Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau
kii
expert verlag Tübingen
kii20251/kii20251.pdf1110
2025
20251
Generative KI, Gaussian Splatting & XR – neue Technologien für den Ingenieurbau
1110
2025
Urs Riedlinger
In diesem Beitrag werden die neuesten Entwicklungen und Anwendungsmöglichkeiten von (Generativer) Künstlicher Intelligenz (KI) und Extended Reality (XR) im Ingenieurbau beleuchtet. Ein Fokus liegt auf der Technik des Gaussian Splatting, die es ermöglicht, hochpräzise 3D-Umgebungen zu erstellen und zu visualisieren. Diese Technologie kann auch mit günstiger handelsüblicher Hardware-Arbeitsprozesse unterstützen, wodurch Kosten gesenkt und die Lebensdauer von Bauwerken verlängert werden kann. Anhand konkreter Anwendungsfälle und praxisnaher Projektbeispiele wird gezeigt, wie diese Technologien zukünftig gemeinsam genutzt werden können.
kii202510055
1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 55 Generative KI, Gaussian Splatting & XR - neue Technologien für den Ingenieurbau Urs Riedlinger Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, Sankt Augustin, Deutschland Zusammenfassung In diesem Beitrag werden die neuesten Entwicklungen und Anwendungsmöglichkeiten von (Generativer) Künstlicher Intelligenz (KI) und Extended Reality (XR) im Ingenieurbau beleuchtet. Ein Fokus liegt auf der Technik des Gaussian Splatting, die es ermöglicht, hochpräzise 3D-Umgebungen zu erstellen und zu visualisieren. Diese Technologie kann auch mit günstiger handelsüblicher Hardware-Arbeitsprozesse unterstützen, wodurch Kosten gesenkt und die Lebensdauer von Bauwerken verlängert werden kann. Anhand konkreter Anwendungsfälle und praxisnaher Projektbeispiele wird gezeigt, wie diese Technologien zukünftig gemeinsam genutzt werden können. 1. Einführung Die Digitalisierung des Ingenieurbaus hat in den letzten Jahren erheblich an Dynamik gewonnen. Während Methoden wie Computer-Aided Design (CAD) und Building Information Modeling (BIM) durchaus bereits etabliert sind, eröffnen neue Technologien wie Generative Künstliche Intelligenz (GenAI), Gaussian Splatting und Extended Reality völlig neue Möglichkeiten für Planung, Konstruktion und Wartung von Bauwerken. Die Integration dieser Technologien verspricht nicht nur eine Steigerung der Effizienz, sondern auch eine fundamentale Veränderung der Art und Weise, wie Ingenieure arbeiten und Entscheidungen treffen. So können beispielsweise Wartungen durch realistische Umgebungen unterstützt werden, die einen bestimmten Stand zeigen (sei es den aktuellen Stand oder eine historische Entwicklung). Besonders hervorzuheben ist dabei die Zugänglichkeit moderner Lösungen, die auch mit kostengünstiger Hardware realisierbar sind und somit einer breiten Anwenderschaft zur Verfügung stehen. Zukünftig könnte so die Dokumentation von Baufortschritten erleichtert werden, da Gaussian Splats als wiedererlebbares interaktives dreidimensionales Abbild genutzt werden. Der Vorteil gegenüber Fotos liegt auf der Hand: Ein umfassenderer Eindruck der Umgebung, frei begehbar und aus verschiedenen Winkeln betrachtbar, wird so möglich. 2. Stand der Technik Der Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) im Bauwesen und Ingenieurbau erfährt aktuell einen erheblichen Aufschwung. Alwashah et al. [1]generative artificial intelligence (AI geben einen umfassenden Überblick über Anwendungsfelder, Chancen und Herausforderungen generativer KI in der Bauindustrie. Sie heben insbesondere die Potenziale in der automatisierten Planung, im Design-Support sowie in der Bauausführung hervor. Ergänzend dazu zeigen Onatayo et al. [2], dass generative KI nicht nur technische Innovationen ermöglicht, sondern auch tiefgreifende Implikationen für die Ausbildung und die notwendige Weiterqualifizierung von Ingenieur: innen hat. Beide Arbeiten verdeutlichen, dass die Integration von KI nicht nur technologisch, sondern auch organisatorisch-strukturell betrachtet werden muss. Eine weitere Perspektive auf den Einsatz von KI im Bauwesen liefert El-Abbasy [3], der einen Schwerpunkt auf prädiktive Modellierungen legt. Die Arbeit zeigt, dass datengetriebene Modelle das Potenzial besitzen, Unsicherheiten in der Planung und im Betrieb von Ingenieurbauwerken deutlich zu reduzieren. Während diese Ansätze primär auf strukturmechanische und baubetriebliche Fragestellungen fokussieren, eröffnet generative KI darüber hinaus neue Möglichkeiten zur Gestaltung immersiver und interaktiver Umgebungen, die über klassische Modellierungsverfahren hinausgehen. Parallel zu diesen Entwicklungen im Bereich KI rücken immersive Visualisierungstechnologien in den Fokus. Wu et al. [4] präsentieren einen Überblick über den Forschungsstand im Bereich 3D Gaussian Splatting, einer Rendering-Technik, die hochrealistische und gleichzeitig effiziente Darstellungen komplexer Szenen ermöglicht. Gleichzeitig gehen Sie auch auf das dafür notwendige Scanning ein. Franke et al. [5]either via Gaussian Splatting (3DGS übertragen diese Ansätze in den Virtual-Reality-Kontext und zeigen mit VR-Splatting, wie foveated Rendering in Kombination mit neuronalen Punktrepräsentationen die immersive Darstellung signifikant verbessern kann. Diese Entwicklungen sind besonders relevant für XR-Anwendungen im Ingenieurbau, da sie die Balance zwischen visueller Qualität und Echtzeitfähigkeit adressieren - eine zentrale Voraussetzung für praktische Anwendungsfälle. Die Verbindung von KI, generativer Modellierung und Visualisierungstechnologien kann auch im Lichte klassischer Überlegungen zur Rolle von Informatik im Ingenieurwesen betrachtet werden. Bereits Brooks [6] argumentierte in seinem Essay The Computer Scientist as Toolsmith II, dass die Aufgabe der Informatik darin bestehe, als „Werkzeugmacher“ für andere Disziplinen zu fungieren. Vor diesem Hintergrund lassen sich aktuelle Entwicklungen wie generative KI und Gaussian Splat- 56 1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 Generative KI, Gaussian Splatting & XR - neue Technologien für den Ingenieurbau ting als moderne Ausprägungen dieser Werkzeugfunktion verstehen: Sie erweitern die Möglichkeiten von Ingenieur: innen, komplexe Sachverhalte zu analysieren, zu gestalten und in immersiven XR-Umgebungen erfahrbar zu machen. Zusammenfassend zeigt der aktuelle Forschungsstand, dass die Integration von generativer KI, Gaussian Splatting und XR im Ingenieurbau nicht isoliert betrachtet werden kann. Vielmehr handelt es sich um ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das sowohl methodische Fortschritte in der KI und Computergrafik als auch tiefgreifende Transformationen im Bauwesen miteinander verknüpft. 2.1 Generative Künstliche Intelligenz Generative KI-Systeme haben die Fähigkeit, neue Inhalte basierend auf erlernten Mustern zu erstellen. Im Ingenieurbau können diese Systeme für verschiedene Aufgaben eingesetzt werden: • Automatisierte Entwurfsgenerierung: KI kann auf Basis von Randbedingungen und Anforderungen erste Entwürfe erstellen [7], [8] • Optimierung bestehender Designs: Iterative Verbesserung von Konstruktionen unter Berücksichtigung multipler Zielfunktionen [7] • Vorhersage von Materialverhalten: Simulation und Prognose des Verhaltens von Baustoffen unter verschiedenen Bedingungen [9], [10], [11] • Automatisierte Dokumentation: Generierung technischer Dokumentationen und Berichte [12], [13], [14] Generative Künstliche Intelligenz basiert auf probabilistischen Modellen, die aus großen Datenmengen statistische Zusammenhänge erlernen und diese zur Synthese neuer, kohärenter Inhalte nutzen. Diese Systeme, zu denen Transformer-Architekturen, Variational Autoencoders (VAEs) und Generative Adversarial Networks (GANs) gehören, haben sich als besonders effektiv für komplexe, multimodale Aufgabenstellungen erwiesen [1], [15]. Im Kontext des Ingenieurbaus eröffnen diese Technologien vier primäre Anwendungsdomänen mit erheblichem Transformationspotential. Die automatisierte Entwurfsgenerierung stellt eine der vielversprechendsten Anwendungen dar, bei der KI-Systeme basierend auf strukturellen Randbedingungen, Belastungsszenarien und regulatorischen Anforderungen parametrische Entwürfe generieren können. Moderne Ansätze nutzen dabei Conditional GANs oder Diffusion Models, um die Designspace-Exploration zu beschleunigen und innovative Lösungsansätze zu identifizieren, die menschliche Designer möglicherweise übersehen würden [7], [8]. Diese Systeme können topologische Optimierung mit ästhetischen Kriterien kombinieren und dabei physikalische Gesetzmäßigkeiten als harte Constraints einbeziehen. Die Optimierung bestehender Designs erfolgt durch iterative Verbesserungszyklen, in denen generative Modelle Variationen bestehender Konstruktionen erzeugen und diese mittels Multi-Objective-Optimization-Algorithmen evaluieren. Hierbei werden Zielfunktionen wie Materialeffizienz, strukturelle Integrität, Herstellungskosten und Umwelt-auswirkungen simultan berücksichtigt. Reinforcement Learning-Ansätze ermöglichen dabei eine adaptive Anpassung der Optimierungsstrategien basierend auf Feedback aus Finite-Elemente-Simulationen oder experimentellen Validierungen [7]. Die Vorhersage von Materialverhalten repräsentiert einen besonders datenintensiven Anwendungsbereich, in dem Physics-Informed Neural Networks (PINNs) zum Einsatz kommen. Diese Modelle integrieren physikalische Gesetzmäßigkeiten direkt in die Netzwerkarchitektur und ermöglichen präzise Simulationen von Materialermüdung, Korrosionsprozessen und thermomechanischem Verhalten unter verschiedenen Umgebungsbedingungen. Die Kombination aus experimentellen Daten und physikalischen Modellen führt zu robusten Prognosen, die insbesondere für die Bewertung der Restlebensdauer von Infrastruktur-bauwerken von entscheidender Bedeutung sind [9], [10], [11]. Die automatisierte Dokumentation nutzt Large Language Models (LLMs) in Verbindung mit strukturierten Datenrepräsentationen aus CAD- und BIM-Systemen zur Generierung normkonformer technischer Dokumentationen. Diese Systeme können Berechnungsnachweise, Ausschreibungstexte und Wartungshandbücher automatisch erstellen und dabei projektspezifische Anforderungen sowie aktuelle Normungsstandards berücksichtigen. Natural Language Generation (NLG) Techniken ermöglichen dabei die Transformation komplexer technischer Sachverhalte in verständliche Dokumentationen für verschiedene Zielgruppen [12], [13], [14]. 2.2 Gaussian Splatting Gaussian Splatting hat sich als innovative Methode der 3D-Rekonstruktion etabliert, bei der Szenen nicht als Mesh, sondern durch eine Ansammlung anisotroper 3D- Gaussian-Primitive modelliert werden [16]. Diese werden durch Position, Kovarianz, Opazität und farbabhängige Eigenschaften charakterisiert und mittels differenzierbarer Optimierung (z. B. stochastischer Gradientenabstieg) trainiert [16]. Anders als bei neuronalen Ansätzen wie NeRF erfolgt das Rendering direkt über tile-basiertes Splatting, was Echtzeit-Leistung (≥ 30 fps bei 1080p) ermöglicht [16], [17]. Die Methode bietet eine herausragende Kombination aus hoher visueller Qualität, effizienter Speichernutzung (durch Techniken wie Pruning oder Quantisierung) und niedriger Latenz [17], [18], und ist bereits in Anwendungen für mobile Geräte, AR/ VR und Cloud-Plattformen erfolgreich im Einsatz [19]. Forschungsarbeiten erweitern das Verfahren um dynamisches Rendering (temporales Splatting) [20] und verbessern weiter Effizienz, Speicherbedarf und Flexibilität - etwa durch neue Basisfunktionen oder Byte-komprimierte Repräsentationen [18], [21]. Dabei kann man sich durch die Szene in drei Dimensionen frei bewegen, also durch gescannte Räume hindurch oder um gescannte Objekte herum. 1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 57 Generative KI, Gaussian Splatting & XR - neue Technologien für den Ingenieurbau 2.3 Extended Reality Extended Reality (XR) konstituiert ein technologisches Kontinuum immersiver Medientechnologien, das die Grenzen zwischen physischer und digitaler Realität systematisch durchbricht und neuartige Paradigmen für Visualisierung, Kollaboration und Interaktion etablieren kann [22] - so auch im Ingenieurbau. Die XR-Taxonomie umfasst drei fundamentale Modalitäten mit distinktiven technischen Charakteristika und spezifischen Anwendungsdomänen, die jeweils unterschiedliche Aspekte des Reality-Virtuality-Kontinuums nach Milgram et al. abdecken [23], [24]. Virtual Reality implementiert vollständig synthetische, computer-generierte Umgebungen, die durch Head- Mounted Displays (HMDs) mit stereoskopischen Darstellungen und 6-DOF-Tracking eine komplette sensorische Immersion schaffen. Im Kontext des Ingenieurbaus ermöglicht VR die präkonstruktive Evaluation von Bauwerken durch photorealistische Walkthrough-Simulationen, die eine intuitive räumliche Wahrnehmung komplexer Geometrien und architektonischer Zusammenhänge vermitteln. Diese Technologie transformiert traditionelle 2D-Plandarstellungen in begehbare, maßstabsgetreue 3D-Environments, wodurch Planungsfehler und räumliche Konflikte bereits in frühen Projektphasen identifiziert werden können [25]. Die pädagogischen Applikationen von VR umfassen immersive Trainingsszenarien für sicherheitskritische Arbeitsabläufe, bei denen komplexe Verfahren ohne physische Risiken erlernt und repetiert werden können. Haptic-Feedback-Systeme erweitern dabei die sensorische Erfahrung und ermöglichen die Simulation taktiler Eigenschaften von Materialien und Werkzeugen. Kollaborative VR-Environments schaffen darüber hinaus virtuelle Meetingräume, in denen geografisch verteilte Projektteams synchron an 3D-Modellen arbeiten und Echtzeit-Annotationen sowie Modifikationen durchführen können [25], [26] Augmented Reality überlagert digitale Informationen kontextuell auf die reale Umgebung mittels optischer See-Through-Displays oder Video-See-Through-Systemen, wodurch eine nahtlose Integration virtueller und physischer Elemente erreicht wird. Die technische Realisierung erfolgt durch simultane Lokalisierung und Kartierung (SLAM-Algorithmen), die eine präzise räumliche Registration digitaler Inhalte im physischen Raum gewährleisten. Im Ingenieurbau transformiert AR traditionelle Arbeitsabläufe durch kontextuelle Visualisierung von BIM-Daten, strukturellen Analysen und Installationsplänen direkt auf realen Bauwerken [27], [28], [29], [30]. Wartungs- und Inspektionsprozesse profitieren erheblich von AR-gestützten Assistenzsystemen, die relevante technische Informationen, Wartungshistorien und Prozeduren situationsgerecht einblenden. Computer-Vision-Algorithmen ermöglichen dabei die automatische Erkennung und Klassifikation von Bauteilen, wodurch kontextspezifische Informationen ohne manuelle Navigation bereitgestellt werden. Die Visualisierung von Planungsänderungen durch AR-Overlays erleichtert präzise Kommunikation zwischen Planern und Ausführenden und reduziert Interpretationsfehler bei komplexen Modifikationen [31]. Mixed Reality stellt die technologisch anspruchsvollste XR-Modalität dar, die eine bidirektionale Interaktion zwischen virtuellen und physischen Objekten in Echtzeit ermöglicht. Durch fortgeschrittene Umgebungserfassung mittels RGB-D-Sensoren, LiDAR-Systemen und photogrammetrischen Verfahren kann eine detaillierte 3D-Rekonstruktion der physischen Umgebung erstellt werden, die als Basis für präzise Occlusion-Handling und physikalisch korrekte Interaktionen dienen kann [32]. Die interaktive Manipulation digitaler Objekte in realen Umgebungen nutzt multimodale Eingabeverfahren, einschließlich Hand-Tracking, Eye-Tracking und sprachbasierter Kommandos. Physics-basierte Simulationen gewährleisten dabei realistische Objektverhalten und ermöglichen komplexe Planungsoperationen wie virtuelle Montagesimu-lationen oder Kollisionsprüfungen in realen Bau-umgebungen. Diese Funktionalität ist besonders wertvoll für die Planung von Renovierungs- und Umbaumaßnahmen, bei denen bestehende Strukturen mit neuen Elementen kombiniert werden müssen [33]. Abbildung 1: Gaussian Splat des Schloss Birlinghoven Abbildung 2: Gaussian Splat eines Raumes am Fraunhofer FIT, aus ca. 900 Einzelbildern. 3. Synergien und Zukunftsperspektiven Die parallele Entwicklung von Generativer KI, Gaussian Splatting und XR deutet auf eine zukünftige Konvergenz hin, die den Ingenieurbau in mehrfacher Hinsicht transformieren könnte. Während jede dieser Technologien für sich genommen bereits signifikante Potenziale aufweist, 58 1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 Generative KI, Gaussian Splatting & XR - neue Technologien für den Ingenieurbau eröffnet ihre Verknüpfung neue Anwendungsfelder, die weit über die Summe der Einzelaspekte hinausgehen. Generative KI kann künftig als intelligenter Assistent fungieren, der Ingenieur: innen nicht nur bei der Erstellung von Entwürfen unterstützt, sondern auch regelbasiert auf Normen, Richtlinien und Sicherheitsvorgaben verweist. Sprachbasierte Interaktion über Chatbots oder multimodale Interfaces könnte so den Zugang zu komplexen Planungs- und Regelwerksinformationen erleichtern und die Entwurfsphase iterativer und effizienter gestalten. XR erweitert diesen Prozess durch die immersive, dreidimensionale Verknüpfung von Daten. Bauwerksentwürfe, Simulationen und Regelwerks-prüfungen werden in Echtzeit räumlich erfahrbar, wodurch das gemeinsame Verständnis in interdisziplinären Projektteams verbessert wird. Trotz aktueller Hürden wie der Gerätekomplexität und eingeschränkter Interaktionsformen ist absehbar, dass XR-Anwendungen im Ingenieurbau in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle einnehmen werden - sowohl in der Planung als auch im Betrieb von Bauwerken. Gaussian Splatting ergänzt diese Ansätze, indem es ein realitätsnahes Abbild der gebauten oder natürlichen Umgebung ermöglicht (vgl. Abbildung 1 und 2), in der man sich jederzeit in sechs Freiheitsgraden frei bewegen kann - im Unterschied etwa zu 360°-Bildern oder -Videos, bei denen die Kameraposition immer feststehend ist, während man z. B. durch Drehen des Kopfes die Orientierung ändern kann (drei rotatorische Freiheitsgrade). Während die Erstellung von Gaussian Splats gegenwärtig noch mit hohem Aufwand verbunden ist (so z. B. Abbildung 2, die aus ca. 900 Einzelbildern entstand, lediglich durch einen leichten neblig wirkenden Schatten auf der linken Wand in vorliegender Form von einem Foto zu unterscheiden - in Wahrheit ein Screenshot aus einer 3D-Umgebung), zeichnen sich bereits Entwicklungen ab, die auch mit kostengünstiger Hardware eine effiziente Generierung erlauben könnten. Hier eröffnet sich wiederum eine Rückkopplung zur KI: Generative Modelle könnten die Qualität der Splats optimieren, fehlende Informationen rekonstruieren oder Rauschanteile in den Daten reduzieren. Langfristig könnten so interaktive Gaussian-Splat-Repräsentationen entstehen, die nicht nur zur Visualisierung dienen, sondern als dynamische Arbeitsumgebungen fungieren. In ihnen ließen sich Objekte markieren (vgl. Abbildung 3), verschieben oder manipulieren - ein potenzielles Ausdrucksmedium für Betrieb, Wartung und Umbau. Darüber hinaus könnte durch gekonnten Einsatz der verschiedenen Mischformen im Reality-Virtuality-Kontinuum auch der Eindruck von einer reinen VRauf eine gemischte MR-Umgebung fließend gewechselt werden, was wiederum neue Arten der Interaktion beispielsweise hinsichtlich des Vergleichs von Bauzuständen oder Ähnlichem bieten kann. Auf diese Weise würden Generative KI, Gaussian Splatting und XR in einem geschlossenen Kreislauf zusammenspielen, der Planung, Ausführung und Betrieb von Ingenieurbauwerken nahtlos miteinander verknüpft. Sicherlich ist hier auch die Frage nach virtuellen Messungen in diesen Umgebungen interessant, die zwar technisch bedingt nicht auf dem Level von Punktwolken funktionieren, aber dennoch in gewissen Genauigkeits-umfang zukünftig denkbar wären. Abbildung 3: Auswahl eines Objekts in einem VR Gaussian Splat 4. Herausforderungen und Limitationen 4.1 Technische Herausforderungen Die Anwendung KI-gestützter Methoden im Ingenieurbau ist mit verschiedenen technischen Herausforderungen verbunden. Ein zentraler Aspekt ist die Qualität und Verfügbarkeit der Daten. Da die Leistungsfähigkeit der Modelle maßgeblich von den Eingangsdaten abhängt, können unvollständige, heterogene oder fehlerhafte Datensätze zu unzuverlässigen Ergebnissen führen. Halluzinationen künstlicher Intelligenz - sei es basierend auf einer unzureichenden Datengrundlage oder eines unzureichenden Trainings des Modells - spielen hier ebenfalls eine Rolle. Ein weiteres Hindernis stellt die erforderliche Rechenleistung dar: Während für einfachere Anwendungen bereits handelsübliche Hardware genügt, sind für komplexe Szenarien oder hochauflösende Modellierungen oftmals erhebliche Rechenressourcen notwendig. Gleichwohl sieht man hier jedoch auch schon beim Gaussian Splatting interessante Entwicklungen: So sind Gaussian Splats teilweise schon heute über Smartphones durch Web3D-Technologie erlebbar. Zudem ist die Integration in bestehende Workflows von Bedeutung. Etablierte Planungs- und Bauprozesse lassen sich nicht ohne Weiteres umstellen, sodass die Einbindung neuer Technologien häufig mit organisatorischen Anpassungen und zusätzlichem Schulungsaufwand verbunden ist. Gleichwohl haben Gaussian Splats keine per se physikalische Form, was für Anwendungen im Baukontext, aber auch die Interaktion relevant ist. 4.2 Rechtliche und normative Aspekte Neben den technischen Fragestellungen treten rechtliche und normative Rahmenbedingungen in den Vordergrund. Eine wesentliche Herausforderung betrifft die Haftung und Verantwortlichkeit: Im Falle von durch KI unterstützten Entwurfsentscheidungen ist bislang unklar, wer im Schadensfall rechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Darüber hinaus fehlen derzeit einheitliche Normen und Standards, die den Einsatz von KI im Ingenieurbau regeln und somit eine breite Akzeptanz und Vergleichbarkeit gewährleisten könnten. Schließlich spielt auch der Datenschutz eine zentrale Rolle. Insbesondere 1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 59 Generative KI, Gaussian Splatting & XR - neue Technologien für den Ingenieurbau bei der Nutzung von Bild- und Sensordaten müssen die geltenden datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden, um rechtliche Risiken und Vertrauensverluste zu vermeiden. 4.3 Menschzentrierte Herausforderungen Bei allen technischen und rechtlichen Fragen darf die menschzentrierte Perspektive nicht vernachlässigt werden. Der Einsatz von KI im Ingenieurbau verändert Rollen, Arbeitsweisen und Verantwortlichkeiten der beteiligten Fachkräfte. Einerseits eröffnet dies Chancen für effizientere Prozesse und kreative Freiräume, andererseits besteht die Gefahr einer Entfremdung oder Überforderung durch komplexe, schwer nachvollziehbare Systeme. Damit Vertrauen in die Technologie entsteht, ist es notwendig, Erklärbarkeit und Transparenz der KI-Methoden sicherzustellen und die Ergebnisse so aufzubereiten, dass Ingenieurinnen und Ingenieure diese nachvollziehen und in ihren Entscheidungsprozessen einordnen können. Ebenso wichtig ist die frühzeitige Einbindung der Anwenderinnen und Anwender in die Entwicklung und Implementierung neuer Systeme. Nur wenn ihre Expertise, praktischen Anforderungen und Arbeitsrealitäten berücksichtigt werden, lassen sich nachhaltige und akzeptierte Lösungen etablieren. 5. Fazit Die Kombination von Generativer KI, Gaussian Splatting und Extended Reality eröffnet dem Ingenieurbau vorher nicht dagewesene Möglichkeiten für Innovation und Effizienzsteigerung. Die vorgestellten Technologien sind bereits heute teilweise mit erschwinglicher Hardware realisierbar. Während noch Herausforderungen in Bereichen wie Standardisierung, rechtlicher Verantwortlichkeit und Integration in bestehende Workflows bestehen, überwiegen die Potentiale deutlich. Unternehmen, die frühzeitig in diese Technologien investieren, werden sich Wettbewerbsvorteile sichern können. Die Zukunft des Ingenieurbaus wird maßgeblich durch die intelligente Kombination menschlicher Expertise und KI-gestützter Werkzeuge geprägt sein. Gaussian Splatting und XR-Technologien werden dabei, als Enabling Technologies, eine zentrale Rolle spielen und neue Standards für Visualisierung, Kollaboration und Entscheidungsfindung setzen. Die Transformation hat bereits begonnen - jetzt gilt es, sie aktiv zu gestalten. Literatur [1] Z. Alwashah, B. Xiao, H. Liu, S. T. Mueller, and X. Shao, “Generative artificial intelligence for construction: Use cases, trends, challenges, and opportunities,” Journal of Building Engineering, vol. 112, p. 113802, Oct. 2025, doi: 10.1016/ j. jobe.2025.113802. [2] D. Onatayo, A. Onososen, A. O. Oyediran, H. Oyediran, V. Arowoiya, and E. Onatayo, “Generative AI Applications in Architecture, Engineering, and Construction: Trends, Implications for Practice, Education & Imperatives for Upskilling—A Review,” Architecture, vol. 4, no. 4, pp. 877-902, Dec. 2024, doi: 10.3390/ architecture4040046. [3] A. A. A. El-Abbasy, “Artificial intelligence-driven predictive modeling in civil engineering: a comprehensive review,” J. Umm Al-Qura Univ. Eng.Archit., July 2025, doi: 10.1007/ s43995-025-00166-5. [4] T. Wu et al., “Recent advances in 3D Gaussian splatting,” Comp. Visual Media, vol. 10, no. 4, pp. 613-642, Aug. 2024, doi: 10.1007/ s41095-024- 0436-y. [5] L. Franke, L. Fink, and M. Stamminger, “VR- Splatting: Foveated Radiance Field Rendering via 3D Gaussian Splatting and Neural Points,” Proc. ACM Comput. Graph. Interact. Tech., vol. 8, no. 1, p. 18: 1-18: 21, May 2025, doi: 10.1145/ 3728302. [6] F. P. Brooks, “The computer scientist as toolsmith II,” Commun. ACM, vol. 39, no. 3, pp. 61-68, Mar. 1996, doi: 10.1145/ 227234.227243. [7] F. Mazé and F. Ahmed, “Diffusion Models Beat GANs on Topology Optimization,” Proceedings of the AAAI Conference on Artificial Intelligence, vol. 37, no. 8, pp. 9108-9116, June 2023, doi: 10.1609/ aaai.v37i8.26093. [8] J. Ploennigs and M. Berger, “Automating computational design with generative AI,” Civil Engineering Design, vol. 6, no. 2, pp. 41-52, 2024, doi: 10.1002/ cend.202400006. [9] H. Hu, L. Qi, and X. Chao, “Physics-informed Neural Networks (PINN) for computational solid mechanics: Numerical frameworks and applications,” Thin-Walled Structures, vol. 205, p. 112495, Dec. 2024, doi: 10.1016/ j.tws.2024.112495. [10] K. Luo et al., “Physics-informed neural networks for PDE problems: a comprehensive review,” Artif Intell Rev, vol. 58, no. 10, p. 323, July 2025, doi: 10.1007/ s10462-025-11322-7. [11] A. I. F. Al-Adly and P. Kripakaran, “Physics-informed neural networks for structural health monitoring: a case study for Kirchhoff-Love plates,” Data- Centric Engineering, vol. 5, p. e6, Jan. 2024, doi: 10.1017/ dce.2024.4. [12] G. Zhang, C. Lu, and Q. Luo, “Application of Large Language Models in the AECO Industry: Core Technologies, Application Scenarios, and Research Challenges,” Buildings, vol. 15, no. 11, p. 1944, Jan. 2025, doi: 10.3390/ buildings15111944. [13] S. Madireddy et al., “Large Language Model-Driven Code Compliance Checking in Building Information Modeling,” Electronics, vol. 14, no. 11, p. 2146, Jan. 2025, doi: 10.3390/ electronics14112146. [14] A. Ibba, R. Alonso, and D. R. Recupero, “Enabling Natural Language Access to BIM Models with AI and Knowledge Graphs,” 2025, [Online]. Available: https: / / ceur-ws.org/ Vol-3979/ short3.pdf [15] C. Li, T. Zhang, X. Du, Y. Zhang, and H. Xie, “Generative AI models for different steps in architectural design: A literature review,” Frontiers of Archi- 60 1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 Generative KI, Gaussian Splatting & XR - neue Technologien für den Ingenieurbau tectural Research, vol. 14, no. 3, pp. 759-783, June 2025, doi: 10.1016/ j.foar.2024.10.001. [16] B. Kerbl, G. Kopanas, T. Leimkuehler, and G. Drettakis, “3D Gaussian Splatting for Real-Time Radiance Field Rendering,” ACM Trans. Graph., vol. 42, no. 4, p. 139: 1-139: 14, July 2023, doi: 10.1145/ 3592433. [17] S. Girish, K. Gupta, and A. Shrivastava, “EAGLES: Efficient Accelerated 3D Gaussians with- Lightweight EncodingS,” in Computer Vision - ECCV 2024: 18th European Conference, Milan, Italy, September 29-October 4, 2024, Proceedings, Part LXIII, Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, Nov. 2024, pp. 54-71. doi: 10.1007/ 978-3-031-73036- 8_4. [18] S. Niedermayr, J. Stumpfegger, and R. Westermann, “Compressed 3D Gaussian Splatting for Accelerated Novel View Synthesis,” presented at the Proceedings of the IEEE/ CVF Conference on Computer Vision and Pattern Recognition, 2024, pp. 10349-10358. Accessed: Aug. 28, 2025. [Online]. Available: https: / / openaccess.thecvf.com/ content/ CVPR2024/ html/ Niedermayr_Compressed_3D_Gaussian_Splatting_for_Accelerated_Novel_View_Synthesis_CVPR_2024_paper.html [19] J. Roettgers, “The tech to build the holodeck,” The Verge. Accessed: Aug. 28, 2025. [Online]. Available: https: / / www.theverge.com/ 2025/ 1/ 19/ 24345491/ gaussian-splats-3d-scanning-scaniverse-niantic [20] G. Wu et al., “4D Gaussian Splatting for Real- Time Dynamic Scene Rendering,” presented at the Proceedings of the IEEE/ CVF Conference on Computer Vision and Pattern Recognition, 2024, pp. 20310-20320. Accessed: Aug. 28, 2025. [Online]. Available: https: / / openaccess.thecvf.com/ content/ CVPR2024/ html/ Wu_4D_Gaussian_Splatting_for_Real-Time_Dynamic_Scene_Rendering_ CVPR_2024_paper.html [21] A. Hamdi et al., “GES: Generalized Exponential Splatting for Efficient Radiance Field Rendering,” in 2024 IEEE/ CVF Conference on Computer Vision and Pattern Recognition (CVPR), June 2024, pp. 19812-19822. doi: 10.1109/ CVPR52733.2024.01873. [22] R. Dörner, W. Broll, P. Grimm, and B. Jung, Eds., Virtual und Augmented Reality (VR/ AR): Grundlagen und Methoden der Virtuellen und Augmentierten Realität. Berlin, Heidelberg: Springer, 2019. doi: 10.1007/ 978-3-662-58861-1. [23] P. Milgram, H. Takemura, A. Utsumi, and F. Kishino, “Augmented reality: a class of displays on the reality-virtuality continuum,” in Telemanipulator and Telepresence Technologies, SPIE, Dec. 1995, pp. 282-292. doi: 10.1117/ 12.197321. [24] R. Skarbez, M. Smith, and M. C. Whitton, “Revisiting Milgram and Kishino’s Reality-Virtuality Continuum,” Front. Virtual Real., vol. 2, Mar. 2021, doi: 10.3389/ frvir.2021.647997. [25] S. Safikhani, S. Keller, G. Schweiger, and J. Pirker, “Immersive virtual reality for extending the potential of building information modeling in architecture, engineering, and construction sector: systematic review,” International Journal of Digital Earth, vol. 15, no. 1, pp. 503-526, Dec. 2022, doi: 10.1080/ 17538947.2022.2038291. [26] S. Li, Q.-C. Wang, H.-H. Wei, and J.-H. Chen, “Extended Reality (XR) Training in the Construction Industry: A Content Review,” Buildings, vol. 14, no. 2, p. 414, Feb. 2024, doi: 10.3390/ buildings14020414. [27] S. Zollmann, C. Hoppe, S. Kluckner, C. Poglitsch, H. Bischof, and G. Reitmayr, “Augmented Reality for Construction Site Monitoring and Documentation,” Proceedings of the IEEE, vol. 102, no. 2, pp. 137-154, Feb. 2014, doi: 10.1109/ JPROC.2013.2294314. [28] L. Oppermann, M. Shekow, and D. Bicer, “Mobile cross-media visualisations made from building information modelling data,” in Proceedings of the 18th International Conference on Human-Computer Interaction with Mobile Devices and Services Adjunct, in MobileHCI ’16. Florence, Italy: Association for Computing Machinery, Sept. 2016, pp. 823-830. doi: 10.1145/ 2957265.2961852. [29] U. Riedlinger, L. Oppermann, and L. Hirsch, Tracking Construction Defects with Augmented Reality and Building Information Modeling. 2024. [30] U. Riedlinger et al., “Evaluation of Mixed Reality Support for Bridge Inspectors Using BIM Data: Digital Prototype for a Manual Task with a Long- Lasting Tradition,” i-com, vol. 21, no. 2, pp. 253- 267, Aug. 2022, doi: 10.1515/ icom-2022-0019. [31] F. N. Catbas et al., “Extended Reality (XR) for Condition Assessment of Civil Engineering Structures: A Literature Review,” Sensors, vol. 22, no. 23, p. 9560, Jan. 2022, doi: 10.3390/ s22239560. [32] J. C. P. Cheng, K. Chen, and W. Chen, “State-ofthe-Art Review on Mixed Reality Applications in the AECO Industry,” Journal of Construction Engineering and Management, vol. 146, no. 2, p. 03119009, Feb. 2020, doi: 10.1061/ (ASCE) CO.1943-7862.0001749. [33] L. Hou, X. Wang, and M. Truijens, “Using Augmented Reality to Facilitate Piping Assembly: An Experiment-Based Evaluation,” Journal of Computing in Civil Engineering, vol. 29, no. 1, p. 05014007, Jan. 2015, doi: 10.1061/ (ASCE) CP.1943-5487.0000344.
