Verlegung führt zu Zwängungsspannungen in der Bodenkonstruktion. Ebenfalls können Zwängungen durch das unterschiedliche thermische Ausdehnungsverhalten von Belag und tragendem Untergrund entstehen. Die Zwängungsspannungen sind abhängig von der Größe der Verformungsdifferenz von Belag und tragendem Untergrund. Die Verformungsdifferenz kann minimiert werden, wenn bei dem tragenden Untergrund die Belegreife gegeben ist und quell- und schwindfähige Beläge die Ausgleichsfeuchte des Klimas der Nutzung aufweisen. Diese Bedingungen sind durch den Bauablauf oder durch die klimatischen Verhältnisse nicht immer zu erfüllen. Zur Reduzierung der Zwängungsspannungen kommen oder entkoppelnde MörtelsystemeEntkopplungssysteme zwischen Belag und tragendem Untergrund zum Einsatz. Die sewerden im Verbund oder lose auf der Lastverteilungsschicht bzw. auf der Dämmung verlegt. Zusätzlich könnenkönnen Entkopplungsmatten die Oberfläche des Estrichs abdichten dichten und hierdurch die Schwindverformung reduzieren bzw. verzögern. Entkopplungen ohne Verbund mit der Lastverteilungsschicht können kleine Risse ohne Höhenversatz überbrücken. Entkoppelungssysteme bestehen in der Regel aus aufeinander abgestimmten Materialien z.B. aus Polyethylen, Polypropylen, Polypropylen-Vliese Kombinationen, Polyesterfaserplatten, Glasfasergewebe oder Gummigranulaten und gegebenenfalls mit den dazugehörigen Verlegemörtel der Systemhersteller. Strukturierte bahnenförmige Systeme Strukturierte bahnenförmige Systeme sind profilierte Kunststoffbahnen die im Verbund oder lose zum Untergrund verlegt werden und die auftretenden Scherspannungen im System abbauen. Glatte bahnenförmige Systeme und bahnenförmige Vliese Glatte bahnenförmige Systeme sind Kunststoffbahnen mit beidseitiger Vliesoberfläche als Kontaktschicht zum Buch IB.indb 159 11.02.20 12: 53 160 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen Verlegemörtel und / oder im Verlegemörtel eingebettete Vliese, Plattenförmige Systeme Plattenförmige Systeme sind Verlegeelemente, die zur direkten Belagsaufnahme verwendet. Entkoppelnde Mörtelsysteme Beim Einsatz von Mörtelsystemen als Entkopplung sind die technischen Eigenschaften und die Dicke des Mörtels von entscheidender Bedeutung. Je größer die Mörteldicke ist, umso besser ist die entkoppelnde Wirkung des Systems. 2. Ermittlung der Kenndaten Die Beurteilung des Einflusses auf die Beanspruchung der Beläge kann mit Hilfe der technischen Kenndaten eines Entkopplungssystems erfolgen. Als Grundlage für die Ermittlung der Beanspruchung dienen die Schub- und Drucksteifigkeit des Entkopplungssystems. Die Ermittlung der technischen Daten kann mit Hilfe des Merkblattes 7 „Ermittlung der technischen Eigenschaften von Entkopplungen“ der Deutschen Natursteinakademie e.V. (www.denak.de) erfolgen. 2.1 Schubsteifigkeit (Horizontale Bettung) Die Entkopplungsmatte wird zwischen zwei Platten bzw. Fliesen mit den Mindestabmessungen 100 mm x 100 mm eingeklebt. Vereinfachend können Laborfliesen mit einer Mindestdicke von 8 mm verwendet werden. Beim Einsatz von anderen Materialien muss die Steifigkeit (E · d) mindestens 560 MN/ m betragen. Hierbei entspricht E dem Elastizitätsmodul der Platte bzw. Fliese in MN/ m 2 und d der Belagdicke in m. Dies bedeutet beispielsweise bei der Verwendung von Platten aus Naturwerkstein mit einem Elastizitätsmodul von 40000 MN/ m 2 eine Mindestdicke von 14 mm. Der verwendete Mörtel bzw. Kleber und die entsprechende Applikation entspricht den Vorgaben des Herstellers des Entkopplungssystems. Der jeweilige Überstand der Fliese beträgt 10 mm. Bild 1: Versuchsaufbau Mörtelbzw. Kleberreste am Überstand müssen vor der Versuchsdurchführung entfernt werden. Hieraus ergibt sich eine Scherfläche von 9000 mm 2 . Der Probekörper wird durch seitliche Führungen gehalten. Die seitliche Führung muss mindestens zwei Drittel der Probekörperhöhe stützen. Die seitliche Führung muss auf einer Seite des Probekörpers ein geringes Spiel aufweisen. Die Verformung ist auf der Oberseite des Probekörpers zu messen. Die Belastung ist verteilt über die Probekörperbreite mit einem Gelenkkopf oder Kalotte einzuleiten. Entkopplungssysteme können parallel zur Belagfläche ein unterschiedliches Verformungsverhalten (Bild 2) aufweisen. Bild 2: horizontale Verschiebungswiderstände von Entkopplungen Glatte Entkopplungssystem (4) weisen ein lineares Tragverhalten auf. Nach dem Überschreiten der Scherfestigkeit löst sich der Verbund und es können keine Scherkräfte mehr aufgenommen werden. Systeme mit schallentkoppelnder Wirkung (3) weisen ein nichtlineares Verhalten auf. Dies zeigt sich im Neigungswechsel der Last-Weg-Kurve. Bei einer Scherkraft, bei der der Neigungswechsel stattfindet ergeben sich Strukturänderungen innerhalb des Systems, die bei einer Entlastung sich nicht mehr zurückbilden. Strukturierte Systeme (1) (2) weisen ein nichtlineares Verhalten auf. Nach dem Überschreiten einer Grenzscherspannung weisen diese ein Verformungsverhalten ähnlich dem Fließen von Stahl auf. Da die Verformungsdifferenz zwischen Belag und Lastverteilungsschicht vielfach größer als Verformung beim Erreichen der Grenzscherspannung ist, liegt es nahe dieses „Fließen“ von Entkopplungssystemen technisch zu nutzen. 2.2 Drucksteifigkeit (vertikale Bettung) Die Entkopplungsmatte wird bei Verbundverlegung zwischen zwei Laborfliesen mit den Seitenabmessungen 100 mm x 100 mm eingeklebt. Buch IB.indb 160 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 161 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen Bild 3: Schnitt Versuchsaufbau (Entkopplung mit Verbund) Bei Entkopplungsmatten ohne Verbund wird auf der Oberseite der Entkopplungsmatte eine Laborfliese mit den Seitenabmessungen 100 mm x 100 mm aufgeklebt. Bild 4: Schnitt Versuchsaufbau (Entkopplung ohne Verbund) Die Mindestdicke der Laborfliese beträgt 8 mm. Die Druckfläche beträgt 10000 mm 2 . Der verwendete Mörtel bzw. Kleber und die entsprechende Applikation entspricht den Vorgaben des Herstellers des Entkopplungssystems. Bei Entkopplungsmatten mit Verbund liegen die zwei Fliesen übereinander. Der Überstand der Entkopplungsmatte beträgt mindestens 2 mm. Mörtelbzw. Kleberreste am Überstand der Entkopplungsmatte müssen vor der Versuchsdurchführung entfernt werden. Bei Entkopplungsmatten ohne Verbund sind die Probekörper auf einer ebenen Fläche herzustellen. Bild 5: Lage der Messpunkte Die Lasteinleitung erfolgt mit einer gelenkig gelagerten Lastverteilungsplatte. Die Verformung ist auf der Oberseite des Probekörpers an zwei Messpunkten zu messen. Auf das Verformungsverhalten der Entkopplungssysteme bei Druckbeanspruchung wird nicht näher eingegangen. Die Verformung bei Druckbeanspruchung kann Einfluss auf die Biegebeanspruchung der Beläge haben. 3. Verformungsverhalten von Bodenkonstruktionen Eine Bodenkonstruktion (Bild 6) besteht aus der Lastverteilungsschicht, dem Mörtelbzw. Entkopplungssystem und dem Belag. Bild 6: Aufbau Bodenkonstruktion Zum Zeitpunkt der Erstellung der Bodenkonstruktion haben die unterschiedlichen technischen Eigenschaften der jeweiligen Bauteile, wie z.B. thermische Ausdehnung oder das Schwinden der Baustoffe, keinen Einfluss auf die Beanspruchung der Konstruktion. 3.1 Temperaturbeanspruchung Erhöht sich jedoch die Temperatur der Bodenkonstruktion, so führen die unterschiedlichen Temperaturausdehnungskoeffizienten der einzelnen Bauteile zur Systembeanspruchungen in Form von Druck und Zugspannungen, die zum Versagen der Bodenkonstruktion führen können. Bild 7: Verformung Bodenkonstruktion Bei einer Erhöhung der Temperatur der Bodenkonstruktion (Bild 7) ist die Verformung der Lastverteilungsschicht größer als die des Belages. Dies führt dazu, dass der Belag auf Zug beansprucht wird. Diese Zugspannungen können durch Bildung von Haarrissen in den Fugen reduziert werden. Der Einfluss des Entkopplungssystems auf die Spannung im Belag wird für die Temperaturbelastung an einem Beispiel aufgezeigt. Hierbei wird die Steifigkeit der Lastverteilungsschicht und die Schubsteifigkeit des Entkopplungssystems variiert. Technische Daten Bodenkonstruktion: Belagdicke 8 mm Elastizitätsmodul Belag 70000 N/ mm 2 Bettungsziffer Entkopplung variabel Steifigkeit Estrich variabel Buch IB.indb 161 11.02.20 12: 53 162 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen Bild 8: Aufbau Bodenkonstruktion Bild 9: Spannung Belag Bild 10: Spannungsabminderung Belag Die Bewertung erfolgt für einen Belag mit einer Seitenlänge von 600 mm. Bei einer unendlich steifen Lastverteilungsschicht ergibt sich eine Belagspannung von 7,0 N/ mm 2 . Die üblichen Schubsteifigkeiten von Entkopplungssystemen liegen in dem Bereich von k H = 500 MN/ m 3 bis 10000 MN/ m 3 . Für ein Kleber C2 und einer Kleberdicke von ca. 10 mm kann von einer Schubsteifigkeit von ca. k H = 5000 MN/ m 3 bis 6500 MN/ m 3 ausgegangen werden. Es zeigt eine gute entkoppelnde Wirkung (Bild 9) sowohl für Systeme als auch für Kleber C2. Die gestrichelte Linie (Bild 10) markiert einen Zementestrich mit einer Dicke von 60 mm. Die Spannungsreduzierung liegt in der Größenordnung von 40% bis 95%. 3.2 Schwinden Estrich Ergibt sich ein Schwinden der Lastverteilungsschicht (Bild 11), so wird der Belag auf Druck und die Lastverteilungsschicht auf Zug beansprucht. Bild 11: Verformung Bodenkonstruktion Durch die Druckfestigkeit des Fugenmörtels entfällt die entkoppelnde Wirkung der Mörtelfugen. Hierdurch ergibt sich technisch die Wirkung eines über die Lastverteilungsschicht durchgehenden Belages. Bild 12: Spannung Belag Bild 13: Spannungsabminderung Belag Der Einfluss des Entkopplungssystems auf die Spannung im Belag wird für die Schwindverformung der Lastverteilungsschicht an einem Beispiel aufgezeigt. Hierbei werden die Steifigkeit der Lastverteilungsschicht und die Schubsteifigkeit des Entkopplungssystems variiert. Die Systemdaten entsprechen dem vorherigen Beispiel. Die Bewertung erfolgt für eine durchgehende Belagfläche (6000 mm). Es zeigt sich (Bild 12) lediglich für ein Entkopplungssystem mit schalltechnischen Eigenschaften (k H = 500 MN/ m 3 ) eine minimale Reduzierung der Belagspannungen. Die Spannungsreduzierung (Bild 13) liegt in der Größenordnung von 2% bis 10%. Buch IB.indb 162 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 163 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen 4. Beurteilung von Kennlinien Grundlage für die Bemessung der Beläge sind die Schub- und Drucksteifigkeit des Verlegemörtels bzw. des Entkopplungssystems auf der Basis des Merkblattes Nr. 7 der Deutschen Natursteinakademie (www.denak.de) „Ermittlung der technischen Eigenschaften von Entkopplungen“ Kennlinien von Entkopplungssystemen, die auf der Basis des Merkblattes Nr. 7 ermittelt wurden, sind in den Bildern 14 bis 17 dargestellt. Zu erkennen sind Verformungslinien mit nichtlinearem Verhalten. Dies bedeutet, dass ab einer Grenzlast sich die Neigung der Verformungslinie ändert. Bild 14: Kennlinie System 1 Ab der Grenzlast erfolgt eine Schädigung des Verbundes. Bei einer Entlastung des Entkopplungssystems, das oberhalb der Grenzlast belastet wurde, geht das Entkopplungssystem nicht mehr in seine Ursprungslage zurück. Bild 15: Kennlinie System 2 Bild 16: Kennlinie System 3 Bild 17: Kennlinie System 4 Bei einer Beanspruchung in einer Richtung, wie diese beim Schwinden von Lastverteilungsschichten auftritt, muss eine Nutzung des Resttragverhaltens (Fließbereich) kein Nachteil darstellen. Aus der Grenzlast und der Größe der Scherfläche ergibt sich die Grenzscherspannung, ab der das Entkopplungssystem in den Fließbereich übergeht. Um den Fließbereich eines Entkopplungssystems nutzen zu können müssen die Scherspannungen in der Bodenkonstruktion die Grenzscherspannung überschreiten. Aus diesem Grunde ist die Ermittlung der Scherspannungen erforderlich, um eine Beurteilung des Entkopplungssystems vornehmen zu können. Die Nutzung des Fließbereichs des Entkopplungssystems und die Ermittlung der Beanspruchung von Belag und Lastverteilungsschicht sind rechnerisch aufwendig und erfordern eine iterative Berechnung. Eine qualitative Beurteilung des Entkopplungssystems auf der Basis des möglichen Verschiebeweges ist nicht möglich. Buch IB.indb 163 11.02.20 12: 53 164 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen 5. Ermittlung der Scherspannungen 5.1 Verbundkonstruktion Bodenkonstruktionen, bestehend aus Lastverteilungsschicht, Mörtel und Belag stellen Verbundkonstruktionen dar. Differenzverformungen (Bild 18) der Materialien infolge Temperatur und Schwinden von Baustoffen führen bei Verbundkonstruktionen zu Spannungen in den jeweiligen Schichten der Konstruktion. Die Differenzverformung zwischen Belag und Lastverteilungsschicht wird bei einer Verbundkonstruktion durch die Verformung der einzelnen Bauteile aufgenommen. Die Summe der Verformungen der jeweiligen Bauteile entspricht der Differenzverformung der Bauteile ohne Verbund. Die Verteilung der Differenzverformung auf die einzelnen Bauteile ist abhängig von der Steifigkeit der Bauteile. Eine große Steifigkeit der Lastverteilungsschicht führt zu einer höheren Beanspruchung des Belages. Steife Beläge führen zu einer höheren Beanspruchung der Lastverteilungsschicht. Bei einem starren Untergrund wird die Differenzverformung alleine durch die Verformung des Belages aufgenommen. Bild 18: Verbundquerschnitt 5.2 Ersatzelastizitätsmodul Zur Vereinfachung der Berechnung der Spannungen aus Differenzverformungen kann die Nachgiebigkeit der Lastverteilungsschicht durch die Ermittlung eines Ersatzelastizitätsmoduls für den Belag berücksichtigt werden. Der Ersatzelastizitätsmodul für den Belag kann nach folgender Beziehung ermittelt werden. E * = d B · E B · E B = f B · E B (1) d B · E B + d E · E E d B (m) Belagdicke d F (m) Dicke Lastverteilungsschicht (Estrich bzw. Hohlboden) E B (MN/ m 2 ) Elastizitätsmodul Belag E E (MN/ m 2 ) Elastizitätsmodul Lastverteilungsschicht f B (/ ) Reduktionsfaktor Elastizitätsmodul Belag f E (/ ) Reduktionsfaktor Elastizitätsmodul Estrich E * (MN/ m 2 ) Ersatzelastizitätsmodul Der Faktor f B kann mit Hilfe von Bild 19 ermittelt werden. Für die Lastverteilungsschicht kann der Faktor zur Bestimmung des Ersatzelastizitätsmoduls mit folgendem Faktor ermittelt werden. f E = 1 f B (2) Die Druckbzw. Zugspannung im Belag ohne Entkopplungssystem ermittelt sich nach folgender Beziehung: σ B,Z = 0,001 · E * · Δe (3) σ B,Z (N/ mm 2 ) Zwängungsspannung im Belag ohne Entkopplung Δε (mm/ m) Verformungsdifferenz Bild 19: Verformungsanteil Belag Buch IB.indb 164 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 165 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen 5.3 Scherspannungen Die Möglichkeit der Nutzung der Resttragfähigkeit kann über die Kenntnis der Scherspannung in der Bodenkonstruktion beurteilt werden. Die Scherspannung kann mit Hilfe der Bilder 8 und 9 ermittelt werden. Aus den Bildern ist ersichtlich, dass die Scherspannung bei 4 m und 8 m Länge der Lastverteilungsschicht sich nur bei geringen Bettungsziffern geringfügig unterscheiden. Bild 20: Einheitsscherspannung Länge 4,0 m Bild 21: Einheitsscherspannung Länge 8,0 m Mithilfe der Einheitsscherspannung kann die Scherspannung des Mörtelsystems bzw. des Entkopplungssystems ermittelt werden. τ = = 10 · τ E · Δε (4) τ (kN/ m 2 ) Scherspannung τ E (kN/ m 2 ) Einheitsscherspannung Δε (mm/ m) Differenzschwindmaß zwischen Belag und Estrich 6. Resttragverhalten von Entkopplungen 6.1 Beispiele An ausgewählten Beispielen wird aufgezeigt, ob ein „Fließen“ von Entkopplungssystemen wirksam nutzbar ist. Es folgt eine Variation von Lastverteilungsschicht, Belagsteifigkeit und Entkopplungssystem. Bild 22: Längenänderung Estrichlänge 8,0 m Um in den Bereich des Fließens der Entkopplung zukommen wird eine Lastverteilungsschicht mit einer Länge von 8,0 m gewählt. Es wird ein Schwindmaß der Lastverteilungsschicht von 0,2 mm/ m angenommen. 6.2 Feinsteinzeug auf Estrich Technische Daten Bodenkonstruktion: Belagdicke: 8 mm Elastizitätsmodul Belag: 70000 N/ mm 2 Bettungsziffer Entkopplung: 1800 MN/ m 3 Grenzscherspannung: 380 kN/ m 2 Estrichdicke: 60 mm Elastizitätsmodul Estrich: 20000 N/ mm 2 Schwinden Estrich: 0,2 mm/ m Bild 23: Aufbau Bodenkonstruktion Steifigkeit Belag: E B ·d B = 70000·0,008 = 560 MN/ m Steifigkeit Estrich: E E ·d E = 20000·0,06 = 1200 MN/ m Buch IB.indb 165 11.02.20 12: 53 166 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen Bild 24: Verformungsanteil Belag Ersatzselastizitätsmodul Belag: E * = f B · E B = 0,68·70000 = 47600 N/ mm 2 Ersatzsteifigkeit Belag: E * ·d B = 47600·0,008 = 380 MN/ m Bild 25: Einheitsscherspannung τ = 10 · τ E · Δε = 10 · 75 · 0,2 = 150 kN/ m 2 < 380 kN/ m 2 (Grenzscherspannung) Das Resttragverhalten des Entkopplungssystems kann nicht genutzt werden, da die Grenzscherspannung nicht überschritten wird. Bild 26: Verlauf Scher- und Druckspannung σ B,Z = 0,001 · E * · Δε = 0,001 · 47600 · 0,2 = 9,5 N/ mm 2 (ohne Entkopplung) Der Vergleich der Spannungen im Belag mit und ohne Entkopplungssystem zeigt, dass eine entkoppelnde Wirkung nicht nachgewiesen kann. 6.3 Naturwerkstein auf Hohlboden Technische Daten Bodenkonstruktion: Belagdicke: 20 mm Elastizitätsmodul Belag: 80000 N/ mm 2 Bettungsziffer Entkopplung: (Kleber C2, 10 mm) 5000 MN/ m 3 Grenzscherspannung: >550 kN/ m 2 Hohlbodendicke: 40 mm Elastizitätsmodul Estrich: 8000 N/ mm 2 Schwinden Hohlboden: 0,2 mm/ m Bild 27: Aufbau Bodenkonstruktion Steifigkeit Belag: E B ·d B = 80000·0,02 = 1600 MN/ m Steifigkeit Estrich: E E ·d E = 8000·0,04 = 320 MN/ m Bild 28: Verformungsanteil Belag Bild 29: Einheitsscherspannung Buch IB.indb 166 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 167 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen Ersatzselastizitätsmodul Belag: E * = f B · E B = 0,17·80000 = 13600 N/ mm 2 Ersatzsteifigkeit Belag: E * ·d B = 13600·0,008 = 109 MN/ m τ = 10 · τ E · Δε = 10 · 70 · 0,2 = 140 kN/ m 2 < 550 kN/ m 2 (Grenzscherspannung) Die Grenzscherspannung wird nicht überschritten. Bild 30: Verlauf Scher- und Druckspannung σ B,Z = 0,001 · E * · Δε = 0,001 · 13600 · 0,2 = 2,7 N/ mm 2 (ohne Entkopplung) 6.4 Naturwerkstein auf Estrich Technische Daten Bodenkonstruktion: Belagdicke: 20 mm Elastizitätsmodul Belag: 90000 N/ mm 2 Bettungsziffer Entkopplung: 600 MN/ m 3 Grenzscherspannung: 270 kN/ m 2 Estrichdicke: 80 mm Elastizitätsmodul Estrich: 20000 N/ mm 2 Schwinden Estrich: 0,2 mm/ m Bild 31: Aufbau Bodenkonstruktion Steifigkeit Belag: E B ·d B = 90000·0,02 = 1800 MN/ m Steifigkeit Estrich: E E ·d E = 20000·0,08 = 1600 MN/ m Bild 32: Verformungsanteil Belag Ersatzselastizitätsmodul Belag: E * = f B · E B = 0,47·90000 = 42300 N/ mm 2 Ersatzsteifigkeit Belag: E * ·d B = 42300·0,02 = 846 MN/ m Bild 33: Einheitsscherspannung τ = 10 · τ E · Δε = 10 · 70 · 0,2 = 140 kN/ m 2 < 270 kN/ m 2 (Grenzscherspannung) Das Resttragverhalten des Entkopplungssystems kann nicht genutzt werden, da die Grenzscherspannung nicht überschritten wird. Bild 34: Verlauf Scher- und Druckspannung σ B,Z = 0,001 · E * · Δε = 0,001 · 42300 · 0,2 = 8,5 N/ mm 2 (ohne Entkopplung) Der Vergleich der Spannungen im Belag mit und ohne Entkopplungssystem zeigt, dass eine entkoppelnde Wirkung weniger als 7% beträgt und anwendungstechnisch keine Bedeutung hat. Buch IB.indb 167 11.02.20 12: 53 168 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen 6.5 Feinsteinzeug auf Stahlbetondecke Technische Daten Bodenkonstruktion: Belagdicke: 8 mm Elastizitätsmodul Belag: 60000 N/ mm 2 Bettungsziffer Entkopplung: 2500 MN/ m 3 Grenzscherspannung: 250 kN/ m 2 Stahlbetondicke: 180 mm Elastizitätsmodul Stahlbeton: 27800 N/ mm 2 Schwinden Stahlbeton: 0,2 mm/ m Bild 35: Aufbau Bodenkonstruktion Steifigkeit Belag: E B ·d B = 60000·0,008 = 480 MN/ m Steifigkeit Stahlbeton: E E ·d E = 27800·0,18 » 5000 MN/ m Bild 36: Verformungsanteil Belag Ersatzselastizitätsmodul Belag: E * = f B · E B = 0,92·60000 = 55200 N/ mm 2 Ersatzsteifigkeit Belag: E * ·d B = 55200·0,008 = 442 MN/ m Bild 37: Einheitsscherspannung τ = 10 · τ E · Δe = 10 · 105 · 0,2 = 210 kN/ m 2 < 250 kN/ m 2 (Grenzscherspannung) Das Resttragverhalten des Entkopplungssystems kann nicht genutzt werden, da die Grenzscherspannung nicht überschritten wird. Bild 38: Verlauf Scher- und Druckspannung σ B,Z = 0,001 · E * · Δε = 0,001 · 55200 · 0,2 = 11,0 N/ mm 2 (ohne Entkopplung) Der Vergleich der Spannungen im Belag mit und ohne Entkopplungssystem zeigt, dass eine entkoppelnde Wirkung nicht nachgewiesen kann. 6.6 Naturwerkstein auf Stahlbetondecke Technische Daten Bodenkonstruktion: Belagdicke: 30 mm Elastizitätsmodul Belag: 60000 N/ mm 2 Bettungsziffer Entkopplung: 2500 MN/ m 3 Grenzscherspannung: 250 kN/ m 2 Stahlbetondicke: 180 mm Elastizitätsmodul Stahlbeton: 27800 N/ mm 2 Schwinden Stahlbeton: 0,2 mm/ m Buch IB.indb 168 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 169 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen Bild 39: Aufbau Bodenkonstruktion Steifigkeit Belag: E B ·d B = 60000·0,03 = 1800 MN/ m Steifigkeit Stahlbeton: E E ·d E = 27800·0,18 » 5000 MN/ m Bild 40: Verformungsanteil Belag Ersatzselastizitätsmodul Belag: E * = f B · E B = 0,74·60000 = 44400 N/ mm 2 Ersatzsteifigkeit Belag: E * ·d B = 44400·0,03 = 1332 MN/ m Bild 41: Einheitsscherspannung τ = 10 · τ E · Δε = 10 · 180 · 0,2 = 360 kN/ m 2 > 250 kN/ m 2 (Grenzscherspannung) Das Resttragverhalten des Entkopplungssystems kann genutzt werden, da die Grenzscherspannung überschritten wird. Im Fließbereich des Entkopplungssystems variiert die wirksame Bettungsziffer zwischen 250 MN/ m 3 und 2500 MN/ m 3 . Bild 42: Fließbereich Entkopplungssystem Die Berechnung der Beanspruchung des Belages erfolgt mit Hilfe einer FE-Berechnung. Um das Fließen des Entkopplungssystems abzubilden ist eine iterative Berechnung erforderlich. Die Berechnung erfolgt für unterschiedlich lange Fließbereiche. Die Länge des Fließbereiches kann mit Hilfe von Bild 44 für eine Grenzscherspannung von 250 kN/ m 2 ermittelt werden. Bild 43: Iterative Ermittlung Fließbereich Buch IB.indb 169 11.02.20 12: 53 170 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Einsatz von Entkopplungssystemen bei Bodenkonstruktionen Bild 44 Iterative Ermittlung Fließbereich Die Scher- und Druckspannungsverteilung ist in Bild 28 dargestellt. Es zeigt sich, dass das Resttragverhalten des Entkopplungssystems nicht genutzt werden kann. Bild 45: Verlauf Scher- und Druckspannung σ B,Z = 0,001 · E * · Δε = 0,001 · 44400 · 0,2 = 8,9 N/ mm 2 (ohne Entkopplung) Der Vergleich der Spannungen im Belag mit und ohne Entkopplungssystem zeigt, dass eine entkoppelnde Wirkung weniger als 2% beträgt und anwendungstechnisch keine Bedeutung hat. 6.7 Nutzung des Fließbereichs Die Beispiele zeigen, dass bei den üblichen Bodenkonstruktionen die Grenzscherspannung nicht überschritten wird und somit die Resttragfähigkeit nicht genutzt werden kann. Bei sehr steifen schwindfähigen Lastverteilungsschichten kann zwar die Grenzscherspannung überschritten werden, führt jedoch nicht zu einer wesentlichen Reduzierung der Beanspruchung der Bauteile der Bodenkonstruktion. Literatur [1] Merkblatt 7: Ermittlung der technischen Eigenschaften von Entkopplungen, Herausgeber: Deutsche Naturstein Akademie e.V. [2] Verlegung von Fliesen und Platten auf Entkopplungssysteme im Innenbereich (euroFEN Merkblatt 8), Fachverband Fliesen und Naturstein im Zentralverband Deutsches Baugewerbe e.V., Berlin Buch IB.indb 170 11.02.20 12: 53