eJournals Kolloquium Industrieböden 10/1

Kolloquium Industrieböden
kibo
2510-7771
expert verlag Tübingen
0301
2020
101 Littmann

Unsichtbarer Beitrag, sichtbarer Erfolg - Gezielte Steuerung der Betoneigenschaften zu Herstellung hochwertiger Industrieböden

0301
2020
Annika Bantle
Christoph Hahn
Industrieböden aus Beton sind vielfältigen Nutzungsbedingungen und Beanspruchungen ausgesetzt. Aufgrund der hohen Anforderungen ist eine dementsprechend hohe Betonbauqualität sicherzustellen. Die erzielte Qualität eines Industriebodens und seiner Oberfläche hängt dabei unmittelbar von der Betonrezeptur ab. Durch die Wahl angepasster Betonzusammensetzungen können Frisch- und Festbetoneigenschaften gezielt gesteuert und Mängel vermieden werden. Die Zusatzmittelindustrie liefert hier die entscheidenden Innovationen, um sowohl die Verarbeitbarkeit als auch Verschleißfestigkeit, Dauerhaftigkeit und Rissfreiheit zu gewährleisten und bei Bedarf signifikant zu verbessern. Der physikalisch wirkende Beschleuniger Master X-Seed garantiert selbst bei kalter Witterung optimale Einbau- und Glättbedingungen. So können auch im Winter die Glättarbeiten unabhängig von den Temperaturen getaktet werden. Als alternative Bewehrung werden Polypropylen Makrofasern erfolgreich eingesetzt und können dadurch die Baustellenprozesse deutlich optimieren.
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10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 273 Unsichtbarer Beitrag, sichtbarer Erfolg - Gezielte Steuerung der Betoneigenschaften zur Herstellung hochwertiger Industrieböden M. Sc. Annika Bantle BASF Construction Solutions GmbH, Mannheim, Deutschland Dr.-Ing. Christoph Hahn BASF Construction Solutions GmbH, Mannheim, Deutschland Zusammenfassung Industrieböden aus Beton sind vielfältigen Nutzungsbedingungen und Beanspruchungen ausgesetzt. Aufgrund der hohen Anforderungen ist eine dementsprechend hohe Betonbauqualität sicherzustellen. Die erzielte Qualität eines Industriebodens und seiner Oberfläche hängt dabei unmittelbar von der Betonrezeptur ab. Durch die Wahl angepasster Betonzusammensetzungen können Frisch- und Festbetoneigenschaften gezielt gesteuert und Mängel vermieden werden. Die Zusatzmittelindustrie liefert hier die entscheidenden Innovationen, um sowohl die Verarbeitbarkeit als auch Verschleißfestigkeit, Dauerhaftigkeit und Rissfreiheit zu gewährleisten und bei Bedarf signifikant zu verbessern. Der physikalisch wirkende Beschleuniger Master X-Seed garantiert selbst bei kalter Witterung optimale Einbau- und Glättbedingungen. So können auch im Winter die Glättarbeiten unabhängig von den Temperaturen getaktet werden. Als alternative Bewehrung werden Polypropylen Makrofasern erfolgreich eingesetzt und können dadurch die Baustellenprozesse deutlich optimieren. 1. Einleitung Böden aus Beton sind im Industriebau fester Bestandteil der Planung und Ausführung. Industrieböden müssen während ihrer Nutzungsdauer hohen Anforderungen hinsichtlich der Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit sowie der Dauerhaftigkeit genügen. Viele relevante Eigenschaften, wie die Oberflächenqualität, der Verschleißwiderstand oder die Ebenheit hängen dabei unmittelbar von der Einbauqualität und nicht zuletzt der Betontechnologie ab. Innovative bauchemische Lösungen können gezielt betontechnologische Eigenschaften beeinflussen und ermöglichen so einen schnelleren und weniger fehleranfälligen Einbau des Betons. Mit Hilfe einer geeigneten Betonzusammensetzung inklusive robuster Zusatzmittel sowie einer frühzeitigen Berücksichtigung jahreszeitlicher Einflüsse und alternativer Ausführungsvarianten können demnach wertvolle Zeit und Kosten eingespart werden. 2. Anforderungen an Betone für Industrieböden Industrieböden zeichnen sich durch eine hohe Leistungsfähigkeit aus. Obgleich ein Industrieboden aus Beton hinsichtlich der baurechtlichen Anforderungen als statisch unrelevantes Bauteil angesehen wird, so hat ein solcher Boden i. d. R. dennoch hohe Anforderungen zu erfüllen. Abhängig vom Gebäudetyp, der geplanten Nutzung und dem Beanspruchungsprofil muss ein Industrieboden aus Beton unterschiedliche Eigenschaften und Widerstände aufweisen. Die wichtigsten Eigenschaften eines Industriebodens sind: • Widerstand gegen mechanische Beanspruchungen • Geringe Ermüdungsneigung bei dynamischer Beanspruchung • Hoher Verschleißwiderstand • Widerstand gegen chemischen Angriff • Frost und Frost-Taumittel Unempfindlichkeit • Temperaturbeständigkeit • Rissarmut • Oberflächenbeschaffenheit (z. B. Rissverteilung, Rauigkeit, Leitfähigkeit, etc.) • Ebenheit Die oben beschriebenen Festbetoneigenschaften sind dabei unmittelbar mit der Rezeptur und dem Einbau des Frischbetons verknüpft. Die zugrundeliegende Betontechnologie muss demnach sowohl die Betonzusammensetzung als auch die erforderlichen Eigenschaften des Buch IB.indb 273 11.02.20 12: 53 274 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Unsichtbarer Beitrag, sichtbarer Erfolg - Gezielte Steuerung der Betoneigenschaften zur Herstellung hochwertiger Industrieböden fertigen Bodens sowie alle ausführungsrelevanten Kriterien berücksichtigen. Hierzu zählen beispielsweise Fachkompetenz des Personals, verfügbare Gerätschaften und sämtliche Randbedingungen beim Einbau. Die Steuerung der Frischbetoneigenschaften ist maßgebend, um eine optimale Verarbeitung zu gewährleisten und folglich die Qualität des Industriebodens sicherzustellen. So können Eigenschaften wie Konsistenz, Stabilität und Erstarrungsverhalten den Erfolg einer Baumaßnahme signifikant beeinflussen. Der Einsatz von Betonzusatzmitteln und die Abstimmung der Betonrezeptur auf das geplante Vorhaben sind deshalb unabdingbar. Moderne, innovative Zusatzmittel und Ausführungsvarianten ermöglichen zudem eine gezielte Einflussnahme auf den gesamten Bauprozess. 3. Herstellung von Industrieböden Klassische Industrieböden aus Beton zählen zu den massigen Bauteilen und zeichnen sich meist durch einen mehrschichtigen Aufbau aus, wobei die oberste Schicht eine Betonplatte darstellt. Die Betonoberfläche wird üblicherweise nach dem Abziehen zusätzlich geglättet, um eine geschlossene und porenfreie Oberfläche zu erzeugen. Die optimale Abstimmung aller Arbeitsabläufe bis hin zum Flügelglätten sind dabei maßgebend für die spätere Qualität des Bodens. 3.1 Entwurf Ein Industrieboden aus Beton muss im Allgemeinen nur dann nach DIN EN 206-1/ DIN 1045-2 bemessen, bewehrt und überwacht werden, wenn der spätere Boden eine tragende oder aussteifende Funktion besitzt. Nichtsdestotrotz ist eine Anlehnung an die oben genannte Norm aus dauerhaftigkeitsrelevanten Gründen zu empfehlen. Dies beinhaltet eine sorgfältige Berücksichtigung der Anforderungen aus der Nutzung und der daraus resultierenden Expositionsklassen. Praxisbewährte Bemessungskonzepte aus diversen Normen, Richtlinien und Merkblättern wie z.B. das DBV-Merkblatt „Industrieböden aus Beton“ können zudem wertvolle Hilfen sein. 3.2 Einbau Bei der Erstellung von Industrieböden wird i. d. R. mit Transportbeton gearbeitet. Die Rezeptur ist dabei von den Anforderungen an den Festbeton, des Verarbeitungszeitfensters, der Ausführungsart, der Witterung und vielen weiteren Faktoren abhängig. Eine der relevantesten, messbaren Größen für die Verarbeitbarkeit ist die Konsistenz. Im Industriebodenbau kommen Betone mit Einbaukonsistenzen der Konsistenzklasse F3 bis F6 zum Einsatz, wobei die Wahl der Konsistenzklasse maßgeblich mit oben genannten Randbedingungen zusammenhängt. So eignen sich F3-Betone beispielsweise um Zwangsspannungen im jungen Beton zu minimieren, führen allerdings bei sehr warmer Witterung zu Problemen durch frühzeitiges Ansteifen. Leicht verarbeitbare Betone der Konsistenzklasse F5 oder F6 hingegen können bei falscher Fließmittelauswahl und -dosierung zur Entmischung neigen. Dies gilt insbesondere bei niedrigen Temperaturen des Untergrundes (0 bis 5°C). Zur Gegensteuerung sind deshalb der Einsatz abgestimmter Fließmittel in Kombination mit Betonstabilisierern sowie wirksame Beschleunigerlösungen (im Winter) empfehlenswert. Beim Einbau der Betone, ist in jedem Fall auf eine ausreichende Verdichtung zu achten. Bei großen Flächen kann sich die Verwendung von Rüttelbohlen anstelle von Innenrüttlern positiv auf den Glättvorgang auswirken. Nach dem Einbringen, Verdichten und Abziehen folgt die sogenannte Liegezeit des Betons. In dieser Zeit wird darauf gewartet, dass der Beton ansteift und betretbar wird, damit die Glättarbeiten beginnen können. Während dieser Warteperiode sind Bluterscheinungen und Austrocknung der Oberfläche zwingend zu beobachten und falls notwendig Nachbehandlungsmaßnahmen zu ergreifen. So muss das Überschusswasser vor Beginn der Glättarbeiten abgeschoben oder die Oberfläche vor weiterem Austrocknen geschützt werden. Der sachgerechte Glättvorgang sollte kurz vor Erstarrungsbeginn erfolgen und bis Erstarrungsende abgeschlossen sein, um die gewünschte Oberflächenverbesserung zu erzielen. Bei Anforderungen an eine erhöhte Verschleißfestigkeit kann beim Glättvorgang eine zusätzliche Hartkorneinstreuung eingearbeitet werden. Buch IB.indb 274 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 275 Unsichtbarer Beitrag, sichtbarer Erfolg - Gezielte Steuerung der Betoneigenschaften zur Herstellung hochwertiger Industrieböden Abb. 1: Phasen der Festigkeitsentwicklung von Beton und Verarbeitungsschritte 3.3 Nachbehandlung Zur Erzielung der gewünschten Festbetonkennwerte ist der Beton auch nach dem Glättvorgang vor Frost und Austrocknung zu schützen. Die Nachbehandlungsdauer ist dabei abhängig von der Festigkeitsentwicklung des Betons und den Umgebungsbedingungen. Bei sehr kalter Witterung kann es notwendig sein die Nachbehandlungsdauer um ein Vielfaches zu verlängern. 4. Typische Fehler und Schadensbilder Obwohl Industrieböden aus Beton lange etabliert sind und die Erfahrungswerte stetig steigen, weisen diese Bauteile nach wie vor ein hohes Schadenspotential auf. Gleichzeitig sind die Ansprüche der Bauherren und Nutzer extrem hoch. Unrealistische Formulierungen in Ausschreibungstexten wie „absolute Ebenheit“ und „Rissfreiheit“ sind keine Seltenheit und sorgen zwischen den Beteiligten für Konflikte. Nachfolgend werden typische Fehler während der Betonage und ihre Schadensbilder näher erläutert: 4.1 Warmer Beton auf kaltem Untergrund Wird auf einer typischen Winterbaustelle Warmbeton mit 15°C auf kaltem Untergrund aufgebracht, so fließt die Wärme des Betons in diesen ab und es entstehen innerhalb des Betonquerschnittes hohe Temperaturgradienten. Übersteigen die daraus resultierenden Spannungen die Betonzugfestigkeit entstehen Trennrisse. Ein weiteres Phänomen ist das nachträgliche Aufsteigen von Blutwasser durch temperaturbedingt ungleichmäßiges Erstarren des Betons. Erscheint die Oberfläche des Industriebodens trittfest und Glättenergie wird eingebracht, so kann zusätzliches Blutwasser aus den unteren noch „weichen“ Schichten unter die feinmörtelreiche Glättschicht gelangen und dort zu einem mangelhaften Verbund zwischen dieser und dem Beton führen. Das Schadensbild zeichnet sich durch Oberflächenabplatzungen und Risse aus. 4.2 Entmischungserscheinungen Die Wahl der Betonrezeptur und die Abstimmung des Fließmittels auf die Ausgangsstoffe und Einbaubedingungen sind maßgebend für die spätere Verarbeitbarkeit des Betons auf der Baustelle. Bluterscheinungen und Sedimentation können auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden, hierzu zählen z. B.: • Wasserzugabe in den Frischbeton auf der Baustelle • zu hohe Verdichtungsenergie • zu geringe Feinanteile • ungünstige Körnungsverteilung (Packungsdichte) • unsachgemäßer Betoneinbau • Überdosierung des Fließmittels Risse durch Schwinden Treten bereits wenige Stunden nach der Herstellung des Industriebodens lokal gehäufte, krakeleeartige Risse auf, so sind diese oftmals auf einen sehr hohen Feuchteentzug des jungen Betons zurückzuführen. Ein solches Austrocknen der Betonrandzone ereignet sich insbesondere bei niedrigen Wasserzementwerten und/ oder einer erhöh- Buch IB.indb 275 11.02.20 12: 53 276 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Unsichtbarer Beitrag, sichtbarer Erfolg - Gezielte Steuerung der Betoneigenschaften zur Herstellung hochwertiger Industrieböden ten Verdunstungsrate. Hartkorneinstreuungen mit hohen Zementanteilen können den Effekt zudem verstärken. In solchen Fällen ist auf eine ausreichende Nachbehandlung des Betons zu achten, um extreme Rissbildungen und das Bilden einer Elefantenhaut zu vermeiden. 4.3 Ungeeigneter Glättzeitpunkt Der Glättzeitpunkt stellt eine der größten Schadenspotentiale im Industriebodenbau dar. Die Bestimmung des optimalen Zeitpunktes ist grundlegend für die Herstellung eines hochwertigen Industriebodens. In der Theorie sollen beim Glätten im Beton noch keine nennenswerten Hydratationsprozesse stattgefunden haben und die Oberfläche möglichst „trittfest“ und „mattfeucht“ sein. Wird der falsche Zeitpunkt und Feuchtigkeitszustand gewählt können folgende Probleme entstehen: Zu früh: Einsinken und Erzeugen von Unebenheiten. Zu spät: Schlechter Verbund der Feinmörtelschicht mit darunter liegendem Beton. Zu nass: Einarbeitung des Blutwassers in die Feinmörtelschicht und Erhöhung des w/ z-Wertes. Dies hat geringe Festigkeiten und Krakeleerisse zu folge. Zu trocken: Glätten ist nicht möglich. 5. Bauchemische Lösung zur Optimierung des Einbauprozesses und der Oberflächenqualität Die Betontechnologie stellt im Betonbau das Bindeglied zwischen Planung und Einbau dar, denn mit Hilfe innovativer Ansätze und Bauchemikalien kann die Verarbeitbarkeit entscheidend verbessert und der gesamte Bauprozess hinsichtlich Kosten und Zeit optimiert werden. 5.1 Konsistenzhaltung und Betonstabilität Da die Anforderungen an Industrieböden hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit stetig steigen, kommen traditionelle Fließmittel auf Naphtalin- oder Melaminsulfonatbasis schnell an ihre Leistungsgrenzen. Insbesondere der Trend zu immer niedrigeren Wasserzementwerten bei gleichbleibend guter Verarbeitbarkeit erfordert innovative Lösungen zur Betonverflüssigung. Die moderne Betontechnologie setzt deshalb auch im Industriebodenbau verstärkt auf Hochleistungsfließmittel. Die Wirkungsgruppen der Polycarboxylatether (PCE) und Polyarylether (PAE) fallen in diese Kategorie, wobei sie sich durch unterschiedliche Stärken differenzieren. PCE-Fließmittel können aufgrund der Modifizierbarkeit ihrer Polymerzusammensetzung gezielt in ihrem Leistungsprofil auf den spezifischen Anwendungsfall angepasst werden und eignen sich deshalb für diverse betontechnologische Herausforderungen. Mit Hilfe angepasster PCE-Fließmittel können eine starke Wasserreduktion und hohe Frühfestigkeiten realisiert werden. Der entscheidende Vorteil innovativer PAE-Fließmittel liegt in der geringen Klebrigkeit, der daraus resultierenden hervorragenden Pumpbarkeit und den sehr guten Glätteigenschaften. Die hergestellten Betone zeichnen sich durch eine besonders geringe Viskosität und hohe Frühfestigkeiten aus. Zudem eignen sie sich insbesondere bei flugaschehaltigen Rezepturen und weisen eine hohe Verträglichkeit mit allen Betonverflüssiger- und Fließmittelarten auf. Die Wirkungsmechanismen und die Anzahl der anwendungsspezifischen Polymere der Reihen MasterEase und MasterGlenium ermöglichen eine individuelle Steuerung der Frischbetoneigenschaften je nach Aufgabenstellung. In Kombination mit Betonstabilisierern der Reihe MasterMatrix lässt sich die Robustheit der Betone zudem signifikant verbessern und führt dadurch zu noch hochwertigeren Ergebnissen. Schlussfolgernd ist die Auswahl geeigneter Polymere sowie deren Dosierung entscheidend, um angepasste Rezepturen für Industrieböden mit höchsten Ansprüchen herzustellen. 5.2 Optimierung des Glättzeitpunktes In Abschnitt 4 wurden die resultierenden Mängel des falschen Glättzeitpunktes bereits beschrieben. Da die Liegezeit des Betons von diversen Parametern beeinflusst wird, ist eine genaue Planung der Glättarbeiten bzw. eine Vorhersage nicht zielsicher möglich. Während im Sommer Liegezeiten von 3 bis 4 Stunden üblich sind, verlängern diese sich bei kalter Witterung signifikant. Ein Warten auf den Glättbeginn von bis zu 10 Stunden ist dann keine Seltenheit. Neben den klassischen betontechnologischen Einflussgrößen hinsichtlich der Ausgangsrezeptur und Festigkeitsentwicklung (z. B. Zementart und -gehalt, w/ z-Wert, Sieblinie, Leimgehalt, Fließmittel, Konsistenz) haben demnach auch witterungsbedingte Kennwerte großen Einfluss auf die Liegezeitdauer. In der Praxis gibt es verschiedene Ansätze die Liegezeiten trotz widriger Randbedingungen zu beschränken. Diese sind jedoch mit teilweise erheblichem Aufwand und/ oder Zusatzkosten verbunden und können zu Schwierigkeiten bei der Ausführung und letztendlich zu Schäden am Bauteil führen. Klassische Winterbaumaßnahmen sind: • Einhausung • Beheizung der Halle • Beheizter Beton Buch IB.indb 276 11.02.20 12: 53 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 277 Unsichtbarer Beitrag, sichtbarer Erfolg - Gezielte Steuerung der Betoneigenschaften zur Herstellung hochwertiger Industrieböden • Höhere Zementgehalte • Niedriger w/ z-Wert • Wahl eines angepassten Fließmittels • Höherwertiger Zement • Höhere Betonfestigkeitsklasse Eine echte Alternative zu den genannten Möglichkeiten stellt der Einsatz innovativer Erhärtungsbeschleuniger dar. Der physikalische Wirkungsmechanismus von Master X-Seed unterscheidet sich maßgeblich von dem herkömmlicher, chemischer Beschleuniger, da dieser auf der sogenannten Seeding-Technologie basiert. Es handelt sich um im Wachstum eingefrorene Calciumsilikathydrate (CSH), die dem Beton bereits im Werk als Suspension zugegeben werden können. Diese CSH-Kristalle regen im Beton das natürliche Kristallwachstum an und können während der ersten Stunden die Frühfestigkeit des jungen Betons um ein Vielfaches steigern. Master X-Seed wirkt rein physikalisch und hat damit keinen negativen Einfluss auf die Endfestigkeit des Betons. Abhängig von der Dosierung kann somit der gewünschte Glättzeitpunkt über die Zugabe von Master X-Seed gezielt herbeigeführt werden. Dadurch werden die Glättarbeiten besser planbar, der Stillstand begrenzt und unnötige Zusatzkosten für Warm- oder höherwertige Betone sowie Beheizung fallen weg. Auch aus Gründen des nächtlichen Lärmschutzes kann Master X-Seed helfen die Baustelle effektiv zu beschleunigen und damit die rechtlichen Vorgaben einzuhalten. Eine typische Dosierung im Industriebodenbeton liegt bei 2 M-% bezogen auf den Zementgehalt. Bei besonders hohen Anforderungen an die Frühfestigkeit können auch Rezepturen mit Dosierungen von bis zu 5 M-% realisiert werden. Abb. 2: Festigkeitsentwicklung mit und ohne Master X-Seed 5.3 Verbesserung der Oberflächenbeschaffenheit Zur Erreichung von qualitativ hochwertigen Betonoberflächen ist eine wirksame Zwischennachbehandlung und Nachbehandlung des Betons zwingend erforderlich. Gerade bei extremen Bedingungen wie z. B. hohe Beton- und Umgebungstemperaturen, niedrige Luftfeuchte, starker Luftzug oder direkter Sonneneinstrahlung ist eine Zwischennachbehandlung zwischen Einbau und der endgültiger Oberflächenbearbeitung essentiell. Übliche Liegenzeiten betragen abhängig der Randbedingungen zwischen 3 und 10 Stunden. Wird auf eine Zwischennachbehandlung verzichtet, werden bereits in dieser Zeit die Voraussetzungen für spätere Schadensfälle geschaffen. Durch den Verzicht auf effektive Maßnahmen erhöht sich das Risiko für Trocknungsrisse, „Elefantenhaut“ und ein Aufschüsseln der Platte. Dauerhafte und abriebfeste Betonoberflächen lassen sich nur realisieren, wenn das Thema „Nachbehandlung“ entsprechend berücksichtigt wird. Wirksame Zwischennachbehandlungsmaßnahmen sind Abdecken mit Folie, Besprühen mit Wassernebel oder das Aufbringen eines Zwischennachbehandlungsmittels. Beim Abdecken mit Folie ist darauf zu achten, dass die spätere Betonoberfläche dadurch nicht negativ beeinflusst wird. Wird die frische Betonoberfläche mit Wasser besprüht, so besteht das Risiko, dass sich dieses Wasser mit dem noch sehr jungen Beton vermischt und der w/ z- Wert der Randzone des Betons dauerhaft erhöht wird. Schlussfolgernd entsteht eine Oberfläche mit erhöhter Rissneigung und deutlich herabgesetzter Dauerhaftigkeit. Hinzu kommt der wirtschaftliche Effekt, dass das Personal vorgehalten werden muss, um über mehrere Stunden den Sprühnebel aufrechtzuerhalten. Buch IB.indb 277 11.02.20 12: 53 278 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 Unsichtbarer Beitrag, sichtbarer Erfolg - Gezielte Steuerung der Betoneigenschaften zur Herstellung hochwertiger Industrieböden Alternativ kann ein Zwischennachbehandlungsmittel auf die frische Betonoberfläche aufgesprüht werden. Das Zwischennachbehandlungsmittel bietet einen sehr effektiven Verdunstungsschutz über mehrere Stunden hinweg und verringert dadurch den Wasserverlust um bis zu 60% gegenüber einer unbehandelten Fläche. Zusätzlich wirkt das Mittel als Glätthilfe beim späteren Abscheiben und Flügelglätten. Der Wirkstoff wird bei der Bearbeitung der Oberfläche verrieben und hat keinen negativen Einfluss auf die spätere Oberfläche des Betonbodens. Die Haftzugfestigkeit einer eventuell später aufgebrachten Beschichtung bleibt ebenfalls unbeeinflusst. Nach der endgültigen Oberflächenbearbeitung muss der Betonboden meist über mehrere Tage hinweg nachbehandelt werden, da aus ungeschützten Betonoberflächen unter ungünstigen Bedingungen bis zu 4 Liter Wasser pro Quadratmeter und Stunde verdunsten können. Dies würde Schwindrissbildung begünstigen und die vollständige Hydratation des Zementes verhindern. Die Qualität der oberflächennahen Schicht im Hinblick auf Haftzugfestigkeit und Dichtigkeit wird ganz wesentlich von einer zielsicheren Nachbehandlung beeinflusst. Es gibt verschieden Möglichkeiten zur Nachbehandlung von Beton. Nachbehandlungsmittel mit hohem Sperrkoeffizient wirken langfristig effektiv. Diese Mittel bilden auf der Oberfläche des Betons einen dichten und wasserunlöslichen Schutzfilm, der die Verdunstung des Wassers während der entscheidenden Erhärtungszeit signifikant hemmt. Die Verwendung von speziellem Paraffinwachs führt zu einer guten Griffigkeit der nachbehandelten Oberfläche. Die hohe Sperrwirkung gewährleistet zudem in der obersten Betonschicht einen optimalen Hydratationsverlauf. Dies führt zu einer guten Festigkeitsentwicklung und minimiert die Rissgefährdung. 5.4 Bauprozessoptimierung durch alternative Ausführungsvariante Im Industriebodenbau werden seit vielen Jahren Polymerfasern erfolgreich eingesetzt. Aufgrund der guten Erfahrungen mit den Polymerfasern wurden bereits in vielen Europäischen Ländern Normen und Anwendungsregeln für deren Einsatz eingeführt. Da Polymerfasern gegen viele Chemikalien hohe Beständigkeit aufweisen und unempfindlich gegenüber Korrosion sind, können sie auch im Außenbereich oder in der Nähe von Küsten eingesetzt werden. Aufgrund des geringen Gewichtes sind Fasern einfach in der Handhabung und dementsprechend leicht zu verarbeiten. Als Alternative zu Stahlfasern können Kunststofffasern im Industriebodenbau konventionelle Stahlbewehrung ganz oder teilweise ersetzen. Durch das Wegfallen aufwändiger Bewehrungsarbeiten können i.d.R. signifikante Kosten- und Zeitersparnisse generiert werden. Zum Einsatz im Industriebodenbeton kommen dabei Fasern, die nach DIN EN 14889 Teil 2 zertifiziert und zusätzlich vom DIBt bauaufsichtlich zugelassen sind. Teil des Zulassungsprozesses ist u. a. die Prüfung der Wirksamkeit der Fasern im Beton. Grundsätzlich kann zwischen zwei Arten von Fasern differenziert werden. Den Mikrofasern und den Makrofasern. Abb. 3: MasterFiber Sortiment: MasterFiber 018, PP-Mikrofaser (oben) MasterFiber 235 SPA, PP-Makrofaser (Mitte) MasterFiber 235 SPA in Dosierverpackung (unten) Mit Polypropylen-Mikrofasern lässt sich das plastische Schwinden auf ein Minimum reduzieren. Dank ihres winzigen Durchmessers, der damit verbundenen großen Oberfläche und der besonderen chemischen Bindung, die sie mit dem frischen Zementleim eingehen, wirken die Fasern den Zugkräften, die durch das Schwinden in der plastischen Phase hervorgerufen werden, wirksam entgegen. Die Fasern bewirken eine drastische Verringerung des Risikos diffuser Rissbildungen, die während der ersten 24 Stunden, insbesondere bei windigem und trockenem Klima, auftreten. Um die Rissbildung durch plastisches Schwinden zu reduzieren wird eine Dosierung von 0,6 bis 0,9 kg/ m³ empfohlen. Buch IB.indb 278 11.02.20 12: 54 10. Kolloquium Industrieböden - März 2020 279 Unsichtbarer Beitrag, sichtbarer Erfolg - Gezielte Steuerung der Betoneigenschaften zur Herstellung hochwertiger Industrieböden Abb. 4: 3-Punkt-Biegezugprüfung an einem Balken aus Faserbeton, oben; Typische Last-Verformungskurve für Faserbeton, unten Mit Polypropylen-Makrofasern kann die herkömmliche Stahlbewehrung ganz oder teilweise ersetzen werden. Die Wirkung der PP-Makrofasern wird in der statischen Berechnung mit einbezogen. Im Falle eines Risses gewährleisten die Fasern die Kraftübertragung über den Riss hinweg. Die Leistung der Makrofasern wird im 3-Punkt oder in 4-Punkt Biegezugversuch bestimmt. Die bestimmte Kraft-Verformungskurve liefert die Eingangsparameter für eine statische Berechnung. Diese erfolgt in Anlehnung an die deutsche Stahlfaserrichtlinie oder nach dem Technical Report 34 - Concrete Industrial Ground Floors von der Concrete Society. Dabei können verschieden Lastszenarien in Betracht gezogen werden (z.B.: Regale, Gabelstapler und LKWs). Gängige Faserdosierungen der Makrofasern für Industrieböden liegen je nach Beanspruchung und Plattendicke zwischen 2,0 und 6,0 kg/ m³. Die neueste Generation der Kunststofffasern werden in praktischen Dosierverpackungen ausgeliefert. Die spezielle Art der Verpackung gewährleistet eine sichere und einfache Verarbeitung der Fasern im Betonwerk und auf der Baustelle. Literatur [1] Deutsches Institut für Normung, DIN EN 206-1/ DIN 1045-2 „Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton; Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität“ [2] Deutscher Beton und Bautechnik Verein, „Industrieböden aus Beton“, Februar 2017 [3] The Concrete Society, Concrete Industrial Ground Floors - A guide to design and construction - Technical Report 34, 4th Ed. [4] Deutsches Institut für Normung, DIN EN 14889 Fasern für Beton - Teil 2: Polymerfasern, 2006 [5] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton, 2010 Buch IB.indb 279 11.02.20 12: 54