eJournals Kolloquium Industrieböden 10/1

Kolloquium Industrieböden
kibo
2510-7771
expert verlag Tübingen
0301
2020
101 Littmann

Zerstörungsfreie Lokalisierung von Flüssigwasser in Fußböden durch Kombination von Radar und Neutronensonde

0301
2020
Tim Klewe
Christoph Strangfeld
Tobias Ritzer
Sabine Kruschwitz
Das Neutronensondenverfahren wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich zur Eingrenzung und Quantifizierung auftretender Feuchteschäden an Fußböden eingesetzt. Hierzu bedarf es jedoch einer Vielzahl zerstörender Sondierungsbohrungen, welche die gewonnenen Messdaten kalibrieren und eine Tiefenzuordnung des Flüssigwassers zulassen. Dadurch entsteht ein zeitlicher und finanzieller Aufwand, der durch den parallelen Einsatz des elektromagnetischen Radarverfahrens vermieden werden könnte. Mit seiner hohen Sensitivität für Wasser bietet diese Messmethode die Möglichkeit der vertikalen Lokalisierung von Feuchte, was zu einer automatisierten Klassifizierung typischer Schadensfälle beitragen soll.
kibo1010179
10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 179 Zerstörungsfreie Lokalisierung von Flüssigwasser in Fußböden durch Kombination von Radar und Neutronensonde Tim Klewe Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin, Deutschland Christoph Strangfeld Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin, Deutschland Tobias Ritzer Ingenieurbüro Tobias Ritzer GmbH, Schwabach, Deutschland Sabine Kruschwitz Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin, Deutschland Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland Zusammenfassung Das Neutronensondenverfahren wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich zur Eingrenzung und Quantifizierung auftretender Feuchteschäden an Fußböden eingesetzt. Hierzu bedarf es jedoch einer Vielzahl zerstörender Sondierungsbohrungen, welche die gewonnenen Messdaten kalibrieren und eine Tiefenzuordnung des Flüssigwassers zulassen. Dadurch entsteht ein zeitlicher und finanzieller Aufwand, der durch den parallelen Einsatz des elektromagnetischen Radarverfahrens vermieden werden könnte. Mit seiner hohen Sensitivität für Wasser bietet diese Messmethode die Möglichkeit der vertikalen Lokalisierung von Feuchte, was zu einer automatisierten Klassifizierung typischer Schadensfälle beitragen soll. In einem laufenden Forschungsvorhaben werden in systematischen Laborstudien gängige Schadensfälle an häufig anzutreffenden Fußbodenaufbauten simuliert und deren Einfluss auf die genannten Verfahren untersucht. Hierbei kommen Zement- und Anhydritestriche, sowie unterschiedliche Dämmmaterialen mit variierenden Schichtdicken zum Einsatz. Wesentlicher Bestandteil der Auswertung ist die Extraktion signifikanter Signalmerkmale des Radarverfahrens, welche Rückschlüsse auf den Schadensfall und ggf. die Wassermenge zulassen. Weiterführend sollen die Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen Signalmerkmale und der Neutronensondendaten durch Methoden der multivariaten Datenauswertung und des maschinellen Lernens geprüft werden. Die Unabhängigkeit gegenüber wechselnden Schichtdicken und Materialien steht hierbei besonders im Fokus und soll anhand der erzielten Ergebnisse evaluiert werden. 1. Einleitung Leitungswasserschäden nahmen im Jahr 2018 mit rund 2,9 Milliarden Euro den größten Posten bei Gebäudeversicherungen ein und verursachten damit mehr Kosten, als Elementar-, Feuer, Sturm- und Hagelschäden zusammen [1]. Bei einem entstandenen Schaden stellt die Bestimmung und Lokalisierung der Feuchte einen ersten wichtigen Schritt dar, um die erforderlichen Sanierungsarbeiten abschätzen und effizient vornehmen zu können. Für derartige Fragestellungen werden vom Industriepartner des Projekts, dem Ingenieurbüro (IB) Tobias Ritzer, seit zwei Jahrzehnten Neutronensonden eingesetzt. Mit diesen ist es möglich, sich einen Überblick über die Gesamtwassermenge in einem definierten Fußbodenbereich zu verschaffen, jedoch kann flüssiges und chemisch gebundenes Wasser nicht unterschieden werden. Die aufgenommenen Messdaten müssen nachträglich mit den Ergebnissen von zerstörenden Sondierungsbohrungen kalibriert werden, was einen hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand darstellt. Des Weiteren bieten die entnommenen Bohrkerne bislang die einzige Möglichkeit zur vertikalen Lokalisierung des gefundenen Feuchteschadens in geschichteten Aufbauten (Abbildung 1), da das Messprinzip der Neutronensonde keine Tiefenzuordnung zulässt. Die Idee des Projekts ist, durch den parallelen Einsatz des Radarverfahrens zukünftig vollständig auf zerstörende Sondierungsbohrungen verzichten zu können. Buch IB.indb 179 11.02.20 12: 53 180 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Zerstörungsfreie Lokalisierung von Flüssigwasser in Fußböden durch Kombination von Radar und Neutronensonde Abbildung 1: Modulare Fußbodenaufbauten mit den verwendeten Feuchtemessverfahren Radar und Neutronensonde (links) und die dazugehörigen Signalverarbeitungsschritte zur Klassifikation (rechts) in 0 kein Schaden, 1 feuchter Estrich, 2 - Feuchte in den Zwischenräumen der Dämmung, 3 feuchte Dämmung (aufbauend auf [3]). Das elektromagnetische Radarverfahren ist mit seiner starken Sensitivität für Wasser längst eine etablierte Methode zur Feuchtemessung [2]. Besonders bei geophysikalischen Aufgabenstellungen erfreut es sich großer Beliebtheit. Die Anwendung zur Feuchtemessung von Baustoffen ist hingegen deutlich geringer verbreitet und insbesondere Schichtaufbauten wie Fußböden stellen einen vergleichsweise schwierigen Sonderfall dar. Die Literatur liefert generell bereits zahlreiche Signalverarbeitungsmethoden für das Radarverfahren, welche Rückschlüsse auf die Feuchte eines untersuchten Mediums erlauben. Die markanten Signalmerkmale finden sich sowohl im Zeit, als auch im Frequenzbereich der Messdaten, wobei Anwender häufig nur ein einzelnes Merkmal zur Feuchtebestimmung heranziehen. Hierdurch entstehen große Unsicherheiten, da weitere Einflussfaktoren, wie beispielsweise die Reflektortiefe oder die zugrunde liegende Permittivität meist unbekannt sind, jedoch große Auswirkung auf die Auswertung haben. Diese möglichen Fehleinschätzungen sollen künftig durch die Kombination mehrerer Signalmerkmale und das Hinzuziehen der Neutronensonde mittels multivariater Datenauswertung und maschinellem Lernen reduziert werden. Ziel des Projekts ist die valide Klassifizierung verschiedener, häufig anzutreffender Schadensfälle (siehe Abbildung 1), welche bei der effizienten Planung und Durchführung der Sanierung angewandt werden soll. In diesem Beitrag sollen sowohl das experimentelle Vorgehen zum Aufbau eines modularen Prüfkörpers für die Simulation von Feuchteschäden, als auch erste Messergebnisse des Radarverfahrens und die daraus abzuleitenden Strategien für eine spätere Automatisierung der Messaufgabe diskutiert werden. Zuvor wird im folgenden Abschnitt kurz auf das Prinzip beider Messverfahren eingegangen. 2. Theorie Feuchtemessung mit Neutronensonden Zur Feuchtebestimmung von Baustoffen mittels Neutronensonde werden sogenannte „schnelle“ Neutronen mit hoher kinetischer Energie in das zu untersuchende Medium eingestrahlt. Diese Neutronen treten mit den Atomen der Materie in Wechselwirkung, wobei es zur Streuung, Diffusion und vor allem Abbremsung kommt [4]. Auftretende Stoßvorgänge verringern hierbei die Energie und somit die Geschwindigkeit der schnellen Neutronen. Dabei ist die Energieabgabe umso größer, je ähnlicher die Masse des Stoßpartners der Neutronenmasse ist. Während schwere Atome im Wesentlichen eine Richtungsänderung der Neutronen bewirken, kommt es beim Zusammenstoß mit Wasserstoffatomen, also jenen mit der geringsten Atommasse, zum größtmöglichen Energieverlust [5]. Nach [6] genügen bereits 18 Stöße an Wasserstoffatomen, um ein schnelles Neutron zu einem langsamen, thermischen Neutron zu wandeln. Die Anzahl jener thermischen Neutronen wird hierbei von, in der Neutronensonde verbauten Zählrohren erfasst und erlaubt Rückschlüsse auf die vorhandene Menge an Wasserstoffatomen im Messvolumen. Zur quantitativen Bestimmung der Massenfeuchte bedarf es, wie im vorherigen Abschnitt erwähnt, einer entsprechenden Kalibrierung der Messwerte, welche durch die zerstörende Entnahme von Bohrkernen und einer anschließenden gravimetrischen Untersuchung nach dem Darr-Verfahren durchgeführt werden kann [7]. Erst durch die gewonnenen Referenzwerte kann chemisch gebundenes von flüssigem Wasser unterschieden werden, sowie eine entsprechende Tiefeninformation abgeleitet werden. Abbildung 2 zeigt die kommerziell erhältliche und in den Versuchen eingesetzte Neutronensonde der Firma Troxler [8]. Laut Hersteller besitzt diese eine feuchteabhängige Messtiefe von 22,5 cm bis 28 cm und eignet sich dadurch besonders zur Feuchtemessung an Flachdächern und Fußböden. Einzig einzustellender Parameter ist die Messzeit, über welche integral die thermischen Neutronen erfasst und gezählt werden können. Das Ergebnis (Counts) wird unmittelbar auf einem Display dargestellt und kann von dort abgelesen und notiert werden. Abbildung 2: Neutronensonde der Firma Troxler Typ 3216. Fußbodenbelag Estrich PE-Folie Dämmung Schweißbahn Beton H Schadensfälle Merkmalsextrak on Datenfusion Klassifika on Neutronensonde Radar 1 0 3 2 Buch IB.indb 180 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 181 Zerstörungsfreie Lokalisierung von Flüssigwasser in Fußböden durch Kombination von Radar und Neutronensonde Feuchtemessung mit Radar Bei dem Radarverfahren [2, 9] wird mittels einer Sendeantenne S ein elektromagnetischer Impuls in das zu untersuchende Medium übertragen (Abbildung 3, links). Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der gesendeten Welle wird dabei maßgeblich durch die elektromagnetischen Eigenschaften des jeweiligen Mediums beeinflusst, wobei für nichtleitende Baustoffe die relative Permittivität als dominantester Parameter zu nennen ist. Daher kann näherungsweise in Abhängigkeit von und der Lichtgeschwindigkeit mit Gl. (1) berechnet werden. (1) An Grenzflächen zweier Materialien mit unterschiedlicher Permittivität kommt es, ähnlich zur Optik, zu Reflexion, Transmission und Beugung der sich ausbreitenden Welle. Die Stärke der Reflexion wird durch den Reflexionsfaktor angegeben und ist nach Gl. (2) von den gegebenen Permittivitäten und der angrenzenden Medien 1 und 2 abhängig. (2) Dementsprechend ist nach Gl. (1) und Gl. (2) sowohl die Ausbreitungsgeschwindigkeit und -richtung, als auch die Intensität elektromagnetischer Wellen abhängig von den zu Grunde liegenden Permittivitäten und dessen räumlichen Verteilungen innerhalb einer untersuchten Struktur. Während für Luft in guter Näherung gilt, liegt bei den meisten trockenen Baumaterialien zwischen 2 und 9 [10]. Wasser hingegen weist einen Wert von 81 auf, wodurch sich bei erhöhtem Feuchtegehalt eines Materials größere Permittivitäten einstellen (z.B. zwischen 10 und 20 bei nassem Beton). Dieser Unterschied hat einen signifikanten Einfluss auf die resultierende Wellencharakteristik, was für die Feuchtemessung mit Radar genutzt werden kann. Abbildung 3: Messprinzip des Radarverfahrens. Mehrere, entlang einer Messlinie aufgenommene Reflexionssignale (A-Scans) werden in einem Radargramm (B-Scan) dargestellt. Nach Aussendung des initialen Impulses werden die reflektierten Wellen über eine Empfangsantenne E innerhalb eines definierten Zeitfensters aufgezeichnet. Die erste Welle im Reflexionssignal (A-Scan) ist hierbei stets die direkte Welle (DW), welche sich auf kürzestem Wege zwischen den Antennen S und E über die Luft und das darunterliegende Medium ausbreitet (Abbildung 3). Sie dient in den meisten Fällen als Referenz für Laufzeitmessungen nachfolgender Reflexionswellen (RW). Beim Verfahren der Sende- und Empfangsantenne entlang einer Messlinie können mehrere Einzelmessungen in definierten Abständen zueinander aufgenommen werden. Die Ortsreferenzierung erfolgt über ein Laufrad. Der Abstand zwischen beiden Antennen bleibt dabei unverändert. Die resultierenden A-Scans können anschließend entlang der Messlinie zu einem B-Scan angeordnet werden, wie in Abbildung 3 (rechts) gezeigt. Mögliche örtliche Veränderungen des Empfangssignals können so leichter erkannt werden. Dieses Vorgehen erlaubt beispielsweise auch die Lokalisierung von Bewehrung oder Hüllrohren in Stahlbeton [11]. Während die gezeigte, an einer homogenen Estrichplatte durchgeführte Beispielmessung in Abbildung 3 einen gleichförmigen Verlauf der A-Scans aufweist, zeigen erste Messergebnisse mit feuchter Dämmebene bereits markante Amplituden- und Laufzeitänderungen im BScan. Bevor diese in Abschnitt 4 diskutiert werden, soll im Folgenden zunächst der Messaufbau an definierten Fußbodenstrukturen und das Vorgehen zur Simulation von Feuchteschäden vorgestellt werden. 3. Methoden Aufbau modularer Prüfkörper Zur Realisierung geschichteter Fußbodenaufbauten, wie in Abbildung 1 dargestellt, wurde eine Box mit dem Innenmaß von 84 cm x 84 cm x 30 cm angefertigt (siehe Abbildung 4). Der verwendete Boden aus Teflon verhindert hierbei einen Einfluss auf die Neutronensonde durch Wasserstoff bei Aufbauten mit geringerer Gesamthöhe. Des Weiteren erlauben die Seitenwände aus Acrylglas eine stete Blickkontrolle der modular austauschbaren Schichten und der simulierten Feuchteschäden. Bei der Herstellung der quadratischen Estrichproben mit 80 cm Seitenlänge (Tabelle 1) wurden an allen Ecken Gewindehülsen eingelassen, wodurch die 60 kg bis 95 kg schweren Platten mit Ringschrauben und einem Gabelstapler platziert und ausgetauscht werden können. Neben einer 80 cm x 80 cm x 7 cm Betonplatte als Basis und der vorhandenen Estrichprobekörper, kommen verschiedene Dämmmaterialien wie expandiertes und extrudiertes Polystyrol (Handelsnamen Styropor und Styrodur), Perlite-Schüttung und Glaswolle mit variablen Schichtdicken zum Einsatz (siehe Tabelle 1). Die Sperrschichten zwischen Estrich und Dämmung, sowie Dämmung und Betonbasis werden mit PE-Folie realisiert. Somit ergeben sich 84 verschiedene Fußbodenaufbauten, an denen Buch IB.indb 181 11.02.20 12: 53 182 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Zerstörungsfreie Lokalisierung von Flüssigwasser in Fußböden durch Kombination von Radar und Neutronensonde sowohl im trockenen Zustand, als auch mit den nachfolgend beschriebenen Feuchteschäden, Messungen mit Radar und Neutronensonde durchgeführt werden. Abbildung 4: Modularer Prüfkörper zum Aufbau verschiedener Fußbodenaufbauten mit variablen Schichtdicken und Schadensfällen. Materialien Dicken [cm] Estrich Zement (CT), Anhydrit (CA) 5, 6, 7 Dämmung Expandiertes (EPS) und extrudiertes (XPS) Polystyrol 1 , Perlite-Schüttung 2 , Glaswolle 2 2 1, 2 , 5 1 , 6 2 , 7 1 , 10 1, 2 Tabelle 1: Verwendete Materialien und Schichtdicken von Estrich und Dämmung für verschiedene Fußbodenaufbauten. Messaufbau und Simulation von Feuchteschäden Abbildung 5 zeigt den Messaufbau und die gewählten Radar-Messlinien auf der Oberfläche des modularen Probekörpers in Draufsicht. Die eingezeichneten Quadranten stellen hierbei die Stöße (Fugen) der Dämmmaterialien dar, wobei Perlite-Schüttung diese aufgrund seiner Beschaffenheit nicht aufweist. Somit verläuft die erste 40 cm lange Messlinie vertikal von Quadrant IV zu I und überquert dabei den (möglichen) horizontalen Stoß. Auf diesem Stoß verläuft anschließend v. r. n. l. die zweite Messlinie. Auf beiden 40 cm langen Messlinien werden 100 A-Scans mit dem SIR 20 von GSSI und einem 2 GHz Antennenpaar aufgenommen. Zur Feuchtemessung mit der Neutronensonde wird diese auf dem Mittelpunkt des Aufbaus platziert. Die Messzeit beträgt 15 Sekunden, wobei jede Messung zehn Mal wiederholt wird, um eine anschließende Mittelung der Einzelergebnisse zu ermöglichen. Das beschriebene Messverfahren wird sowohl für die Messungen an trockenen Fußbodenaufbauten, als auch an simulierten Schadensfällen durchgeführt. Abbildung 5: Messaufbau am modularen Prüfkörper. Neben den durchgeführten Radar- (zwei rote Messlinien) und Neutronensondenmessungen wird mittels Luftfeuchtesensoren die Schadensträchtigkeit der eingebrachten Wassermenge bewertet [12]. Zur Bestimmung der Schadensträchtigkeit einer in die Dämmschicht eingelassenen Wassermenge, werden fünf HIH-5030 Luftfeuchtesensoren eingesetzt. Für die Überwachung der Laborumgebung ist S1 außerhalb des Fußbodenaufbaus angebracht, während die Sensoren S2 S5 in der Dämmebene platziert werden (siehe Abbildung 5). S2 befindet sich außerhalb des eigentlichen Dämmmaterials, S3 S5 sind in den Quadranten II und III, sowie zwischen Quadrant I und II in Bohrlöcher eingelassen. Ein Schadensfall liegt vor, sobald die gemessene relative Luftfeuchte der Sensoren S3, S4 und S5 über 80% liegt. Ein Überschreiten dieses Grenzwertes wird in der Praxis häufig für die Rechtfertigung von erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen verwendet. Beim Einbringen von Wasser in die Dämmebene wird, wie in der Praxis und den Trockenversuchen auch, die Dämmung mittels zweier dünner Sperrschichten (PE-Folie) vom darüberliegenden Estrich, sowie vom darunterliegenden Beton getrennt. Die initiale Wassermenge richtete sich eingangs nach der resultierenden Füllhöhe und sollte bei EPS und XPS zunächst zwischen 25 % und 40 % der jeweiligen Schichtdicke liegen, wobei diese Richtwerte frei gewählt sind. Am darauffolgenden Tag wurde die Schadensträchtigkeit anhand der gemessenen relativen Luftfeuchte innerhalb der Dämmschicht bewertet und anschließend eine Messung durchgeführt oder zusätzliches Wasser eingebracht. Die verwendete Wassermenge wurde stets gleichmäßig auf die vier Kanten des Probekörper aufgeteilt. Nach Abschluss einer Messung erfolgte der Austausch des Estrichs, bis jede der sechs Platten für einen Schadensfall betrachtet wurde. Bis zu dem Zeitpunkt der Beitragsanmeldung sind alle Fälle für die Dämmungen EPS und XPS gemessen worden, GW und PS folgen noch. Nach Abschluss dieser Messreihe sollen auch größere Wassermengen in der Dämmebene sowie geflutete Estrichplatten betrachtet werden, um den Datensatz entsprechend der zu klassifizierenden Schadensfälle (Abbildung 1) zu vervollständigen. Buch IB.indb 182 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 183 Zerstörungsfreie Lokalisierung von Flüssigwasser in Fußböden durch Kombination von Radar und Neutronensonde Extraktion von Laufzeit und Amplitude In der Literatur finden sich bereits zahlreiche Signalmerkmale, die zur Feuchtemessung mit Radar eingesetzt werden können. Generell lassen sich diese in Zeit-, Amplituden- [13] und Frequenzmerkmale [14] einteilen, wobei die jeweilige Eignung und Sensitivität stets von der gegebenen Messaufgabe, Materialienstruktur sowie von möglicherweise unbekannten Einflussfaktoren abhängt. Für die in diesem Beitrag vorgestellten Messungen an Fußböden mit variierenden, teils schmalen Schichtdicken hat insbesondere die zeitliche Trennbarkeit der einzelnen Wellenarten (DW und RW) einen erheblichen Einfluss auf die Aussagekraft gewählter Signalmerkmale. Abbildung 6 verdeutlicht diese Problematik in Form eines A-Scans, welcher an einer trockenen Fußbodenstruktur mit 5 cm CT-Estrich und 5 cm XPS aufgenommen wurde. Die drei markanten Wellen bestehend aus der DW, der 1. RW (Estrich-Dämmung Trennschicht) und der 2. RW (Dämmung-Beton Trennschicht) überlagern und beeinflussen sich gegenseitig, was eine schichtselektive, quantitative Bestimmung der Permittivitäten, selbst bei bekannten Schichtdicken, erheblich erschwert. Daher werden für die angestrebte Automatisierung der Messaufgabe qualitative Signalmerkmale benötigt, die eine von den verwendeten Schichtdicken und Materialien unabhängige Klassifizierung typischer Feuchteschäden ermöglichen. Die bisher durchgeführten Messungen legen hier eine Betrachtung der horizontalen, also örtlichen Veränderung klassischer Merkmale wie Amplitude und Laufzeit im B-Scan nahe. Da die aufgenommenen Schadensfälle ausschließlich die Dämmschicht betreffen, sind Änderung im A-Scan größtenteils erst in der 2. RW, welche von der Unterseite der Dämmung ausgeht, zu erwarten. Abbildung 6 zeigt daher die, auf einer lokalen Minima-Suche basierende Extraktion von Amplitude und Laufzeit der 2. Reflexion, also des 3. Minimums. Diese werden für jeden der 100 A-Scans einer Messlinie ausgewertet, um die Betrachtung der örtlichen Verteilung zu ermöglichen. Die bisherigen Ergebnisse werden im folgenden Abschnitt diskutiert. Abbildung 6: Extraktion von Amplitude und Laufzeit des 2. Reflexionsminimums aus einem A-Scan [12]. 4. Ergebnisse und Diskussion In Abbildung 7 sind beispielhaft die B-Scans der Aufbauten mit 6 cm CT-Estrich und 7 cm EPS (links), sowie 5 cm CT-Estrich mit 5 cm XPS Dämmung (rechts) dargestellt. Hierbei ist in beiden Fällen links die trockene Referenz und rechts der Schadensfall zu sehen. Wie bereits erwartet zeigen sich Unterschiede erst im Bereich der 2. RW. Hier sind beim rechten Schadensfall kleinere Amplitudenwerte im mittleren Bereich der Messlinie erkennbar, während der Aufbau mit 7 cm EPS (links) schwankende Laufzeiten aufzeigt, die eine Art Hyperbel formen. Diese Hyperbel geht ebenfalls mit variierenden Amplitudenwerten einher, was sich auch in der darunter liegenden örtlichen Verteilung von Amplitude und Laufzeit der zweiten Reflexion zeigt. Ursache für das linke Schadensbild scheint der mittig gelegene Stoß auf der 1. Messlinie zu sein, in dem sich aller Voraussicht nach Wasser ansammelte oder dieses durch das Tauschen der Estrichplatten gänzlich zur Oberseite der Dämmebene gedrückt wurde. Hierdurch entsteht ein schmaler Bereich mit einem sehr hohen Permittivitätsunterschied, was die, für Punktreflektoren (z.B. Bewehrung, Hüllrohre) typischen Hyperbeln im B-Bild entstehen lassen könnte. Eine Überprüfung dieser Vermutung soll in weiterführenden Arbeiten durch Simulationen mit entsprechenden Permittivitätsverteilungen vorgenommen werden. Im rechten Schadensbild deuten die, im Vergleich zur Trockenmessung steigenden Amplitudenwerte zum Start und Ende der Messlinie auf einen erhöhten Permitivitätsunterschied (siehe Gl. (2)) hin, der durch einen Wasserfilm unterhalb der Dämmung erklärt werden könnte. Bei dem hier betrachteten Schadensfall handelt es sich um die erste der jeweils sechs, für jeden Estrich durchgeführten Messungen. Die Lage des, an den Kanten des Probekörpers eingelassenen Wassers wurde demnach nicht durch das Tauschen der Estrichplatten beeinflusst und verteilte sich auf natürlichem Wege von außen nach innen. Abbildung 7 zeigt die Ergebnisse der 2. Messlinie, welche vom mittleren Bereich der 1. Messlinie ausgeht. Hier zeigen sich auf den ersten 20 cm erneut die kleineren, mit der Trockenmessung vergleichbaren Amplitudenwerte, welche zum Ende hin steigen. Dies deutet auf eine erhöhte Wassermenge in der linken Hälfte (Quadrant II und III) des Probekörpers hin. Die gemittelten Ergebnisse der Neutronensonde sind in Counts jeweils unten links im B-Scan vermerkt, die eingelassene Wassermenge und der resultierende relative Luftfeuchtewert (innerhalb der Dämmung) unten rechts. Die hier betrachteten Schadensfälle zeigen nur eine geringe Erhöhung der Counts und wären bei alleiniger Anwendung der Neutronensonde an realen Schadensfällen nicht als signifikant angesehen worden. Derartig kleine Abweichungen zum Normalwert können bereits durch leicht veränderte Schichtdicken oder einer erhöhten Konzentration chemisch gebundenen Wassers auftreten, was sich auch am Beispiel der Trockenmessungen bei- Buch IB.indb 183 11.02.20 12: 53 184 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Zerstörungsfreie Lokalisierung von Flüssigwasser in Fußböden durch Kombination von Radar und Neutronensonde der Fußbodenstrukturen zeigt. Bei den noch ausstehenden Schadensfällen mit größeren Wassermengen in der Dämmebenen und feuchten Estrichen werden erheblich höhere Messwerte der Neutronensonde erwartet. Zur Klassifizierung der bisher aufgenommenen Schadensbilder wurden jeweils die Standardabweichung und der Wertebereich von Amplitude und Laufzeit der 2. RW über alle 100 A-Scans der Messlinie berechnet. Abbildung 7: Radarmessung (B-Scan, Messlinie 1) an 6cm CT1-Estrich mit darunterliegender 7 cm EPS Schicht (links) und an 5cm CT1-Estrich mit 5cm XPS (rechts). Der örtliche Verlauf von Amplitude und Laufzeit der 2. RW ist jeweilig unter den BScans dargestellt [12]. Abbildung 8: Messlinie 2 der Radarmessung (B-Scan) an 5cm CT1-Estrich mit 5cm XPS. Die hier gezeigten Ergebnisse der Schadensfälle lassen höhere Werte im Vergleich zu den horizontal gleichmäßig verlaufenden Trockenmessungen erwarten. Mit dem bisher aufgenommenen Datensatz bestehend aus 84 trockenen Fußbodenaufbauten und 42 Schadensfällen (ausschließlich EPS und XPS) wurden mit den oben genannten Signalmerkmalen erste schwellenwertbasierte Klassifizierungen erprobt. Aufgrund des kleinen Datensatzes wurden die zwei Messlinien als separate Messung gewertet, wodurch sich die Anzahl der betrachteten Fälle verdoppelt. Durch Auswertung der Amplituden-Standardabweichung der zweiten Reflexion und einem Schwellenwert von 350 arbiträren Einheiten konnten bereits 83,3 % aller Schadensfälle und 95,8 % der trockenen Aufbauten korrekt zugeordnet werden, ohne die gegebenen Materialien oder Schichtdicken vorzugeben. Ebenso wurden 16,7 % der Schäden nicht erkannt, welche allerdings auch bei visueller Betrachtung der B-Scans keine der beschriebenen Merkmale erkennen lassen und nicht von den Trockenmessungen zu unterscheiden sind. Dies ist insbesondere bei Aufbauten mit sehr dünner Dämmschicht (2cm) zu beobachten, bei denen die eingebrachte Wassermenge sehr gering gewählt wurde, wodurch ein messbarer Einfluss ausblieb. 4,2 % der Messungen an trockenen Aufbauten wurden aufgrund unsauberer B-Scans (Rauschen oder unerklärbare Sprünge der gesamten Zeitachse) fälschlicherweise als Schaden klassifiziert. Für das zweite Laufzeitmerkmal bietet sich aufgrund der geringen, durch die Abtastfrequenz begrenzten, zeitlichen Auflösung, die Betrachtung des Wertebereichs an. Mit einem Schwellenwert von drei Abtastperioden (64,4 Pikosekunden) wurden lediglich 54,7 % aller Schadensfälle und 97,0 % der Messungen ohne Schaden korrekt zugeordnet. Eine Erklärung für den schlechteren Klassifizierungserfolg liefern die Beispiele in Abbildung 6 (rechts) und Abbildung 7, welche keine Hyperbel und somit keine Laufzeitunterschiede erkennen lassen. Hier sind die schwankenden Amplitudenwerte alleiniger Indikator für einen vorhandenen Schaden. Die resultierende Dominanz der Amplituden-Standardabweichung zeigt sich auch im Merkmalsraum, welcher in Abbildung 8 dargestellt ist. Eine weiterführende Bewertung der Verwendbarkeit zur Klassifizierung realer Schadensfälle kann nur durch eine Validierung an Feldversuchen erfolgen. Unbekannte und Buch IB.indb 184 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 185 Zerstörungsfreie Lokalisierung von Flüssigwasser in Fußböden durch Kombination von Radar und Neutronensonde schwankende Schichtdicken oder Materialeigenschaften könnten hier ähnliche Abweichungen von Amplitude und Laufzeit hervorrufen und „false alarm“ bei der Klassifizierung hervorrufen 5. Zusammenfassung und Ausblick In diesem Beitrag wurde das experimentelle Vorgehen sowie erste Ergebnisse durchgeführter Neutronensonden- und Radarmessungen an simulierten Feuchteschäden in geschichteten Fußbodenaufbauten gezeigt. Die Betrachtung der örtlichen Veränderung von Reflexionsamplituden innerhalb eines B-Scans zeigte bereits gute Ergebnisse bei einer von den Schichtdicken und Materialien unabhängigen Klassifizierung von Feuchteschäden in der Dämmebene. Abbildung 9: Betrachtete Fälle (Trocken, Schaden) im Merkmalsraum der Amplituden-Standardabweichung (Std) und des Laufzeit-Wertebereichs (Range) der 2. RW. In kommenden Arbeiten soll zunächst der angestrebte Datensatz mit weiteren Dämmmaterialien und Schadensfällen vervollständigt, sowie zusätzliche Signalmerkmale extrahiert werden. Durch Überführung in den Merkmalsraum sollen so mögliche Kombinationen bewertet werden, wobei auch Ansätze des maschinellen Lernens zum Einsatz kommen. Die abschließende Validierung der automatisierten Messmethode wird an realen Schadensfällen des Industriepartners, dem Ingenieurbüro Tobias Ritzer, erfolgen. 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Grundlagen, Messen, Regeln, Oldenbourg, ISBN: 9783816913597, 1964 [7] DIN EN ISO 12570: 2000, Wärme- und feuchtetechnisches Verhalten von Baustoffen und Bauprodukten, Bestimmung des Feuchtegehalts durch Trocknen bei erhöhter Temperatur, 2000 [8] Troxler Electronic Laboratories Inc., Troxler Feuchtezonen Modell 3216, Datenblatt, https: / / www.troxlerlabs.com/ downloads/ pdfs/ 3216/ 3216_brochure_german.pdf [9] Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung e.V., Merkblatt B10: Merkblatt über das Radarverfahren zur Zerstörungsfreien Prüfung im Bauwesen, 2008 [10] D. J. Daniels, Ground Penetrating Radar - 2nd Edition, The Institution of Engineering and Technology, ISBN: 9780863413605, 2004 [11] J. Hugenschmidt und R. Mastrangelo, GPR inspection of concrete bridges, Cement & Concrete Composites, DOI: 10.1016/ j.cemconcomp.2006.02.016, 2006 [12] T. Klewe, C. Strangfeld, T. Ritzer, S. 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