eJournals Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau2025/1

Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau
kii
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Energiesystemplanung im Dialog mit KI – von der Idee zum Konzept in Minuten

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Bernd Petraus
Der Beitrag adressiert die Grenzen einer klassischen, sequenziellen Energiekonzeptionierung unter steigender technischer und regulatorischer Komplexität, volatilen Preis- und CO₂-Pfaden sowie knappen Planungskapazitäten. Vorgeschlagen wird eine dialogorientierte Vorgehensweise, beispielhaft beschrieben durch den Einsatz der Software „berta & rudi“: berta erzeugt aus wenigen Eingaben stundenfeine Bedarfsprofile (KI, trainiert auf Daten aus ca. 2,5 Mio. Gebäuden), rudi optimiert darauf aufbauend das Energiesystem in Varianten unter frei wählbaren Zielen (Investitionskosten, Gesamtkosten, CO₂) und einstellbaren Restriktionen. Die Berechnungen werden in Workshops live ausgeführt, sodass Referenz und kontrastierende Alternativen unmittelbar verglichen, Sensitivitäten (z. B. Preisbänder, Technologiesperren) geprüft, Break-even-Punkte sichtbar und Entscheidungen belastbar vorbereitet werden. Statt statischer Berichte entsteht ein fortschreibbares, transparentes Modell. Dabei verändern sich Rollen und Verantwortlichkeiten in der Planung, während Iterationszeiten sinken, Annahmen offengelegt und Akzeptanz sowie Entscheidungsqualität steigen.
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1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 107 Energiesystemplanung im Dialog mit KI - von der Idee zum Konzept in Minuten Wie KI-gestützte Planungsmodelle die Entwicklung nachhaltiger Energiekonzepte beschleunigen Dr.-Ing. Bernd Petraus Founder & CTO @DBI AG / berta & rudi, Böblingen, Deutschland Zusammenfassung Der Beitrag adressiert die Grenzen einer klassischen, sequenziellen Energiekonzeptionierung unter steigender technischer und regulatorischer Komplexität, volatilen Preis- und CO₂-Pfaden sowie knappen Planungskapazitäten. Vorgeschlagen wird eine dialogorientierte Vorgehensweise, beispielhaft beschrieben durch den Einsatz der Software „berta & rudi“: berta erzeugt aus wenigen Eingaben stundenfeine Bedarfsprofile (KI, trainiert auf Daten aus ca. 2,5 Mio. Gebäuden), rudi optimiert darauf auf bauend das Energiesystem in Varianten unter frei wählbaren Zielen (Investitionskosten, Gesamtkosten, CO₂) und einstellbaren Restriktionen. Die Berechnungen werden in Workshops live ausgeführt, sodass Referenz und kontrastierende Alternativen unmittelbar verglichen, Sensitivitäten (z. B. Preisbänder, Technologiesperren) geprüft, Break-even-Punkte sichtbar und Entscheidungen belastbar vorbereitet werden. Statt statischer Berichte entsteht ein fortschreibbares, transparentes Modell. Dabei verändern sich Rollen und Verantwortlichkeiten in der Planung, während Iterationszeiten sinken, Annahmen offengelegt und Akzeptanz sowie Entscheidungsqualität steigen. 1. Einführung Die Energiewende erfordert neue Methoden in der Planung und Umsetzung technischer Anlagen und Energiesysteme. Klassische Planungsprozesse sind zu langsam, zu aufwändig und zu fehleranfällig, woraus sich hohe Folgekosten ableiten. Gleichzeitig verschärfen Fachkräftemangel, zunehmende Komplexität und politische Rahmenbedingungen die Situation. Exemplarisch anhand der Software „berta & rudi“ wird im Folgenden eine dialogorientierte Arbeitsweise für frühe Energiekonzepte vorgestellt und in der Realität steigender Komplexität, knapper Ressourcen und volatiler Rahmenbedingungen verankert. Entscheidungen sollen nicht mehr in langen Backoffice- Schleifen, sondern im gemeinsamen Termin entstehen: Aus wenigen Parametern werden stundengenau aufgelöste Lastgänge abgeleitet, Versorgungskonzepte automatisch erstellt, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit live gegenübergestellt und auf Rückfragen hin sofort angepasst. Das Ergebnis ist kein statisches PDF, sondern ein fortschreibbares Modell, das im Projektverlauf mitwächst. Abbildung 1: 4 Schritte in der Energiekonzeptionierung 108 1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 Energiesystemplanung im Dialog mit KI - von der Idee zum Konzept in Minuten 2. Schritte einer Energiekonzeptionierung Üblicherweise lassen sich vier Schritte bei der Energiekonzeptionierung unterscheiden, die teilweise iterativ ablaufen. 2.1 Grundlagen und Anforderungen Standort, Nutzung und Gebäudeparameter werden erfasst; vorhandene Mess- oder Abrechnungsdaten fließen ein. Gleichzeitig werden Anforderungen erfasst, bspw. hinsichtlich Kostenerwartung, Wirtschaftlichkeit, Autarkie und Nachhaltigkeit. 2.2 Energiebedarfe und -angebot Aus den Nutzungs- und Gebäudeparametern sowie Standort werden Energiebedarfe abgeleitet, bspw. für Strom, Raumwärme oder Trinkwarmwasser. Üblich sind entweder grobe Schätzungen oder aufwändige Simulationen. Beide Ansätze sind in Zeiten hoher Komplexität bzw. Dynamik (bspw. volatile Energien, schwankende Energiepreise, Speicher) bei gleichzeitig hohem zeitlichem und finanziellem Druck mit erheblichen Nachteilen verbunden. Den Schätzungen fehlt es an Präzision und Auflösung. Simulationen sind hingegen sehr aufwändig. Häufig stimmt das Nutzen/ Aufwand-Verhältnis nicht. 2.3 Varianten Auf Basis der Energiebedarfe werden Versorgungskonzepte erstellt und dimensioniert, bspw. Kombinationen aus Wärmepumpe, Geothermie, PV, Speicher, Kessel oder BHKW. Jede Variante muss hinsichtlich Technik, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit bewertet werden. Die Berechnungen sind in der Regel aufwändig, nicht unbedingt bei einmaliger Berechnung, aber bei Änderungen oder wenn besonders viele Varianten zu betrachten sind. 2.4 Bewertung und Dokumentation Die Varianten werden über den Lebenszyklus (Investition, Betrieb, Re-Invest, Restwerte) gegenübergestellt; Break-even-Punkte zwischen Varianten werden sichtbar. Die Vorzugsvariante wird dann in der Regel weiter ausgearbeitet. Preis- und CO₂-Szenarien sind hierbei wesentlicher Bestandteil. So werden robuste Lösungen von empfindlichen unterschieden und Entscheidungen begründet vorbereitet. 3. Herausforderungen und klassischer Ablauf Energiekonzepte in der Vorplanung (HOAI Leistungsphase 2) stehen unter den folgenden gleichzeitigen Zwängen: wachsende technische und regulatorische Komplexität, unsichere Energie- und CO₂-Preispfade, hohe Erwartungen an Nachhaltigkeit sowie begrenzte Planungskapazitäten bzw. Fachkräftemangel. Traditionelle Abläufe sind sequenziell, iterativ und dokumentenlastig. Sie erzeugen Zeitverluste und Ergebnisse, die zum Zeitpunkt der Übergabe korrekt, kurz darauf jedoch veraltet sind. Nötig ist daher weniger „mehr Rechnen“, sondern eine andere Arbeitsweise, die Geschwindigkeit, Transparenz und Steuerbarkeit systematisch verbindet. Der klassische Ablauf folgt einer Kette von Anforderungsaufnahme, Datenauf bereitung, Berechnung in Varianten, Präsentation und anschließender Korrekturschleifen, oft viele. Im ersten Termin werden Ziele und Daten zusammengetragen; darauf folgt eine einbis zweiwöchige Phase der Auf bereitung, in der Lastgänge aus den vorhandenen meist dürftigen Quellen abgeleitet und Annahmen getroffen werden. Abbildung 2: klassischer Ablauf Die anschließende Vorstellung erster Varianten bringt neue Fragen und Erkenntnisse ans Licht, bspw. zu Preisen, CO₂-Pfaden, Technologiesperren oder zusätzlichen Optionen. Es geht zurück ins Backoffice, mehrere Tage vergehen, die Ergebnisse werden angepasst, ein weiterer Termin folgt. Diese Schleifen wiederholen sich, bis eine konsensfähige Variante vorliegt. Das Resultat dieser Sequenz ist meist ein umfangreicher Bericht als PowerPoint, Word oder PDF. Eine Momentaufnahme, die rasch altert. Zwischenzeitliche Preisbewegungen, geänderte Förderkulissen oder neue Stakeholder-Vorgaben machen die Fortschreibung ohne das ursprüngliche Projektteam aufwendig. Die Nebenwir- 1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 109 Energiesystemplanung im Dialog mit KI - von der Idee zum Konzept in Minuten kungen sind Medienbrüche und Wartezeiten, vermeidbare Kosten in Planung, Einkauf und Betrieb durch späte Korrekturen sowie begrenzte Akzeptanz: Viele Beteiligte sehen Ergebnisse, aber nicht deren Entstehung. Sie können aus den Ergebnissen nicht ableiten, warum bestimmte Entscheidungen getroffen wurden. 4. Grenzen von KI in der Energiekonzeptionierung Bei „KI“ denkt man als erstes an die großen Sprachmodelle wie GPT, Gemini, Claude und Mistral. Der Oberbegriff KI umfasst jedoch ein umfangreiches Spektrum weiterer Ansätze und Verfahren. Es soll nicht Gegenstand des Beitrags sein, stärker darauf einzugehen. Wichtig ist jedoch, dass alle Ansätze in der Regel ähnliche Stärken und Schwächen aufweisen, natürlich in unterschiedlicher Ausprägung. In jedem Fall sollten dem Einsatz von KI im Rahmen der Energiekonzeptionierung einige grundlegende Überlegungen vorausgehen. Aus didaktischer Sicht erscheint es dennoch sinnvoll, sich die Stärken und Schwächen anhand grundlegender Erfahrungen, die die meisten im Umgang mit großen Sprachemodellen gemacht haben, auf die Domäne der Energiekonzeptionierung zu übertragen. Es empfiehlt sich sogar, selbst den Versuch zu wagen, mit einem großem Sprachmodell ein Energiekonzept zu erstellen. So liefern diese Modelle in der frühen Energiekonzeption zwar erstaunlich schnell plausible Lösungen. Die Ergebnisse sind aber bei näherer Prüfung oft nicht belastbar. Sobald man Details nachfragt, Annahmen ändert oder stundenfeine Lastgänge sehen will, treten fachliche Schwächen zutage. Kernproblem ist die fehlende Präzision und Erklärbarkeit. Ingenieur: innen benötigen erklärbare, simulationsnahe, zeitlich hochaufgelöste Ergebnisse, bspw. konkrete Stundenprofile für Strom, Raumwärme und Trinkwarmwasser mit Bezug zum konkreten Projekt. LLMs erzeugen dagegen statistische Annäherungen, die zwar in unterschiedlichsten Auflösungen ausgegeben werden können, bspw. jährlich, monatlich, täglich oder sogar stündlich, aber bezogen auf ein Projekt nicht konsistent sind. Abbildung 3: stundengenaues Lastprofil Sie zeigen zudem ein systemimmanenten Black-Box-Verhalten: Wie ein Ergebnis zustande kam, ist nicht transparent; nachträgliche „Erklärungen“ sind nicht der tatsächliche Rechenweg, sondern lediglich wahrscheinlich klingende Begründungen. In der Praxis erschwert das jede Nachvollziehbarkeit und Qualitätssicherung. Hinzu kommt die schwache Extrapolation. Energiekonzepte müssen mit unsicheren Zukunftsgrößen umgehen (z. B. CO₂-Bepreisung, volatile Energiepreise). Gerade dort, wo sich Randbedingungen außerhalb bekannter Daten bewegen, werden LLM-Aussagen unzuverlässig. Das trifft Entscheidungen unter neuen Randbedingungen oder unsicheren Bereichen, die durch Szenarien abgesichert werden müssten, besonders hart. Auch das Arbeitsformat „Chat“ ist ungünstig für ingenieurmäßiges Arbeiten: Lange Verläufe, verstreute Annahmen und fehlende Referenzen erschweren Versionierung und konsistente Anpassungen. Wenn man das Modell anweist, einzelne Parameter zu ändern, bleibt unklar, ob diese Änderung in allen Ableitungen konsistent übernommen wurde. Steuerbarkeit und Reproduzierbarkeit bleiben damit fraglich. Was Ingenieur: innen dagegen brauchen, ist eine Kombination aus Präzision (zeitaufgelöste Lastgänge), Transparenz (sichtbare Annahmen und Rechenwege), Steuerbarkeit (zielgerichtete Parametrik) und Geschwindigkeit. LLMs leisten hiervon vor allem Geschwindigkeit und Bedienfreundlichkeit, scheitern aber an Präzision, Erklärbarkeit und reproduzierbarer Konsistenz. 5. Potenziale durch spezialisierte KI und Algorithmen Der sinnvolle Einsatz von KI liegt daher weniger im „Alleskönner-Chat“, sondern in eng gefassten, kontrollierbaren Machine Learning-Bausteinen: etwa bei Lastgang- Prognosen oder der Formalisierung von Best-Practices zu regelbasierten, nachvollziehbaren Algorithmen. So lassen sich Varianten automatisiert und transparent durchrechnen, während die fachliche Bewertung, inkl. Plausibili- 110 1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 Energiesystemplanung im Dialog mit KI - von der Idee zum Konzept in Minuten sierung, Randbedingungen und Betriebskonzept, bei den Expert: innen bleibt. Wie das möglich ist, soll exemplarisch anhand der Software „berta & rudi“ erläutert werden. Entscheidend für den Beitrag ist jedoch weniger die konkrete Anwendung, sondern wie sich der Einsatz solcher Werkzeuge auf den Planungsprozess auswirken, was in dem darauffolgenden Abschnitt erläutert wird. 5.1 Bedarfsprognose berta ist ein auf umfangreichen Mess- und Simulationsdaten aus ca. 2,5 Mio. Gebäuden trainiertes KI-Modell und erzeugt stundengenau aufgelöste Bedarfsprofile aus wenigen Eingangsgrößen wie Gebäudemerkmale, Nutzung und Standort. Die Datenbasis ist schlank, plausibel und erweiterbar, um früh arbeitsfähig zu sein und später präziser zu werden. Dadurch sinkt die Einstiegshürde, gerade in frühen Phasen oder im Bestand mit lückenhaften Daten. Liegen Daten vor, bspw. ein Gasjahresverbrauch aus dem Bestand, kann dieser in einen plausiblen Lastgang überführt und später verfeinert werden. Der Effekt ist methodisch bedeutsam: frühe Aussagen bei niedriger Einstiegshürde. Die im vorherigen Abschnitt kritisierten Schwächen treten grundsätzlich auch in diesem Anwendungsfall zutage, auch wenn die Modelle deutlich kleiner und weniger komplex sind. Möglich wird dies durch die Qualitätssicherung von Trainingsdaten. Im Gegensatz zu den großen Sprachmodellen, deren Trainingsdaten häufig in Gänze ein unkontrollierbares Ausmaß aufweisen, sind die Trainingsdaten des spezialisierten Anwendungsfalls Energiebedarfsprognose häufig gut vergleichbar und operationalisierbar. 5.2 Energiesystemauswahl und -dimensionierung rudi ist ein mathematisches Optimierungsverfahren mit lediglich geringem Machine Learning-Anteil, welches aus den Bedarfen Vorschläge für konkrete Versorgungslösungen erstellt, sowohl bestehend aus Energiesystemen, bspw. Wärmepumpen, BHKWs, PV Anlagen etc., als auch Netze, wenn erforderlich. Das inkludiert insbesondere die Auswahl und Dimensionierung aller wesentlicher Komponenten innerhalb vorgegebener Ziele und Restriktionen. Das Optimierungsziel ist wählbar (Investitionskosten, Gesamtkosten/ Annuität, CO₂). Harte Randbedingungen wie Technologiesperren, Flächen- oder Genehmigungsrestriktionen wirken in die Technologieauswahl und Dimensionierung hinein. Eigene, manuell konfigurierte Varianten sind darüber hinaus jederzeit möglich. Der Vorteil des Verfahrens gegenüber KI ist, dass exakte Ergebnisse gewährleistet werden können, welche reproduzierbar und nachvollziehbar sind; Annahmen, Kennwerte und Randbedingungen sind sichtbar und änderbar. Der Nachteil ist die etwas höhere Rechenzeit, welche sich jedoch in der Regel auf wenige Minuten beschränkt. Abbildung 4: Variante für ein Nahwärmenetz mit zugehöriger Energiezentrale 1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 111 Energiesystemplanung im Dialog mit KI - von der Idee zum Konzept in Minuten Abbildung 5: Vergleich alternativer Energiezentralen 5.3 Harmonisierung von Erkenntnisgewinn und Entscheidung Da damit der aufwändige Teil, die Berechnungen, auf wenige Minuten reduziert werden kann, ist der Iterationsrhythmus nun schlicht: Referenz festlegen, zwei bis drei kontrastierende Alternativen bilden, gezielte Fragen abarbeiten („ohne Geothermie“, „mit PV“, „mehr Autarkie“), Varianten verfeinern, neue Varianten erkunden, Break-even identifizieren, Entscheidung herbeiführen. 6. Planung als Dialog Die alternative Logik organisiert Planen nun als Dialog. Das Besondere ist, dass Annahmen, Daten und Varianten gemeinsam aufgebaut, berechnet und transparent beurteilt werden. Iterationen passieren dort, wo Fragen entstehen, und zwar im Workshop mit Bauherrschaft und Projektbeteiligten. Das verschiebt den Erkenntnisgewinn aus dem Backoffice in den Raum, in dem entschieden wird, und reduziert Durchlaufzeiten spürbar. Die Vorgehensweise ist skalierbar: Sie funktioniert für Einzelgebäude ebenso wie für Liegenschaften und Quartiere, weil die methodische Struktur gleichbleibt, während der Umfang wächst. 6.1 Rollen der Projektbeteiligten Die Fachplanung behält die Verantwortung für Plausibilität, Realisierbarkeit und die Übersetzung von Optimierungsergebnissen in umsetzbare Lösungen. Algorithmen liefern Geschwindigkeit, Konsistenz und Variantenbreite, ersetzen jedoch kein Ingenieururteil. Die Arbeitszeit wird reduziert, aber der Druck wächst, da die Varianten fachlich sofort eingeschätzt werden müssen. KI und Algorithmen machen daher, wie so oft, aus schlechten Planern keine guten, sondern aus guten Planern schnellere. Die Auftraggeber- und Betreiberseite wechselt vom Abnehmer zum Mitgestaltenden: Beschaffungspreise, Bauphasen, Genehmigungsgrenzen und strategische Ziele fließen ein, ihre Wirkung wird unmittelbar sichtbar. Diese Beteiligung erzeugt Verbindlichkeit und erleichtert interne Freigaben, weil die Entscheidungslogik geteilt ist. 6.2 Kommunikation Das Energiekonzept wird zum Kommunikationswerkzeug. An die Stelle statischer Berichte tritt ein lebendiges Modell, das den Dialog strukturiert: Varianten lassen sich erklären, ändern und wieder vergleichen; Ursache- Wirkung wird unmittelbar erlebbar (veränderte Preise verschieben Zahlungsreihen, Technologiesperren verändern Leistungen und Speicherkapazitäten). Die Sichtbarkeit der Annahmen und ihrer Effekte fördert Vertrauen, reduziert Missverständnisse und beschleunigt Abstimmungen. 6.3 Sicherstellung der Qualität Schnelligkeit verlangt Sorgfalt. Kernpraktiken, um in diesem Umfeld die Qualität zu wahren, sind eine robuste, aber schlanke und transparente Datengrundlage, schnelle Plausibilisierungs-möglichkeiten, konsistente Auswertungsraster über alle Varianten und dokumentierte Änderungen. Einfache Leitlinien sichern die Auditierbarkeit: keine stillen Annahmen, identische Sichten für Vergleiche, Abweichungen benennen, Grenzfälle markieren. 112 1. Symposium Künstliche Intelligenz im Ingenieurbau - November 2025 Energiesystemplanung im Dialog mit KI - von der Idee zum Konzept in Minuten 7. Fazit Die dialogorientierte Methodik verkürzt Iterationszeiten deutlich, weil zentrale Klärungen in einem oder wenigen Terminen stattfinden. Wichtiger ist der qualitative Effekt: • Der Handlungsspielraum wird ehrlich sichtbar; „versteckte“ Annahmen treten zutage. • Entscheidungen erhalten eine belastbare Begründung (Zahlungsreihen, Sensitivitäten, CO₂-Wirkung). • Beteiligte übernehmen Mitverantwortung und tragen die Lösung in ihre Organisationen. • Statt eines Enddokuments entsteht ein anpassbares Modell, das bei neuen Preisen, Förderbedingungen oder Bauphasen ohne Neustart aktualisiert werden kann. • Knappe fachliche Kapazitäten werden von repetitiven Berechnungstätigkeiten auf die Bereiche gelegt, auf die es ankommt, nämlich Beurteilung, Kommunikation und Umsetzung. Die Transformation der frühen Energieplanung ist somit vor allem eine Frage der Arbeitsweise. Werden Bedarfsprognose und Optimierung so organisiert, dass sie im Dialog wirksam werden, entstehen präzise, transparente und steuerbare Ergebnisse, in der Geschwindigkeit, die komplexe Projekte heute verlangen. Aus vielen Schleifen wird ein konzentrierter Austausch und aus einer Momentaufnahme ein entscheidungsfähiges, lebendiges, fortschreibbares Energiemodell.