eJournals Kolloquium Industrieböden 10/1

Kolloquium Industrieböden
kibo
2510-7771
expert verlag Tübingen
0301
2020
101 Littmann

Fugensysteme und Rinnen in Industrieböden - vom richtigen Umgang mit ungeliebten, aber notwendigen Einbauten

0301
2020
Stephan Sinz
An die Planung und die Ausführung von Fugen-Profilsystemen und Rinnen in Industrieböden ist mit äußerster Sorgfalt heranzugehen. Es gilt die Besonderheiten jedes Bauwerks zu erkennen, zu planen und in der Ausführung funktionsgerecht umzusetzen. In diesem Beitrag werden die bei der Planung von Fugen und Rinnen zu beachtenden Aspekte aufgeführt und konkrete Ausführungshinweise gegeben.
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10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 235 Fugensysteme und Rinnen in Industrieböden - vom richtigen Umgang mit ungeliebten, aber notwendigen Einbauten Dipl.-Ing. Stephan Sinz Leiter Produktmanagement MIGUA Fugensysteme GmbH, Wülfrath Zusammenfassung An die Planung und die Ausführung von Fugen-Profilsystemen und Rinnen in Industrieböden ist mit äußerster Sorgfalt heranzugehen. Es gilt die Besonderheiten jedes Bauwerks zu erkennen, zu planen und in der Ausführung funktionsgerecht umzusetzen. In diesem Beitrag werden die bei der Planung von Fugen und Rinnen zu beachtenden Aspekte aufgeführt und konkrete Ausführungshinweise gegeben. Fugen, die richtig in einen Baukörper gesetzt sind, bieten viele Vorteile: Spannungen werden gefahrlos abgebaut, entstehende Bewegungen übernommen, einfachere und segmentierte Bauweisen sind möglich. Fugen sind immer ein Schwachpunkt einer Konstruktion. Ohne die Ausbildung geplanter und gut ausgeführter Fugen wäre die Konstruktion jedoch wesentlich schwächer. Rinnen haben die Aufgabe, das anfallende Wasser, sei es durch Regenereignisse, sei es durch Fahrzeuge eingetragenes Schleppwasser, schadlos aus dem Gebäude abzuleiten. 1. Fugen Die Bauteilbzw. Bewegungsfugen sind für den Gebrauch bis in die Oberkante des Fußbodens mit Hilfe von Fugenprofilsystemen so zu übernehmen, dass die Gebrauchstauglichkeit dauerhaft gegeben ist. Anfallendes Wasser ist mit Hilfe geeigneter Rinnensysteme und Abläufe schadlos aus den Gebäude abzuleiten. Der Planer hat dabei die Aufgabe, die wesentlichen Bemessungsdaten der Fugen- und Rinnensysteme festzulegen. Dazu gehört es, die Grunddaten zu erfassen und die Anforderungen an das Profilsystem zu beschreiben. Neben der Festlegung der technischen Daten der Fugen sind insbesondere die Besonderheiten der Nutzung sowie die Erarbeitung von Anschlussdetails zu berücksichtigen. Bild 1: Aufgaben des Planers Bild 2: Bemessungsdaten Fugensysteme 2. Bemesssungsdaten Zu den festzulegenden Bemessungsdaten gehören zunächst die Fugenbreite sowie die Fugen-bewegung in allen drei Dimensionen. Für die Bemessung und Bewegungsaufnahme des Fugenprofils ist die vektorielle Addition aller drei Kennwerte entscheidend. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Bewegung quer zu Fuge bei einem Fugenverlauf, der um 90° verspringt, zu einer Verschiebung, also Scherung des Profils führt. Setzungen und Schwingungen (die wie Setzungen zu betrachten sind), sind zwingend vorab zu erfassen, um diese Bewegungen mit einem geeigneten Profil aufnehmen zu können. Buch IB.indb 235 11.02.20 12: 53 236 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Fugensysteme und Rinnen in Industrieböden - vom richtigen Umgang mit ungeliebten, aber notwendigen Einbauten Bild 3: Dreidimensionale Bewegungsaufnahme Als nächstes ist die Profilhöhe festzulegen. Diese ist von Bodenaufbau abhängig und sollte in Abhängigkeit der Ebenheitstoleranzen festgelegt werden. Dabei wird das Profilsystem immer auf einen ausgleichenden Fugenglattstrich gesetzt und benötigt einen lastabtragenden Untergrund, meist die Geschossdecke. Besondere Berücksichtigung bedarf die Festlegung der einwirkenden Lasten. Die Profilbemessung erfordert die Angabe von Linienlasten oder den direkten Bezug auf die DIN 1991- 1. Bei Befahrung durch Stapler, die oft nicht mit der DIN-geregelten Luftbereifung betrieben werden, sind unbedingt Einzelfallbetrachtungen der Radlasten durchzuführen. 3. Formteile Die durch den Baukörper vorgegebene Fugen-geometrie ist in dem einzusetzenden Fugenprofil unbedingt zu übernehmen. Wenn dies nicht berücksichtigt wird, können die Bauteilbewegungen nicht im Profil übernommen werden. Schäden und unkontrollierte Abrisse sind die Folge. Die notwendige Passgenauigkeit wird mit Formteilen erreicht. Das Fugensystem muss die Vielzahl der möglichen Formteilvarianten abbilden können. Endaufkantungen sind für die Dichtigkeit und Bewegungsaufnahme an den Profilenden zwingend notwendig. Bild 4: Formteilausbildung folgend dem Fugenverlauf Die Vernachlässigung von Formteilen ist unweigerlich mit Schäden verbunden, da der Baukörper seine Bewegung auch ohne Profil-Formteile ausführt. Die Folge sind unkontrollierte, wilde Risse. Bild 5: Standardformteile Ecke, Kreuzstück Bei unterschiedlichen Fußbodenaufbauten auf beiden Seiten der Fuge können gute Profilsysteme an die Höhe angepasst werden. Fugenprofile, die in der Fugenbreite und -bewegung anpassbar sind, bieten bei ungeplant großen Bewegungen Lösungen. Ganz aktuell wurden von Migua Fugenprofile für Industrie-böden entwickelt, deren beweglicher Teil reversibel ist und bei größeren Bewegungen oder Beschädigung ausgetauscht werden kann. Bei einer geforderten Wasserdichtigkeit ist zu gewährleisten, dass der Anschluss der Fugenprofilsysteme an ein vorhandenes Oberflächenschutzsystem vorgesehen ist. Profilsysteme werden üblicherweise über systemkonforme Anschlussfolien an die Abdichtung angeschlossen. Dabei muss die Kompatibilität der eingesetzten Materialien vorab abgestimmt werden. Bei kombinierten Abdichtungen aus Beschichtung und Schwarzabdichtung auf beiden Seiten der Fuge muss das Profilsystem daran anpassbar sein. Für Rinnen gilt dies in gleicher Art. Dort treten an Rampen oft Wechsel der Abdichtungsart als Übergang von Beschichtung zu bituminöser Abdichtung auf. Bild 6: Anschluss Fugenprofil an bauseitige Abdichtung Sofern ein Gefälle vorgesehen ist, sind Hoch- und Tiefpunkte beim Fugenprofil zwingend zu übernehmen. Zu Ebenheit und Toleranzen sollte man sich vorab Gedanken gemacht haben. Da ein maschinell gefertigtes Fugenprofil eine sehr viel höhere Genauigkeit und Geradheit, als ein handwerklich gefertigter flächiger Boden hat, kann es am Übergang zum Profil zu unangenehmen Höhenversätzen kommen. Diese gilt es durch Planung und sorgfältige Montage auszuschließen. Buch IB.indb 236 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 237 Fugensysteme und Rinnen in Industrieböden - vom richtigen Umgang mit ungeliebten, aber notwendigen Einbauten Bild 7: Einflussfaktoren für die Fugenprofilbemessung Evtl. Mängel entstehen fast immer durch falsches Verständnis der Baukörper- oder Fugenbewegungen. Wenn z.B. Fugen nicht vollständig mit einem Profilsystem übernommen werden, kann ein unkontrollierter Riss entstehen. Bild 8: Fugenprofile mit Stützenaufkantungen 4. Rinnen Bei der Planung von Rinnen sind weitere Aspekte zu beachten. So ist die anfallende Wassermenge festzulegen, Abläufe nach Größe und Lage festzulegen und ein gewünschtes Gefälle zu planen. Dieses ist aus statischen Gründen oft nicht umsetzbar, so dass eine vorgegebene Topologie übernommen werden muss. Bei der Wassermenge ist nach Lage der Rinne zu unterscheiden, ob mit einer Regenereignis oder mit Schleppwasser, das durch Fahrzeuge eingetragen wird, gerechnet werden muss. Bild 9: Parkhaus ohne funktionierende Entwässerung Bild 10: Bemessungsdaten für Rinnen Rinnen sind nach DIN EN 1433 in Lastklassen eingeteilt. Gitterroste müssen die vorgesehenen Lasten gefahrlos abtragen. Sofern optische Aspekte wichtig sind, stehen als Alternative zu Gitterrosten hochwertige Abdeckungen aus Edelstahl in unterschiedlichen Rutschhemm-klassen zur Verfügung. Bild 11: Rinne mit Designabdeckung, Klasse R10 V10 Da Rinnensysteme planmäßig mit teils korrosivem Wasser in Kontakt kommen, sind medienberührte Materialien in V 2 A- oder besser V 4 A-Qualität auszuwählen. Der Wasserlauf selber ist bei dieser einzigartigen Konstruktion aus einem nicht-rostenden Kunststoff eingehängt, so dass auf der Baustelle sogar die Schweißarbeiten entfallen. Buch IB.indb 237 11.02.20 12: 53 238 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Fugensysteme und Rinnen in Industrieböden - vom richtigen Umgang mit ungeliebten, aber notwendigen Einbauten Gleichzeitig muss eine Rinne an ein Oberflächenschutzsystem wasserdicht anschließ-bar sein. Dies erfolgt analog zu dem bewährten Verfahren, das bei Migua-Fugenprofilen seit 30 Jahren erfolgreich umgesetzt wird, mit sogenannten Anschlussfolien. Formteile sind bei Rinnen in gleicher Weise wie bei Fugenprofilen nach Bedarf vorzusehen. Bild 12: Rinne mit Anschluss an Gussasphalt auf dem Freideck eines Parkhauses Bild 13 Wasserdichter Anschluss einer Rinne an eine bituminöse Abdichtung Eine fachgerechte Planung wird Baukörperfugen möglichst an Hochpunkten und Entwässerungs-rinnen an Tiefpunkten der Baukonstruktion vorsehen. In der Praxis ist dies jedoch nicht immer umsetzbar, so dass die Entwässerung von Parkbauten manchmal neben einem Fugenprofil oder in Extremfällen über ein Fugenprofil erfolgt. Für diese parallellaufenden Rinnen und Fugen gibt es spezielle Kombinationen in verschiedenen Varianten. Bild 14: Beispiel einer Fugen-Rinnen-Kombination Sofern sich jedoch Fuge und Rinne kreuzen, entstand bisher das Problem, dass der Rinnenkörper vor der Fuge enden und ein eigenständiger, zusätzlicher Ablauf angeordnet werden musste. Teilweise war sogar eine Umkehr der Fließrichtung mit allen seinen Folgen erforderlich. Mit der Entwicklung dieser einzigartigen Fugen-Rinnen-Kreuzung kann nun direkt der Rinnenkörper an das Fugenprofil angeschlossen und über dieses entwässert werden. Dieses zum Patent angemeldete System kann mit allen bekannten Abdichtungssystemen kombiniert werden. Bild 15: Neu entwickelte und zum Patent angemeldete Fugen-Rinnen-Kreuzung 5. Montage Wenn Rinne und Profilsystem gut geplant und ausgeschrieben wurden, gilt es, diese fachgerecht einzubauen. Dies sollte unbedingt von geschulten Fachunternehmen durchgeführt werden. Bei der Ausführung sind die tatsächlichen Werte der Fuge mit der Planung zu vergleichen, die notwendigen Einbautemperaturen einzuhalten und für die notwendige Baufreiheit zu sorgen. Die Auswahl des Fugenglattstrichs sowie des Verfüllmaterials sollte vorab in Abhängigkeit von der Einbausituation und der Nutzung festgelegt werden. Der höhengleiche Einbau zum angrenzenden Belag ist eine wesentliche Notwendigkeit für eine lange und störungsfreie Nutzung. Buch IB.indb 238 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 239 Fugensysteme und Rinnen in Industrieböden - vom richtigen Umgang mit ungeliebten, aber notwendigen Einbauten Deshalb ist der fachgerechten Montage sowie der Abstimmung der Bauleitung mit den angrenzenden Gewerken hohe Beachtung zu schenken. Bild 16: Rinnen am Fuß einer Rampe Wie auch bei anderen Gewerken sollte für Fugensysteme und Rinnen ein Wartungs- und Instandhaltungsplan erstellt werden. Eine zweimal im Jahr durchgeführte Untersuchung mit Behebung evtl. Mängel sorgt für eine lange Nutzungsdauer. Kontakt zum Autor: Dipl.-Ing. Stephan Sinz Email: sinz@migua.de Buch IB.indb 239 11.02.20 12: 53