Kolloquium Industrieböden
kibo
2510-7771
expert verlag Tübingen
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2020
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LittmannEpoxitharze - Maßnahmen zum sicheren Umgang
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2020
Klaus Kersting
Corinne Ziegler
Sabrina Schatzinger
Epoxidharze zeichnen sich durch ausgezeichnete technische Eigenschaften aus und werden häufig für die Beschichtung von Industriefußböden verwendet. Bei der Beschichtung besteht für den Verarbeiter aufgrund der sensibilisierenden Inhaltsstoffe das Risiko einer schweren Hauterkrankung.
In Zusammenarbeit von Herstellern, Anwendern und Behörden sind Hilfsmittel erarbeitet worden, die die Auswahl weniger gefährlicher Produkte erleichtern, Hilfestellung bei der Gefährdungsbeurteilung und der Unterweisung der Beschäftigten liefern sowie die notwendigen Schutzmaßnahmen konkret benennen.
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10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 211 Epoxidharze - Maßnahmen zum sicheren Umgang Klaus Kersting Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU), Frankfurt am Main, Deutschland Corinne Ziegler Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU), Frankfurt am Main, Deutschland Sabrina Schatzinger Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), Wien, Österreich Zusammenfassung Epoxidharze zeichnen sich durch ausgezeichnete technische Eigenschaften aus und werden häufig für die Beschichtung von Industriefußböden verwendet. Bei der Beschichtung besteht für den Verarbeiter aufgrund der sensibilisierenden Inhaltsstoffe das Risiko einer schweren Hauterkrankung. In Zusammenarbeit von Herstellern, Anwendern und Behörden sind Hilfsmittel erarbeitet worden, die die Auswahl weniger gefährlicher Produkte erleichtern, Hilfestellung bei der Gefährdungsbeurteilung und der Unterweisung der Beschäftigten liefern sowie die notwendigen Schutzmaßnahmen konkret benennen 1. Einleitung Industriefußböden auf der Basis von Epoxidharzen zeichnen sich durch herausragende technische Eigenschaften aus. Die Beschichtung von Industriefußböden bedeutet aber dann Umgang mit nicht ausgehärten Epoxidharzen und damit auch die Gefahr einer allergischen Hauterkrankung. In der Bauwirtschaft sind Epoxidharze einer der häufigsten Auslöser allergischer Hauterkrankungen. Das in der Gefahrstoffverordnung geforderte Substitutionsgebot ist bei der Beschichtung von Industriefußböden häufig nicht möglich, da weniger gefährliche Produkte nur im begrenzten Maße zur Verfügung stehen. Allerdings bergen nicht alle Epoxidharzbeschichtungen das gleiche Sensibilisierungsrisiko für den Verarbeiter. Werden bei der Formulierung Epoxidharzkomponenten mit einem geringen bzw. mit keinem sensibilisierenden Potential verwendet, so besteht für den Anwender in Folge ein geringeres Sensibilisierungsrisiko. Da aber auch bei diesen ‚Ersatzprodukten‘ weiterhin die Gefahr einer Sensibilisierung besteht, muss den Verarbeitern auch die geeignetes Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt werden. 2. Häufigkeit von Epoxidharzallergien Durch die Erfassung beruflich bedingter Hauterkrankungen bei den Unfallversicherungsträgern stehen in Deutschland umfangreiche Statistiken zur Häufigkeit der durch die Inhaltsstoffe von Epoxidharzprodukten ausgelösten Hauterkrankungen zur Verfügung. Abbildung 1: Bestätigte beruflich bedingte Epoxidharzallergien bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (Quelle BK-DOK) Im Vergleich mit anderen Auslösern allergischer Hauterkrankungen zeigt sich, dass Epoxidharze der häufigste Auslöser allergischer Hauterkrankungen bei Männern in der Bauwirtschaft sind. Bei den im Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK) zusammengeschlossenen Kliniken wird routinemäßig bei Patienten mit einem Epoxidharz auf Basis von Bisphenol-A-diglycidylether (DGEBA-Harz) getestet. Hier zeigt sich in den letzten Jahren eine Sensibilisierungsquote von ca. 1,5 % [1]. Buch IB.indb 211 11.02.20 12: 53 212 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Epoxidharze - Maßnahmen zum sicheren Umgang Abbildung 2: Positive Reaktionen auf DGEBA bei der Standardtestung der Kliniken des IVDK 3. Schutzmaßnahmen Werden am Arbeitsplatz Gefahrstoffe verwendet, so ist dies entsprechend der Gefahrstoffverordnung erst möglich, wenn der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt und die notwendigen Schutzmaßnahmen festgelegt hat. Bei der Festlegung der Schutzmaßnahmen muss er sich dabei streng an dem sogenannten STOP-Prinzip orientieren. STOP steht dabei für: • Substitution • Technische Schutzmaßnahmen • Organisatorische Schutzmaßnahmen • Persönliche Schutzmaßnahmen Daraus ergibt sich, dass der Verzicht auf ein weniger gefährliches Produkt nicht mit der Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung begründet werden kann. 3.1 Substitution Die Substitution von Epoxidharzen bei der Erstellung von Fußbodenbeschichtungen ist grundsätzlich möglich. Bei vielen Alternativprodukten (Isocyanate, Methacrylate) handelt es sich aber ebenfalls um Gefahrstoffe mit haut- oder atemwegssensibilisierenden Eigenschaften. Häufig wird auch explizit eine Beschichtung mit Epoxidharzen verlangt, so dass ein Systemwechsel nicht möglich ist. In zwei von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung geförderten Projekten sind die sensibilisierenden Eigenschaften der Inhaltsstoffe von Epoxidharzen untersucht worden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die sensibilisierende Wirkstärke der Stoffe unterscheiden. Einen weiteren Einfluss auf die Gefährdung haben ätzende Stoffe, da diese die natürliche Hautbarriere massiv schädigen und dadurch das Eindringen von sensibilisierenden Stoffen in die Haut begünstigen. Das Risiko einer Allergie ist daher abhängig von der Konzentration, den möglichen ätzenden Eigenschaften und der sensibilisierenden Wirkstärke der Inhaltsstoffe [2, 3]. Eine Möglichkeit, weniger gefährliche Produkte auszuwählen, bietet der GISCODE. Dabei werden Produkte mit vergleichbaren Gefährdungen zusammengefasst. Bei den GISCODE-Gruppen für Epoxidharze wird die Kennzeichnung der Einzelkomponenten und der Lösemittelgehalt berücksichtigt. Eine höhere Gruppennummer bedeutet dabei eine größere Gefährdung für den Verarbeiter. CODE Produktgruppen RE05 Epoxidharzdispersionen (beide Komponenten ohne H317) RE10 Epoxidharzdispersion (nicht sensibilisierend) mit sensibilisierendem Härter RE20 Epoxidharz-Produkte, sensibilisierend, total solid, nicht sensibilisierender wässeriger Härter RE30 Epoxidharz-Produkte, sensibilisierend, total solid, RE40 Epoxidharz-Produkte, sensibilisierend, lösemittelarm, nicht sensibilisierender Härter RE50 Epoxidharz-Produkte, sensibilisierend, lösemittelarm RE55 Epoxidharz-Produkte, RM-Verdacht*, sensibilisierend, lösemittelarm bzw. total solid RE60 Epoxidharz-Produkte, lösemittelhaltig (ohne H317) RE70 Epoxidharz-Produkte, sensibilisierend, lösemittelhaltig RE75 Epoxidharz-Produkte, RM-Verdacht*, sensibilisierend, lösemittelhaltig RE80 Epoxidharz-Produkte, giftige Einzelkomponente, sensibilisierend, lösemittelfrei, lösemittelarm bzw. total solid RE90 Epoxidharz-Produkte, RM-Eigenschaften*, sensibilisierend, lösemittelarm bzw. total solid *RM = reproduktionstoxisch bzw. mutagen Tabelle 1: GISCODE für Epoxidharz-Produkte (www. wingisonline.de) Eine Berücksichtigung der sensibilisierenden Wirkstärke erfolgt im GISCODE nicht. Möchte der Arbeitgeber beim Vergleich die sensibilisierende Wirkstärke berücksichtigen, so ist dies mit dem Gemischerechner möglich. Dieser ist über die Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) verlinkt (www.baua. de/ epoxidharze). Buch IB.indb 212 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 213 Epoxidharze - Maßnahmen zum sicheren Umgang 3.2 Technische und Organisatorische Schutzmaßnahmen Baustellen müssen so organisiert werden, dass Hautkontakt mit Epoxidharzen vermieden wird. Hierbei ist zu beachten, dass der Mischplatz so abzugrenzen und zu kennzeichnen ist, dass ein Verschleppen des Epoxidharzes vermieden wird. Möglich ist auch der Einsatz technischer Hilfsmittel wie Mischstationen mit Transportwagen. Zudem können große Flächen mit einem Fertiger beschichtet werden. 3.3 Persönliche Schutzmaßnahmen Bei den persönlichen Schutzmaßnahmen steht die Vermeidung des Hautkontaktes im Vordergrund. Daher müssen bei Tätigkeiten mit Epoxidharzen geeignete Chemikalienschutzhandschuhe getragen werden. Bei den häufig verwendeten nitrilgetränkten Baumwollhandschuhen handelt es sich nicht um geeignete Handschuhe, da diese Poren aufweisen, durch die die Gefahrstoffe den Handschuh leicht durchdringen und zu einer Sensibilisierung des Beschäftigten führen können. Für Tätigkeiten mit lösemittelfreien Epoxidharzen liegt eine Empfehlungsliste beständiger Handschuhe mit Benennung konkreter Handschuhfabrikate vor. Diese Liste ist über die Seiten der BAuA (www.baua.de/ epoxidharze) verlinkt. Können Spritzer nicht ausgeschlossen werden, so ist das Tragen von Schutzhosen oder -anzügen (Typ 5, atmungsaktiv) erforderlich. Dies gilt z.B. für den Mischplatz 4. Informationspflicht des Unternehmers Für den Unternehmer, der Epoxidharze einsetzt, ergibt sich die Pflicht der Erstellung einer Betriebsanweisung in für den Beschäftigten verständlicher Sprache und der mündlichen Unterweisung. Dass diese gesetzlich geforderten Maßnahmen auch sinnvoll sind, zeigen verschiedene Studien. Die Auswertungen einer umfangreichen niederländisch/ deutschen Studie, bei der erkrankte und nicht erkrankte Verarbeiter von Epoxidharzen befragt wurden, hat gezeigt, dass bei den Erkrankten häufig keine Unterweisung erfolgte und keine geeignete Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt wurden [4]. Eine neue finnische Studie zur Belastung durch Epoxidharze zeigt, dass die Beschäftigten, die umfangreich unterwiesen worden waren, deutlich seltener Hauterkrankungen erleiden als Beschäftigte mit keiner oder nur kurzer Unterweisung [5]. Zur Unterstützung der Unternehmen bietet die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft im Rahmen des Informationssystem WINGIS (www.wingisonline.de) Informationen zu den GISCODE-Gruppen an. Dabei handelt es sich zum einen um die notwendigen Informationen für den Unternehmer, damit er die Gefährdungsbeurteilung durchführen kann. Darüber hinaus erhält der Unternehmer Entwürfe der Betriebsanweisungen, die baustellenspezifisch ergänzt werden müssen. Die Entwürfe stehen den Unternehmen in 16 Sprachen zur Verfügung (www.wingisonline.de). Weitere Schulungsmaterialien zu Tätigkeiten mit Epoxidharzen sind von der DGUV und im Rahmen des Projektes ‚EpoxSafe@school 1.0‘ erarbeitet worden. Diese sind über die Seite der BAuA verlinkt. Für Österreich findet man zusätzliche Informationen zum Thema Epoxide auf den Seiten der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt unter Gesunde Haut - Epoxide Harz und Härter (www.auva.at/ ). 5. Ausblick Industriefußböden werden weiterhin mit Epoxidharzen beschichtet werden. Damit die Verarbeiter nicht an schweren Hauterkrankungen erkranken, müssen die erforderlichen Schutzmaßnahmen genutzt werden Inzwischen stehen zahlreiche Hilfsmittel zur Verfügung, die die Unternehmen bei der Gefährdungsbeurteilung und bei der Auswahl der notwendigen Schutzmaßnahmen unterstützen. Wenn die Unternehmen diese Hilfsmittel nutzen, sollten Hauterkrankungen vermieden werden können. 6. Internet • www.baua.de/ epoxidharze • www.bgbau.de/ themen/ sicherheit-und-gesundheit/ gefahrstoffe/ gefahrstoffe-beim-bauen-renovierenund-reinigen/ umgang-mit-epoxidharzen • www.auva.at • www.wingisonline.de • https: / / epoxy-europe.eu/ de/ poster-sicherehandhabung-von-epoxidharzen-in-10-schritten/ Literatur [1] Geier, J.: Serie „Das kleine 1 x 1 der Kontaktallergene“ - Teil 15. Epoxidharzsysteme. Allergo Journal 2019, 28(3), 16-18 [2] Heine, K; Kalberlah, F.; Hassauer, M.; Geier, J.; Lessmann, H.: Ranking von Stoffen in Epoxidharzsystemen aufgrund ihrer sensibilisierenden Wirkstärke (Kennziffer FP-0324), http s : / / www. d g uv. d e / m e die n/ ifa / d e / pro/ pro 1/ ff-fp0324/ gesamtbericht.pdf [3] Heine, K; Kalberlah, F.; Hassauer, M.; Geier, J.; Lessmann, H.: Gutachten zur vergleichenden Bewertung von Epoxidharzsystemen unter Berücksichtigung der sensibilisierenden Wirkstärke (Kennziffer FP-0384), https: / / www.dguv.de/ ifa/ forschung/ projektverzeichnis/ ff-fp0384.jsp [4] Spee, T.; Timmerman, J.G.; Rühl, R.; Kersting, K.; Heederik, D.J.J.; Smit, L.A.M: Determinants of epo- Buch IB.indb 213 11.02.20 12: 53 214 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Epoxidharze - Maßnahmen zum sicheren Umgang xy allergy in the construction industry: a case-control study, Contact Dermatitis 2016, 74, 259-266 [5] Suuronen, K.; Bäck, B.; Aalto-Korte, K.; Pesonen, M.; Jungewelter, S.; Henricks-Eckerman, M-L.; Mäkelä, E.: Skin exposure to epoxy chemicals in construction coating, assessed by observation, interview und measurements, Contact Dermatitis 2019, 80, 18- 25 Buch IB.indb 214 11.02.20 12: 53
