Kodikas/Code
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
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2000
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KODIKAS/ CODE Ars Semeiotica Votum _ 1 • o. 3�4 July/ 1. 2000 Page 177 376 An International Journal of Semiotics ARTICLES Achim Eschboch Christoph Sigwart und die Wurzeln des Pragmatismus Christoph Sigll'Ctrt Beiträge zur Lehre vorn hypothetischen Urtheile Marcel Post Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch bei Peircc und Wittgenstein Achi111 Geisenhansliike Freud aus Frankreich. Psychoanalyse und Postmoderne Gregor Bo11gaerts 1111d Andreas Zie11w1111 Vom Bewußtsein der Zeichen zur Intersubjektivität der Z eichen eine Rekonstruktion der zeichentheoretischen Verschiebungen im Werk von Alfred Schütz ./ . Ulrich Binggeli Die Modernität der transzendentalen Buffonerie. Zur ironischen Dimension im Gestiefelten Kater von Ludwig Tieck REVIEW ARTlCLES Ernest WB. Hess-Liittich The International Topography of Media Semiotics REVIEWS Gunter Narr Verlag Tübingen KODIKAS/ CODE Ars Semeiotica An International Journal of Semiotics Volume 23 (2000) · No. 3-4 ARTICLES Achim Eschbach Christoph Sigwart und die Wurzeln des Pragmatismus Christoph Sigwart 179 Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Marcel Post Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch bei Peirce und Wittgenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Achim Geisenhanslüke Freud aus Frankreich. Psychoanalyse und Postmoderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Gregor Bongaerts und Andreas Ziemann Vom Bewußtsein der Zeichen zur Intersubjektivität der Zeichen eine Rekonstruktion der zeichentheoretischen Verschiebungen im Werk von Alfred Schütz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 J. Ulrich Binggeli Die Modernität der transzendentalen Buffonerie. Zur ironischen Dimension im Gestiefelten Kater von Ludwig Tieck . . . . . . . . . . . . . . 305 ·REVIEW ARTICLES Emest WB. Hess-Lüttich The International Topography of Media Semiotics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 REVIEWS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Addresses of Authors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Publication Schedule and Subscription Information The journal appears 2 times a year. Annual subscription rate€ 82,- (special price for private persons € 56,-) plus postage. Single copy (double issue) € 48,plus postage. The subscription will be considered renewed each year for another year unless terminated prior to 15 November. Besides normal volumes, supplement volumes of the joumal devoted to the study of a specialized subject will appear at irregular intervals. © 2002 · Gunter Narr Verlag Tübingen Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, sind vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendungen, im Magnettonverfahren oder ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Fotokopien für den privaten Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Satz: Nagel, Reutlingen Druck: Müller + Bass, Tübingen Verarbeitung: Siegfried Geiger, Ammerbuch-Poltringen ISSN 0171--0843 ISBN 3-8233-9954-3 KODIKAS / CODE Ars Semeiotica Volume 23 (2000) · No. 3-4 Gunter Narr Verlag Tübingen Christoph Sigwart und die Wurzeln des Pragmatismus Achim Eschbach Christoph Eberhard Philipp Sigwart, der am 28. März 1830 in Tübingen zur Welt kam und am 5. August 1905 ebendort gestorben ist, war der Sohn des Tübinger Philosophieprofessors und Generalsuperintendenten Heinrich Christoph Wilhelm Sigwart und dessen zweiter Ehefrau Luise, der Tochter des Leonberger Kameralverwalters Jacob Christian Knapp. Er studierte Philosophie, Mathematik und Theologie in seiner Heimatstadt. Im Anschluß daran arbeitete er in Freiimfelde bei Halle als Lehrer. 1854 promovierte er in Tübingen mit der Dissertation Ulrich Zwingli und der Charakter seiner Theologie, mit besonderer Rücksicht auf Picus von Mirandula zum Doktor der Philosophie. Von 1855 bis 1858 war er als Repetent am theologischen Seminar in Tübingen und von 1859 bis 1863 als Professor am Seminar in Blaubeuren tätig. 1863 erhielt er einen Ruf auf eine Philosophieprofessur in Tübingen, die er bis 1903 innehatte. 1875/ 78 bekleidete er das Amt des Rektors der Tübinger Universität. Eine ausführliche Darstellung seiner Familiengeschichte bietet Sigwart in seiner Genealogie und Geschichte der Familie Sigwart, die er 1895 drucken ließ. Der 5. Auflage seiner Logik von 1924 ist ein biographischer Abriß und eine ausführliche Bibliographie von Heinrich Mayer beigefügt. Neben theologischen und philosophiehistorischen Arbeiten (unter anderem über F. Bacon (Sigwart, 1863), G. Bruno (Sigwart, 1880), J. Kepler (Sigwart, 1867), F. Schleiermacher (Sigwart, 1857), B. Spinoza (Sigwart, 1866) und H. Zwingli (Sigwart, 1862) befaßte er sich vornehmlich mit Fragen der Ethik und der Logik, wozu in besonderem Maße seine Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile (Sigwart, 1871) und seine zweibändige Logik (Sigwart, 1873-1878) gehören. Da Sigwart davon ausgeht, daß die Logik auf der Psychologie fußt, selbst aber eine normativ-teleologische Kunstlehre des Denkens ist, werfen ihm z.B. Edmund Busserl, aber auch Charles Sanders Peirce "Psychologismus" vor. Was dieser Vorwurf vor der eigentlichen akademischen Begründung des Faches und aus dem Mund eines psychologistischen Phänomenologen überhaupt bedeuten kann, wird nicht auf Anhieb so recht deutlich. Zieht man allerdings die positiven Bezugnahmen auf Sigwart in Betracht, die sich in William James Aufsatz "The Dilemma of Determinism" (cf. James, 1979: 114) finden und vergleicht man dies mit einer Passage aus dem zweiten Band von Sigwarts Logik, wo es heißt: Wenn anerkannt ist, dass unser Denken, wie es die Logik untersucht, auf einem Denkenwollen beruht, ist der Primat des Wollens auch auf dem theoretischen Gebiete anerkannt, und die letzte Voraussetzung ist nicht blass, dass das "Ich denke" alle meine Vorstellungen müsse begleiten können, sondern auch, daß das ~'Ich will" alle meine Denkacte müssen beherrschen können; mit anderen Worten, dass weder die Naturgesetze des Denkens, nach denen es sich in dem Vollzug der einzelnen Acte richtet, der durchgängigen Verknüpfung, noch die Naturgesetze des Wollens der Zusammenfassung aller Zwecke unter Einen höchsten Zweck widerstreben (Sigwart, 1878: 25), 180 Achim Eschbach so wird deutlich, daß William James darin die prinzipiellen Merkmale seines Pragmatismus erkennen konnte; zugleich wird aber auch deutlich, weshalb Peirce sich sowohl von James als auch von Sigwart distanzierte, deren voluntaristischen Pragmatismus er mit seinem logischen Pragmatismus für unvereinbar hielt. In der Urteilslehre nimmt Sigwart zumindest insofern eine bemerkenswerte Position ein, als er seine Logik nicht auf einer Lehre vom Begriff, sondern einer Lehre vom Urteil aufbaut. Dieser Ansatz muß seinem Zeitgenossen Charles Sanders Peirce, der sich in seinen Collected Papers wiederholt auf Sigwart bezogen hat, ebenso angenehm aufgefallen sein wie Sigwarts Verständnis von Logik als einer normativen Wissenschaft, die geradezu als eine Ethik des Denkens zu betrachten sei. Die erstaunHchsten Parallelitäten eröffnen sich allerdings beim Vergleich der Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urteile Sigwarts mit einschlägigen Passagen der Pragmatismus- Vorlesungen von Charles Sanders Peirce. Auch wenn Peirce gesteigerten Wert darauf legte, die Mißverständnisse des "dummen Apellikon" behoben zu haben, ist doch nicht zu bestreiten, daß der schwäbische Philosophieprofessor den apagogischen Beweis, dem eine so herausragende semiotische Funktion zukommt, schon ein Vierteljahrhundert früher geführt hat. Anmerkungen Ulrich Zwingli und der Charakter seiner Theologie, mit besonderer Rücksicht auf Picus von Mirandola. Diss. Tübingen 1855 2 "Schleiermachers psychologische Voraussetzungen, insbesondere die Begriffe des Gefühls und der Individualität." In: Jahrbuch für deutsche Theologie 2 (1857) 829 ff. 3 Huldreich Zwingli. Leben und Auswahl seiner Schriften. Stuttgart 1862. 4 "Ein Philosoph und ein Naturforscher über Franz Bacon v. Verulam." In: Preußisches Jahrbuch (1863) 93ff. 5 "Spinozas neuentdeckter Traktat. Von Gott, dem Menschen und dessen Glückseligkeit. Gotha: Besser 1866 6 Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urteile. Tübingen: Laupp 1871 7 Logik. Band 1: Die Lehre vom Urtheil, vom Begriff und vom Schluß. Band 2: Die Methodenlehre. Tübingen: Mohr 1873-1878. 8 "Die Lebensgeschichte Giordano Brunos." In: Verzeichnis der Doctoren. Tübingen: Laupp 1880. 9 Johannes Kepler. In: Ders.: Kleine Schriften. Tübingen: Mohr 1881. 182-220. 10 Sigwart, Christoph: Zur Generalogie und Geschichte der Familie Sigwart. Tübingen 1895. VERZEICHN,ISS · DER WELCHE KODIKAS / CODE Ars Semeiotica Volume 23 (2000) · No. 3-4 Gunter Narr Verlag Tübingen DIE PHILOSOPHISCHE FACULTÄT DE& KÖNIGLICH , W-ÖRTTEMBERGISCHEN E: BERHARD-KARLS-UNIVERSITÄT IN TÜBINGEN' IM .DECANATSJ.AHRE 1870-1871 ERNANNT HAT. . ,1 : t< ; ·.: .. .,... ' l BEIGEFÜGT SIND BEITRÄGE ZUR·'LEHRE .VOM HYPOTHETISCHEN URTHEILE ' _, f . , " .DR. CHRISTOPH 81,GWART; , , " ; ORDENTLIOHEJI! ÖFFENTLI~ PROF: ii: SSOR DEI\ ·PHILOSOPHiE: ' TÜBINGEN~ G~DRUCK,T BEI HEINRICH' L-AUPP. 1871. ,./ z: : .,? .: : --12f, 4 _: ! , 182 Christoph Sigwart Die philosophische Facultät der Universität Tübingen hat unter dem Decanate des Professors _Dr. Chr. Sigwart vom 25. März 1870 bis 24. ,März 1871 folgende Doctoreri ernannt: ' Hcmoris ca~sa: AUGUST VON KRELING, Director det Kunstgewerbeschule in_ Nürnberg, am Tage der Einweihung des Keplerd\=mkmals in Weil der Stadt, 24. Juni 1870. , - ERNS'l; JOHANN - EITEL au: s Esslingen, Missionär in China, 1-0. März 1871. Ferner sind unter 42 Bewerbern die folgenden : 24 promovirt worden: FRIEDRICH DÜRR, Prä.c~ptor in Weinsberg, 25. April 1870. FRANZ ANTON HüEt.STER aus W estfälen, Prediger in America, 14. Mai. HUBERT PAX aus M: ondorf .9 •. Juni. MATTHÄUS PARANIKAS aus Veitsa in Epirus 29. ,Juni. ADAM, PAPATHALASIN: OS aus Tripolis 11. Juli. G~RL ÜERDEL aus Petersbi; irg ,18. Juli.· - JOHANN WALTER aus Unterdeufstetten 28. ,Juli. MATTHIAS HAMMA aus Fridingen 28. Juli. HEINRICH JAULUS aus Vecs in Ung~rn 5. August. MIQHAEL WElNER, aus Irsa iri Ungarn 5. August. GOTTLOB EGR: LHAAF aüR Gerabronn 8. AuguRt. NIOO_LAUS FEESER-, Stu(lienlehrer in _Kaiserslautern 20. October. M4RCUS HOR0VICZ aus Ti_sza _Loqany in Ungarn l~. Novemoer. DAVID H6FFM; ANN aus Verbo in Ungarn 16. December. - MA~0EL CoRREIA' GARCIA, Advocat in Bahia, 16. December._ ELIAS PLESSNER aus Berlin 2.0. December. CARL KNITTEL , aus Laupl; eim 12. Januar- 1871. AUREL MAYR, D: I; . jur. aus Pest, 27. Januar. BRUNO ÜL,AUS aus Ottenbach 27. Jam~ar. - -JACOB REGULA aus Annweiler in der Pfalz 10. Februar. RUBEN PrnczowER auE; Nicolai in Schlesien 15. Februar. ERNST EN'DERIS aus S~haffhausen 26. Februar. ' , t ~ ADOLF LtTT-OE aus Braunschweig 10. März. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 183 Beiträge . zur'. Lehre_ ·v<; >m hypothetischen _U rt~eile . .-J•. - 1. '-Es ._,; irkHn d_er Lehl'.e vom hypothetischen Urtheile _bis _ ~u.'f den heutigen_ Ta.'g nä.ch,._das~,Aristoteles sie,nicht.behan_delt_hat. Nicht nur insofe~n, als der _BegrHf des hypoth_etischen Urth.eils riiem.als durch irgend eine Autorität von g~_föh, _entschei_dendem ~ewichte festgestellt· i~rden ·isl_, und lnan darum immer nqch deni verwirren.d-sten. Schwanke; n. der TeMniµologie begegnet; . sondern auch weil die Lehre yom hypotheti~c~e~ Urtheil in durchgän~iger ·~bhängig~eit ·_v~_n der aristotelischen Theo~ie·d-es Uttheils -~ufgewachsen i_st; und deshalb. durch die Versuche es in ein scqon vorhandenes· Schema zu zwänge: n, h_ä.ufig vei.,hindert wurde, die.· ~infachen Grundverhältnisse, desselben zur .(}elt,ungzu. bringen. Aristoteles ken~t· das, ~as wir ein hypothetisches Urth~il, zu nenne~ pftegen, als· solches gar nicht,· u,nd e~ ist· ihm kein Gegeastand de1· Untersuchung. Wo er von ww: >eäis ini .· lo.gisehen Sinne spricht, versteht er darunter in weiterer Bedeutung.überhaupt ~inen -·satz , ·der einer ,Folg~rung· zu Grunde· liegt; · so spricht er von vicoQe(JBt,G. -&iji; a1toöe~e~ oder -&ov t1vµrceeat1µato~ 1 und versteht darunter "die Prämissen eines Schlu11ses, ·dasselbe was er in ·der _bekannten De. finilion d~s: Syllogismus (AJ,1al. _pr. I,. 1. Top. I, 1) 9 unter .dem Ausdruck '&e.: J-ena '&_1,'1/ a oder '&a ,eelµn,a versteht; ebenso nennt er die Axiome al ·ig dexiJi; ' . vno9-foe,i; s. 1 Metaph. LI, I. 1013i 15: (,; exii 4lynw) s; " Y""'S'O" TO,'IJ(>iiyµa n: qtii-,; tw, oTar -,; tii" tln: oJ,t- ~-ai- "; n: o: Jla,~ • . Eben~o Metaph. LI, 2~ _1013 b 20. Phys. Auec. II, 3. 195 a. 18: al "; n; o: Jla1" Toii dvpn•eauµa-,; as. .Äna.l. post. I, 14. 81 p 14: a,· 2,y&µerw imolllat" ,(nv tJVUoyiaµoii) etc .. 2 Anal. pr. I, 1"' 24 b 18: avlloywµ~ J,! ES'& .loyo, b, ~3 '-,; ~{vr" TWWI' li~tw. T&_ -,; ,ii„ XB&f,IE'llflJV 1~ tlJ1ay"'I' -ttvµ/ Ja/ 111, T'f -,; av-,: a ,1„a,. Ebenso Top. IX, 1. 165 a 1. -. " 8 ,Anal. pr. 1, 1. 24 a 30. 1 184 Christoph Sigwart 2 In.,: engerer Bedeutung ist ihm wio,'J,eair; ein Urtheil über Stattfinden odei Nich~stattfinden-, das nur angenommen wird, ohne dass. es gewiss oder we_nig. stens ohne das~ es als gewiss erwi~sen wäre; ein Satz., der also nur insofern· zu einer Folgerung verwendet werden k? ,nn, als er zugestanden wird, ~omit auf einer oµo'J.orla beruht 4 • , So wird insbesondere im ap~gogis~hen ßewei~e 'die An. nahme des contradictorisch~n Gegentheiles des ·zu erweisenden Satzes ein vno- . 1: i&bat~ das fl,ngenommene Gegentheil eine v11,&: .f8<1tr; genannt 5_ Darausgeht hervor; dass, was _Aristotele~eine wiof! e~tf: nennt, d]ll'chaus keine eigene Form hat, _welche sie vön andern Urtheilen _äusserlich u'uterschiede, und auch der Sache nach keineswe~s : die BediIJ.gung bezeichnet, unter welcher eine bestimmte BehauptuJ'.! g aufgestellt würde; die ~ypothesis kann eine ganz einfäche xaiJ,: paair; _oder wiocpaair; : seiii.·, eine'B~jahWJ.g oder Verneinung,· die etwa miteinem ~efo3-w oder vno-ieei11&w eingeführt werden_ kann, wenn a~gedeutet werde.n soll, dass es· s1ch eben um eine· blosse Annahme, nicht um einen als fest und gewiss hingestellten ~at~ handelt; die v,aofJeatr; .ka~n aber ebenso ·in eine~ _Bedingung&satze ausgedrückt sein, -wo dann eben die Öonsequenz d~s Nachsatzes aus de~ Vo.rd~rsatze das bloss angenom~ene ist 6; Wo Aristoteles ferner 0,iial. pr. I, 23. 41a 38. 29. 45b 12.- 44. 50a 39) von Schlüssen e~ vr,; .Q9-eaefJJr; ··redet, von denen näher zu handeln ~r zwar verspricht, aber · nichtauafijhrt, da giebt· er zwar in einem .der Beispiell'l ein hypothetische.s UrtheÜ s.ls die vm5&eair; an, vermittelst welcher etwas bewiesen werde; allein er meint darum unter den Schlüssen es vrio.: tfoewr; durchaus t; 1icht solche, welche man später .hyp~thetische Schlijsse genannt ha-t, vielmehr ist dem Schiusse es vnot>foewr; nur wesentlich, dass der Schlusssatz nicht direct aus dem Ver- 4 .Anal. post. I, 10. -76 b 27 ff.: 8<1a µw oJ„ Jeu,ra J.aµflaYE& avrö, µ~ Je$z; ; -raiiT' Jay µev Joxoiivra i.aµ{Ja11n T~; ; µav: J_a.11ovr" JnoTt3-era" J! at li; w mlx dnJ.w; Jno9'.ea" aUa neo; lxei110~ µ011011 • '. Anal. post. I-; 2. 72 a 14 fl'.: .iµem: ,u J' de; cij, auUoy,i; ,xr" 3-1<1; 11 µw Uy; " ~11 µ~ li; , Jei~a, •... / Hae"'; J' ; µe11 o'nonem,oii11 T,; ; " µ~etw11 * dnoq,dva,w; Äaµ{l&vaväa, oTw Uyo> To e1v~t T• ; To µ~ eivat T•, _ .Jno9ea,.., ~ J' Jnv ToüTl>v Je,aµ&,. cfr. Waitz, Org. IT, 428. .Anal. pr. I, 44. 50 a 25. 5 ·Anal. pr; II, 11. 6la27: oiov El TO A .,~; ; B navri. v'nae'X_e" µetJoY Ji, TO r, Jay .Jnou9'f, 'l"O Ä ; µ~ " ; · µ1jJ,11), Tff B Jn&e; ce" T,P Je r n_ani, 8nse ~; , di1j9'e; , .; "&Y"'7 TO r .,.~. B ; µ'7• JEJ1t .~ µ~ n~t .Jnaexew· 'l"OVTO J' JJJ"«TOY, .: ii; e y,eiiJo; TO Jnou9-{v. 62b 12: «fJTI'/ l11n~{a ,; ·tno-llea,; e_tc.' ·.A-q.i,l. pr. I, 5. 28a 7. 6 So wird · Top._ III, 6 .. 129 b 35 als Jnothai; der Satz eingeführt et T, M, xai näaw tnaexe„ oiol' el ~, TOii ,t; a,ewnov v,ux~ a9-al'aTo; , xai al ,Wa" Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 185 3 hältniss seiner Begriffe .zu einem Mittelbegriff, sondern bloss vermittelst einer ~ugestande'nen •oder sonst angenommenen ·v: n: oliE<Jt(; erwiesen', wird; ob aber die 1m6-: tE<1t(; in Form eines 4ypothetischen Urtheils ausgesprochen wird, ist zufällig; denn alle ~pagogischen Schlüsse _sind Schlüsse ; g· vn.o: >eaew(; , obwohl in ihnen nicht nothwendig ein hypoth~tisches Urtheil vo'rkomm~ 7• 7 Waa Aristoteles über die Schlüsse l~ Jn'ot#118i"'g sagt, ist aicht ganz leicht zu erklären, u~d darum. auch ·verschieden ausgelegt worden. Anal. pr. I, 23. 40 b 23 lehrt er, dass jeder Beweis un<: l jeder· ·schlm1s. zeige, entweder dass etwas sei, oder dass es nicht sei, und zwar entwed~ ~llgemein oder; theilweise, ausserdem e 11 t weder J"',. -r, ",; ; , oder ,~ .Jn c,9-laew; .· Er zeigt dann. zuerst, dass alle Schlüsse·, die Je.,.-r".,; ; ; -gemacht werden, in einer. der drei Schliissfiguren vollzogen werden müssen; es sind diejenigen, welche aus dem Verhältniss_ der Begriffe des zu beweisende~ ·sa~es Zl~ einem Mittelbegriff,' ohne etwas weiteres zu Hülfe zu nen~en,. den Schlusssatz' als wahr erweisen (vgl. Waitz zt~ 29 a 31, I, 392). Nun wird (41 a .21) gezeigt, dass auch die'apagogisch! lll Schlüsse sich nothwendig in denselben· Formen vollziehen ·müssen; auch diese bedürfen eines Mittelbegriffes, um von der ursP: rünglichen Voramisetzung aus, welche die dnlrpaa" der zn beweisenden.Behauptung enthalt., z1; 1 ihrem ·falschen und unmöglichen Resultate zu kommen , ja _: _ _wie -in anderem Zu- ' sammenhangeausgeführt wird wenn derselbe Satz direct und apl'l,gogisch erwiesen wird, so verlaufen die Syllogismen i11 denselben Begriffen, nur dass das Gegentheil des Schlusssatzes im apagogischen. Schluss eine Prämisse im directen wird, während die zweite Prämiss,e des direoten Schlusses beiden Syllogismen· gemeinlichaftlich ist. Es --sei z. B. (45 a 2ß) zu erweisen, dass A keinem E zukommt, wenn B jedem A ·und B keinem E zukommt: so ist der directe Schluss: der: indii-ecte Schluss : ß·_kommt jedem 'Ä. zu, angenommen: A kommt einem E zu, B kommt keinem E zu· B kommt jedem A zu also komni.t. A keinem E zu also B k,omint einem E zu, was unmö.gli_ch ist. Vergleicht man ·beide Schlüsse, so sieht man, das~ sie dieselben Begriffe verwenden, und beide in syllogistischen Figuren verlaufen; nur ·unterscheidet sich der directe Schluss darin v: om apagogischen, dass in jenem ·beide Präµiissen der Wahrheit gemä.ss gesetzt werden, in diesem aber die, eine falsch.· · Es _liegt nun -sehr nahe, nach dieser Ausführung ·anzunehmen, dass ·Aristoteles den apagogischen Schluss darum' einen, ·Schluss ·~ i: no's-1.aPw, genannt habe' weil eine seine,r Prä~ . : m,issen ein nur angaiommener und zwar tr~tz seiner Falschheit als wahr angenommener Satz ist. So· s~heint Prantl (Gesch. der Logik I~ 295) zu erklären, wenn er sagt: » bei voraussetzungsweisem.-Verf'ahren muss das Schliessen als. solches gleichfalls anf eine der -wesentlichen Weisen -des Syllogismus. eingehen. Denn das apagogische Verfahren gelangt eben doch nur durch eine ·syllogistische'Schlussweise auf den von ihm beabsichtigten Widerspruch, und hiedurch führt es de: q Beweis der ursprünglichen zu beweisenden Behauptung mitte].st einer Voraussetzung, da ja das Gegen t heil des zu beweisenden der In h a 1 t der Vor~ us setz u n g,i st.« · Waitz dagegen sagt I, 427: Der apagogische Schluss sei ein hypothej; ischer, weil er nur gelte, wenn etwas zugestanden. werd! l; "namque ut fiat, necesse 1 * 186 Christoph Sigwart 4 , So dass also._ nirgend_s e1ne Spur davon vorhanden ist, dass Aristoteles das hypothetische· Urtheil ~ls eine bestimmte- Art des Urtheils ·aufgefasst, .und dem " ~ sumere IJ! ,fod concl~i: repugnet, q_uod Bi revera repugnare et cum e~ cui t'epugnet &imuZ cOfisis•tm-e: non posse negettw ab aZtero, deducfio ·1ocum t1on habet." Danach· wii,re der Inhalt der' Hyp_othesis der, da~s ,zwischen zwei Sätzen ein Widerspruch bestehe; es wird" nur' weder' aus dieser Stelle, noch aus_I; 43() .zu -4la 24 ·klar, zwischen ·welchen .. . , Vielleicht 1ässt si~h: ~ine _Entscheidung ge~en, werin·yerglichen wird, in ~elchem Sinne Atj,stotel~ von andern, ale apagogischen Schlüssen sagt,dass sie Schlüsse •; .Jnaa-lo" sind. Näch~m er nämlich' gezeigt hat, _dass die '. apag~gischep._· SchlüSBe i: ii einer syllogistischen· Figur ihren unmöglichen· Schlusss! l,tz gewjnnen müssen, fä.hrt er (41a. .37) $ort_~ ·,3,_ • A • .. aih-~ Je xai ol C: llo, ni: v-r-e, al ; ~ .Jna! J{ottßg· ; ., -,linao, yae O' µev avlloy,aµor y(i,n; ai '"f! O' To-µnal.aµ- {JaWµeraff: -ta' J' ! ~ tlezij; ~eeatvi-ra, ·J/ oµol.oyla; ; T<VO~ C: J.211, .Jna8-i11Bro"' Und wenn diese wahr ist, schliesst -er ab, so muss jeder Beweis "a.nd jeder Schl~s nothwendig , durch, die drei Figüi'en geschehen. Diese Stelle· wii: d wohl am besten erläutert \iurch ein Beil! piel, das 50 a 19 voneinem solchen Schlusse ,~ .J11: 08-eo1ws gegeben wird. , Wenn einer vorallSsetzte , ·, da.SB_ wenn nicht eine und dieselbe Kraft ·im Entgegengesetzten .ist, a.ueh nicht daa. Wis! Jen des E~egengesetzten Eines ist, unl dann zeigte, da.SB nicht immer Eme Kµ.ft im Entgege'ngese~ten ist, wie z. B. ~- Gesunden und.Kranken, denn sonst wäre dasselbe·zugleich gesund und kraµk~ so ist aufgezeigt (und lieSBe sich ~benso syllogistisch beweisen), dass nicht Eine Kraft. fo allem En-t: gegengesetzten ist; dass aber nicht Ein Wissen dess_elben ist, ist nicht bewie~en; und doch muss ·man es zugestehen; .aber nicht wegen des Schlus~es, sondern wegen der Voraussetzung_ (~~ .Jno: Jtoero,); _ Daraus geht hervor, dass Aristoteles in diesem Beispiel annimmt, dass der Vordersatz des .angeführten h.ypothetischen Urtheils durch einen Syllogismus sich .beweisen. lasse; , dass aber die A.nna; hme des Nachsatzes,. wen~ der Vordersatz erwiesen ist, nicht. mehr auf Grund des Syllogismus, sondern nur 1~ .JnolNoe°" geschehe. Damit stimmt da.s Beispiel überein; ffas Top. ID, (,'>. 119b,35·-gegeben·wird: ·: oort ist die .wco: Jao,s: Wäs Einem zukommt ~der nicht zukommt, kommt· .allem zu oder nicht zu (wenn die Seele des Menschen .unsterblich ist, so sind es auch alle andern Seelen, wenn die menschliche Seele es nicht ist, sind es auch die andern nicht). Behauptet nun einer den Satz in der bejahe~den Richtung, so widerlegt man ihn, indem man zeigt, dass das Prädicat Einem nicht zukommt.; dann folgt J,a T~" vno: Jeo; " dass es· keinem zukommt. Behauptet er es in der verneinenden Richtung, so ·widerlegt man ihn, indem man zeigt, dass das Prädi'ilat einem zukommt; dann folgt, daSB es allen zukommt. Denn wer die Hyp9these macht, der v~rallgemeinert,' was particulär gesetzt ist. Auch hier · wird ·also der Vordersatz durch irgend eine Beweisform widerlegt, um dann erst nach der Hypothesis zu. dem weiteren Resultate ,zu gelangen. Daraus geht zunächst' ·hervor, dass ltjer To µeral.aµ{JaYo,uEYo>' dasjenige sein muss, was syllogistisch erwiesen -wird. Ganz ähnlich sind die Beispiele, welche A).ex. Aphrod. in ·d-er Erklärung dieser Stelle {ed. Flor. fol. 106 b ff.) giebt., Wenn ein Satz zu beweisen.ist, so wird er entweder direct bewiesen, oder wird.für ihn ein anderer genommen (µnal.aµ{Ja„eTa,), den man direct beweisen kann, ~d aus welchem dann der ur~prünglich zu erweisende abgeleitet wird auf Grund.einer Ueber- Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 187 5 V~rhältnisse des' Vorder- und Nachsatzes .-eine eigenthümliche und hervorragende Bedeutung· zug~chrieben hätt~ ; er schei~t .es im Gegentheil für · unmöglich zu einkunft- oder sonst einer Voraussetzung. So,11 z. B. bewiesen .werden, ~s die avwul"a nicht zusammen bestehen, so lässt man sich zugestehen, der Satz sei bewiesen, wenn man • be"°eise, dass irgendwelche. ,; _"l"a nicht zusammenbestehen: Nun beweist mari, das.s die · 1'11anta nicht zusam: m.enbestehen (Tel µ1ralaµ/ Jat1oµwor) syllogistisch-; und dann folgt vermöge de~ cJµo},o-[ta, dass .die- &nue,t"_a nicht zusailllllenbestehen. Oder es sei zu beweisen, dass die Tugend 1ehrbar ist: so ge~t man v_on dei .Jn&O-eai; aus: wenn sie ein Wissen ist, ist sie lehrbar. Nun beweist man, dass sie ein Wissen ist; vermöge der .J""&O-,oi; folgt, dass sie lehrbar ist. So geht a.lso ·der Syllogismus. inu: ner ne~ To / iBTf! laµ/ Ja"&µw°". (Wenn Alex. Aphr: auch den . apagogischen Schlu,ss noch in den· o_bigen Satz einschliesst und das µaraJ.aµf! at1&µwo" in ihm in dem ang.enommenen Gegentheile di! 's D~onstrandum fin\let, aus welchem geschlossen werde.: so steht dem entgegen, dass dann ne&g das einemal d3: s Ziel des Schlusses,· da; anderemal seinen Ausgangspunkt be~eichnen müsste, wogegen siQh Waitz I, 432 ·mit Recht erklärt•. Will man im apagogis'chen Schlusse das µ1ralaµ/ iat1&µwo11, finden., 80 kann es nur Tel v,e~J~ sein, wajl erschlossen wird. Der Ausdruck Prantl's ab! )r I, 295 : . der Schluss als Syllogismus, beruhe auf dem in bestiinmt fäctischer Weise, nicht mehr voraus~etzungsweise Angenommenen, will weder auf die von Alex. Aphr. gegebene Auffassung des apagogischen Schlusses, noch auf die andern Beispi~e passen.) · Daraus ist nun klar; · dass diese .Schlüsse nicht deswegen Schlüsse e; v-n: o8ia,w~ heissen, weil in dem darin vorkommenden Syllogismus eine vnoO-,o" als Prä.t,nisse gebraucht würde, sondern deswegen, · weil vondem syllogistisch _erwiesene11 Schlusssatze zu dem 'zu· beweisenden nur durch eine vno0-10,~ oder &µo,JJoyta. (nämlich das Zugeständniss, ·dass wenn der eine gelte, auch der andere gelte) übergegangen w~rden kann. ·Stellt nun Atjstoteles diese Schlüsse. mit· den apagogischen ganz gleich: so müssen aucp. diese desw,egen I; .JnOO-iqe~ sein,' weil aus ihr,e,m Sc'lllusssatz das Demonstrandum n~r-durch.e1ne·vntlo" o, s erreicht wird. · Urid diese sagt· denn auch. ! r. ganz deutlich zunächst 50 a 32, wenn er die el~ &JU11a..-a11 &nayiori zwai: durch den Syllogismus zu Stande kommen lässt, das andere aber ( o-äreeo11), nämlich ·den Erweis des Demonstrandum nicht; e; · JnoO-ro,~ rae meat- 11na,. Und worin liegt die Jn,lO-,ai; ? In 'nic~ts anderem, a.ls dass die Fa 1 s Ch h e i t de s Schlus.ssatzes als etwas Not.odsc.hes und Zugestandenes vorausg e s e t z t w i r 4. Das liegt deutlich in Anal. post. I, 26. 87 a 6 ff. : . El Ju" J,i~a,. ; ; T/ TO A 'Ttp B oJx ,.J11&ex1i, 2,prTEO'/ J ,; ,.,; l! X" ... a, Tel B T(J I', .; ,; , (! ܵflal111i TO Ä Trf I' im: aexe,11. T o jj TO J' l,; w r"; I! , µ o" "a i cJ µ o J. o r ~,; µ, v o,; ; ; T, .. H ,J" a ..- ~ "• Damit stimmt Anal. •pr. -I, 44. 50 a 311; bei den -übrigen Schlüssen 1~ iJ11o8-ia11," bedarf· es einer ausdrücklic1! -en vorgängigen &µo2oyta über die vn&O-,o&G, bei den· apagogischen ab! 3r nicht; enaiifia 1<a• µ~ n~JwµoM! J'l"ti"o, avyxweoiJo, J..; To q,aneel11 "a, .,.,; v"üJo; , wie wenn durch einen apagogi{! chen Syllogismus sich. ergiebt, dass das Gerade gleich dem Ungeraden se-i. Aehnlich Anal. ·pr. II, 14, 62b 29: lr: Ja (beim directen Schluss) ovx ,; "; Y"'I Y",J,l! 'f'OV. ,Z11a, Tel <IIJ,un{(f'M,Ua, pJJe -n; (! _o ~ n O). a µ / J ,; " 6, ". w; l! ,; w ; o~ · lvO-a (qeim 'apagogischen)· J, ,; "; Y"'I als ovx l! ,; w. Die .Jn&o" im apagogischen· Schlusse, um deren willen er ein Schluss e; .JnoO-ef! t~ heisst, ist also n_icht die ,; ,; &9ea,; , von der der Syll'ogismus au11geht, die An~ahme des G~gen• 188 Christoph Sigwart 6 halten, dass._ ein hypothetischer Satz als solcher, irgendwie eines: Beweises fähig und -damit Ausd; ruck -~ines wirklichen Wissens sei, und schliesst eben .darum das, wasspäter ein· hypothetischer Schluss genannt wurde, den Uebergangvo.n de1· Gültigkeit <; ! es Vordersatzes zur Gültigkeit des Nach_satzesin einem -Bedingungssatze, ; On der streng~I). J: iyllögistik aus. , 2-. -Ob ·er-. darüber zu loben oder zu tadeln ist, möge vorläufig dahin gestellt bleiben,jedenfalls haben schon sein~ nächsten Nachfolger, T.h eo p h rast und Eu dem _o s, hier eine ·,Lücke ge~ehen, und indem sie df! -s, wa,s A~istoteles selbst s-chon im .Sinne gehabt,. ·weiter, ausführten, bemühen sie sich -zunächst,' die vers-chiedenen Arten der qvUorifJµot · e; "; ,j,; of>eaewg näher_ zu bestimmen, indem sie untersu.ehen, ·in welcher· Weise eine 111io: J-e<11,g_ ausg_espr-0chen und vermittelst ' ' ~ ' theiles des Demonstrandum, sondern die A n n a h m e, d a s s s e i n S c h 1u s s s a t z f a 1 s c h seil denn in der That wird ja diese Falschheit· nicht erwiesen; sondern als selbstverständlich angenommen. -Aus de1; Falschheit des Schlusssatzes -folgtnun aber, wen.n die zweite Prämisse wa'.hr ist, die Falschheit der ersten, µnd dara~s die Wahrheit ihres Gegentheiles, des· Demonstrandtim. · Und nun erklärt' sich die Stelle 41 a 23 so: Alle apagogischen Schlüsse beweisen. syllogistisch d~n fal1mhen Satz, das zu beweisende ab~rzeigen sie aus· einer_ Voraus-· setzung, sofernsich nämlich etwas Unmögliches ergiebt aus der Annahme des Gegentheiles, wie dass die Diagonale eines Quadrats incommensurabel ist, weil das Ungerade dem Geraden gleich : würde, wenn man sie commensurabel : setzte. Denn dass das Gerade dem Ungeraden gleich werde, wird syllogistisch erschlossen-, das~aber die Diagonale incommensurabel sei, wird -aus einer Voraussetzung gezeigt, da' nämli(? h etwas Falsches -a'us dem Gege: iltheil erfolgt. Denn das ist der ,Syllogismus im apagogischen Beweise, zu zeigen, dass aus der_ ursp~g~ liehen Annahme (Jui T~" e~·dex~~ .JnoS-EtJ,v, die nach Waitz' richtiger Erklärung-etwas anderes ist, als die .Jn: o/ iea,; , vermöge welcher der Schluss ein hypothetischer ist), etwas Unmögliches folgt. S o d a s s , d a ·d. e r f a 1 s c h e S a t z d u r c h e i n e n a v J. 1. o r ia µ o; J, e , i<T , " o; i n den apagogischen Sch'liissen erwiesen wir 4, das zu beweise'nde aber aus ein er H y p o t h e a i s er wie s e n wird , di~ deiktischen Schlüsse aber in den drei Figuren verlaufen, es offenbar ist, dass auch die apagogischen in ihnen verlaufen. Daraus folgt ebeils~, dass A. im apagogischen ·Beweise den Erweis des falschen Satzes aus der Voraussetzungdes Gegentheils des Demonstrandums als einen avU. Je"ö; , also nicht als einen Schluss •~ Jno/ UaEw; darstellt; sowie dass überhaupt der ganze aull. ~ .Jno/ Uae"" aus einem, a. Jeumxog als fümpttheil, und dem nEI! "'"'"' e; vno/ Na,w; als 'Anhängsel besteht. Öb Aristoteles unter dem S·chlusse xo-ra µnalr; v" das verstanden hat, was später als hypothetischer Schluss auftrat, wird bei dem Mangel jeder authentischen Erklärung darüber nicht auszumachen sein; ·· nur würde er auch in diesem nur insofern einen av2loy,aµo; erkannt _haben, ais der Vordersatz syllogistisch erwiesen wird. Wenn aber Anal. post. II, 6. 92 a 20 von einem Je": "o, il; _vnoS-ia«w; die Rede ist', so ist der dort angeführte -Schluss darum kein Schluss i~. vnp/ ii9~w; im Unterschiede von einem Jnxrn,o; ., ausser sofern der Satz, dass -das Entgegengesetzte dat1 Entgegengesetzte ist, als eine Hypothesis angenommen wird. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Unheile 189 7. ejn·er v'! W3-e<11,; ; zu ,·einem Schlusssatze.'-gelangt werden kann 8• Indem sie sich dabei'· zunächst, an die Andeutungenbalten, die. sie in Aristoteles selbst finden,verändert -sich ihnen doch der Begriffder vno: >eai; ; ." Währen~ es bei .Arist9teles n-ui dru-aur' ankommt, das~ der Schlusssatz nicht öei,n-uewi, · durch das ' l ' , Ver_hältniss der Begriffe, so.ndern nur. vermittelst einer Annahme erreicht wird, die selbst nicht erwiesen ist, vel'bin~et sich ihnen mit dem. Worte mo: Jeat{; theils ·die Bedeutung eines Satzes, der durch Uebe~einstimmung angenommen wird, obgleich er falsch ist, theils eines Satzes, der· seiner.Form ·nach noch keine bestimmte und ,directe Aussage über ein Sein• oder Nichtsein enthält, · aus dem aber, wenn eine bestimmte Aussagein Betreff eines .darin enthaltenen Glie_des hinz~komint, ein bestimmter Satz ~eschlossen werden kann. Selche Sätze si~d .vor a,llem die ~edingungssätze und die disjunctiven Sätze · 11 ; denn·_auch in_ den letzteren wird nichts bestimmtes behauptet, sofern noch die Wahl z,wischen · verschiedenen Prädicaten · da ist. Dasselbe Motiv liess sie von - ' • ,- 1 - ·den ·kategorischen Schlüssen auch· Au~drucksweisen scheiden, wie sie Aristoteles z. ~- Anal. pr. I, 5. 58 a ·29. anwendet: .o/ '&0 A fl.TJÖE'llt V~tX(! 'X,Bt; 'liO B n: avd $0 A. µrJÖWt, '&WV T . &,; ~Kr/ .,; o B n: ~i .,; cp r. Der U~stand ,. das~ in . de~ ersten Satze der Unterbegriff .in unbestimmter Weise schon .ausgedrückt •-ist- und erst in einem zwei~en hinzugenommenen Satze (neo; ; l'J'Pi; ; ) bestimmt auftritt, ~eranlass~e sie; daraus eine. eigene Art von Syllogismen· l{a-&ä n; eo; ; l71tpiv herz~stellen; diese scheinen sie zw~r nicht als hypo.thetische ·bezeiah~~t zu· h~b~n, tirkennen sie ~ielmehr ausdrücklich .als dem Wesen _nach mit den kategorischen übereinkommend an ; imm.erhin erhellt daraus die Bedeutung, welche , s,ie einer Schlussform beilegen, in der' von einer unbestimmten Aussage zu einer ·b~stimmten fortgeschritten wird. _ Js.t damit_ ~in_e wesentliche_ Veränderung 'mit dem, allgemeinen BegrifJ'. der vn; o.: J-eair; vorgegangen ,sofern er sich verengert, so · g~ht umgekehrt eine Ei~s Zum Jolg·enden Pr~ntl, Gescb. der Logik I, 375-391. Zeller, Gescb. d. ~ Phil.· II, 2, 651 ff. ' 9 Boethius de Syll. Hypoth. I. ed. Basil. p. 607. u.: Hypothesis. namque voea~ulum (ut l! )ud,enw placet) duobus modis dicilur. .Aut enim tale acquiritur aliquid per ._quandam intet· se consentientium conditionem qu(! d fier'i nullo modo possit, -i,t ad suum · terminUrii ratio perducatur, ! JUt in· conditione posita consequentia vi conjunctionis -vel clisjunctidnis ostenditur. 190 Christoph Sigwart WE; literung mit 'd(; )Ill Bt,grjffe -des avUortaµot; - 1g v110: J,eqewt; ' vor. - Aris~oteles_' hatte conseqnent fes_tgehalten; dass jßder Syllogismus, ein.es M~ttelbegrHfes_ 'bediirfe,und in einer der_ drei· Figuren vollzogen werden. müsse, was also nicht so sich vollzieht, ~uch·: k~iri ·-Syllogi~uSsei. ·Tm apagogischen B~~eise z. B.· betrifft -d~r " ., . . ' , ' ' Syllogismus: .nur den Erweis -des falschen Schlusssatzes, was darijb«_ir hinausgeht, · ist itldl: J.t ~~hr Syllogi~mus ''' ~o~d~rn -es ,'V'l{OliEO~W[; neeal'Jle&CXt, Bei Theophr~st uni Erul~mos. aber .ist die~e ·-Beschränkung des Begriffes ,Syllogismus aufgE; igeben; · di_e vnoti-Baig .,selbst ist ihne~ d,ie Basis' ~ines, a~U9,y,aµo't; , der '.! }Un nicht m~hr in dendrei. Figuren v~rläuft,. f\ondern" durch die Natur der vno3-eais,· je nachdem sie· ein Bedingrings~rtheil _·oder ein disjun? tives ist, ,bestimmt wird. · So betrachtet jetzt Theophrast .einen· Sc_hltiss, wie den, welc4en wir unten als 'Beispiel ~ines avllÖ,y,ilµ,k es-_.vy{otieaewc; aus Arist. angeführt _haben 10, a.ls gemischten (µt"c-i-ot; ), der ·aus~einem kategorischen und einem hypothetischen b: eetehe, . während Arist-oteles nur Einen -SyllogismllS darin hatte finde~ : k~n~en ; ·, er nennt den · jetzt so gena~nten hypotheti~chen Schluss einen avUo.ywµo; ; , einerlei, ob ,die GültigkE; iit des Yorders~t~es., aus der die Gültigkeit des N~ch~atzes gefolgert wird, _auf Induction,· .oder -selbst· auf, ,einer Hypothesis, oder auf unmittelbarer Gewissheit, oder aui Syllogismen beruht; ja ei nennt den Schluss von der Form : Wenn .'A .ist, so ist B, wenn_ B, so C, also : wenn A, so .ist C einen ~Uo,yiaµo; ; (xcn-' ,n,al.o,; iav oder ö~ 'li(! twV oder öi' Öi.W'JI) vno: iei; txo[; ' obgleich darin' wie _Alexander AphJ; odi~iensis tadelnd bemerkt 1 ~, n~eht erwiesen werde, dass etwas sei oder nicht : sei, wederim Allgemeinen noch i_m · Besondern; und er scheint sowohl die; em wie• dem Schlusse' xa-i-a 'f&(! Of.i.r; 1f.Jt11 seine selbstständige B~de11tung gerade dadurch ·_vindicirt zµ haben, de.ss er zeigte; wie au: ch ? ei diesen beiden drei Figuren vorkommen uJ 1o S. 4 'Mitte das Beispiel aus 50 a, 19. 11 Alex. A.phr. ad A.nal._pr.-f. 107b, 134a, bei Prantl I, 383.,A.nm. 63. n w aa die- Schlüsse ".T,; n: el"2w"11betrifft, so macht der' Bericht des' A.nonYlilUS' bei Brandis Schol. 189 1? 43 ff. , ,den Prantl S. 377 seiner Darstellung iu Grunde legt., einige Sch~erigkeit. --Er sagt, dass i~ derartigen Sätzen, der Mittelbegriff unbestitµmt sei, die ~e„ aber li,estimmt,. ~e z. B. ' · in der ersten Figur ~ Was von, C gilt, von ,dem gilt ·auch A, · _ (bei' Prantl,unrichtig: Von alle; m, _wovon A gilt, gilt B) . in der zweiten.Figur: · Was vcµi A gilt, das gilt auch von B, i: n der dritten Figur: Von was 'A. gilt, V'.on dem gilt auch B, Dieser Bericht kann unmöglich ric)ltig sein, wenn mari unter Aem µeaor und den iLtea Beiträge -: : .ur lehre rom h_1pothetische11 Urtheile 191 9 · Galt ,; nun aber ein Bedingungssatz einmai als Basis .eines Schlussverfahrens, -so war es ·natürlich; . dass· ~an, auf die Natur· und die V1)1'hältnisse desselben dasselbe. verstehen soll, was sie .im kategom,chen Syllogismus bedeuten, und wenn die-angegebenen Figuren denen des katego~ischen Syllogismus Ziffer für Ziffer entsprechen sollen. Es liegt nämlich in der·Natur dieser ·scblüsse selbst,· dass_ der "Mittelbegriff (na~h ai-i_stotelisch~~- Bezeichnung) nie, vielmehr vernünftigerweisii immer der Untt>rbegriff das Unbestimmte sein muss (formal möglich ist es allerdings, ~uch den Oberbegriff unbestimmt zu lass8Il), was in der ~eo,21/ 1/ ',; , · dem hinzugenommenen Satze, nachträglich bestimmt wird. Alexander spricht von keinen an·dern Sätzen. In der Stelle· zu An. pr. I, 29 (f. 107 a Prantl S. 376. Anm. 55) giebt er als Beispiel an: "a9-' ; ,: ; -rJ B, "a-r' exet„ov -ro .d, "ara Je -ioü I' ro B-; Anal. -pr. I, 41. .4-9 b 14 ff. lautet die Formel "a: J.' ob nano, ..-o B Uyna" "ar-a .-rovrov nancl, ro .d, und wieder wird hinzugenommen, dass B "ar.; ·-roü I'; ·und indem Alex. (f. 155 b bei Br. Schot 184 a 22 ff. Prantl' s. 377. Anm. 55) diese Stelle erklärt; .sagt er ausdrücklich, der Art seien die Sätze, die von Theophrast a, "ara : n: eö,- 1,pp" genannt worden seien; EY rae Tji "a: t' ob T0 B ,: n: ancls' ia-r' 1"bv· xai T0 .d 11anos'' ; " Tois J,',o öeo~ -rtj TB B 1<at -rp .d : rois_ W(! <'1/ uf"°'' ~OIJ "'"• me,ellJrrrra, "a i o T 1/ tT o s, "a 9-' o; ; r o .B "a T I'/ r o I! e, -ia ,. Also der Mittelbegriff und --der Oberbegri: ll' sind bestimmt, nur der Unterbegriff unbe~timmt. Ebenso lässt Philoponus zu .Anal.· pr: II, 5 . (bei Br. Sch. 189 b 12, Pr. a. a. 0.) in dem dort angef"tlhrten Satze ~J; ..-cl . .d µ1j.Je" -rcl B nani den 1azaTo, Beo, unbestimmt sein. Es _ist auch ganz selbstverständlich, dass der Mittelbegriff.in: einem derartigen Satze ausgedrückt sein muss; denn w; as die neo,21/ 1/ '•• bestimmt, ~uss im Schlusssatze wieder vorkommen, · kann also nicht· Mittelbegriff sein. Ausserdiim bezeugt er in demselben Zusamm~nha.nl! e (Br. Schol. '1.90 a 2), dass Theophrast sage, der ~atz : ,ea{J' Oll T0, B nario" xa-r' oJJwcls ExElf'OJ) TO .d sei gleichbedeutend mit TO .LI. ,ear' oÜJwo, -z-ov. FI, und ebenso der ~atz "a9; ' oi To B nav.T~, ,ea-r' 1xel1'ov xai To 4 nancl, mit dem Satze To .LI.' 1iaTa "~,; , Toii JJ; mit ander~ Worten, · in jener Aus_druckeweise liegt nichts als eiu'e der beiden .Prämissen , .zu der als ne&,A'ltp•s B 1taia mino,·TOii r hinzukommt, um .d ,tara : n: aJ'T0' oder.,ear' .o,1Jwo, TOV T herzustellen. Daraus geht tern: er. her; or' dass die Formel ,ea/ J' ob T0 B >laTC TOIYlOV "ai T0 A nach Theophrast selbst dem Ob-ersatz eines SyllogismU: s in der ersten Figur entspro~hen haben muss, während der-Scholiast sie als, der d ri't t e n angehörig aufführt; und ebenso verfährt er mit der Stelle des Aristoteles, zu der er diese Dinge beibringt. _Dass es sich aber in der That nur um ein -Misverständniss des Scholiasten handelt, . der glaubt, was zweimal ges~tzt ist, müsse Mittelbegriff sein, bew~ist die Art; ·me er die Stelle Anal. pr, II, 5, 58 a 29 behandelt. Er sagt ausdrücklich von delll Schlusse, der dort : vo~kommt ~~ -rd Ä µ1j.Je" ,; ,.,; {! i('<, TO B : n: ani 1.w _To d µIJJE,'t T<OJ', I' J: n: a(! i(EW ,; "; Y"'I oi: " TO B nani Ttp r' v'iiae: JtE•" dass der erste Satz desselben eine '1'(/ 0TflCI<! : . xata 1tf! DgllJ1/ ''"' sei' : weil der darin. unbestimmt gelassene Begriff, nämlich der-Mittelbegrif.f, nacb.her bestimmt hinzugenommen ·und so der Schluss vollen.det werde; und, fährt.er.fort, es geschehe das in der dritten F.ig'ur, da der 2 192 Christoph Sigwart 10 aufmerksam: wurde j. ·'! lnd'· so: stlhen wir, dass Theciphrast -und E'Q.d~mu§l ··nicht nur _ die· Terxninologi~ : fest~tellen; · ver~öge_ welcher. : d~r V.ordersl! ! ,tz -i-o ,r; ,yovµtWfW, : Mittelbegri; lf S-q,bject de~ .beiden and; rn sei, nild,er ist ~rfreut über d~n Gewinn; 'daa~: m,an _so in d~-dntten- Figur: einen a.llge~e: hien Schlusssatz gewinne; - Der Scholiast glaubt 'also in· der .fhat" dass seine drei Figuren den aristotelisohen entsprechen'; ' . ermüsste, wenn wir von de~ Be1spiele ,des Aristot; mit seinem anomalen Obersatze absehen, ·auch den S-c)lluss - , ., - ~-ittl9'' ob n{ B ,: "l'~ ~xai-' lxe(vOu 1tai TO .Ä '-11a11ri,~ }J iara mz"T~ TOV I' J~ciy1t11 'xa\: ,TO Ä ,eaui navrO, ToÜ I' für einen Schius_s in der dritten Figur halt,en, -\'veil der unbestimmte Begriff zweim~l-Subject ist. ~ .''Qeda.rf wohi. keine11 weiteren. Beweises 1 -dass, Theophrast 7 das ·nicht gelehrt, haben kann, wa~ der Ai; iony: Qlus berichtet. Dass erdie Schlüsse "ar„ ne&~2'1'/ J"' untersucht, ·ist unzweifelhaft; , dass' er.drei "Xn~tir-a unterschied' ist m; öglich' ~und, witd auch yon Philoponus "bezeugt; aber wie ers: ie ·: unte~schied und bestimmte, i! it hieraus njcht zu errathen.-" Jedenfalls : µiüsste, ·.was d,.er ~on. ala .drittes "-X'Jµti äufführt, das erste gewe~~ sein. Wenn er von den fertigen Syllögisinen des ~nst. a-µsg~hend· ~ie in einen solchen ßa,tz•zusa.mm_! li: J.fas'ste ~ da~auf scheinen, die Worte. hinzud~u,J; en, dass solche Sii~e Juvaµs, : ".e; i.11nnx~, -TOV t1ulloyurµov seien.so liesse sich denke~, dass e~ dem 2. Modus der·2. Figur des Arist,-eU: tsprechend etwa_ die F~rmel befu: aQhtete : \ ..att'· oi TO R "~J,vor; , Kin' , .. stvou TO Ä opJno,. un'd de~_ dritten l! 'igur ,ttift' .oi ro B Tl1'0<; ~ . "a": ', -,: ,.i/ "ou ro. A · TIJ·O<; - 'Sätze' : die freilich ,nur, möglich sind! 'wenn, man den Syllo. gismus schon'. hat, aber formell·· immerhin einen Schluss "ara n" möglich _maii! J,en. ·Es würdesich dann erklären, wie· d,er An,onymus (Br. 190 a 25) sagen· kann, es lasse. sich··auoh aus -zwei particulären Prämissen ein Soh111SS ziehen; während -die daneben s~hende Be- .'hanptu~g, inan könue'·auf diese Wei~ aus einem·n~ativen Satze einen bejahenden ableiten, vielleicht auf das obige Beispiel ans Anal. pr. II, 5· geht'. · W'¾i,s ·dann ferner die drei Fig,uren d0! ! hypothetischen Schlusses, 3,~ ·re•lß.11 .betrifft,' eo ist der B~richt ·aeii Alex. Aphroit. ,' · den: Prahtl sejn~i Darstellung I, 380 ff. zu Grunde legt (er gi~bt nur ungenau ff 382 unter, II die Schlnssstl,tze' »wenn B ist, so ist C nicht« und »wenµ' CJ is~, so ist ß nfoht« .statt: Wenn : 8 nicht ist, so j.st.C, wenn C nicht ist; . 80 ist B), gewiss der allein 'richtige , ·und· es ist nicht anzunehmen, dass der abweichende Bericht 'des Ph.iloponns etwa darauf beruhe,.· dass. dieser andere Modi .d~rselben Figuren anführe; denn die zweite und dritte 'der von Philoponus' (fol. LXX a, bei Prantl s. 323). aµgeführten ~chlussweisen· sind ·geradezu falsch. , Er sagt nämli~hdie' zweite la-q,te eZ To. A •a• . To B ,l µ1j ,TO ·r, ov3e T-0 B ,l. ...~ TO A / 1ea, ol3'e Td r. Es folgt aber _nicht der letztere Satz, sondern_ der· Satz· · ode! der gleichgeltende . .Die dritte _Figur soll lauten El µ~ Td I', q.J3'e TO .Ä,. ,l 7(1 •.A, lttri : .,.o I'. el µ~ To B, oiJ,Jr,· TO Ä El ~tf B, •i .,-ö. I' el ... ~ -_,l_ TO i: e111, ooJI Ti TWJ, I'. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 193 11 der· Na~hsa.tz ·'JO, Jnoµa"! W', ihr- 'V ~rhältnil! SaxoJ.ovflia., -das ganze ,UrtheiL "; o tWVrJµfibm, ··heisst 18-; ~ s.oridem es ~eten·. auch schqn die fundamentalen Sätze i'iber das Wesen ·einer s.6lohen d,10): ,opt; ia auf, welche den darauf _gegründeten Sclilussm? 'di~ zu· Grun~e· liegen, dass nämlich_ mit dem Vordersatz der' Nachsatz. be- · jaht, mit dem-_Nachsatz der Vorders1J,tz aufgehoben sei, ,dass somit, vermöge des letzteren,·· mit: de~. Urtheile e(-r: o 'A, xat- -r: o B immer auch das andere gelt~· e1 µ~ 'l; O ß,. ovöe 'EO A u. Ob 'aber diese älteren Peripatetiker eine ,solche, t~no: J-ea,g ' schQn als ein· eigentlie: bes Urtheil, d. h. als 'eine directe Behauptung ·ijber das Verhältniss zweier·· Sätze betrachteten,. , ist fraglich. De.nn ,obgleich sie -den Vo~dersatz dem Subjecte, · den Na·chsatz -dem .Prä.dicate verglichen : 15 ( w_orauf Theopbrast ebeni seine Parallelisirung der. hypothetischen Schlüsse öux 'r: (JtWV mit 'den katego,rischen gründete), so is} doch' nicht; sicher, ob sie mit dieser.Ver- ,_gleichung ~owei~ Ernst ~achten, dass sie die nächstlieg~nde Auffassung des Auch diese iet-faleQh,· deIIJ/ . es folgt el -ro A, .. ~i--rö r oder der .gleiohgeltende Satz el µ~ 'TO r, otkJI! Td .d.. Da Theophraet · nach dem· jedenfalls · glaubwiirdige: ii. Berichte A113xanders über das Princip, nach welchem _Schlusssätze abgeleitet werden l,llÜBsen,. ~~nn V orde'r- oder Nachsat; 1. in' beiden Prämiseen entge.genge~tzt sind, vollkom: m~n i~ Klaren ist, k! l,nn e~ diese Foph~n nicht auf- , gestellt haben" und ·der ß(iricht des PhilopQ: nus mu~il a~f irgend eiiie~-,~sver~tändnissbe- .ruhel! , D8.$s übrigens die ganze Vergleichung dieser· Scl)lussweieen mit den k~tegoriechen etw11,s hinkt; bedarf keines. langen, Beweises; : die_ JPsten· und zweiten -Figuren lasse~_ sich' @t Recht vergleichen; die / iritte · hypothetische Figur hat aber mit, der dritten -kategorischen gar ni~hts ~ehr gemein, -~ls •ein: e'' äuBBere Aehnlichk~it. . · · · · · - Die· Verm~th~~ Ueberwegs (Logik 3. Aufl., S. 345),dass Theophrast die Figqre_n· dieser hypothetischen Schlüsse-J,a. _T(/ uiiv. deshalb anders gezählt_habe,als sie in Ueberejnethnmung mit der, aristotelischen; ,Zählung Alex. Aphr. aumihrt, weil er -das Subje~t mit deI! l-·Nacheatz, ·das Prädica,t mit dem Vördersatz parallelislrt habe, scheint _mir ganz unmöglich·, da Alex. Aplirod. gerade das- Umgekehrte sagt, undnirgends ZU verstehen giebt, dass er ·d,arin: ' von Th~ophrast ·abweiche. ~ • · · 13 Philop. ~d Anal. pr. : Br: Schof 169, b, 18 ff. ' , H Alex. ad· Anal. pr. fol. 134 a, bei Prantl' I, -381 Anm. 61: Jti.-ara, nu 'Tii ror.a~rn avi; vyl'f 1tai ',; "; ,; a2w 211<p9i; .-a_• TO 11vµ11iqa,11µa, WS'! µ~ fnO,u'wo11 ei„a, dll' ~youµE>"O>", oJ µ~" ,; ,.).~ &22„ av11 drti: H11~·t1v'l'ai: t•n~ yae rov, 8t ra·A, TO I' avv&yera, ,ca, TO »El µ~ ia : r. ooJe ro A.'! - Philop. bei B.randis'- Schol. p, J 70 a: -rw11 -ro ,I„a, ~ µ~ " ·,.,.-ra11,cwa,onro~ .koSem«lw 01 µiw aro2"ov/ Jla11 1taTa(! 1<f1Ja,{ovaw Bt JE- Jui_~,~~·. ,cai Tf,; " a1tolov9o,; 1taraC11CEvaCon""' oi µ,v Ji ,ttia" TOÜ 1/ yovµ{yov RttTat1x1väto~, 7t) .tnOµEP? "• oi ,J; Tij Jymelae, TOU ffloµbov a„a,qoiia, aat- ? "Ö ~ro~pEYtW_ die zwei T('Ono, des hypo.th. Sobl11ilses J.' &.,co2ov9{a; . , n Alex. ib. ,; ; .&J.oyo11 yae_ TO _IJE~ .2,; y" ,ca): lintaSa, .. ~; ; ICln'J'IDe'ia8-a,' , ro , bt 1lexea9-a,_ 0 Ttjj ,1noziia9a&, -J11011~,Ta1. ycie '11"" rq; hr.~µiv'f) tlÜTf: i. 2* 194 Christoph Sigwart ·12 ....... hypothetischen UrtheiJs·,. e~ enthalte ~ine bedingte Ilehat: tptjmg: .dea Nach~zes,: ver~~en und ~u der· anderen· fortgeschritten ·wären, wefohe. darin.' ein, einfaches, Untheil über die Folge· zweier; Sätze 'erkennt„ : welches ~ie· jedes .and~ UrtMU nicht'. ~loss . wahr. oder fa! sc,h. ist, sondern , auch streng e~wiesen. >wer.den kann. Denn: , es: ist -keine Spu'r davo~ vorhanden,. dass sie ihrem hypQthetischen· Schlusse ö~& .; ~·diese Bedeut~g beigelegt hätten; er·· dient ~zur,.zeig~~; ; l„o,! : ,önOG "; l ~iJ1.: fj-.d OVK--B; 'tJl,(Joh. Phil. ad Anal. pr; ·bei Br. ·sch~ 170 a. 15). 3. Erst die ~toi.ker haben bestimmt den Satz" "wenn A _: ist, so ist-B" al~ 'Ein 'urtheiL,aufgefä.sst, das deID .einfachen Ur.theil dapri-. gleich. ,ist; ' dass ~ihm W ~hrheit oder.·· Falschh~it zukommt, d~ss . ~s also ei~e .bestimmte Behauptung · enthält. Sie ha~e~ .·demgemäss gan~· ~orisequent' den Begriff- ~i~er vnö.9-Ecrti; gar nicht darauf· angew~ridet~· s,ondern den" Natrlen eines mb8-er,110J1, der. UfS~iing- . liehen Bedeutung entsprechend, auf Sätze beschr~~, die· '! irklich ais· blosse Annahmen, ·nicht ,~ls f~ste Beh~üpturlgen _auftre! e: h, wie · vnmeelß&w. i~'II " 11hi1; qov J..(fj'~'II. e'r,e,v neoi. -i-ov O~(laJIOII •. , Sie• JJ,ehne~ Jenes: UrtheiJ- ~ie' die Peri- 'pa.tetiker ein (/ VVl]~µevoJI; und es, ist ihnen < eine Art des hicht. eiiifachen Urth~il" n~ben : welcher no.ch, ~as copulative, das disjunctive, das .causale und vergleichende unterschieden werden 16 • · Ist nun auch ·o.iese Einthei~ung zunächst von i,i.: us11er- . . ·(,_ , ' . . liehen g: rapimatisehen .Gesichtspunkten ausgegängen und. sa-chlich n,ieht. zu recht- . fertigen: ·so darf dn.: rüber nicht verkannt werden, d~ss ..sie zuerst diejenige.Auf.: fas~~ngsweise' des hypothetisc1: ie: ri Ur-theils aufgeste1lt haben, welche·den eigentlichen Geh~lt desselben trifft, und auf der. ,~e~ne· logische Berechtigung ruht. . : t)ie Conjllnt}ti~n I wenn' behauptet nämlich, dass de~ Nachsat~ -d~ _Vorder,satz · fölge, U: ncl die Richtigkeit des Urtheila hängt also dave: 11 ab, ob die behauptete Folge wirklich gülti~ ist 17• · 16 Das Nähere bei Prairll I, 440 : lf. Zelle'! ' ID, l 93 : lf. 17 Diog. Laert. VII, 71. Ivr'l/ µµ{t,o„ 8S't TO OIWBS'O, 'J~ TOV m -~n; ,1tOV ·-r1eaµov, ''Enayyilü-ra, r1e J ,: ~wd.saµog -~h°' tl1tol9vlls,.. : ro ; Jevnqor Tfß 'ne"n,p.,_ . , . Sext. Emp. · adv. math. VIII, 111: 'EnayyiUea'B-a, J~ Jo,u; ; r.J. erowiiTtw ~llt0µ'" tl1tolovll1,r T<p V' aVTtp ~T'{J T~ h, a.J-rp Js-/ ,-riecw, lt; ., lJFT°' TOV ~y_ovµWOIJ faE08a& ·Tc) J.~yo,-, '~Q{Js„ Q&J,Of,t{"'ß f,t~ Tijg ro,a-/ i,~11' ~ayysUa" -1 Jxolov8ojjn"' 1: tp ~yovµw'f' rov lwovros ä1.'}9'es yl„BTa& 1tal TO a,n,'1/ µµwo" • µ,i aro/ ; 0µ{1111'· Je" v"uJo,. , . . ' In dem n·aeaav"'Jµµ{.,o., (en,i .A. is-r., .B 1s-,l: ) wird ganz richtig q.ie doppelte Behauptung erkann~, _d,ass .A. u.nd B eine Folge bilden,· und dass .A. sei; aber es wird in Beziehung aarauf so wenig als in Beziehung auf das »caus; j,le«· .Urtheil die Conseq1._10nz gezoge: tt-, dass es eben Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 195 13 ',Ueber .'die Kriterien.der GültigkeiL~ines solchen Urtheiis· : wl! rden riun -,aller~. dings v.~r1; 1chiede'ne· ·Regeln· aufg~stellt. Die einen nämlich acheinen : gesagt zu haben: • das hypothetische ·urth! )il ·ist währ, wenn da1; 1 Gegentbeil des_ Nachsatzes dem V orde: rsatze widerspriohti falsch, wenn er ihm nicht : widerspricht; die andern·, es· ist .wahr; wenn· ·der' Vorder~at~ den- Nach~atz p·otentiellin sich enthält 18 ; zwei, Reg~ln, die freilich k~inen. Schritt weiter bringen, weil sie im Grunde nur eine -Umschreibung· d~s Verhältnisses der axolov: J-la selbst sind; - und der Widerspruch s,elbst ·nur_ erkaniit werden kann, wenn man der-Folge schon gewiss· ist. Wenn der, S~ el 7JfJ.E(! a. l~,; pwf; . e~t. darum wahr sein soll" weil ov <pciif; e~t dem darun: i. -ni~ht als, coordinirte Art neben die ov"l'Jl'l'&o11 gestellt werde! ! kann, welches nur eine ei~zige B~li~uptung enthält. . . , 1 s Diog. ,L.' VI! , 73 führt -nur das erste als stoische Lehre an. Se: xtiis Emp. ·Pyrrh. Hy'pot. II,· 111. 112 beides. -Die ·consequenz, die Se: x: tus zieht, dass·nach der ersten Lehre nur 'ein Urtheil mit 'zwei identischen Gliedern (el ~,ulqa 1,l11, ~µlea J"j wahr sein könne, nach der z~~iten ab~r eben dieses falsch ·sein müsse', )Veil -das erste das, zweite ni9ht l>,otentiell umfu~se {Jw" n•e,i,r"), 'geh~rt wohl nur ihm selbst an. - Mit 'diesen Versueh: en, · die· Kriterien der Gültigkeit -eines hypothet: iscbeti Urtheils zu fi~den, schei~t,nun freilich .seltsam zu -contrastiren, was,Se: x: tus Pyn_,h. Hyp. II, 110 adv.-Math. VIII, 113 als Lehre i>hnos, 245 ff. als Lehre der Stoiker berrnhtet, jedes ou"""""'o": sei richtig (tyJ,), 'in welchem -nicht-~us Wahrem--Falsches folge. So dass ~ach ~ auf dreie~iei Wei~e ein ~ahres, auf-einerlei ein·falsches 11vr~µµ"l~o11 entstehe. W: enn, nämlich Wahr! )B aus Wahrem folge (Wenn Tag ist-, -ist -Licht), ode~ Falsches' aus Falschem -(wenn die Erde fliegt, hat si~ Flüg! ll), oder Wahres aüs-Fii,~chem (wenn die ]Jrde ,fliegt, ist ie" S"Q sei-, das Urtheil wahr; . fälsch_', nu'r, wen: n es von Wahre~ beginnena zu Falschem; führe, wie-wenn Tag ist, i~t Nacht. Aehn- Iicli.es berichtet Diogd,. VII, 81. - Nachde~ Se: x: tus Vllt, 112 selbst erklärt hat, alle lehren; das Urtheil sei tj.chtig, wenp, \le~ Nachsatz dem Vordersatz folge,· wäre es : iri.öglich," dass·· wir es hier nur mit„einer Consequenzmacherei des Sext~ zu thu~ hätte~ (adv. ~ath: VIII, "113.. ,JJ,s .,.e,zii>r; >ta1: ' aJ.,.·,; " yl11E<1: Jq, dhJ&e. OUlll'Jµµ,1101'), der den richtigen Satz: .Nur w~ Falsches aus -'W-ahr~m folge, sei das Urtheü n<ithwendig· falsch, d. h, könne die Consequenz nicht bestehen, nicht' ~ber wo Wah~es _aus W! tliril~, ; Falsches aus Falschem, odeie Wahres a~s Falschem folge, in dieser Weise gewendet hätte.- Nähmen wir die~s-··alß Lehre Pliilos· an, so wii; rde,die sogleich zu geb_eride Lehre Diodo~ all! ,' eine Verallgemeinerung und Verschäi.'-fung ,der. Bestip: i.: mung des 'Philo erscheinen. , Vgi. auch Zeller III, 1, 96. Anm. 4. Dass übrigens 'soiche dein · Princip., ,das die Stoiker für das ,-hypothetische Urthei 'aufstellten / direot widersprechende Ve: rsuche; : -die Wahrheit und Falschheit der einzelnen Glieder für sich in· füij; i: ~oht zu ziehen und verschiedene Combinationen her: i; ustell,~: n,.'selbst dem Chry-sipp nicht fern standen, b~weist seine Behauptung, es gebe ein hypothetisches Urtheil, in ·welchem aus Möglichem Unmög- .'liches folge; s. Prantl I; 464. Anm. 66: -; _ unp. _dass -dieses sinnJos·e Verknüpfeµ von Urtheilen, von denen nur jedes für sich wahr oder falsch ist, vielfach getrieben wurde, .beweist auch Boethiu~, s. u. S. ·16. Anm. 23. , · 196 Christoph Sigwart 71µ,e(! a .i; , wide~spriehi ; , ·so ist dieser Widerspruch ja _nicht. terminis .expre~is ge~etzt, s<: mdern. nur darum vorhanden-, weil .realiter mit ~µeea: e~l das· ·fJJW! : i~i notlrwendig.·verbund~ri )st. ßo vermissen wir eine genauere Bestiµuµung.· der . axoJ: .fiv/ fia,. u~d eine feste- Unters~heidµ.~g. des versc~jedenen ·Sjnnes, in. wehfü~m .ein': Conditionaludhei1 il.usgesp; oohen,werden kann, je IJ..achdem _es,unbedingt)ür - - ,..., ~ ' alle Zeit -gültig ·sein, odet nur unter ,bestimmten empiriseli.en Voraussetzungen a-usgesprochen ·sein _.s~ll; .die Yieldeutigli: eit des sprachlichen .Au~drucke.s, _durch den auch Sätzever: bunden. werden_, di'e -k-ein~n inneren Zusammenhang haben~ SQndern -nur zufällig in einem einzelqen Ji[oment~ zusammen wahr sin.d: (el ~µeea eit, . dlwv n~f! ir,; a-tei), hat offenbar mannigfache_$c~~ierigkeiten hervorgerufen·. til, · denen wenigstens· Ein beitchtenswerther Versuch entgegeq.tritt; die .·strenge Conseqt1enz. des Urtheils _zu retten, die ~estimofong -Diodors. nämlich, ein ·hypoth_etisches Urtheil ·sei ,nur. dann gültig, _wenn es niemals : möglich g~wesen, sei, oder niifgHch sei,· dass ·wäh~e~d der Vordersatz wahr ist, der· Na~h! latz fal_sch sei •·o-. Eine. Function: 'des ·hypothetis~hen, U~tb'eils ist nochaus.drücklich hervorgehoben. worden, nämlich dieJenige, auszusagel).; da~·etw1,1,s E r k. ~ n n t n i s _sg r u,n d eines ·andern s~j. Von ·di~sem .Gesichtspunkte aus· heiss_t der Vorder.- . satz. ein : 01Jµeiap, wenn er dazu dient, den Nachsatz aus · sich zu enthüllen (ei«~ AVll~UCOJI. 'EOV hjrono~) .. Da' die ·ijtoiker' hiebei nur an dJe F~le ged.a.~ht ~u.h1: tben schei~~n-,. in welohen' vermöge desobje-utive_n Causalzusammen.hanges -etwas · empir-isi: ih Erkennbares .einen Schluss auf etw~ anderes Factisches .gestattett so erklärt sieh daraus. die Bestimmung, daiis ar; µeiov 'ae~ ·V order.satz in ei~em richtigen hypothetischen Unheilesei_, welches von Wahrem beginnend in Wahrem aufhör.e 111 • 4. Sehen wir demgemäss·. bei den Stoikern zwar die Grundlagen der Lehre yom hypot! ietischen Urtheile vorhanden, aber ~i,cht consequent durchgeführt, wie, ~nsbesond(; lr~ die Gleich,stellung desselben ·rilit ander~ zusammen,gesetzten Urth.eileri · u,nd de: r- Mangel der Untersuchung dar~ber beweist, warum denn ·.nur •19 So wJrd ·der Falliwtersucht, ·wo irgend einmal ein· Urtheil {Wenn-.Dion lebt, wird· er. leben) aufhören -wird~ wahr ZU seiri und anfangen fälsch zu werden. Vgl. Prantl I, 466. 20 Sext. 'Emp, adv. Mathem. Vill, 114. cfr, Pyrrh. Hypot. II, po: d,&J~o; J, ,JJ.'18~ elvai' 'l! 1J"' (JIJP1jf'f'tl"ov, 'Önee µ~re wE3.ii(ETO µ~u · "Jtxe~a, ...lex~µtvo,- ·a11' al~8ofi, .l~yew _; .,; ,. ·tp,iilh". . Danach ist nach Djod,er das_ lJrtheil el ~µtea .Jr; lv •rw~ J,aUyoµa, falsch, weil -es möglich ist, dass der Vordersa,tz ·wahr, de: t Nachsatz aber falsch ist. • 21 Sext. Emp. adv. Math.·VIII, 245: : tf; / Pran~l I, 458 f. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 197 15 die. hypothetischen und. disJunctiv~n ·UrtheiJe, nicht .aber. auch die übrigen zusammengesetzten eigenthümliche Schlüsse begründen; so finden wir bei B o et h i u s -eine ziemlich vollständige Behandlung des hypothetisQhen Urtheils, hinter welche die ·Folgezeit freilich·,wiede1.• 'vielfach ~urückgegangen ist. .Jedes Urtheil·(enuntiatio) ist entweder kategorisch· (praedic; mtiva) oder hypothetisch (conditionalis). Das kategorische hat zum Inhalt das prädicative . .Verhältniss, die_ Z~gehö~igkeit eines Prädicats ·zu einem .Subject, vermöge .der, das Subject den ,Namen_ erhält, der Prädicat ist. Alle .üb~·igen A: ussagen ,ind .zuletzt aus einfac~en kategorischen zusam_mengesetzte Reden. Ab.er während andere_ zusa.inmengesetzte Aussagen, -wie z., B. · die cop)lla,ti~en, nicht bloss verschiedene Sätze en_thalt~nl son~ern auch eine mehrfache 'Aussage machen, so ist das hypo.thetische Urthei1_ zwar eine aus kategorischen Sätzen zusammengesetzte Rede, was aber dadurchausgesagt wird; ist ·einfach. Währepd, nämlich in den kategorische~ Sätzen ~as Verbum die· Aussage vermittelt, liegt die eigentliche Behauptung in deh hypothetischen Sätzen in der Oonjunction s i. Der In~a: lt der Aussage-aber· i! lt die Conseq.uell.2,· der be.iden ·Glieder, nic~t die Existenz des ernen,-_od: er andern. Dieses Verhältn,iss ist wesentJich v,erschieden vom prädicativen; denn währ~nd in diesem gesagt wird, dass ! l,as S'ubj~ct clas sei, was, das Prädic~t. sagt, so sagt dashypo~hetische· (si peperit, cum v,iro co: il· cubuit) nicht 1 '·dass der Nachsatz dasselbe· sei, wie der. Vordersatz! sondern ~ur, dass wenn da11 eine ~_ei, auch .das andere sei H. · 22 Ilo~thlus, De syllogisma, hypotheticQ I. ed. Basil.. i546 p, 606. u.: Propositio omnis ·aut cutegoric~ est, fj)tae ipraedicati-va dicitur; aut hypothetica g_uae.conditiona~is vo~atur. PraedicqtitJa est, in ·g_ud aliud praedicatur i; k alio, hoc,modo homo animal est'. , Hypothetica autem .est, g_uae cum g_uadam· ,cimditi(}ne denuntiat esse ·aliq_uid si fue,rjt aliud. HypÖth.eticae autem JWopositiones ea; categoricis constant. - De interyretatione ed'. secttndQ ib. p._ 329 u. Est autem praeter has (den copulativ verknüpften Urtheilen wie-Apollo, fJates est et-Jupiter· tonat) alia composita 'oratio .ex propos,tiimibus Cmijunctione conjunctis, U n a m S i g rt i j i C an S "; ._ e m , ut. cum dico Si dies est, lWJ est. Duae enim propositiones g_uae s~nt istae, .dies-est, iitx e~t, "si" .conj~n~i<»,u(copulantur, sed·haec oratio non signi(icat multa, tieg_ue enim diem esse ·et lucem ·esse. proponit, sed. si dies est, lucem esse. Quocirca sf-gniji'cat. eons~g_uentia_m g_uandam, non exist~n'ti~m-pr~f>~ticmis, non enim aicit utrasgue esse, sea· siuna est, aliam consequi ..... irh~ginerii g_uidem emitt_ens pliµ-_a significanai, un_am vero rem _signi.ficarts .oratio, (Diese Stelle ·scheint >von Pr! ! ,ntl nicht beachtet worden zu 11~iq, sonst·könnte._er .kaüm S. 691. 701 tadelnd sagen, da~s Boethius da~': i1ypothetis~he Urt; heil nach stoischer Weise als Product · ei~er Zusammenset~ung neh~e. Er •hat im Gegentheil die stoische· N ebeU: ei~andel'lltellun,g· vp_n Sä~e~,. welche. nicht bloss zusammen- 198 Christoph Sigwart 16 Näher geht d~s eigentliche-hypothetfache- Urtheil ! s- durchaus au.€ eine ges~tzt sind, ·'sondern_ auch mehrere .A~eeagen 'enthalten, ~eben da! ! _ b,ypothetische- U: rtheil berichtigt,_ ih dem e~ dieee~-ais ein der Bed~utung -na~h einfalilies erkamite, 'und den 1: 1,ndern Zuaammenset: zi_mgeng(lgenüberstente: ) - . , , ib, p. 32! 7~. ~-: Si ~ conjun<; #<}ne_profe"_fim, si dies -est, l113l est, tota -1'isin eonjun~one C,~stit. -Ven.tati8 enim _ailt fal#_ta_~- ~ationem sqla IJ~Wf}_c-Uo t(me,t: . : -·-· in -~~licibus pr~posi-Uo; j_ilnls praedic9-Uo . vim obtinet.__iJe Diff. top. l'· 8! >9 : - In hypotheticis q_uaestiontbus illud tantum. q_üaerit'ur, an itiam rem ! l"°-6 praecerI# comitetur 'u '(faoä sequeflS' esse prop'ori~tur. , De syll-. hypoth. I. pi_ 606. 607: ; --Prae~~dti-,a pr(IJ_W~tio •• : -, vi~auamin soia prneäi- . C(Jfii,one. -CO'! ! Stit! 'it -~ 1n conditiona{i _ vero cot! IJeq_uentiae ratio -ex conditiorte s_uscipitt4! ' .. ·-. _ Praeäic(J,tiva g: üidem pr~ositio -habet_ ~u-11i terminu~ s.ubjectum, 1ilterum. praedfo<i~ .. i _cu,; _ dicinius' homo , animai" es.t •- ••. homo ani~Zis suscipit nomen' - Cti~ ipse hom~: animal ~seprop.imitur, -·Af in his propositioniüus quae' conditiondz~s -'llicun~~ nori "idem praedicationisest m-oaus: , Neque enim-omnino aitermn de 'altero praedicatur, sed id: tantum tlie_itur., esse altnm, si aZterum fuerit,_ ~eluti cum ~{&m~ s~ peperit, __ cum_ viro ~oncld>uit, non ~im tt1ric. dicitur' ipsum peperiss_e -id esse q_uod est _imm viro ·c~cumb~e" sed id tantu,ri'proponi~,- <JJJOd partus nunq_uam esse -potuisset/ n'i,s{ {uisset cu-m tiiro -9onculn'tus; So unterscheidet sich' auch; trotz s~heinbar gleicher Ge-ltu~ der~Satz homo animai est von ·dem"Satze si homo' est, animal-est; der letztere beiBBt: -si fuerit aZiqua res q_uae homo . esse ,-dicatur. necesse .est ~m rem' esse q_uae .anif! ial nuncupetur, -- . , _. . . 23 Indem Boethiu~ (De Sy-11. hypotb. p~ 608) auf die äusser'e FörJ'.! l_ der Conditionalsätze ~chtet, und findet, dass auch cum dasselbe meme: b. kön]).e, wie si, hälter-·: air nöthig, .diejenig~n -S_ätze , we-lcheäuseerli~h als Conditjonalsätze, -d., h. mit _cuni oder ·si ; i.uftreten ,zU: . unterscheiden. Duobus modis conditiona~eB : fieri,possunt, Uno secundum .acci~ens' _aitero 1't habeant aliquam naturae conseq_uenti_am.: Secuntlum acci~ ho'c moäo, ut cum dici~us_: cum ignis caliilus sit,_coelu_m rotundum est: N<YTI, enim-,q_uia ignis calidus·est, coelum rotundum est, ~ed üi haec propositiQ 'designat, quia-(JJ'o te,m! ! ore, ignis calidus est, eodem-te,mp~e coelilm'q_üoq_ue rotundum 'est. Damit, -will wohl_ Boethius solohe -Urtheile überhaupt. von de,ni Biigriff des hypothetischen, Urtheils,. wie er ihn aufgestellt, ausschliessen; _wenigstens· ist nachher nicht mehr davon "ciie Rede; In 13eziehllllg auf· diejenigen, -welche eine conseq_u6l'itit1 naturae haben, macht -er eine - .aJlerdiD; _gB nich,t g-anz klar ausgedrückte Unterscheidung. Harum q_uoq_ue -duplea: modus est, uni'8, cum tiecesse _est conseq_ui, ea tam~ ipsa -eonseq_uenUa non per terminomm positionem fit, aZiua vero cum J; ,_t· conseq_uer+tia perterminm: um positionem., Zu -den ersten, geh-ört das Urtheil ~ homo si.t anim"'l estJ. hier·ist di~- Consequenz unbestreitbar wahr-; sed non-idcwco animal est, q_uta hoino est-, noti enim' idcirco 'fj~us est, quia species est; eher könnte· man umgeke~t sagen, das·Gen,us __ sei Ursache der Species. Andere Urtheile dagegen enthalten UI der _Aufstellung der Termini selbst die (realeJ Ursache der Consecfuenz: Si terrae luerit obj.ectus" ~fectio· lunae con~equitu-r, haec· enim conseq_u-entia .vera _(d,81.' Text hat rata) est et idcirco defectio lunae consequitu-r ·q_,iia terrae inten; enitobjectus. · · D. ,h. bei der -~il)en Cla~~e von Urtheiien drückt das hyp9thetische ·Urtheil die· reale Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 199 17 n9'thw: e'.ndi·ge Con·sequenz. zwischen der Behauptµ,ng. des Vordersiitzes und der Behauptung_ des Na~hsatzest und das Wesen dieses Verhältnisses -ist in dem .,Satze liusg~sprochen, dass· wenn das .erste ist, notl; iwendig das zweite i_st, wenn da,s zweite nicht ist, nothwendig das erste nichtist; nicht. aberfolgt umgeke_hrt aU: s dem Nichtsein des erste1: 1 das IS"ichtsein des zweiten, rioch au-s dem Sein· de.s zweiten das Sein -des ersten M. - Dies~ nQthwendige Consequenz wird · immer in derse1ben Weise beqauptet, wie beschaffep. auch sonst die. durch die Conjunction verbundenen U~theile ~ sei-n mögen, ob· allgemeine oder ,besondere, ob Urtheile überein Sein, _über Noth, wendigkeit pder Möglichkeit. - Auch das Urtheil: ~Wenn es möglich ist,ein Buch -zu lesen I _'SO ist es möglich I zur dritten Zeile Zll; gelangen", behauptet ' ' - ' ebenso ··ein,e nothwendige ·Consequenz zwischen V: order- und Nachsatz; und es giebt ·darum am hypothetischen Urtheil selbst keine modalen Unterscfüiede 1111 • _-Darum, ist ·auch einem hypothetischen Urtheile nur dasjenige entgegengesetzt, .welches sein~ S~b'stanz, die nothwendige Folge, aufhe~t ·; dem· Urtheile „ wenn A ist, ili\t ·B_", widerspricht nur, we.r zeigt, dass wenn A ist, .-darum nicht sofort auch B sei, sondern A sein könne, wen~· auch B nicht sei; und diess ist, wiederum dasselbe, mögen die_ Glieder des hypothetischen Urtheils .~ejahend oder verneinend. sein 26 •• - C~; qsaJverknüpfui: ig. a~s, welche zwischen seinen beiden Gliedern, besteht, bei der ander)l Classe ist·--die ~eale Causalverknüpfung ein~ andere: Worauf -aber_ dann die Wahrheit der logischen Consequenz beruht, hat Boethius nicht umfas~end erörtert, obgleich er p. 607 die Riel! ,tigkeit der. Corisequenz -in dem · bestimmten Beispiele , cum homo sit ,_ animal ·est, ganz treffend dara\18 nachgewiesen, quorl, si fuerit alfqua res quae homo. esse dicatur, necesse 8'1,'t aliquam rem esse quae anim~l nuncupetur, d. h. aus dem _Verhältniss · der Begriffe animal und, homo als genUIJ und species. . 24 ib. p. 609: In ·conseq_uentia propositionis conjtmctae si est pnmum, secundum esse necease est, si' secundum non fuerit, non 'erit primum etc. . _ . 26 : ib. p. 614: Omnes -neceBBariam consequentiam tenere 'Dolu,it, et qua.e im.esse significant, et quib'! -'s necessitas additur, et q_uibus praed_icatio poBSibilitatis adjwngitur. Bi Socrates sedet, et 'Dwit heiest, soviel als Si Socrates sedet, necesse est tn'Dere; umgekehrt-Bi ·sol movet"fr, nec~- . sano 'Dtmit ad occasum, soviel als si sol movetm: , 'Dtmit ad occasum ..·Necessitas -enim propositionis in conseq_uentiae immutabilitate consistit. • Item cum rl,icimus, si possibile est legi, librum; 1)088'1,öilt est ad tertium tersum-pen,enire, •'1'\f'1'SUS necessitas consequentiae servata est • ... 26 ip. p. 614: Op_ponuntur autem hypothetieis propcisitionibUIJ iZlae solae quae earum sulJstantiam perimunt. Substantia 'IJero propositionum hypothetica'! "'f"' in eo est, . ut earum consequentiae -necessitas 'Daleat permanere. Si quis ergo recte conditionali pr<Jpositioni ,: epugnabit„ 3 200 Christoph Sigwart 18 Boethius stellt .nun'-.aber trot? "dem eine EintheUung · der hypothetischen Ur- ·theile auf, w.elc~e darauf gegründet ·ist, ob die einzelnen -Qlieder des hypothetischeii· ·U rtheils ·bejahend oder· verneinend sind.· · Es können nämlich I. beide ' ' ~ , bejahend, Z. . das erste ve~0: einend-, das zweite_ bejahend,· s: das erste bejahend, das. zweite verneinend ; 4 •. -beide verneinend sein. B e j a h e n de hypothetische Urtheile sind solche, · deren Nachsatz bejahend i11t,. also.· die unter' 1. und ,2.; ·ve rneine~d e. hypotli,etische_ Urt}i: eile sind -solche, deren -Nachsatz ,vern-einend ist n. -~ (Es, tritt hiebei" die Betrachtungsweise, welche das hypothetische Urtheil nur' als bedingte Behauptung des Na~hsatzes ~11; ffasst, störend in •die· ande,re · he~ein, welche ·dari_n ·die· Behauptung einer nothwendigen Consequenz sieht.) Diese Unterscheidung '.der ·vier Fälle-, welch~ s_päter auch· durch die ganze Syllogistik in nniständlichster Weise .hindurchgeführ-t wird, ist vom Begriffe des hypothetischen Urtheils aus, welchen Boethiu.s a~fstellt, unwesentlich und äusserlich; - ~ie ist, abe'r bei ihm IQotivirt durch die enge -Beziehung,· in welche· er das disjullct.ive Vr.theil _zum hypothetischen setzt._ Unter dem Einfluss«; ! der 'J'radition nämlich, W! : llche _das conditionale und disjuncti°"e Urtheil unter -dem gemeinschaftlichen Nan1efl des ; hypothetischen zusammenfasst_e, 'erklärt .er., zunächst im. Widersp-ruch mitseiner eigenen Gleichsetzung von hypothetisch und conditional, dass ~uch durch Disjunction hypothetische -Urtheile entstehen von der Forn/ Entweder A ist oder B ist; -und er- -zeigt, dass die Aussage ·"Wenn A ist, s~ ist B _nicht", von diesem disjunctiven Urtheile sic4 wesentlich unterscheide, sofern "damit nicht' gesagt se~, dass wenn. A nicht sei, dann B sei 118 • Das · disjunctive Verhält~iss Entweder ist A oder B enthält vielmehr nicht nur in sich : "Wenn A ist, so ist B nicht", sondern auch: Wenn A nicht ist, so ist id efficiet, ut earum destruat ·consequentiam, '#Jeluti cum ita dicimus si a est b, non ei, repugnabit si monstret m"t'-.non esse d•aut non esse b, sed posito quidem a, os~dit non statim consequi esse b; sed posse esse a etiam si b term'inus non sit. Ebenso widerspricht man dem Urtheile · si· ~st a; non est b, wenn man. zeigt cum sit a, posse esse b terminum. _ 27 ib. p. _608 u. 615 .die Aufä; ählung der . vier Fälle. Dann p. (? _14 u.: Swnt autem hypothe.tica1J ptopositionu aliae quidem affi,rmati'IJae aliae ·negati'IJae ... affirmativae -quidem, ut cum dicir,ius si est a, eBt 11, si a non est, est b (4er Text liest non est b). Negatiw1e si est a, non' est b. - Si non est a, non est b; Ad consequentem ~im propositionem respici,end~ est, ·ut an· affirmati'Oa an negativa sit propositi.o 'judicetur. 2s p. 608: fitJnt 'IJllf"O propQsitiones hypotheiicae etiam per disjunctionem ita: aut hoc est, aut illud est. Nec ~adem 'IJideri _ debet haec propositio 9.uae Bic enuniicitur : ,ßi hoc est, illud non , est eti; . Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 201 19- - B; und ebenso,die S.ätze: Wenn B ist, so ist ,..t\_.nfoht, wenn B ni5}ht ist, so ist A ss: . -· · · Sc.heint es d~mnach ·zµerst, · dass ein disjunctives. Urt)ieil· nuJ·_in ·zwei zusammengehö~ig~n hypothetischen ausgesprochen -~_de11 kann,· so macht Boethi'.lts doch ·11päter: wo er die hypothetischen S~hlüs~ · ~us jenen ·viet,erlei I'rämissen durchgeht, die _Entdeckung, dass es Ein hypothetisches Urtbeil giebt, welches iwar nic-ht der ·Form, aber· der. Sache. n,ach. mit einem di~j~'Qctiven ·Urtheil ~leichbedeuteI! ,d ist; nämlich das ·Urtheil Wenn A: llicht i(rt ,. ist B. _Der· Regel des hypothetischen Schlusses. nach würde näml_ich nun folgen; dass werin B ist, nicht nothwendig _Aist; aber „man kann kein Beispjel eines Urtheils ·von,der Form Wenn A nicht ist,_ so. ist B _finden, in welchem es .ein J? rittes zU: A und B gäbe; . sondern wenn das eine'_nicht ist., so ist sofort das ·andere, und w; enn {las .ei_ne ist,· ~o istdas andere nicht.'' •Hier : kann ,also · in der That a~s der Gü~tigk,eit -des Nachs8jtzes auf die des Vordel'~atzesgeschlosseµ werd~m, aber nur vermöge der Natur der Sache, _nicht vermöge -der (formellen) _Be_schaffenheit _des Satzes 30 • So werd'en denn ·auch die disjunctiven Schlüsse vq_n. Boethius, als hypothetische betrachtet, d~ren Obersatz ein derartiges umkehrb~es hypothetisch! ; ls Urtheil,ist 31 • Die. wichtig-ste. Untersuchung, ~ 'lV~lche -er anstellt, ist diejenige, w9raüf sich dllnn ein hypothetisches Urtheil gründe, und welcher Art die· Folg~· .sei, . die zwischen ~eine_~ beiden Gliedern· bestehe.. Indem er die -obig~ ·.vierfache- Ei~theilung zu Grunde ·legt, : findet er z.qnä-chst .für die Urtheile-mit _zwei -bejahe~den Gliede~n,. d~ss . ihn~: µ gewöh~lich dieselb~n Ver9ältnisse zu· .Grunde liegen, wi~ den kategorischen Urtheilen, · nä,D: \lich die. Ver_hltltnisse 'der Begriffe.- _Mit der Species -nämlich ist das Genus, die Differenz, die D~: 6.nition, ..das_ : Pr~prium, ·-aas --~--,..,_-_ - . -, ' - ' ' - - ' 9 ~ p. 611. Disjunctivae Jjropositiones semper · ex contrariis ,constant, ut 1wc: aut est a, aut b est: ~ltero ~iin pdiito alterum tollitur; et pntiremto ·alrero ponitur alteruf! ': Nam si est a, non est u.. Bi non est a, est b.: Eodem modo etiarµ si sit b, noit 'erit a, si non est fi,-: e,; t ,a. 80 p: 616 .... Tertius modus . _-.: hoc mo4o· sinon est ri, e~t. b. .Atqui -non est. p; , est igitur b . .. . • quod si CCJ? WeTtas et sumas e~se '/ ) . ' . non necesse erit esse. v_el non esse' id ~d praecedit. Sed -hujus e.remplum non 'potest inveniri, eo quod si ita : pr-O'J)onatui ut cum non 'sit a_sit b i nihil es; e medium vide~tu,: (i~ter) a atque b, Sed in his si aiterum non fumt, statim neceSBe est ess~ ! ! ! lt8'1'Uf/ l, et si aUerum f~eTit,- -stätim necesse est 'alterum n~ esse, videtur ergo quodamn.odo em .. conieque~ti. posito in his jieTi syllogismus. Sed ·quant1,fm ad rei naturam ita est. Qt(antum vero ad propositwnis ,ips~us p~tinet conditionem, -minime cimse~itµr.. . . . Similes sunt hi syllogismi_ his qui in disj~rwtion~ sunt constituti. Dasselbe wiederholt s,ich p. 617 u. 618 m. p. 686: Aut _eet a aut est _b. .... similis esl_ ei : pr-OfJ~tiorii' quae dicit Bi n()n est ~ est b. s1 De syll. hypoth. p. 636,-638. - · '3* 202 Christoph Sigwart 20 untrennbar,e Accid~sgesetz.t; .mit .de1µ Propriu; i: n und·det-Definiti,on die-Species, ~it dem .P'l'oprium eile Differenz .und die I)efinition, mit der Defi~itiot1• d~s Proprium· ~de: i; . die_ Differenz. · Ausserde~-- 'folgt -theils dj.e Wirkung Q.er ·Ursache, _, theils· · die Url! 'ache: der Wirkung-j'-dem ~ttnzen ,die Theile; das A,djectiv oder Adverb dem Substantiv und umgßk~hrt; den. Acuidenti~n 1~e Substanz 82• · . ·- In denselben_ ·v erhä,ltnissen bewegen .· -sicli _ au.oh -die Urtheile, . welcqe ver: n~ne11deri Vorder~ : . und : Nachsatz haben·; , ·denn ·mit jEider Folge z~ischen bejahenden Sät~en 'ist auch •die umge_kelirte Folge .zwischtin ! l,e~ entsprechenden Verneinung~n g_egeben: Jl 8• . . I>enjenigen .hypothetischen -Urtheilen, in welchen" der Vordersatz bejahend, d~r Na.~hsat; ; en; teinend ist, liegt ·.di: is _-V erhältniss ierschiedener Genera oder ·; ers-chi~den~r Species ,. 'oder des. Ge~ensatzes oder der P~i~ation ~n.d' des Ha~ ·hitus- ~u Grunde, überha1,1pt· jedes Verhäitni~ von solchem, was nicht dasselbe ist; -.damit ~aber ··der Vol'.d: ersatz verneinend-~ der Nachsa~ hejahenJi sein könne, wird ein ausschliessender Gegensatz ,erf-ordert; -~~- ~elil es kein' Mittleres ·giebt H. . . . 9 2. De di: lf. top: p. 860. 861' : · ... k prius qt'idem ejus. quaestionis f aciendia .est ditiisio in qua äisceptatur, an afformation~ '~ffirmatio' consequatiw <p,eae prae<JM; atwarum qua.estionum .~ effug# ~. N am_ ut praeceda.t aliquid et ah'wl C()'f! Seizuatiw, in hi8 fere' reb.us ooenwe solet quaspaulo 81-',Perius commemoravi {bei de; r Untersuchung -der Frage, worauf, das ,kategorische Urtheil l>er~h~) •. Sp~ quippe sequittw genus (B_eispi~l ·si homq,es_t anim,a.l est) tiel diJferentia (si homo est rationale est) ·vei d~fjinitio (si homo est, ~nima.l rationale mortale est) tiel proprium (Bi h<imo_ est; risibi'ze eät) tiel f,&separabile' ~cidens (si : aethic"ps, ni'ger e~t). Item propritim et diffinUionem sequitur species .(B. Si risib&le, .,homo ~t; si animal rationale morlale es.t, homo est) proprium tiero 11equit,w il,ifferentiiJ, .. et' diffimtio (si ri8i'büe •est, rallio.nale est; si ,; sibjle _est animal rationale mortale est) _et ~iffinitionem sequittw prop~ium 11el di§er~ti,a (Si animal-rafliona,le mortale ·est, risibile: tiel bipes est). . Praeter haec autem--alias quidem ejfectus eausam, alias .tiero effectu,m causa· sequittw (Si BQ~ presto est lucet; si quid exustum est ignis adfo,t,it). : Item totum.partes sequuntur, ut· si" integra domus est, et tectum et parietes et fundamenta cimsistimt. · · , , . · Modus etiam sequitur nomen prinfipale, ut si justitia bona est, et quod juste est bonum est; nomen etiam principale sequitur modum,· ut si quod jwte est bonum est, et justitia bona est. Accidentia quoque comitatur id, quod subjectum. eri; ut si album esi" cotpus_ est. 88 ib. ·p. '861 o. - .84 ib. p. 861. .Earum tiero quaestionum quae et affi,rmatione et ·negatione consistunt iUa f6'1'e divisio est, quoil tiel ~ ditiersi6. genen1Ns (Beispiel Si 1iomo est, -albedo non est) 11el in di- 11ersis specie~ (si homo est, equus non est) 11el in. contrar.iis ~(si album est, iligrum non est) ·.,ei Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 203 21. -D.iese-_--Auseiµandersetzung giebt ~war ein 'rühmliches - Zeugniss v~n ·dem Bestreben des-Boethius,; sich.üb.er· das Wesen des· hypothetisch.an Uriheils klar zu ··werden, sie zeigt .aberzugleich einerseits: , wie•· einseitig die in deri' aristotelischen und ·stoischen Logik behandelten Begriffsvernältnisse ihn b~herrsohten,. so 11: ass, das· hypothetische Urtheit in .der Hauptsache doch ·: o,ur als ein anderer Ausdruck ,des kategorischen· .erscheint, andererseits wie• vollständig sfoh. ·die ' ' ' - ' schulm; tss_ige Behandlung von der·_ Betrachtung des wirklichen, ~enkens uµd E1·kenne-ns, wie es in Leben _und Wissenschaft sich ~ollzieht, losgelöst hatte. Denn fastalle Beispiele,. die Boethius beibringt, sind solche, die in ein~ ·vernünftigen Laufe d'es Denkens ga~ nie_ vorkommen; schon dass die hypothetischen- Sätze fast immer bloss mit einem ,est' gebildet werden, beweist, ·dass man sich zu_nächst _an die Formeln hi~lt si A est B est · und danh, _st~tt A und B als. wirkliclie kategorische: Sätze· zu, behandeln, den ni; \chsteh besten begriff- Hchen T~rminus für A und B' einsetzte, um eätze zu -gewinnen, wie: wenn ein Mensch. ist; ist ein Lachfiihiges. , Es inuss in der That aqffallen' da~s trotz der Erkenntniss l da~ 'hypo~e~ tische -Urtheil sptech~ eine nothwendige Consequenz aus, es sovielichfinde Niemanden eingefallen is.t, .auf, die Auseinand~r~etz~~g~n _des Ari~toteles (A; lf taph. V, 5) über das ffl'{! tj'~iOJI- und -speciell über das e; m'l: o.{J-eo~w~ am"x~iOJl .(v~l. Waitz II, 359) ,i~rijckzugehen, 'lind das hypothetische Urtheil. als den- Ausdruck dieser Art von Not! iwendigkeit •hinz.ustellen, deren allge·mein: ~r : S~griff theils. die .causale Nothwendigkeit der, ·Wirkung· aus einer hervorbring~nden Ursache, ~heils die. teleologische Nothwindigkeit des ·Mittels für d_en: Zwe~k, theils die. logische ·N·othwendigkeit des Schlusssatzes ~us den P: rämissen in sich begreift; Nicht einmal das Jetztere ist von der logis~hen Theorie beachteLword~n, so nahe auch V~ all~n Seiten 'die Anknüpfµ~gspunkte lagen,. und, so. hä~fig Arist~teles· se,lbst die Syllogismen vermittelst eines Jii eingefü~rt ·hatte. Es ist zwar. von Theophrast und Eudemos erka~nt worden, dass ein Satz wie -xa..9-' 'oiJ -'to B~ xcit-a '&QiJ1: ov xat 1: 0 A im Grunde sch_on ei11-en Syllogismus enth~lte; ab-er sie -machten den Ueber- , ) l ' ' in privatione atg_ue-habitu continentiw (Bi_ coecus eJif, non videt) et postremo in omnibus quaeeimque eadem non sunt evenit, ·ut si unum _est, aZtenmi _ ~ sit . : . · , . Ut autem neg(ltionem afformatio corisequatur ... fleri ntm potest, nißi in his eontrariis quae medio carent et quprum alterum semper iness'e necessd est, hoc modo: si dies non est, nox eiltt si tenebrae non sunt, lWJJ" est. · 204 Christoph Sigwart 22 ga.~g zu-dem verw~ndt«; in.Urtheil 8l -ro_Ä xa1: ci 1: woi; , -xt1&a-te1ii av,; ov xat i-a -B nicht.- Ehenso. haben die. Stoiker erkannt,. dass· sich Mn hypothetiseher Schluss immer : i~ ~inem hypothetischen Urtheil --ausdrücken' lasse, wenn ,man die~ beiden Prämissßll, in• den ·V ör_de,rsaiz 'st«; illt; allein sie ma: ohteQ _in F.o-Ige ihrer Vernachläl! ~igung. des kateg.~ri~chen Schlusses die Anw.endung nicht auf diesen· ~; nd ver'• sperrten SlQA_ so die Einsicht in ein~n wesentlichen TheiL der- Grundl,ageh hypothetis~heJ.- '. U: rtheile. : IDb-enso wenig · ist · die. in· A1#t. Met11,ph. : V, 6 gegebene Unterscheidung.der-b1ossen Bedingungals des a·wal: uov '\'.'O! } ·der· vollen Ui"13ache ' ' . mit dem .. -hypothetischeri -Urtheile in der logis.chen '.l; heorie in Verbindung ·ge,bracht ··worden, so_ bestimmt auch die Bez~iclm~ng de's-.U: rtheils a"ls oo~ditio-nii.Ien dazu aufgefordert.hätte· 85 •. _ Von einer näheren B.eziehung, der Lo'gik ~u de.r · wiss~n~chafüichen Erkenntnisa '! ,lnd · ihr~ii. For~en und Methoden-, welche z. B_: auf di~ Untersuchung -der-math_ematische~ Lehrsätze. hatte führen ·müssen, ist'° in späteren Zei~en ohnediess k_eine Rede- 'mehr.· , _So mangelhaft -n\l: n aber nach dieser Seite 'hin· die Theorie des Boethfos ist, so -gehört_·sie nichtsdestoweniger zu dem besten; be: sonnenst~O: und grij.ndlichsten, was, auf deneinm_al gegebenen_ Grundlagen vorhanden ist, und .man. -möchte manchem neueren _Logiker' wunschen, . dass er wenigstens· bei diesem grQssen Schulmeister des --Abendland~s-. in die ,Schule gegangen .wäre. · -5._ Wir lllÜSS'en es ·dem Leser überl~ssen, in Prantls .grosse91 Werke nachzusehen , was in der. mittels: lterli,chen Logik aus der Lehre der Griechen ge- WQ_rden ,ist. · Mit Ausnahme der Araber 86 ist die Erkeiintniss, die Boethius hat,_ d'ass ·das· hypothetische Ul'.theil sioh dadurch v_om copulativen scheide, dass_ es eine einheitliche Aussageenthalte; wieder verloren gegangen ; und die Einthei- 85 Am voll~tändigs~n hat Alex. Äphrod. die- Beziehung des hypothetischen Urtheils zum Sylfögismns--erlrannt, wenn er (ed. Flor. f. 107 b ~.),sagt, um ein hypothetisches Urtheil als wahr zu erweisen, bedü.rfe es eines kategorischen Syllogismus: "~" To ovn; li1; ( das hypothetische Urtheil El -~ae~~ enu; ,; µ11, o,Oa,n'~ Js-w) Jet~iero; OE>JTa, 11u,Uoy,; -,1t~, ,eij1t1ivo ouz 1taT'1)'0fU<OÜ o"z&~o,rai 11vll~y,11µoii., El yae ß11 ~>JTOuµwov, o,a rt, ~ _dem), el eni; -~µ17; ( de~ Text giebt _ 1/ Jen~ im; ; r,µ']) o,Jan,j e; -,; i,; "&eta~ ,ea/ tolov neora<1fOIG rijq, nijaa lrm; -~µ11 o! Jan~, ~ j• a11ET'7 m,; -~/ UI, ytvera, 1taT1JJ'O/ / "',; ' 11u.Uoyu1µ0; . Er verwendet aber diese Einsicht nur, um, die stoische Aufstellung des hypothetischen Schlus~es zn bekämpfen, durch den in der That nichts erwiesen werden-kilnne, da man den hypothetischen Obersatz immer nur annehmen , odex: , wennman ihn erweiseli wolle~ do_ch auf.einen katego~schen Syllogismus zurückgehen müsse. 86 Avicenna -und· ,Afga,zel, Prantl II,- 357. Anin. 215. iverroee, ib,- 379. Anm. 3il. Eine Spur ähnlicher Einsicht bei Occam, Pr. III, 396: Anm. 956. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 205 23' -· lung des „hypothetisc·hen" Urtheil_sin das ,copulative' Cfl,llSale', rational~, eondi~ tionale; disjunctive, temporale, locale" wie sie mit· wenigeµ Varia'tionen immer wi_eder~ehrt si, bewei~t einmal, dass der Terminus „hypothetis'ch" ,aeinen -ursprünglichen Sinn ganz verloren ha,~; und nur noch ein zusammengesetztes Urtheil .überhaupt bezeichnet, und dann, ·dass die äussere grammätische Form Sätze, ·die iri Bezieh~ng ~uf ihre logische Natur· s~hr vei'ß.chieden s_ind, in Eine Ola~se zusamm,en: w.erfen lress. · Trotz vieler Erweiterungen im Einzelnen ist die ganze mitte! alterliche Doctrin gegenüber von Boethius entschieden· zurückgegangen ; _ neue_ originelle Ansätze/ wie der Ver_such Abälards- (Prantl II,. 187. An~. 329) 1 das hypo~hetis~he Urtheil als Au~druck eines realen Causalzusammenha~ges aufzufasse~, bleiben isolirt_. II. 1. Betrachten wir die Geataltung der Lehre vom Urtheil -in der neu El r e n Zeit, so unter11cheidet fl~esich vor allem dadurch von der mit'telalterlichen, dass in der herr11chenden Tr: i: dition · sich di~ · drei Formen d011 kategorischen, hypothetischen und disjunc'tiven Urtheils als ~erschie'dene und coordixürte Arten des -Urtheils : fixirt, und als Aussagen; die nur Ein' Urtheil enthalten, v: On den z·usammengesetzten Formen get-rennt haben , die, wie die copulativen , cau„ salen u. s. w. eine Mehrheit von Aussagen einschliessen. Währ! ; )nd nun aber hierin die T~aditiön, init wenigen Ausnahmen, übereinstiriünend• ist„ hat sieh in Beziehung auf die Auffassung des hypothetisch~n Urtheils selbst keine feste Lehre entwickelt,. und insbesondere ist es das V erhältniss des hypothet i's c h e n Ur t h e i I s z11 m k a·t e g o ri s c h e n , das in den Vordergrund .der Streitfragen getreten ist, so dass von der Beantwortung dieser Frage ·die ganze, Bedeutung des hypothetisch~n Urtheils und seine Stellung innerhalb der -Logik abzuhängen pflegt. 2. Was ·zunächst die G~undbedeutung des hypot~etischen Urtheils überh,upt betrifft, so hatte W Q 1 ff d~s liypothetische Urtheil dem kategorischen so gegen- 87 Diese EintheHung. ·wirkt noch bis in die cartesianische Logik von Port Royal nach, nur dass dort endlich der Missbrauch des Worts hypothetisch für zusammengesetzt· aufgehört hat. 206 Christoph Sigwart 24 übergestellt, ,dass in diesellcl ein .Prädicat -von eine~ Subject u n b .e d in g t , in jenem aber. bedingt behauptet werde. Das Subject_ .also ,: ·von· welchem das hypothetische : Urtheil etwas aussagt, ist das Subject ·des Nachsatzes; und· der Vp~dersatz dient nur da~u, diejenige: ·Beding~ng anzugeben, unte~ welcher diesem Subjecte · ein bes#mmtes, Prädicat : ,; tikommt -1. Da ..nun · Wolffdie singulären Urtheile, · deren Subject ein bestimmtes Individuum ist,_ 'd~ sie· mehr im Leben. als in ·der Wissenschaft vorkom~en, ,bei Sei_te · liegen läss_t, so· b~cliäftigt er si<ih n~r mit solc'hen ,. in welche~ das Sub, je'ct, · auf welches das Prädicat _sich bezieht „und welchem es zugesprpchen. wird, · der_ S,pe.cies-, oder Genusbegriff_.ist, also _m~t allgemeinen, partieuläreh 1: 1nd solchen singulären Ur-theilen, in welchen -dem ei_nzelnen Ding ein Prädfoat darum .zugesprochen wird, ~eil in ihm der Suhjectsbegriff gedacht wird (hie lapis est du~us heisst dann: dies~ ist ein Stein und darum hart, und ist nu_r · gülti15, weil auch gilt omnis. lapis d'urus): und daraus ergiebt sfoh s~ine Unt~rscheidung der Prädicate, welche unbedingt, und der Prä.dicate, welche nur bedingt au~gesprochen werden können.· _ , -: Da nämlich unbedingt und beständig ~inem _Subjecte nur dasjenige zukommt, : was sein .. Wesen ausmacht, also seine wesentlichen Attrihute und die in seinem Weseri li~gend~ Möglichkeit. de),' veränderlichen Bestimmungen- und ·Relationen; so, kann,_alles, w: aB nicht .zu diesem. : unve,ränderlichen Bestande gehört, also, alle Modi ~nd Relationen, sofern sie nicht bloss als möglich, sondern ,als wirklich behaupte.t werden sollen, nur bedingt behauptet werden~ Man sagt also kategorisch,: der Stei~ ist schwer; aber .hypothetisch: der Stein ist warm, nämlich wenn er. erwärmt worden ist 2• · 1 Wolff, Philoeo_phia _rationalis sive Logica ed.; 3. ·von 1740 p. 224 ff. § 216 : Propo- Bitio categorica est in qua praedicatum absolute, seu nulla adjecta conditione, de subjecto enunciatur. ,_§. 218: Propositio hyp.othetica esi, in qua praedicatum tnbuitur subjecto sub .adjecta . conditione. · , -2 Ebendas. p. 142. § 60: Si ad ea attendimus qua rebus insun_t, alia constantia depre- 'hen4imus q_uae tamdiu insunt, quamdiu 6peciem ac genus non mutant '; alia vero rnutabilia, quae salvis specie ac genere entis mutantur. · p. 143. § 6L Quae enti cwidam constanter. insunt, ea de eodem absolute enuntiari possunt et contra. p. 224. § ·215: Attrilnita et i: ssentialia, nec non modorum atque relationum possibilitates" q_uae per .modum attributorum 'msunt, praedicantur absolute de suo subjecto. p. 144. § 62: Quae mutabilia sunt, ea de ente nonnisi' sub certa conditione enunciari pos• Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 207 _ 25 Aus ,dieser Grundbestimmµng ergeben sich d_ie Wßiteren Sätze W olffs. , Zuer.st da,ss das h; ypothetisch_e Urtheil mit .de.m particuläre.n verwand..t sei; . Denn .was einem Dfoge vermöge seines ·Begriffs ,zukommt,. muss allen Dingen von einer A,rtzukommen; was es aber nur zu gewisser Zei,t unter gewi~sen Bedingungen -hat, .das kommt _nur etlichen zu, n~mlich de~jenigen, die sich unter. eip.erlei -oder gleichgültig_en Umständen befinden. Alle Steine sind schwer; aber· nur etliche : i; na.-chen warm,' die n,ämlich warm ~ind. Ein. soJcher besonderer _Sa,tz: . "etliche Steine maphen warm",. _kann ga,r, leicht .in einen allgemeinen verwandelt werden, wenn mlWnur die Bedingung m~t hineinbringet: _alle, warmen Stei~e machen war,µ 8 • Damit hängt zusammen, , dass W olff alle diejenigen Sätze 1 · deren Subject ein irgendwie determini~t-es Substantiv ist, für bloss der Form nach ka: tegorisc~e, dem W_esen nach hypothetiscp.e erklärt. Indem ·er nämlic]l in Sätzen wie: · L~pis .calidlls calefacit 1 nur das Substantiv als ·Vertreter des Subjectsbegriffs betrachtet, behauptet .er,• diesem Suhjecte komme das Prädicat nur u~t~r_ d~ Be_dingung der nähere~- Determination zu, -welche entweder ein Modus od,er eine • ä'\1ssere Relation sei, -und .ein solcher sei also gleichbedeutend Qlit, Si lapis ·calidus est, calefacit ' · · · _ Ja selbst. diejenigen kategori~chen {Jrtheile,_ welche ein im We11en des Subjects liegendes, also i_qm unliedingt zu}t.ommendes- Prädicat demselbeµ zuspr~chen, sina im Grunde doch hyp~thetisch; ,d~nn .s,ie 'sagen ,das Prädicat ·n: ur unter d! : )r Bedingung d~r Defi.-nitio.n aus.; .und· -sobald diese Bedingung ausgedrückt wird; sind. sie a,u.ch der Form nach hypothetisch, Der Sji,tz "Figura- ·reglilaris .circulo inscriptibilis" heisstr wenn foh ~ie De; finition ejnse~ze, : i: ioviel · ~ls.: Si -~gura plana fuerit aequila.~era et aequiangula, circulo inscribi potest; Deus, ßre~vit mundum ist_ so viel a4i Si Deus _e~t ens p_erfectissimum, ipse mU; IJ.dum cre~vit 0• Im ersten $Unt et c~tra. , p. 224. § 217 ; M9d_i a~que- .rei~tiones et q_uod, im re gµada'II} mm ccm~tur .pos~ , bile nisi praeswp~sito quodam ejus mod.o, d.~ sÜbjecto suo nonnisi. c,onditionate m! 'flCiant~r. 8 Vei: nünfl; ige Gedau~eµ 'von ,den Kräften des,men1Jchiichen Verstandes-(1-749}, S.,71. 72. Logi~a p: 251. § 2'58.-. · · · · , - . _ • Lop.ca-p. 230: -§ 227 : Si cond.itio; 8Mb. q_ua : erae~ca~ con'l1enit _ ~jecto, ter"! ,in'o concreto absque particula cond.itiona~ subjecto ad.jecta exprimitur-, propositio habet formam categoricae, · etsi revera sit hypothetica. Beispiele: ·Lapis ea; aito d.elapsus ingentem_ ,ifnpet1'm habet. L.apis calidus calefacit, · · , 5 Ebendas. p. 228. § 225: Quae de subjecto absolNte _prasdicafltlfr, eaiJ,em ipsi ·tnbwunmr 4 208 Christoph Sigwart 26 Beispiel wkd also der: artbildende Unterschied} der den· Begriff ,der regulären Figur aus d_em. der ebenen -Figur her-stellt, in ähnlicher Weise als Determinatitin b_etrachtet" wie .oben der _Modus; im zweite~ Beispiel ist es unklar, ob der: Sat~ wahr istunter -der Bedingung, dass inan, mit dem Worte Deus den angegebenen Begriff verbindet, oder unter _der Beding~ng, dass das. reale Subject, das mit Deus hezeichnet "Wird-; unter_ den Begriff des-ens perfectissimuni fällt. Die Erklärung spricht für -das erstere. , , - Es hängt mit dieser. Gleichstellung des , kategorischen . und hypothetischen Urth~ils, wona.(? h dieselben begrifflichen Verhältnisse : von Subject und .Prädicl; \t_ beiden· in glei~her · Weise zu Grunde liegen, aufs Engste zusammen, dass Wolff inJ der_ Syllogi~tik den hypothetischen Schluss für ~urchaus. auf den kategorische~ ; educirbar erklärt uµd demge~äss die AufsteÜung der hypothetischen 'Schlussform für überflüssig hält. . _. _ . _ _ 3, D_ieser Aµfiassung; welche im' hypothetis! }hen Urtheile. die bedingte- Prä• dicirung eines Prädicats vo: p, einem -Subjecte ·sieht, und darum das, was dar4t vollzogen ~wi; rd,für wesentlich identiimh _mit der Aussage des kategotj: schen Ur- -$e_ils ha! ten ·muss, tritt scharf die -Auffassung: Kants gegenüber, welcher kateg.orische.s und_ hypothetisches Urtlie,ii ·streng zu s~heiden, qnd die Versehiedenheit der, l~gischen Function, in beiden festzuhalten bestrebt ist. . U,rtheil überhaupt· ist· die- Vereinigung dei Vorstellungen in _einem Bewusstsein. Die logischen Momente aller Urtheile sind. soviel .mögliche Arten-, Vorstellungen in einem -.Bewusstsein 'iu vereinigen. Alle Verhäitnisse des Denkens i~ UrtMilen sind 1. die des P1'.ädicats zum --Subject, 2. des ,.Grundes zur Folge, 3„ dei: ei'iigetheilten Erkenntniss und der gesammelten Glieder der• Eintheilung ' . untereinander. Die gegebenen Vorstellungen im Urtheile sind ein~ der_ andern zur Einheit des Bewusstseins untet·georduet, entweder als Prädicat dem $ubject, oder als · Folge ·dem Gr : unq,e, -oder als Glied der Eintheilung dem eingetheilten Begriffe._ 'J? urch 'das e~ste ·v erhä(tniss sind die kategorischen, .durch daszweite die hypo- _thetischen I durch das dritte die disjunctiven Urtbeiie bestimmt. Das W esentliche -des hypothe~is-chen _Urtheils ist als-o die Vorstellung der Consequenz, und sub definitio~iil conditiooe, § .226: 'Proposi~MS categoricae_ aequivalent hypothetic1S et ad eas reduci possunt , . , . si conditio in de#nit.ione subjecti co1ttenta exprimatur, ad 0 hypotheticas reduc~ntwr. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 209 27 diese ist demnach für die hypothetischen Urtheile dasselbe, wie die Cöpula für die kattjgorischen. Der hypotheti~che Satz: Wenn .eine vollkommene Gerechtigkeit da ist, so }Vird der beharrlich Böse bestraft, enthält eigentlich das V erhähniss zwei_er Sätze: Es ist eine vollkommene Gerechtigkeit da, und: der beharrlich Böse wird bestraft. Ob beide dieser Sätze· an sich wahr seien, bleibt hier unausgemacht: Es ist nur die Consequenz, die durch dieses Urtheil ge~ dacht wird; riur diese ist assertorisch. Kant erklärt sich dabei sehr entschieden ·gegen die (Wol: ff'1; che) Meinung, dass die hypothetischen Urtheile bloss verschiedene Einkleidungen tler kategorischen seien und sich auf die letzteren reduciren las~en. Sie beruhen vielmehr auf einer wesentlich verschiedenen lQgischen Functiön: des Verstandes, und sind ihrer Natur nach gan~ von einander verschieden 6• Diese Aufstellung Kants beherrscht nun zunächst die Logik der Kantianer; sie wiederhohm, dass die Consequenz des hypothetisbhen Urtheils specifisch verschieden sei von der Copula des, 'kategorischen, indem jene· eine Dependenz, diese eine Inhärenz ausdrücke; wobei sie übrigens,· so wenig als Kant selbst, das lpgische Dependenzverhältniss mit dem C~usalitätsverhältniss identi: 6.cirten, oder die hypothetische Ur! heilsform auf den Ausdruck von Caus.alitätsverhältnissen. bes.chränkten 7• 6 Kritik der .r. V. 1. Aufl. S. 6~. 70. 73. Prolegomena (Hartenst. 1. Ausg.) S. 223. L9gik, lierausg. von. Jfi; sche § 17 .. § 23. § 24. Anm. § 25. _ 7 z. B. J a c ob, (frundrisH der allg. Logik,_ 3. Aufl. 1794. S. 83. § 193: In hypothetischen Urtheilen Wird besthµmt, .dass si~h zwei geg~bene kategorische Urtheile so gegen einander verhalten, dass das eine ein Grund sei, das andere entweder zu setzen oder nicht zu setzen ... Die Consequenz, die von der Coptila specifis~h verschieden_ ist, m(l,cht die Foriii. der hypothetischen Urtl~eile aus. Hoffbauer, Analytik der UrlheÜe und Schlüsse, Halle 1792~ s. 29: Ein Bedingungsurtheil ist ein Urtheil, in welchem die Folge 'eines Urtheils aus_ einem and,ern gedacht wird ... Die Benennung ,bedingtes Urtheil' passt nicht. auf das Bedingungsurtheil, sondern auf den Nachsatz ... die Relation in einem Bedingungsurtheil ist das Verhältniss des Grundes zur Folg,e. Am : in.eisten .bemüht sich Krug (Logik ? der Denklehre, 3, Aufl. 1825) den Unterschied herauszustellen. Nachdem er § 57 in wundedicher Confusion zuerst die Wolff'sche Definition des hypothetischeJ'.\'Urtheils vorgetragen hat, wonach. es ein bedingt bestimmendes ist, fährt_ er fort: Im kategorischen Urtheiiverhalten sich die. aufeinander zu beziehe~den Vorstellungen (objectiv gedacht) wie Djnge, deren eines ,dem a~dern anhängt (inhaeret), im hypothetischen wie Dinge, deren eines vom andern abhängt (dependet). In diesem, sagt A~m. 2. S. 167, werden die zum Urtheil gehörigen Vorstellungen nicht in einem innern, wie _beim kategorischen, sondern in einem äussern Verhältnisse_ gedacht. Dann, an 4* 210 Christoph Sigwart 28 4. · D.en Hauptanstoss Zl'lr Oppositio: o: gegen dieses Kant'sche Dogma · hat Her hart gegeben. Er µiacht den Unterschied zwischen kategorisch und hypothetisch zu . einem bloss äusserlichen und unwesentlichen , indem er auch im kategorischen Urtheil, nur die Behauptung eines ähnliche.n Zusammenhangs nndet, wie ihn _das hypothetische ausspricht. Handeit es sich nämlich im Urtheile überhaupt nur darum, ob zwei Bes griffe, die sich irrt Denken begegnen, ein: e Verbindung .eingehen oder nicht, und ist der Begriff, det·· dabei zuerst aufgestellt wird, Subject, derjenige; der angeknüpft wird, Priidicat: so ergiebt sich daraus, 4alls keiner der beiden Begriffe für sich aufgestellt· wird, sondern Iiur in Beziehung auf den andern. "Ohne Voraussetzung d~s Subjects würde an kein ,Prädicat noch arl die. Verbindung desselben mit jenem gedacht· werden; aber auch der Begriff; ·welcher zum Sub~ jecte dient, wird als solcher keineswegs absolut, sondern hypothetisch, nämlich in ~Jw; J,(tU! J.g irgend. eines Prädicates und zu: rn Behuf de~ Anknüpfung desselben aufgestellt . . . . Das Urtheil A ist B . , , enthält keineswegs· die gewöhnlich, hinzugedachte, aber ganz fremdartige Behauptung, dass A sei; •denn von A für sich allein, von seinem Dasein, seiner Gültigkeit ist da keine Rede, wo man seiner bloss deshalb erwähnt, um die mögliche Anknüpfung eines Prädiaats an dasselbe zu untersuchen. Das Urtheil: . der viereckigte Cirkel ist unmöglich, das Kant'sche Beispiel anknüpfend, entwickelt er S. 199. Note: die Urtheile: Wenn Gott gerecht ist , wird das Böse bestraft, und: ein gerechter Gott bestraft das Böse , sind gar sehr verschieden, ungeachtet i}lr Denkstoff an sich betrachtet einerlei ist. In jenem Urtheil betrachtet man die Bestrafung des Bösen als eine Folge von der Gerechtigkeit Gottes, in diesem aber. als ein Merkmal von eiriem gerechten Gotte .... zwei ganz verschiedene Gesichtspunkte, aus welchen in beiden ; Fällen geurtheilt wird.. Ebendarum lässt· si~h aber auch ein hypothetisches Urtheil nicht in ein kategorisches verwandeln. ·Denn der Gedanke »B ist durch A«, ist ein ganz anderer,als der, »Bist in A« .... Uebrigens darf man die hypothetischen Urtheile nicht schlechtweg Causalurlheile• neimen etc. .T wes t e n (die Logik, insbesondere die Analytik 1825) geht zwar § 60 zuerst in'. der Bestimmung des Unterschieds "zwischen kategorischem und hypo~hetischem Urtheil ganz mit d.en · Kantianern (dort Einedeiheit, innere Verbind~ng, Inhärenz, hier blosser Zusammenhang, äussere Verbindung, Dependenz), gesteht aber doch nachher § 62 u. 63 die gegenseitige· Vertauschbarkelt der kategorischen und hypothetischen Urtheile · ohne Veränderung des Sinnes zu. - ,·Wer zuerst die Behaiiphmg aufg'estellt hat, das hypothetische Urtheil habe zu· seinem wesentlichen Irihalt das reale Causalitätsverhältniss, wird nicht leicht zu ermitteln sein; so leicht diese Behauptung atts der Kant'schell Kategorientafei ~ntstehen konnte, so findet· sie sich doch weder bei Kant, · noch bei den älteren Kantianern. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 211 29 schliesst gewiss nic.ht den Gedanken ein, der viereckigte Cirkel sei vorh_~mden, sondern es bedeutet: Wenn der viereckigte Cir,kel gedacht wird, so· muss .der Begriff der Unmöglichkeit hinzugedacht werden" 8• Das bisherige, fährt dann § 60 nach' Entwicklung der quantitativ.en und_ qualitativen Unterschiede fort, hängt gar nicht ab von der Form, unter welcher $ubject und Pdidicat, d. h. das Vorausgesetzte und das Angeknüpfte in dem Urtheile · Elrschein.en. Sehr ge~öhnlich stellen sich Subject und Prädicat unmittelbar als Begriffe dar, und ~lsdann wird _die Verbindung beider durch das' Wörtchen „ist"" die Copu: Ia entweder wirklich ausgedrückt, oder man kann doch den Al~sdruck auf sie zurückführen. Allein in anderen; ebenfalls häufigen FäUen, werden Subject und Prädicat als noch nicht fertige, sondern· erst zu bildende Begriffe; selbst in der Form von Urtheilen da~gestellt. Alsdann erscheint in der Sprachform keine. Copula, statt deren aber eine oder zwei Bezeichnungen, wodurch das Subject als das vorausgesetzte, das Prädicat als das Anzuknüpfende kenntlich wird (Wenn - · so). Damit ist also Subject und Prädicat des kategorischen, Vordersatz und Nachsatz des hypothetischen Urtheils ganz dasselbe, und· ihre im Urtheil ausgesprochene Verknüpfung .hat denselben Sinn. Fragen wir aber nach der genaueren Bedeutung dieser Verknüpfung: so erfahren wir neben dem negativen, ._ dass man nicht kategorische und hypothetische Urtheile so unterscheiden dürfe, dass jene ein Inhäre.nzverhältniss, diese ein Dependenzverhältniss ausdrücken, weil weder dieses noch jenes überhaupt bestimmbar sei wir erfahren zunächst gar nichts bestimmtes darüber, als dass alle Unterschiede der Qualität u~d Quantität auf die hypothetischen Urtheile anwend! >a-r seien, können aber aus den Beispielen schliessen, was Herbart eigentlich meint. Denn er rechnet dazu.(§ 60) auch soich: e ·Urtheile,: welche den empiris.chen Urtheilen der Wahrnehmung_ entsprechend bloss die wahrgenommene· Verknüpfung zweier Ereign_isse aussprechen, wie: werin es schönes Wetter sei, so stehe gewöhnlich d~s Quecksilber hoch-; und mit diesem „gewöhnlicJ" stimmt es vollkommen überein, w.enn § 68 7 aus Anlass der Behauptung, es gebe auch Schlüsse in der dritten Figur mit lauter hypothetischen Sätzen, die Sätze: Zuweilen wenn A B ist, ist C D als hypothetische aufgeführt werden; 8 Herbart, Einleitung§ 53 ff.' Hauptp. d. Logik II. Gesammtausg. Band I. S. 91 ff. 470 ff. 212 Christoph Sigwart 30 woraus· erhellt, in welchem Sinnees sich' im hypothetischen wie im kategorischen, Urtheil nur um „ Verknüpfung überhaupt" hande_lt. 5. Bestimmter drückt. sich über_ das W et1e_n des hypothetis.chen Urtheils · Ben-eke 9 )_aus. Dasselbe -behauptet die nothwendige Verbindung von. Vorder~ und' Nachsatz für mein Denken; eine mit Not h wendig k e·i t bedingte Abhängigkeit des einen von dem andern. ' Das Prod~ct, worauf ·es _ankommt, is,t die, Uebertragung der_ Gewiss.heit oder Ueberzeugung _von einem Gliede der Synthesis, auf das andere. · In Betreff des Verhältnisseszwischen hypQthetischem un,d kategorischem.Urtheil stjmmt er abel', im Wesentlichen mit Herba_rt überei11. Er ·bestreitet,· dass im kategorischen und-hypothet~schen Urfueil verschiedene Synthesen ausged,rückt würden, im kategori,schen das Verhältniss zwischen dem Dinge tmd seinen Eigenschaftep, in dem hypothetischen das zwischen Ursachen und Wirkungen. -Beide-.Formen h_aben die gleiche. Ausdehnung; der Unterschied ist -zunachst· mir ein grammatischer; .das. kategorische Urtheil ist die· gedrängtere " ' ' ' Ausdfucksf~rm , .das hypothetische die ausführlichere , und breitere; höchstens kann mansagen, dass. die kategorische Form für Eigenschafts~erhältnisse, die hypQthetische für -Oatisalverhältnisse näher• liegt. SubJect und Prädicat im --kategorischen Urth~ile verhalten sich zu der ·im Urtheile ausgesprochenen· Aussage gerade ebenso,· wie. Grund und Folge im hypothetischE1,n.-, Auch in jenem- (z. B. der Pegasus ist ein geflügeltes Pferd) behan-pten wir. weder das Subject noch _das -Prädicat, , sondern lediglich die nothwendige Verbind.ung des ersteren mit dem letzteren, oder die nothwendige Abfolge von diesem aus jenem. - 6'. In anderem Sinne führt J. St. Mill das hypothetische Urtheil -auf eiir · k~tegorisches zurück. Für ihn liegt die trotz der zusammengesetzten For~ einfache Behaupt_ung _des hypothetischen DrtheHs darin, dass das zweite aus : dem ersten gefolg(ll't wetden kann. Der Nachsatz w~rd von ihm als Subject betrachtet; das, P1·ädicat ist: Folgerung aus so und so. _Es wird also ga_nzwie in kategori~chen Urtheilen Ein Prädicat von Einein Subject ausgesagt; und .überaem ist diese Art von Aussagen. durchaus nii: iht ·die .ei_nzige, in welch1: 1rein Urtheil als Subject figurirt; "dass der Papst unfehlbar ist, lässt sich nicht aus der Schrift beweisen",_ ist ebenso ein Urtheil, dessen Subject ein Urtl; ieil i~t. Wenn aber so zw'ischen hypothetischen un'd kategorischen : .U rtheilen -viel weniger 0 Benek~, System der Logik 1842. I, 161 ff. II, 97 f. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 213 Unterschied ist, als aus ihrer Form hervorzugehen scheint, so ist die hohe Stellung, welche die hypothetischen Urtheile in der Logik einnehmen, nur daraus zu erklären, dass das, was die hypothetischen Urtheile von einem Urtheile aussagen, genau dasjenige seiner Attribute ist, womit sich der Logiker vor allem zu beschäftigen hat. Auf der andern Seite erklärt Mill fast in denselben Worten wie Herbart, das Urtheil A ist B enthalte nicht die Behauptung, dass A existire, und verbreitet sich dabei über die Zweideutigkeit des Wortes ,Sein 1• 7. Am schärfsten und eindringendsten hat Trendele n b ur g (Lo; ; , Untersuchungen 3. Aufl. II. S. 270 ff.) gegen die Versuche gesprochen, 'kategorisches· und hypothetisches Urtheil als Ausdruck verschiedener Verhältnisse des Denkens zu unterscheiden. Indem er als die beiden Hauptarten des Urtheils Urtheile des Inhalts und Urtheile des Umfangs aufstellt, kategorische und disjunctive, scheint das hypothetische gar keine Stelle zu finden; und Trendelenburg unternimmt den Nachweis, dass es ebenso wie das kategorische ein Urtheil des Inhalts sei. Indem er sich gegen die Ansicht wendet, welche dem kategorischen Urtheil die Inhärenz, dem hypothetischen die Causalität zuweist, bemerkt er, dass beides keinen Gegensatz bildet. Die Substanz ist in der ~genschaft causal, die Eigenschaft ist die an das Ding gebundene Thätigkeit; so vermag das kategorische Urthcil ohne Zwang die Causalverhältnisse auszudrücken, während umgekehrt das hypothetische sich in Eigenschaftsverhältnissen bewegt (Wenn ein Dreieck rechtwinklig ist, hat es die pythagoreische Eigenschaft). Der Zusammenhang solcher Sätze ruht zuletzt im Begriff, das Motiv des hypothetischen Urtheils ist dasselbe, wie das des kategorischen; beide theilen die Bestimmung, dass sie den Inhalt des Subjects aussprechen. Auch wo der hypothetische Vordersatz nur einen Erkenntnissgrund enthält (wenn das Thermometer steigt, wird es wärmer), ist die Beweiskraft der Inhalt des Subjects (das steigende Thermometer zeigt an, dass es w-ärm~-i: wird). Auch der Unterschied will nicht Stich halten, dass im kategorischen Urtheil Subject und Prädicat fertig und unbezweifelt gesetzt seien, im hypothetischen Satze als sich bildende Begriffe problematisch dastehen. Denn wenn nicht ausdrücklich die Ungewissheit betont wird, werden im hypothetischen Urtheil die Gedanken des Vordersatzes und Nachsatzes nicht mehr und nicht weniger in Frage gestellt, als Subject und Prädicat des kategorischen Urtheils; denr1 auch das kategorische 214 Christoph Sigwart Urtheil ist, wo nicht das Subject in der Anschauung unmittelbar gegeben ist, mit einer Hypothesis behaftet. So bleiben nur leichtere Modificationen des Gedankens als Unterschied des kategorischen- und hyp~thetischen Ausdi-'uckes. _Der letztere -vereinzelt in ~chär- . ferer Refle~ion Bedingung .und Bedingtes, um sie durch se~n ,wenn so' wieder zu vereiriig'en·; -das kategorische Urthejl, ·betont die• ,Ei~heit .des S~bjects mit seiner' Thätigkeit odef E,igensc~aft. Die Reflexion des hypothetischen, geht über die einfache .Thatsache, welche das kä~egorischa ausspricht, ·hinaus,_, undsucht in bloss~n Gedanken einerseit~ das Qloss _Mögliche, -und .betont andererseits ~ie Nothwendigkeit der Beziehung, daher es Ausdruck ·von_ Naturgeiletz.en ist. - ~ - ' ,S. Seh_en wii; so von vers·chiedenen Seiten übereinstimmend die Kantische Lehre. _verworfen: so hat sie dagegen in ~wei cler heutzu_t11,ge verbreitetsten Lehrbiichern' der Logik weni~stens insoweit Unterstützung gefunden, ~l.s die Versuche, dein hypothetischen Urtheile einen specifisch·en Inhalt zuz~weisen, sich wieder- -holen; . Dr o bis ck µnterscheidet kategorische! ! .und hypothetisches -Urtheil als Beschaffenheits- und Il_eziehungsurtheil; U,.,eberweg weist dem hypQthetischen - Urtheile aufs neue. das Causalitätsverhältniss zu, während -d~s ,kategorische· _das lnhärenzverhältniss -vertritt. Allein in der näheren Ausfüh! ,'.ungtreten bei beiden in ziemlich ähnlicher Weise Auffassungen ·ein, _weiche den Begriff .des hypothetischen Urtheil! ! überh.Q.upt alteriren, sofern nach Herbar,ts Vorgang rein empirische Zeiturtheile mit ei~entlich hypotheti~chen vermengt werden 10• 10 Dr ob i s c b (Neue Darstellung der Logik etc. Dritte Aufl .. 1863) schliesst sieb in Betreff der Auffassung des kategori~cben Urtbeils in~ofern an H~rbart an, als auch er (§,55) in, dem Urtbeile S ist P das. Subject ,nur als vorausgesetzt betrachtet, un.d also den Sinn dieses Urtbeils, mit, Bezug' auf die .Set~ung von S, dahin l; ,eat~mt: Wenn S ist, so ist S P, Allein abweichend von Herbart sucht -er- -einen inneren und wesentlichen Unterschied zwischen k11.tegoriscliem und bypotbetiscbem Urt: j: ieil; jenes sagt,aus, was das Subject ist oder nicht ist,· ist 'also eiµ,e B e s c h a ff e -n bei t s b e s tim m u n g, dieses sagt aus, welche andere .Begriffe im-Denken ~t ibm·-zu setzen oder riicht zu setzen sind, es· sagt aus, dass dasP,rädicat mit dem- Subject nur in irgend welchem äusseren oder inneren Zusammenhange, dass es in Beziehung zu iluµ steht, und ist-also ein Beziebungsu: rtbe_il, dessen allgemeine Form ist: Wenn ·s ist, so· ist· (ist nicht) P; was soviel bedeutet, als mit S ist (ist nicht) ,Pges~tzt. (o/ enn Sonnenschein ist, ist es bell; mit dem Mondwec~sel ist nicht W! ltteräriderung ver- ·bunden. Oft wird auch 'da.s ,Wenn' mit ; wo•· vertall~cbt; wo Rauch ist, da ist Feuer; wo Sehatten, da ist Licht.) , · Diese Unterscheidung zwischen kategorischem I}eschaffenbeitsurtheil und bypothetis! )he~ Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 215 1II. 1. Es möge a.n diesen Vertretern der neueren Logik genügen, u: m zu zeigen, dass. über da~ Wesen des hyp·othetische~ Urth~ils und sein Verhälµiiss zum , . , Beziehungsurtheil hält Drobis<lh auuh aufrecht,· .wenn_ die äussere Form scheinbar sie verwischt; »der Donner_" ist eine Folge des Blitzes«, ist ein verdecktes hypothetisches Urtheil. Aber es kann .diess nur gesch(; lhen, indem .,der· gewöhnliche ·Begriff dea hypothetischen: .Urtheils verlassen. ~d _dieser T_erminus zunächst nur auf solche Fälle, angewendet wird, in denen es sich wirklich bloss um »Setzung« von Begriffen, d. h. um die 'Form: Wenn S ist, so ist P h~delt, Nur diese, erklärt§ 52; sind reine hypothetische Urtheile. Nun_ kann -aber, sagt derselbe Paragraph, in der l! 'ermel, » Wenn S ist, so ist P«, der Inhalt der Begriffe S. und P t; lurch Urtheile von der ~orin S ist ein A, welches B ist, P ist ein C, welches D ist, ,näher bestimmt. werden (vgl. Herbart : &inl. § 65). Substituirt man den Begriffen S und, P diese Besti~tmgen, so erhält ,nan ·urtheile von der Fo: nn: : Wenn A B' ist, so ist (ist nicht) C D; ·. oder: Wenn A .. B ist, so folgt-·(folgt nicht) dass ! l,uch C ·~ ··D sei; : und solche Urtheile heissen kategorisc: Ji-.hypothetische: , Woher _dann fi.,~ilich das : &echt 'kommt, dem Vorder~a.tze »wenn 8.'ist« statt: Wenn ein A ist, welcbes ß ist, zu •substituiren .. »wenn A B ist«; · u; d.dem Nachsatze »so is.t ·p~ statt: so ist ein C, welches D ist, zu substitüiren: so ist O D, wenn doch' ausdrücklic)i (§ 41 Anm._ u. • §. 55) gelehrt wird,. das Uttheil A ist B habe mit de~ »Se~en« von A gar ri~chts zu thun, ist nicht klar; . denn in dem von Drobisch ~o genannten hY.Pothetisc; h-kitegorischen Urtheil haben wir es ja _nicht m~hr ·~t dem ,Setzen' von Begriffen zu tliun, J! On! lern mit dem Setzen ~o~ 'Qrtheilen, wie auch Dro- -bisch § 4i'Anm._S. 47 selbst anerkennt, wo er das kategorisch-hypothetische Urtheil aus dem kategorischen entstehen liess, in dem für S ist P, wobei S = ein A, welches B ist, geaetzt ~d: Wenn A B ist, ist A P. _ - , Wieder nach dem : Vorgange Heroarts. ~ndet Drobisch (§ 51) die Quantitätsunterschiede a~eh, auf das hypothetische Urtheil an. (wenigstens 'aµf das 'rein hypothetische; über das kategorischhypothetische äueser,t 'er eich 'nicht).. »De~n auch die Setzung von 8 hat einen Umfang; es lassen sich Fälle unterscheiden, in .denen S, gesetzt ist, sei es, .das8' S ·als generelle Bedingung niit me~eren speciellen Beding~ngen zusammentr-eten. kann, oder das~·, wie in empiri~chen Urtheilen, S wie<; l.erholt von verschiedenen Nebenumständen begleitet gesetzt ist·, ohne d,ass ein innerer (rationaler) Zusam~enhang· zwisch,en seiner Setzung und der von P gegebeµ ist. Hieraus entstehen nun die Formen der, hypoth~tischen allgemeinen, besonderen -qnd Einzelurtheile : In allen Fällen, -wenn S ist, ist (ist nicht) P; in einigen Fäll(; ln, wenn S ist, (ist nicht) P; in einem einzelnen Falle, wenn S ist, ist (ist nicht). P. 5 216 Christoph Sigwart ,kategorischen sehr verschiedene Meinung{)n bestehen, eine; Beitrags -zur Lösung. der, schwebenfüi_n Fragen ·zu und uni ·den Versuch rechtfertigen. Ebenso hat ; die Setz~g von P einen Umfang al~o »einige Fälle, in denen d~ Barometer. sinkt, sind mit einigen Fällen b1eibenden schönen Wetters verbunden« ~. s. w. · Dies~ .AuseiO: andetsetzung, die uns -~elehrt, d3: s~ ttnte1r»Begriff~n die mit einem andern im Denken z~ setzen sind«, neben nothwendige,n Folge~ngen auch -Wahrnehmungen des allerzufälÜgsten Zusammentreffemi einzelner Erscheinungen gemeint ~ind, uni mit. der _wir wieder J>iii ,z ~µlqa ,i. Lftw„ me; 1r_1m, oder cum ignis calidus e.~t coelum rotundum est angelangt sind, ist nur conseqtient,· nachdem-§ 50 erklärt hat. es ·sei ,völlig 'gleichgültig, wora.üf-·sich 'die-bejahte oder verneinte »Mitsetz~ng« des Prädicais_mit c}.em Subjecte gründe; '•ein hypothetisches Urtheil bra,uche rrlelit' den · inneren· Z-.: isami: nenhang der- Begriffe auszudrücken, ·dieser könne ·,auch· ein bloss äusse! ffi",' auf Erfahrung, ja ,'sogar ~in ~~f bl~ser Meinung, beruhender ,s.ein~ Noch weniger-.können wir _der Art beisti: ! ,ll,men, wie, Uebe·rw.eg in seinem so~st so verdienstlichen Wer~e (System .der Logik und Geschichte d~r. logis.chen Lehren._ 3. Aufl.. 1868) diese Lehre· b-ehandelt. Ganz nach dem Muster def Stoiker ·_imterseheidet er zunachst zwis,chen einfachen lindzusammengesetzten Urtheilen; . aber er treibt die Rücksichtnahme auf die grammatische Form noch: weiter als sie; er unter'scheidet Zusammensetzrin; gen ,-aus coordinii-ten und suboidinirten Urtheilen; unter. den coordinirten erschein~n nicht -bloss copulativ, sondern auch concessiv: und' causai: coordiriirte; während die Subordination wieder in verschiedene Fälle sich gliedert, ·ii1 denen nebeneinander focale , t~mporale, compa.: rative, causale, conditionale , coneessi~e , consecutive -.°ind · finale Sätze st~hen. . Alle~ wie sie sich ,unterscheiden, ob insbesondere ~- B. zwische~ den coordinirt• causalen und sub~rdinirt causalen ~gend ein Unterschied des. Gedankens besteht, der die Eintheilung rechtfertigte, wird nicht a\ligefiihrt, -~nd ,'nur gelegentlich : zunächst wird § 68. S. 161 gesagt und § 84. S. 228_ wiederholt, die hypothetischen _Urtheile gehen auf ein Causalitätsverhältnis~, sei es, dass sie das Verbundensei~ einer Ursache 'mit ih~er Wir~ng, oder umgekehrt: . das Verbund~nsein einer Wirkung mit ihrer Ursache,_ odAr das Verbundensei~ mehrerer Wirkungen der nämlichen Ursache untereinander, oder endlich das in realen Caus1tlverhältnissen begründete Verbundensein mehrer~r subjectiven Erkenntnisse bezeichnen; das naturgem.'ässeste sei• aber immer, dass sie den CausaJzus~mme! ! ha~g in der Richtnng von der Ursache zu: r Wirkung ausdrücken., Diess kann zur Erklärung einer anderen Stelle S. 344. § 121 dienen, w~ näher gesagt wird, in den. hypothetischen ··urtheilen werde nicht die Wirklichkeit des Bedingenden oder des Bedingten, sondern d er Z u s am m e n h an g zwischen dem Bedingenden unrl dem , Bedingten oder d a s D e p e n d e n z v e r h ä 1t n i s s behauptet -: welches al<! o mit einem CalIBalzusammenhang identisch, oder wenig@tens in ihm gegründet sein muss. Damit ist ·Ueberweg, wie er auch S. 345 ausdrücklich sagt, zu Kants Fahne· getreten; iibereinstinimend damit e~klärt er sich (S. 162 f.) gegen die Herbart'sche Aufhebung des Unterschiedes zwisch_en kategorischem und hypothetische~ Urt: freil, und hält fest, dass im kategorischen,Urtheil allerdings die Existenz des Subjects behauptet werde; nur soviel giebt er§ 94. S. 251 Herba,rl zu, dass ein einfach kategorisches Urtheil-sich immer in' ein hypothetisches verwandeln lasse, weil das Inhärenzverhältniss immer eine- »gewisse« Dependenz' des Prädicates vom Subjecte in sich schliesse; aus dem Urtheile A ist B könne immer das Urtheil abgeleitet Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 217 35 Wenn ein solcher nicht im Zusammenhange. emer systematischen Darstellung der Logik ~uftritt, so kann er ·sich zunächst nur auf den Boden der werden: wenn A ist, so· ist B; nicht aber umgekehrt aus dem hypothetischen ein kategorisches, selbst nicht wenn die Existenz von .& gesetzt würde, ,sondern nur, falls zugleich B zu, A in ,eine: )ll Inhärenzverhältni~s stehe. ~~hen wir nµn aber mit der Erwartung, aas hypothetische Urtheil werde in vermeintlich -- Kant'schen Sinne als Behauptung einer auf C~usalitätsverhältnissen ruhenden Dependenz behandelt_ und demgemäss entwickelt werden, an die nähere .Ausführung, so befinden wir uns plötzlich ganz in: Herbart'Rchem Fahrwasser, indem das hypothetische Urtheil, nachdem es in der Lehre vom Urtheile sehr stiefmütterliQh behandelt worden, in der Schlusslehre dem kategorischen ganz parallel behandelt wird ·und alle Schicksale desselben in Conversion una' Contraposition u. s. w. theilt; und nur i~ Vorbeigehen i"st -~iese -.Rangerhöhung § 84. S. 230 _damit motivirt, dass das hypothetische Urtheil als »Typ~s für die verwandten Arten der s\'.lbordinirt zusammengesetzten Urtheile« gelte. , Nicht nur finden (§ 85, ff.) die Unterschiede der _Quantität und Qualität auch auf das hypothetische U1iheil Anweng.ung, sofern es allgemein bejj: 1,hende und allgemein verneinende, particulär bejahende und particulär verneinende hypothetische Urtheile giebt, deren Form ist: A Jedesmal, wenn A ist, ist B E Niemals wen11 A ist, ist .B 1 Zuweilen wenn A ist, ist B · 0 Zuweilen wenn A ist, ist' H nicht. (Die Beispieie sind zu A (S. 232) : Jedesm~l. wenn i~ Griechischen . das· Prädicat den Artikel hat, decken einander die Sphären des Subjects und ,Prädicatsbegri: ffs. · zu E (S. .'239): Niemals, wenn zwei gerade Linien von einer. di: itten so 'geschnitten werden , dass die corresp. Winl,i: el __gleich sind, treffen jene Linien in_ irgend einem Punkte zusammen. _zn O (S. 242): Zuweilen, wenn 'Angeklagte ~ich schuldig. bekannten, war dennoch, die Anklage nicht begründet; zuweilen, wenn ungegründete Beschi; udigungen erhoben .wurden, fand nicht Verleumdung (sondern Irrthum} statt u. s. w.) sondern es giebt auch ein Verhältniss ,der Sphären des Vorde; rsatzes_ und Nachsat~es, die sich durch Kreise darstellen lasse~, , indem alle Fälle, in_,. welchen B sich ~findet«, ·abgezählt und mit denen, in denen .. A »vorkommt«, verglichen wt; irden; woraus dann die Berechtigung der Conversion nach den Regeln der Co)'.lversion der kategorischen U,rtheile abgeleitet wird; also aus: ,Tedesmal wenn A ist, ist B, folgt per conversionem : Mindestens in einem Theil der Fälle wo ß. ist, ist A. · · (Im Wesentlichen war in all den; i, •r w e·s t e n vorangegangen, der ebenso-§ 60-62 das hypothetische Urtheil nach Kants Vorgang als All<! druck des Verhältnisses von Grund und Felge, Ursache und -Wirkung, dei: Dependenz hin! ! tellt u: µd sagt, das eigentliche l)'rtheil liege i~ der _ConsequeIJ,z, · wn § .63 fortznfähren: Analytisch 'kann man auch das -hypothetische Urtheil als Subsumtion ·einer gewissen Sphäre von Fällen u)'.lter eine andere, problematisch als die•--weitere zu -betrachten.de Sphäre von Fällen ansehen; und daraus_. wird dann abgeleitet, 5* 218 Christoph Sigwart 36 Thatsache ·st~llen ,· dass die Logik seit -Theophriist- und Eudemos efil _nöthig gefunden ··ha.t, sich mit dieser Form der ~ussage zu bel! Chäftigen, und _wie .d'ie, er~ten, welche das ·hypothetisch~ Urtheil in die Logik' eingeführt, es aus der : Sprache_ als de; m. Ausdruck .des allgemeinen menschlichen Denkens aufgenommen haben, so muss es auch hier ,unächst als eine g~e.b~ne-Form der Gedan~en.: . ·verknüpfung gelten , deren •Sinn und Bedeutung naQh allen Seiten_ festzustellen unä ab~ugrenzen 'die erste -4,ufgab_e ist.· _ , . '_ 2 .. In B~treff: derjenig~n, Sätze,_ welchen; dJe Bene~ung ,hypo.tl; teti11ches Ur~- .theil' zukommt, ist-die-Tr~dition wenigstens·insoweit sicher,. als sie darunter vor· alle~ diej~nigen · versteht, welche die Griu~1matiker ,ßedingungssä~e nennen, als deren· Fo; rmel gewöhnlich angegeben wird: Wenn A ist~ ·-sb ist B. - Soll_ di~se Formel nicht zweiµeutig sei'n-, .. so ,muss sogieich fe~tgeha-Uen werden, dass .A und B nicht w ör t er ai~ Zeichen von -'Begriffen·. -oder ,Pingen, -sondern Sätze repräsentiren,-: die ei.p.~ Verknüpfung von S~bject und Prädicat enthalten; . ,na: ,der -Sllln .der Formel ist - .de~: W~nn der eine Satz wahr_ ist oder gi~t, so ist der andere wahr oder .gilt der andere; worunter die Formel _Wenn etwas ist, so ist•: ein andetes (Wenn Tag.jst, so ist Licht) als Verknüpfung von E: x: istentialsätzen mit befässt ist. . .3. _Was sagt und denkt, .wer einen .s~~hen Satz aus~pri~ht? Nach der nächsten Auffassung,. welche der Grammatik ·geläufig ist und .aUQh in ·der Logik immer ~iede'r auftaucht? -be'hl! ,uptet er.den Nachsatz unter einer dass auch die hyp9thetischen Urtheile 9ua~tä.t_s-; Quantitätß- und Modalitätsu.nterschiede. haben, der Conversion fähigsind u. s. w.) - - . ~ 'Es beda.rf keines. langen Beweises; dass D.J1,ch diesen VoraUBsetzungen ein hypothetische! ! Urtheil doch hn.mer, seiner eigensten Natur zuwider, das wü; kliche Stattfinden seiner Gliede~ implicir.en und I\-ur. de.n etnpirischeµ Zusamnienhan~ de.s Zugleichstattfindens· der einzelnen Fälle aussprechen müsste. "Wie 'dabei in einem particularen Urtheil ein Causalitätsverhältniss, eine Dependenz beh~uptet werden soll, die doch den Charakter der Nothwendigkeit an sich trägt·; ander'arseits wie es hypothetische _Urtheife geb_en könne, in denen die Voraussetzung falsch ist, wie sie doch in je.dem apagogischen Beweise vorkommen könn-en, ist nicht erklärt. Oder folgt, um das Beispiel des Aristoteles anzuwe~den, ·aus dem „Satze: (Jedesmal) » Wenn •die Diagonale eines Quadrats der· Seite commensurabel ist, so 'ist _.eine ungerade Zl! ,hl gleich •ein.er geraden«· per .conversionem der: >: Minq.estens zuweilen, wenn eine uµgerade Zll,hl gleich •einer geraqen is_t, ist die Diagonale der Seite -eomm~nsurabel«? folgt ll,us; dem Satze: Wenn es Vampyre giebt, die in der Dunkelheit das Blut aussaugen, so ist es ra,ths.am, ein Nachtlicht zu-.brennen: Mindestens zuweilen, wenn es rathsam ist, ein·Nachtlicht zµ brennen, giebt es Vampyre-? Und wohin: gehören die hypothtltiscq,en Urtheile q_hne Quantitätszeiehen? Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 219 37 ·Bedingun-g, über d,eren GülHgkeit- oder der_en factisches E i ng e t r e t e_ n s e i n e r n i c h t g e w i s s i s t, .oder wenigstens nichts .aussagenwill; erst naciidem er der Bedingung ·sicher geworden ist, oder sie behaupten will, wird er auch .den Nachsatz geradezu und· unbedingt behaupten können und wollen. · Für diese Auffassung ist es· dem Redenden und .Hörenden um <Jen Nachsatz zu thuri. Allein_ da der Nachsatz nicht behauptet _werden soll,. ehe man etwas über den ,Vordersatz weiss; da in Beziehungauf beide also ein Condjtionalsatz. der Ausdru·ck der Ungew~ssheit ist, welche noch nicht zu -einer En~scheidung kommen kann: so scheint in der That gar kein Urt heil im eigentlichen Sin: Ue vorzuliege~, d: h. keine AussagEl" von welcher man sagen könnte, ob sie wahr oder fälsch ist/ die demnach irgend ·eine Gültigkeit beanspruchen könnte. Vörder-'und Nachsatz werden, wie mti,n sagt, bloss p: roblematisch gesetzt,·. d. h. die urtheilsmässige Verknüpfung ihrer· Subje'Cte und Prädicate wird zwar in Gedanken vorgestellt, aber nicht -~it dem Bewusstsein der Objectivität un~ Allgemeingü: l~igkeit vollzogen; ·i~ Beziehung· auf ihre Subjecte : findet al~o kein Urtheil statt. Das drückt ·sich auch in der überall heraustretenden sprachlichen Verw: andtschaft der Bedingungssätze mit Fragesätzen (el, if, ob, frs; nzös. si leiten zugleich eine· indirekte Frage ein) ·unzweideutig aus. ·Es ist also, sobald man den Terminus ,Urtheil' · nur von einer A~ssage brauc1J_t, wel'che gültig sein will, ungenau, in· einem Conditiol}alsatz ·von, einer Ver k n ü p fu n g v o· n Ur th eilen _zu reden. Ein sogenannter Causalsatz (Weil A ist, ·ist'. B) verknüpft Urtheile; denn el,' entµält die. dreifijche Behauptung, dass A ist, dass B ist„ und dass sie im Verhältniss von Grun«l und Folge stehen; was aber in einem Conditionalsa~z verknüpft, wird, sind ·Gedankenverbindungen, die nur als mögliche Urthejle· vorg~stell~ we).'den, ~her. noch keine Urtheile sind; sie werdoo. nicht einmal n.othw~~dig etwa im Sinne der ~ristotelisc-hen vno,'J,ea,! . provisorisch oder hittweise angenommti,n; s~nder,n können mit de~ ausg~sprochene~ Bewusstsein ihrer Un~ültigkeit .hingestellt· werd"en (Wenn A gälte,· so ,gälte B). 4. Allein es liegt doch, wie· zuerst . die Stoiker bestimmt erkannt haben, eine Behaupt~mg in einer solchen Aussage, ·w~lche .wahr .oder fälsch sein kann, also eiq Ui: theil im eigentlichen Sinne ist; nicht' zwar eine Behauptung über das Subject des Nachsatzes, um das es dem Redenden in .der ~egelzunächst zu 220 Christoph Sigwart 38 thun sclieint, }V-Ohl abet ·eine BE: hauptung über das_ Verhältniss der beiden, Prä- dicitung~n selbst, die durch den Vordersatz und: ·Na: <ih~atz vorgestellt, aber nicht als Behauptu~gen voUzogen sind·; di~•Behauptung ii.ämli-ch, dass die Gültigkeit des-Vordersatzes--die de's Nachsatzes uri\veigerlich· nach-sich zieht, eine Behauptung, ,die voraussetzt, dass dieser Zusamw~.nhang von Jedem , der· richt~ denkt ·und ·erkennt, anerkannt wird; und.· diess)ann nur dann stattfinden,· wenn dieser Zusammenh~ng · .: .; _ aus· irgend eine~- Grunde ein nothwendiger und -allgemein gültiger· is-t, · d~· h; · ein solcher, den jeder,: .dei· von mehieri Vo: raus~ setzunge'n ,ausgeht,'. anetken~en IDUS$ 1• Fü~ die~~Ii zus a ni m e n h an g kommt ·es dann weiter ~ar · ni6ht mehr darauf an, wie es ~it der Gültigkeit des Vorders_atzes· ~estellt, ist, - : und was icli etwa. .über seine· Wahrheit, Wahrscheinlichkeit, Unwahrsch-einlichkeit, Falschheit-für Nebengedanken haJ: ,e; ich· kann ihn. für gan~ sicher halten, ·aber es ist· ~ir nur ·datum zu thmi; <auszusprechen, was da.raus folgt; ich kann. ihn · fq-r · g~nz enfs,chi~den falsch halten, ·und das .sogar inder gramm·a~ischeri Form neb_enbei unzweideutig kundgeben meine Behauptung, dass für mein Denken ·der Nachsatz aus ibm folge, wird davon gar nicht afficirt. So· erklärt es sich; ,. dasa die Urtheilemit ,Wenn' bald, bloss Ausdruck ·der Un- ·gewissheit; baldbloss Ausdruck, einer Folgerung zu sein scheinen. Diese Unterschieµe hängen ·'Von Neb~ngedankeD" ab, die sich etwa in der : Betonung ausdrücken·; nicht von dem Hauptgedanken, der terminis expressis dargestellt ist ll. - Diesei,- Zusanimenh~ng .ist vielfa.ch als das Verhältniss von G r u n d und F l> l'g e bestimmt worden. -Allein- _mit d.ieser Bezejchni: mg ist zunächst gar nichts als~i~ anderer Form derselbe Begriff des. : iiothwendigen Zusammenhangs ausgedrückt,durch ~elchen die Ann·ahme -des ersten Gli~des •die des zweiten nnch sich 21ieht-·; · .und wenn die Bezeichnung, nichtirre führ(ln ·soll, 1; 10 muss nicht nur diegeläufige U..nterscheid,nng zwisehen dem logiachen (Erkenntniss)-Grund und dem. r~~len Grund oder -der Ursache, sondern mehr noch der Sinn im Auge behalten werde~, in welchem -. von logischem Gr~nd die Rede ist. Da 1 Dadurch: .untersclreid~ sich ·diejenigen hypotlietischell Sätze, welche Urtheile sind, von denjenigen; ·welche kel.ne oojective Gültigkeit habeti' Sl)ndern' 'wie z. B. hypothetische Androhungen eines _Individuums od{lr eines Gesetzes, nur einen·Willen atissp,recheu; Urtheile sh,td sie nu'r in• dem Falle·, wenn. der Wille_ alsunfehlbar ,wirksam gedacht wird, -und als reale Macht den objectiven Zusammenhang begründet, d. h. wenn der Ausdruck eines Willens eineril. .rnturum gleichbedeutend ist. - ' ' , • Vgl. ·Trendelenbt-irg, log. U~tersuchungen, 3 .. Atlfl. II, S. 248. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 221 39 nämlich im hypothetischen Urtheile der Vordersatz als Grund des Nachsatzes auftritt: so ist hier der Grund eine Verknüpfu~g von Sp.bject und Prädicat; un\l es fragt sich, ob diese Verknüpfung rein für sich, so wie sie in den Worten dargestellt ist, der zureichende Grund des Nachsatzes sei, so dass jeder, der den Vordersatz denkt, eo ipso auch den Nachsatz denken· muss,_ oder ob der Vordersatz nur zusammen mit einer ·ReihPanderer, im Sinne behaltener Sätze für den, der das Urtheil ausspricht, der zureichende Grund ist, den Nachsatz zu' behaupten; mit andern Worten, um eine geläufige Unterscheidung zu _gebrauchen, ob der Nachsatz analytii; ch aus dem Vordersatz entwickelt oder synthetisch mit ibm verknüpft wird; und in beiden Fällen kann die Natur dei•- Jehigen Denknothwendigkeii; welche als Verhältniss von Grund und Folge be- .zeichnet wird, eine mannigfaltige sein. Es ist vielleicht nicht möglich, alle Fälle zu erschöpfen; aber der Versuch. lässt sich nicht umgehen, die verschiedenen Arten des Zusammenhan_gs in. hypothetische.n Urtheilen zunächst empirisch aufzusuchen, wenn man einseitige u·nd zu enge. Bestimmungen vermeiden will. 5. Der einfachste Fall scheint der zu sein, wenn Vorder- und Nachsatz eine offene oder versteckte Taut o Log i e enthalten, in der Tbat also dasselbe, sagen. Diess ist. insbesondere der Fall~ wenn der Vordersatz· die Vor~ussetzung der Richtigkeit einer-Behauptung ausspricht, deren.Inhalt der Nachsatz angiebt. (Wenn die heutigen Zeitungen Recht haben, ist der Friede gesichert. Die Gültigkeit des Vordersatzes .schliesst eo ipso die Gültigkeit des Nachsatzes -ein, da sich jene auf gar nichts anderes bezieht, als eben den Nachsatz.) Die hypothetische Form· dient hier dazu, den Zweifel auszudrücken, ob eine individuelle Behauptung eine objectiv gültige ist. Insofern sind damit gleichartig die Fälle, welche übe1·haupt. sub')ective Bedingungen der Ueberzeugung angeben, dass der Nachsatz richtig ist: wenn ich i·echt sehe; wenn ich mich nicht täusche etc., so , ist etc. 6. Eine logische N othwendig_kei t lässt den Nachsatz mit dem Vordersatz in allen Fällen gesetzt sein, wo das hypothetiE1che Urtheil der Ausdruck einer u n m i t t e 1 baren Folgerung ode_r der unverkürzte oder verkürzte - Ausdruck eines S y 11 o g i s m u s ist, die Consequenz .also auf den begrifflichen Verhältnissen von Subjecten und Prädicaten ruht, welche ursprünglich in kategorischen Urtheilen zu Tage treten. a. Es lässt sich nämlich . zunächst jede u n mit t e 1 bare. F o 1g er u n g in 222 Christoph Sigwart 40 eineIIl .hypothetischen. Urtheile-·da_rstellen: , ·die V~rhältnisse_ der Oontersion; : Contra- 11ositfoti, des ·co.ntracqctorischen ll! ld'-contliiren Gegensatzes, von Dl1heHen ·u. s, f. Wenn kein: A B ist~· &0. ist kein ·B A . .Wenn ·,es•.fitlsch: ·ist, dass e! nige AB si~d, so ist es: w$.hr, dasi: (kein AB ist. · ,b. Ebenso· lässt sich jeder S y H oi i .s m u. s in•E'orm eines hyppthetisc.hen Ur- . ' - ' - , ' theUs darstellen, .sobald _man di, Gµltigkeit der Prämissen oder,: w; enigstens einer .derselb~n in: suspenso_ lassend n~ darlegen wiÜ; was aus ge~issen Ann~hmen mit Nothwendigkeit: folgt 8.. · " .w ~nn.-alle' A- B; u~a alle. B C sind, _so sind alle. A C -~. q. s. f .. .Wenn der T.od ein Uebergangzu·_einem besseren~ Leb,en ist, ist ei~ wünschens~erth (1. Figur, -Obersatz unterdrückt, ·als zugestanden). Wenn alle Prüfungen un~ liebsein: .so~len, so ; ou~: n e.s au-ch._di.e Krankheiten se~n (Unter_~atz unterdrückt). · · . · · Wenn alle wa.bren Christen nach dein. ·Ev-~ngelium· -le.ben, giebt es keine wahren Christen. (SyUqgismus _-der zweiten Figur, der Untersatz, .. kein Mensch l~bt nach dem Evange! ium,·.ist -unterdrückt). Wenn die Gecluld ei~e Tugend· ist, giebt ~s mühevolle Tugenden (3. Figur, der Untersa,tz, .die Geduld ist mühevollr fehl~) . .. In dieselbe ; Kategorie gehören Urthei~ wie : Wenn die. Lüge ·erlaubt ist, ist es, der Mord auch, welche zusammengehörige Folgen eines tl-Iid dess_elben Gx: undsatzes : darstellen. Wenn in diesen Fällen der Sjnn des llrtheils ist, dass a.us der Wahrheit . . . des einen: Satzes (unmittelbar oder d: u~ch Vermittlung zugestandener Sätze) die ~~sandern. nothwe11dig folgt, so i13.t .dabei inder Hypothesjs meist von solchen Satzen die Rede., die enthalten, dass dem Sub je c t s b_ e g r Hf der Prädicats- 8) Vergl. Beneke, System der Logik. II, : gg·: Zu· den. iiothwendige11 Verbindungen für unser V orstel! en: _und Denken _gehört unter anderem auch das Schlussverhä.ltniss selbst. .In- . dem der Schittsssatz aus de: (). Präm~en fol~, so habe ich voµ. d.i~sen, zu jenen hin· das Verhältniss von _Grund und Folge; und ich' kann daher jeden Schluss in ein hypothetisches Ur• th: eil zus~mmenfassen, ~elches die' Prämissen und den s'chluss~tz in: 'diesem ·v~rhliltnisse verbunden• entb: äl~. '~Hc1p p e (die· gesaminte·L~gik 1868. S. 310. '§ 461) geht noch eine~ Schritt ~eiter, .indem_ er alle hypothetil! chen Urlheile, in. dene~ Vordersatz 'un_d Nachsatz .dasselbe Subject haben, für abgekürzte Schlüsse .erklärt; nur, folgt daraus nicht vqn selbs~, dass das hypothetische Urtheil ga_r nicht zu _den Urtheilen; sondern zu· den Schlüssen gehöre, denn die Behaupilung, dass der Nachsatz durch einen . Schlus~ aus deih V o'rde: raatze folgen · würde, wenn dieser gälte, ist etwas anderes, ! ! ,la dies~i Schluss selbst. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 223 41 begriff zukomme. , Von irgend einem fac'tischen Verhältniss, von der Annahme, dass einem bestimmten existirenden Subjecte .ein bestimmtes Prädicat zukomme, braucht es sich. dabei gar ,nicht zu handeln. 7. Auf denselben Begriffsverhältnissen I wie die bisher aufgeführten Sätze, beruhen diejenigen, welche ausführJich_ßoethius darstellt, wenn er -sagt, mit der, Species s.ei das Genus u. s. w. gesetzt (s. o. S. 20 Si homo est, animal, est etc.). Was hier in der Hypothesis angenommen und in suspenso gelassen wird , ist das, dass es etwas Einzelnes gebe, welchem .ein Begriff als Prädicat zukommt; der Nachsatz behauptet, dass, ihm mit diesem Prädicat auch ein anderes zukomme: Wenn etwas ein 'Mensch ist, ist es ein lebendiges Wesen u. s. f. Die Consegttenz liegt also zwischen der Subsumtion eines Dinges unter den Speciesbegriff unq seiner Subsumtion unter den Genusbegriff. \Es bedarf keines Nachweises, dass wir es auc-h hier schliesslich mit syllogistis.cher Nothwendigkeit zu thun haben; nur ist in den bezeichneten Fällen das Subject des Untersatzes unbestimmt gelassen, es wird nicht v: on diesem oder jenem ausgesagt, dass es A und darum auch B sei, sondern nur hypothetisch angenommen, <lass es von irgend einem ausgesagt werde1: 1 könne, und solche Sätze sind in den ,the<; >phrastischen enthalten, welche die Schlüsse xraa 1'(! 0f.M'J1/ Jt'II vermitteln: xat>' · irb "; o B, xraa "; ov~ov xa2 "; o A, sobald map unter xa: Jo~ -ob die einzelnen Subjecte versteht, und nicht, was ursprünglich gemeint ist, die •Einheit des· Begriffs. Grammatisch davon ,etwas verschieden., dem Sinne nach völlig ·gleich sind dann, die Sätz; e mll den yerallg~meinernden Relativen 't>; t! ; lxv, Quisquis; Wer, u. s. f.: Wer A ist, ist auch B; indem sie ebenso annehmen, aber nicht behaupten, dass es Subjecte gebe, welchen die ·Prädicate zukommen, ·und diese Subjecte in unbestimmter Weise bezeichnen, vollziehen sie denselben Rückgang vo: µ dem Begriff zu den Individuen; nur versteckt sich, jetzt die Behauptung der, nothwendigen Zusammengehörigkeit von A und B hinter der Behauptun~ der Identität des Subjects, · dem beide zugesprochen werden, aber sje iiegt dem Satze ebendeshalb zu Grunde, weil das Subject unbestimmt gesetzt ist; -und überall wird der Satz Qui sapiens, beatus und Si quis sapiens , beatus est, als .gleichbedeutend angesehen werden müssen. In den modernen -Sprachen endlich leistet der unbestimmte Artikel schon dasselbe: , Einen fröhlichen Geber hat Gott lieh heisst soviel als : Wenn einer ein f; öhH~fi: er Geber ist, i~t er G9tt wohlgefäÜig .. In diesem Sinne kann, wie : ßoethius ganz richtig gesehen h_at, jedes all.: .. 6 224 Christoph Sigwart 42 gemeine (begrift'liche) kategori~che_ Urtheil -jli em hypothetisches verwandelt werd-en·, sofern mit dem Urtheil, O_mne A est ·B gegeben' ist, dass die Prädicirung eines einzelnen Dinges mit A die _mit B nothwendig na.eh sich zieht. Insofern ist ~in· solches hypothetisches Urtheil dem. kategorischen gleichbedeutend, .als· es denselben Begriffszusammenhang ausspricht; ja indem· es die N othw e n cl,'i g k e i t hervorhebt ,und den empirischen Umfang als ins Unbestimmte -sich dehnend annimmt, ·ist es sogar der genauere Ausdruck, sofern .; ,alle A sind B" leicht für eine bloss empirische oder wenigstens abgeschlos~ene und mit einer bestimmten Zahl erschöpfte Allgemeinheit gerwtnmen .werden· .könnte, wenn mari unter ,alle' die einzelnen Subjecte, die empirisch gegeben, sind, und nicht dasjenige verstehen. wollte, worauf d-er ~egriff A überhaupt anwendbar ist; aber auf der. andern Seite ruht die Consequenz do_ch nur auf dem begrifflichen Verhältnif! s, welches seinen adäquaten Ausdruck in dem. kategorischen Urtheil ; findet, sobald. diese~ nur richtig verstanden wird' · Während nun Herbads Darstellung .. im 'Wesentlichen .dasselbe sagt, wenn -er festhält, dass in derir Urtheile A ist 'B nur dem.Be griffe das Prädicat zukomme, noch nicht einem Gegenstande,. von w-elchem im Urtheile selbst behauptet würde, er sei vorhanden; so wendet Drobisch (§ o5) die Sache dahin-, das Urth~il S ist p· bedeute mit Beziehung auf die ,Setzung' von S: Wenn S ist, so ist S. P. Allein· di~s-~s hypothetische Urtheil würde ja eben das P sein -des S von dem Sein d. h. dem Existiren des S abhängig ·maehen, gegen die Behauptung, dass in dem Urtheile S ist P von dem Sein von S gar nicht die Re-de sei; das Richtige ist vielmehr: Wenn etwas S ist, ist es P. Denn einen Begriff „setzen" kann hier doch bloss heissen, etwas Reales aufzeigen, das unter den Begriff fällt.. 8. Für· diese Form von hypothetischen Urtheilen ist es nun charakteristisch, dass als- Subj ect ein einzelnes u n b e s t i m m t .e s E t w a s fungirt. Sie bewegen sich also durchaus in dem Processe der Bestimmung des Empirischen durch den Begriff) der Subsumtion des Einzelnen unt01· die feststehenden Gattungen und Arten; unq. besonders wichtig sind darum diejenigen Formen, welche durch die cha1·akteristischen Merkmale den Begriff herbeibringen, oder eine versuchte Subsumtion abweisen. Die hypothetische Form macht die begrift1ichcn Urtheile 4 Vergl. Trendeleuburg, logische Untersuchungen, 3. Aufl. II, S. 292. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 225 43 handlich und vermittelt ihre Anwendung auf Einzelnes, weil sie den subsumi- ren.den Syllogismus antic_ipirt. Weiss ich, dass ,der Diamant keine Doppelbrechuug hat, so bilde ich das Urtheil, wenn etwas -Doppelbrechung hat, .ist ~s kein Diamant, indem ich einen Syllogismus der_ zweiten Figur ant~cipire .5, Setze ich in diesen Formen _überhauptals möglich, ein Subject zu : finden, auf welches· das -Prädicat des Vordersatzes passt: -so sind in Beziehung auf den Zusammenhang des hypothetischen Urtheils vollkommen gleichwerthig diejenigen Sätze, in welch1µ1 ich ein bestimmte.s einzeln_es Subject vor mir habe, aber seiner begrifflichen Bestimmtheit noch nicht gewiss bin - Wenn diess Chini~ ist, ist es bitter Wenn, dieser Stein Bergcrystall ist, zeigt er Doppelbrechung. Wieder ruht die Consequenz auf den Begriffsverhältnissen, d. h. auf allgemeinen kategorischen Urt~eilen, und es ist für den Process der Anwendung des. allgemeinen kategorischen Urtheils auf die darunter befassten Fälle vollkommen gleichgültig, ob ich mir· unter uem einzelnen Subject, auf das mög• lieherweise ein Begriff und damit auch -dessen Merkmale -angewendet werden könnten, et'Yas' in -'unbestimmter Ferne· oder ein anschaulich .Gegenwärtiges vorstelle. 9. Ari diese F~lle schliessen sich unmittelbar diej~nigen Urtheilsformen an, w-elche Wolff-(§ 226) in Betracht gezogen 'hat, wenn er sagt, dass_ die kategorischen Urtheile aµsgesprochen werden unter der Bedingung der; Definition, und als Beispiel anführt: figura regula: ds circulo inscribi potest, was soviel heisse als: Si : 6.gura plana füerit aequilatera et aequiangula, circulo inscribi _potest. _ Beachten wir die Verw,andluns,-, welche vorgegangen ist, so wird ebenso, was sich 5 Erscheinen solche Sätze als Oliersätze eines hypothetischen Schlusses, so besteht im Untersatze dJe neö,i.w,~ darin,da; s statt des unbestimmten Subje_cts ein bestimmtes gesetzt wird: Wenn 'ei~ Dreieck gleichseitig ist, ist es gleichwinklig. Dieses' Dreieck fst gleichseitig, also gleichwinklig. Hier wird nicht bloss einfach der Vordersatz assertorisch gesetzt; und darum sind diese Schlüsse anderer Art, als die von der Form Wenn A B ist, so ist C D Aist B also C D. 6* 226 Christoph Sigwart 44 nur .im L~teinischen verhüllt, vom Begriff auf die_ einzelnen· Individuen,. di~ als wirkli~h- 1: 1upponirtw~rden, zurückgegangen; ··aber sie wer! len nicht-'.mehr gan,z uiibestimmt 1>ezeichriet, ·sondern indem der Subjectsbegriff (figura· regul_aris) in G~ttung (figur9i _piana) und artbildenden Unter.schied (aequilat_era undaequiangula) zerlegt wird, erscheint da~ wa11 mu unter ! lie· Gattung fällt, als das Unbestimmte, das qur,ch «len .artbildenden Unterschied --näher bestimmt wird und. damit zugleich ein ~eiteres Prädicat zugesprochen · erhält, · Dass·· es einzelne- Subjecte g~be, welche unter d.en Genuabegriff fällen, wird· zum Voraus_ angenommen; die Hypothesis setzt den Fall,dass ilme~ die Differenz zukomme, und das Urtheil. spricht ihnen als- Consequenz ein weiteres ·Prädicat zu ~ wiederum auf Grund der begriffliche! } Verhältnisse, welche mit dein artbildenden Prädicate, welches · einein· Dinge · z~ommt, -ein · weiteres Prädicat no~hwen-dig verknüpft sein lassen 6 • Dieser Art sind überhaupt dje mathematischei: i. Sätze, _welche in.' hypotheti~cher Form aufzutreten pflegen: Wenn ei~ Dreieck gleichseitig ist, : ist" es gleichwinklig u. s. f; ; -die_ : nur eine ~ndere Redewend: un~ für die umstä: ndiichere_n sind: W en,n etwas ein gleichseitiges -Dreiec): t ist, ist es ein gleichwinklige~. Die Redewendung ist motivirt, wo die Angehörigkeit _zu~ Ge~us_leichter er-kennbar ist, als die ·zur Species ; was sich sofort an einem -con: creten Falle zeigt; . wir sagen nicht: wenn diess ein gleichseitiges Dreieck ist, ist es ein gl~ickwinkliges, sondern wenn dieses Dreieck gleichseitig. ist, ist es gleichwinklig; die Angehörigkeit zum .Genus Dreieck wird ·als unmittelbar deutlich ·vor.ausgesetzt. 10. Handelt es sich in allen bisherigen Fällen ledigiich um Begriffsverhältnisse, die ihrer Natur nach keine Beziehung, zur Zeit -haben: · so betreten wir ,ein wesentlich anderes .Gebiet, wenn die }_Iypothesis eines hypothetischen Urtheils einem Subjecte eine Bestimmung zuspricht' welche d e n V e r ii, n d er l i Ch e n E i g e· n s c h a f t e n und R e l a t i o n e n a· n g e hört, den modi--tmd relationes, wie sich W olff ausdrückt, un! l darum_ nicht fähig ist, einen Gattungs- und Artbegriff zu constituiren. Wenn ein schwerer Körper freigelasse-n wird, bewegt 6 Wenn Twesten, Logik S. 53. §· 62 Anm. an einem der11,rtigen Beispiel (das gleichseitige Dreieck ist gleichwinklig) die Correspoiidenz von Vordersatz, Nachsatz und Consequenz mit Su: tJject, Prä.dica,t und Copula am augenscheinlichsten heraustreten sieht: so ül>ersieht er, wie die meisten, dass in der hypothetischen Form die Consequenz zwei Prädicate desselben Subjects, und nicht Prii,dicat und Subject verbindet." , Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 227 45 er sich mit gleichförmiger Beschleunigung gegen das Centrum der Erde; wenn Eise! } flussig ist, hat es eine Temperatur von 1600°,_ sind solche Urtheile, die den Zusammenhang eines Gesc~ehens mit einem aridem Geschehen,· eines veränderlichen Zustandes mit einem andern veränderlichen Zustand aussprechen. Damit ist gegeben; dass sie im: Gebiete des Zeitlichen und Einpiri~chen sich bewegen; -die Hypothesis setzt ein 'Factum als wirklich, nicht ein begriffliches, Urtheil als berechtigt; wenn das Factum eintritt; ist die Hypothesis gültig, und das hypothetische Urtheil behauptet, dass dann auch der Nachsatz gültig, d. h. das in' diesem ausgedrückte F~ctum wfrkli~h sein werde. Zum Voraus yorausgesetzt ist die Existenz der Suojec_te, in der Hypothesis vorausgesetzt der Eintritt eines bestimmten Zustandes deiselben; dieser Eintritt geschieht zu einer bestii: nmten Zeit, _und damit rückt auch die Zusammengehör~gkeit des Nachsatzes zum Vördersatze in ein Zeitverhältniss 1 das der Gleichzeitigkeit, _der unmittelbaren_ oder auch der in begrenztem Abstand nachkommenden Zeitfolge; das eine Factum weist jedenfalls dem· and~rn · seine -Stelle in der Zeit an; der Sinn .meipes Urtheils ist: Wenn 'in irgendeinem Zeitpunkte ein schwerer Körper freigelassen wird, be~egt er sich sofort gegen den Mitte1punkt der Erde; w'enn in irgend einem 'Zeitpunkt Eisen · flüssig : ist, soba~ · es zugleich eine Temperatur von 1600°. ' IL Diese .gegenseitige Zeitbeziehung ist mit- ,dem Wesen des Zusammenhanges, den hier da~ hypothetische Urtheil ausdrücken will, so eng· verfloc_hten, · da~s es· begrei-flich erscheint, wie eine Zeitpartikel ,Wenn' i~ Deutscheri zum Ausdruck des Zusammenhanges selbst kam. Aber eben diese Eigenthümlichkeit der neueren deutschen Sprache, dass sie für "; e (ö1: a") und el, für Quando und si, für whep. und ·if n~r Ein Wort hat, da.s s_eine ursprüngliche Bedeutung als Zeitrelativ noch durchaus nicht verloren hat, ·macht es nötbig, genau zuzusehen, ob nicht unter den Sätze_n ~it ,Wenni' solche ! lind, die nur eine Zeitbeziehung empirisch aussprechen, aber nichts wen-iger als hypothetische : cJrtheile sind. . Wirklich sind die Urtheile: Jedesmal we: r; rn A ist, _ist B; Zuweilen wenn A ist, ist B; Niemals wenµ A ist, ist B_ lediglich Ze-iturtheile, und ,Wenn' ist darin Zeitrelativum. Am deutlichsten ist diess bei denjenig~n, die man hat zu p a r ti c u l ä r c n ' - ' h y p o t h et i s c h e n ma_chen wollen; es ist klar, d_ass s~e nur ein mehr oder weniger zufälliges Zusammentreffen (oder Nichtzusammentreffen) verschiedener 228 Christoph Sigwart 46 Ereignisse ausdrücken können; es geniigt, an Ueberwegs Beif: lpiele zu ermnei: n (oben S. 34 Anm.), in ~enen schon da& Präteritum beweist, dass es sich.rein um ~rzählung einiger Fälle handelt, in denen verschiedene Umstände zusammentrafen oder nicht, eine Erzählung, die mit dem hypothetischen Urtheil, mit der Behauptung eines nothwendigen Zusammenhanges, nicht d11s mindeste zu schaffen hat. Die Urtheile abei, mit ,Jedesmal wenn' sind ebenso an sich nur .der Ausdruck von Zeitverhältnissen; · ganz deutlich wenn sie empirisch ein ausnahmsloses Zusammentreffen erzählen (Jedesmal wenn .ich ausgehe, begegnet mir X), ebenso aber auch, wenn sie wirklich allgemeine~ Natur sind, d. h. auch für alle künftigen Fälle gültig sein wollen; sie können dem Wortlaute nach nichts anderes behaupten, als dass, init Ueberweg zu reden" die Sphären der Fälle ineihander liegen oder sich decken, mit jedem Fall A ein gleichzeitiger B zusarnmenbesteht. Auch wo das, sichere Zeichen ,jedesmal' fehlt, sind Sätze mit ,Wenn' häufig als Zeitbeziehungen .zu fassen; und zwar sowohl solche, in denen ,Wenn'. einen einzelnen ·Fall, als solche, in denen es eine unbestimmte Allgemeinheit von Fällen (Quandocunq_ue) einführt; wenn es heute 12 Uhr schlägt, hört der Waffenstillstand auf, ist ebenso eine temporale Verbindung, wie Wenn die Sonne im Meridian steht, sind die Sc_hatten am kürzesten, zunächst eine hloss tempor: 1Ie Aussage. ist. Beachtet man diess nicht, so wird man bald Sätze wie Jedesmal wenn es 12 Uhr schlägt, sterben einige· Menschen, oder Zuweilen wenn es donnert, sitzt man bei Tische, oder das von Apelt angeführte Beispiel: " Wenn Cajus frei von Geschäfte! \ ist, dichtet er" als hypothetische Urtheile vorgeführt bekommen; I 2. Allerdings gehen nun Urtheife wie das „Wenn die Sonne im Meridian steht, sind die Schatten· am kürzesten", leicht von selbst in die hypothetische Bedeutung über, abei· nur dann, wenn erkannt oder wenigstens vorausgesetzt wird , dass zwischen dem einen und dem andern ein n o t h w e n d i g er Zus am rn e n h an g der Art besteht, dass wenn das eine stattfindet, zugleich auch das ande~e stattfinden muss; wenn also die Allgemeinheit des Zugleichwahrseins beider .Sätze ,die Sonne steht im Meridian' ~nd „die Schatten sind am kürzesten" als Folge oder Zeichen ihres inneren Zusammenhanges betrachtet wird. Denn nun erst kann ich mit voller Gewissheit sagen, dass sobald der eine Satz wahr, sein wird, auch der andere wahr sein wfrd. Aus der Beobachtung, dass jedesmal wenn ·Quecksilber erwärmt wird , es sieh aus9ehnt, e1·- Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 229 47 kennen ,wir den inneren Zusammenhang beider Thatsachen; das Axiom des Oausalprincipes · lässt uns die Gleichzeitigkeit als Ausd1·uck. eines allgemeinen Gesetzes erkennen, und sobald-wir dessen sicher·sind, ist das Urthefü Wenn Quecksilber erwärmt wird, dehnt es sich ·aus , ein hypothetisches, in welchem das· ,Wenn' seine Zeitbedeutung gegen die Bedeutung der Folge aufgegeben_hat, und die Gleichzeitigkeit" oder unmittelbare ze_itliche ]folge mitvetstanderi wird. Dieselbe) Bewandtniss hat es mit dem Satze : Wo Rauch ist, da ist Feuer. Er ist ein· Urtheil mit einem Localrelativum _und sagt die örtliche Zusammengehörigkeit beider Erscheinung1; 1n aus, indem er ihre Gleichzeitigkeit subintelligirt; was ihn e_inem hypothetischep gleichbedeutend macht, ist nicht das ,"\V-o', sondern die Allgemei_nheit und Unbestimmtheit des Relati_vums {Ubicunque); die Allgem1; 1inheit des örtlichen Zusammenseins kann nur· ausgesagt werden-, wenn ein nothwendiger und .unfehlbarer Zusammenhang zwischen dem einen und dem andern besteht. Dieser ist also nothwendig vora: usgesetzt, wenn das allgemeine Urtheil gelten soll; das Urth~il selbst ,; wo Rauch ist, da ist Feuer" spricht aber ausdrücklich nur die Allgemeinheit des Zusammenseins, nicht die nothwendige Verknüpfung aus; sonst müsste gesagt werden: Wenn irgendwo Rauch ist, so muss an dem.selben Orte zugleich Feuer sein. ,Wo' leistet also nichts anderes, als jedes allgemeine Relativum. 13-. Von diesem Gebiete hypothetischer Urtheile; aber auch .nur von diesem gilt, es, dass sie auf· den realen Catisalverhältnissen ruhen, und dass der _Zusammenhang, welchen sie zwischen der Gültigkeit des Vordersatzes und der Gültigkeit des Nachsatzes statuiren, seine_ Gewissheit von der Erk(lnntniss eines Causalgesetzes ableitet, mag -nun der Vordersatz di"e Ursache, der Nachsatz die Wirkung, oder umgekehrt _enthalten, oder mag del' Weg, auf dem man von ·der Erkenntniss eines Naturgesetzes zum hypothetischen Urtheile kommt, ein weiterer und verwickelterer sein; immer liegt dem logischen V(lrhältniss von Grund und Folge der beiden Sätze die reale Causalität zu Grunde, w~il nur vermittelst dieser Facta in nothwendigem· Zusammenhang stehen können, und die Sicherheit, mit der. di-e Natur Ursachen und Wirkungen verknüpft, verleiht der hypothetischen Verknüpfung ih1·e Gültigkeit. So 'ist in deni Bei-spiele Drobischs S. 109: Wenn die fallenden Körper nach Östen von der Lothlinie abweichen, so dreht sich die Erde von Westen nach Osten um ihre Achse , ·aus ·der 'Wirkung auf 230 Christoph Sigwart 48 die Ursache übergegangfln ; , der Zusammenhang aber· ist dru·ch eine lange Reihe, von S-0hlüssen vermittelt" in welche mathematische Sätze,- ·das Gesetz d~r Trägheit u. s., -f. als Prämissen. eingehen. (Die Zeitbeziehung tritt ·~urü~k, .weil <: lie Ursache als 'eine ins Unbestimmte fortwirkende, vora~sgesetzt_ ist-; sie ist aper nichtsdel! toweniger vorhanden, dai Urtheil ist nur gültig, -wenn Vorde.rsatz und Nach(! atz dieselb~ Zeit betreffen.) Es liegt dabei in der Natur der Sache 7 dass da; wo unsere Erkenntniss · sich erst noch auf empitisch.e Gesetze. beschränkt,welche wohl d~~ Zusammenhang zweier Erscheinungen inductiv feststeUen, ~her ihre Vermittlung nicht auf: , schlies~en-, das Ur.theil mit- ,wenn' ~ seinem Uebergang von einer e: q,1pirisch. all-gemeinen _Zeitbezieh1mg zur nothwendigen Folge der: adäquate Ausdruck ; unserer Erkenntniss ist, wiewohl auch 'hier das · ka.teg~rische Urtheil biegsam genug ist, um jeder bestimmten Behaqptung, welche wir aussprechen können, zu genügen. Im -Ganzen kommt auch .hier ,dem hypothetischen Urtheile wieder die Ausb~eitung ·auf _die einzelnen -Fälle, die in Gedanken als da ,uµ,d do~t wirklich vorausgesetzt werden, zu,. während das kategorische die zusammenfa$sende Formel repräsentirt. -14". Gehen. in diesem Gebiete hypothetische -Urtheile.auf den einzelnen Fall, (Wenn erschläft, so ist .er gerettet; wenn es ·heute (riert, _is_t die Weinernte verloren u. s. w.), · so kann' (wie auch hier Trendelenburg ·treffend 1 bemerkt) das Urtheil nur. ausgesprochen werden auf Grund allgemeiner Gesetze, welche aus der Gesammtheit -der meist ver,schwiegene-n Umstände des Falles das Resultat notbwendig ·machen. Ein solches Urtheil erscheint als. Resultat eines Schlusses xm: a 1t(! OgJ.7JlptJ1, wenn ei~fach ein arier)tannt gültiges ·Urtheil auf den bestjm)Jlten Fall· angewendet wh'.d ~- Wenn hier Rauch ist, so, ist auch Feuer· hier; oder es ist .aas Resultat eines Schlusses aus, einer Reihe von- Prämissen , die nicht aus- _ gedrückt sind, ·die aber die gegenwärtige Lage, aus der heraus geurtheilt wird, constituiren, _und· vermittelst allgemeiner. Causaigeset? ,e. zu der Behauptung führen. Der Gesichtspunkt der Causalität lässt sicli unge~wungen .auch auf' die analogen Sätze anwenden, _welche nicht ein reales Geschehen, sondern n)lr ein, ideelles ausdrücken. Wenn im· .Gebiete der Mathematik nicht die ruhenden Zahlen oder Figuren betrachtet werden , sondern die Rechnung. oder die Con-struction thätig aufüitt, so entstehen Sätze, wie Wenn im gleichschenkligen Dreieck Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 231 49durch· eine Linie der· Winkel·_an der Sp-itze,halbirt wird, wird ·auch die Grundlinie halbirt; das Ziehen der Linie wird als hervorbringende Ursache einer be- , sti-mm~en Wirkung angesehen, und das Gesetz d_ieser Wirkung ist durch die nothwendigen ·Beziehun~en des Raumes vorgeschrieben. 15 .. Man kann nicht sagen, -dass mit diesen Fiillen das Gebiet der 'hypothe 0 · tischen Urtheile -erschöpft sei. _ Boethius fuhrt~ rioc~: - 11,p,_, · dass .mit dem Accidens die_ Substanz gesetzt sei, diess geht aber auf einen allgemeinen begrifflichen Zusammenhang zurück, wie auf grammatische Grundverhältnisse sich gründet, . ' was Boethius so ll.usdrückt: Modus -sequi~ur nomen principale. - Sätze aber wie: Wenn Gesicht und Gehör nicht genaue Erkenntniss geben, so .geben die übrigen Sinne noch weniger genaue-(Ph~edon) ·oder: Si Pergama dextra defendi possent, etiam hac defänsa fuissent, oder das häufige e"inee '&tf: ällof; u. dgl. ruhen auf Gradverhältni~sen, und gehören damit in das Gebiet der Schlüsse , welche Aristoteles als Schlüsse xma n: oto": r; ": <i bezeichnet (Anal. pr. I, 29. 45 b 17, v: ergl. Prantl · I, 389 -ff.); gerade-_ bei ihnen tritt am meisten das Verhältniss von Grund und F: 0-lß'e zurück; , es is,t aber nichtsdestoweniger in der Vergleichung vorhanden_. - Aristoteles hat in der angeführten Stelle der Metaphysik nebendem Syllogismus und der Causalität auch das Z weck v.e r h ä \ t n,i s s·unter dem Gesichtspunkt des d"arxaiov betrachtet; · und Trendelenburg vergleicht den Ausdruck eines Zweckverhältnisses in einem Finalurtheil mit .dem .Ausdruck desselben in einem hypothetischen (das· Auge hat brechende Medien, damit ·es sehe- wenn das Auge_ sehen soll, so muss es brechende ; Medien haben). Der Finalsatz mit ,damit' setzt die Wirklfohkeit · des Zweckes; er enth! J,lt · drei Behauptungen : die Wirklichkeit des Zwecks, die Wirklichkeit des Mittels und· die teleologische Beziehung zwischen beiden; er entspricht dem Causalurtheil : _ das Auge sieh~, weil es brechende Me~ien hat, das ebenso eine dreifache Behaupt_ung enthält. Wo aber von ·de_r Wirklichkeit des Zweckes abgesehen und nur die teleologische Nothwend,igkeit hervorgeh_oben werden soll, bieten sich die Forme! l Um zu sehen, muss _ein Auge brechende Medie~ haben; um zu leben, muss man 8'thmen; -und diese sind völlig gleichwe~hig, den hypothetischen: Wenn man leben will oder soll, so muss man athmen. Der letziß Grund der hypothetischen Verknüpfung aber, vermöge dessen mit dem -Setzen des einen das andere nothwendig gesetzt ist I ist nicht verschieden von der causalen · Nothwendigkeit der Bedingung, die sich in dem Urtheile ausspricht: wenn man nicht athinet, kann man nicht 7 232 Christoph Sigwart 50 leben; Wo der Zweck nicht als frei schöpferisch betrachtet wird, d! ). kann er sich ja immer. nur durch die Causalgesetze verwirklichen , d,ie er, zu seiner Hervorbringung benützt; und dann geht die teleologische No~wendigkeit in die cl! ,usale zurück; nur das-Dasein eines, bestimmten Mittels ist ausdem Zweck erklärbar, nicht -aber sei~e Tauglichkeit, Mittel für diesen Zweck zu sein, _welche dl},B hypothetisch~ Urtheil allein ausspricht., So ist· im Gebiete des bypothetiscµen Urtheils der Grund ,der Verknüpfung von Zweck ·und Mittel kein anqerer als ,der, Causalzusam~enhang, 16. Wenn nun_das Wesen des hypothetischen Urtheils darin besteht,· den Zusammen.bang zwischen der Gültigkeit'des Vordersat~es und der des Nachsatz,es als einen µoth~endigen zu ,behaupten : so geht' _dar11,us von selbst herv0r, dass _ diese Behauptung nurin einerlei Weise u_nd einerlei Sinn möglich ist, und -dass es also an dem· hypothetischen Urtheile als solchem schlechterdings keine Artunterschiede' geben kann, welche das Wesen der Behauptung selbst beträfen. Es fallen die Quantitätsunterschiede weg, weil sie schle~hterdings keine Stelle : finden. · Ob die Hypothesis und Thesis ·für sich allgemeine, particu).äre oder Einze-lurtheile sind; verändert die Behauptung, dass -roit der Gültigkeit der einen die der andern ges.etzt sei, gar nicht. Ein vorgestelltes Urtheil, wie es die- Hypothesis ist, ist ein Ganzes, das sich nicht divi-diren noch multipliciren lässt, es hat keine Sphäre; es vielmal beha_upten„ sagt nicht mehr, ali es einmal behaupten_: 1• Allerdings können dur~h -die Unbestimm_theit des Su~jects in der Hypothesis die Fälle, in denen dieselbe gültig wird, häufig eintreten; a.llein das afficirt das Wesen des Urtheils nicht, dass mit der Hypothesis die Thesis nothwendig gesetzt sei; es_ gilt ja ebenso, wenn jenes wirkliche Eintreten gar ~ie stattfindet , ja es liegt in, seinem Wesen, dass ihm das factische Eintreten des 7 Jacob, Grundriss de_r allg. Logik, 3. Aufl. § 195: »Ein Grund ist ohne Ausnahme und allemal ein Grund,seine Folge zu setzen.« Wenn Jacob daraus ableitet, dass alle hypothetiscl).en Urtheile allgemein sind: so bat er solche mit unbesti~mtem Subject im Sinn; in der That gilt aber sein Satz selbst nUll' insofern, dass allemal, wenn der Grund gedacht wird, die Folge gedacht werden m~s; es giebt_ also nur die Allgemeinheit, dass s_o oft. der Grund - ' behauptet wird, aµch die Folge behauptetwerden m~ss. Diesellie Allgemeinheit kommt aber auch dem Urtheil zu, die Sonne ist der Centralkörper des Sonnensystems; · allemal, wenn das Subject gedacht wird, ist ein Grund, das Prädicat hinzu zu denken; wie § 205 ausdrücklich sagt. Besser· Maass, Grundr-iss der Logik § 143: ; In .einem hypothetischen Urtheile_ als solchem giebt es .weder Qu! l,l~tät noch 'Quantität. - ' 1 - Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 233 51 .Vorausgesetzten, 'wie überhaupt die Gültigkeit des. Vordersatzes gleichgültig ist. Particuläre· hypothetische Urtheile vollends sind der reine Widerspruch; gilt der ~usammenhang das einemal, · d! l,s andereinal nicht, so ist er rjicht nothwendig, sondern zufällig,' und man kann kein hypothetisches Urtheil bilden, das den· Zusammenhang zwischen dem Einen und dem Andern ausspräche. 17. Genauer muss auf das Verhältniss des hypothetischen Urt h e i 1s zur Verneinung eingegangen werden; denn gerade hier ist die Tradition am·· wenigsten mit sich im Reinen. Das hypothetische Urtheil als solches ist immer bejahend, denn es setz_~ den Zusammenhang. : Oas hypothetische Urtheil kann ver,neint werden; aber diese Vernei: p.ung ist kein hypothetisches Urtheil. Auch diess hat Boethius vollkommen richtig gesehen, noch bestimmter Albertus de Saxonia (Prantl IV, 70 Anm. 272) ausgesprochen. Wer ein hypothetisches· Urtheil verneint, der muss seine Substanz aufheben; der muss behaupten, aus dem Vordersatze folge der-Nachsatz nicht; der Vordersatz könrie gelten und doch der N_achsatz nicht; , und ebenso hat Boethius schon angedeutet, was später z~ B. die Logik 'von Povt Royal aufstellt, dass die Verneinung hypothetischer Urtheile in ·der RegeL in sog. Concessivsätzen ausgesp~ochen werde 8 • Der Satz: We~n auch A ist, ist doch nicht nothwendig B (obgleich A ist, ist B nicht), hebt den Zus~IQmenhang auf, den das Urtheil Wenn A ist, so ist ·B behauptet; wie überhaupt •alle Adversativpartikeln darin übereinkommen, 8 Wie wenig diese Erkenntniss, die da und dort auftaucht, zu ·einer allgemeinen geworden i~t, beweist Drobisch, der (§ 57) die beiden Fälle. Non, si A est, B est und Si A est, B non est gar nicht unterscheidet, und § 52 behauptet »das Urtheil: Wenn der innere Bau des : menschlichen Körpel's auch nicht.schön ist, sei ist er doch zweckmässig, ist ein bejahendes kategorisch-hypothetisches Urtheil.« Auch als »Beziehungsurtheil« gefasst, enthält es ; .viel~ mehr die Vernein~ng einer Beziehung. Krug, der sonst in einer fast kontlschen . Confusion sich bewegt, hat doch (S. 172) ric~V.g b(lmerkt, dass hzyothetische Urtheile im Ganzen oder als solche immer bejahend sind, und rügt bereits an Jacob die Verwe.chslung, in welche Drobisch aufs ·neue verfallen ist .. Ebenso sagt : Maass, Grundriss' der Logik § 247 dem Sinne nach ganz richtig.~ Dem Urtheil, wenn a ist, so ist .fl, widel: l: ! treitet contradictorisch wenn.,. ist, so .kann non P, sein. T; esten dagegen ~nterscheidet. zwar : Verneinende hypothetische Urtheile lauten· theils: vienn a ist, so folgt ni~ht, dass C sei, theils: wenn a ist, so ist C nicht; er wird sich ·aber, weil er sich in der ,Vergleichung der Fälle' verwickelt, nicht klar; , während U~b~rweg, wie aus sein? n Beispielen erhellt, den Unterschied gar nicht beachtet. 7* 234 Christoph Sigwart 52 dass sie .eine auf Grund des Ausgesprochenen erwartete oder wenigstens als möglich gedachte Folgerung abweisen. 18. Daneben hat nun aber itp.mer die Neigung bestanden - und auch Boethius theilt sie die hypothetischen Urtheile in ·bejahende und-verneinende zu theilen, je na eh dem der Nachsatz bejahend 6 der verneinend ist. Diese Eintheilung hat einen Sinn, wo man das hypothetische Urtheil bloss als die bedingte Aussage des Nachsatzes auffasst; allein vom hypothetischen Urtheile überhlJ.upt aus ist sie nur so lange einigermassen begründet, als· man immei ·einen b e j a h e n d e n V o r der s atz voraus_setzt, und damit ein Analogon zu den bejahenden und verneinenden kategori~chen Urtheilen gewinnt, je na.chc dem nämlich eine begriffliche Zusammengehörigkeit oder Ausschliessung dem Urtheil zu Gru.nde liegt. Sobald man aber in Betracht zieht, dass ebenso· der Vordersatz ein verneinendes Urtheil sein kann, stellt sich die Sache ganz anders. Da die eigentliche Behauptung des Verhältnisses von Grund und Folge immer dieselbe ist; so kann ein Unterschied nur in den verschiedenen näheren Bestimmungen gefunden werden, welche das Verhältniss von Grund und Folge in sich fasst und ausdrückt; und unterdiesen lassen sich allerdings die Verhältnisse, in welchen ein Gegensatz stattfindet, denjenigen gegenüberstellen, in denen eine positive Zusammengehörigkeit vorhanden ist. Allein ob das eine oder das andere der Fall ist, lässt sich äusserlich nicht an der Qualität des Nachsatzes, sondern nur daran erkennen, ob Vordersatz und Nachsatz gleiche oder entgegengesetzte Qualität haben. Denn das Urtheil: Wenn A nicht B ist, so ist es C ein bejahendes nach dl; lr gewöhnlichen Ansicht d_rückt vielmehr einen ausschliessenden Gegensatz aus; das Urtheil dagegen: . Wenn A nicht B ist, so ist es nicht C, ein verneinendes nach der gewöhnlichen Ansicht, ruht auf der positiven · Zusammengehörigkeit zwischen B und C. Gehen wir auf die verschiedenen Combinationen, auf welche Boethius so grosses Gewicht _gelegt hatte, näher ein, und betrachten a. zupächst die Forni, welche beja•henden Vordersatz, vernei- .n enden: Nachsatz hat: so entstehen Urtheile dieser Form zunächst auf Grund allgemein verneinender U rtheile, welche das au.sschliessende Verhältniss zweier Begriffe darstellen, .und sie fassen einen Schluss mit verneil! -epdem Schlusssatz in sich. Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 235 53 Wenn der Tod ein· Uebergang zu besserem Leben ist, tst er nicht furchtbar (1. Fig. 2. 'M.). Wenn dieser Stein Doppelbrechung zeigt, ist er kein Diamant (2. Fig. I. M.). Es gilt hier ebenso ohne Weiteres, dass -jedes allgemein (begrifflich) verneinende kategorische Urtheil sich in ein hypothetisches mit verneinendem Nachsatz verwandelt: wenn A nicht B ist, so folgt, dass ·wenll' etwas A ist, es nicht B ist.. Wo· also in. den Hegriffsverhältnissen der Gegensatz auftritt, kann · er einem solchen U_rtheil zu Grunde liegen. Wenn alle. Könige Tyrannen sind, so sind einige. Tyrannen nicht grausam (3 .. Fig. 5. M.) ruht ·auf einer particulären -Verneinung. Im Gebiete. der Causalität aber ist es der reale Gegensatz, die vernichtende, verhindernde, hemmende Urs~che, welche in einem sol~hen Urtheil ihren Ausdruck. findet, mag dabei im Vo; rdersatze die Ursache genannt sein, welche etwas verhindert, oder eine Erscheinung, welche die Abwesenheit der verhindernden Ursache beweist. Wenn der Himmel bewölkt ist, fällt kein Thau-; wenrr Thau gefallen ist, war der Himmel nicht bewölkt. b. Gehen wir weiter zu dem_Urtheile von der Form: Wenn A nicht gilt, so . g i 1t B n ich t, dem Ausdruck einer coriditio sine qua non, so ist es, nach dem Wesen des Verhältnisses von Grund und Folge, immer gleichgeltend mit dem Urtheil Wenn B gilt, s~ -gilt- A; aber diese allgemeine gegenseitig~ Beziehung enthält verschiede~e Verhältnisse des Gedankens. Wo das hypothetische Urtheil auf _den Begriffsverhältnissen ruht, welche sich in allgemeinen katego1·ischen Urtheilen ausdrücken, umschreibt es die Noth• wendigkeit des positiven Z1; 1~ammenhangs du_rch die Pnmöglichkeit des Andersseins. Wenn ein Begriff ein Prädicat ~oth wendig an sich hat, so ist ~it ·dem Merkmale der Begriff selbst aufgehoben, was das Merkmal nicht an sich hat, kann nicht unter den Begriff fallen. Das hypothetische Urtheil .der conditio sine _-qua non entspricht dabei der Contraposition des allgemein be}ahenden Urtheils. Wenn alle gleichseitigen Dreiecke gleichwinklig sind : so -gilt, dass wenn ein Dreieck nicht gleichwinklig ist, es auch nicht gleichseitig sein kann. Somit können alle allgemeinen Urtheile sich in die Form einer conditio sine qua non kleiden; und diese wird sogar der natürliche Ausdruck überall da sein, wo eine Eigenschaft einer Gattung ausschliesslich zukommt Die gewöhnliche Ausdrucksweise hat hiefür kein Mittel, als die Eigenschaftsbestimmung zum Subject 236 Christoph Sigwart zu machen, da die exclusivetl Urtheile aus de_r Logik-'versehwunden sind. Um auszudrücken: ,Nur die Lumpesind bescheiden', muss gesagt werden: Alles Bescheidene il! t Lump; . die hypothetische -Form drückt d-eri Gedankel! , _ naturgemässer au.1p Wer_ nicht ein .Lump ist, ist nicht bescheiden. Im Gebiet der Causalität sind·: die Verhältnisse analog; · Die Conditio sine qua non als ~al gedacht giebt einen integrirenden, unentbehrlichen Bestand: . t: heil der· Ursache an, und drückt -also ein exclusives Yerhältniss au.s; umgekehrt ist dann die Wir_kung der sichere Erkenntnissgr~nd der Ursache. Wenn der Himmel nicht hell ist, fällt kein Thau; wenn Thau fällt; ist der Himmel hell. Andrersei~s _beweist die_ Abwesenheit .der Wirkung die Abwesenheit der Ursache, welche sie nothwendig -hervorbringt; wenn das Thermometer nicht gestiegen ist, ist die umgebende Luft nicht wärmer geworden. Ob die eine oder die andere Form die ursprünglichere ist, hängt von dem Gange der Erkenntniss ab; wo die nothwendigen Zusammenhänge aus der Erfahrung entnommen werden, geht die Beliauptung eines allgemeinen und darum nothwendigen Zusammenhanges natui; gemäss aus der Verneinung der Ausnahme hervor. Ehe. die- Ursache der Verfinsterung des Mondes erkannt war, musste das Urtheil: wenn nicht Vollmond ist, wird de_r Mond nicht verfinstert, erst im Sinne einer ausnahmslosen Erfahrung und d1um jm Sinne eines nothwendigen Zusammenhanges gewonnen sein, ehe das Urtheil gelten konnte, wenn-der Mond verfinstert wird, ist Vollmond. c. Betrachten wir zuletzt das Urtheil von der Form Wenn A ni eh t gilt, s o gilt B, so ist auf den ersten Blick: klar, dass wir es hier mit Gegensätzen zu thun. haben" un~ dass dieses Urtheil im W esentliehen auf ähnlichen Verhältnisj! en ruhen wird, wie das Urtheil Wenn A gilt, so gilt B nicht. Denn wenn-A und B contradictdrisch entgegengesetzte Urtheile sind, so gilt sowohl das eine als das andere. . Nähere Untersuchung verdient die B.ehauptung, welche Boethius aufgestellt hat und welche später nicht mehr viel beachtet worden zu sein scheint, dass das Urtheil : ,Wenn A nicht gilt, so gilt B', immer gleichge~tend sei einem disjunctiven Entweder A· gilt, oder B gilt, und also immer auch die Umkehrung zulasse Wenn B gilt, so gilt A nicht. Einen eigentlichen Beweis bringt Boethius nicht ·bei; er erklärt nur; es lasse sich kein Beispiel finden, in welchem es sich nicht um einen ein Mittleres -ausschliessende~- Gegensatz handle. · · Nun hat_ er alle~dings so-yiel ganz richtig•gesehen, dass es auf keinem andern Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 237 55 Wege als dem· des" disjunctiven Urtheils möglich Üit, eine Bejahung als Folge einer Y erneinung darzustellen, und dass also .eine Disjunction irgendwie im' Spiele sein: muss; allein indem er nur solche. Beispiele betrachtete, in denen Vordersatz und Nachsatz selbst die Glieder der Disjunction sind (Wenn er nicht krank ist, ist er gesund), übersieht er die häufig eintr~tende Möglichkeit, dass von zwei disjuncten Fällen, z. B. von zwei disjuncten Determinationen eines. Subjects (b und c) die eine (b) ein Prädicat (p) mit Nothwendigkeit mit sich führt, ohne dass es die andere 11,usschlösse; so dass wenn b gesetzt, oder was dasselbe ist, wenn. c negirt wird , p mit· Nothwendigkeit gesetzt ist, nicht aber umgekehrt wenn p gesetzt wird, b gesetzt und c negirt sein muss. Z. JJ. · : Wenn ein Dreieck nicht spitz-winklig ist, ist ein~ seiner Seiten grösser, als die andere. Wenn der Mondmittelpunkt nicht in der Ebene der Ekliptik ist, bildet er mit den Mittelpunkten der Sonne und Erde ein Dreieck. Wenn ein Fisch nicht im Wasser ist, so stirbt er. In diesen Beispielen ist es immer ·ein disj unctives Verhältniss, welches der Consequenz zu Grunde liegt und den Uebergang vom Vordersatz zum Nachsatz vermittelt; ein solches hypothetisches UrtheiUässt sich.als Schlq.sssatz eines durchaus hypothetischen Schlusses dar~tellen, dessen Obersatz ein .Urtheil ist, wie es Boethius voraussetzt: Wenn ein Dreieck nicht spitzwinklig ist, ist es rechtwinklig oder stumpfwinklig. Wenn es rechtwinklig oder stumpfwinklig ist, ist eine Seite grösser, als die beiden andern. Also-_ Wenn ein Fisch nicht im Wasser ist, ist er ausser dem Wasser. · Wenn er ausser dem Wasser ist, so stirbt er. Also - . Da aber der Nachsatz des zweiten Urtheils auch möglich ist· bei der entgegengesetzten Voraussetzung , so lässt sich die zweite hypothetis•che Prämisse dieser Schlüsse nicht umkehren wie die erste; und folgt nicht Wenn in einem Dreieck eine Seite grösser ist, als die beiden andern, ist es nicht spitzwinklig. Wenn ein Fisch stirbt, so ist er nicht im Wasser. Diese _Art von hypothetischen Urtheilen bildet also nicht, wie Boethius meinte, eine Ausnahme von den andern, und das disjunctive Urtheil lässt sich 238 Christoph Sigwart 56 nie in_ einem· einz_igen hypothetischen, sondern nur in zw~i z-usammengehörigen: erschöpfen 1lässt sich also auch nicht als eine besondere Form: des hypothetischen darstellen; _ wohl -aber ,ruhen hypothetische Urtheile ebenso gut -auf disjunctiven-· Verhältnissen · als auf katego_ris-chen, und das hypothetische Urtheil darf nicht mit dem katego; ischen ~usammen dem disj: unctiven gegenübergestellt, werden. 19. Lässt das hypothetische Urtheil ·keine Untersch~ede d~r Quantität. zu, und ist es als solches immer bejahend: so fallen endlich auch die sog .. modalen Unters chi e de : weg, -wie schon Boethius ( s. S. 17) ganz richtig erkannt hat. Ein nothwendiger Zus~mmenhang k,ann nur in einerlei Sinn beha_uptet werden; iuch wenn beide Glieder Möglichkeitsurtheile, wären, würde doch der nothwendi'ge Zusammenhang beider behauptet. _Man wird einwenden, es könne ja das ganze hypothetische Urtheil ,problematisch' gesetzt werden. Allerdings wer den Ausdruck eiµer Ungewissheit ein Urtheil über die Sache, nicht bloss über ·den subje()tiven Zustand der Ungewiss~eit selbst· nennen wil1 1 wird in diesem Sinne von einem. problematisch1m hypothetischen Urtheile reden können; aber wir vermögeii in· dem_,problematischen Urtheile' in diesem Sinne n~r eine contra: dictio in adjecto zu erkennen. Immerhin, ist es aber von Werth, sich klar zu machen, was mit Behauptungen wie: Wenn A gilt, kann B_ gelten, in denen also der Nachsatz ein Mög- ·lichkeitsurtheil ·ist, ges-agt. werden -will. Sie können einen doppelten Sinn haben. Entweder den r~in negativen, ! lass zwischen .A und B kein Verhältniss des Gegensatzes besteht, dem zufolge gälte : Wenn A gilt, so gilt B nicht, und dann heben sie nur eine nothwendige Consequenz auf, und sind ~quivalent der Verneinung des_ hypothetischen U rtheils: Wenn A gilt, gilt B nicht (s. S. 51 J; oder sie drücken das pc; isitive Verhältniss aus, dass A einen Theil des_ Grundes von B enthält, abf.,. _,icht den vollen. und zureichenden. Ein Beispiel für den ersten Fall ist: Wenn t: iner reich ist, kann er unglücklich sein es verneint nur den Satz : Wenn einer reich ist, ist er glücklich ; für den zweiten : Wenn Vollmond ist, kann Monds: 6.nsterniss sein der Vordersatz enthält eine der Bedingungen, unter d~nen der _; Nachsatz gültig ist, aber nicht alle. Die ersten s~nd trotz ihrem ,Wenn' keine hypothetischen Urtheile, sondern sog. Concess1.vsätze, und der volle Gedanke spricht sich nur in der Form aus: W ehn einer au c h reich ist, kann er d o c h _uii.glücklich sein; die zweite Classe Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 239 57 aber gehört zu den Behauptungen eines Zus~'inmenhanges, denn sie spricht eine positive~ Möglichkeit, ein Recht, den Nachsatz -zu erwarten, ·als Fölge _der Gültig,kei~ des Vordersatzes aus. jene Classe ents_pricht dem .par~iculären Urtheil, sofern dessen H'auptfunction darin besteht, die entgegenstehende allgemeine Behauptung aufzuheben,mdem das particulär ·bejahende die Unvereinbarkeit, das particulär verneinende die nothwendige Zusammengehörigkeit von Subject. und Prädicat aufhebt; ,· Die~e -.entsp~i~ht dem particulären Urtheil, welches in .dem Subjecte einen Theilgrund des rrädicats hinstellt,' .sei's das Genus,· das sich iri seine Species gliedert . und die Möglichkeit d·er Artuhterschiede · ~hon in sich trägt, oder die Kraft, die sich auf bestimmte Verani~ssu~g_ in einer Wirkung äussert. 20. Das Bestreben, ·das hypothetische Urtheil dem kategorischen ganz parallel zu behandeln, -h~t auchdazu geführt, auf dasselbe_ die Regeln d~r-0 o nv1ir s i o n ~nd -Oontraposition ·anzuwenden, was'.namentlich von Ueberweg in ausführliehste.r Weise geschehen: ist. · Wenn 'man ·ak Oouversion d~s hypotlretischen Urtheils diejenige Veränderung· bestimmt, welche den Vordersatz zum· Nacbsatz, den Nachsa-tz· zum Vorder'- . satz macht: so giebt ·es keine Ö(tnversion in dem Sinne, dass ·aus der Gültigkeit . . . , . . der Folge_ die. Gültigkeit des Grunde~ abzuleiten wäre. Will man die Analogie du-rchführeti: , -so kann man nur soviel sagen, dass mit der Gültigkeit, der Folge der G~urid nicht ausgeschlossen .ist'· sofern die 'Folge . nicht ~erneint ist , also der Grund im allgemeinsten und abstractesten Sinne möglicherweise .gültig ist: Wenn- A gilt; so gilt .B ..: _ · W~nn B· gilt, ·so ,kann A möglicherweise gelten; · · und dass, unter· Umständen, -die' Gültigkeit d-er Folge . einen-_ .positiven 'l'heilgrund der Gültigkeit des Grundes enthält. Dem particulären Urtheil, welches die _Oon'.vers'iori de~ k~t~gorisclien allgemein _bejahenden ergiebt; entspricht. also eine MögHchkeit, ', womit sich die (von ·Trendelenburg beson~r-~tbetonte)· Verwandt~chaft des pa-rticulären Ut·theils und 'des Möglichkeitsurtheils · aufs neue ' - , , - _, b~stätigt. Gl~ubt inan .'nun aber da~aus, dass das allgemein verneinende kategorische Urtheil sich rein con; ertiren lässt, au.°r dasseibe· Verhal~n,iss beim hypothetischen s~hliessen zu dürfen·: so i"st· dielijl nur vermittelst einer _Ungenaui~keit mögl~ch, welche den Begriff der Oonve~sion des hy,Pothetischen Urtheils rmit dem der Co: p.trapo_sition zusammenwirft. · 240 Christoph Sigwart Das U rtheil . kein. A ist B (kein rechtwinkliges Dreieck ist gleichseitig) heisst .in hypothetischer Form : Wenn etwas i ist, ist e11 nicht B (Wenn ein Dreieck rechtwinkltg ist, ist es niGht gleichseitig); Das Urtheil kein B ist A . (kein: . gleichseitiges breieck ist rechtwinklig) heisst in 4ypothetischer Form: Wenn· etwas B ist, ist es nicht A (We: b.n ein Dreieck .gleichseitig· ist, ist· es nicht rechtwinklig). · Das zweite hypothetische Urtheil ist nicht die Umkehru: ug des ersten, d. h. es ist nicht der Nachsatz des ersten zum Vordersatz des zweiten gemacht ; sondern ·· das ·co.ntradietorische Gegentheil · des Nachsatzes •ist· Vorderi; ; atz , das co~tradictorische Gegentheil des· Vordersat: i; es N achs~tz. geworden; das zweite Urtheil ist also aus dem ersten nach dem Grundsatz hervorgegangen, dass -mit der Folge der GrulJ: d aufgehoben sei. Nennt man diess, wie Ueberweg § 90 ihut, Contraposition, so kanp man es nicht § 87 Conversion neilne0; , Die Conversion "Wenn et~as nicht B ist, ist es A" wäre_ ganz entschieden falsch. Daraus, dass ; zwei Begriffe sich ausschliessen, kann immer nur abgeleitet werden, dass, was den einen zum Prädicat hat, den andern nich.t hat; die Conv: ersion ist nur beim di~junctiven Verh,ältniss zulässig, welches eine weitere• Möglichkeit ausschliesst, dieses aber ist im .hypothetischen Urtheil nicht ausgedrückt. Die Contraposition des allgemein bejahenden kategorischen Urtheils aber fusst auf einer· Anwendu,ng genau desselben Grundsatzes, wie die sog. Conversion des allgemein v.erneinenden. · Wird durch Contraposition aus Alle A sind B, das Urtheil: Kein non B ist nicht A, s.o wird im hypothetischen ·Ausdruck aus Wenn etwas A ist, ist es B das Urtheil: Wenn es nicht B ist, ist es nicht A d. h. mit dem Nachs•atz ist der Vordl; )rsatz aufgehoben. _Die 4ypothetische Form enthüllt tlabei das Wesen und das Recht der Contraposition und umgeht zugleich das non ~, was als Begriff angesehen und nicht als abgekürzte Formel eines negativen Urtheils über ein .bestimm.tes Subject immer ein Monstrum ist. Daraus geht hervor, dass das hypothetische Urtheil auch in dieser Hinsicht nach seinen eigenen Gesetzenbehandelt und die unmittelhal'en Folgerungen, die es zulässt, aus dem Princip abgeleitet sein wollen, welches .sein Wesen ausdrückt, nämlich aus dem; was schon Aristoteles Anal. pr. II, 4. 57 b 1 auf- Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 59 gestellt und Kant.das·- Gesetz ·des Grundes genannt hat: ·dass ,die Folge _geset~t, mit -der Folge d~r Grund aufgehQben sei. IV. 241 mit dem Grunde ' . ' F1tssen wir das bis: \ierige zusammen : so· hat sich _zl! näehst ergeben , _dass das hypothetjsche Urtheil die von der Sprache gebotene F_orm ist, in weicher . ' ' von einem Satze· zu. einem: andem mit der ßehaupJ; ung fortgegangen wird, dass. ~us der Gültigkei(des einen die ·Gültigkeit· de_s ~nder_n folgt, ohne dass da~it di1; 1 Gültigkeit jedes einze_Inen behauptet würde; dass .also, , wenn· man seine eige~tliche Bedeutung bezei~hnen will, es nur ein U r t h e i i d e r F o i g e heissen '-könnte i. Von diesem Wesen des hypot~etischen Urtheils mus~ sein W erth und die. Stellung, die ihm in der Logik zukommt; ·bestimmt seiri. . , ' 1 Die· Benennung »hy~othetisches Urtli~il« oder »Beding_ungsurtheil« drückt die Seite der Aussage· aus, ve~öge welcher kein ·Urtheil da ist, -sofern sie den Satz unter. den Gesichtspunkt der bedingten Behauptung des Nachsatzes .stellt .. Dabei ist noch auf den Sinli hinzuweisen_, 'inwelchem überhaupt, von· »Bedingungssätzeµ« ·die Rede ist. V.ersteht-. man· unter· Bedingung, wie· es der, gewöhnliche Sprachgebrauch mit _eich bringt, dasjenige, was erst erfüllt'.sein ~USB, ·ehe ein' anderes gilt (die Vertragsbestimmung, deren_ Nichterfüllung den Vertrag aufhebt, den Umstand, ohne dessen Vorhandensein etw'! 's nicht ·eintritt oder· fortbesteht, wie wenji n: ian von Frie,densbedingungen, .Lebensbedingungen u. s, w, redet), also. die conditio eine qua non: so schei~t gerade~ein ·Widerspruch zu b~stehenzwischen der Bezeichnung des Urtheils als .Bedingungsurtheil ·und der logischen Le"hre, dass mit dem Vordersatz der.Nachsat? , -~icht aufgehoben sei; und -ebenso besteht ·ein Widerspruch, sof~rn im hypothetischen Urtheile der Vo: i; dersatz den Nachsatz nothwendig .machen soll, während -wir überall. die Bedingung vom zureichenden, Grunde unterscheiden; . un,d _sie nur als · ein au11a(nov, aber nicht als den ganzen Grund denken. Uni doch kann die Grammatik nicht Unrecht haben, wenn sie El und Si und Wenn ·als Bedingungspartikeln bezeichnet. Der Widerspruch 1öst sich' sofort, wenn wir die 'bloss, subjec,tive Seite de~ Au~sage: von dem scheiden, was darin' Urtheil· ist. Wer in gewöhnlicher-Recle, ,welche sich ~eist in 'concrßten Verhältnissen bewegt, den Satz ausspricht: ·wenn du schnell ·läufst, erreichst du ihi; i, der hat allerdings im S"ini; i, die Ge w i Bi! h e i t des N lj,clisatzes an die Bedingung' des Vordersatzes m knüpfen,' in dem Sinne, das_s er dits• ,Erreich~n' nur dann versprechen und verbürgen will, wenn die Bedingung erfüllt wird; der Sinn dabei ist aber immer nur· der: werin der Vordersatz nicht eintritt,' -~ill und k~n' ich den Nachsatz nicht b~haupten, ist de~ Nachsatz ni eh t • ,✓ " gewiss. Der Vordersatz.ist -fü,r mein augenbli~kliches Denken und den Zusammenhang, in . d~m es eich bewegt die Bedingung, überhaupt eine Beha)lptung aufzustellen. Nicht aber ist objeetiv d_er Inhalt des V~rdersatzes die conditio sine qua non dessen, was der 8* 242 Christoph Sigwart 60 - Nun ist da-bei, zweierlejzu· betonen. 1. Da.s hypothetische, Urtb-eil ,kaD: ! _l: njchts ur~prüngliches sein, denn _es setzt das kategorische il! lm~r schon. voraus~ Bejahung_ und Verneinung eines Prädicats von einem Subject muss immer schon v: oll,; ~gen -seht, (o'der wenigstens als vollziehbar ~org~stellt, werden" )eheei~ ~ypofhetisches Urtheil möglich ist, das nie etwas anderes zu leisten : mag, als zwei Prädicirungen ~u ; erknüpfen. Die Kantische Theorie, welche das hypothetisc~e und kategorische Urtheil ·als zwei c.oordinirte Arten des -Urtheilens hinstellt, ist darum im Princip -falsch; de_nn · das hypotheti! ! che U: r; theil vermag niemals das kategorische. zu ersetzen,da es eine kategorische Prädication nothwemlig z·wei- : cyial in siqh enthält. Wenn die Kantianer zum Theil nach frü.heren, Vorgängen di~ S~che so darstelle~, als werde_n " Vorstellungen'( das einemai ins lnhärenzverhältniss, -das, anderemal ins Dependenzverhältniss gesetzt; -wenn -sie den Vordersatz als Subjectsvorstell~-ng, den Nachsatz als Prädieatsvorstellung hins_tellen, so . verwischt sich -in dem unb~,stimmten Ausdruck eine wesentliche Pifferenz. _ Die Vorstellungen, welche ins Inhärenzverhjil,tniss gesetzt werden, sind Anschauungen und B.e,griffe ; die Vorstellun~en, welch~ ins Depend~nzver.hältniss gesetzt werden, _sind : Urtheile, d. ·h. Ausßagen über Inhärenzverhält~isse; b~ides lässt sich also nicht parallelisiren~ Es ist geradezu unbeg~iflich, . wie dieser einfache· Sachverhalt, der Srmmetrie zu lieb so beharrlich ignorir-t werden konnte. Das ~rs_prüngllche Urtheilen ist also ·immer ~in kategorisches. Auch das disjunctive- Urthei1 enthält eJne Mehrheit von kategorischen in sich, von denen es behauptet, dass sie sich ausschliessende.. Möglichkeiten sind, von denen eine gültig ist; es kann ebensowenig ursprünglich sein. Ale ursprüng~ich kann nur etwa Trendelenb1; 11: gs ,Urtheil des Umfangs' gelten; aber es ist kein disjunctives, sondern ein divisives ; ,es setzt die specielleren Bestimmu; ngen, die alle an einem gegebe1,1.en Begriff möglich _! lind.; und spricht die Division aus, wie andere Urtheile eine Definition -oder Subsumtion; das ,Entweder-oder' erscheint in s9lchen Nachsatz enthält; wohl aber muss o b j e c t i v der Nachsatz gültig sein, wenn der Vordersatz gü1tig is~_, sonst ,k~n ich die' subjective Gewissheit nicht von diesem auf jenen übertragen. Um Bedingung J; iandelt es sich also für die subjective Gewissheit, um Grund ,und Folge für die objective Gültigkeit des Zusamm~nhangs'. Was.aber das zweite betl'ifft: so sind Bedingungs_nrtheile im objectiven Sinne, d. h. ·Uxtheile ! iber ein (logisches od~ reales) Bedingungsv~rhältniss im Unterschiede von Urth~ilen der folge, die von der Form ,Wenn A gilt, li: a·nn B~~ , . . Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 243 61 Urtheil.en nur durch · eine Ungenauigkeit; es steht, wenn von einem einzelnen Subjecte die Rede ist, in Beziehung auf welches nicht alle Möglichkeiten, sondern nur eine gelten kann. (Die ,Kegelschnitte sind theils Parabeln, t~eils Hyperbeln, theils Ellipsen, tbeils Kreise. Dieser Kegelschnitt (oder Jeder 1 einzelne Kegelschnitt) ist entweder ei~e Parabel, oder. eine Hyperbel, oder eine Ellipse, oder ein Kreis.) Das disjunctive T! rtbeil ruht allerdings zuletzt auf einer völlkommenen Division; aber es .enthält sie nicht riothwendig in Beziehung auf den Sub je c tsb _e griff, sondern ebenso häufig. in Beziehung auf. den P rä d i ca t s begriff. In dem von Trendelenburg angeführten Beispiele: "Die Welt ist entweder durch eine freie Ursache oder durch blinde Nothwendigkeit geworden'" wird nicht der Umfang des Subjects, sondern der des Prädicats (Gewordensein) erschöpfend getheilt, und daraus die Disjunction in Beziehung auf zwei sich ausschliessende .Prädicate ausgesprochen. Während oben im divisiven Urtheil schon entschieden ist, dass der Subjectsbegriff als Einheit keines der disjungirten Prädicate ausschliesst, handelt es sich bei solchen anderen Disjunctionen darum, welches der Prädicate dem Subject als Einheit zukommt, welches von ihm ausgeschlossen wird. Die Differenz beider erhellt am besten 1 wo derselbe Subjectsbegriff auftritt. Die Menschen sind theils Neger, theils Mongolen, theils · Caucasier. Die Menschen stammen. entweder von einem Paare oder von verschiedenen ab. Wo also eine wirkliche Disjunction ist, da treten an da s.s e 1b e Sub je c t, mag es ejn · einzelnes Ding oder eine begfifflicbe Einheit sein , verschiedene Prädicate als möglich heran, es bilden sich die Vorstellungen verschiedener Urtheile, die sich gegenseitig aufheben, von denen aber eines wahr sein muss, und diese Urtheile sind kategorische. Daraus geht weiter hervor, dass von ,einer Verwand 1 uu g eines kategorischen in ein hypothetisches Urtheil und umgekehrt niemals in dem Sinne die Rede sein kann, dasR das kategorische, Verhältniss von Subject und Prädicat verschwände und durch e.in anderes Verhältniss ersetzt würde; . sondern es wird nur der Sinn Einer Prädication durch das Verhältniss zweier. andern ausgedrückt; das ist aber nur unter der Beqingung möglich, dass ein neues Subject verschieden von dem ersten eingeführt wird. Wenn ich das Urtheil: "Das gleichseitige Dreieck ist gleichwinklig" in das hypothetische „verwandle": Wenn 244 Christoph Sigwart 62 ein. Dreieck. gleichseitig, ist, so ist es gleichwinklig : so habe -ich im ersten, kategorischen; · Urtheil den Begriff des gleichseitigen Dreiecks als Einheit gedacht, und .ich gebe ·ein ihm_ nothwei; idig zukommendes Prä.dica.t, eine Bestimiir\lng seines Inhalts an. Im zweiten, hypothetischen, Ur~eil habe ·foh als Subject des Vorder- und -Na()hsatzes -ein einzelnes unbestimmt gedachtes Obje~t, dem zunächst nur· die generischen Bestimmungen -des Dreiecks_ zukommen,· das ich aber noch verschiebbar und .deterµiinirbar al'.).nehme; der ·Vordersatz determ.foirt -es_ durch .die eine aestimmung gleichseitig; __ un_d das Urthcil sagt, dass mit -dieser auch die andere gleichwinlilig nothwendig gesetzt '! erd~n müsse. Es ist also ein g~nz_ .anderer Denkprocess an die· Stelle .. des ersten ge~eten. Soll nun. die Fra.ge entschieden werde: µ, ob siel,i. mit jedem kategorischen Urtheil -diese Verwandlung vornehmen lasse: so ist zuerst festzustellen, was ·denn unter einem kategorischen Urtheile . zu verstehen ·.sei? Und hi~r sind zunächst. zwei Arten v,011 Aussagen, die äusserlich gleich sind,: -genau zu scheiden. Die eine b~trifft ein z e In e S u _b j e c t e, welche, ~m sie überhaupt zu bezeichnen und etwas -von ihnen aµssagen zu können, mit einem Worte bezeichnet we~den, mag es ein ~oinen proprium oder ein Appellativum sein; und das Prädicat gilt ~on diesen ei? zeln~n Subjecten, ohne dass aµsgesprochen wäre, warum es von ihnen gilt. -Alle ; Flaneten bewegen sich von West nach Ost -um die Sonne, ist ein solcnes Urtbei! . ,A,lle Planeten' vertritt n~r die hundert und· soviel Nomina propria; ·der Satz weist ihnen eine_ gemeinsame Eigenschaft zu .. Aber ob sie dieselbe habe,n, weil sie P 1 an et e n sind, d. h. der Begriff des Planeten auf si.e anwendbar ist, oder ·ob aus irge~d einem andern Grund_e, ist im ·Urtheile .nicht ausg~! lprochen. Würde unte_r den Asteroider,i ein Körper entdeckt, der den übrigen in• allem ähnliph, in einer wenig excentrischen Ellipse rückläufig wäre, so· würden wir kaum anstehen, ihn einen .Planeten zu nennen; d-as obig~ Urtbeil würde in seiner Allgemeinheit nicht mehr gelte: µ. Zu dieser "()lasse gE! hören alle empii'.ischen Urtheile, die Beobachtungen an Einzelnem aussprechen-, das schon unaphängig .von de1'. Beobii,chtu-ng nach irgend einer Classification der Ding~ benannt wurde. · Gan: ,i anderen Sinn,hätte das-Urtheil: Die Planeten sind compacte Körper, die sich in constanten Bahnen um einen Centralkörp~r bewegen, der ihre Bahn durch seine Attraction bestimmt; .denn dieses Urtheil gäbe eine Inhaltsbestimmung _des Begriffs Planet, und was diese· Merkmale nicht hätte; würden wir Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 245 63 gar nicht als Planet betrachten und benennen können; darum kann der Umfang ganz unbestimmt sein, er dehnt sich d-er Zahl nach ins Unendliche und Un~ erreichbare, ,Alle' sind nicht Nro. 1, 2, 3 u'. s. f" sondern ,alle' sind alle die" jenigen, denen der Begriff Planet zukommt, mag ich sie kennen und zählen oder nicht. Oder vielmehr, es ist 'schon eine Verfälschung. und Verunreinigung, wenn solche Urtheile im Plural ausgesprochen werden; und seit die Formel des Aristoteles A xa": a r,; av"; or; "; ov B in die. Formel alle B sind A übergegangen, die Einheit des Begriffs in die Vielheit der Individuen zerschlagen ist, ist auch der Unfug, die Begriffe immer von Seite ihres Umfanges, der ,ein aO(! tSOV und anet(! OV ist, zu betrachten, eingerissen, statt dass für unsere Erkenntniss der Inhalt den Umfang bestimmte. Nun ist klar, dass wo einem Subject nicht deshalb, weil es einen Begriff in sich darstellt, sondern aus irgend einem andern Grunde ein Prädicat zugesprochen wird, für die "Verwandlung" in ein hypothetisches Urtheil gar kein Raum ist. · "Socrates ist krank" kann nicht hypothetisch ausgedrückt werden'. Ist aber mit dem Subjectsbegriff das Prädicat nicht gegeben: so kann die Prädicirung nur auf dem beruhen , was nicht durch den Begriff ausgedrückt ist, auf' der einzelnen individuellen oder zufälligen Bestimmtheit, di1: 1 Sache der Anschauung ist; darum muss in solchen Urtheilen das Subject für diese gegeben sein, und sie setzen seine Existenz für die Anschll,uung voraus. · Ist aber das Urtheil ein begriffliches, giebt das Prädicat den Inhalt des Begriffes an, dann ist auch der Sinn gar kein anderer, als dass mit dem Begriffe das Prädicat nothwendig verbunden sei; und auf welche einzelnen Dinge der Begriff eben angewendet werde oder werden könne, davon ist gar keine Rede; das Urtheil ist gleich nothwendig und gleich wahr, wenn auch gar kein existirendes Ding unter ! len Subjectsbegriff fiele.· Allerdings liegt es in der Natur unseres Erkennens, dass in ihm die Beziehung auf, die Realität liegt, d. h. auf eine von der Zufäfügkeit unseres indi-• vidU: ellen Denkens unabhängige und sie bestimmende Wahrheit. Allein diese Realität ist nur auf der untersten Stufe der Erkenntniss di~ empirische. Von vielen Dingen allerdings könnten wir gar keine Begriffe bilden und• gar keine P~ädicate aussagen, wenn wir sie nicht empirisch kennen gelernt hätterr; in Urtheilen, wie Gold ist gelb und der Diamant ist verbrei: J: nlich, bringt es die 246 Christoph Sigwart 64 · Natur .der Subjecte· und Prädicate mit sich, dass die Subjecte · empirisch <la sein u: nd Gegenstand unserer ans.chaulicheri E~kenntniss ·geworden s~in müssen; . ·hier ist die Verwirklichung des .Begriffs · ili qer empirischen Welt nothwendig • • 1 • vorausgesetzt. Aber unsere Erkenn; tniss dringt über diese Sphäre hinaus auf . die letzten Gesetze alles Daseins, auf die höhere Realität, welche in der ideellen Nothwendigkeit phy&ischer und geistiger Gesetze liegt, die nicht nothwendig in empirischer Existenz verwirklicht sein müssen. Ein U.rtheil wie: ,Der Weise ist imme1· glücklich',. spricht die Erkenntniss' .eines ·solchen Gesetzes aus, und bezieht sich insofern auf ein Reales, aber es s~gt nicht, dass das Subje.pt existiren müsse , damit der Satz wahr sei: . Die mathematischen Gebilde existfren auch nicht im Sinne äusserer Existenz ; die· Realität, die ihnen zri Grunde liegt, sind die Gesetze des Raums und der Raumanschauung, die Gesetze der Zahl; ·diese sind der Grund der· Gültigkeit eines· Urtheils , wie Va 2 = av - 1. . Es hängt also von der Natur der Subjecte und Prädicate ab, ob ein Urtheil voraussetzt; dass der Subjectsbegriff überhaupt in empirischer Existenz verwfrklicht. S,ein müsse; aber selbst dann· behauptet ·das Urtheil ,A ist B' nicht, wa; s d.as Urtheil ,A ist' im Sinne eines empirischen Urtheils der Existenz. streng genommen behaupten würde. Schnee ist weiss, gilt ·auch ii: p. Sommer; das Präsens des allgemeinen Urtheils erhebt sieh wenigstens. übe,r die . . momentane Dauer der empirischen Gegenwart, wenn es auch. irgendwo· und irgendwann die Existenz des Subjects v·oraussetzen muss, einfach weil man sonst nichts von ihm wüsste. In diesem Sinne gilt die Lehre Herbarts, d,ass mit dem begrifflichen Urtheil A ist B nicht gesagt sei, A · sei im Sin.ne äusserer. oder e m p i r i s c h er Re~lität; es genügt, dass es gedacht werde, um, nach nothwendigen Geset~en ein objectiv gültiges Urtheil auszusprechen; nimmt man auf die Möglichkeit Rücksicht, dass ein entsprechendes Subject gegeben werde, so ist bloss die hypothetische.Form richtig: Wenn etwas A ist, so ist es B, welche die Gültigkeit des begrifili: chen Urtheils emporhebt über die Zufälligkeiten der Verwirklichung des Begriffs, welche da hereinspielen, wo das ,Alle A sind B' jn dem Sinn verstanaen wird, .dass es sich nur um. ,existir~nde' A handeln könne. 2. Ist das hypothetische Urtheil für den Beginn des Denkens nichts Ursprüngliches: so ist es andererseits. auch ni.cht der adäquate Ausdruck für das Ziel des Denkens, das im Erkennen beruheµ will.. Dies.es sucht die. einfache Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urtheile 247 65 Gewissheit des kategorischen Urtbeil~; ja nur m einem sofohen lässt ·sich der vieldeutige logische Zusarn.menha.ng. des Wenn .: ... so _auf seinen hestimmt~n 'Grund ·zurückführen und aussprechen, ob begriffliche Zusammenhäng-e '.der-lJnterordnung oder 1 des Gegensatzes, ·oder Causalzusam~enhänge, oder was sonst den Hintergrund der nothwendigen _Verknüpfung bildet; und insofel'! l hat Aristoteles gewiss vollkommen'. Rec: ht · gehabt, den hypothetischen S~hluss nicht ,zu be: .. handeln, sofern er seine beweisende Kraft nicht· in sich selbst, sondern nur in denjenigen UrtbeÜen hat, aus wel~hen ·das hypothetische ~urth~il selbst seine · Berec~tigung. ableitet; ·die letzten Grüi1de unserer Gewissheit, .-die Princip_ien der Apodeixis sind immer kategorische Urtheile. Es .giebt &.llerdings .eiti Gebiet, das des , veränderlichen Geschehens , für welch! : )s das hypothetische Urtheil der adäquate Ausdruck scheint. In dem gegenseitigen ·Zusammenhange . der Dinge entf~ltet Eine S! 1bstanz · ihre Thätigkeiten nicht frei und unabhängig aus· sich, sondern nur veranlasst durch ande~es, ·und· ihre Thätigkeitenwechseln mit den Umständen. Schiesspulver e: x; plodirt nichtfür sich, sondern nur wenn. der zündende ·Funk~ es trifft ; der Same keimt nicht für sich, sondern -nur wenn Feuchtigkeit und Wärme ihn umgeben. Hiefür scheint es· gar keine andere DarsteUuni geben zu können, als das hypothetische Urth~il. Urid doch gilt auch hier",_ dass es, weil es J? .Ur den subjectiven Zusammenhang des Fortschritts im Denkeil bezeichnet, die ungenaueste Ausdrucksw_eise i~t, und dass die Sprache in ihren Verben, Präpositionen u. s. w. Mittel genug hat, die Natur der Sache, auf der die hypothetische Behauptung ruht, bestimmter. zu bezeichnen. Dabei ist freilich vorausgesetzt, -dass ·endlich alle jene traditionellen Dogmen über das Wesen des Urtheils aufgegeben werden, welche · de~ -Begriff d·esselben auf die ~ubsumtion des Subjects unter seinen Gattungsbegriff, oder auf Inhärenzverhältni_sse oder Bescha-ff~nheitsaussagen be: .. ·schränken wollen, ·Dogmen,. welche, aus der Geschichte der Logik erklärbar, doch ·-vor der einfachen Wirklichkeit des Denkens und der lebendigen ~raxis der Wissenschaft nicht bestehen 'können. Es· muss anerkannt werden, dass die Thätigkeit der wirkenden Substanz· wie die mannigfaltigsten Relationen, die sich doch nie streng von I~härenz und Beschaffenheit scheiden lassen, als Prädicate einfacher k~tegorischer · Urtheile ·auft~eten ~önnen, · und, dass es eben die Aufgabe der Lo~k ·ist, den Sinn der im Urtheil gesetzten Einheit eines Subjects 9 248 Christoph Sigwart 66 mit den -verschi_edeiien Art~n seiner P: rädicate fästzustelle~, was. freilich über die Gre~zen d'es bloss: : Jf orma1eri binausge_ht~ Waif bi~ibt, dem _hy.poth~tischen Urth~il übrig? _ Nichts als, eine bequeme_ allge~ine .Flormel für diema~nigfaltig~ Bew.~~: qg unseres Denkens zu· _sein, das z~i~clien seinem Au; gan,g- ; und· s~inein. Ziele die man~-gfaltig11ten· W~ge ei~schlägt: - Da al(e~ Bewegu: qg d~s · D~: ri~ens, ·das zur G_ewissheit, kommen will, von Gegebenem ~µ.sge_hend si~h so vollziehe: q .tnuss 1 dass ein· Sat~ aus dem andern mit '.N othwenßi~keit : hervorgeht, wie das il! s besondere· das Wesen. alles Schliessens. i~t, so hat die Erkennt_ni&sJ das~ ~wei -Sätze _sich wie- 'Grund und ]f~lge. v_era - ( - ~' . - ' ~ ' halten, überall einen logischen W erth, indem si~ einerseits fixirt_; was wir gewonn~n und ,z. R' wie es in den mathematischen Sätzen gel! chieht-, , Anfang und Ende, einer iangen Schlusskett-e in ·.kurzem b~haltbarem Aulldruclte zusamriienfasst, ~nde~erseits eine·_ solcJie Erkenntnisszu_ -weit~re~. G~b~auche · für je,de,n n~u · eintretenden F~ll -bereit hält. , ,. Es liegt ferner in der Natur unsere~ Denkens, -dass es im Dienste der Erkenntniss_ überall,über' das_ Gewisse hinausgr.eif~nd bloss ange-noIJimen-esentlrick~lt und ·durch Verm~tlmngen das Gewisse verknüpft; und auch in -clie~~r Hinsicht läs,s't sich· der allge,! D,eine A: usdruck dieses Proc~sses •nicht entbehren, der· de: n festeµ Ausgang vori dem_ .zweifelhaften scheid~nd, dje. Ge'Yissheit nur in der Verknüpfung -sieht. So kleidet sich nicht bloss jeder apagogische Beweis naturgemäss in die hypothetische Form, sondern auch alle naturwissenschaftlichen H: yJ>othElsen b_ew: .egEm. sich i~ -Folger~ngen aus dem bloss ,'.\ng~nom,menen. _ Un,d v.on ·dieser: Seite hat die Logik eJ>eriso _R~cht gehabt, das hypothetische Urtheil als eine Gedankenverknüpfung ~on, ganz unive_rsaler Bedeutung anzuerkennen, wi~ die _For: µien der hypothetischen Schlüsse zu entwickeln; ·sie sind unenpbehrliche Abbreviaturen unsere_s Verfahrens; Formeln, dieeine ganze R~ihe unterscheidba~_ir Verhäl~nisse in. gleichartigem Ausdruck zusammen,fasse: r; i; sie verhalten sich zur aristotelischen Syllogisti,k etwa_wie di~analytische Geometrie· zur Euklidisnhen. S. 24. Z. 7. y. u. lies uuae rebtudnsunJ. KODIKAS / CODE Ars Semeiotica Volume 23 (2000) • No. 3-4 Gunter Narr Verlag Tübingen Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch bei Peirce und Wittgenstein Marcel Post Charles Sanders Peirce und Ludwig Wittgenstein liegen mit ihren Lebenszeiten eine Generation auseinander. Der Amerikaner Peirce ist 1839 in Cambridge, Massachusetts geboren und 1914 in Milford, Pennsylvania gestorben. Der Österreicherund späterhin Engländer Wittgenstein ist 1889 in Wien geboren und 1951 in Cambridge gestorben. Beide sind als Philosophen im wesentlichen orientiert und eingebettet in die europäische Philosophie. Für Peirce gilt dies auch insofern, als aus heutiger Sicht zu seiner Zeit kaum eine eigenständige amerikanische Philosophie besteht, sondern just zu seiner Zeit und auch mit Peirce selbst eine solche erst beginnt. Auch in der Philosophie ist damals noch der Blick auf den "Alten Kontinent" gerichtet und ohne Alternative. Welche die hauptsächlichen Einflüsse auf beide durch andere Philosophen und Philosophien sind, läßt sich bei Peirce deutlicher ausmachen als bei Wittgenstein, da sich Peirce ausdrücklich auf andere Philosophen bezieht, während Wittgenstein dies im Gegenteil meidet (die wohl prominenteste Ausnahme ist der Bezug auf Augustinus' "Confessiones" I/ 8 in den PU 1-4 ). Philosophie interessiert Wittgenstein als für sich geltende individuelle Lebensform. Damit fällt für ihn der disziplinäre Rekurs auf die Philosophie als akademische Lehre weitestgehend aus. Dennoch weiß man über Wittgenstein, daß er persönlich anregender Auseinandersetzung mit philosophischer Literatur und der mit Kollegen nicht aus dem Weg ging. Durch seine Schwester Margarete Stonborough-Wittgenstein sind ihm schon früh Schopenhauer, Kierkegaard, Weininger nahegebracht worden. Unter seinen Büchern finden sich Titel von Platon, Spinoza, Hume u.a. (vgl. Wright, 1972: 98; Wuchterl, Hübner, 1979: 30ff.). Die Tagebuchaufzeichnungen aus dem Jahr 1916 sind teilweise in der Übereinstimmung mit buddhistischen Ideen sehr augenfällig. 1 Tatsächlich erscheinen in der ersten und zweiten Dekade erste kritische Übersetzungen buddhistischer Literatur in deutscher Sprache 2 und auch die Lektüre von Schopenhauers Werken, der sich selbst "Buddhaist" nannte, mag dazu beigetragen haben. Weiter ist Wittgensteins Sprachauffassung und Sprachkritik der Fritz Mauthners so auffallend nahe, daß man auch hier Kenntnisse Wittgensteins vermuten möchte. Mit seinem Fortgang nach England und mit seiner späteren Philosophie vermehrt sich die Auseinandersetzung mit anderen Philosophen. Die Haltung der konkreten Sprachbeschauung statt des reflektierenden Überflugs über philosophische Sujets bleibt aber bestehen. Anderer Philosophen Theorien werden auch jetzt nur in beiläufiger Form angesprochen. Peirce denkt Philosophie als eine evolutionäre Disziplin, bei der jeder Philosoph vom Standart seiner Vorgänger profitiert, es also eine historische und interpersonale Allianz gibt, innerhalb der um die tragfähigsten Erklärungen, Argumente und Ideen gerungen wird; nach der Regel: "The survival is the fittest". Hieraus ergibt sich im Verhältnis zu Wittgenstein ein geradezu philologisches Interesse gegenüber ihm wichtigen Quellentexten, auf die er sich auch ausdrücklich bezieht. Peirce beherrscht Latein, Griechisch, Deutsch, Französisch und hat 250 MarcelPost sich systematisch profunde Kenntnisse der klassischen Philosophie erarbeitet. Diskutiert werden von Peirce vor allem Aristoteles, Ockham, Duns Scotus, Descartes, Leibniz, Locke, Hume, Berkeley, Kant, Hegel, Schelling, Schröder, Trendelenburg u.a. Teile von Aristoteles Kategorienschrift überträgt Peirce vom Griechischen ins Englische (Peirce, MS 2. la 16; 4. 1b 25; 1995: 143ff.). Zeitgenössische Philosophen, Logiker und Naturwissenschaftler werden von Peirce aufmerksam rezensierter verfaßt hunderte von Rezensionen. Besonders hervorgehoben seien hier: A. de Morgan, B. Russen, W. James, J. Dewey, F.C.S. Schiller, J. Royce, E.F.W.K. Schröder, Ch. Sigwart, verschiedene Vertreter der physiologischen Psychologieallen voran W. Wundt-und schließlich Ch. Darwin. Für Peirce ist zu Anfang Immanuel Kant ganz besonders wichtig. Durch dessen Werk er in die Philosophie und das Philosophieren eingetreten ist (vgl. Peirce, MS L 107; 1986: 64ff.). Das bezieht sich wesentlich auf Kants "Kritik der reinen Vernunft" und dort speziell auf die ''Transzendentale Analytik". Bei aller zeitlichen und räumlichen Distanz, die zwischen Peirce und Wittgenstein gelegen ist, gibt es neben der gemeinsamen europäischen philosophischen Tradition eine biographische und das Werk betreffende Gemeinsamkeit, dergestalt, daß beide in ihrem beruflichen Leben auch mit technisch-naturwissenschaftlichen Problemen beschäftigt sind: Peirce mit photometrischen Untersuchungen und Pendelexperimenten (für die er selbst Apparaturen konstruiert) und mit seiner Beschäftigung mit geodätischen Untersuchungen im Auftrag der amerikanischen "Coast Survey" (vergl. Walther, 1989: 61ff.; Oehler, 1993: 17ff.); Wittgenstein mit seiner Flugingenieursausbildung in Brünn (vgl. Wright, 1972: 84f.). Bei beiden ist die philosophische Methode von den Naturwissenschaften, der naturwissenschaftlichen Praxis geprägt: Grundsätzlich schon einmal in der Bewußtheit darüber, daß die Methode das mit ihr Erkannte in Form und also Inhalt mitausprägt. Dazu gehören bei beiden wesentlich auch die sprachgetragenen Methoden, weniger das Problem der mit Instrumenten erreichten Erkenntnis. Weiters sind Peirce und Wittgenstein nachdrücklich phänomenorientiert, wenn auch in unterschiedlicher Weise, wie noch genauer zu zeigen sein wird. Dies wird bei ihnen begleitet von einer besonderen Vorsicht und teilweisen Enthaltung gegenüber metaphysischen Interpretationen. Die empirische bzw. positivistische Perspektive gilt beiden als grundlegend. Schließlich nimmt beiderseits die logische Kritik in ihrer Philosophie eine zentrale Stellung ein. Philosophiegeschichtlich liegen Peirce und Wittgenstein damit im Trend der Orientierung der Philosophie an der Methodik der naturwissenschaftlichen Disziplinen. Speziell für Peirce gilt, daß er sich für seine Konzeption des Erkennens und des Geistes auch an der zeitgenössischen physiologischen Psychologie orientiert. Zu den begrifflichen Konzepten, wie sie in der Philosophie hierzu bestanden - und da ist vor allem das erwähnte von Kant zu sehen-, traten nun genaue empirische Untersuchungen zum gesamten sensuellen Bereich: Wahrnehmungsmuster, Lernmodi, Affektivität, Organfunktionen etc. Dies wird von Peirce genau verfolgt undin Teilen transformiertin seine Philosophie eingebracht. Neben dem erwähnten Wilhelm Wundt ist hier neben G.T. Fechner, E.H. Weber, 0. Külpe, C. Stumpf, H.L.F. Helmholtz, E.B. Titchener u.a. besonders hervorzuheben. Auch bei Wittgenstein ist ein solcher Einfluß durch psychophysische Erklärungen des Geistes zu sehen (vgl. T 6.58 u. BPP) zumal er in Wien in einem der Zentren dieser Entwicklung lebt (In Wien arbeiten z.B. E. Mach und Ch. und K. Bühler letzte gehörten zum Freundeskreis der Familie Wittgenstein). Für beide Philosophen gilt, was wohl das Hauptmerkmal, der Größte Gemeinsame Nenner der Modeme ist: die Emanzipation der Mittel als formulierendes Moment in gestaltenden Disziplinen. Zur Anführung sei genannt: in der Malerei die Hervorhebung der stofflichen Farbe und der Wahrnehmung als Thema; in der Musik die Hervorhebung der kompositori- Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 251 sehen Verfahrenstechnik als generierendes Mittel zur Klangbildung und Klangorganistion; in der Kunstliteratur die Hervorhebung des Lautes und/ oder der Textgestalt oder auch des Erzählverfahrens als zumindest latentes Thema usw. In diesem Sinne wird auch die Sprache als Mittel des Denkens und speziell der Philosophie emanzipiert. Peirce und Wittgenstein verstehen Sprache als vollendendes Mittel des Denkens, dergestalt auch, daß eine Kritik des Denkens mit einer Kritik der Sprache einherzugehen habe. Was zuverlässig denkbar ist, ist auch sagbar. Das ist ein Grundsatz, dem beide gewiß zustimmen würden, vor allem auch bezogen auf den interpersonalen sprachlichen Austausch. Dennoch ist die konkrete Gestalt ihrer Philosophien recht unterschiedlich. Wittgenstein meidet Erklärungen und Argumente und zieht sich zurück auf das Befragen, Analysieren und Definieren bezogen auf das in Rede stehende Phänomen. Er suspendiert metaphysische Kletterkünste innerhalb des Sprachgebrauchs in der Philosophie. Bevorzugt wird von ihm die deskriptive Methode. "Alle Erklärung muß fort, und nur Beschreibung an ihre Stelle treten." (PU 109). Peirce akzeptiert eine von Grund auf bestehende Dualität des Erkennens, d.h. einesteils von äußeren Phänomenen deren Perzeption ausgehend, andernteils, diese vermittelnd, in die Form des Denkens transformiert. D.h., es ist gewissermaßen von "zwei Wirklichkeitsursprüngen" auszugehen (was nicht etwa die Akzeptanz des "Ding an sich" als eine Wirklichkeit bedeutet). 3 Peirce geht von der durchgängigen gegenseitigen Vermitteltheit von Sensation zu Spekulation (-speculare = ausspähen, betrachten) aus. Daraus folgt für ihn, daß keine "Gangart" des Denkens zu suspendieren ist, sondern daß sie methodisch zu kontrollieren ist. Die epistemischen Möglichkeiten des Denkens entsprechen bei Peirce recht genau den methodischen Mitteln des Denkens, während Wittgenstein diese Mittel wohl auch sehen mag, sich aber thematisch und methodisch auf Sprache und deren Deskription einschränkt. Wittgenstein ist asystemisch und betrachtet und zeigt, Peirce ist systemisch und betrachtet und interpretiert, hat jedoch nicht etwa ein geschlossenes System. Wittgenstein will nur vorfinden, Peirce will darüber hinaus auch bauen. Beide haben, wenn man die Werke betrachtet, diese oft nicht "abgeschlossen". In der Form des Fragments liegt wieder etwas Vergleichbares zwischen ihnen. Das Fragment geht bei beiden mit suchendem Philosophieren, mit dem ständigen Sich-Umschichten ihrer Intentionen einher. * Wittgensteins Begriff vom Zeichen steht zunächst nur im Zusammenhang mit einem System von sprachlichen Ausdrücken, das eigens aus dem Bedürfnis des Menschen nach Darstellung von Sachverhalten besteht. Vornehmlich interessiert ihn die Schrift- und Verbalsprache neben der logischen und der mathematischen Symbolsprache. Er bezieht sich weniger auf Mimik, Gestik, Bild- und Notensprache. Sprache ist hier zu verstehen als Darstellungssystem (heute teilweise auch "Kode" genannt), dessen Elemente "Zeichen" genannt werden. Es gibt unzählige Beispiele von Dialogen bei Wittgenstein in denen die eine Person zu einer anderen etwas sagt und daraufhin die angesprochene Person etwas tut. Dieses Tun ist aber nicht dargestellt als eine Formulierung in einem Zeichensystem, sondern als eine einfache Handlung. Dennoch geht aus der Handlung, die mindestens von der Ansprache ausgelöst ist oder auf sie reagiert und schließlich sogar antwortet, etwas inhaltliches bzw. bedeutsames hervor. Eine Handlung könnte also ihrem Stande nach durchaus auch als ein Zeichen zu betrachten sein nicht aber bei Wittgenstein. Sie ist eine zeicheninstruierte Reaktion, die ihrerseits kein Zeichen ist. Offenbar liegt hier bei ihm eine methodische und/ oder begriffliche Grenze vor. Oder es ist 252 MarcelPost eine solche Grenze gar nicht gedacht oder gesucht, sondern es wird ein zeichenrelevantes Feld vorgestellt, in dem die Verbal- und Schriftsprache als so zentral und exemplarisch eingeschätzt wird, daß mit der Klärung des sprachlichen Zeichenbegriffs hier alle "abseitigeren" Fälle des Gegebenseins von Zeichen miterledigt sind und so eben auch die Handlung als Zeichen. Scheinbar hat Wittgenstein das Problem der Begriffsbegrenzung von Zeichen in diesem Sinne behandelt. Wie einige andere Vertreter der Sprachphilosophie und der Linguistik auch, vertritt Wittgenstein einen sehr sprachzentrierten Zeichenbegriff (vgl. Saussure, Frege). Dadurch vereinfacht sich das Problem einer Bestimmung des Zeichens wesentlich, die Differenzierung des Zeichenbegriffs ist hier gar nicht von entscheidender Bedeutung. So ist bei Wittgenstein das Wort "Zeichen" auch oft ersetzbar durch ein anderes, wie z.B. "Name" oder "Symbol". Knüpft sich an den Zeichenbegriff auch eine Erkenntnistheorie, was nämlich bei Peirce der Fall ist, so ist eine viel differenziertere Bestimmung vonnöten. Doch hiervon später mehr. Über alle Stadien Wittgensteinscher Philosophie hinweg darf folgende dem ''Tractatus logico-philosophicus" entnommene Bestimmung des Zeichens als grundlegend angenommen werden, obwohl zu sehen ist, daß einiges aus Wittgensteins früher Zeit für seine späteren Werke nicht mehr gilt Das "sinnlich wahrnehmbare Zeichen (Laut- oder Schriftzeichen)" ist ein Element, welches zu einem Satz gefügt, "als Projektion der möglichen Sachlage" dient. "Die Projektionsmethode ist das Denken des Satzsinnes." (T 3.11). "Zum Satz gehört alles, was zur Projektion gehört, aber nicht das Projizierte." (T 3.13). Hieran erweist sich, daß Wittgenstein Zeichen zwar als materielles, einem Code angehöriges Objekt versteht, aber das, was ihm korreliert als "sein" subjektinternes psychisches Geschehnis, welches man als Verstehen bezeichnen kann, gehört nicht zum Zeichen -womit an dieser Stelle bei Wittgenstein eingeschlossen ist, daß nicht darüber gesprochen werden kann, weil es ihm zu unbestimmt bzw. überhaupt unbestimmbar ist. Der Unterschied zwischen Wittgensteins später und früher Zeichenkonzeption ist der, daß er anfänglich den Satz als ein Bild der Wirklichkeit versteht, wohingegen er später sagt, daß wir in diesen Bildern seien, also keine Scheidung mehr zwischen Denken und Sprache getroffen wird. Für Wittgenstein bleibt aber bestehen, daß er sich an der Seite der Entäußerung des Zeichens hält, also vorwiegend an Geschriebenem und Gesagtem. Auch in seiner Spätphilosophie bleibt er dabei, daß das durch Zeichen Ausgelöste etwas ist, was "wir doch wieder mit unseren Mitteln gar nicht beschreiben könnten. Es ist uns, als wollten wir ein zerstörtes Spinnennetz mit unseren Fingern in Ordnung bringen." (PU 106). Und das gilt für den Emittenten wie für den Adressaten,•die einen Dialog unterhalten, d.h. nicht nur für den Blick auf den anderen, sondern auch für den Blick auf sich selbst: "Wenn man aber sagt: 'Wie soll ich wissen, was er meint, ich sehe ja nur seine Zeichen', so sage ich: 'wie soll er wissen, was er meint, er hat ja auch nur seine Zeichen'." (PU 504). Wir können nach Wittgenstein, auch für uns selbst, die Wirkungsweise des "Befehls", der jedes Zeichen bzw. jede Zeichenfolge für uns ist, als solche nicht direkt handhaben (vgl. PU 431). Wir sind den Zeichenbefehlen zunächst ausgesetzt, wenn wir Verstehen eingehen wollen. Wir können nur die Folgen zur Kenntnis nehmen. Das Sprechen über Zeichenwirkungen verändert nur den Befehl und seine Folgen, dabei wird man aber der konkreten Wirkungsweise, wie durch eine "Kluft" davon getrennt, nicht habhaft (vgl. PU 116). Deshalb zieht sich Wittgenstein auf das Zeigen von materiellen Zeichenbefehlen und deren Folgen zurück. Eine Position, die im Verfahren an die behavioristische(n) erinnert. Daß nach Wittgenstein das materielle, sinnlich wahrnehmbare Gebilde zum Zeichen gehört, gilt auch für Peirce jedoch nicht allein die Information, der subjektive funkionelle Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 253 Effekt mit dem es verbunden ist, gehört im Unterschied zu Wittgenstein ebenso dazu. Gleichgültig, ob diese Information die Form einer Empfindung, einer körperlichen Aktion oder einer rationakn Regung hat ("emotionaler", "energetischer" u. "logischer Interpretant"). Generell ist für Peirce ein Zeichen immer dann gegeben, wenn jemand etwas versteht. Das heißt im Gegensatz zu Wittgenstein: Alle Gegenstände und nicht nur materielle Zugehörige eines Zeichensystems, eines Codes, sind Zeichen, sofern sie als etwas verstanden werden (vergl. C.P. 5.265 o. Peirce, 1991: 41) also beispielsweise das unwillkürliche Schließen der Augenlider, eine Büroklammer, ein Stein etc. Und immer ist da nicht nur etwas, sondern es ist auch wie, was und warum. So schildert es Peirce in einer frühen Vorlesung von 1866, der "Elften Lowell-Vorlesung" (MS 359; Peirce, 1986: 128ff.). Alternierend formuliert er es dort außerdem so: Ein Zeichen ist gleichsam ein "Name" für etwas. Von diesem Etwas gibt es eine Geschichte, d.i. die Hinsichten auf ein Objekt, die jeweils mit der sinnlichen Erfahrung desselben angesammelt werden die Eigenschaften. Aus dieser Objektbzw. Gegenstandsgeschichte ergibt sich das Material für den logischen Schluß hin zur "Materie" dessen, was bisher nur "Name" und "Geschichte" war. (Peirce bemerkt dort auch, daß "Materie" synonym zu "Substanz" zu verstehen ist.) Mit "Materie" ist der Punkt der Verknüpfung mit anderen Zeichen erreicht: Zwei Namen wie "Wasser" und "Stein" und deren Geschichte lassen den Schluß zu, das Steine nicht auf Wasser schwimmen. In der Instanz der Materie wird im logischen Schluß die Geschichte beider Namen aufeinander veranschlagt. Es gehört für Peirce zu den notwendigen Bedingungen des Zeichens, daß es nicht für sich allein bestehen kann. Späterhin stehen bei Peirce für die genannten drei Bezüge die heute bekannten Termini "Zeichen" (Name), "Objekt" (Geschichte) und "Interpretant" (Materie). Außerdem wandelt sich bei Peirce, was zu Anfang mehr ein ontologisches, auf Substanz gehendes Zeichenmodell ist, später zu einem rein logisch-relational fundierten Zeichenmodell; gleichsinnig auch zu der das Zeichen fundierenden Peirce'schen Kategorienlehre. Die Logik liefert ihm die tragfähigsten Allgemeinbegriffe und damit eine bewährte Metaphysik. Er strebt eine nichtpsychologische Zeichentheorie an (vergl. Peirce, MS 340; 1989: 87ff.). Daß die direkte Beschreibung des Zustandekommens des durch das Zeichen Ausgelösten, der mit Händen betriebenen Reparatur eines zerstörten Spinnennetztes gleicht, hätte Peirce sehr wahrscheinlich bejaht. Mit dem Einwand aber, daß man sich ja schließlich indirekt darüber äußern könne. Denn das von Peirce über Zeichen Gesagte, legitimiert sich über nicht direkt Beobachtbares und somit "Unsagbares" hinweg, durch die Fähigkeit des Menschen zu logischem Schließen und zur Bildung allgemeiner Begriffe. Für Wittgenstein bedeutet dies metaphysische Spekulation zu betreiben, etwas, das er im Rahmen der Philosophie, besonders der Sprachphilosophie, strikt ablehnt. Pointiert gesagt vertritt Wittgenstein, daß wir in Zeichen sind, während Peirce sagt, daß wir in und über Zeichen sind. Für Peirce gehört Selbstbezüglichkeit zum grundlegenden Moment der Semiose. D.h. Zeichen bestehen nicht für sich allein, sondern aus ihrem Bezug zu anderen Zeichen und so eben auch durch den Bezug allgemeiner Zeichen auf singuläre. Außerdem ist nach ihm auch ein mentaler Inhalt (z.B. ein Vorstellungsbild), sofern man sich über ihn bewußt ist, ein Zeichen. Die Bereiche Erleben, Wollen, Denken gehören dazu. Hier gilt implizit das schon Gesagte, daß nämlich das Zeichen über das materielle Kode- Zeichen hinausreicht. 254 MarcelPost Die Unterschiede lassen sich zusammengefaßt wie folgt darstellen: Wittgenstein: Subjekt Sprache Wirklichkeit 1 1 1 wird durch sprachliche Ausdrücke abgebildet, zugänglich gemacht und geordnet. Material dieser Abbildungen sei immer nur sensuell Gegebenes. I, Zeichen werden behandelt als materielle bzw. als Einheit aus Subjekt, Sprache u. Wirklichkeit mentale Folgen von Zeichen sind durch (Selbst-)Beobachtung faßbar, ihr Zustandekommen nicht. Es besteht eine mentale Selbstblindheit, derenthalber Bedeutung nur gezeigt werden kann. ___ Peirce: __ __________ 1__ _____ _ ist durch Zeichen zugänglich und geordnet u. kann durch Zeichen dargestellt werden stellt sich aber auch selbst in Zeichen dar. Seiendes ist Zeichen-seiendes. Zeichen werden gedacht und behandelt als mentale und materiale. mentale Folgen von Zeichen sind durch (Selbst-) Beobachtung beobachtbar, ihr Zustandekommen nicht. Ein Wirkungszusammenhang, der Zeichen genannt wird, ist erschließbar und differenzierbar durch praktische Folgen und Logik (Semiotik) Um die Situation eines äußeren materiellen zeichenförmigen Objekts, eines Zeichens in Gestalt eines Schriftsymbols, welches einem Kode angehört, eigens benennen zu können, belegt Peirce es mit dem Terminus "Repräsentamen". Es gilt, nicht zu übersehen, daß in Fig. l jene Momente dargestellt sind, die methodisch Verwendung finden und im Rahmen der Untersuchungen beider geltend gemacht werden. Wittgenstein läßt jedoch bekanntermaßen immer wieder durchblicken, daß er sich "privat" metaphysische Ideen zuläßt. Wittgenstein will sehen, wie ein Phänomen sich zeigt und sich auf Beobachtbares, wie die Reaktion der Person auf Zeichen bzw. die logische Ordnung von Zeichenfolgen also offensichtliche Sätze zurückziehen. Peirce teilt dies als induktiven Sockel des Denkens über Zeichen ohnehin, sucht aber dann auch abstraktive Überführungen, die sich in der deduktiven Veranschlagung als richtig erweisen müssen. Dann zeigt sich eben nicht nur ein Phänomen, sondern auch die Richtigkeit einer abstraktiven Projektion auf ein Phänomen. Beides sind Ausgangspunkte ein und derselben Perspektive. Beide Perspektiven beruhen aufeinander - und für Peirce eben auch in der philqsophischen Methode. Wenn Wittgenstein nicht die materielle Zeichensprache thematisiert, sondern ihre formende Wirkung auf das Bewußtsein, was ja in seinem Spätwerk häufig der Fall ist, dann muß man die Frage stellen, ob eben diese Sprache an einem äußeren Phänomen einem sprachlichen Ausdruck -, das er als solches erscheinen lassen will, nicht auch wie eine abstrahierende Projektion fungiert; allgemeine Vorstellungen davon, was der Sprache eigen ist, Interessen, die Auswahl, gerade dieses und jenes zu notieren und in ~inem bestimmten Zusammenhang geltend zu machen, tendieren dahin. (Und sind denn allgemeine Begriffe, Vorbegriffe ohne Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 255 "Belegstück" in der Wirklichkeit nicht ein Fuß in der Tür zur Metaphysik? ) Ohne nivellieren zu wollen, daß Wittgenstein deutlich deskriptiv arbeitet, muß aber gesehen werden, daß auch er nicht ohne allgemeine Vorbegriffe Sprachanalyse betreiben könnte, d.h. diese auch selbst in der Sprache stecken, diese mit der Sprache geliefert werden. Letztlich lassen sich die beiden unterschiedlichen philosophischen Pläne operational oft weit weniger unterscheiden als vielmehr programmatisch. Wittgensteins Zeichenbegriff ist psychologisch fundiert. Er geht davon aus, daß Denken, Wirklichkeit und Sprache analog miteinander verknüpft sind, aber die Arbitrarität der Zeichen eine psychische Verbindung zwischen sprachlichen Zeichen und ihrer Bedeutung nötig hat. Er will zeigen, daß und wie sie besteht, soweit sich dies als etwas beobachtbares aufweist. Er spricht (vielfach in den PU) vom Lernen der Bedeutungen, von Abrichtung auf Sprache und von Regeln des Gebrauchs, also auch von einem sozialen Akt des Sprechens. Peirce' Zeichenbegriff ist nicht psychologisch, sondern logisch fundiert. Er geht von der logischen Verknüpfung von Denken, Sprache und Wirklichkeit aus. Er ignoriert psychologische Zeichenerklärungen, da ihm die Logik die verläßlichsten Allgemeinbegriffe liefert, um sie im ganzen zu beschreiben und zu erklären. Logik beruht bei ihm auf "beobachtbaren Tatsachen", die auf das "Wissen" ihres Interpreten und ihre "Darstellung" (Peirce, MS 787; 1986: 235) bezogen werden. Hierin zeigt sich wieder der Unterschied zwischen Wittgensteins Anspruch des Zeigens und Peirce Anspruch des Erklärens. Soweit es für das Thema dieses Artikels nützlich ist, soll anschließend noch Detailiertes zu Peirce' Zeichentheorie aufgezeigt werden. Daß dies vergleichsweise umfangreich ausfällt, mag als Zeichen dafür stehen, wie fundamental Peirce die Rolle des Zeichens verstanden hat. Peirce' Zeichenmodell sind seine drei Kategorien Erstheit, Zweitheit und Drittheit zugrundegelegt. Da diese Kategorien logisch begründet sind, erklärt dies auch, daß sie numerisch, also "inhaltsleer" im Vergleich zu herkömmlichen begrifflichen Kategorien sind, wenn man an die von Aristoteles und Kant denkt, von denen Peirce anfänglich ausgegangen war. Die erste Kategorie (Firstness) "ist die Idee dessen, was so ist, wie es ist, ohne etwas anderes zu berücksichtigen." Die zweite Kategorie (Secondness) "ist die Idee dessen, was so ist, wie es ist, indem es ein Zweites zu einem Ersten ist, ohne irgend etwas anderes sonst zu berücksichtigen und ohne irgendein Gesetz zu berücksichtigen, obwohl es mit einem Gesetz übereinstimmen kann." Die dritte Kategorie (Thirdness) "ist die Idee dessen, das so ist, wie es ist, indem ein Drittes oder ein Medium zwischen einem Zweiten und seinem Ersten ist." (C.P. 5.14-5.212 o. Peirce, 1991: 43ff.) (Die Kategorien betreffendes ist nachfolgend zur Übersicht mit dem Index Ibis m versehen.). Nacheinander stehen die Kategorien grundsätzlich für eine Qualität als solche (1), eine Relation zu einem Nächsten (II) und beide repräsentiert durch ein Drittes (ill). Peirce geht davon aus, daß diese Kategorien über den Geist des Menschen hinaus bestehen.4 D.h. sie entsprächen damitder kosmologischen Ordnung, sie seien ein Teil von ihr. Demzufolge seien Natur, Mensch und Sprache von dieser Ordnung bzw. von diesem Ordnenden durchwaltet. Es lassen sich zahllose Beispiele finden, die das Gegebensein der Peirce' schen Kategorien vorstellen können. Anführungsweise ist Erstheit gegeben bei einer Gefühlsqualität, die noch für sich besteht-d.h., wenn noch keine Reaktion, noch keine Folge sich aus ihr ergeben hat. Dann verhielte sie sich nämlich zu einem Zweiten, das ihr folgt, und wäre in diesem Fall ein Beispiel für den Moment der Zweitheit. Alles kausale Miteinander- Sein von Gegenständen entspricht dem Fall einer Zweitheit. Wenn ein Rabe eine Nuß, die er fliegend emporgetragen hat, schließlich fallen läßt, mit dem Ziel, die Nuß auf diese Weise aufzubrechen, so fällt sie nach dem Prinzip der Naturgesetze, ohne daß diese Nuß von diesen 256 MarcelPost Gesetzen etwas "wüßte". Hier gilt das (oben zitierte) Wort, daß Zweitheit "auch mit einem Gesetz übereinstimmen kann". Repräsentiert wird diese Zweitheit von der Drittheit des Raben, dessen Instinkt und Lernfähigkeit dieses naturgesetzliche Geschehen repräsentiert und bei dem insofern die Möglichkeit besteht, dieses Naturgesetz zu veranschlagen. In seiner Kosmologie geht Peirce sogar davon aus, daß Drittheit nicht unbedingt an ein Individuum gebunden ist-was auch oben genanntes Beispiel zeigt, da Naturgesetzte objektive Drittheiten sind. D.h. fällt der Rabe aus der Betrachtung weg, sind die Kategorien so zu situieren, daß Zweitheit sich im Verlauf des Kampfes ("struggle", vergl. C.P. 5.45) verschiedener n~turgesetzlicher Kräfte ausdrückt und die Drittheit die Naturgesetze selbst (Gravitation, Luftwiderstand usw.) sind, die in der Regelmäßigkeit des Verlaufs dieses Widerstreits bestehen. Nach Peirce sind Materie, ''unser" Sonnensystem, die Erde und in der Folge aus ihr die Evolution dadurch entstanden, weil im Prozeß ihrer Werdung das Moment der Drittheit immer schon enthalten war. Materie und Evolution sind für Peirce in sich intelligibel. 5 Es ist hier festzuhalten: Die Extension des Zeichenbegriffs bei Peirce ist denkbar weit: Angesichts der oben skizzierten Kosmologie gilt für Peirce, daß der Mensch selbst ein Zeichen sei. Zeichen für was (II), bei wem oder was (III), sei hier und auch bei Peirce dahingestellt. Festzuhalten ist hier aber, weshalb beim Zeichenmodell Drittheit nicht "Interpret" heißt, sondern "Interpretant": Der lnterpretant ist nicht subjektiv, nicht personal, wegen der Extension der Drittheit, der der Interpretant zugehört, und weil der Interpretant bzw. das Zeichen im weiteren logisch begründet ist. Entscheidend ist nun bei Peirce, daß die (Zeichen-)Kategorien, damit sie überhaupt als prozesshaft wirksam erklärt werden können, in ihrem logischen Zusammenhang geklärt werden müssen. Das soll seine 1870 veröffentlichte "Logik der Relative" leisten. 6 In ihr ist es ein entscheidender Grundsatz, daß die drei Kategorien irreduzibel sind. In Peirce' Sicht sind alle Phänomene auf diese drei Kategorien zurückführbar. In der Konsequenz gilt, daß alle Phänomene, die diese Kategorien in mehrfacher Weise enthalten, sich zerlegen lassen in diese drei wie ansatzweise schon beim Beispiel des Raben zu sehen war, da einmal der Rabe, dann aber wieder ein Naturgesetz als Drittheit stand und auch noch weitere Zerlegungen möglich wären. Alle zahlenmäßig höheren und komplexeren Sachverhalte lassen sich in diese drei kategorialen Grundmomente zerlegen, aber nicht in weniger als in diese drei. Das läßt sich in Kürze in einem sprachlichen Ausdruck zeigen: A gibt Bein C für D. Das läßt sich zergliedern in A gibt B ein C und B gibtD ein C. Drittheit ist im nächsten insofern irreduzibel, da die nächste Reduktion heißen müßte: A gibt B und B gibt D. Damit wäre je nur noch eine bloße Relation (II) gegeben, die keine Fortsetzung in sich enthält. In dem Ausgangssatz (A gibt B ein C für D) zeigt sich der in Logik der Relative angelegte Kalkül, der einen Prozeß im Modus der drei Kategorien in sich enthalten soll. "Für C" zeigt an, daß A etwas C gibt, indem es einen darüber hinausgehenden Zweck verfolgt. D.h. eine erste gegebene Drittheit (A gibt Bein C) ist Voraussetzung für ein weiteres, nämlich daß B dem Dein C gibt (vgl. Peirce, MS 909; 1995: 122). Entsprechend zu den drei Kategorien konstituiert sich im Sinne Peirce auch das Zeichen. Es besteht in seiner Erstheit aus dem Zeichen (I), in seiner Zweitheit aus dem Objekt (II) und in seiner Drittheit aus dem Interpretanten (Ill). Der Zeichenprozeß ist in Entsprechung zum oben ausgeführten sprachlichen Ausdruck zu verstehen. Ein Zeichen besteht in Relation zu seinem Objekt. Das Zeichen und das zu ihm relationierte Objekt stehen wiederum im Bezug zu einem Interpretanten. Dieser Interpretant ist nun die Voraussetzung zu einem weiteren Zeichen, so, wie das in der Erstheit gegebene Zeichen die Folge eines weiteren ihm vorhergehenden Zeichens gewesen ist. Der scheinbare Widersinn, daß etwas Bedingtes und Bedin- Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 257 gung zugleich seien soll, indem diese Triade selbst ein Zeichen ist und aber ein Zeichen wieder in sich enthält, klärt sich damit auf. Das in dieser Triade enthaltene Zeichen ist nämlich der Standard aus einem vorhergehenden Zeichen, das seinerseits wieder aus einem Zeichen einem Objekt - und einem Interpretantenbezug bestand usw. ad infinitum. Jedes Zeichen inkludiert ein weiteres bzw. bringt mit einem nächsten ein weiteres hervor. Zeichen sind "Antezedenzien ohne ein endgültiges Konsequens" (Peirce, MS 787; 1986: 266f.). Semiose wird von Peirce gedacht als ein in sich endloser Prozeß, aber - und hier ist auch noch einmal auf die Naturphilosophie zurückzusehen dieser Prozeß ist vorzustellen als ein zielfolgender. D.h. anführungsweise für das Denken des Menschen, welches auch als ein semiotischer Prozeß vorzustellen ist, daß der Verstehensprozeß nie abgeschlossen ist, aber aktuell immer auch der hinreichende Standard sein muß, um erfolgreich gegenüber seiner Umwelt und im Sinne seiner Existenz zu handeln. Situationsbedingt muß Interpretation aufhören und Handeln beginnen. (Drittheit (Denken) hebt Zweitheit (Wollen) und Erstheit (Empfinden) nicht aufein Irrtum bei Hegel, den Peirce immer wieder anspricht (vgl. z.B. Peirce, MS 465; 1990: 149 und wiederholt i.d. Vorlesungen z. Pragmatismus C.P. 5.14ff.). All das kann nur geleistet werden, wenn ein Zeichen ausreichend distinkt und wiederholbar ist: Im Ausgangspunkt muß die sinnliche Differenzierung, die zu treffen möglich ist, das mögliche Material eines Zeichens sein. Wenn für eine Fledermaus zwischen hell und dunkel kein Unterschied besteht, kann sich aus dieser nicht bestehenden Differenz für sie kein Zeichen ergeben. Wiederholbarkeit ist Voraussetzung dafür, daß Repräsentation (die ein etabliertes Reiz-Reaktionsschema als mindesten Standart haben muß) bestehen kann. Für das menschliche Bewußtsein gilt: Nur Zeichen, die wiederholbar sind, können bewußt sein, sie müssen willentlich sein können. Zweitheit ist präsentativ zu einem Dritten. Drittheit repräsentiert eine Präsentation. Im Sinne der Kategorienlehre und der in ihr angelegten Prozessualtität ist es auch, daß die besagten drei Zeichenbezüge - Zeichen an sich, Objektbezug und Interpretantenbezug weitere triadische Differenzierungen in sich enthalten, die Peirce zu einer Grammatik des Zeichens auszugestalten suchte. Soweit diese Differenzierungen am Zeichenmodell hier relevant sind, sollen diese noch benannt sein: "Die erste von mir berücksichtigte Unterteilung der Zeichen hängt von der Seinsweise der Zeichen als Dinge ab." (Peirce, MS 284; 1990: 377). Das sind die sog. "Qualizeichen" (I.I), die "Sinzeichen" (I.II) und die "Legizeichen" (LIII). Ein Qualizeichen ist eine Qualität, die sich präsentiert als ein Zeichen, beispielsweise im Klang eines intonierten Vokals. Bei einem Sinzeichen steht die Silbe "Sin" für "singuli" und/ oder "simul". "So sagen wir beispielweise, wenn wir eine Seite überfliegen, daß wir darauf20mal das Wort "der" zählen, wobei jedes "der" als ein einzelnes Wort aufgefaßt wird. Ich nenne ein solches Zeichen ein Sinzeichen". "Andererseits sagen wir häufiger, daß das Wort "der" ein und dasselbe Wort ist, wo immer es auftaucht." Dann sehen wir das Wort "der" als "einen in seinen Mitteln und in seiner Bedeutung vollständig bestimmten Typ, obgleich es gänzlich in allen anderen Hinsichten unbestimmt ist, wie beispielsweise ob es kursiv ist oder nicht, ob es gesprochen oder geschrieben wird usw. Ich nenne einen derartigen Zeichen-Typ ein Legizeichen" (Peirce, MS 284; 1990: 377). In einer speziellen Erscheinungsform (gesprochen, kursiv usw.) ist es nämlich ein Sinzeichen. "Der" als Legizeichen meint die repräsentative Idee zu allen singulären Fallen mit ihren je speziellen kontextuellen Ausprägungen, die ein Sinzeichen ausmachen. (Das entspricht dem Verhältnis "Type" zu "Token", wie Peirce es andernorts auch nennt.) Das Objekt, das in Relation zu einem Zeichen besteht, besteht seinerseits aus einer kategorialen Triade, dem Icon, dem Index und dem Symbol. Mit diesen Unterscheidungen 258 MarcelPost soll differenziert werden, welche unterschiedlichen Funktionen der Gegenstandsbezug eines Zeichens annimmt. Das Icon funktioniert als eine Darstellung, die in einer strukturellen Ähnlichkeit mit dem Objekt, dem Gegenstand besteht, den es darstellt. Hinter dieser Ähnlichkeit kann eine komplexe Interpretation stehen, so wie man es von Diagrammen kennt. Sie kann aber auch in einer einfachen Gestaltähnlichkeit bestehen, die interpretativ nicht so vorausssetzungsvoll erscheint (d.h., der vorausgehende Zeichenprozeß muß nicht so spezifisch sein, daß er zum Code eines Interpretationsstandards wird, den man kennen muß also dann ein sogenanntes "Diagramm-Ikon" ist). Das Zeichenobjekt als Index fungiert, indem ein Objekt in einem kausalen Bezug auf etwas anderes verweist. Oft hat Peirce hierzu das Beispiel der Wetterfahne benutzt, an der sich ablesen läßt, aus welcher Richtung der Wind weht, auch, wenn man selbst den Wind (das Objekt) nicht direkt wahrhehmen kann. Es geht um indirekte Information aus einem Tatbestand, der für etwas anderes spricht. Ein Thermometer für eine Temparatur, der man nicht ausgesetzt ist, der Ruf einer Person, die man nicht sieht, dafür, daß da jemand ist, sind weitere Beispiele. Der Index ist für die menschliche Erkenntnis von herausragender Bedeutung. So ist etwa auch die Atomtheorie über einen langen Indizienprozeß gewonnen, indem der Index eine materialgegebende Rolle einnimmt (Anführungsweise bei den Experimenten E. Rutherfords, die ihrem Prinzip nach bis heute so weitergeführt werden). Und schließlich ist ein aufKonditionierung beruhendes festes Verhältnis zwischen Reiz und Reaktion ein Index etwas, das für die Sprache von Bedeutung ist und hier noch aufzugreifen ist. Denn der kausale Zusammenhang, der das Indizieren von Sachverhalten ermöglicht, nimmt im menschlichen Bewußtsein nun die Rolle eines regelmäßigen Zusammnenhangs zwischen einem etwa sprachlichen - Zeichen und dem Erleben und Denken, zu Handlungen und zu äußeren Sachverhalten ein. Im Denken von Peirce entspricht eine Gewohnheit des Denkens einem kausalen Zusammenhang zwischen Dingen. Übrigens gilt, um eine Brücke zu schlagen daß DER ein Index für das Legizeichen "der" ist bzw. sein kann (vergl. Peirce, MS 939; 1990: 273). Ist ein Objekt allein durch Zeichen hervorgebracht, z.B. bei "Seele", heißt es ein "unmittelbares Objekt" unmittelbar durch ein Zeichen hervorgerufen. Geht der Impuls zu einem Zeichen von einem realen Objekt aus, heißt es bei Peirce "dynamisches Objekt" hervorgerufen durch materielle Erscheinungen. Als Drittes gibt es das Zeichenobjekt als Symbol, welches allein darin besteht, daß ihm sein es bedeutendes Objekt zugedacht wird. Der Objektbezug des Symbols ist im Vergleich zu Icon und Index im höchsten Maße von Konventionen, von Interpretationsregeln abhängig, damit es als Symbolzeichen funktionieren kann. Anders gesagt: Es ist maximal arbiträr. Farbe und Form der deutschen Flagge z.B. haben formal nichts an sich, das es nahelegte, in ihr ein Zeichen für sie deutsche Nation zu sehen. Es ist als Zeichen überhaupt nicht selbsterklärend, wie es das Icon und der Index teilweise durch ihre Form Sind, man muß es vollständig lernen. Die Triade beim Interpretantenbezug (ID) schließlich nennt Peirce "Rhema" (III.I), "Dicent" (ID.II) und "Argument" (ID.ID). Sie verhalten sich wie Term, Proposition und Argument zueinander. Ein Rhema ist für seinen Interpretanten ein Zeichen als eine qualitative Möglichkeit. Es ist ein einzelnes Zeichen, ohne Beziehung zu einem anderen. Es ist eine erste Voraussetzung für wahr oder falsch. Es ist eine Prädikation, wie etwa "ist hart". Ein Dicent ist ein Zeichen, das seinem lnterpretanten eine Information über etwas geben kann etwas ist hart, Glas ist hart. Das Dicent ist der Behauptung fähig und ist logisch betrachtet weder wahr noch falsch. Das Argument entspricht einem logisch gültigen Zusammenhang. Es steht im Bereich vernünftiger Notwendigkeit. Es kann wahr oder falsch sein für ein Bewußtsein, das dieses Argument versteht, d.h. versteht, wofür es steht. Es ist wahr, wenn eine Übereinkunft Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 259 zwischen einer wahrgenommenen Tatsache und logischer Gültigkeit besteht. Für die Richtigkeit des Arguments sind drei Klassen von Argumenten (ID.ID.I-ID) relevant, die bei Peirce "Abduktion" (I), "Induktion" (II) und "Deduktion" (ID) heißen. 7 Entscheidend dafür, welches Zeichen als gegeben anzusehen ist, hängt davon ab, welches Interesse aktuell beim Interpreten besteht und welche Situation ihn umgibt. Die jeweilige innere und äußere Handlungssituation des Interpreten spielt dabei eine gewichtige Rolle. In der Weise, wie ein Interpret sich relativ zu den Phänomenen verhält, verhält er sich relativ zu den verschiedenen möglichen oben geschilderten - Zeichenprofilierungen der Phänomene. Es ist offen, ob "Der" ein Sinzeichen, ein Legizeichen oder ein Index oder noch ein anderes ist, bis zur jeweiligen operationalen Verwirklichung dieser Möglichkeiten. * Das bewußte und kommunizierbare Denken ist daran gebunden, die Formen von Aussagen anzunehmen. Wittgensteins populärer Satz, nach dem die Grenzen der Sprache die Grenzen der Welt sind, steht dafür. Das Gleiche drückt sich bei Peirce beispielsweise in der Triade des Interpretanten aus, in der Rhema, Dicent und Argument alle eine sprachliche Form haben. Insofern befinden sich beide Philosophen in der Tendenz, die sich seit Kant mit Herder, Hamann u.a. verstärkte, nach der Sprache in der Erschließung von Wirklichkeit und in der Ausgestaltung des Denkens eine zentrale Rolle einnimmt. Nicht nur in der Gestalt, daß sich der menschliche Geist der Sprache bedient, sondern vielmehr in dem Sinne, daß sich das Denken in der Form der Sprache befindet. Sprache erscheint so nicht nur als ein Instrument, dessen man sich bedient, sondern ist ein so verinnerlichtes Mittel, daß das Denken in der Form der Sprache geschieht; Mittel und Form des Denkens fallen in eins. Zumindest so, wie es sich im selbstkontrollierten und dialogischen Denken ausdrückt. "Jene Psychologen, die uns sagen, daß Denken der Sprache bedarf und nicht hätte stattfinden können, bevor Menschen eine Sprache besaßen, haben insoweit recht, als die Sprache für den Menschen das instinktive Medium des Denkens ist, sogar für ihn selbst gegenüber dem Selbst des folgenden Augenblicks, und daß wir bisher wenig oder nichts darüber wissen, wie dieses Vermögen entstand." (Peirce, MS 654; 1993: 345). Das In-der-Sprache-Sein drückt sich bei Peirce implizit in dem Phänomen der Semiose aus, bei dem von der Setzung, daß Denken nur in Form von Zeichen geschieht, ausgegangen wird, und alle Entwicklung des Denkens in der Übersetzung von Zeichen zu Zeichen, im logischen Schließen zwischen/ mit Zeichen vorzustellen ist. "Vom logischen Standpunkt aus gibt es keine weitere Annäherung an das Denken als diejenige, welche in der Anstrengung enthalten ist, die nicht bereits das Denken selbst ist." (Peirce, MS 12; 1993: 470). Allerdings gilt Peirce die Sprache dennoch als ein Epiphänomen des Zeichens in dem Sinne, daß Kommunikation des Zeichens bedarf, nicht aber das Zeichen der Kommunikation (vergl. C.P. 5.449 o. Eco, 1992: 435f.). Dennoch, die Sprache erhält ihre Bedeutung für den Menschen durch ihren logisch-syntaktischen Aufbau, der sie zu einem sehr effizienten Mittel der Darstellung macht. Wittgenstein, für den auch "Denken im wesentlichen eine Tätigkeit des Operierens mit Zeichen ist." (BB, S.23), reklamiert ebenfalls das In-eins-Sein mit Zeichen bei ihm heißt das vor allem mit der Sprache: "Bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß das Denken nicht ein begleitender Vorgang ist, sondern in der Sprache drinsteckt." (PU 330); ''.wir sind so sehr an die Mitteilung durch Sprechen, im Gespräch, gewöhnt, daß es uns scheint, als läge der ganze Witz der Mitteilung darin, daß ein anderer den Sinn meiner Worte etwas als Seelisches auffaßt, sozusagen in seinen Geist aufnimmt, wenn er dann auch noch etwas damit anfängt, so gehört das nicht 260 MarcelPost mehr zum unmittelbaren Zweck der Sprache." (PU 363). Das In-eins-Sein mit Zeichen, mit Sprache, drückt sich bei Wittgenstein auch darin aus, daß ihm das Zeichen, "seine" Bedeutung, "sein" Objekt und "sein" Verstehen mehr und mehr eine Einheit sind. Weiterhin ist für Wittgenstein (Zeichen-) Bedeutung synonym mit "Gebrauch" wovon weiter unten noch die Rede sein wird. "Alles Wesentliche ist, daß die Zeichen an sich, in wie immer komplizierter Weise, am Schluß sich doch auf die unmittelbare Erfahrung beziehen und nicht auf ein Mittelglied (ein Ding an sich)."[sic] (PB 282). Die Neigung, daß Zeichen als Einheit zu belassen, indem die Zeigefunktion und das Gezeigte nicht zerlegt werden sollen, drückt sich auch im folgenden Wort aus: "Jedes Zeichen kann im Prinzip gedeutet werden; aber die Bedeutung darf nicht gedeutet werden können. Sie ist die letze Deutung." (BB, 61). Oben Gesagtes gilt für seine späteren Werke in der Zeit der Verfassung des "Tractatus" wurde noch zwischen Zeichen, Bedeutung und Gegenstand unterschieden, vornehmlich unter dem Einfluß von Frege. (Vorsichtshalber sei gesagt, daß hier kein Vergleich zwischen Zeichen, Gegenstand, Bedeutung (Frege) und Zeichen (1), Objekt (11), und Interpretant (III) indiziert werden soll.) Bei Peirce sehen wir, daß Zeichen abstraktiv gegliedert werden in den Aspekt des Zeichens als solches, dem Objekt, für das es steht, und des Interpretanten, der die Relation zwischen Zeichen und Objekt reflektiert. Zugleich sahen wir, daß diese drei zusammen an sich ein Zeichen sind und daß dazu der Interpretant nicht notwendig, aber möglich, personaliter zu verstehen ist. Für Wittgenstein, als einen Behavioristen eigener Prägung und für Peirce als Realisten 8 gilt, daß sie ·anerkennen, daß sprachliche Formulierungen, sei es im Sinne innerer oder entäußerter Rede, offen sind zum Bereich des emotiven, des Erlebens, das noch gar nicht zum Grade seines Beobachtet-Werdens und folglich Darüber-sprechen-Könnens gelangt ist. Methodisch schließt Wittgenstein diesen Bereich aus, seine Exempel sind allesamt grammatische Fiktionen, die nur zeigen sollen, oder aber er sucht der "Verhexung durch Sprache" (PU 109) durch Sprachanalyse zu begegnen. Er definiert, analysiert, befragt, suspendiert, deskribiert und unterdrückt das deutende Behaupten und Urteilen über sprachliche Ausdrücke. Dadurch, daß er die inneren Geschehnisse in einer Person generell für unzugänglich hält, die Rede davon ist ja etwas anderes - und da In-Sprache-Bringen in bewußtseinsoberflächlicher Akt ist, ist er mit Vorbewußtem, wie es in die Sprache einfließen mag, ·gar nicht konfrontiert. Das schließt nicht aus, daß sich solches zeigen kann, aber es wird auch nicht eingeschlossen, daß es sich zeigen soll. Auch Peirce vertritt, daß es ein vorbewußtes Feld zum bewußten, selbstkontrollierten sprachlichen Sich-Äußern gibt. Aber nur als Idee. Nur ein bewußter Gedanke kann einer Kritik unterzogen werden. "Unter allen Gedanken, die man durch die Verwendung von Sprache ausdrücken kann z.B. Emotionen, Befehle usw. beschränkt die Logik ihr.Interesse auf Behauptungen, auf Zeichen der Wahrheit von Behauptungen und auf andere, in ihnen enthaltene Zeichen. Dennoch muß der Logiker seine Tätigkeit mit einem Blick über die Schranken seiner eigenen Wissenschaft beginnen, wenn auch nur zu dem Zweck, die Grenzlinien der letzteren festzulegen." (Peirce, MS 12; 1993: 471 ). Logik bedeutet hierbei Zeichentheorie, denn "Logik ist die objektive Untersuchung des Denkens." (ebd.: 469). Peirce sieht sich bestätigt durch die experimentell gewonnenen Erkenntnisse der physiologischen Psychologie seiner Zeit, die besagen, daß Emotionen, wenn sie zum Gegenstand des Bewußtseins geworden sind, diese nicht mehr reine Emotionen sind, sondern ein rationaler Inhalt von etwas Vergangenem. Dies drückt sich beispielsweise aus in der Paralelle, die er zu der von Wilhelm Wundt gefundenen Dreiteilung des Bewußtseins des Menschen hat, der sie Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 261 in die Domänen Empfinden, Wollen und Denken eingeteilt hat. 9 Sie sind durchlässig zueinander und befinden sich im Rahmen des Bewußtseins. Sie haben in Peirce Philosophie ihre Entsprechung zu den Gegenstandsbereichen seiner "normativen Wissenschaften" Ästhetik, Ethik und Logik bzw. Semiotik. "Das Denken läuft fortwährend weiter, nicht nur in jenem Teil des Bewußtseins, der sich der Aufmerksamkeit aufdrängt, sondern auch in Teilen, die in tiefem Schatten liegen und deren wir uns zu wenig bewußt sind, um von dem, was dort stattfindet, beeinflußt werden zu können." (Peirce, MS 595; 1986: 225). So wenig, wie das äußere Objekt uns formlos zugänglich ist, ist auch ein unformuliertes Inneres zugänglich. "Bevor wir unsere Aufmerksamkeit auf das richten können, was unmittelbar gegenwärtig ist, statt auf die praktischen oder emotionalen Aspekte dessen, was uns interessiert, ist die Idee bereits verschwunden; und so, wie sie sich in der Erinnerung darstellt, ist sie durch den Prozeß des Denkens bereits umgebildet und überarbeitet worden." (ebd.: 224). In diesem Zusammenhang dieses offenen Untergrundes des Denkens und folglich auch der Sprache ist bei beiden Philosophen von einer Schwelle zu sprechen, die zwischen dem einen Teil des Denkens liegt, den man als passiv beschreiben kann, da wir äußeren Sensationen und inneren Zuständen unwillkürlich ausgesetzt sind, und der anderen aktiven Seite jenseits dieser Schwelle, wo das selbstkontrollierte Denken ist, das seine mentalen Gegenstände sich bewußt vorhalten kann. Wittgenstein spricht in seinen Worten zum Bereich Psychologie ebenfalls jene Schwelle zwischen dem aktiven und passiven Teil des Denkens bzw. des Bewußtseins an. Anführungsweise, wenn er sagt: "Vorstellungen, könnte man sagen, sind willkürlich, Nachbilder unwillkürlich." (BPP 760). Eine allgemeine Konzeption dessen, was denn Sprache im Rahmen des Bewußtseins sei, die von beiden geteilt werden könnte, sieht wie folgt aus: Erfahrung und Sprache an und mit sich, d.h. mit dem eigenen Körper und dessen Sinnlichkeit. Empfindung, Wollen; durch Beobachtung anderer und anderem (, was auch Bereiche des eigenen Seins, als ein anderes genommen, einschließen kann). Wahrnehmung, Wollen; durch Reflektion im eigenen Geist, d.h. durch Veranschlagung des o.g. und der Gewinnung neuer Erfahrungen daraus, die man also Denkerfahrungen nennen kann. Wollen, Denken; durch Transport von Informationen in der Kommunikation mit anderen und anderem. Handeln, Denken. Die vier Erfahrungbereiche sind nach ihrer Zugänglichkeit für das Medium der Sprache von oben nach unten geordnet. Aber alle sind mit der Sprache involviert bzw. sie sind involviert in Sprache. Der vierte Bereich ist jener, der die personale Grenze entgrenzt, indem Sprache als Intermedium persönliche Erfahrung mitteilbar macht. Dies gilt für den ersten Bereich am allerwenigsten. Wittgenstein insistiert sehr auf den eigenen Körper als Wahrnehmungsgegenstand, der der anderen Person entzogen ist, wenn er von Zahnschmerzen schreibt, dennoch ist wenngleich diese Schmerzen nicht teilbar sind auch dieser Bereich von Sprache geprägt. Denn der Schmerz ist für den Empfindenden nicht namenlos (wird zum Teil sogar dadurch zu einem Empfindungsgegenstand), und die Rede von ihm löst die Erinnerung eines anderen an ähnliche Erfahrungen aus. Sprache gewährleistet eine indirekte Teilung personaler Zustände bzw. eine doppelt indirekte, nämlich über Sprache es, und die je eigene Person ich. 262 MarcelPost Anders gesagt, sie gibt Orientierung über andere und anderes durch ein gemeinsam geteiltes Zeichensystem und die Wesensgleichheit der Menschen untereinander. D.h. die Bewußtseinsbereiche des Menschen, die sich mit solchen Begriffen wie Empfindung, Wahrnehmung, Wollen, Denken, Handeln usw. ansprechen lassen, sind durchgängig von Sprache geprägt. Ob man Erfahrung mit Sprache macht, oder ob nicht etwa nichtsprachliche Erfahrung in Sprache eingeht, ist nicht entscheidbar. Das entspräche bezüglich Peirce der Unentscheidbarkeit der Frage, welches der drei Momente des Zeichens denn zu Anfang bestanden habe. Im Zeichenprozeß ist, was sprachliche Zeichen in ihm bewirkten, nicht isolierbar. Von beiden Philosophien läßt sich besonders die Entwicklung Wittgensteins in der Perspektive der drei, auch in der Sprachwissenschaft gebräuchlichen Bereiche der Syntaktik, Semantik und Pragmatik betrachten. In der Zeit des ''Tractatus" hat sich Wittgenstein analytisch und methodisch wesentlich auf logische Syntaktik und auf Semantik beschränkt. Sicherzustellen ist hier, daß logische Syntaktik von der grammatikalischen der Linguistik zu unterscheiden ist. Allgemein ist Syntax der Bereich rein figurativ-formaler Regeln für den korrekten Aufbau sprachlicher Ausdrücke. Logische Syntax betrifft die Satzbaupläne nach logischen Regeln. Hier gelten (bes. bei Wittgenstein) aussagenlogische Kriterien. Logische Syntax ist gültig unter Absehung der Bedeutung der Ausdrücke, sie behandelt die regelrechte Abfolge der Elemente aus denen die Ausdrücke bestehen. Der darüber aufbauende Bereich ist der der Semantik. Semantik behandelt, welche Bedeutung welchen Ausdrücken zuzuordnen ist. Das kann methodisch nur nachträglich passieren, im Moment des Ausdrückens ist der Emittent des Ausdrucks inmitten dieser Fähigkeit und hat erst retrospektiv die Möglichkeit den Ausdruck betrachten. Zwischen Syntax und Semantik ist zu unterscheiden, daß die Frage danach, ob eine Aussage wahr oder falsch ist, für die Syntax nicht relevant ist, für die Semantik aber wohl. Wenn sprachliche Ausdrücke Aussagen über die Welt machen, erweist sich ihr Wahr- oder Falschsein, an der Korrespondenz zu dem, was sie über die Welt ausdrücken. Die Beschäftigung mit dieser Korrespondenz, d.h. dem Bereich der Semantik, reicht dann bis in die Spätphilosophie Wittgensteins und ist ein verbindendes Glied zwischen seiner frühen und späten Philosophie. 10 Im Zentrum des Bereichs der Semantik steht beim "Tractatus" die "Abbildtheorie" (T 2.lff.). Der Satz ist nach ihr ein Bild von der Welt. "Das Bild hat mit dem Abgebildeten die logische Form der Abbildung gemein." (T 2.2). Die Korrespondenz zwischen diesem Bild und der Welt wird nach Wittgenstein vor allem durch "Namen" gewährleistet. Er sagt, daß Zeichen bzw. Namen, die auf Gegenstände referieren, sozusagen die "Kontaktstellen" dieses Bildes zur Welt seien, indem sie etwas "nennen". Kontaktstellen im Sinne auch des "Maßstabes", der mit dem Satz über die Wirklichkeit an die Wirklichkeit angelegt wird. Alle übrigen formalen Mittel sprachlicher Ausdrücke dienen mehr oder ausschließlich der internen Regulation der Sätze, besorgen die Kohärenz der Satzelemente (bspw. komparative Elemente). Syntax ist intern, ist synonym mit "formal". Die Struktur (-Art und Weise des Zusammenhangs) von Sachverhalten und Tatsachen hat zwar auch eine Auswirkung auf die Struktur der Satzelemente, aber die Satzstruktur gehorcht dennoch der syntaktischen Dimension. Wörter wie und, das, unter bezeichnen nichts direkt, sondern vermitteln zwischen Namen bzw. situieren sie. Das Aussprechen von Sätzen besteht in ihrem Ausdruck, das "Zeigen" mit Sätzen besteht in dem von ihnen herrührenden Eindruck. Mit der Zeigefunktion der Sprache und dem das Zeigen voraussetzenden Adressaten, dem es Eindruck zu geben gilt, ist das Feld der Semantik beschritten. · Da aber das Bedenken und Zuordnen von Bedeutungen von sprachlichen Ausdrücken etwas zum Gegenstand macht, was während des Sprechens und Sagens nicht der Gegenstand Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 263 ist, nämlich nicht mehr das Gezeigte, sondern das Zeigende, steht Wittgenstein vor dem Problem metasprachlicher Aussagen, die er, wie bereits angesprochen, meiden will. Wenn man über die Bedeutung eines Ausdrucks A etwas ausdrücken wm, muß man hierzu den Ausdruck A, bzw. dessen Elemente, benennen. Aber nie wären sie das Original des Ausdrucksaktes. In diesem Sinne gibt es für Wittgenstein nichts Sagbares über das Gesagte. Die radikale Trennung zwischen Syntax und Semantik schreibt sich in der Enthaltung gegenüber der Deutung der Bedeutung in Wittgensteins Spätphilosophie (vor allem den "PU") fort: er zieht sich weitgehend darauf zurück, schriftlich niedergelegte sprachliche Ausdrücke als solche zu nehmen, sie quasi sich selbst überführen zu lassen und es dem Leser zu überlassen, die Wirkung derselben an sich selbst zu beobachten. Wittgenstein zeigt dann im doppelten Sinne: die ausgelöste Wirkung der Ausdrücke und durch seine Auswahl besonders signifikanter Fälle oder Situationen. Oder er schildert fiktive Situationen des sprachlichen Verstehens bzw. Nichtverstehens, die der Leser bei sich selbst im vorstellenden Nachvollzug "erproben" kann, und zieht sich auch da auf die Rolle des Zeigens zurück. Der Übergang von signifikanten Fällen der semantischen Ebene zu (Lebens-) Situationen des Verstehens ist zugleich auch der des Übergangs von der Semantik zur Pragmatik. Doch zunächst zu einer Betrachtung von Peirce' Sprachbegriff in der Perspektive von Syntax und Semantik. Für Peirce ist die Aufteilung der Sprache in die Gebiete Syntax, Semantik und Pragmatik nicht so undurchlässig getrennt wie bei Wittgenstein. Peirce sagt beispielsweise, "Die Syntax muß erklären, welche Tatsachen die verschiedenen Ausdrucksformen bezeichnen, und die Ausdrucksformen folgen im großen und ganzen den Weisen des Denkens." (Peirce, MS 595; 1986: 217). Die allgemeine grammatische Syntax betrifft für ihn die Sprachwissenschaft und ist nicht eigentliche Angelegenheit des Logikers. Die (seine) logische Syntax beschäftigt sich mit verschiedenen Ausdruckformen, die bezeichnungsfähig zu Tatsachen sind und zudem eine Darstellung des Denkens über Tatsachen und des Denkens überhaupt sind. Die logischsyntaktische Ebene behandelt Möglichkeiten des Darstellens einschließlich des Denkens. Die Wirklichkeit eines sprachlichen Ausdrucks ist die eines formulierten Satzes als Darstellung eines formulierten Satzes (1), als Darstellung eines Gedankens (III), als Darstellung eines Gedankens über etwas (II). Dies gilt, ob der Satz nur gedacht wird oder einer anderen Person mitgeteilt wird. Der Satz hat dann etwas über sich Hinausweisendes, eine externe Richtung, und ist damit im semantischen Feld. Wir erinnern uns (aus Kap. 1), daß das Rhema ein einzelnes Wort ist und einem Begriff gleicht, welcher bloß der Behauptung fähig ist eben nur eine Möglichkeit zu einem Satz. Das Dicent ist ein Ausdruck, ein Satz, der der Behauptung fähig ist und auch der Wahrheit oder Falschheit. Ohne etwa behaupten zu wollen, daß das Trivium der Syntax, Semantik und Pragmatik der Peirce'schen Erstheit, Zweitheit und Drittheit entspricht, ist im Bereich der zweiten Kategorie der der Semantik zu finden. D.i. also für die bereits erörterten Triaden (''Trichoomien") der Zeichentriade, das Sinzeichen, der Index, das Dicent. Das Sinzeichen ist ein konkretes Zeichen (Repräsentamen), also ein Wort, eine Wortverbindung-je ein singulärer Fall, den Peirce auch ''Token" nennt. Als Fall eines allgemeinen Typs ist dieses ein Legizeichen, das Peirce auch "Type" nennt. "Unterhalb" des Sinzeichens liegt das Qualizeichen, das die Sinzeichen in ihrer (arbiträren) Gestaltqualität benennt. "Der Index', so sagt Peirce, 'steht für sein Objekt kraft einer wirklichen Verbindung mit ihm oder weil es den Geist dazu zwingt, sich mit diesem Objekt zu befassen." (Peirce, MS 595; 1986: 206). Dies ist bei einem indexikalischen Satz der Fall. Ein indexikalischer Satz (1) ist entweder wahr oder falsch aufgrund des Vorhandenseins und Soseins eines Sachverhalts (11), der in ihm für einen Hörer (III) ausgedrückt und behauptet wird. Der indexikalische Satz ist ein Zeichen, das auf 264 MarcelPost eine andere Tatsache als die, die er ist, verweist. Der Satz stellt aber auch W ahrheitsbedingungen gegenüber der Wirklichkeit eine Umkehrung, die nur im Rahmen eines vorher schon vorhandenen Interpretanten möglich ist der Index setzt als Erstheit eine Zweitheit (Objekt), und eine' Zweitheit eine Drittheit (Interpretant) voraus. Das bezieht sich auf den schon genannten Punkt, nämlich warum von Peirce der Terminus Interpretant gewählt wurde: durchaus läßt sich sagen: "Der Satz behauptet ..." obwohl keine Person behauptet. Dies wird auch durch die syntaktische Konstruktion und die Bedeutung der Wörter, des· Satzes erreicht. Schon auf syntaktischer Ebene ist eine Darstellungsfunktion zu finden. Daher ist das besagte Trivium eine Architektonik, bei der jede Stufe die Basis für die nächste ist, anders gesagt, sie ist ein semiosischer Aufbau, der dies Trivium zu einer offenen Einheit macht. Die im Zusammenhang mit den Peirce' sehen Kategorien bereits angesprochene Logik der Relative, ist, wie auch das dort angeführte Beispiel zeigt (A gibt Bein C ... ), besonders für die natürliche Sprache relevant. Sie gehört hier zum Gebiet der logischen Syntax. "Meine Forschungen zur Logik der Relative haben zweifelsfrei gezeigt, daß in einer Hinsicht die Verbindung der Begriffe eine bemerkenswerte Analogie zu den chemischen Verbindungen zeigen; jeder Begriff besitzt eine genaue Wertigkeit. So ist das Prädikat "ist blau" einwertig, das Prädikat "tötet" ist zweiwertig (denn die direkten und indirekten Objekte sind, trotz Grammatik, ebenso Gegensätze wie das Subjekt im Nominativ); das Prädikat "geben" ist dreiwertig, da AB an C gibt usw. Ebenso wie die Wertigkeit der Chemie eine atomare Eigenschaft ist, können unzerlegbare Begriffe zwei- oder dreiwertig sein." (Peirce, MS 318; 1993: 287) Im Bereich der natürlichen Sprache gilt die Logik der Relative für alle logischen Operationen, Aussagen oder Prädikate. Peirce entwickelt hierzu eine Notation, die er mit dem Terminus "Existentielle Graphen" belegt. Mit ihrer Hilfe lassen sich natürliche Sprachen analysieren, indem sie als Darstellungen logischer Prozesse objektiviert werden können. In Wittgensteins Werk hat dies von dem her, was damit angestrengt wird im "Tractatus" noch die größte Entsprechung. Indem er in der Mitte des Werkes Aussagen natürlicher Sprache regelrecht durch den Filter der Transformierung in aussagenlogische Ausdrücke schickt. Auch dies hat das Ansinnen einer logischen Objektivierung der sprachlichen Ausdrücke. Relationenlogik wie Aussagenlogik sind zu verstehen als eine Syntax des Denkens, die die Art, wie Ideen zueinander stehen, zum Thema hat. Doch reicht die Logik der Relative in ihrer "Zuständigkeit" über die Sprache hinaus. Die Kategorienlehre, mit der sie verbunden ist, steht dafür. So könnten nach Peirce anführungsweise elektrische Schaltungen mit ihrer Hilfe konzipiert werden. Daß logische Relation bezüglich der natürlichen Sprache von großem Interesse ist, findet seinen Ausdruck darin, daß Peirce die Pronomen für wichtiger hält, als die Substantive also jenes, das die zentrale Rolle der Namen einnimmt, die nach Wittgenstein durch ihre Nennfunktion die Extemalität von Ausdrücken herstellen. "Man kann unmöglich sagen, worauf sich eine Aussage bezieht, außer aufgrund eines Index. Das Pronomen ist ein Index. [... ] Das Pronomen sollte man als ein Wort definieren, das alles anzeigen kann, zu dem eine erste und eine zweite Person in geeigneter realer Verbindung stehen, und zwar so, daß die Aufmerksamkeit der zweiten Person darauf gelenkt wird" (Peirce, MS 595; 1986: 207f.). Bis hierhin zeichnete sich nun ab, "Daß der Lebensfunke jeder Aussage, das besondere Aussageelement jeder Aussage, eine indexikalische Aussage ist, ein Index, der ein Ikon einschließt." (Peirce, MS 517; 1988: 355f.). In den bisherigen Ausführungen und Zitaten kündigte sich aber auch imm~r wieder an, daß es noch ein weiteres "belebendes" Moment des Zeichens gibt. Wenn z.B. vom Zwang und von der Steuerung des Sprechers auf den Geist des Hörers die Rede war. Es ist gewiß auch im Sinne von Peirce, das bei Wittgenstein zu lesen Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 265 steht: "Wenn wir jedoch irgendetwas, daß das Leben des Zeichens ausmacht, benennen sollten, so würden wir sagen müssen, daß es sein Gebrauch ist." (BB 21). Wir müssen es. * Der grundlegende Bedeutungsträger ist der Mensch. Handlung und Sprache sind in ihm enthalten, sie machen den Menschen aus. Was die ursprüngliche, vorfindliche Objektwelt betrifft, so bestünde sie im menschlichen Sinne gar nicht, wenn der Mensch sie nicht in seiner Form spiegelte und sie nicht empfindend, wollend und denkend erfahren würde. Da der Mensch ein Gemeinschaftwesen ist, ist sicher, daß Sprache sich in existentieller Notwendigkeit zur Zeichengebung unter seinesgleichen entwickelt hat. Und daß sich die Handlung des Lautzeichen-Machens ursprünglich auf andere Handlungen bezieht. Sicher ist auch, daß sich später aus der Bildsprache und aus der Rechenkunst ein optisches Zeichensystem entwickelt hat und sich in der Praxis eine Parallelisierung von Schrift- und Verbalsprache langsam eingefunden hat. Dies wohl deshalb, da der gegenseitig sich ergänzende funktionelle Unterschied beider Sprachformen seitens der Verbalsprache in der situationstüchtigen, schnellen und unaufwendigen Art und seitens der Schriftsprache im zeitlich stabilen, materiell niedergelegten Zeichenbestand und noch immer besteht. Um das zu gewährleisten, war die Angleichung von Verbal- und Schriftsprache erforderlich. - Dies darf sicherlich als allgemeingültige Vorannahme in Sachen Sprache und deren anthropologischer Herkunft behauptet werden. Der Mensch selbst sein Denken, die Objektwelt bzw. die Wirklichkeit sowie Sprache und die Sprachen und die Handlung bzw. der Gebrauch sind als die tragenden Momente der Bedeutung anzusehen. Wenn man das Denken und die ·Objektwelt als von vornherein gegeben ansieht, so erscheinen Sprache und Handlung sowie der Gebrauch als die hauptsächlichen Träger der Bedeutung. Die Handlung ist nicht nur die Ursprungssituation der Sprache, sondern auch das Ursprüngliche des einzelnen sprachlichen Aktes in der Gegenwart. Das Mittel der Sprache ist eine spezielle Möglichkeit des Handelns wogegen die allgemeine Handlung generell die Sprache umfaßt und anstiftet. Denn eine Handlung kann sprachlich oder auch jenseits der Sprache sein. Bedeutsam ist die Handlung, indem sie als sinnvoll oder sinngebend erscheint. Hier ist Verhalten von Handlung abzugrenzen. Im Rahmen kommunikativer Lebenszusammenhänge wird Verhalten in der Regel als nicht bedeutsam gemeint verstanden. Ist die Handlung bedeutsam als sprachliche Handlung, ist das Sprechen, Hören und des Schreiben und Lesen eingebettet in einen Handlungszusammenhang. Sprache, der menschliche Körper und auch Gegenstände verweisen dann aufeinander. Handlung kann außerdem eine äußerlich nicht beobachtbare, innere Handlung sein, soweit sie willentlich angestrengt ist. Eine Handlung ist ansehbar als originär individuell wie auch als allgemein konventionell. Gerade dort, wo Handlung allgemein konventionell ist, entspricht sie recht genau dem, was Gebrauch ist. Gebrauch geht nämlich über die einmalige Intention hinaus, er zeichnet sich durch Wiederholung aus, die einer gemeinschaftlichen Regel entspricht. Der individuelle Gebrauch, angesprochen in Wittgensteins Auseinandersetzung mit der Privatsprache, ist für die allgemeine Sprache nicht relevant, da Sprache durch allgemeingültige Konventionen spricht. Verhalten, Handlung, Gebrauch stufen in der Bedeutung, die sie haben können, aufeinander auf. Wenn beispielsweise bei einer Unterhaltung zwischen zwei Personen die eine sich hinterm Ohr kratzt, so kann die andere wissen, daß dies für sie nichts zu bedeuten hat. Es ist dann bedeutungsloses Verhalten angesichts dessen, was man einander mitteilt. Ob der Sich-Kratzende handelt oder sich verhält, ist offen dies ist auch davon abhängig, ob er 266 Marcel Post dies während des Sprechens bewußt intentional tut und ob diese Intentionalität für den anderen erkennbar ist. Vielleicht gibt es aber irgendwo einen Lebenszusammenhang, in der das Kratzen hinter dem Ohr, während man spricht, Gebrauch ist. Dann darf man sicher sein, daß es etwas bedeutet. "Jener philosophische Begriff der Bedeutung ist in einer primitiven Vorstellung von der Art und Weise, wie die Sprache funktioniert, zu Hause. Man kann aber auch sagen, es sei die Vorstellung einer primitiveren Sprache als der unsern." (PU 2). Dieses Wort kann man als Grund für Wittgensteins Eintritt in die genauere Betrachtung des sprachlichen Gebrauchs reklamieren. Die Frage, was denn Bedeutung sei, ist mit der Betrachtung des Gebrauchs für Wittgenstein neu beantwortbar. Konträr zu dem, was Wittgenstein im Tractatus vertrat, heißt es jetzt: "Es ist wichtig festzustellen, daß das Wort 'Bedeutung' sprachwidrig gebraucht wird, wenn man damit das Ding bezeichnet, das dem Wort 'entspricht'." (PU 40). Die Idee der Einfachheit des Namens mit seinem eindimensionalen Verweis auf "seinen" Gegenstand ist für Wittgenstein passe, und "Die hinweisende Definition erklärt den Gebrauch die Bedeutung des Wortes, wenn schon klar ist, welche Rolle das Wort in der Sprache überhaupt spielen soll." (PU 30). Wenn man also mittels Sprache Elemente dieser selben Sprache erklären will, ist man immer schon im Gebrauch der sprachlichen Ausdrücke, die in Rede stehen und kann nicht etwa außerhalb der Sprache aufweisen wie ein Gebrauch, wie eine Bedeutung sich konstituieren bzw. sie konstituiert sind. Das wäre ein performativer Selbstwiderpruch. Nach Wittgenstein kann man nur an originärer Stelle sehen und zeigen wie Bedeutung auftritt, sie einfach da ist. "die Bedeutung ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt." (PU 560). Er verneint außerdem, daß die Idee einer Bedeutung etwa regelhafter wäre als die Praxis. (vergl. PU 103). Die Praxis, der Gebrauch zeigen vielmehr, daß nicht das Geltend-Machen der semantischen bzw. grammatischen Ebene für die Praxis, der Gang von der Idee der Bedeutung zur Verwirklichung von Bedeutung das Übliche ist, sondern es der Übergang von Möglichkeiten des Bedeutens (Semantik, Grammatik) zu einer Spezifikation von Bedeutung im situativen Gebrauch ist. Sprache ist ein Potential, das erst im aktuellen Gebrauch in einer Hinsicht bzw. einer eingeengten Hinsicht bedeutend wirksam istso meint Wittgenstein. Das ist für ihn der Grund, sich von einem morphologischen Botaniker der Sprache zu einem betrachtenden Gärtner zu wandeln. Die Idee, die auf ein sprachliches Geschehen projiziert wird, ist ihm eine "Brille" (PU 103), die es abzusetzen gelte. Nicht nur ist für Wittgenstein die Bedeutung keine Relation zwischen einem Wort und einem Gegenstand, sondern sie ist ihm gar keine Entität für sich. Hier taucht wieder das Erwähnte auf, was Wittgenstein nämlich von Anfang an vermeiden will, mit Behauptungen in das hineinreichen zu wollen, was als inneres psychisches Geschehnis zu umschreiben ist. Bedeutung ist also als solche nicht auffindlich, auch nicht im Subjekt, das an der Sprache teilhat und auch nicht am Gegenstand, den die Sprache anspricht. Es bleiben Wittgenstein zur Sprachuntersuchung, wenn die anfänglich angeführten Träger von Bedeutung vollständig sind, nur sprachliche Ausdrücke und ihr Gebrauch. Um die Betrachtung der sprachlichen Ausdrücke rankt sich in der Spätphilosophie der Begriff "Grammatik". Sie umfaßt alle Bereiche des inneren Regelwerks der Sprache und darf wohl mit dem semantischen Bereich der Sprache identifiziert werden. D.h. in diesem Zusammenhang, daß die erwähnte "hinweisende Definition" ein Geltendmachen der Grammatik, bzw. der semantischen Ebene der Sprache ist die Bedeutung erklärt sich dann durch die Erklärung des Gebrauchs eines Wortes. Wittgenstein vergleicht dies mit dem Fall des Zeigens von Spielregeln, um in ein Spiel eintreten zu können (vgl. PG 23). Das Bild des Spiels und der Spielregeln zeigt an, wie sehr Bedeutung neben der Grammatik im Bereich des Gebrauchs Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 267 liegt. Denn hauptsächlich lernt der Mensch sprechen in der direkten Anwendung des Sprechens und in Absicht auf ein Ziel. Da die hinweisende Definition nur im Regreß mittels Sprache gegebene Sprachelemente zeigen und erklären kann, scheint dagegen der Gebrauch zur Regelaneignung tiefer zu gehen. Und in der Tat, wenn man den Spracherwerb bei Kindern betrachtet, sind vor allem die Eingliederung in die sprachliche Praxis und daneben die hinweisende Definition das, was den erwachsenen Menschen zu einem Sprachteilnehmer in der sozialen Gemeinschaft gemacht hat. Das Eingliedern in die sprachliche Praxis könnte man in Wittgensteins Sinne auch als ein Einleben in die Sprache ausdrücken. Die Internalisierung der Form der Sprache und der Sprachspiele, die dieses Einleben eröffnet, ist so mächtig, daß es wohl deshalb so undenkbar erscheint, sich von der Sprache und ihr Bedeutsames abgetrennt zu betrachten. Vor diesem Hintergrund ist es völlig klar, daß ein sprachphänomenaler Ansatz, wie Wittgensein ihn verfolgt, Bedeutung unter dem Gesichtspunkt des Innerpsychischen nicht angehen kann und sich am Entäußerten halten muß. "Das Innere ist eine Täuschung [... ] wie ein gemalter Vorhang vor die Szene der eigentlichen Wortverwendung gezogen." (LSPP 133). Hier ist anzuzeigen, daß die Weise, in der Wittgenstein uns Bedeutung im Blick auf den Gebrauch zeigen kann, auf gleicher Ebene liegt wie die hinweisende Definition, denn er hat nur die Schriftsprache und damit die grammatische Fiktion zur Verfügung, um Gebrauch darzustellen. Besonders für Wittgenstein ist Philosophie ja nicht nur Darstellung von Ideen, sondern auch eine Praxis, eine Lebensform. Allgemein gilt, daß Literatur durch ihre zeitliche Stabilität und durch ihre Form situationsunabhängiger ist als der Sprechakt im Verhältnis zur ihn einrahmenden Situation. Der Leser muß die grammatische Fiktion, in der die zahlreichen Beispiele des Gebrauchs von Sprache(n) dargestellt werden, in sich vorstellend wachrufen. D.h. daß Wittgenstein, dessen Hauptinteresse in der Grammatik und dem Gebrauch der Sprache liegt, durch die Form grammatischer Fiktion gehen muß, um dies kundzutun. An sich ist das eine eher schlichte Feststellung, man könnte fragen: "Wie denn sonst? " Aber wenn so nachdrücklich die Sprache als Lebensform, die Sprachspiele als "Muster im Lebensteppich" (LSPP 59), das Sich-Zeigen und Bilden der Bedeutung im Gebrauch und schließlich das Philosophieren als Lebensform geltend gemacht werden, ist dies der ausdrücklichen Feststellung wert. In den PU 23 werden Ansätze aufgeführt, nach denen sich die mannigfaltigen Sprachspiele im Gebrauch der Sprache zeigen sollen. Das ist eine Liste der Möglichkeiten, sprachliche "Tätigkeit" als "Lebensform" im Beispiel zu zeigen. So lautet die erste "Befehlen, und nach Befehlen handeln -" und setzt sich in dieser Art fort; es sind insgesamt neunzehn Vorschläge, sicher ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Diese Liste ist auch lesbar als methodisches Programm. Die Sprachsituationen, die dort aufgezeigt werden sollen, sind im Kern sämtlich solche, die entweder die Reaktion einer Person auf einen sprachlichen Ausdruck oder die Reaktion einer Person mit einem sprachlichen Ausdruck ausmachen. Die sprachliche Reaktion auf eine Person, die personale Reaktion auf eine Ansprache entsprechen den zwei Seiten einer Münze. Beide Seiten sind nicht trennbar und die Frage, was wovon abhängt ist auch nicht beantwortbar mit einem Entweder-Oder. Gleiches gilt für das Verhältnis von Gebrauch und Sprache. Kommt etwa der Gebrauch aus der Sprache oder die Sprache aus dem Gebrauch? Und weiter, kommt die Bedeutung aus dem Gebrauch oder der Gebrauch aus der Bedeutung? Für alle drei Fragen muß die Antwort sowohl als auch lauten. Denn die Sprache beginnt mit ihrer kleinsten Einheit (einem einzelnen Laut) und wirkt sich aus bis zum Ganzen des Lebens, wie es mit der Sprache verbunden ist (vergl. PU 7). Sprache ist eine "gemeinsame menschliche Handlungsweise" (PU 206), oder wie Wittgenstein auch sagt, ein "Natur- 268 MarcelPost geschehen" (PU 25). D.h. daß die Grammatik der Sprache in ihrer Ausführung nicht allein auf die "Technik" der Sprache und ihre Ausübung beschränkt bleibt, sondern in die Wirklichkeitswahrnehmung und das Handeln, wie sie in die Sprache perspektiviert werden, hinein~ reicht. Gebrauch und Grammatik der Sprache regulieren sich nach Wittgenstein gegenseitig. Und ebenso auch Person und Sprache, Gebrauch und Sprache, Gebrauch und Bedeuung. Sie sind untrennbar. In diesem Zusammenhang ist als ein Wichtiges herauszustellen, daß die oben angeführte Wendung in der Konzeption Wittgensteins, daß nicht der sprachliche Ausdruck definitiv und der Gebrauch bedeutungsoffen sind, keine schlichte Umkehung erfahren hat, sondern daß Grammatik wie Gebrauch auf ihre Art beide bedeutungsoffen sind. Grammatik ist durch Regeln konstituiert. Diese Regeln stehen da wie "Wegweiser" (PU 85)das Bild des Wegweisers ist von Wittgenstein geschickt gewählt, denn es führt, ganz in seinem Sinne, zu der Idee, daß Wegweiser aus der Erfahrung der Praxis, also dem Gebrauch, errichtet worden sind. Und weiter noch indiziert das Bild des Wegweisers die Idee, daß dieser aufgestellt wurde, um ein Ziel zu erreichen. Nämlich das der Verständigung unter den Menschen. Es ist sehr oft zu beobachten, daß wenn etwas im kommunikativen Tauschhandel nicht gelingt und die Sprache als Technik sich in diesem Moment als unzureichend erweist, kurz die sprachlichen Ausdrücke und/ oder die Absicht thematisiert werden, um anschließend wieder am Ziel des sprachlichen Sich-Veständigens arbeiten zu können. "Der Wegweiser ist in Ordnung, wenn er, unter normalen Verhältnissen, seinen Zweck erfüllt." (PU 87). Sprache, Gebrauch und Handlung scheinen im Ganzen nicht enger als nötig·und so offen wie möglich untereinander gebunden zu sein. Sowohl Sprache als Regelwerk wie auch die sozialen sprachlichen Gebräuche bieten einander gegenseitig Handlungsschemata und Handlungsrahmen für das Leben der Menschen und sind unter dem Blickwinkel der Praxis ebenfalls untrennbar. Trennbar sind sie nur theoretisch. Es istnach dem bisher zu Peirce Gesagten klar, daß auch er der Bedeutung keinen "Ort" gibt und sie auch keine Entität für ihn ist. Sie besteht in Relationen durchaus auch noch im Sinne.Wittgesteins. Nach Wittgenstein in der Relation zwischen Person, Sprache, Gebrauch. Das Objekt hingegen spielt bei Wittgenstein kaum eine direkte Rolle. Grundsätzlich schon einmal, weil er ein sprachanalytischer Philosoph ist und das Objekt für ihn in der Darstellungsfunktion der Sprache eingeschlossen ist. Sicher es gibt viele Beispiele, in denen Wittgenstein die Wahrnehmung von äußeren Gegenständen thematisiert und auf solche Objekte auch direkt eingeht; aber diese Gegenstandswelt ist der Bedeutung passivisch ausgesetzt. D.h. Gegenstände bedeuten etwas, weil sie schon längst im System der Sprache situiert sind. Sprache ist in Wittgensteins Sinne das geistige Auge, das die Gegenstände sieht. In Peirce' semiotischer Sicht 11 gilt, daß Bedeutung relational zwischen Person, Sprache, Objekt und obligat auch im Gebrauch besteht. Aber da fangen wieder die Schwierigkeiten des Vergleichens an, denn der Objektbezug ist in Peirce' Philosophie grundlegender. Peirce ist kein sprachananalytischer Philosoph wie Wittgenstein, er verfogt einen universalistischen Ansatz. Jedoch wird von Wittgenstein die Sprachphilosophie als universell verstanden, und zwar wegen der universellen Rolle der Sprache. Dagegen ist Peirce' universelle Philosophie durch seine kategoriale und semiotische Fundierung gewährleistet. Für Peirce ist schon längst bevor Sprache ein geistiges Auge ist, das Objekte und Beziehungen formt, das Zeichen eine Form des Erkennens. Bevor "rot" zu einer bedeutungstragenden Gestalt für irgendwen und irgendwas wird, müssen dem unabsehbar viele Differenzierungen vorausgehen, bis der Fall des Zeichens "rot" ermöglicht ist. Und dieser vorlaufende Prozess ist ein nichtsprachlicher bzw. vorsprachlicher und nicht nur einfach ein sprachlicher wie Wittgenstein dies ins Feld führt. Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 269 Peirce sieht die Sprache als ein Zeichensystem unter vielen, wenngleich wie oben bereits gesagt als das zentrale. Sprache ist auch für ihn ein Darstellungsmittel wie auch eine Erkenntnisform. Während Wittgensteins Interesse an der Logik deutlich zurücktritt und dagegen das, was im allgemeinen als Semantik und Pragmatik klassifiziert wird, eine vorherrschende Rolle einnimmt, sind für Peirce alle drei Klassifikationen das wofür sie einstehen, gleichermaßen relevant. Ähnlich wie bei Wittgenstein gibt es bei Peirce immer wieder konkrete Fälle der Sprache, die betrachtet werden, doch im Gegensatz zu Wittgenstein werden diese den Peirce'schen Ideen unterzogen, werden einem logischen-begrifflichen Konzept ausgesetzt. Nicht wie Wittgenstein läßt er sprachliche Ausdrücke für sich sprechen, denn Peirce vertritt: Nichts spricht für sich! "Die Erkenntnis, daß die Sonne alle vierundzwanzig Stunden (Sternenzeit) immer ungefähr einmal aufgegangen ist, ist ein Zeichen, dessen Objekt die Sonne ist; und (richtig verstanden) ist das Aufgehen der Sonne morgen früh ein Teil dessen, was es bezeichnet.[ ... ] Sie ist die darstellende Einwirkung [representative action] des Zeichens auf sein Objekt. Denn immer, wenn ein Ding auf ein anderes einwirkt, bestimmt es in diesem anderen eine Qualität, die sonst nicht dagewesen wäre." (Peirce, MS 517; 1988: 346f.) - Die Sonne muß von einer Sache des Seins zu einer Sache des Dargestelltseins werden, damit sie etwas wird. Hierzu bedarf es einer Einwirkung der Sache als Ausgangspunkt. Das schließt freilich, daß"[ ... ] nicht gesagt werden kann, es existiere wirklich." (ebd.) 12 Nach Peirce gehört es notwendig zu den Zeichen, daß sie untereinander ineinander übersetzbar sind. Am obigen Beispiel ist zu sehen, wie die sinnliche Erscheinung eines Objektes einer Übersetzung in ein dargestelltes Objekt (als Symbol) bedarf, um schließlich auch Gegenstand eines sprachlichen Ausdrucks sein zu können. Ist in einem Ausdruck die Regelmäßigkeit der Sonne behauptet, entspricht dies der Erfahrung ihrer Regelmäßigkeit als Objekt. Analoges gilt für die Erfahrung der regelmäßigen Referenz des Wortes "Sonne" zu dem Objekt, das allgemein so genannt wird. "Ich betrete ein Möbelgeschäft und sage, ich wolle einen "Tisch". Ich verlasse mich auf meine Vermutung, daß der Ladenbesitzer und ich reaktive Erfahrungen gemacht haben, die zwar verschieden sind, aber doch so durch reaktive Erfahrungen miteinander verknüpft, daß sie im Grunde dieselben sind.[ ... ] Der Leser möge eigene Beispiele ausprobieren, bis in bezug auf Symbole von erfahrenen Gegenständen kein Zweifel mehr besteht, daß diese stets vermittels von Indizes etwas benennen" (Peirce, MS 517; 1988: 372f.). So war es im Abschnitt über Peirce' Zeichentheorie dargestellt worden: Das Symbol (ill) ist ein Zeichenobjekt, das seine Bedeutung dadurch erhält, daß diese ihm zu-gedacht wird, und der Indize/ lndex (II) steht in realer Beziehung zum Objekt des Zeichens (z.B. indiziert Möbelgeschäft möglicherweise "Tisch" (1)). Das Symbol ist also entsprechend zu einer allgemeinen Idee "Tisch" und gibt ein weiteres Beispiei dafür, inwiefern Peirce sich als "scotistischer Realist" (siehe Anm. 8) versteht. Es macht aber außerdem deutlich, daß auch für Peirce' Konzeption gilt, daß einem sprachlichen Ausdruck für sich keine Bedeutung zukommt: Die symbolische Darstellung bedarf nicht nur einer interpretativen Kompetenz zu ihrer Auslösung was ja noch der semantischen Ebene zuhört und hier nun selbstverständlich istsondern auch in Peirce' Sinne einer situativen Einbettung, die sie spezifiziert und in der das Symbol erst zu einer praktischen Funktion wird. Auch bei Peirce fällt der sprachlichen Handlung eine bedeutungskonstituierende Rolle zu, so, wie es im Grundsatz auch Wittgenstein verstand. Wenn man die lebensweltlichen Tatsachen des Sprachgebrauchs betrachtet, ist dies ein zwingender Schluß, aber bei Peirce und Wittgenstein ist dies unterschiedlich beschrieben bzw. erklärt. 270 MarcelPost Das Gesetz ist "im strengsten Sinne die definierende Ursache der wirklichen individuellen Tatsachen." (Peirce, MS 517; 1988: 365). Das Gesetz "ist eine Formel, der tatsächlich wirkliche Ereignisse entsprechen" (ebd.: 362). Ein Symbol (ill) ist gesetzhaft. Bezüglich der Sprache und in der Praxis des Lesens gilt ebenfalls das Verhältnis Legizeichen (ill) und Sinzeichen (II), zu erinnern ist hier auch an die erwähnten ihnen entsprechenden Termini "Typ" (ill) und "Token" (II). Sie stehen im Bereich schriftlicher Sprache für den allgemeinen Typ eines Wortes beispiesweise "rot" -und den singulären Fällen dieses Wortes -vereinzelt hier in diesem nämlichen Text. In jedem singulären Fall ist dies Wort jedes Mal semantisch anders eingebettet (es sei denn, es lägen Kopien dieses Textes vor), aber immer nach Maßgabe des Legizeichens bzw. des Typs und unter der gleichzeitigen Bedingung, einen sinnvollen Satz geltend zu machen. Ist im Prozeß der Semiose der Standard eines Typs erreicht, kann ein Text verstanden werden, wenn zuvor die Typen erlernt worden sind. D.h. eine Schriftkultur hat ein System von Typen errichtet, und die Teilnehmer müssen dieses individuell erlernt haben und unterhalten auf diesem Wege diese ihre eigene Kultur. Ein Kind etwa, das eine Schrift noch nicht gelernt hat, steht vor einem Wald von Tons. "Ton" (1) nennt Peirce ein graphisches Zeichen in seiner Qualität, die es als reale Figuration hat, ohne über sich hinauszuweisen oder für etwas anderes zu stehen. Es ist zu sehen, daß stets derselbe logische Zusammenhang zwischen Fällen der Erstheit, Zweitheit und Drittheit besteht. Im Gesamtzusammenhang heißt das, daß Bedeutung für Peirce aus logischen Relationen ersteht. "Ich meinerseits betrachte die Sprachgebräuche nicht als etwas, das eine befriedigende Lehre für die Logik abgibt. Für mich ist die Logik das Studium der wesentlichen Bedingungen, denen Zeichen zu genügen haben, um als solche zu funktionieren. [ ...]Die Berufung auf die Sprache scheint mir nicht besser, als die unbefriedigende Methode, psychologische Tatsachen festzustellen, welche von keiner Bedeutung für die Logik sind." (Peirce, MS 517; 1988: 352). Was die im Zusammenhang mit Wittgenstein bereits angesprochene Offenheit zwischen der Ebene der Grammatik und der des Gebrauchs betrifft, so ist auch diese bei Peirce über die Logik behandelt. Geht der besagte Kunde in den Laden und sagt, er wolle einen Tisch, und schaut dabei auf einen, der in der Nähe steht, kann der Verkäufer eine Menge von Tischen ausschließen, die in seinem Laden stehen. Aber der Kunde sagt nicht, er wolle diesen Tisch. Deswegen bleibt offen zu klären, ob der Kunde möglicherweise diese Art von Tisch intendiert usw. Die Ebene des sprachlichen Ausdrucks und die Handlungssituation, in der dieser Spruch getan wird, lassen einen Schluß auf genau diese eine oder eine engere Wahl von Möglichkeiten des intendierten zu. Sprache und praktische Handlung regulieren sich gegenseitig, so wie Wirklichkeit und ihre Darstellung in Zeichen, so wie Index und Symbol, so wie Token und Typ, so wie Induktion und Deduktion, so wie Rhema und Dicent, so wie Sinzeichen und Legizeichen und so fort. Alle diese Regulative bestehen in der praktischen Erprobung und Beibehaltung ihres funktionellen Zusammenhangs. Der Gebrauch konstituiert Sprache und unterhält sie. Es ist klar, daß für Peirce die Gesamtheit einer Sprache so etwas wie eine Legislative darstellt. Schließlich besteht sie aus Symbolen und ist dazu geeignet Argumente zu formulieren. Das hat auch Auswirkungen im praktischen Gebrauch. Denn ein Sprecher ist"[ ... ] für die Wahrheit einer Proposition verantwortlich[ ... ]" (Peirce, MS 599; 1986: 411). "[ ... ] ein Akt der Behauptung setzt voraus, daß, wenn eine Proposition ausgeprochen wird, eine Person eine Handlung vollzieht, die sie den Sanktionen des sozialen Gesetzes (oder jedenfalls des moralischen Gesetzes) unterwirft, sollte diese sich nicht als wahr erweisen, es sei denn, diese Person hat eine bestimmte und ausreichende Entschuldigung." (Peirce, MS 478; 1983: 73). Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 271 In puncto Bedeutung muß schließlich noch von der verhältnismäßig bekannten "Pragmatischen Maxime" von Peirce die Rede sein. Die pragmatische Maxime läßt sich ohne weiteres mit dem bisher zu Peirce Gesagten verknüpfen, was schon ahnen läßt, wie falsch es ist, Peirce als Pragmatisten zu bezeichnen, was häufiger zu vernehmen ist. 13 Diese Maxime ist nicht anderes als ein allgemeiner Grundsatz zur Begriffsbestimmung, was eben auch die Bedeutung der Wörter betrifft, die mit dem Begriff verbunden sind. Die Pragmatische Maxime wurde von Peirce 1878 in dem Aufsatz "How to make our ideas clear" formuliert: "Consider what effects, that might conceivably have practical bearings, we conceive the object of our conceptions to have. Then, our conception of these effects is the whole of our conception of the object." (Peirce, C.P. 5.388-410; 1968: 63). 1903 verwendet Peirce genau diese Passage im Sinne eines Eigenzitats, doch mit zusätzlicher Herausstellung der Wörter "conceivably", "is" und "whole" (Peirce, MS L 107; 1986: 67). Der Begriff ist Folge und Vorausetzung der Wahrnehmungsurteile, die wir aufgrund der sinnlichen Erfahrimg von Objekten gebildet haben, und/ oder sich im begrifflichen Selbstbezug untereinander gebildet haben. Insgesamt ist ein Begriff ein Potential geistiger Verstehensmöglichkeiten, anders formuliert: ein Sediment aus logischen Prozessen. Begriffe und folglich das Denken, Gedanken im inneren Monolog oder ausgesprochen, sind mit den Sprachgebräuchen unter den Menschen verbunden. In Verständigungsakten sind wir abhängig vom wesentlichen Erfüllen unserer Erwartungen und der weitgehenden Bestätigung unserer Gewohnheiten, entsprechend den gesellschaftlichen Regeln und den Regeln der Sprache. Gegner der Gewohnheit ist der Zweifel, der aufkommt, wenn die äußerem Tatsachen mit den Begriffen nicht übereinstimmen. Hier ist also wieder das Regulativ zwischen einem Moment der Zweitheit und einer Drittheit, einige von ihnen sind hier behandelt worden. Wenn ein Sprecher im vorhinein sorgfältig erwägt, wie er mit einer sprachlichen Äußerung, sicher sein intendiertes Zeil erreichen kann, den Adressaten zu einer bestimmten Handlung zu bewegen, ist er schon Praktizierender der Peirce'schen Maxime. Und zwar, wenn er verschiedenste Möglichkeiten des Verstehenes seines Gedankens, den er ausdrücken will, durchgeht und ihre Wirkungen konjunktivisch durchgeht. Geht bei schließlicher Ansprache des Adressaten das Konzept nicht auf, muß der Sprecher seine Begriffe und also auch seine Gewohnheiten modifizieren. Auch die Pragmatische Maxime spricht dafür, daß Bedeutungen in der Praxis austariert werden. Anmerkungen 1 Bspw. ist die Idee, daß Lebensprobleme in gedanklicher Reflektion grundsätzlich nicht gelöst werden können, sondern man ihren Wegfall zu erreichen suchen müsse, eine Buddhistische Grundidee. Zum Vergl.: "Die Lösung des Problems des Lebens merkt man am Verschwinden dieses Problems." (T 6.521 u. Tagebuch, 6.7.1916), 2 Z.B. Nyanatolika, 1906; Neumann, K.E., 1911 u. Walleser, M., 1911. 3 "Jede gesunde Person lebt in einer doppelten Welt, in der äußeren und in der inneren Welt, in der Welt der Wahrnehmungsobjekte und in der Welt der Phantasien." (Peirce, MS 318, 1993: 257). 4 " ... , Denken und Sein scheinen im weitesten Sinne synonyme Begiffe zu sein und nicht nur, wie das die deutschen Idealisten annehmen, metaphysisch dasselbe." (Peirce, MS 931; 1986: 172). 5 "Ein Teil wird uns von außen aufgezwungen und scheint vom Geist der Natur zu stammen; ein Teil kommt aus den Tiefen des Geistes, der aus uns herausblickt und den wir aufgrund eines egoistischen Anakoluths unseren Geist nennen." (Peirce, MS 595; 1986: 227). 6 "Im Jahre 1870 veröffentlichte er in den Memoirs of American Academy of Artsand Sciences eine Erweiterung der Booleschen Algebra der Logik, um diese auf die Relationenlogik anwendbar zu machen, [ ... ]. Insbesondere 272 MarcelPost bewies er, daß alle Relationen zwischen vier oder mehr Korrelaten auf Verknüpfungen von triadischen Relationen reduzierber sind, während triadische Relationen niemals durch dyadische Relationen definiert werden können." So schrieb Peirce 1904 über sich selbst in "Eine intellektuelle Biographie". (Peirce, MS Ll07; 1986: 66). 7 "Abduktion" entspricht als Terminus Peirce' Interpretation einer unklaren Stelle in Aristoteles' "Ersten Analytik", dem 25. Kap. des zweiten Buches, wo es sich um "apagoge" handelt. Kurz läßt sich "Abduktion" als semiosische Kompetenz richtg zu vermuten, zu unterstellen, beschreiben. (vgl. C.P. 2.776). 8 "Ich selbst bin ein scholastischer Realist einer recht extremen Richtung. Jeder Realist muß als solcher zugeben, daß ein Allgemeines ein Term ist und deshalb ein Zeichen. Wenn er darüber hinaus noch vertritt, daß dies ein absolutes Exemplar ist (Anm.: z.B. ein Legizeichen), dann geht dieser Platonismus weit über die Frage des Nominalismus und Realismus hinaus; und tatsächlich ist die platonische Ideenlehre von den extremsten Realisten vertreten worden." (Peirce, MS 330; 1993: 279); Anmerkung vom Verfasser. 9 "Deuken ist natürlich ein Modus des Bewußtseins. Nun kennen die Psychologen im allgemeinen drei Bewußtseinsmodi, Sinnesempfindungen (sensation), Wollen und Denken. Es ist hier keineswegs meine Absicht, irgendetwas aus der Psychologie zu übernehmen. Denn ich halte es für die Psychlogie für so unverzichtbar, auf den Fels einer soliden Logik aufzubauen, daß ich meine, die Logik würde einen schädlichen Zirkelschluß begehen, wenn sie versuchte, sich in ihren grundlegenden Zweigen auf irgendwelche Konklusionen der Wissenschaft der Psychologie zu stützen. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß der Logiker, indem er Denken einfach als Objekt des unmittelbaren Bewußtseins auffaßt, vorjeder Untersuchung der subjektiven Seite des Bewußtseins zu einer Konklusion kommen muß, die im wesentlichen mit der identisch ist, zu der die Mehrheit der Psychologen gelangt ist." (Peirce, 1993: 468f,). 10 "The main point is the theorie of what can be expressed by propositions, i.e. by language (and, which comes to the same, what can be thought) and what cannot be expressed by propositions, but only shown: which I believe it is the cardinal problem of philosophy." so Wittgenstein in einem Brief an B. Russe! v. 19.8.1919 (zit. n. Lorenz, 1970: 68, 69). 11 "[ ... ] unter'Semiose' verstehe ich[... ] eine Wirkung oder einen Einfluß, der in dem Zusammenwirken dreier Gegenstände, wie ein Zeichen, sein Objekt und sein Interpretant, besteht, wobei dieser tri-relative Einfluß in keiner Weise in Wirkungen zwischen Teilen aufgelöst werden kann." (Peirce, MS 318; 1993: 255). 12 Hinter diesem Zusatz steht die Idee, daß ein Ding an sich, wie Kant es fonnuliert, nicht gibt. Peirce vertritt dieselbe Haltung, und sie ist in dieser Weise in seiner Semiotik integriert. 13 "Im Jahr 1897 hat Professor James die Sache (Anm.: gemeint ist William James u. die Pragmatische Maxime) verändert und sie in eine philosophische Lehre umgemodelt, von der einige Teile bei mir große Anerkennung fanden, andere und herausragendere dagegen sah und sehe ich weiterhin im Widerspruch zur korrekten Logik." (Peirce, MS 841-3; 1995: 354); Anmerkung vom Verfasser. Literatur Standardwerke Charles .Sanders Peirce: C.P.= Collected Papers ofCharles SandersPeirce; (anschl. Nm. stehen f. d. Bd. u. Paragraph) Peirce, Charles Sanders, Collected Papers ofCharles Sanders Peirce. Vol. I-VI, ed. by Hartshome, Charles and Weiss, Paul; Vol. VII, VIII ed. by Burcks, Arthur. Cambridge, Massachusetts, London: Harward University Press, 1931-35, 1958 MS =Annoted Catalogue ofthe Papers ofCharles Sanders Peirce; (anschl. Nm. stehen f. d. Manuskripm.) Peirce, Charles Sanders: Annoted Catalogue of the Papers of Charles Sanders Peirce. By Robin, Richard S. Massachusetts: The University ofMassachusetts Press, 1967 (Viele der in deutsch zitierten Passagen mit dem Verweis auf diesen Katalog sind noch nicht in englischer Sprache erschienen; z.Z. wird in den Writings of Charles Sanders Peirce nach diesen Manuskriptnummern verlegt, z.Z. bis Bd. V vorliegend) Bedeutung im Zusammenhang von Handlung und Gebrauch 273 Ludwig Wittgenstein: T = Tractatus logico philosophicus; PU= Philosophische Untersuchungen; PB= Philosophische Bemerkungen; PG = Philosophische Grammatik; BB = Blaues Buch; LSPP= Letzte Schriften über die Philosophie der Psychologie; (anschl. Nm. stehen für den Paragraph, bei "T" f. d. Dezimalgliederung) Wittgenstein, Ludwig, Werkausgabe in acht Bänden, Frankfurt: Suhrkamp, 1989 T, PU, Bd. 1; PB, Bd. 2; PG, Bd. 4; BB, Bd. 5; LSPP, Bd. 7 Zitierte Literatur: Eco, Umberto, 1992: Die Grenzen der Interpretation. München, Wien: Hanser Lorenz, Kuno, 1970: Elemente der Sprachkritik. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Peirce, Charles Sanders, 1968: Über die Klarheit unserer Gedanken. How to Make Our Ideas Clear. Einl., Übers. u. Kommentar v. Klaus Oehler. Frankfurt a.M.: Klostermann Peirce, Charles Sanders, 1986: Semiotische Schriften. Bd. 1, hrsg. u. übers. v. Christian Kloesel u. Helmut Pape. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Peirce, Charles Sanders, 1988: Naturordnung und Zeichenprozess. Mit einem Vorw. v. Ilya Prigogine, übers. v. Bertram Kienzle. hrsg. u. eingel. v. Helmut Pape. Aachen: Alano Peirce, Charles Sanders, 1990: Semiotische Schriften. Bd. 2, hrsg. u. übers. v. Christian Kloesel u. Helmut Pape. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Peirce, Charles Sanders, 1991: Vorlesungen über Pragmatismus. Ein! . u. Anm. v. Elisabeth Walther. Hamburg: Meiner Peirce, Charles Sanders, 1993: Semiotische Schriften. Bd. 3, hrsg. u. übers. v. Christian Kloesel u. Helmut Pape. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Peirce, Charles Sanders, 1995: Eine bisher unveröffentlichte englische Übersetzung der ersten vier Kapitel der Aristotelischen Kategorienschrift von Charles Sanders Peirce aus den Jahre 1864. In: Oehler, Klaus: "Sachen und Zeichen", Frankfurt a.M.: Klostermann Peirce, Charles Sanders, 1995: Religionsphilosophische Schriften. Hrsg. HermannDeuser, Übers. HelmutMaassen. Hamburg: Meiner Erwähnte Literatur: Buchheister, Kai/ Steuer, Daniel, 1992: Ludwig Wittgenstein. Stuttgart: Metzler Oehler, Klaus, 1993: Charles Sanders Peirce. München: Beck von Wright, George Hendrik, 1972: Biographische Betrachtung. In: "Beiheft 1" von "Ludwig Wittgenstein Schriften", zweite Aufl., Frankfurt a.M.: Suhrkamp Walther, Elisabeth, 1989: Charles Sanders Peirce. Baden-Baden: Agis Wuchterl, Kurt/ Hübner, 1979: Adolf, Wittgenstein. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Freud aus Frankreich. Psychoanalyse und Postmoderne Achim Geisenhanslüke I. KODIKAS / CODE Ars Semeiotica Volume 23 (2000) · No. 3-4 Gunter Narr Verlag Tübingen "Nietzsche aus Frankreich" 1, so lautet der Titel eines Sammelbandes, den Werner Hamacher 1986 veröffentlichte. Der Titel rechtfertigte sich vor dem Hintergrund der zweiten Heimat, die Nietzsche in Frankreich gefunden hatte. Die Geschichte von "Freud aus Frankreich" bietet dagegen ein ganz anderes Bild. Die Freudsche Psychoanalyse mag auf den ersten Blick zwar einen ähnlich bedeutenden Einfluss auf die französischen "sciences humaines" ausüben wie die Philosophie Nietzsches. Dieser erste Eindruck muss jedoch bald einer skeptischeren Einschätzung weichen. Bei aller Anerkennung seiner historischen Leistung herrscht in der Einschätzung Freuds eine Ambivalenz vor, die sich insbesondere in den Theorieentwürfen so namhafter Autoren wie Althusser, Foucault, Deleuze und Derrida zeigt. Vor diesem Hintergrund geht der vorliegende Beitrag in zwei Schritten vor. Zunächst wird die Entwicklung der psychoanalytischen Bewegung in Frankreich nachgezeichnet und dabei insbesondere auf die zentrale Bedeutung Jacques Lacans eingegangen. In einem zweiten Schritt geht es um die Rezeption der Psychoanalyse von seiten der "Postmoderne". Der Leitfaden für den zweiten Teil wird die Frage sein, welche Rolle der Psychoanalyse für die Entwicklung der postmodernen Theorie zugestanden wird, die Frage also, wie sich Althusser, Foucault, Deleuze/ Guattari und Derrida in ihren Schriften zu Freud verhalten. II. Elisabeth Roudinesco hat in ihrer monumentalischen Histoire de la psychanalyse en France darauf hingewiesen, dass die Rezeption Freuds in Frankreich im Vergleich zu anderen Ländern verspätet begann. 2 Das ist um so bemerkenswerter, als sich Freud 1885 nach Paris begeben hatte, um unter dem Einfluss Charcots dem Zusammenhang von Hysterie und Sexualität näher zu kommen, ein gewichtiger Teil des Ursprungs der Freudschen Psychoanalyse also historisch und geographisch mit Frankreich verbunden ist. Die spätere Ablehnung der Charcotschen Hypnose und Freuds Hinwendung zur Praxis der "talking eure" scheint jedoch eine narzisstische Kränkung des französischen Geistes bedeutet zu haben, auf die dieser lange Zeit mit einer äußerst reservierten Aufnahme Freuds reagiert hat. Erst 1926, zu einer Zeit also, als in Berlin, Budapest, Wien und der Schweiz längst bedeutende eigenständige psychoanalytische Institute existierten, wird in Frankreich die erste psychoanalytische Gesellschaft ins Leben gerufen, die Societe Psychanalytique de Paris (SPP). Wie Roudinesco betont, ist der Grund für diese historische Verspätung mehrfacher Natur. 3 Er liegt zum einen in dem lange Zeit vorherrschenden Einfluss, den die anti-freudianische Theorie Janets auf die französische Psychologie ausgeübt hat, in der allgemeinen Deutschlandfeind- Freud aus Frankreich. Psychoanalyse und Postmoderne 275 lichkeit Frankreichs nach dem Ersten Weltkrieg und in dem durch die Dreyfus-Affäre ausgelösten Antisemitismus, der weite Teile des französischen Geisteslebens lähmte. Ein österreichischer Jude, der selbstverständlich auf deutsch schreibt, der cartesianischen Tradition des seiner selbst gewissen Bewusstseins die Existenz des Unbewussten entgegenhält und zudem behauptet, die Hysterie und so ziemlich alles, was den psychischen Haushalt des Menschen betreffe, gehe auf frühkindliche Erfahrungen der Sexualität zurück, hatte es in diesen Jahren wohl einfach schwer, in Paris wissenschaftlich Karriere zu machen. Vor diesem Hintergrund ist die Gründung der SPP 1926 nicht mehr und nicht weniger als der erste Versuch, der Psychoanalyse in Frankreich eine institutionelle Heimat zu geben. Die Gründergeneration der SPP ist verbunden mit Namen, die heutzutage weitgehend vergessen sind: mit Angelo Hesnard, Rene.Laforgue, Eduard Pichon, Marie Bonaparte und Rodolphe Loewenstein. Diese erste Generation französischer Psychoanalytiker wird aus heutiger Sicht verdeckt von dem Schatten einer Figur, die das Gesicht der französischen Psychoanalyse seit dem Beginn der dreißiger Jahre bis zum heutigen Zeitpunkt geprägt hat, von Jacques Lacan. III. Wenn die Freudrezeption in Frankreich derart eng mit Lacan verbunden ist, dann stellt sich zunächst die Frage, worin Lacans Beitrag zur Psychoanalyse besteht und wie sich sein Verhältnis zu Freud gestaltet. Die Antwort lautet zumeist: Während Freud das Unbewusste entdeckt hat, liegt Lacans Leistung darin, den Zusammenhang von Unbewusstem und Sprache nachgewiesen zu haben. 4 Schon diese Ausgangssituation macht deutlich, dass Lacans Verhältnis zu Freud zwiespältiger Natur ist. Zwar fordert er im Kontext einer scharfen Kritik der angelsächsischen Psychoanalysebewegung immer wieder beschwörerisch eine "Rückkehr zu Freud" 5• Andererseits aber impliziert Lacans Rückkehr zu Freud vor dem Hintergrund des zeittypischen linguistic turn ein Moment, das über Freud hinausgeht und nicht ohne weiteres mit dessen Begründung der Psychoanalyse zu vereinbaren ist. 6 Wie aber lässt sich Lacans Theorie der Psychoanalyse und sein komplexes Verhältnis zu Freud zusammenfassen? Der amerikanische Kritiker Malcolm Bowie hat versucht, Lacans Weg zurück zu Freud und über Freud hinaus anhand der Liste einiger ebenso faszinierender wie umstrittener Formulierungen Lacans zu verdeutlichen: Das Unbewußte ist strukturiert wie eine Sprache. Das Unbewußte ist der Diskurs des Anderen. Eine Letter kommt stets an ihrem Bestimmungsort an. Die korrumpierendste Bequemlichkeit ist die intellektuelle Bequemlichkeit. Es gibt kein sexuelles Verhältnis. 7 Bowies Liste nennt einige zentrale Themen, die Lacans Arbeit prägen: der Zusammenhang zwischen dem Unbewussten und der Sprache, die Rolle des(großgeschriebenen) Anderen für die Ichbildung, die Funktion des Signifikanten in der menschlichen Rede, die Kritik des universitären Intellektualismus und die Theorie der Negativität des Begehrens. Der Hinweis auf diese zentralen Thesen Lacans offenbart aber noch etwas anderes: den eigentümlichen "Lakonismus" des französischen Psychoanalytikers, Lacans Fähigkeit zu ebenso einprägsamen wie enigmatischen Formeln, m.a.W.: den eminent ästhetischen Reiz seiner Theorie, der Kritiker allerdings oft daran hat zweifeln lassen, ob es sich hier überhaupt noch um eine ernsthafte Theorie handelt. 276 Achim Geisenhanslüke Dabei kommt Lacan zweifellos das Verdienst zu, als einer der ersten in Frankreich eine Theorie entwickelt zu haben, die auf einer Erfahrung beruht, von der er in einem seiner berühmtesten Texte, dem Aufsatz über das Spiegelstadium, einleitend behauptet, "quelle nous oppose a toute philosophie issue directement du Cogito." 8 In ganz ähnlicher Weise wie Freud setzt Lacan in seinem Aufsatz über das Spiegelstadium der cartesianischen Philosophie des Cogito das Modell einer dezentrierten Subjektivität entgegen, die sich an der Erfahrung eines Kindes zwischen sechs und achtzehn Monaten ablesen lasse, das sich selbst im Spiegel erkennt und angesichts dieser Erkenntnis in eine jubilatorische Begeisterung ausbricht. Lacan bestimmt diese frühe Form der Selbsterkenntnis als eine Identifikation im psychoanalytischen Sinne, als subjektive Verinnerlichung eines Bildes, die zu einer Spaltung des Subjekts führe. Die Form der Spaltung, die das Subjekt im Spiegelstadium erfährt, drückt Lacan später durch einen sprachlichen Kunstgriff aus: "Le je n'est pas le moi, le sujet n'est pas l'individu" 9• Damit meint Lacan zum einen, dass das seiner selbst gewisse Ich, das moi, das Resultat einer Selbsttäuschung ist, die die motorische Unfertigkeit des Kindes in eine nur vermeintliche Einheit führe. Zum anderen deutet Lacans These von der Nichtidentität des Ich mit sich selbst an, dass die Vorstellung von der vollständigen Autonomie des Ich nur möglich ist durch die Preisgabe des Anderen, der in die scheinbare Selbstgewissheit des Ich eingreifen könnte und der dies aufgrund des Eintretens des Individuums in die symbolische Ordnung der Sprache auch jederzeit tut. Damit deutet bereits der frühe Aufsatz über das Spiegelstadium die zentrale Unterscheidung zwischen der Ordnung des Symbolischen, Imaginären und Realen an, die Lacans Modell der menschlichen Psyche bestimmt: das Imaginäre ist der Ort des narzisstischen Ich-Ideals und der damit einhergehenden Selbsttäuschung des Ich, das Symbolische der Bereich der Sprache, während das Reale schließlich die unhintergehbare Dimension außerhalb der symbolischen Ordnung, die psychische wie materielle Realität nennt. Lacans Theorie leistet damit zweierlei. Zum einen setzt sie mit Freud über Freud hinaus einen engen Zusammenhang zwischen dem Unbewussten und der Sprache. So interpretiert Lacan in seinem Aufsatz L'instance de la lettre dans l'inconscient Freuds Begriffe der Verschiebung und der Verdrängung im Anschluss an Roman Jakobson als die unterschiedlichen rhetorischen Mechanismen von Metapher und Metonymie, um zugleich klarzustellen, dass der zentrale Begriff der "Entstellung" aus der Traumdeutung ein "glissement incessant du signifie sous le signifiant" 10 meine und damit eine unabschließbare Signifikantenkette an die Stelle der hermeneutischen Kategorie des Sinnes setze, die Paul Ricreur in Freud zu entdecken meint. u Der Hinweis auf den linguistic turn, den die Psychoanalyse von Freud zu Lacan nehme, machtjedoch leicht vergessen, dass Lacan zugleich eine Akzentverschiebung der Freudschen Psychoanalyse vornimmt. In einer spekulativen Überbietung von Freuds Neurosenlehre interessiert sich Lacan verstärkt für den Bereich der Psychosen, um eine Theorie des Ich zu begründen, die mit der Kritik der paranoiden Struktur des moi 12 die Erfahrung der Dezentrierung des seiner selbst gewissen Subjekts ins Zentrum der Psychoanalyse stellt. Lacans zentrales Interesse an der Psychose lässt sich an dem Begriff der "forclusion" 13 verdeutlichen, mit dem er Freuds Begriff der Verwerfung übersetzt und den er dem der Verdrängung überordnet. Dem neurotischen Verdrängungsmechanismus stellt Lacan mit der Theorie der Verwerfung eine spezifisch psychotische Abwehrleistung des Ich entgegen, deren Funktionsweise er anhand von Freuds Interpretation des Wolfsmannes und des Fall Schreber zu analysieren versucht. Entscheidend ist dabei, dass die Wiederkehr des Verworfenen nicht auf der Ebene des Unbewussten erfolgt, also kein rein innerpsychisches Problem sei, sondern sich auf die Ebene der Realität erstrecke und demnach das Verhältnis des Ich zur Außenwelt Freud aus Frankreich. Psychoanalyse und Postmoderne 277 betreffe. Der Begriff der "forclusion" bestätigt nicht nur Lacans zentrales Interesse an der Psychose. 14 Er weist zugleich darauf hin, dass Lacans Theorie ein gesellschaftskritisches Moment bereithält. Denn im Unterschied zur Neurose als dem Konflikt zwischen Es und Ich betrifft die Psychose als Konflikt zwischen Ich und Außenwelt 15 nicht nur das psychische Subjekt, sondern ebenso das gesellschaftliche Individuum, und vor diesem Hintergrund konnte die Psychoanalyse in Frankreich etwa bei Althusser in einer Art Versöhnung von Freud und Marx zugleich als ein kritischer Beitrag zur Gesellschaftstheorie verstanden werden. IV. Die monumentale Figur Lacans nennt allerdings nicht die einzige wirkungsmächtige Tradition der Psychoanalyse in Frankreich. 1928 begrüßen Louis Aragon und Andre Breton die Hysterie mit folgenden Worten: "Nous surrealistes tenons a celebrer le cinquentenaire de l'hysterie, la plus grande decouverte poetique de la fin du siede, et cela au moment meme ou le demem~ brement du concept de l'hysterie parait chose consommee." 16 Dem wissenschaftlichen Interesse an der Psychoanalyse steht die surrealistische Entdeckung der Hysterie im Zeichen der Poesie zur Seite. Die Begeisterung der Surrealisten für die Hysterie ist mehr als eine Anekdote innerhalb der Geschichte der französischen Psychoanalyse. Gerade an den entscheidenden Punkten der Freudrezeption in Frankreich gehen Wissenschaft und Literatur ein prekäres Bündnis ein. Das gilt für Lacan, der selbst eine Zeit lang der surrealistischen Bewegung nahestand, für George Bataille und Michel Leiris, es gilt aber ebenso für die poetische Revindikation einer bestimmten Form des Wahnsinns bei Foucault und Deleuze/ Guattari. 17 V. Lacans Wirkung in Frankreich war zwiespältiger Natur. Sicherlich ist er bis heute trotz oder gerade wegen seiner Umstrittenheit der bedeutendste französische Psychoanalytiker geblieben. Zugleich hat erjedoch einen wesentlichen Anteil an der Spaltung der psychoanalytischen Bewegung Frankreichs. 1953 trennen sich Daniel Lagache und Lacan von der SPP, die zu dieser Zeit von Sacha Nacht geführt wurde, und gründen die Societe Fran~aise de Psychanalyse (SFP). 1964 spaltet sich die SFP in die Association psychanalytique de France von Lagache (APF) und die Ecole Freudienne de Paris von Lacan (EFP), die fast bis zu Lacans Tod im Jahre 1981 bestehen bleibt. Sie wurde 1980 aufgelöst, um unter dem neuen Namen Ecole du champ freudien unter der Leitung von Lacans Schwiegersohn Jacques Alain-Miller neue Wege zu gehen. Die Geschichte dieser fortgesetzten Spaltungen der psychoanalytischen Bewegung Frankreichs, die bis heute andauert, scheint auf den ersten Blick nur anekdotischen Wert zu besitzen. Sie sagt aber auch etwas über die zwiespältige Figur Lacans aus, der die Autorität der eigenen Lehre nur durch eine Rückkehr zu Freud aufrechterhalten konnte, die Jacques Pontalis in seinem Buch Apres Freud nicht zu Unrecht als "aller vers Lacan, dans Lacan, en Lacanie, sans retour" 18 gewertet hat. Für die Entwicklung der Humanwissenschaften in Frankreich war Lacans umstrittene Rückkehr zu Freud jedoch äußerst fruchtbar. Lacans Lehrtätigkeit seine vorher weit verstreuten Schriften zur Psychoanalyse lagen erst 1966 gesammelt vor war zunächst auf 278 Achim Geisenhanslüke den Bereich des Klinischen begrenzt. Die Geschichte einer breiteren Wirkung der Psychoanalyse in Frankreich beginnt im Jahr 1964 mit der Verlegung des Seminars von Jacques Lacan an die ENS, in dem Jahr also, in dem sich die zweite Trennung der psychoanalytischen Bewegung Frankreichs vollzog und Lacan seine Ecole Freudienne gründete. Die Verlegung des Seminares, notwendig geworden durch Lacans Vertreibung aus seiner bisherigen Wirkungsstätte, dem Höpital Sainte-Anne er selbst spricht nicht ohne einen ironischen Seitenblick auf die Kirchengeschichte, mit der die der psychoanalytischen Bewegung Frankreichs mit ihren Spaltungen tatsächlich einige Ähnlichkeiten hat, von einer "excommunication" 19 -, war durch Louis Althusser ermöglicht worden, der sich von Lacans Lehrtätigkeit Anregungen für die Studenten der ENS versprach. VI. Am 15. Januar 1964 hielt Lacan sein Seminar zum ersten Mal an der ENS. Im gleichen Jahr organisierte Althusser eine Vortragsreihe zur Psychoanalyse, zu der er selbst zwei Vorträge mit den Titeln Laplace de la psychanalyse dans les sciences humaines und Psychanalyse et Psychologie beitrug. Darüber hinaus veröffentlichte er einen Aufsatz mit dem programmatischen Titel Freud et Lacan. Althussers Einsatz für Lacan markiert ein doppeltes Ereignis in der Geschichte der Psychoanalyse in Frankreich: Zum einen wird die Psychoanalyse Lacanscher Prägung mit der Verlegung des Seminares an die ENS einem breiten nicht nur psychoanalytisch, sondern philosophisch geschulten Publikum bekanntgemacht. Zum anderen beginnt mit Althussers Veröffentlichungen und Vorträgen die systematische Frage nach der Rolle der Psychoanalyse für die Humanwissenschaften. Althussers Ausgangsfrage lautet entsprechend allgemein: "quel est actuellement le statut de la psychanalyse dans son rapport avec les sciences humaines, et en particulier dans son rapport avec la psychologie? " 20 Um den Platz der Psychoanalyse in den Humanwissenschaften bestimmen zu können, so erklärt Althusser in Freud et Lacan, ist es allerdings notwendig, die Psychoanalyse vom "immense espace de prejuges ideologiques qui nous separe de Freud" 21 , zu befreien. Althussers Auseinandersetzung ist also Bestandteil einer "Ideologiekritik" mit dem Ziel, den eigentlichen Gegenstandsbereich der Psychoanalyse frei von ideologischen Vorurteilen, von dem, was er "revisionnisme" 22 nennt, zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund hält Althusser Freud zunächst zugute, eine eigene Wissenschaft begründet zu haben: die Wissenschaft des Unbewussten, die sich ihm zufolge wie alle wirklichen Wissenschaften durch die Zusammengehörigkeit der drei Bereiche "Praxis", "Technik" und "Theorie" 23 kennzeichnet. Althusser verbindet diese grundsätzliche Anerkennung Freuds gleichwohl mit einer Kritik: "Freud dut penser sa decouverte et sa pratique dans des concepts importes, empruntes a la physique energetique, alors dominante, a 1' economie politique et a la biologie de son temps." 24 Wie Althusser in einer sehr akademisch anmutenden Weise in Anlehnung an Kants Unterscheidung von geborgten und selbstgefertigten Begriffen formuliert, sei es Freud nicht gelungen, eigene Begriffe zu erzeugen, um seine Theorie auf sichere Füße zu stellen. Dies sei vielmehr erst das Verdienst Lacans: "Jusqu'a l'apparition de Lacan, c'est-a-dire jusqu'a une tentative de transformation des concepts importes en concepts domestiques, i1 existe pour tout lecteur de Freud une contradiction entre les concepts de Freud, d'une part, et le contenu concret de ce que designe la psychanalyse, d'autre part." 25 Damit wird nicht Freud, sondern Lacan zum eigentlichen Begründer der Psychoanalyse als Wissenschaft, sofern man unter Wissenschaft, wie Althusser dies tut, die Freud aus Frankreich. Psychoanalyse und Postmoderne 279 Fähigkeit versteht, die Theorie auf eine selbstgefertigte Begrifflichkeit zu gründen. In Althussers Augen zumindest in den Jahren 1963/ 1964 erscheint Lacan als der Messias, der die Psychoanalyse aus ihrem dogmatischen Schlaf weckt und ihr die wissenschaftliche Begründung gibt, die Freud nur unvollkommen geleistet habe. Althusser kommt zu dieser außerordentlichen Bewertung Lacans, da er in dessen Begrifflichkeit das Moment der Ideologiekritik wiedererkennt, das er in der Psychoanalyse suchte. Er bezieht sich dabei insbesondere auf Lacans Begriff des Imaginären. So stellt er in Anlehnung an die Lacansche Psychoanalyse fest, "que le sujet humain est decentre, constitue par une structure qui elle aussi n'a de 'centre' que dans la meconnaissance imaginaire du 'moi', c'est-a-dire dans les formations ideologiques ou il se 'reconnait' ." 26 Der Berührungspunkt zwischen der Psychoanalyse und Althussers Wissenschaftsverständnis liegt also vor allem im Bereich der mit Lacans Begriff des Imaginären enggeführten Ideologiekritik, und vor diesem Hintergrund erscheinen neben Freud auch Marx und Nietzsche als Vertreter ein- und derselben Sache: der Aufklärung des Menschen über die ideologischen Vorurteile, in denen er befangen ist. "A ma connaissance, dans le cours du XIXe siede, deux ou trois enfants naquirent, qu'on n'attendait pas: Marx, Nietzsche, Freud." 27 Althusser steht 1964 an einer signifikanten Wegkreuzung. Einerseits hält er an der Freudschen Psychoanalyse als einer spezifischen Form der Aufklärung fest, die Freud mit Marx und Nietzsche teile. Andererseits aber bereitet er mit dem Begriff der dezentrierten Subjektivität den Boden für die Überschreitung des aufklärerischen Humanismus, die die folgende Generation nicht mit Marx und Freud, sondern mit Nietzsche und Heidegger zu denken versucht. VII. So ist es kein Zufall, dass der Althusser-Schüler Michel Foucault 1964 auf dem Nietzsche- Kolloquium in Royaumont einen Vortrag mit dem Titel "Nietzsche, Freud, Marx" hält, und es ist auch kein Zufall, dass Nietzsche an die erste Stelle gerückt ist. Foucaults Bild der Psychoanalyse ist in all seinen Schriften ein kritisches. Bereits in seiner ersten Veröffentlichung, der Einleitung zur französischen Übersetzung von Ludwig Binswangers Schrift Traum und Existenz, zeichnet Foucault ein überraschend zwiespältiges Portrait der Psychoanalyse. Zu Beginn seiner kritischen Auseinandersetzung mit Freud stellt Foucault eine außergewöhnliche Koinzidenz fest: "Il vaudrait la peine d'insister un peu sur une coi: ncidence de dates: 1900, les Logische Untersuchungen de Husserl, la Traumdeutung de Freud." 28 Foucault wertet das fast zeitgleiche Erscheinen der Logischen Untersuchungen und der Traumdeutung als Zeichen für einen unterschiedlich gearteten Begründungsversuch des modernen Menschenbildes in der Spannung zwischen Anthropologie und Ontologie, wobei er von Beginn an keinen Zweifel daran lässt, dass er in Anlehnung an Heidegger an der "passage de l'anthropologie a l'ontologie" 29 interessiert ist. Ausgangspunkt seiner nicht immer klaren Ausführungen ist die Frage nach einer Theorie des Ausdrucks, die das Verhältnis von Bild und Bedeutung in der Psychoanalyse und der Phänomenologie betrifft und zugleich den von ihm gesuchten Übergang der Anthropologie zur Existenzanalyse markieren könnte. Auf eine überraschende und m.E. sachlich kaum nachzuvollziehende Weise spielt Foucault in seiner Schrift dabei die Phänomenologie gegen die Psychoanalyse aus. Schlagwortartig lautet sein Vorwurf an die Psychoanalyse: "La psychanalyse n'est jamais parvenue a faire parler les images." 3 ° Foucault wirft Freud vor, die bildlichen Inhalte des Traums allein in Richtung auf ihre sprachliche Sinnebene zu befragen, damit aber den eigentlichen Bildgehalt des Traumes 280 Achim Geisenhanslüke zu verfehlen. An die Stelle dieser Hermeneutik des Sinns, die viel eher Ricreurs Freudinterpretation als Freud selbst trifft, fordert Foucault ''une grammaire de la modalite imaginaire et une analyse de l'acte expressif' 31 , die er nicht in der Psychoanalyse, wohl aber in Husserls Bedeutungstheorie aus den Logischen Untersuchungen zu finden meint. Im Unterschied zur psychoanalytischen Traumdeutung ermögliche Husserls Unterscheidung von Anzeichen und Ausdruck ein angemessenes Verständnis des bildlichen Trauminhalts, das allerdings durch eine ontologische Analytik der Imagination zu ergänzen sei: "La phenomenologie est parvenue a faire parler les images; mais eile n'a donne a personne la possibilite d'en comprendre le langage." 32 Bereits der frühe Foucault stellt seine Arbeit also nicht in die Tradition der Psychoanalyse, sondern die der Phänomenologie bzw. deren ontologischer Transformation durch Heidegger. 33 Überraschend ist Foucaults Position, weil er in seinem Werk vor allem an eng mit der Arbeit Freuds verbundenen Themen wie Wahnsinn, Anomalie oder Sexualität interessiert ist, er die Errungenschaften der Psychoanalyse mit der Phänomenologie jedoch gerade zugunsten der letzten dezidiert bewusstseinstheoretischen Philosophie des Jahrhunderts zurückweist. 34 Foucault geht noch einmal auf das Verhältnis von Psychoanalyse und Phänomenologie ein, und zwar in Die Ordnung der Dinge. Sein Bild der Phänomenologie istzumindest auf den ersten Blick ..,.. weitaus kriti~cher geworden, das der Psychoanalyse aber ist das gleiche geblieben. Zwar definiert er in der englischen Einleitung des Buches dessen Gegenstandsbereich als "ein positives Unbewußtes des Wissens". 35 Trotzdem scheint er nicht dazu bereit zu sein, seine Archäologie des Wissens in die Tradition der Psychoanalyse zu stellen. Vielmehr begreift er Phänomenologie und Psychoanalyse nun als das wechselseitig aufeinander verweisende Doppel von Cogito und Ungedachtem, das als eines der drei Doppel der Endlichkeit den modernen Begriff des Menschen definiere. Zwar gesteht Foucault der Psychoanalyse zum Schluss seines Buches neben der Ethnologie und der modernen Linguistik einen privilegierten Platz innerhalb der modernen Humanwissenschaften zu, 36 da sie den Menschen an die Grenzen seiner Endlichkeit führe. Die Grenzen der Endlichkeit wirklich zu überschreiten traut er aber weder der Psychoanalyse noch der Ethnologie oder der Linguistik zu, sondern allein dem Wiederentdecken des Seins der Sprache in der Literatur, bei Nietzsche und Mallarme, bei Artaud, Roussel, Bataille und Blanchot. 37 Auch in der Ordnung der Dinge stellt sich Foucault nicht in die Tradition der Psychoanalyse, wohl aber in die der surrealistischen Revindikation des Wahnsinns als eines poetischen Aktes, wie sie Aragon und Breton bereits 1928 formulierten. Diese zutiefst romantische und letztlich wohl vorfreudianische Auffassung des Wahnsinns im Zeichen der Poesie teilt Foucault mit seinen Weggefährten Deleuze und Guattari .. VIII. Ein ähnlich kritisches Bild der Psychoanalyse wie Foucault entwerfen Deleuze/ Guattari in ihrem Buch Anti-Ödipus. Wie bereits der Titel verrät, ist das zentrale Theorem der Freudsehen Neurosenlehre, der Ödipus-Komplex, für Deleuze/ Guattari allenfalls noch ein Gegenstand des Spottes: "comment la psychanalyse fait-elle pour reduire, cette fois le nevrose, a une pauvre creature qui consomme eternellement du papa-maman, et rien d'autre? " 38 , lautet die kritische Frage, die Deleuze/ Guattari an Freud stellen. An die Stelle der ödipalen Verdrängungstheorie setzen sie eine! affirmative Theotie des Begehrens, die ganz im Zeichen der Schizophrenie steht und die! sich weit eher von Nietzsche als von Freud herleiten lässt: ' Freud aus Frankreich. Psychoanalyse und Postmoderne 281 "Schizophreniser, schizophreniser le champ de l'inconscient, et aussi le champ social historique, de maniere a faire sauter le carcan d'Oedipe et retrouver partout 1a force des productions desirantes, renouer a meme le Reel le lien de la machine analytique, du desir et de la production"39, so lautet ihr Gegenkonzept zu Freuds Neurosenlehre. Dabei zeigt die Hinwendung zur Schizophrenie und der Ebene des Realen, dass Deleuze/ Guattari in ganz ähnlicher Weise wie Lacan auf die Psychose zurückgehen, um die psychoanalytische Neurosenlehre endgültig zu unterlaufen. Das Zauberwort, mit dem Deleuze/ Guattari Freud begegnen, ist das der "Wunschproduktion", die sich sowohl auf den psychischen Bereich des Unbewussten als auch auf den sozialen Bereich der modernen Produktionsgesellschaft erstreckt. Die These, das Begehren sei keine Instanz der Verdrängung oder Resultat eines psychischen und gesellschaftlichen Selbstentfremdungsprozesses, sondern eine lustbetonte Maschine, die unablässig produziere und reproduziere, führt dabei zugleich zu einer signifikanten Abwendung von Freud und Marx. "Le parallelisme de MarxaFreud reste tout-a-fait sterile et indifferent, mettant en scene des termes qui s'interiorisent ou se projettent l'un dans l'autre sans cesser d' etre etrangers, comme dans cette fameuse equation argent = merde. En verite, la production sociale est uniquement la production desirante elle-meme dans des conditions determinees." 40 An die Stelle der kritischen Analyse des Unbewussten und des Kapitalismus, die Freud und Marx vorgebracht haben und die noch Althussers Philosophie leitete, setzen Deleuze/ Guattari eine positive Theorie der Schizophrenie als unendlicher Lustproduktion, die sowohl die psychischen als auch die sozialen Prozesse der kapitalistischen Gesellschaft bestimme. In ähnlicher Weise wie bei Foucault verschwindet Freud gemeinsam mit Marx hinter dem nun übermächtigen Schatten Nietzsches. Von den drei unerwünschten Kindern, die das 19. Jahrhundert Althusser zufolge hervorgebracht habe, von Freud, Marx und Nietzsche, bleibt in der französischen Philosophie der Postmoderne allein Nietzsche übrig. IX. Auf eine zumindest auf den ersten Blick ungleich unvoreingenommenere Weise als Foucault und Deleuze hat sich Jacques Derrida in dem frühen Aufsatz Freud und der Schauplatz der Schrift Freud zu nähern versucht. Allerdings stellt auch Derrida seine Deutung der Psychoanalyse von Beginn an unter einen Vorbehalt: "Malgre les apparences, la deconstruction du logocentrisme n'est pas une psychanalyse de la philosophie." 41 Derrida will die Dekonstruktion also von vorneherein von der Psychoanalyse unterschieden wissen, obwohl seine Auseinandersetzung mit Freud bei der Hypothese ansetzt, dass die Entwicklung der Psychoanalyse vom frühen Entwuif einer Psychologie über die Traumdeutung bis zur Notiz über den Wunderblock mit einem metaphorischen Modell der Schrift einhergehe, das Freuds Begriff des Psychischen untergründig best: imme. "Or ce n' est pas un hasard si Freud, dans les moments decisifs de son itineraire, recourt a des modeles metaphoriques qui ne sont pas empruntes a la langue parlee, aux formes verbales, ni meme a I' ecriture phonetique, mais a une graphie qui n'est jamais assujettie, exterieure et posterieure a la parole." 42 Vielmehr deute sich bereits in den frühen Schriften Freuds die Metapher einer "Schrift-Maschine" an, die auf die graphische Struktur des Unbewussten hinweise. 43 Um die Spuren dieser Schrift-Maschine in Freuds Texten nachzuweisen, bezieht sich Derrida zunächst auf den Entwuifeiner Psychologie aus dem Jahre 1895 und der dort aufgeworfenen Frage nach der Unterscheidung von Wahrnehmung und Gedächtnis. In Freuds Begriff der "Bahnung" erkennt Derrida "une metaphorique de 1a trace ecrite',44, die der 282 Achim Geisenhanslüke psychoanalytischen Gedächtnistheorie als Ausgangspunkt diene. Die Zusammenführung des Unbewussten mit den Metaphern von Schrift und Maschine gelinge Freud jedoch weder in dem frühen Entwurf einer Psychologie noch in seinem Hauptwerk, der Traumdeutung, sondern erst in der Notiz über den Wunderblock aus dem Jahre 1925. In seiner äußerst pointierten Lektüre des Wunderblocks geht Derrida von drei Analogien aus, die seiner Meinung nach die Darstellung des Verhältnisses von Wahmehmung, Gedächtnis und Maschine bei Freud bestimmen. Zunächst erscheint Freuds Rückgriff auf das Beispiel des Wunderblocks einfach als ein Hilfsmittel zur Illustration eines bestimmten Sachverhalts. Darüber hinaus zeige der Wunderblock die Funktionsweise des psychischen Apparates anhand der Metapher eines räumlichen Einschreibeprozesses auf. Drittens schließlich weise das Modell des Wunderblocks auf eine Affinität zwischen Freuds Theorie des Gedächtnisses und dem Problem der Zeitlichkeit hin. So gelinge dem Wunderblock das, was dem Entwurf und der Traumdeutung verwehrt blieb, nämlich die Zusammenführung der Theorie des Unbewussten mit den Metaphern von Maschine und Schrift. Der Vergleichspunkt, der diese Zusammenführung ermöglicht, ist die zeitlich-räumliche Spur der Schrift als Paradigma der Arbeit des psychischen Apparates: "La temporalite comme espacement ne sera pas seulement la discontinuite horizontale dans la chaine des signes mais l'ecriture comme interruption et retablissement du contact entre les diverses profondeurs des couches psychiques, 1' etoffe temporelle si heterogene du travail psychique lui-meme." 45 Derrida zufolge führt die psychoanalytische Entdeckung des Unbewussten auf die "differance" der Schrift als einer räumlichzeitlichen Spur zurück, die zugleich das Unbewusste als eine Instanz kennzeichne, die sich den metaphysischen Kategorien des Ursprungs und der Präsenz entziehe. Freud, so scheint es zunächst, kann damit für sich in Anspruch nehmen, als einer der Denker zu gelten, denen der Sprung aus der Metaphysik der Identität in das Denken der Differenz gelungen sei. Derridas Überlegungen sind in mehrerlei Hinsicht aufschlussreich. Zunächst geben sie Auskunft über sein eigenes Verfahren. Derrida gesteht der Notiz über den Wunderblock, einem Text von einigen wenigen Seiten, nicht nur eine außerordentliche Bedeutung in Freuds Werk zu. Als späte Einlösung der Probleme des Entwurfs und der Traumdeutung erscheint Freuds Notiz über den Wunderblock darüber hinaus als Beleg für die dekonstruktive Theorie der Supplementarität, die sich unmittelbar von Freuds Begriff der Nachträglichkeit herleiten lässt: Erst nachträglich durch das Supplement des Wunderblocks gewinne die Psychoanalyse jene Einheit, die Freud ihr bereits in der Traumdeutung vergeblich zu geben versuchte. Zwar lässt Derrida mit der Engführung von Nachträglichkeit und Supplementarität die Psychoanalyse zunächst als legitimen Vorläufer einer Wissenschaft erscheinen, die sich von der Metaphysik der Präsenz zu lösen vermag, indem sie anhand der Metaphern von "frayage" und "trace" ein Modell der Schrift vorbringe, das sich der Kategorie des Ursprunges entziehe. "Le texte n'est pas pensable dans 1a forme, originaire ou modifiee, de la presence. Le texte inconscient est deja tisse de traces pures, de differences ou s'unissent le senset la forme, texte nulle part present, constitues d'archives qui sont toujours deja des transcriptions". 46 Andererseits aber wirft Derrida Freud vor, die Maschine des Wunderblocks vom psychischen Apparat zu unterscheiden und somit vor den letzten Konsequenzen der eigenen Theorie zurückzuweichen. Indem Freud in seinem Aufsatz feststelle, dass die Maschine des Wunderblocks nur ein erläuterndes Beispiel für die Funktionsweise des psychischen Apparates sei, falle er in die Metaphysik der Präsenz zurück, von der er sich bereits zu verabschieden aufmachte. Schienen Freud die höheren Weihen der Dekonstruktion bereits sicher, so nutzt Derrida abschließend die Gelegenheit, die Tür, die er der Psychoanalyse aufgehalten hat, wieder zuzuschlagen. Freud aus Frankreich. Psychoanalyse und Postmoderne 283 So fordert Derrida in seinem Aufsatz auch keine Rückkehr zu Freud wie einst Lacan, sondern eine zu Heidegger. Man solle Freud doch lesen wie Heidegger Kant gelesen habe, lautet Derridas Forderung, und das heißt ja zunächst: nicht ohne· eine gehörige Portion "Gewaltsamkeit',4 7• Derrida realisiert diese bewusst gewalttätige Lektüre Freuds, indem er dessen Theorie der Gedächtnisspur auf das graphische Modell eines räumlich-zeitlichen Einschreibeprozesses zurückführt, den Freuds Begriff des Unbewussten trotz oder-~ielmehr gerade aufgrund seiner Aussage, das Unbewusste kenne keine zeitlichen Unterscheidungen, jedoch verfehle. "Il faudrait peut-etre lire Freud comme Heidegger a lu Kant: comme le je pense, l'inconscient n'est sans doute intemporel qu'au regard d'un certain concept vulgaire du temps." 48 In einer Weise, die die Psychoanalyse wahrhaft auf den Kopf stellt, wirft Derrida Freud vor, seine Theorie des Unbewussten zeuge von einem vulgären Konzept der Zeit, dass er letztlich mit der cartesianischen Philosophie des Cogito und mit Kant teile. 49 Vor dem Hintergrund von Heideggers Zeitphilosophie erscheint die Freudsche Entdeckung des Unbewussten damit letztlich nur als eine weitere Episode in der Geschichte der Metaphysik. So lautet die letzte Forderung Derridas an die Psychoanalyse auch: "Il faudrait donc radicaliser le concept freudien de trace et l' extraire de 1a metaphysique de la presence qui le retient encore" 50• Erschien die Freudsche Psychoanalyse bei Lacan noch als legitimer Ausgangspunkt für die Erfahrung einer dezentrierten Subjektivität, die sich jeder Philosophie des Cogito entgegenstellt, so zeigt der Versuch einer Überbietung Lacans bei Foucault und Derrida, dass nicht mehr die Psychoanalyse das Modell der postmodernen Version der Humanwissenschaften ist, sondern die philosophische Überschreitung des Menschen im Zeichen Nietzsches und Heideggers. X. Die Geschichte der Psychoanalyse in Frankreich weist damit auf ein doppeltes Ungleichgewicht hin. Zwar zeigt sich, dass in der Figur Jacques Lacans die Freudsche Entdeckung des Unbewussten und die surrealistische Selbstermächtigung der Sprache zu einer äußerst fruchtbaren Synthese gekommen sind. Andererseits aber hat Lacans Rückkehr zu Freud nicht nur theoretisch zu einer Verengung der Psychoanalyse auf das Problem der Sprache geführt, sondern auch institutionell zu einer Isolierung der französischen Psychoanalysebewegung, die bis heute andauert. In Frankreich gibt es zwar mit der SPP eine der mitgliederstärksten psychoanalytischen Vereinigungen der Welt, zugleich jedoch eine unübersichtliche Vielzahl von Splittergruppen, die sich gegenseitig befehden und befeinden, wobei Lacans eigener Schule bis heute die Zugehörigkeit zur International Psychoanalytical Association (IPA) verwehrt geblieben ist. Ebenso zwiespältig bleibt die Rezeption Freuds in den modernen Humanwissenschaften. Während Althusser 1964 in der Psychoanalyse noch einen Verbündeten für die seines Erachtens nach notwendige und auch mögliche Aufklärung des Menschen aus seinen ideologischen Verkennungen suchte, scheinen Foucault, Deleuze und Derrida trotz wesentlicher Anleihen bei der psychoanalytischen Theorie in Freud nur noch ein gewaltiges Missverständnis zu erkennen, mit dessen Hilfe nichts mehr aufzuklären ist, sondern das selbst der Aufklärung bedarf. Vor diesem Hintergrund stellt sich eine letzte Frage. Wie kommt es, dass ausgehend von Althusser über Foucault und Deleuze bis hin zu Derrida gerade die Theoretiker, die die Dezentrierung des Subjekts in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt haben, sich auf Husserl 284 Achim Geisenhanslüke und Heidegger sowie auf Nietzsche und die surrealistische Verbindung von Wahnsinn und Poesie berufen, nicht aber auf Freud, der ja für sich in Anspruch nehmen kann, diese Dezentrierung des Subjekts wie vielleicht kein anderer Theoretiker der Modeme vorangetrieben zu haben, indem er "das Ich als armes Ding" begreift, welches gleich "dreierlei Gefahren leidet, von der Außenwelt her, von der Libido des Es und von der Strenge des Über-lchs" 51 ? Die Strenge des Über-Ichs scheint kaum eine plausible Erklärung für die "Verwerfung" Freuds in Frankreich zu sein, und der Grund für die weitgehend kritische Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse von seiten der Postmoderne, der selbstverständlich auch positivere Stimmen zur Seite zu stellen sind, 52 scheint letztlich auch nicht in dem anarchischen Wunsch nach einer wüsten Entfesselung der Libido zu liegen, auch wenn Foucaults und Deleuzes Äußerungen manchmal in diese Richtung gehen. "Nun sind philosophische Systeme nur für ihre Gründer ganz wahr: für alle späteren Philosophen gewöhnlich Ein großer Fehler, für die schwächeren Köpfe eine Summe von Fehlern und Wahrheiten" 53 , schreibt Nietzsche bereits 1872, und sicherlich gälte diese Einsicht in besonderem Maße für die französische Freudrezeption. Vielleicht lässt sich aber mit einem versöhnlicheren Zitat schließen, dass dazu beitragen kann, einige Missverständnisse um Freud und um das Bild Freuds in Frankreich aufzuklären. In seinem Buch Rückkehr zu Freud schreibt Samuel Weber: "Auffranzösisch heißt 'l' experience psychanalytique', übrigens, nicht nur psychoanalytische Eifahrung, sondern auch, und vielleicht vor allem: psychoanalytisches Experiment. Man sollte aber bedenken, daß es sich dabei um ein Experiment handelt, das nie ganz kontrolliert werden kann. Denn die Mauem des analytischen Laboratoriums sind wie die Ränder eines Textes: nie ganz dicht zu machen." 54 Anmerkungen 1 W. Hamacher (Hg.), Nietzsche aus Frankreich, Frankfurt/ Main 1986. . 2 Vgl. E. Roudinesco, La bataille de cent ans. Histoire de la psychanalyse en France.1. 1885-1939, Paris: Seuil 1986, s. 39. 3 Ebd., S. 181f. 4 Zu einer etwas differenzierteren Auffassung gelangtBernhard H.F. Taureck in seiner Einleitung Die Psychoanalyse zwischen Empirie und Philosophie, in: Psychoanalyse und Philosophie. Lacan in der Diskussion, hrsg. von B. Taureck, Frankfurt/ Main 1992, S. 7. 5 Vgl. die Lacan-Einführung von Samuel Weber, Rückkehr zu Freud. Jacques Lacans Ent-stellung der Psychoanalyse, Wien 1990. 6 Zu einer kritischen Darstellung der Lacanschen Wende zur Sprache vgl. J. Laplanche, Le Structuralisme devant Ja Psychanalyse, in: Le Primat de l' Autre en Psychanalyse. Travaux 1967-1992, Paris: Flammarion 1992, s. 137-142. 7 M. Bowie, Lacan, Göttingen 1994, S. 11. 8 J. Lacan, Ecrits, Paris 1966, S. 93. 9 J. Lacan, Le Seminaire II. Le moi dans 1a theorie de Freud et dans Ja technique de la psychanalyse, Paris 1978, s. 11. 10 J. Lacan, Ecrits, S. 502. 11 Vgl. P. Ricreur, De l'interpretation. Essai sur Freud, Paris 1965. 12 Bowie fasst vor diesem Hintergrund zusammen: "Das Ich hat eine paranoische Struktur; der Wechsel vom Spiegel-Ich zum sozialen Ich bringt eine paranoische Entfremdung mit sich; die Psychoanalyse als therapeutische Methode führt im menschlichen Subjekt eine kontrollierte Paranoia herbei, und die Erkenntnis ist in allen ihren Formen ihrerseits unheilbar parnoisch." M. Bowie, Lacan, S. 41. 13 Vgl. in diesem Zusammenhang den Attikel zur "forclusion" im Wörterbuch der Psychoanalyse von Laplanche/ Pontalis. Freud aus Frankreich. Psychoanalyse und Postmoderne 285 14 Lacans zentrales Interesse an der Psychose zeigt sich bereits in seiner Dissertation mit dem Titel De Ja psychose paranoraque dans ses rapports avec la personnalite. Vgl. auch das dritte Seminar aus dem Jahr 1955/ 56, das sich ganz der Psychose widmet. 15 Lacan scheint hier Freuds Unterscheidung von Neurose und Psychose zu folgen, derzufolge "die Neurose[ ... ] der Erfolg eines Konfliktes zwischen dem Ich und seinem Es, die Psychose aber der analoge Ausgang einer solchen Störung in den Beziehungen zwischen Ich und Außenwelt" sei. S. Freud. Studienausgabe. Band m. Psychologie des Unbewußten, Frankfurt/ Main 1975, S. 333. 16 Zit. nach: Roudisco, La bataille de cent ans. Histoire de Ja psychanalyse en France. 1, S. 22. 17 Vgl. E. Roudinesco, La bataille de cent ans. Histoire de la psychanalyse en France. 2. 1925-1985, Paris: Seuil 1986,S.42 18 J. Pontalis, Apres Freud, Paris: Gallimard 1968, p. 383. 19 So Lacan einleitend in seinem Seminar XI zu den vier Grundbegriffen der Psychoanalyse. 20 L. Althusser, Psychanalyse et sciences hurnaines. Deux conferences, Paris 1996, S. 41. 21 L. Althusser, Ecrits sur Ja psychanalyse. Freud et Lacan, Paris 1993, S. 22. 22 Ebd. 23 Ebd., S. 27. 24 Ebd., S. 26. 25 L. Althusser, Psychanalyse et sciences hurnaines, S. 26. 26 L. Althusser, Freud et Lacan, S. 45. 27 Ebd., S. 25. 28 M. Foucault, lntroduction. In: Dits et ecrits 1. 1954-1969, Paris 1994, S. 69. 29 Ebd.,S.117. 30 Ebd., S. 73. 31 Ebd., S. 72. 32 Ebd., S. 79. 33 So erkennt Foucault auch in der Histoire de la folie Freuds Leistung nicht als einen Beitrag zu der von ihm geforderten Befreiung des Wahnsinns an, er wirft ihm vielmehr vor, den Wahnsinn in eine neue Fessel zu legen, in die der väterlichen Autorität des ärztlichen Blickes. Vgl. M. Foucault, Histoire de la folie ll l' äge classique, Paris 1972, S. 529. 34 Vgl. E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger, Berlin 1970, S. 5. 35 M. Foucault, Die Ordnung der Dinge, Frankfurt/ Main 1974, S. 11. 36 M. Foucault, Les mots et ! es choses, Paris 1966, S. 385. 37 Vgl. A. Geisenhanslüke, Foucault und die Literatur. Eine diskurskritische Untersuchung, Opladen 1997. 38 G; Deleuze / F. Guattari, Capitalisme et schizophrenie. L' Anti-Oedipe. Paris 1975, S. 27. 39 Ebd., S. 62. 40 Ebd., S. 36. 41 J. Derrida, L'ecriture et Ja difference, Paris 1967, S. 293. 42 Ebd., S. 296. 43 "Le contenue du psychique sera represente par un texte d' essence irreductiblement graphique. La structure de I'appareil psychique sera representee par une machinge d'ecriture", heißt es in der für Derrida so charakteristischen Form des Futur anterieur. Ebd., S. 297. 44 Ebd. 45 Ebd., S. 333. 46 Ebd., S. 314. 47 Vgl. M. Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik, Frankfurt/ Main 1991, S. XVI. 48 J. Derrida, L'ecriture et Ja difference, S. 318. 49 Zu einer weit differenzierteren Auffassung gelangt Samuel Weber, der daraufhinweist, dass Freuds Begriff der Zeit ein ganz anderer sei als der von Heidegger kritisierte vulgäre Zeitbegriffder philosophischen Tradition. Vgl. S. Weber, Rückkehr zu Freud, S. 241. 50 J. Derrida, L'ecriture et la difference, S. 339. 51 S. Freud, Studienausgabe. Band m. Psychologie des Unbewußten, Frankfurt/ Main 1974, S. 322. 52 Natürlich lassen sich auch bei den genannten Autoren positivere Bestimmungen der Psychoanalyse finden, so z.B. J. Derrida in seinem Band Vergessen wir nichtdie Psychoanalyse! , Frankfurt/ Main 1998. 53 F. Nietzsche, KSA 1, S. 801. 54 S. Weber, Rückkehr zu Freud, S. 13. KODIKAS / CODE Ars Semeiotica Volume 23 (2000) · No. 3-4 Gunter Narr Verlag Tübingen Vom Bewußtsein der Zeichen zur Intersubjektivität der Zeichen eine Rekonstruktion der zeichentheoretischen Verschiebungen im Werk von Alfred Schütz Gregor Bongaerts und Andreas Ziemann I. Einleitung Die Theoriearbeiten von Alfred Schütz haben wenn auch spät in Deutschland vor allem die Wissenssoziologie, die sozialwissenschaftliche Hermeneutik und Fundierungstheorien der sozialen Welt nachhaltig beeinflußt. Die Semiotik dagegen blieb davon eher unberührt - und dies verwundert. Es ist ja geradezu semiotischer common sense, daß es einen grundlegenden Verweisungszusammenhang zwischen Zeichen-, Kommunikations- und Sozialtheorie gibt und daß die vielfältigen Prozesse der Semiose einerseits kulturspezifisch und gesellschaftsstrukturell geprägt sind sowie andererseits konkret fundiert sind durch Kognitionen bzw. Intentionen der beteiligten Individuen und ihre zwischenmenschlichen Wirkensbeziehungen in der Lebenswelt. Genau dieser Theoriezusammenhang wird von Schütz fokussiert und umfassend entfaltet, ist jedoch in seinen semiotischen Konsequenzen noch ungenügend aufgearbeitet (siehe neuerdings Hanke 2001). Mit Blick auf die Einheit des Schützschen Werkes vertritt Srubar in seiner Studie "Kosmion" die Ansicht, daß dieser eine anthropologische Synthese seiner frühen Theorie sozialen Handelns und der späten pragmatischen Theorie der Lebenswelt leistet. Grundlegend basiert diese Variante einer auf die mundane Lebenswelt angewendeten Phänomenologie auf folgenden vier Schichten (vgl. Srubar 1988: 192ff.): 1) sinnkonstituierende Bewußtseinsakte, 2) Genese· der sozialen Wirkwelt mit ihren verschiedenen Relevanzsystemen und die damit verbundene Konstitution der sozialen Person, 3) subjektive Aneignung der gesellschaftlichen Wissensvorräte, 4) subjektive Anwendung der gesellschaftlichen Wissensvorräte vor dem Hintergrund der Generalthesis der Alltagswelt. Mit der beobachtbaren Revision der streng egologischen Konzeption seiner Theorie sozialen Handelns und einer immer stärkeren Hinwendung zur pragmatischen Intersubjektivitäts- und Lebenswelttheorie ist bei Schütz auch eine Verschiebung der Zeichentheorie verbunden. Diese scheint uns in etlichen Forschungsarbeiten über Schütz aber bisher nur rudimentär berücksichtigt. Daß sich im Laufe der Zeit Schütz' Erkenntnisinteresse und seine Fragestellungen und damit auch sein Theorieautbau verändern, mag erst einmal eine triviale Feststellung sein. Es ist jedoch höchst interessant zu sehen, wie der Einsatzort und die Begründungsleistung der Zeichentheorie nachhaltig modifiziert wird. Die Forschungslücke ist also doppelt auszuweisen: Die Schützforscher haben sein Werk kaum semiotisch gelesen; und die Semiotik wiederum hat Schütz kaum zur Kenntnis genommen. Wir wollen deshalb der zeichentheoretischen Fundierung von Schütz' Sozial- Vom Bewußtsein der Zeichen zur Intersubjektivität der Zeichen 287 theorie nachgehen und ihren jeweiligen Stellenwert in seinen frühen wie auch späten Schriften rekonstruieren. 1 Im Vorgriff zeigt sich: In der "Theorie der Lebensformen" (1924-1928) ist es die Funktion der Sprache, als Symbolisierungssystem Erlebnisse zwischen Ego und Alter ego zu vermitteln und überindividuelle Typisierungen zu tragen. Dieser Einsicht liegt ein sehr weiter Symbolbegriff zugrunde, der jede reflexive Sinnsetzung in der gedächtnisbegabten Dauer gleichermaßen bezeichnet wie sprachliche Zeichen und logische Begriffe. Im "Sinnhaften Autbau der sozialen Welt" (1932) stellt Schütz fest, daß speziell durch Zeichen Alter ego und (Fremd-)Verstehensprozesse vermittelt werden. Systematisch wird dabei der Stellvertretercharakter des Zeichens in doppelter Hinsicht ausgewiesen: Zum einen steht es für das, was es bezeichnet (Bedeutungsfunktion); zum anderen für die cogitationes Alter egos, also für das, was es ausdrückt (Ausdrucksfunktion). Später wird programmatisch in "Symbol, Reality, and Society" (1955) ein Argumentationsgang vorgelegt, wonach es gerade die pragmatisch orientierte Zeichentheorie ist, welche die Lebenswelttheorie und kommunikativen Wirkbeziehungen zwischen Menschen trägt. Des weiteren wird eine grundlegende Vereinheitlichung des Zeichenbegriffs vorgeschlagen, um von dort aus eine Typologie von vier Appräsentationsverweisungen aufzustellen: Anzeichen, Merkzeichen, Zeichen und Symbole. Auch mit den oben angeführten Schichten in Schütz' Werk sind zeichentheoretische Argumentationen fundamental verbunden. Die sinnkonstituierenden Bewußtseinsakte verdanken sich ebenso Zeichensetzungs- und Zeichendeutungsprozessen wie die sozialen Wirkensbeziehungen in der Alltagswelt und wie schlußendlich die Konstruktion und Reproduktion der vielfältigen Sinnprovinzen, von denen die Alltagswelt dominant gestellt wird gegenüber den geschlossenen Sinnbereichen des Traumes, der Phantasie, der Wissenschaft, der Kunst etc. In diesem Sinne sind also der Autbau der Lebenswelt und die Konstruktionen der Alltagswirklichkeit notwendig und konstitutiv an die Verfügbarkeit entsprechender und gemeinsam geteilter Zeichensysteme gebunden. II. Zeichen und Bewußtsein Eine eigenständige Fassung seiner Zeichentheorie formuliert Schütz erstmals in seinem frühen Hauptwerk "Der sinnhafte Autbau der sozialen Welt". Vorarbeiten dazu hat er in der posthum veröffentlichten "Theorie der Lebensformen" und in "Erleben, Sprache, Begriff' (vgl. Schütz 1981: 209ff.) geleistet. In der "Theorie der Lebensformen" entwirft er sein Vorhaben der philosophischen Fundierung von Webers verstehender Soziologie zunächst im Anschluß an Bergson. Schütz entwickelt ein theoretisches Programm, in welchem er den unterschiedlichen konstituierenden Bezügen des Bewußtseins zur Welt (vgl. Schütz 1981: 110) in sechs, als Idealtypen verstandenen (vgl. Schütz 1981: 139), Lebensformen nachgehen will, die in wechselseitigen Fundierungsverhältnissen zueinander stehen (vgl. Srubar 1981: 37): 1) die Lebensform der reinen Dauer des Ich; 2) die Lebensform der gedächtnisbegabten Dauer des Ich; 3) die Lebensform des handelnden Ich; 4) die Lebensform des Du-bezogenen Ich; 5) die Lebensfomi. des redenden Ich und 6) die Lebensform des begrifflich denkenden Ich. Die Analysen der einzelnen Lebensformen enthalten nicht nur den in den von Schütz selbst publizierten Arbeiten vorzufindenden Themenkanon, sondern zugleich die theoretischen Grundentscheidungen, die seine weitere Theoriearbeit tragen. Grundgelegt sind der •. radikal egologische Ansatz (erste und zweite Lebensform), der reflexive Sinnbegriff (erste 288 Gregor Bongaerts und Andreas Ziemann und zweite Lebensform), die daran anschließende Handlungstheorie (dritte Lebensform), die Fremdverstehenstheorie (vierte und fünfte Lebensform) sowie erste Motive der Theorie der Konstruktionen erster und zweiter Ordnung (sechste Lebensform) (vgl. Srubar 1981: SSff.). Schütz analysiert die Lebensformen im Rahmen einer allgemeinen, an Bergson abgelesenen Symboltheorie, die in seinen späteren Arbeiten nicht mehr erscheint. Symbole werden mit dem im "Sinnhaften Aufbau der sozialen Welt" entwickelten Begriff des reflexiven Sinns weitgehend synonym verwendet. Sinngebung erscheint hier als Symbolsetzung (vgl. Schütz 1981: 125), und die einzelnen Lebensformen lassen sich durch Symbolrelationen kennzeichnen. Ein Symbol wird jeweils in einer relational höherstufigen Lebensform für ein Symbolisiertes gesetzt, das einer niedrigeren Lebensform zugehört. Das Symbolisierte wird von der höheren Lebensform und von einem anderen Jetzt-Punkt aus in einen Sinnzusammenhang gestellt. So umfaßt die erste Symbolrelation die erste und zweite Lebensform. Sie besteht darin, daß die gedächtnisbegabte Dauer es ermöglicht, auf ein entwordenes Erlebnis der reinen Dauer zurückzuschauen und es im Kontext umgebender, entwordener Erlebnisse selektiv einzuordnen, also zu deuten. Die zweite Symbolrelation markiert die Lebens/ orm des handelnden Ich. Die Symbolrelation besteht hier darin, daß das Ich sich als leiblich handelndes erlebt und die Bewegung als durchmessenen Raum genauso erinnert (gedächtnisbegabte Dauer) wie sein beständiges somatisches Lebensgefühl. Raum und Leib werden so als der Dauer äußerliches symbolisiert bzw. gedeutet (vgl. Schütz 1981: 211). Die dritte Symbolrelation der Lebensform des Du betrifft die Deutung des Alter ego, und Schütz nimmt an dieser Stelle die Generalthesis des Alter ego vorweg, ohne allerdings über das ausdrucks- und zeichentheoretische Begriffinstrumentarium zu verfügen, das er im "Sinnhaften Aufbau" von Husserl übernimmt. Das Du wird durch Bewegungsphänomene erfahren, die denen des Ego vergleichbar sind (vgl. Schütz 1981: 211), und es wird als ein Alterego aufgefaßt, das genau wie Ego über eine Dauer verfügt und sich sinnsetzend und sinndeutend in der Welt orientiert. Den eigentlichen Schritt in die intersubjektive Welt macht Schütz mit der vierten Symbolrelation: der Lebensform des redenden Ich. Wort und Sprache machen die Welt objektiv, da sie immer schon intersubjektive Phänomene sind. Ist die Symbolisierung des Du noch dem einsamen Ego zuzuordnen, so verweisen Worte auf das Du und auf Überindividualität: "Nicht also, daß ein visuelles oder akustisches Erlebnis in Relation zu einem andersartigen Erlebnis gebracht wird, ist das Wunder der Sprache, sondern, daß durch das Symbol des Wortes das symbolisierte Erlebnis von Grund auf verändert, nämlich notwendig in die Dubeziehung eingestellt wird. Ja, die Macht der Veränderung geht so weit, daß das Wort eine Neugestaltung der Welt vornimmt, hinter deren Primat alle anderen Erlebnisse wie von Schleiern bedeckt verschwinden. Das Wort regiert nunmehr die Welt, indem es sie schematisiert und auf eine allen anderen Lebensformen unzugängliche Weise neu gestaltet. Mit der Namensgebung ist das Ding und seine Eigenschaft, der Affekt und seine Intensität, die Handlung und ihr Ablauf der Sphäre meines spezifischen Erlebens völlig entrückt." (Schütz 1981: 213) Die allgemeine Symboltheorie erlaubt es Schütz, eine auch begriffliche Kontinuität zwischen den idealtypischen Lebensformen darzustellen. Sie ist Ausdruck der im Gesamtwerk immer beibehaltenen Idee, alle Kulturobjekte auf die Bedingungen ihrer Erzeugung durch ein sinnsetzendes Ego zurückführen zu können (vgl. Schütz 1981: 137f.). Die kulturelle Symbolbildung wird bis in die ersten Symbolisierungen der je eigenen Dauer zurückverfolgt. Damit überdehnt Schütz allerdings den Begriff des Symbols und macht eine differenzierte begriffliche Erfassung unterschiedlicher Sinnphänomene zumindest schwierig. Eine im weitesten Sinne zeichentheoretische Verwendung erfährt der Symbolbegriff erst bei der Analyse der Lebensformen des Du und der des redenden Ich. Erst bei dem Übergang zum Du Vom Bewußtsein der Zeichen zur Intersubjektivität der Zeichen 289 und zur Sprache werden Symbole in einem semiotisch gebräuchlichen Sinne verwendet, indem sie sich auf wahrnehmbare Gegebenheiten beziehen, die auf etwas anderes als sich selbst verweisen. Die Bewegungen des Du verweisen auf seine Dauer, und die sprachlichen Symbole vermitteln das eigene mit dem fremden Erleben, wobei die Sprache die Welt mit einem intersubjektiv verfügbaren objektiven Sinn überzieht und die Koordination von Ego und Alter ego · regelmäßig ermöglicht. Sprache übernimmt dabei eine mittlere Position zwischen dem Erleben der einzelnen, das sie zum Ausdruck bringen kann, und den Begriffen der Logik; letztere beruhen auf dem objektiven sprachlichen Sinn, der Vergleichbarkeit und Systematisierbarkeit ermöglicht (vgl. Schütz 1981: 214ff.). Auf der Ebene der nicht-intersubjektiven Lebensformen bezieht sich der Symbolbegriff allein auf die innere Dauer und läßt sich nicht in die allgemeinen zeichentheoretischen Überlegungen einordnen, die Schütz späterhin formuliert und zu deren Grundannahme er den triadischen Zeichenbezug von Zeichen, Objekt und deutendem Subjekt macht. Von diesem Verständnis gehen mehr oder minder explizit - Husserls Überlegungen aus, an denen Schütz sich im "Sinnhaften Aufbau" vornehmlich orientiert. Mit Husserl sind Symbole schließlich "immer ein Gegenstand der Außenwelt im weitesten Sinne des Wortes" (Schütz 1974: 166), der etwas anderes als sich selbst repräsentiert. Der Symbolbegriff der bergsonianischen Phase wird folglich aufgegeben und weitgehend durch den phänomenologischen Begriff des reflexiven Sinns ersetzt. Verwendung findet der Begriff des Symbols im "Sinnhaften Aufbau" als Synonym für den Begriff des Zeichens. Die hier entwickelte und an Husserl abgelesene Ausdrucks- und Zeichentheorie bildet eine Reformulierung und Erweiterung der früheren Ausführungen zu den Lebensformen des Du und des redenden Ich, deren Kernstück die signitive Erfassung des Alter ego und die zeichenvermittelten Sinnsetzungs- und Sinndeutungsakte sind. Vergleicht man die Ausführungen zur egologischen und sozialen Welt in "Theorie der Lebensformen", "Erleben, Sprache, Begriff (Spracharbeit)" und im "Sinnhaften Aufbau", dann läßt sich beobachten, daß Schütz durch die Husserlsche Theorie eine reichhaltigere Beschreibungssprache gewinnt, die eine differenziertere Analyse der unterschiedlichen Phänomenbereiche möglich macht. Auf der Ebene des transzendentalen Ego wird dies vor allem an den Konstitutionsanalysen von Sinn bemerkbar. Die in der "Theorie der Lebensformen" eingeführte Unterscheidung der reinen von der gedächtnisbegabten Dauer wird reformuliert, indem Schütz Bergsons Begriff der reinen Dauer auf der Folie von Husserls Sinnbegriff deutet. Der Begriff der gedächtnisbegabten Dauer wird in Retention, Protention und Reflexion aufgelöst und phänomenologisch neu erfaßt. Jeder Jetzt-Moment der reinen Dauer ist umgeben von einem doppelten Horizont der Retention und Protention. Die Retention als "Noch-Bewußtsein" einer vergangenen "Urimpression" ermöglicht den reflexiven Blick auf die entwordene Dauer, der ein vergangenes Erleben abgrenzen und dadurch sinnhaft konstituieren kann (vgl. Schütz 1974: 66f.). Aus dieser Konzeption leiten sich für Schütz die Grundbegriffe seiner Handlungstheorie ab: "Erfolgt die intentionale Rückbeziehung auf die genetisch urstiftende 'spontane Aktivität', 'aus' der das als wohlumgrenzte Einheit sich abhebende Erlebnis 'erzeugt' ist, so konstituiert sich in solcher Zuwendung und durch sie sinnhaftes Verhalten. Erfaßt der reflexive Blick darüber hinaus auch den Entwurf, also das Phantasieerlebnis von dem modo futuri exacti als abgelaufen sein werdend phantasierten Verhalten, so konstituiert er das in den Blick gefaßte 'wohlumgrenzte vorentworfene Erlebnis aus spontaner Aktivität' als sinnhaftes Handeln." (Schütz 1974: 95) 2 Jeglicher Sinn wird so als Reflexion auf die eigene Dauer aufgefaßt und ist mithin wesentlich subjektiv. 3 Dieser Begriff reflexiven Sinns, den Schütz in transzendentalphiloso- 290 Gregor Bongaerts und Andreas Ziemann phischer Einstellung gewinnt, führt in der Übertragung auf die mundane Welt der Sozialität radikal vor das Problem des Fremdverstehens. Wird jegliche Sinnbildung auch in der intersubjektiven Welt als Reflexion auf entwordene Erlebnisse der egologischen Dauer begriffen, dann wird fraglich, wie das Tun eines Alter ego als ein sinnhaftes gedeutet werden kann und wie überhaupt der Sinn eines Alter ego sich konstituiert. Die Konstitution des Alter ego in der transzendentalphänomenologischen Sphäre überspringt Schütz mit der Generalthesis des Alter ego. Er generalisiert die Ergebnisse seiner Konstitutionsanalyse für alle Egos der Welt und geht davon aus, daß diese sich wechselseitig unproblematisch gegeben sind. Wechselseitige Gegebenheit in der Welt löst jedoch nicht das Problem des Fremdverstehens. An dieser Theoriestelle wird eine Ausdrucks- und Zeichentheorie notwendig, die Schütz vornehmlich im Rekurs auf Husserls "Logische Untersuchungen" entwickelt. Der Bezug zu Alter ego und das Verstehen seines Verhaltens und Handelns wird durch "transzendent gerichtete Akte" 4 ermöglicht bzw. ist in diesen fundiert, die durch die signitive Erfassung des fremden Leibes auf die Bewußtseinserlebnisse Alter egos gerichtet sind (vgl. Schütz 1974: 140f.). Die Leibesbewegung wird "als Signum für das fremde Erleben aufgefaßt" (Schütz 1974: 141). Signitive Erfassung des fremden Leibes meint, daß Ego die Bewegungen Alter egos als Ausdruck von Bewußtseinserlebnissen auffaßt. In welchem Sinnzusammenhang die Erlebnisse für ihn stehen, was Alter ego selbst zu tun vermeint, bleibt für Ego uneinsichtig. Es bleibt zunächst unentscheidbar, "ob die von mir erfaßten Erlebnisse des Du durch dieses überhaupt in den reflexiven Blick genommen werden, ob sie einem spontanen Akt des Du entspringen und demgemäß 'Verhalten' in dem von uns definierten Sinn sind und, falls dies zutrifft, ob sie an einem vorgegebenen Entwurf orientiertes Verhalten, also Handeln sind" (Schütz 1974: 148). Über die 'ausdruckstheoretische' Erfassung des Leibes als eines Ausdrucksfeldes für Bewußtseinserlebnisse hinaus soll die Zeichentheorie die Frage beantworten, wie bloße Ausdrucksbewegungen von Ausdruckshandlungen unterschieden werden können (vgl. Schütz 1974: 162ff.). Husserls "Logische Untersuchungen" bieten Schütz einen Ausgangspunkt zur Bearbeitung des Problems durch die Unterscheidung von Anzeichen und Ausdruck, wobei Schütz den Ausdrucksbegriff durch Zeichen bzw. Symbol ersetzt (vgl. Husserl 1984: 23f. und Schütz 1974: 165ff.). Anzeichen bzw. Symptome werden im "Sinnhaften Aufbau" eingeführt als "Gegenstand oder Sachverhalt, dessen Bestand den Bestand gewisser anderer Gegenstände oder Sachverhalte" (Schütz 1974: 165) anzeigt. Das wahrnehmbare Anzeichen erscheint als Motiv für die Überzeugung der Existenz eines anderen Sachverhalts, der sich dem Wahrnehmungsbereich des Handelnden entzieht. Der Zusammenhang zwischen Anzeigendem und Angezeigtem ist dabei "nicht einsichtig" in dem Sinne, daß er dem Deutenden nicht bewußt gegenwärtig ist. Das Verhältnis von Anzeichen und Angezeigtem konstituiert sich subjektiv im Bewußtsein des jeweils Deutenden. Dies geschieht auf der Basis von Deutungsschemata, die Anzeichen und Angezeigtes verknüpfen und vom Deutenden vorerfahren sind, deren Zusammenhang bei der Deutung von Anzeichen aber nicht im Blick und deshalb uneinsichtig ist (vgl. Schütz 1974: 165). 5 Der formale Begriff des 'Anzeichenverhältnisses' ist nicht auf spezifische Gegebenheiten beschränkt: Anzeichen können Gegebenheiten der ''unbelebten als auch der belebten Welt" (Schütz 1974: 166) sein, so daß Rauch auf Feuer genauso verweisen kann wie die leiblichen Bewegungen eines Alter ego auf dessen Bewußtseinserlebnisse. Mit Anzeichen ist im Hinblick auf Schütz' Fremdverstehenstheorie lediglich die Möglichkeit der sinnhaften Deutung des leiblichen Tuns eines Alter ego auf einen zeichentheoretischen Begriff gebracht. Das Problem der Unterscheidung von Ausdrucksbewegung und Ausdruckshandlung bleibt ungelöst. Zur Analyse der sozialen Welt, in der die Handelnden Vom Bewußtsein der Zeichen zur lntersubjektivität der 'Zeichen 291 regelmäßig kommunikative Beziehungen miteinander aufnehmen und Kundgabeabsichten verfolgen, reicht die Feststellung der signitiven Erfassung des fremden Leibes durch Anzeichen damit nicht aus. Soziale bzw. kommunikative Beziehungen sind für Schütz an die Bedingung geknüpft, "daß wir bestimmte Bewußtseinsabläufe des Anderen vermittels bestimmter Zeichen, etwa der Sprache, ebenso verstehen, wie er bestimmte von uns gesetzte Zeichen als Zeichen für unsere Bewußtseinsabläufe zu verstehen fähig ist" (Schütz 1974: 158). Den Begriff des Zeichens führt Schütz unabhängig von seiner intersubjektiven Verteilung ein. Grundlegend ist im Unterschied zum Anzeichen, daß Zeichen immer auf die bewußte Setzung eines Handelnden zurückverweisen. Dabei ist es zunächst gleichgültig, ob sie allein in der Welt des einsamen Ich oder ob sie in der sozialen Welt von mehreren gesetzt und gedeutet werden (vgl. Schütz 1974: 167). Eine individuell hervorgebrachte Geheimschrift erfüllt die Bedingung der bewußten Setzung genauso wie der intersubjektive Gebrauch einer sozial verteilten Sprache. Wie auch in der späten Arbeit "Symbol, Reality, and Society" werden Zeichen als Relationsbegriff eingeführt. Sie konstituieren sich durch die Verknüpfung mehrerer Deutungsschemata, die der jeweils Deutende vorerfahren haben muß. Die scholastische Definition des Zeichens als einer Gegebenheit, die für etwas anderes als sich selbst steht, fundiert Schütz in bewußtseinsphilosophischer Manier, wenn er die Konstitution der Zeichenfunktion im Bewußtsein des einzelnen zum zentralen Thema seiner zeichentheoretischen Ausführungen macht (vgl. Schütz 1974: 166). Unter Zeichenfunktion versteht er dabei zweierlei: zum einen die Bedeutungsfunktion des Zeichens und zum anderen die Ausdrucksfunktion des Zeichens. Die beiden Funktionen implizieren den für Schütz zentralen Gedanken, daß Zeichen bezogen auf ihren objektiven und ihren subjektiven Sinn gedeutet werden können, je nachdem, ob der Deutende sie als Anzeichen für die Bewußtseinserlebnisse des Zeichensetzenden in den Blick nimmt oder es dabei beläßt, das Zeichen auf ein ihm bekanntes Zeichensystem zu beziehen. Sind Zeichen einerseits immer absichtsvoll gesetzte Artefakte oder Handlungsgegenständlichkeiten, so sind sie andererseits auch immer dadurch bestimmt, auf ein Zeichensystem bezogen zu sein. Ein Zeichensystem ist der Sinnzusammenhang, der das Deutungsschema des Bezeichnenden dem des Bezeichneten und vice versa das des Bezeichneten dem des Bezeichnenden zuordnet (vgl. Schütz 1974: 168). Die Deutungsschemata, die durch das Zeichensystem einander zugeordnet werden, weist Schütz näherhin aus als adäquate und inadäquate Deutungsschemata für eine Gegebenheit. Die Zuordnung einer Gegebenheit zu einem adäquaten Deutungsschema meint, daß der Gegenstand selbst als dieser spezifische Gegenstand gedeutet wird, während die Zuordnung einer Gegebenheit zu einem inadäquaten Deutungsschema meint, daß die Gegebenheit als Repräsentation einer anderen Gegebenheit interpretiert wird. Die Deutung einer Gegebenheit der Außenwelt nach Maßgabe eines inadäquaten Deutungsschemas konstituiert sie als Zeichen (vgl. Schütz 1974: 168). Dies setzt drei vom Deutenden vorerfahrene Deutungsschemata voraus: zum ersten das adäquate Deutungsschema des Bezeichnenden, zum zweiten das adäquate Deutungsschema des Bezeichneten und zum dritten das beide inadäquat aufeinander beziehende Zeichensystem. Zeichen und Zeichensysteme konstituieren sich dadurch als Erfahrungsschemata, daß ein Ego lernt, beispielsweise im Nachvollzog der Zeichensetzung eines Alter ego (Eltern, Lehrer), das Bezeichnete als Repräsentant für etwas zu setzen, das seinem Erfahrungswissen schon angehört. Das Verstehen eines Zeichens weist "aufeinen vorvergangenen Setzungsakt zurück, den wir vermittels dieses Zeichens als Ausdruck unseres Bewußtseinsinhalts vollzogen haben" (Schütz 1974: 170). 292 Gregor Bongaerts und Andreas Ziemann Verstehen und Ausdruck werden somit eng verknüpft und lassen es zu, das Zeichensystem als ein Erfahrungsschema zu bestimmen, das ein Ausdrucks- und ein Deutungsschema umfaßt (vgl. Schütz 1974: 170). Notwendig erscheint Schütz diese Unterscheidung, weil mit ihr das Phänomen beschreibbar wird, daß ein Deutender durchaus eine Gegebenheit als Zeichen identifizieren kann, auch wenn er dessen Bedeutung nicht kennt. Das Wissen um die Bedeutung eines Zeichens im Rahmen eines Zeichensystems setzt die Fähigkeit zum Gebrauch des Zeichens voraus. Jemand, der also die Zeichen einer fremden Sprache rezipiert, ohne mit ihnen eine Bedeutung zu verbinden, verfügt in diesem Fall über ein Deutungsschema, ohne das komplementäre Ausdruckschema zu kennen. Prinzipiell bleibt das Zeichen aber verständlich, da es auf "anderweitig Bekanntes" zurückgeführt werden kann zum Beispiel kann es in die dem Deutenden bekannte Sprache übersetzt werden (vgl. Schütz 1974: 169). Mit den Ausführungen zu den Deutungsschemata und zum Zeichensystem macht Schütz die Konstitution der Bedeutungsfunktion verständlich. In Bezug auf ein invariantes Zeichensystem hat ein Zeichen eine objektive Bedeutung für jeden, der es "'beherrscht' [ ... ], gleichgültig von wem und in welchem Zusammenhang es gebraucht wird" (Schütz 1974: 172). Die Ausdrucksfunktion konstituiert sich im Unterschied dazu durch den subjektiven und okkasionellen Sinn, den ein Zeichen sowohl für den, der das Zeichen setzt, als auch für den Deutenden hat. Zustande kommt der subjektive Sinn eines Zeichens im Bewußtsein Egos durch die jeweils biographisch individuellen Prozesse seiner Aneignung. Seine okkasionelle Bedeutung erhält ein Zeichen durch den Sinnzusammenhang, in dem es von einem Zeichensetzenden verwendet wird. Schütz hat an dieser Stelle ausschließlich Sprachzeichen im Blick und präzisiert den Sinnzusammenhang, in den ein Wort eingestellt ist, als Rede. 6 Erst aus dem Zusammenhang der Redeeinheit kann die Bedeutung eines in ihr verwendeten Wortes erschlossen werden. Die Einheit der Rede ist dabei, wie jede andere Handlung auch, allein durch den subjektiven und für. den Deutenden prinzipiell unzugänglichen Handlungsentwurf des Redenden als Sinnzusammenhang abgegrenzt. Damit gilt für das Fremdverstehen einer Rede das, was auch für das Verstehen fremder Handlungen im allgemeinen von Schütz konstatiert wird: Der subjektive Handlungsentwurf, in dem das Handeln oder die Rede für den Handelnden selbst steht, bleibt dem Deutenden wesentlich unzugänglich, so daß er lediglich "Näherungswerte" an den subjektiv gemeinten Sinn einer Handlung oder einer Rede erlangen kann (vgl. Schütz 1974: 175). 7 Auch das sprachliche Fremdverstehen verläuft in der Art einer Personenvertauschung: Der Deutende interpretiert "den subjektiven Sinn des Zeichens, welchen der Andere setzt, als wäre dieses Zeichen ein von ihm gesetztes Zeichen" (Schütz 1974: 177). Bleibt das adäquate Verstehen des subjektiv gemeinten Sinns einer Handlung oder Rede in Schütz' Theorie prinzipiell unüberprüfbar und unwahrscheinlich, so liefert doch die Zeichentheorie ein Erklärungsmodell für die Unterscheidbarkeit von Ausdrucksbewegung und Ausdruckshandlung sowie ein regelmäßig ausreichendes Verstehen zur Aufnahme sozialer Beziehungen. Sozial vorgegebene und subjektiv angeeignete Zeichensysteme, vor allem Sprache, ermöglichen es Schütz, späterhin sozial geordnete Handlungskoordination und Kommunikation in der sozialen Welt verständlich zu machen. Der Erklärungsanspruch der Zeichentheorie bleibt im "Sinnhaften Aufbau" auf die Problematik mundaner Intersubjektivität beschränkt; Anzeichen und Zeichen sind allein auf die Transzendenz des Anderen bezogen. Im Rahmen des phänomenologischen Programms Husserls interessiert sich Schütz dabei vornehmlich für die Konstitution der Zeichenfunktion im einsamen Bewußtsein, für· das Bewußtsein der Zeichen. Vom Bewußtsein der Zeichen zur Intersubjektivität der Zeichen 293 m. Zeichen und Intersubjektivität Nach seiner Emigration in die USA verfolgt Schütz weiterhin das Interesse, Sinnsetzungs- und Sinndeutungsprozesse (in der Selbstauslegung und der Fremdauslegung) zu untersuchen sowie eine Phänomenologie sozialer Wirkensbeziehungen zu betreiben. Stärker in den Vordergrund rückt nun aber eine umfassende Strukturanalyse der Sozialwelt. Hierbei greift Schütz um sich vor allem in den amerikanischen Wissenschaftsdiskurs der soziologischen scientific community einzuschreiben auf die pragmatistische Theorietradition zurück, und dies verändert den Ansatz seiner bisherigen Sozialtheorie nicht unwesentlich. Pointiert gesprochen: Busserl und Bergson werden ergänzt durch James und Dewey. Dem frühen egologischen oder transzendental-subjektiven Ansatz einer Theorie des sozialen Handelns wird eine Theorie der Lebenswelt und pragmatischer sozialer Ordnung zur Seite, vielleicht sogar gegenübergestellt. 8 Das Primat einer zeichenvermittelten Selbstauslegung des Anderen wird so mit dem Primat der intersubjektiven, vortheoretischen und unproblematischen Alltagswelt vertauscht, aus der heraus sozialer Sinn immer schon verfügbar ist und sich in den verschiedenen Symbolwelten manifestiert. An Schütz' späten Arbeiten fällt dementsprechend auf; "daß er nicht, wie sonst üblich, von der Konstitutionsperspektive des 'einsamen Ich' ausgeht, sondern mit dem 'intersubjektiven Sozialhorizont' [ ... ] beginnt." (Srubar 1988: 271) Bevor wir dieser Neustrukturierung der Lebenswelttheorie und Alltagssoziologie hinsichtlich ihrer zeichentheoretischen Implikationen und Konsequenzen nachgehen, läßt sich auch noch ein zweites Argument für die Wende in Schütz' Werk ausmachen. Dabei geht es nicht um die Frage egologischer versus non-egologischer Theorieautbau, sondern vielmehr um eine neue Verhältnisbestimmung zwischen Alltagswelt und Wissenschaftswelt. In der Auseinandersetzung mit Parsons und Voegelin verläßt Schütz seine Vorstellung eines monistischen Theorieautbaus der sozialen Welt-verbunden mit der klaren Opposition zwischen subjektiven versus objektiven Sinnzusammenhängen zugunsten der Annahme einer Pluralität von vielen verschiedenen geschlossenen Sinnbereichen. 9 Diese Idee der finite provinces of meaning ist bekanntermaßen eine Anlehnung an William James' sub-universa (vgl. Schütz 1971: 264 und 392f.). Wir hatten angedeutet, daß die zeichentheoretische Verschiebung in Schütz' Gesamtwerk in "Symbol, Reality, and Society" (1955) besonders augenfällig wird. Ein erster Überblick zeigt, daß Schütz diesen Text sehr komplex anlegt, indem er zuerst zeichentheoretische Traditionen (u.a. Aristoteles, Morris, Ducasse, Wild und Cassirer) diskutiert, diese mit Busserls Konzept der Appräsentation bzw. analogischen Apperzeption verbindet und daraus die drei allgemeinen Grundsätze von Appräsentationsbeziehungen ableitet: Grundsatz der bedingten Beliebigkeit des Bedeutungsträgers, der Veränderlichkeit der Appräsentationsbedeutung sowie der figurativen Übertragung. Dann folgt die Analyse der individuellen Welt in ihrer aktuellen und potentiellen Reichweite und mit den Deutungsbzw. Wirkmöglichkeiten aufgrund von Merkzeichen oder Anzeichen. Demgegenüber steht die intersubjektive Welt, in der einerseits die Generalthese der Reziprozität der Perspektiven greift und andererseits die Transzendenz des Anderen erlebt, aber auch durch Zeichensetzung und -deutung bewältigt wird. Mit dem vierten Zeichentypus, den Symbolen, behandelt Schütz schließlich die Transzendenz der Natur und der Gesellschaft, genauerhin: der vielfältigen geschlossenen Sinnbereiche, des weiteren die Abhängigkeit appräsentativer Verweisungen von der sozialen Umwelt und zuletzt die symbolische Appräsentation der Gesellschaft. Mit zeichentheoretischen Mitteln wird also eine Linie gezogen von einer allgemeinen Typologie der Zeichen zu 294 Gregor Bongaerts und Andreas Ziemann den Motiven des individuellen Zeichengebrauchs, schließlich zur intersubjektiven, sozial vorgegebenen Zeichenverwendung, und alles mündet endlich in eine Strukturanalyse der Alltagswirklichkeit und ihrer mannigfaltigen Nebenwirklichkeiten. Diesem Projekt liegt ein zweifacher Problembezug zugrunde, der Schütz bewegt und sein Erkenntnisinteresse bestimmt: Auf der einen Seite steht die Faszination vor der Vielfalt an Sinnprovinzen und Relevanzsystemen und damit die Frage, wie diese, die paramount reality transzendierenden Sinnstrukturen und Appräsentationsbeziehungen hergestellt und in eine funktionale Ordnung gebracht werden; wie "eine derart in mannigfaltigen Realitätsebenen aufgeschichtete Lebenswelt als eine Sinneinheit darzustellen" ist (Srubar 1993: 340). Auf der anderen Seite steht das Wunder der Kommunikation, die an die Alltagswelt rückgebunden bleibt, nur in ihr möglich ist, und die Frage, mittels welcher Appräsentationsbeziehungen und welchen Zeichengebrauchs zwischenmenschliches Verstehen gelingt und mittels welcher symbolischer Appräsentationen die Vielfalt der Gesellschaft erreichbar ist und erlebt wird. Schütz selbst expliziert u.a. folgende Fragen: "wenn es wahr ist, wie weithin angenommen wird, daß jede Zeichen- oder Symbolbeziehung mindestens drei Größen betrifft, von denen eine das Subjekt des Deutenden ist, kann dann stillschweigend vorausgesetzt werden, daß der Deutende bereits in Kommunikation mit seinen Mitmenschen steht, so daß die Zeichen- oder Symbolbeziehung von Anfang an eine öffentliche ist? Oder sind Zeichen- oder Symbolbeziehungen auch innerhalb des privaten seelischen und geistigen Daseins des einzelnen möglich? Wenn das der Fall ist, inwieweit können diese Beziehungen dann mit anderen geteilt werden? [... ] Und darüber hinaus, können Intersubjektivität an sich, Gesellschaft und Gemeinschaft an sich, anders als durch den Gebrauch von Symbolen erfahren werden? Ist es dann das Symbol, welches Gesellschaft und Gemeinschaft schafft, oder ist das Symbol ein Erzeugnis der Gesellschaft, das dem einzelnen aufgezwungen wird? Oder ist diese Beziehung zwischen Gesellschaft und Symbolsystem ein aufWechselseitigkeit beruhender Vorgang- und zwar so, daß Symbole [ ... ] ihren Ursprung in der Gesellschaft haben, daß sie aber sobald entstanden ihrerseits die Struktur der Gesellschaft beeinflussen? " (Schütz 1971: 336f.) 10 Die Bearbeitung dieser Fragenliste erfolgt in einem Dreischritt (vgl. Schütz 1971: 337ff.), wobei der letzte den sozialtheoretisch entscheidenden darstellt: a) Vereinheitlichung eines grundlegenden Zeichenbegriffs und Ableitung vier verschiedener Bereiche einer jeden Appräsentationssituation, b) Darstellung des triadischen Zeichenverhältnisses und Festlegung aller Appräsentationsbeziehungen auf drei Grundsätze, c) Motivanalyse des Zeichengebrauchs, Fixierung von Appräsentationsbeziehungen, die grundsätzlich dem Zweck der Transzendenzbewältigung dienen, auf vier Zeichentypen sowie Darstellung von Symbolisierung und Gesellschaft bzw. der Intersubjektivität der Symbolbeziehungen. Den Angelpunkt bildet Husserls Konzept der Paarung als Appräsentation bzw. verähnlichende Apperzeption (vgl. grundlegend Husserl 1962 2: 138ff. und 1964 3: 207ff.). Nachdem Schütz die verschiedenen zeichentheoretischen Traditionen auf den gemeinsamen Nenner festlegt, daß jedes Objekt oder Ereignis, das Zeichen oder Symbol genannt wird bzw. als solches fungiert, auf etwas anderes als sich selbst verweist, kann er mit Husserl alle Zeichen, alle signitiven Beziehungen als Form der Appräsentation ausweisen. In bewußtseinsphilosophischer Einstellung meint Appräsentation erst einmal, daß ich im perspektivischen Wahrnehmen von etwas die abgeschattete Seite ergänze, weil sie bereits in der Vorderseite enthalten ist, dort mitgegenwärtig gemacht wird, ohne selbst da zu sein bzw. aktuell ein 'Selbst-da' werden zu können. Durch diesen Modus einer passiven Synthesis kommt aber nicht nur ein Objekt zu seiner Einheit der Gegenständlichkeit, sondern kann das gegenwärtige Objekterfassen auch etwas zweites, aktuell Abwesendes andeuten. Die Vorderseite eines Vom Bewußtsein der Zeichen zur Intersubjektivität der Zeichen 295 Hauses verweist einerseits auf seine Rückseite, ein Treppenhaus, eine mitphantasierte Innenausstattung etc., aber andererseits auch auf einen Baustil, einen Architekten und einen Eigentümer. Das Konstitutionsverhältnis zwischen einem appräsentierenden und einem appräsentierten Gegenstand oder Ereignis kann sowohl physischer als auch rein immaterieller, idealer Natur sein (vgl. Schütz 1971: 343); die Einheit der Anschauung als Produkt des beziehenden Betrachtens betrifft also, mit Husserl gesprochen, gleichermaßen die Dingwahrnehmung wie auch jede signitiv-symbolische Vorstellung. Entscheidend wird für Schütz nun der Umstand, daß eine assoziative Paarung zwischen appräsentierendem und appräsentiertem Pol entweder einem gemeinsamen Ordnungsfeld, etwa der Natur als Gesamtfeld allen Physischen, zugehört oder zwei verschiedene Ordnungsfelder miteinander verbindetein Naturgeschehen (Schäfchenwolken) regt meine Phantasie an (menschenähnliche Gebilde, Gesichtsfratzen etc.). Prinzipiell steht jedoch jede Appräsentationsverweisung immer zwischen mehreren Bereichen bzw. Ordnungen. Die Abdrücke einer bestimmten Tierpfote verweisen im Naturbereich auf einen ehemals anwesenden Fuchs und gleichzeitig auf meinen, ihn vergegenwärtigenden Vorstellungsbereich; auch Rauch und Feuer sind zwar prinzipiell beide physische Dinge, aber mit der appräsentativen Paarung wahrgenommener Rauch/ verborgenes Feuer "wird das physische Ding 'Rauch' nicht als ein bestimmter Wahrnehmungsgegenstand im Intuitionsfeld, auf das wir gerichtet sind, erfaßt, sondern wird als Träger, Vermittler oder Medium einer sekundären Appräsentation interpretiert, die auf etwas anderes gerichtet ist, nämlich auf das Feuer, das durch den Rauch angezeigt wird." (Schütz 1971: 344) Schlußendlich entwirft Schütz folgendes Differenzschema, wonach jede Appräsentation von vier Bereichen, nämlich Apperzeption, Appräsentation, Verweisung und Deutung umgeben ist: "a) der Bereich der Gegenstände, zu dem der unmittelbar apperzipierte Gegenstand gehört, wenn er als er selbst erfaßt wird und man dabei von jeder Appräsentationsverweisung absieht. Wir werden diesen Bereich 'Apperzeptionsschema' nennen. b) der Bereich der Gegenstände, zu dem der unmittelbar apperzipierte Gegenstand gehört, wenn er nicht als er selbst erfaßt wird und somit auf etwas anderes als auf sich selbst hinweist. Diesen Bereich werden wir 'Appräsentationsschema' nennen. c) der Bereich der Gegenstände, dem das appräsentierte Glied des Paares, das lediglich in analogischer Weise apperzipiert wird, angehört. Wir werden diesen Bereich das 'Verweisungsschema' nennen. d) der Bereich, zu dem die spezifische Appräsentationsverweisung selbst gehört, das heißt die jeweilige Art der Paarung oder des Zusammenhangs, durch den das appräsentierende Glied mit dem appräsentierten verbunden ist, allgemein gesagt, das Verhältnis, das zwischen dem Appräsentations- und Verweisungsschema besteht. Wir werden diesen Bereich das 'Rahmen- oder Deutungsschema' nennen." (Schütz 1971: 345) Keinem dieser Schemata kommt von sich aus Dominanz zu, vielmehr erhebt erst die Wahl eines Bezugssystems dieses zum Prototyp der Gegenstandsordnung. Dieser Gedankengang zeigt sich als Anwendung von Bergsons Idee der relativen Ordnung auf die Appräsentationssituation und den triadischen Zeichenbezug: Zeichen, Objekt, deutendes Subjekt. In doppelter Konsequenz heißt dies, daß die Zeichenbedeutungje individuell bzw. zwischen verschiedenen (Kultur-)Gruppen variieren und daß jeweils im Zeichengebrauch bzw. seiner Auslegung ein anderes Schema dominieren kann. Insgesamt resultiert für Schütz hieraus die häufige Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit von Zeichen und Symbolverhältnissen. Während die bisherige Rekonstruktion den größtenteils mit dem "Sinnhaften Aufbau" korrespondierenden grundlagentheoretischen Part betraf, kommen wir nun auf Schütz' Transferleistung zu sprechen, die diese zeichentheoretischen Erkenntnisse in die Aufklärung der Lebenswelt einbringt. Schütz will dabei "die Motive untersuchen, die die Verwendung 296 Gregor Bongaerts und Andreas Ziemann und Entfaltung zeichenhafter und symbolischer Beziehungen bestimmen: das Streben nach Kenntnis der Welt, nach Kenntnis der Mitmenschen, nach Selbstkenntnis." Er will zeigen, "daß Zeichen und Symbole Mittel sind, durch die der Mensch mit seinen vielfältigen Erfahrungen der Transzendenz fertig wird." (Schütz 1971: 338) Nun sind zwar alle appräsentativen Verweisungen Mittel zur Bewältigung und Überwindung von Transzendenzerfahrungen, und jeder Mensch verfügt dafür über signitiv-pragmatische Orientierungsweisen und Wissensformen. Aber die Appräsentationsverweisungen selbst sind noch nicht mit den vielfältigen Sinnprovinzen der Lebenswelt in Einklang gebracht. Deswegen will Schütz jedem Transzendenzbereich einen eigenen Zeichentypus zuschreiben und verbindet die ·vier originären Transzendenzen, mit denen jeder ab seiner Urreflexion des zeitlich begrenzten Lebens konfrontiert wird, mit je einer bestimmten Appräsentationsverweisung. 11 l) Merkzeichen Jeder Handelnde erfährt die Welt aus einer individuellen biographischen Situation heraus und sich selbst als Zentrum dieser Welt. Jene Welt in meiner aktuellen Reichweite kongruiert mit dem Handhabungs- und Wirkensbereich, sie besteht aus Gegenständen in meiner Tast-, Seh- und Hörweite, und auf diese Gegenstände der Außenwelt kann ich mit meinem Körper oder Werkzeugen einwirken. Daneben besteht jedoch eine Welt der potentiellen Reichweite, die mein hie et nunc transzendiert. Jeder erwartet nun, daß er jederzeit und unproblematisch in seine Welt in wiederherstellbarer Reichweite zurückkommen kann und wieder in ihr wirkt und praktisch zurechtkommt. "Dies motiviert mich, bestimmte Gegenstände herzustellen und sie zu kennzeichnen. Wenn ich zurückkehre, erwarte ich, daß diese Kennzeichnungen; diese Merkzeichen mir als 'subjektive Erkennungsmale' oder 'mnemonische Hilfsmittel' [... ] dienen werden." (Schütz 1971: 356) Bei dieser Transzendenzbewältigung mittels individueller, willkürlich gesetzter Merkzeichen kommt es wesentlich darauf an, daß die Erinnerung nicht den orientierenden Gegenstand selbst apperzipiert, sondern ihn als Appräsentationsverweisung deutet. Nach dem Grundsatz der bedingten Beliebigkeit kann ich aus verschiedenen Objekten Lesezeichen, Wegmarkierungen und Erinnerungsstützen herstellen. Entscheidend ist, daß sie eine subjektive Relevanz besitzen und Identifizierung ermöglichen; und zwar für mich, der sie erzeugt hat und den sie erinnernd anleiten sollen. Je besser die Zuordnung zwischen typischen Orientierungsproblemen und typischen Merkzeichen vorgenommen wird, umso funktionaler wird natürlich der Lösungszusammenhang und umso einfacher der praktische Umgang damit sein. Wegen dieser individuellen Setzung und Funktion reichen Merkzeichen weder in die Sphäre der Intersubjektivität hinein noch werden sie von dort her gewonnen. 2) Anzeichen: In der individuellen Welt der aktuellen Reichweite herrscht neben der zeitlichen auch eine räumliche Transzendenz vor. Jeder sinnliche Erfahrungsbereich ist eingeschränkt und von Abwesendem, zur Zeit nicht Wahrnehmbaren umgeben. Diese Transzendenz wird durch ein verweisendes Anzeichenverhältnis bewältigt. Anzeichen stehen für etwas anderes als sich selbst und machen appräsentativ, durch verweisende "Weckung" nicht direkt Wahrnehmbares erschließbar; eine Argumentation, die bereits hinlänglich aus dem "Sinnhaften Aufbau" bekannt ist. Weil das Anzeichenverhältnis in der Hauptsache 'natürliche' Zeichen umfaßt, ist ies nicht notwendig intersubjektiv fundiert. Obzwar auch Körperrd.ktionen und leibliche Veränderungen als natürliche Anzeichen 1 Vom Bewußtsein der : zeichen zur Intersubjektivität der : Uichen 297 für fremde Bewußtseinsprozesse zu verstehen sind, reserviert Schütz für dieses besondere Appräsentationsverhältnis den Begriff des Zeichens. Seiner Extension nach enthält der Zeichenbegriff dann auch mehr als die bloße Anzeige von cogitationes eines Mitmenschen. 3) Zeichen: Obwohl bisher der Blick vornehmlich dem individuellen Umgang des Menschen in seiner je aktuellen und potentiellen Welt galt, so ist es doch evident, daß die Welt des alltäglichen Wirkens keine private ist. In diesem Sinne hat Schütz kontinuierlich auf die originäre Intersubjektivität der Alltagswelt hingewiesen: Jeder ist von Mit- und Nebenmenschen umgeben, die zeitliche Aufschichtung verweist neben der gegenwärtigen Umbzw. Mitwelt auf eine Vor- und Nachwelt, soziokulturelle Strukturen haben sich in der Sprache, typischen Erwartungen, Verhaltensweisen und Rollen niedergeschlagen und schließlich gibt es verschiedene Formen gesellschaftlichen Handelns, sozialer Beziehungen sowie gesellschaftlicher Wissensvorräte (vgl. Schütz 1971: 238f. und 360f.). In der intersubjektiv gestalteten Alltagswelt transzendiert nun zu allererst die Existenz des Anderen meine eigene wie auch seine persönliche Biographie mit allen Relevanzsystemen die meine - und umgekehrt. Hier kommen die Zeichen ins Spiel: Sie werden als Appräsentationen der cogitationes Alter egos gedeutet und vermitteln Wissen vom fremden Bewußtsein durch dessen Körperverhalten oder durch sprachlichen Ausdruck. Nur indem ein Mitmensch Zeichen setzt bzw. ausdrückt, kann es Fremdverstehen und Wissen vom Bewußtsein des Anderen geben. Unter der Bedingung von Intentionalität ist jede Zeichensetzung bereits auf Deutung ausgelegt. Die Hauptfunktion von Zeichen ist somit wechselseitige Verständigung; und als theoretische Innovation wird jetzt der Kommunikationsbegriff eingeführt. "Das bei Mitteilungen gebrauchte Zeichen wird vom Mitteilenden immer im Sinne der zu erwartenden Deutung durch den Empfänger der Mitteilung vorgedeutet. Um sich verständlich zu machen, muß der Mitteilende das Apperzeptions-, Appräsentations~ und Verweisungsschema, in die der Deutende die Mitteilung einsetzen will, ins Auge fassen, bevor er Zeichen hervorbringt. [... ]Er muß einen solchen Zusammenhang zwischen seinen cogitationes und den Zeichen der Mitteilung herstellen, daß der Deutende vom Appräsentationsschema, das er bei der Deutung des Zeichens anwenden wird, geleitet, die cogitationes als Elemente des entsprechenden Verweisungsschemas erfassen wird. [... ] Mit anderen Worten: Kommunikation setzt voraus, daß die Deutungsschemata, die der Mitteilende und der Deutende an die Zeichen der Mitteilung ansetzen, im wesentlichen übereinstimmen." (Schütz 1971: 372) Das leistungsfähigste Zeichensystem, das erfolgreiche Kommunikation auch bei geringer Symptomfülle und wechselseitiger Anonymität ermöglicht, ist die Ge kulturspezifische) Umgangssprache. Sie liefert den Handelnden gemeinsame Apperzeptions-, Appräsentations- und Verweisungsschemata, die zusammen das aktuelle Deutungsschema konstituieren. Sprache beinhaltet also gegenüber subjektiven Erlebnissen, unmittelbaren Wir-Beziehungen, konkreten gesellschaftlichen Situationen etc. - Abstraktionen, Typifikationen und Standardisierungen, die für die praktischen Erfordernisse der alltäglichen sozialen Verständigung und des Miteinanderwirkens hinreichend sind, solange sie von allen Beteiligten als relevant und gültig unterstellt und akzeptiert werden (vgl. Schütz 1971: 377f.). Ein Rest an Verstehensungewißheit bleibt aufgrund der prinzipiellen Differenz der privaten Erfahrungen und individuellen Existenz be- 298 Gregor Bongaerts und Andreas Ziemann stehen. Jede der durch Zeichensetzung und -deutung bewältigten Transzendenzen: Alter egos Bewußtseinserlebnisse, seine thematischen Absichten und motivierten Ziele, (fremde) Kulturobjekte meiner Umwelt etc., gehört der ausgezeichneten Wirklichkeit des täglichen Lebens an (vgl. zu ihren Charakteristika Schütz 1971: 395); und deswegen ist auch Kommunikation ausschließlich der Sinnsphäre der alltäglichen Wirkwelt zugehörig, kann sie nur innerhalb der Wirklichkeit der Außenwelt prozessiert werden (vgl. Schütz 1971: 372 und 392). 4) Symbole: Meine individuelle Welt wie auch die gegenwärtige Sozialwelt überhaupt sind einerseits von der raumzeitlichen Natur und andererseits von vergangenen und zukünftigen gesellschaftlichen Nebenwelten umrahmt. Natur und Gesellschaft transzendieren meine und jedermanns biographische Situation und verweisen auf andere geschlossene Sinnbereiche, wie etwa auf die Welt der Phantasie, des Traumes, des Witzes, der Religion, der Kunst, der Politik oder der Wissenschaft (vgl. Schütz 1971: 380f.). 12 "Im Alltag wissen wir nur, daß Natur und Gesellschaft irgend eine Art von Ordnung darstellen; das eigentliche Wesen dieser Ordnung aber entzieht sich unserem Wissen. Allein in Bildern offenbart sich diese Ordnung [... ]. Nach bestimmten Verfahrensweisen werden die beunruhigenden Erscheinungen, die die Welt des Alltags transzendieren, in Analogie zu den bekannten Phänomenen innerhalb dieser Welt erfaßt. Und zwar geschieht dies durch die Erzeugung von höherstufigen Appräsentationsverweisungen, die wir Symbole nennen wollen" (Schütz 1971: 382f.). Genauerhin ist ein Symbol eine spezifische Appräsentationspaarung, in welcher der appräsentierende Teil eine Gegebenheit der Alltagswelt ist und der appräsentierte einer eigenen Ideenwelt zugehört und auf diese verweist (vgl. Schütz 1971: 396). Symbole fungieren als ordnende Sinnklammer zwischen der ausgezeichneten Alltagswirklichkeit und anderen Sinnwelten. Ihr Zweck ist dabei ein doppelter: einerseits Gedächtnishilfe für die Erinnerung, um andere Wirklichkeitserfahrungen bezeichnen und re..: präsentierbar machen zu können; andererseits bildliche Darstellung für Andere, um zu vermitteln, was hinter den Grenzen der Alltagswelt ist. Ein Kruzifix, eine weiße Taube, die Hostie etc. werden nicht für sich genommen, sondern als Verweisungen vermitteln sie von der Alltagswelt aus den transzendenten Ordnungsbereich der Religion. Als bildliche Verkörperung religiöser Transzendenz steht das Kruzifix für Erlösung, die weiße Taube für Frieden und die Hostie für den Leib Christi. Im Unterschied zu Zeichen dienen Symbole aber trotz ihrer gesellschaftlich-historischen Konstitution und Prägung weniger der intersubjektiven Herstellung von Kommunikation und standardisierten Handlungsformen, obgleich sie diese durchaus motivieren können. Sie dienen vor allem der teils individuellen, teils kollektiven - Orientierung und Ordnungsbewältigung in der komplex strukturierten Lebenswelt bei Koexistenz vielfältiger Sinnsphären. Im Umgang mit diesen Zeichentypen wird der Mensch zum animal symbolicum, indem er seine Fähigkeiten nutzt, den verschiedenen weltlichen und sozialen Transzendenzen mittels appräsentativer Beziehungen zu begegnen. Über diese anthropologische Argumentation der Zeichen- und Symbolmotivation wie auch -praxis hinaus hat Schütz das Verhältnis von Symbol(isierung) und Gesellschaft wie auch die Prozesse des Verstehens und der Kommunikation aufgearbeitet. Zudem hat er den gesellschaftlichen Konstitutionszusammenhang von Zeichenbzw. Symbolsystemen in ihrem geschichtlichen Kontext berücksichtigt. "In den Vom Bewußtsein der Zeichen zur Intersubjektivität der Zeichen 299 geschichtlichen Lebenswelten baut der Einzelne im Verkehr mit anderen Einzelnen Zeichensysteme keineswegs aus dem Nichts auf, auch nicht in eigenständiger Vergesellschaftung von Anzeichen und Merkzeichen. Jedermann findet voll ausgebildete Zeichensysteme vor, insbesondere natürlich eine Sprache. Diese Systeme sind 'auferlegte' Elemente seiner Lage in der Welt. Als Systeme der Grenzüberschreitung sind sie zumindest unter einigermaßen normalen Umständen [... ] jedermann gesellschaftlich 'auferlegt', so, wie die Grenzen seiner Erfahrung in der Lebenswelt selbst natürlich 'auferlegt' sind." (Schütz/ Luckmann 1984: 194) Jeder Sozialkontakt und alles Fremdverstehen basiert zwar auf der persönlichen Urbeziehung des Wir mit seiner unmittelbaren Zeichenhaftigkeit und konkret interpretierbaren Symptomfülle. Aber gerade die intersubjektiven Zeichensysteme und gesellschaftlichen Wissensvorräte ermöglichen dann für die verschiedenen Abstufungen an Sozialbeziehungen, bis hin zu wechselseitig vollkommener Anonymität, erfolgreiche Koordinierungen und Verstehensprozesse mittels standardisierter und institutionalisierter Gewohnheiten, Erwartungen, Vorschriften, Handlungsmuster und Rollen. Die im mundanen Sozialisationsprozeß einheitlich vermittelten Appräsentationsverweisungen und Ordnungstypiken bilden in der Wirkwelt ein komplexes signitives Bezugssystem, innerhalb dessen der Kundgebende und der Kundnehmende ihre thematischen, motivierenden und interpretierenden Relevanzsysteme in Übereinstimmung bringen und gemeinsame (Zweck-)Interessen unproblematisch realisieren können. Nur weil intersubjektive Konstruktionen die private Gedankenwelt als typisierte ersetzen, kann es zu (als eindeutig unterstellten) gemeinsamen Sinndeutungen der Welt, Übereinstimmungen sozial abgestimmten Wirkens und erfolgreichen Kommunikationen kommen. Die intersubjektive Konstitution und Strukturlogik von Zeichensystemen geht also dem individuellen Gebrauch ebenso voraus wie die komplexen gesellschaftlichen Wissensvorräte der privaten Aneignung. "[... ] ich muß die typischen sozialen Rollen und die typischen Verhaltenserwartungen, die sich an die Rollenträger knüpfen, erlernen, damit ich die jeweils entsprechende Rolle übernehmen kann und mich in einer Weise verhalte, von der ich annehmen darf, daß sie die Billigung der sozialen Gruppe finden wird. Gleichzeitig muß ich die typische Verteilung des Wissens in dieser Gruppe erlernen; das heißt, ich muß mir auch jene Appräsentations-, Verweisungs- und Interpretationsschemata zu eigen machen, die in den Teilgruppen als selbstverständlich gelten und in ihren jeweiligen appräsentativen Verweisungen angewandt werden. Solches Wissen ist natürlich ebenfalls sozial abgeleitet." (Schütz 1971: 405) Gemäß unserer zweiten Rekonstruktion des Verhältnisses von Sozial- und Zeichentheorie bei Schütz dienen die verschiedenen Zeichentypen zwei Zwecken. Einerseits ermöglichen Appräsentationsbeziehungen und Symbolgebrauch die Vergegenwärtigung sowie die öffentlich geteilte Erfahrung von transzendenten Sinnwelten und damit insgesamt die strukturierte Bewältigung der komplexen Aufschichtung der Lebenswelt. Andererseits stellen Zeichensetzung und -deutung eine Welt des gemeinsamen Wirkens, erfolgreiche, an (Umgangs-)Sprache gebundene Kommunikation und ein Wissen vom (So-)Sein des Anderen her. IV. Sozialtheoretische und semiotische Konsequenzen Angefangen bei den frühen Arbeiten der bergsonianischen Phase, über den "Sinnhaften Aufbau" bis zu "Symbol, Society, and Reality" stehen Schütz' zeichentheoretische Ausführungen im Zentrum einer Theorie der mundanen Intersubjektivität. In "Theorie der Lebensformen" und "Erlebnis, Sprache und Begriff' sind es sprachliche Symbole, die das 300 Gregor Bongaerts und Andreas Ziemann subjektive Erleben von Gegebenheiten der Welt für Ego und Alter ego mitteilbar machen. Sprache typisiert die Welt, überzieht sie mit objektivem Sinn und macht sie so intersubjektiv verfügbar. Sprachliche Symbole werden dabei im Rahmen einer allgemeinen Symboltheorie verwendet, die die späteren Zeichen- und Symboltheorien noch nicht vorwegnimmt, obwohl sie Symbole im weitesten Sinne als Appräsentationsbeziehungen auffaßt. 13 Erst im "Sinnhaften Aufbau" formuliert Schütz im Anschluß an Busserl eine eigenständige zeichentheoretische Begrifflichkeit, die er in den Dienst seiner Theorie des Fremdverstehens stellt. Zeichen und Zeichensysteme sollen verständlich machen, wie Handelnde Ausdruckshandlungen von Ausdrucksbewegungen zu unterscheiden in der Lage und damit befähigt sind, regelmäßig und sozial geordnet kommunikative soziale Beziehungen aufzunehmen. Die Theorie der Zeichen wird an dieser Stelle notwendig, weil die transzendentalphilosophisch induzierte Egologik jeglicher Sinnkonstitution einen bruchlosen Übergang in die Soziologik der mundanen Welt nicht erlaubt. Sozial verteilte; also überindividuelle Sinnbestände (z.B. Sprache) werden folglich als vorgegeben behandelt, bezüglich ihrer genuin subjektiven Prozesse der Aneignung bzw. Konstitution befragt und damit dem Programm der phänomenologischen Egologie eingeordnet. Die Analyse· der Konstitution der Zeichenfunktion im einsamen Bewußtsein läßt die Zeichen im "Sinnhaften Aufbau" als Zeichen des Bewußtseins erscheinen. Eine Verschiebung, Neugewichtung und Weiterentwicklung der Zeichentheorie und ihres Erklärungsanspruches vor allem in Richtung Intersubjektivität der Zeichen läßt sich erst beobachten, wenn Schütz in "Symbol, Society, and Reality" eine fortgeschrittene Fassung seiner Theorie der Alltags- und Lebenswelt vorstellt. Zeichen sind dort nicht mehr allein und wesentlich auf das Problem mundaner Intersubjektivität bezogen, sondern auf die Bewältigung aller Transzendenzen, die die Handelnden in der Alltagswelt erfahren. Die alltägliche Wirkwelt wird dem einzelnen in räumlicher, zeitlicher, sozialer und außeralltäglicher Dimension zum Problem, das durch Zeichentypen entproblematisiert wird: Merkzeichen und Anzeichen bewältigen räumliche und zeitliche Transzendenzen der individuellen Welt, Zeichen vermitteln die Transzendenz des Anderen und Symbole grundlegend die von Natur und Gesellschaft. Auffällig ist an der Neukonzeption der Zeichentheorie neben der einheitlichen grundlagentheoretischen Fundierung, daß zum einen der Ausgang von der immer schon intersubjektiv vorgegebenen und vorgeordneten Alltagswelt den Vorrang gegenüber der egologischen Konstitutionsperspektive gewinnt; und daß zum anderen die Orientierung am amerikanischen Pragmatismus deutlich hervortritt, wenn Schütz Zeichen als Lösungen für Handlungsprobleme der alltäglichen Wirklichkeit einsetzt. Damit rücken die Motivationen der alltagsweltlich Handelnden in den Vordergrund der Betrachtung, die zur Verwendung von Zeichen führen. Erscheint die Zeichentheorie im "Sinnhaften Aufbau" als ein Theorieinstrument, das auf das theoretische Problem antwortet, wie mundane Intersubjektivität unter den transzendentalphänomenologischen Bedingungen egologischer Sinnkonstitution verständlich gemacht werden kann, so wird sie in "Symbol, Reality, and Society" aus der Handlungsperspektive der Alltagswelt abgeleitet. In diesem Sinne läßt sich dann auch in Anlehnung an Grathofffesthalten, daß der "Verbund von Alltag und Wissenschaft, der im Sinnhaften Aufbau noch [... ] formuliert wurde, [... ] von der außerordentlichen Dominanz der wissenschaftlichen Sinnprovinz befreit" wird (Grathoff 1989: 49). Damit einher geht die modifizierende Einarbeitung von James' Theorie der sub-universa in Form einer Pluralität von verschiedenen geschlossenen Sinnbereichen. Die sozialphänomenologische Analyse der Alltagswelt wird auf die Lebenswelt der Handelnden insgesamt ausgedehnt. Schütz interessiert sich zwar, wie Welz zurecht anmerkt, nicht "für die Sozialwelt per se, sondern für den Handelnden in derselben" Vom Bewußtsein der Zeichen zur Intersubjektivität der Zeichen 301 (Welz 1996: 193); aber dennoch gerät die Sozialwelt in ihrer sinnprovinziellen Vielfalt insgesamt in den Blick und wird Ego als intersubjektive Welt vorgegeben. Welz argumentiert weiter, daß mit der Vorordnung der intersubjektiven Lebenswelt, in welcher der Handelnde sich bewegt und wirkt, nicht zugleich die egologische Perspektive des frühen Schütz vollständig aufgehoben ist. Die Lebenswelt wird weiterhin aus der Perspektive des Ego analysiert. Welz zeigt dies anschaulich an der Thematisierung der Sinnprovinzen in "On Multiple Realities", in denen Schütz ohne zeichentheoretische Fundierung die Sinnprovinzen durch unterschiedliche Bewußtseinsspannungen, Erkenntnisstile, Relevanzsysteme und Zeitmodi letztendlich egologisch einführt und der Lebenswelt damit nicht das Primat der Sinnkonstitution zuspricht: "Schütz' Denken begreift den Menschen nicht als Teilmoment einer lebendigen Welt, aus deren Zusammenhang er erst verständlich werden kann. Auch seine Strukturuntersuchung der Lebenswelt konzipiert die Wirklichkeit aus der Perspektive des Subjekts. Allein vom Standpunkt der phänomenologischen Egozentrik ist das Kaleidoskop der 'Wirklichkeiten' möglich." (Welz 1996: 197) So weitso richtig. Unberücksichtigt bleibt in dieser Feststellung aber der Stellenwert der späten Symboltheorie. Gerade sie erklärt die Eingliederung der Sinnprovinzen in die kommunikative Wirkwelt des Alltags und das stabile pragmatische Ordnungsgefüge. Im Rekurs auf Voegelins Kosmion-Begriff und fruchtbare Diskussionen mit ihm über die existentiellen Spannungen des Lebens, Transzendenzerfahrungen und Symbolik vertritt Schütz die Idee einer durch Symbole von innen her "beleuchteten" und zusammengehaltenen Lebenswelt. In seiner ausführlichen Studie über den langjährigen Briefwechsel zwischen Schütz und Voegelin resümiert Weiss entsprechend: "Durch Symbole[... ] interveniert das Außeralltägliche in das Alltägliche; sie stellen das pragmatische Handeln in einen umfassenderen Ordnungskontext, der für die Selbstinterpretation und damit für die Regulation und Reproduktion einer Sozialität von erheblicher Bedeutung ist. Mit Friedrich Tenbruck könnte man sagen, die 'kulturellen Grundlagen der Gesellschaft' werden sichtbar. Kosmos und Geschichte treten in die Lebenswelt ein. Pragmatische Handlungsdispositionen erscheinen als eingebettet in Bedeutungs- und Sinnzusammenhänge, die letztlich auf die 'Stellung des Menschen im Kosmos' (Scheler) verweisen." (Weiss 2000: 253) Bei aller· einleuchtenden Funktionalität der lebensweltlichen Symbolik weckt jedoch Schütz' (teils unscharfe) Verwendung des Symbolbegriffs Klärungsbedarf. Die semiotisch gebräuchliche Differenzierung zwischen Symptom, Ikon und Symbol mit ihren Bezügen der Natürlichkeit, Ähnlichkeit und Arbitrarität wird weder von Schütz in Anschlag gebracht noch führt sie uns zu einer hilfreichen Klärung. Schütz scheint statt dessen auf das Symbolon zu rekurrieren. Dessen zeichenhafte Verbindung von Getrenntem klammert also eine transzendente Sinnsphäre mit der paramount reality. Als eine Form von Appräsentationsbeziehungen unterscheiden sich Symbola gerade dadurch von Zeichen, daß sie nicht Objekte repräsentieren, sondern vielmehr selbst eine (ideale) Realität darstellen. Sie sind, was sie gegenwärtig machen und bezeichnen. Sie sind Formen der Einheit des Verschiedenen oder Zerbrochenen und stellen Sinngestalten bzw. -bereiche mit einem eigenen Wirklichkeitsakzent dar. Exemplarisch, aber prägnant heißt es dazu bei Soeffner (in Anlehnung an Cassirer): "Symbole setzen keine Zeichen.für etwas sie sind selbst die Realität oder ein Teil der Realität, die sich in ihnen ausdrückt.[ ... ] Symbole sind[... ] kein Abbild des Transzendenten, sondern dessen Gegenwart." (Soeffner 1989: 162) Des weiteren hebt Schütz auf das Bildhafte an Symbolen ab, wenn er konstatiert, daß wir uns gemeinsam Bilder vom Außeralltäglichen in der Alltagswelt schaffen und dadurch Ordnung in die Lebenswelt überhaupt einführen. Schweigen, Angst und Unvertrautheit werden mit einer kulturell variierenden und hochkomplexen 302 Gregor Bongaerts und Andreas Ziemann Symbolik verdrängt und beherrschbar. Als intersubjektive Produkte strukturieren Symbole schließlich Handlungsroutinen und Rituale, Wissensformen und Deutungsvorgaben. Der Macht des Logos stehen die Bilder zur Seite wissen nicht nur die Gläubigen und Kirchenväter. Schütz hat als Quasi-Axiom der relativ-natürlichen Weltanschauung geschrieben: "Solange Menschen von Müttern geboren werden, fundiert Intersubjektivität und Wirbeziehung alle anderen Kategorien des Menschseins." (Schütz 1957: 105) In Anlehnung daran können wir abschließend festhalten: Weil Appräsentationsbeziehungen von Menschen hervorgebracht, konventionalisiert und legitimiert wurden, fundieren und strukturieren Zeichen und Symbole die gemeinsame, komplex aufgeschichtete Lebenswelt wie auch je individuelles oder soziales Handeln und Wirken. Anmerkungen In methodologischer Hinsicht läßt sich unser Vorhaben noch einmal so ausweisen: Die Neugewichtung von Theorieaspekten und die Implementierung neuer Theorieangebote lassen sich als Ausdruck einer mehr oder weniger subtilen Modifizierung der Theoriegrundlagen lesen. Dies zu analysieren bedeutet eine exegetische Kleinarbeit, für die ein einzelner Aufsatz keinen Raum bietet. Es läßt sich allerdings die Strategie wählen, einen zentralen Theoriebaustein hervorzuheben und seinen Erklärungsanspruch im Blick auf unterschiedliche Werkphasen zu verfolgen. Für die Arbeiten von Schütz bietet sich dafür die Fokussierung seiner Zeichentheorie(n) an. Dies aus zwei Gründen: Zum ersten bildet die Zeichentheorie im "Sinnhaften Aufbau" und in den späteren Arbeiten ein zentrales Konzept innerhalb der Analyse der sozialen Welt. Sie ermöglicht also Vergleichbarkeit. Zum zweiten ist die Erweiterung ihres Erklärungsanspruchs im Spätwerk im Vergleich zum Frühwerk markant genug, um die Vermutung zu nähren, daß sich an ihr zentrale Verschiebungen aufzeigen lassen. Berücksichtigt man die zunehmende Abkehr der Schützschen Theorie von ihren bewußtseinsphilosophischen Wurzeln, so läßt sich als (vorsichtige) These formulieren, daß die Zeichentheorie Erklärungsansprüche übernimmt, die zuvor durch bewußtseinsphilosophisch abgeleitete Annahmen gedeckt waren. 2 Daß Schütz kontinuierlich an diesem subjektiv gesetzten, reflexiv hervorgebrachten Sinnbegriff festhält, zeigt sich exemplarisch in seinem Aufsatz "Über die mannigfaltigen. Wirklichkeiten" (1945): "Der Sinn einer Erfahrung ist[... ] keine Eigenschaft, die bestimmten Erfahrungen/ die innerhalb unseres Bewußtseinsstromes auftauchen, innewohnt. Vielmehr ist er die Folge einer Deutung der vergangenen Erfahrung, die vom gegenwärtigen Jetzt in reflexiver Einstellung betrachtet wird. Solange ich in meinen Handlungen lebe und auf die Objekte dieser Handlungen ausgerichtet bin, haben diese Handlungen keinen Sinn. Sie werden erst sinnvoll, wenn ich sie als wohlumgrenzte Erfahrungen der Vergangenheit im Rückblick erfasse. Nur Erfahrungen, an die man sich erinnern kann, nachdem sie ihre Gegenwärtigkeit eingebüßt haben, und die man auf ihre Konstitution hin prüfen kann, sind daher subjektiv sinnvoll." (Schütz 1971: 240f.) 3 Auf die Kritik an diesem rein immanentistischen Sinnbegriff, der das Ego radikal von der Außenwelt abschneidet und in der Vermengung der Bewußtseinsanalysen von Bergson und Husserl begründet ist, kann an dieser Stelle nur hingewiesen, jedoch nicht eingegangen werden (vgl. zuletzt etwa Weiz 1996). 4 Die Unterscheidung der "transZl\ndent gerichteten Akte" von den "immanent gerichteten Akten", die sich auf reelle Gegebenheiten des eigenen Bewußtseins beziehen, übernimmt Schütz von Husserl (vgl. Schütz 1974: 140). 5 Schütz rekurriert hier zwar auf die Definition von Husserl, differenziert aber nicht wie dieser zwischen Anzeichen, die keinen objektiv notwendigen Zusammenhang mit dem Angezeigten aufweisen, und Anzeichen, die mit dem Angezdgten zwar objektiv notwendig verknüpft sind, aber deren Zusammenhang dem Deutenden während der Deutung nicht bewußt ist (vgl. Husserl 1984: 26ff.). Ein objektiv notwendiger Zusammenhang ist dabei für Husserl zum Beispiel im Falle von Beweisen gegeben, die im "Verhältnis von Prämissen und Schlußsätzen" stehen (Husserl 1984: 27). Die. Bestimmung der Nicht-Einsichtigkeit eines Motivs durch das Fehlen eines objektiven Zusammenhangs läuft bei Schütz u.E. untergründig mit, sonst wäre nicht einsehbar, warum er von Husserls Definition ableitet, daß. sich Anzeichen "ausschließlich im erfahrenden Bewußtsein desjenigen Vom Bewußtsein der Zeichen zur Intersubjektivität der Zeichen 303 konstituieren, welcher das Anzeichen als Hinweis auf das Angezeigte interpretiert" (Schütz 1974: 165). Zumindest wäre es dann nicht einsichtig, wenn Schütz hier mehr meint als die schlichte Tatsache, daß Anzeichen immer gedeutet werden müssen und keinen Bestand 'an-sich' haben. 6 Unter "Rede" kann dabei gleichermaßen ein Satz, ein Buch, das Lebenswerk eines Autors oder eine literarische Stilrichtung verstanden werden (vgl. Schütz 1974: 175). 7 Mit diesem egologisch (oder: monadentheoretisch) aufgeworfenen Problem des Fremdverstehens entsteht auch das generelle Problem der Kommunikation. Entgegen alltäglicher Selbstverständlichkeit und unbezweifelter Erfahrungsgewohnheit von wechselseitig erfolgreichen Mitteilungs- und Verstehensprozessen wird so die prinzipielle Unwahrscheinlichkeit gelingender Kommunikation und ihrer Überprüfung in den Theorieblick gerückt. Siehe allgemein zu skeptizistischen Traditionen in Kommunikationstheorien: Hanke (2000). 8 Vgl. zu Schütz' Abkehrbewegung von Husserls transzendentalphilosophischer Phänomenologie, die im übrigen bereits im "Sinnhaften Aufbau" angedeutet wird: den Kommentar von Waguer (1988), die Tiefenanalyse von Srubar (1988: 256ff.) sowie Weiz (1996). 9 Sehr deutlich rekonstruiert Grathoff diese Veränderung: "Die Struktur der Sozialwelt wird nicht mehr im Stile einer Beziehungssoziologie bloß differenziert nach den Deklinationen von Ich- und Du-, Sie- und Wir-Welten, sondern Typik und Relevanzstrukturen bestimmen jetzt die Strukturanalysen jener 'herausragenden' oder 'ausgezeichneten' Wirklichkeit ('paramount reality') des Alltags. [ ... ] Der Verbund von Alltag und Wissenschaft, der im Sinnhaften Aufbau noch als cartesianischer Dualismus einer besonderen Transformation von subjektiven in objektive Sinnzusammenhänge formuliert wurde, wird von der außerordentlichen Dominanz der wissenschaftlichen Sinnprovinz befreit. Es werden kognitive Stile, Relevanzsysteme und Aufmerksamkeitsstrukturen dieser mannigfaltigen Sinnbereiche des Alltags untersucht. Wissenschaftliche Theorie bestimmt nur einen Sinnbereich, dieser ist insbesondere kein ausgezeichneter Bereich mehr. Dieser Akzent einer ausgezeichneten Wirklichkeit gilt nun für den Alltag selbst, den Sinnbereich kommunikativen Handelns unter Mitmenschen." (Grathoff 1989: 48f.) 10 Weit davon entfernt, tatsächlich seinen langen Fragenkatalog seriös und umfassend beantworten zu können, konzentriert sich Schütz im weiteren Textverlaufvornehmlich auf diese beiden Fragestellungen: "Inwiefern sind zeichenhafte und symbolische Appräsentationen von der sozio-kulturellen Umwelt abhängig? Wie wird die Intersubjektivität selbst und wie werden soziale Gruppen durch zeichenhafte und symbolische Appräsentationen erfahren? " (Schütz 1971: 401) 11 Mit Schütz' Abkopplung der signitiv-symbolischen Vorstellungen der Appräsentation als weckender Paarung von Husserls Analysen zum intentionalen Raum/ Zeit-Bewußtsein wird, wie Srubar feststellt, "diese Bewußtseinsleistung unter dem Primat des pragmatischen Motivs betrachtet, d.h. als die Leistung eines wirkenden, zeitlichen und durch Sozialität und Reflexivität gekennzeichneten Menschen. Dadurch wird sie aus dem ausschließlichen Referenzrahmen des Bewußtseins in denjenigen des Handelns qua Wirkens verlagert, das einen menschlichen Weltzugang darstellt, der sich sowohl nach 'innen' (Person) als auch nach 'außen' (Wirkwelt) strukturierend (Relevanz schaffend) auswirkt." (Srubar 1988: 231) 12 Bereits in seinem Aufsatz "Über die mannigfachen Wirklichkeiten" (1945), der paradigmatisch auf James' Idee der sub-universa eingeht, interessiert sich Schütz zwar für die vielfältigen, die Alltagswelt transzendierenden geschlossenen Sinnbereiche nach ihren charakteristischen Aufmerksamkeitsspannungen, Denkeinstellungen, Relevanzen und Wirkmöglichkeiten; er leistet dort jedoch überhaupt keine zeichentheoretische Fundierung und übergeht die signitive Erfassung der Sinnprovinzen wie auch ihre typische Zeichen- und Symbolpraxis durch die Menschen in ihrer gesellschaftlich-historischen Stellung. 13 In der Tatsache, daß Symbole jeweils zwei Lebensformen klammem, sieht Srubar (1981: 203f.) einen Vorgriff auf Schütz' spätere Symboltheorie trotz aller Unterschiede, die sich aus der Orientierung an der Husserlschen Appräsentations- und Zeichentheorie sowie an James' Theorie der sub-universa ergeben. Literatur Grathoff, Richard: Milieu und Lebenswelt. Einführung in die phänomenologische Soziologie und die sozialphänomenologische Forschung. Frankfurt/ Main 1989. Hanke, Michael: "Skeptizistische Traditionen in Theorien der Kommunikation". In: Kodikas/ Code 23, 2000: 69-83. Hanke, Michael: ''Zeichensetzung und Zeichendeutung. Zur sozialphänomenologischen Semiotik bei Alfred Schütz". (Manuskript für Deutsche Zeitschrift für Semiotik) 2001. 304 Gregor Bongaerts und Andreas Ziemann Husserl, Edmund: Cartesianische Meditationen und Pariser Vorträge. Husserliana I. Den Haag 1962 2• Husserl, Edmund: Erfahrung und Urteil. Untersuchungen zur Genealogie der Logik. Hamburg 1964 3• Husserl, Edmund: Logische Untersuchungen. Zweiter Band. I. Teil. Husserliana XIX/ 1. The Hague 1984. Schütz, Alfred: "Das Problem der transzendentalen lntersubjektivität bei Husserl". In: Philosophische Rundschau 5, 1957: 81-107. Schütz, Alfred: Gesammelte Aufsätze I. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag 1971. Schütz, Alfred: Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie. Frankfurt/ Main 1974. Schütz, Alfred: Theorie der Lebensformen: (Frühe Manuskripte aus der Bergson-Periode). Herausgegeben und eingeleitet von Ilja Srubar. Frankfurt/ Main 1981. Schütz, Alfred/ Luckmann, Thomas: Strukturen der Lebenswelt. Band 2. Frankfurt/ Main 1984. Soeffner, Hans-Georg: Auslegung des Alltags - Der Alltag der Auslegung. Zur wissenssoziologischen Konzeption einer sozialwissenschaftlichen Hermeneutik. Frankfurt/ Main 1989. Srubar, Ilja: "Einleitung". In: Schütz, Alfred: Theorie der Lebensformen. Frankfurt/ Main 1981: 9-76. Srubar, Ilja: Kosmion. Die Genese der pragmatischen Lebenswelttheorie von Alfred Schütz und ihr anthropologischer Hintergrund. Frankfurt/ Main 1988. Srubar, Ilja: "Schütz' pragmatische Theorie der Lebenswelt". In: Bäumer, Angelica / Benedikt, Michael (Hrsg.): Gelehrtenrepublik - Lebenswelt. Edmund Husserl und Alfred Schütz in der Krisis der phänomenologischen Bewegung. Wien 1993: 335-346. Wagner, Helmut R.: "Between Solipsistic-Transcendental Phenomenology and Social-Psychology of Life-World". In: List, Elisabeth/ Srubar, Ilja (Hrsg.): Alfred Schütz. Neue Beiträge zur Rezeption seines Werkes. Amsterdam 1988: 5-21. Weiss, Gilbert: Theorie, Relevanz und Wahrheit. Eine Rekonstruktion des Briefwechsels zwischen Eric Voegelin und Alfred Schütz (1938-1959). München 2000. Weiz, Frank: Kritik der Lebenswelt. Eine soziologische Auseinandersetzung mit Edmund Husserl und Alfred Schütz. Opladen 1996. KODIKAS / CODE Ars Semeiotica Volume 23 (2000) · No. 3-4 Gunter Narr Verlag Tübingen Die Modernität der transzendentalen Buffonerie Zur ironischen Dimension im Gestiefelten Kater von Ludwig Tieck J. Ulrich Binggeli 1. Einleitung Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist die Frage nach der Brauchbarkeit und Leistungsfähigkeit der von Edgar Lappin seiner Dissertationsschrift Linguistik der Ironie von 1992 entwickelten sprechakttheoretisch-pragmatischen Ironietheorie für die Analyse literarischer Texte. Lapps Simulationstheorie ist ein repräsentatives Beispiel für die zahlreichen Versuche der modernen Linguistik, das Phänomen Ironie sprachwissenschaftlich überzeugend zu bestimmen. Als Untersuchungsgegenstand wurde mit Tiecks Gestiefeltem Kater bewusst auf einen Text zurückgegriffen, der zeitgleich mit Schlegels Lyceums-Fragmenten erschien und damit zu einem Zeitpunkt entstand, der in der Geschichte des Ironiebegriffs insofern als Wendepunkt gilt, als mit Schlegels Ideen zur Ironie die romantische Ironie geboren wurde. Diese Versuchsanordnung führt zwangsläufig auch zur Frage nach dem Verhältnis zweier grundverschiedener Ironiebegriffe. Nach einer Textanalyse des Gestiefelten Katers und einer Aufarbeitung des Ironiebegriffes von Friedrich Schlegel wird zunächst der Frage nachgegangen, inwiefern die Ironie des Katers mit den Ironiepostulaten Schlegels übereinstimmt. Im Anschluss daran werden diese Ergebnisse mit der Ironie-Perspektive verglichen, die Lapp in seiner Simulationstheorie entwickelt. Es geht dabei insbesondere um die Überprüfung der Arbeitshypothese, dass mit dem Prinzip der doppelten Simulation auch die für die romantische Ironie charakteristische und im Kater systematisch betriebene Technik der Illusionszerstörung anschaulich erfasst werden kann. 2. " ... dass es den Theoretikern viel Not machen wird, die Gattung zu bestimmen" 2.1 Der irritierende Kater Der Gestiefelten Kater erschien 1797 bei Nicolai in Berlin. Aus verlegerischen Gründen wurden nach der Erstpublikation im zweiten Band der Sammlung "Volksmährchen, hg. v. Peter Leberecht" [Pseudonym Tiecks] im gleichen Jahr zwei weitere textgleiche, aber anders betitelte Einzeldrucke nachgeliefert. Für die Aufnahme in den Phantasus1 1812 erstellte Tieck eine erweiterte Fassung. Die Beschäftigung mit dieser Version ist insofern sinnvoller, als die Rahmengespräche der Phantasus-Gesellschaft aufschlussreiche Zusatzinformationen zum Stück selber liefern. Zudem haben Tiecks Eingriffe die Fassung des Erstdrucks nicht substantiell verändert. 306 J. Ulrich Binggeli A.W. Schlegel gehörte zu den Lesern, die das Stück begeistert aufnahmen. In einer Rezension aus dem Erscheinungsjahr in der Jenaer Allgemeinen Literaturzeitung strich er insbesondere die Aufhebung der strikten Trennung von Publikum und Bühne hervor: Es spielt in der wirklichen Welt, ja mitten unter uns, und was nur bei der Aufführung des Stücks hinter und vor den Kulissen, im Parterre und den Logen Merkwürdiges vorgeht, ist mit auf den Schauplatz gezogen, so dass man das Ganze, wenn es nicht zu tiefsinnig klänge, das Schauspiel eines Schauspiels nennen könnte. Es ist zu befürchten, dass es den Theoretikern viel Not machen wird, die Gattung zu bestimmen, wohin es eigentlich gehört. (vgl. TF 1383)2 Schlegel hatte Recht: Wenn vom Kater die Rede ist, dann fallen alle möglichen Gattungsbezeichnungen. Schlegel spricht in seiner Besprechung zunächst von einer "komische[n] Laune", wenig später von einer "mutwillige[n] Posse", Eichendorff schlug "Spottkomödie" (vgl. TF 1384) vor und für K.W.F. Solger ist im Kater die "Satire zur reinsten Ironie erhoben" (vgl. TF 1355). In der Literaturwissenschaft des 20. Jahrhunderts ist von "satirische[r] Posse" (Behler 1972, 40), "Märchenkomödie" (Paulin 1987, 35), "Parodie vorromantischen Theaters in einem vielfältig satirischen Lustspiel" (Kreuzer 1980, 76), allen möglichen Varianten der Satire: "Philistersatire, Aufklärungssatire, Empfindsamkeitssatire, Literatursatire, politische Satire ect." (Pikulik 1992, 330) 3, dem "Prototyp einer bestimmten Ausprägung der Gattung Komödie" (Pestalozzi 1977, 110) und jüngst vom "Prototyp der parabatischen Komödie" (Japp 1999, 28) die Rede. Diese zweihundertjährige Expertendebatte zur Gattungsproblematik gleicht in etwa der Unterhaltung des Publikums im "Prolog" des Katers -dem "Extempore einer konventionellen Urteilsbildung" (Thalmann 1974, 32) -, das FISCHER mit der Frage eröffnet: "Lieber Herr Müller, was sagen Sie zu dem heutigen Stücke? " (TF 492/ 8f.) Im Gegensatz zu den Protagonisten im Kater streiten die Fischers, Müllers und Böttichers der Rezeptionsgeschichte zwar um die Bestimmung eines Gegenstandes, den sie bereits kennen. Dieser Unterschied ist jedoch irrelevant, zumindest für den EPILOGUS, jene Tiecksche Figur aus dem ein Jahr nach dem Kater entstandenen Werk Die verkehrte Welt, der noch vor dem eigentlichen Stück auftritt und spöttisch erklärt: Nun, meine Herrn, wie hat.Euch unser Schauspiel gefallen? [...] Ihr müsst Euch übrigens darüber nicht verwundern, dass Ihr das Stück noch gar nicht gesehn habt, denn hoffentlich seid Ihr doch in so weit gebildet, dass das bei Euch nichts zur Sache tut, um darüber zu urteilen. [... ] Wer wollte nur das beurteilen, was man kennt! (TF 570/ 15f.) Die Rezeptionsgeschichte dieses "charakteristische[n] Beispiel[s] der romantischen Ironie" (Behler 1972, 40) entbehrt ihrerseits nicht einer gewissen Ironie. Dem Text ist es offensichtlich gelungen, sich einer kanonischen Deutung zu entziehen. Verantwortlich dafür ist seine gewissermassen passive ironische Qualität: Er verführte dazu, als etwas genommen zu werden, was er nicht oder nur teilweise ist. Was er verhandelt, das Illudieren und Täuschen, tut er selber, wenn auch unabsichtlich. Die zitierten "Bötticher" haben zugleich Recht und Unrecht: Abgesehen davon, dass der Kater eine dramatisierte (Märchen-) Komödie, eine Satire, eine Theaterparodie und anderes mehr ist, ist er vor allem "eine lustige Komposition, die ganz Schaum und leichter Scherz ist" (TF 489/ 25f.). So kündigt Theodor der Phantasus- Gesellschaft den Vortrag des Katers an. Er knüpft daran die Bitte, dieses Stück nicht ernsthafter zu nehmen, als es gemeint sei: doch kann man wohl nicht leicht über das Theater scherzen, ohne zugleich über die Welt zu scherzen, denn beides fliesst, vorzüglich in unseren Tagen, sehr in einander. (TF 489/ 25f.) Die Modernität der transzendentalen Bujfonerie 307 Tieck hat sich im Vorbericht zur ersten Lieferung seiner Schriften vom Juli 1828 ausführlich zur Entstehung des Katers geäussert. Er kommt dort im Zusammenhang mit seiner Behandlung von Iffland und Kotzebue sowie des Iffland-Verehrers Karl August Böttiger im Kater ausführlich auf das Berliner Theaterleben dieser Jahre zu sprechen. August Wilhelm Iffland (1759-1814) war sowohl ein berühmter Charakterdarsteller wie auch seit 1796 Direktor des Berliner Nationaltheaters und ab 1811 Generaldirektor des Königlichen Schauspielhauses. Daneben popularisierte er durch eine immense Eigenproduktion "die Tradition des sogenannten 'Familiengemäldes' einer Spätform des in Kleinbürgerlich-Philiströse abgesunkenen Rührstücks, der Comedie larmoyante". (Frank 1985, 1385) Was die Aufführungszahlen eigener Stücke auf den Bühnen der Zeit anging, konnte es kein anderer zeitgenössischer Autor mit August von Kotzebue (1761-1819) aufnehmen. Er schrieb mehr als 200 Dramen, seine Palette reichte von der bürgerlichen Tragödie über Rühr- und Familienstücke bis zum Lustspiel, Singspiel und zur Posse. Sein Name bürgte für volle Häuser und Kassen, was unter anderem auch Goethe veranlasste, über achtzig Kotzebue- Stücke in Weimar aufzuführen. Das Gespann Iffland/ Kotzebue beherrschte um die Jahrhundertwende bis zum Tode Ifflands die Berliner Theaterszene fast vollständig. Dazu Tieck: Der Rüstigere und der Fleissige schrieben um die Wette; beide [... ] wurden immer mehr beliebt und beherrschten bald das Theater. Die Menge glaubte nun endlich ein wahres, nationales deutsches Theater errungen zu haben. (TF 1388) Tieck diagnostiziert demgegenüber einen regelrechten Niedergang der Berliner Theaterkultur. Für ihn verdarb Kotzebue mit seinen Stücken jeden Geschmack 4 "durch süssliche, falsche Moral, durch weichliche, nichtsnutzige Charaktere und dadurch das er der Menge im Verzärteln aller ihrer Schwächen schmeichelte". (TF 1388) Das Niveau der Schauspielkunst sank, ein gewisses matteres Spiel, ein willkürliches, unbedeutendes [trat] an die Stelle des charakteristischen [...], weil diese Dramen das Bedeutsame, Bestimmte, Kunstmässige nicht mehr forderten. (TF 1389) Als in dieser Situation Hofrat Karl August Böttiger unter dem Titel Entwicklung des Ijjlandschen Spieles in vierzehn Darstellungen auf dem Weimarschen Hoftheater im Aprilmonat 1796 auch noch eine überschwengliche Würdigung der Ifflandschen Schauspielkunst publizierte, muss Tieck schier der Kragen geplatzt sein: Wir erstaunten, dass alle diese Kleinigkeiten, diese Nebensachen, die höchstens einen kleinen epigrammatischen Witz aussprechen konnten, so hoch angeschlagen,ja für das Wesen der Kunst ausgegeben wurden. Alle meine Erinnerungen, was ich zu verschiedenen Zeiten im Parterre, in den Logen, oder den Salons gehört hatte, erwachten wieder, und so entstand und ward in einigen heitem Stunden dieser Kater ausgeführt. (TF 1389) Es ist aufschlussreich, den Kater aus dieser entstehungsgeschichtlichen Optik zu betrachten. Versteht man ihn als spontane, rasch und launig skizzierte Reaktion auf diese Lektüre, dann ist er nichts anderes als eine höchst eigenwillige Rezension der Böttiger-Schrift. Rezensionen sind im Normalfall keine Theaterstücke und Theaterstücke auch keine Rezensionen. Indes, auch Tiecks Kater ist, zumindest für diese Zeit, alles andere als ein literarischer Normalfall. Ausdruck davon sind die Schwierigkeiten, ihn gattungsmässig einzuordnen. Obwohl der Text wie ein Theaterstück daher kommt, ist seine Bühnentauglichkeit umstritten. Und man trifft ihn ja auch nicht auf der Bühne an. Weder die Uraufführung von 1844 noch die Inszenie- 308 J. Ulrich Binggeli rungsversuche im 20. Jahrhundert - 1963 inszenierte Tankred Dorst unter dem Titel Der gestiefelte Kater oder wie man das Stück spielt eine modernisierte Bearbeitung vermochten ihm einen Platz im Komödienrepertoire zu sichern. Karl Pestalozzi vertritt denn auch die These, dass der Kater gar nicht für die Bühne gedacht, sondern als "Lesedrama" (Pestalozzi 1977, 114) konzipiert sei. Das Stück ist für ihn nicht nur eine Komödie über, sondern auch eine gegen das Theater: "Tore Bühne ist das Buch, ihr Publikum der einsame Leser. Das macht sie zum 'Grenzfall der Gattung"' (Pestalozzi 1977, 126). 5 Tieck hat mit dem Kater einen Text produziert, der das Spiel mit den Gattungsnormen so weit treibt, dass am Schluss unklar ist, was er selber ist. Der Bühnenklamauk weist eigentlich in Richtung Komödie oder verwandter Formen wie Satire, Posse oder Schwank. Wie verortet man aber dann den expliziten Bezug auf die Oper, konkret die Singspielform der Z,a,uberflöte? Und was sollen die Anspielungen und Zitate aus Schillers Don Carlos und Shakespeares Hamlet? Der Ka_ter passt weder in eine der Untergattungen des komischen Fachs noch in dieses selber und am allerwenigsten jedenfalls auf den ersten Blick in die tragische Abteilung. Nicht einmal die grundsätzliche Zuordnung zu einer der beiden Grosskategorien Epik oder Dramatik ist gesichert, kann er doch dem äusseren Erscheinungsbild zum Trotz durchaus auch als Prosatext, als Lesedrama oder dramatisierte Rezension behandelt werden. 2.2 Die Gattungsproblematik als Ironiepotential Die skizzierte Gattungsproblematik erweist sich bei näherem Zusehen als der zentrale Aspekt bei der Erörterung der ironischen Dimension des Katers. Die Klassifizierungsschwierigkeiten machen deutlich, dass der Text mit formalen Kriterien nur unzulänglich erfasst werden kann, es sei denn, man betrachtet die fröhlich kultivierte "Gattungspluralität" als konstituierendes Strukturmerkmal. Aber selbst dann ist über Sinn und Zweck dieses anarchischen Gestaltungsprinzips noch nichts gesagt. Aufschluss gibt in dieser Hinsicht erst die Ironie. Geht man an dieser Stelle vorerst von einem Ironieverständnis aus, das Ironie letztlich als Bewusstsein und Ausdruck einer grundsätzlichen Labilität aller Bezüge begreift, dann kann die gattungsmässige Gebrochenheit oder Unbestimmbarkeit des Katers als direkter Ausdruck von Ironie bestimmt werden. Das heisst aber auch, dass die Schwierigkeiten mit der Gattungsfrage keineswegs mit künstlerischem Unvermögen zusammenhängen und als formale Mangelhaftigkeit zu qualifizieren sind; sie weisen vielmehr auf ein bewusst eingesetztes Irritationspotential hin, das auf dem Bauprinzip des Textes beruht. In Anlehnung an die vom Kater-Publikum lautstark verlangten "Familiengemälde" (TF 493) kann der Kater als "Theatergemälde" bezeichnet werden. Tieck extrahiert aus dem Dramentyp "Familiengemälde", der damals zu den ganz grossen Publikumsrennern gehörte, das dramatw; gische Muster und benutzt es als Strukturmodell für sein Stück. Seine Herkunft bleibtjedoch auch im veränderten Kontext immer noch erkennbar, seine Vergangenheit ist als Mitgift mit inbegriffen und funktioniert als Erinnerungszeichen. Dieses Verfahren provoziert einen charakteristischen Verfremdungseffekt, den Tieck im Kater systematisch einsetzt. Zu einem Theatergemälde, das den Theaterbetrieb, das Theaterleben als Ganzes abbilden will, gehört neben dem eigentlichen Theaterstück und seiner Inszenierung auch das Publikum, die Kritik, der Autor sowie der ganze Inszenierungsapparat. Das Phänomen Theater kann grundsätzlich aus drei Perspektiven betrachtet werden: aus der Produktions-, der Rezeptions- und der lnszenierungsperspektive. Der Kater ist nun nichts anderes als der Versuch, diese drei Perspektiven zu einer einzigen zu komprimieren. Er ist ein Labor, in dem Möglichkeiten durchgespielt werden, Betrachtungsstandpunkte zusammenfallen zu lassen, die in Wirklich- Die Modernität der transzendentalen Buffonerie 309 keit gar nicht zusammenfallen können. Tieck experimentiert mit einer Methode, die in ihrer radikalen Umsetzung später zu Ergebnissen führen wird, wie sie in der Bildenden Kunst der Kubismus ganz eindrücklich vorführt. Im Tieckschen Laboratorium repräsentiert der DICHTER sowohl die Produktionswie die Inszenierungsseite, da er zugleich als Regisseur agiert. Der Inszenierungsapparat ist nicht nur durch Schauspieler, sondern auch durch Bühnenpersonal, Requisiten und Kulissen vertreten. Die Rezeptionsseite schliesslich ist im Publikum, vertreten durch sechs Repräsentanten des "guten Geschmacks" sowie den Kritiker BöTIICHER, direkt anwesend. Das dramaturgische Grundkonzept ist einfach: Ein Bühnenpublikum verfolgt und kommentiert die laufende Uraufführung einer dramatisierten Version des Perraultschen Märchens vom Gestiefelten Kater. Wie der Untertitel ankündigt, handelt es sich bei der Märchenaufführung um einen Dreiakter, der in einen Rahmen aus Prolog, Zwischenspielen und Epilog eingebaut ist. Da, wo von Akten die Rede ist, Theater erwartet wird, stehen die entsprechend bezeichneten Teile ganz im Zeichen der Theateraufführung. Während diese Partien primär durch das Spiel der Bühnenfraktion dominiert sind, werden die restlichen Szenen vorallem durch das Publikum und seine Reaktionen beherrscht. Das ganze Spiel entfaltet sich aus der Wechselwirkung zwischen diesen beiden Polen. Das so erzeugte Spannungsfeld ist zugleich auch der Brennpunkt, auf den das ganze Stück fokussiert ist. Die Märchenaufführung hat lediglich die Funktion eines Skandalons, das die gewünschten Publikumsreaktionen provoziert. Sie löst als Katalysator jenen Prozess aus, der das gesuchte Spannungsfeld erzeugt. Der Kater ist weder eine Publikumssatire noch eine Theaterparodie; sein Stoff ist das konfliktuöse Verhältnis zwischen Rezeptions- und Produktionsseite des Theatergeschehens. Immerhin darf zumindest vermutet werden, dass die grandiose Idee, Iffland als Kater- Interpret ein spöttisches Andenken zu setzen, ein entscheidender Auslöser für die Entstehung des Katers gewesen sein dürfte. Die ungezügelte Mutwilligkeit, die überbordende, geradezu hemmungslose Lust, mit der Tieck Theaterkonventionen auf den Kopf stellt, bestätigt die Vermutung, dass er einen Heidenspass an der ganzen Sache gehabt hat. Jahre später merkt er dazu an, dass es ihm weniger um eine böse Personalsatire gegangen sei, als vielmehr darum, das für seine Begriffe "Alberne und Abgeschmackte[ ... ] als solches mit allen seinen Widersprüchen und lächerlichen Anmassungen" hinzustellen "und an einem eben so albernen, aber lustigen Kindermärchen deutlich" zu machen (vgl. TF 1389f.). 6 Möglicherweise ist Tieck durch die Böttiger-Schrift selber zur Kater-Idee angeregt worden, merkt doch dieser zu einer von Iffland gespielten Figur an, dass sie "die Rolle eines bald murrenden, bald schmeichelnden Katers spielt" (vgl. TF 1390). Vielleicht kam ihm die Märchenfabel auch nur als treffsicheres Gleichnis entgegen: Der Erfolg des Duos Iffland/ Kotzebue gleicht dem des Gespanns Hinze/ Gottlieb, eine Tellerwäschergeschichte wird wahr, der Erfolg ist trimphal, aber das Ganze ist doch nicht mehr als eine Seifenblase, ein Märchen eben. Die Wahl des Kater- Stoffes ist zugleich Ausdruck seiner kritischen Prognose für "Iffoland" 7, der die Nachgeschichte Recht gegeben hat: Iffland/ Kotzebue sind heute nur noch von historischem Interesse. 2.3 Der Dichter und der gute Geschmack Was der "Prolog" für das Stück exponiert, bildet vermutlich ziemlich genau die Entstehungsumstände des Katers selber ab. Was auf den Berliner Bühnen Urstände feierte, war nach Tiecks Dafürhalten nichts als eine billige Stilkopie sämtlicher grosser traditionellen Formen. 310 J. Ulrich Binggeli Die ungebrochene Popularität der Kotzebueschen Produktionen war für ihn Ausdruck der grundlegend veränderten Rezeptionsverhältnisse: Die Menge glaubte nun endlich ein wahres, nationales deutsches Theater errungen zu haben, und die Stimmen der Verständigen, welche gegen diesen Missbrauch redeten, verhallten in der Wüste [...] Die grösseren Schauspiele wurden jetzt nur selten gesehen; viele sind seitdem auf immer von der Bühne verschwunden. (TF 1388ff.) Der Erwartungshorizont des Kater-Publikums ist denn auch im wesentlichen durch die ominöse Chiffre "Geschmack" bestimmt. Im Namen des Geschmacks ist dieses Publikum argwöhnisch allem Neuen und Ungewohnten gegenüber. 8 Argumentiert wird mit einer Ästhetik, die unverkennbar durch den Erfahrungshintergrund des Kotzebue/ Ifflandschen Theaters geprägt ist: Gefragt ist nicht Kunst, sondern Geschmack: " ... wir wollen kein Stück, wir wollen guten Geschmack" (TF 495/ 30f.) Garanten dafür sind dem Publikum die beiden Genres "Familiengemälde" und "Oper". Unter diesen Bedingungen hat der Dichter einen schweren Stand. Entweder fügt er sich diesem Druck und bedient diese Bedürfnisse oder aber er riskiert den offenen Konflikt mit dem Publikum. Der DICHTER im Stück sieht sich mit letzterer Variante konfrontiert. Sujet und Fabel seines Stückes, das aufgeführt werden soll, liegen quer zu den Publikumserwartungen. Der Tumult ist somit vorprogrammiert. Der DICHTER ist sich sehr wohl bewusst, dass er mit seinem Theaterprojekt in eine unmögliche Situation hinein geraten ist. Mit einer geradezu servilen Captatio benevolentiae versucht er das Publikum zumindest bei Laune zu halten. 9 Wenn sich die Herrschaften schliesslich doch dazu bequemen, der Aufführung beizuwohnen, dann nicht aus Interesse an der Sache, sondern nur, weil der DICHTER sich den Verhältnissen beugt, das heisst, die Machtverhältnisse zwischen Publikum und Künstler im Kulturbetrieb akzeptiert: "Er hat doch Respekt vor dem Publikum." (TF 496/ 31) Jetzt erst kann der DICH- TER, wenn auch nur pro forma, sein Anliegen erläutern, das er mit dieser Märchenaufführung verbindet: Ich wollte einen Versuch machen, durch Laune, wenn sie mir gelungen ist, durch Heiterkeit, ja, wenn ich es sagen darf, durch Possen zu belustigen, da uns unsre neusten Stücke so selten zum Lachen Gelegenheit geben. (TF 497/ Sf.) Tieck hat zweifellos sich selber für die Figur des DICHTERS Modell gestanden. Was er ihm mit diesen Zeilen in den Mund legt, dürfte ziemlich genau seinen eigenen Absichten mit dem Kater entsprechen. 10 Auch die skizzierten Produktionsbedingungen, die Abhängigkeit von einem Publikum, dem die Kunst und ihr Verständnis abhanden gekommen ist, dürften genau nach der Wirklichkeit gezeichnet sein. So absurd wie die Konstellation, in die sein DICHTER hineingerät, muss Tieck seine eigene Situation vorgekommen sein. Er entgeht jedoch dem Schicksal seines fiktiven Doppelgängers, der an der Macht der Verhältnisse scheitert und am Schluss wie ein begossener Pudel von der Bühne schleicht, durch die Produktion des Katers. Indem er die eigene Situation zum Gegenstand der Fiktion macht, macht er sie zum Gegenstand der Betrachtung und sich selber, unabhängig von den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit, zum souveränen Regisseur der Verhältnisse. Er benutzt die so gewonnene Freiheit nun nicht dazu, diese antithetische Grundkonstellation aufzuheben. Ihre Unaufhebbarkeit ist im Gegenteil gerade die Voraussetzung für die Entfaltung der tumultuösen Kater-Szenerie, in deren chaotischer Hektik ein neues ästhetisches Ideal aufscheint. Die Fähigkeit, sich in dieser Art vom eigenen Tun zu distanzieren, vermittelt die Ironie. Die Ironie erlaubt es Tieck, seine eigenen Ansprüche und Hoffnungen im DICHTER überlegen Die Modernität der transzendentalen Buffonerie 311 zu parodieren. Er kann so die Figur nach seinem 'Ebenbild' schaffen, ohne befürchten zu müssen, mit ihr verwechselt zu werden. Während Tieck die Schauspieler-Figuren alle mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Rollenbewusstsein ausstattet, fehlt dieses Bewusstsein sowohl dem DICHTER als auch den Publikumsrepräsentanten. Der DICHTER ist Dichter, das Publikum ist Publikum und sonst nichts. Sie stellen nichts dar, sie sind nur sie selber. Auf seiten des Publikums verstärkt diese Ungebrochenheit den Eindruck von absoluter Borniertheit. Borniertheit stellt sich nicht in Frage, für sie gibt es nur eine einzige Wirklichkeit und das ist ihre eigene. Tieck lässt diese Eindimensionalität in jener grotesken Szene kulminieren, in der der Zuschauer FISCHER seine eigene Existenz bestreitet, indem er sie zugleich dadurch, dass er sich artikuliert bekundet. 11 Beim DICHTER bewirkt die eindimensionale Gestaltung eine charmante Hilflosigkeit. Er repräsentiert den Typus des linkischen Idealisten, dem die Macht der Kulturlosigkeit übel mitspielt. Die Kunst scheidet Dichter und Publikum. Sie leben in zwei vollständig getrennten Welten. Die eindimensionale Konzipierung beider dient dazu, diese Andersartigkeit, die hermetische Abgeschlossenheit der Publikumswelt von der Künstlerwelt sinnfällig zu machen. Das Publikum ist Publikum, der Dichter ist Dichter, zueinander kommen können die beiden nicht. 2.4 Das Kater-Konzept Tieck braucht die Figur des zum vermeintlichen Schicksalsgenossen stilisierten DICHTERS nur, um am fiktiven Modell die Differenz zum eigenen Kater-Projekt zu markieren. Der DICHTER ist dem Erwartungshorizont des Publikums ausgeliefert, die Aufführung im Stück wird zum Fiasko, weil er mit den Rezeptionsbedingungen nicht umzugehen weiss. Auch Tieck ist vom Publikum abhängig, aber gerade weil er diese Abhängigkeit zum Gegenstand seines Stückes macht, setzt er sich souverän darüber hinweg. Er benutzt den Erwartungshorizont als Steinbruch spiessig-konventionalisierter Ansichten zum Theater, aus dem er sich das Baumaterial zu seinem eigenen Stück holt. Was im "Prolog" unter den drei Stichworten "Familiengemälde" (TF 493/ 10), "Revolutionsstück" (TF 493/ 17) und "Oper" (492/ 20) verhandelt wird, prägt in unterschiedlicher Art und Weise ganz direkt den Aufbau des Katers selber: Der Gesamtentwurf ist am eigentlichen Urbild aller "Familiengemälde" ausgerichtet, an der klassischen Tragödie. Das Kokettieren mit dem "Revolutionsstück" ist demgegenüber nur Mittel zum Zweck: HINZES Revolutionsparole liefert die nötige Provokation zur Inszenierung eines veritablen Publikumsaufruhrs, der wiederum nur durch den BESÄNFTIGER aus Mozarts Zauberflöte zu beruhigen ist, womit auch die Opern-Erwartung befriedigt werden kann. 3.4.1 Der Kater als Revolutionär HINZES revolutionäre Parole vom aufgefressenen Gesetz 12 macht aus dem Kater noch lange kein Revolutionsstück. 13 Tieck verfährt mit ihr wie mit den Gattungsmodellen: Er setzt sie als vielschillerndes, irritierendes Zeichen ein. Als solche markiert sie Triumph, offen bleibt indes, um welche Art Triumph es sich handelt. Triumphiert mit Iffland als HINZE das künstlerische Mittelmass, oder triumphiert im Gegenteil mit der radikalen lronisierung eine neue Ästhetik? 312 J. Ulrich Binggeli 3.4.2 Vom Triumph der Kulisse Während Tieck mit der Duftmarke "Revolutionsstück" mutwillig seinen Spass mit den entsprechenden Befürchtungen des Publikums im Stück treibt, mündet der Rekurs auf die Zauber: flöte in eine handfeste Karikatur der zeitgenössischen Dekorations- und Kulissenorgien namentlich im Opernbereich. Das Schlussbild des Katers bringt die Situation auf den Bühnen der Zeit anschaulich auf den Punkt: Umjubelter Star des Abends ist die Kulisse und notabene nicht einmal die zum aufgeführten Stück gehörige, sondern die notfallmässig beigezogene der Zauber: flöte (vgl. TF 561/ 28f.). Die Szene entlarvt in ihrer Absurdität den Leerlauf einer Inszenierungspraxis, die tendenziell zum reinen Bühnenspektakel verkommen war. Das Verhältnis zwischen Bühnentechnik und Aufführung hatte sich grundsätzlich verändert: Erstere hatte sich verselbständigt, das Werk und seine Aufführung diente gerade noch als willkommener Anlass zu seiner Selbstinszenierung. Getragen von der ungeheuren Popularität war die Maschine der Maschinenkomödie zum Selbstzweck geworden. Die Verhandlung des DICHTERS mit dem MASCHINISTEN zu Beginn des dritten Aktes steht ganz im Zeichen dieser Entwicklung. Genauso wie vom Publikum ist der Dichter auch vom Bühnentechniker abhängig. Weil dieser sehr genau um die Macht und den Erfolg der von ihm beherrschten Effekte weiss, hat sich die herkömmliche Hierarchie zu seinen Gunsten verändert, der Dichter ist zum Bittsteller degradiert. Die Technik stellt sich nicht mehr in den Dienst der Kunst, sondern umgekehrt die Kunst in den Dienst der Technik. Das Abhängigkeitsverhältnis der Kunst von der Technik ist wie jenes vom Publikum in eine groteske Schieflage geraten. 3.4.3 Der Kater als Tragödie Die These, dass Tieck den Kater vor allem nach dem Modell der Tragödie stilisiert habe, wird durch den ausdrücklichen Bezug auf Schillers Don Carlos nahegelegt. Dazu gehört auch der ominöse Begriff des "Familiengemäldes". Schiller schreibt am 7.6.1784 an den Mannheimer Theaterintendanten Dalberg, dass mit Don Carlos ein "Familiengemälde in einem fürstlichen Haus" entstehe (vgl. Schiller 1981, 1093). Wenn MÜLLER im "Prolog" des Katers auf ein "Familiengemälde" (TF 493/ 10) hofft und FISCHER schon kurz nach Beginn der Aufführung sich in genau dieser Erwartung getäuscht sieht: "Wo ist unsre Hoffnung auf ein Familiengemälde geblieben? " (TF 501/ l 7f.), dann reden die beiden nicht mehr vom gleichen wie Schiller. Für die beiden Zuschauer ist der Begriff nur noch mit der durch Iffland und Kotzebue popularisierten Tradition "des ins Spiessige abgesunkenen bürgerlichen Trauerspiels oder Rührstücks" (Frank 1985, 1395) verbunden. Der Kater spielt nun genau mit der Ambivalenz zwischen der grossen klassischen Form und eben dieser Pervertierung. Tiecks Kater ist ein mutwillig-karikierendes Abbild des kläglichen Abbildes der klassischen Tragödie. Er zitiert die Tragödie in ihrer abgewirtschafteten Form. Darauf beruht sowohl seine Komik wie seine kulturkritische Tendenz, oder, besser gesagt, seine Komik ist seine kulturkritische Tendenz. Was Iffland mit der Tragödie angestellt hat, ist in seiner ganzen Lächerlichkeit nur zum Lachen, als Stoff ein gefundenes Pressen füreine Komödie. Eine Komödie, die amüsiert das Schicksal tragischer Topoi in konfektionierter Dutzendware vorführt: ihre radikale Preisgabe an die Lächerlichkeit. Bereits die Grobgliederung des Katers kokettiert im Grunde genommen mit jener der Tragödie. Vernachlässigt man die Zwischenspiele, dann kommt der Kater daher wie ein nobler Fünfakter. Raffinierter sind indes die Spielereien mit der tragischen Klimax, der Katastrophe und dem Topos der unglücklichen Liebe. Die Modernität der transzerulentalen Buffonerie 313 3.4.3.1 Das verbrannte Kaninchen als tragische Klimax Die weibliche Protagonistin des Liebespaares ist die erste, die zu einem Schiller-Wort greift: Mit dem tragischem Pathos von Carlos' Ausruf im Gespräch mit seinem Vater Philipp: "Sein Aug ist trocken, ihn gebar kein Weib" (Schiller Don Carlos II, 2, V. 1078) massregelt sie Kater HINZE, der, durch das Liebesgeflüster in seiner Jagd behindert, versucht, die beiden höflich wegzukomplimentieren: Barbar, wer bist du, dass du es wagst, die Schwüre der Liebe zu unterbrechen? Dich hat kein Weib geboren, du gehörst jenseits der Menschheit zu Hause. (TF 518/ 20f.) Das zweite Schiller-Zitat fällt kurz darauf, als HINZE im Auftrag des Grafen CARABAS, wie er behauptet, dem König sein erstes Kaninchen bringt und sich damit Zutritt zum Schloss verschafft. Der König, hocherfreut, möchte den Auftraggeber kennenlernen, denn "Wenn solche Köpfe feiern, wie viel Verlust für meinen Staat! " (TF 522/ 34f.) Das ist eine wörtliche Sequenz von KÖNIG PHILIPP aus dem ersten Gespräch mit MARQUIS POSA (vgl. Schiller Don Carlos m, 10, V. 2992f.). Dank dem Kaninchen kommt HlNZE nicht nur in das Schloss, es ist auch das Mittel, das GOTILIEBS Konkurrenten NATHANAEL vertreibt. HlNZE wird schlussendlich GOTILIEB zum Mann der Prinzessin machen können, weil er die kulinarischen Sehnsüchte des König auszunutzen weiss. Hier wie beim ersten Schiller-Zitat fmdet sich der hohe Stil plötzlich nicht mehr im Dienste. des Erhabenen, sondern in jenem des Magens und seiner Wahrheit. Die nächsten Schiller-Zitate fallen in der vierten Szene des zweiten Aktes. Man schreitet zum Essen, der König kriegt endlich sein Kaninchen, und just in dem Moment bricht die Welt zusammen: "Das Kaninchen ist verbrannt! " (TF 532/ 17) Noch unter dem ersten Schock fällt zuerst ein Shakespeare-Zitat: "O Heer des Himmels" 1 4, dann aber wechselt der König zu Schiller: Wer ist das? Durch welchen Missverstand hat dieser Fremdling zu Menschen sich verirrt? - Sein Aug ist trocken! (TF 532, 21f.) Die entsprechende Stelle, von CARLOS gesprochen, lautet: Wer ist das? Durch welchen Missverstand hat dieser Fremdling Zu Menschen sich verirrt? - Die ewige Beglaubigung der Menschheit sind ja Tränen, Sein Aug ist trocken, ihn gebar kein Weib - (Schiller Don Carlos IT, 2 V. 1076-1079) Aus der tragisch-verzweifelten Anklage des Sohnes gegen den Vater bei Schiller wird bei Tieck jene des Königs gegen seinen Koch, der soeben das Kaninchen anbrennen liess. Das karikierte Pathos wird zusätzlich gesteigert durch die nachfolgenden Sätze des Königs: Gib diesen Toten mir heraus. Ich muss Ilm wieder haben! (TF 532/ 26f.) 314 sowie J. Ulrich Binggeli Die Toten stehen nicht mehr auf. Wer darf Mir sagen, dass ich glücklich bin? 0 wär er mir gestorben! Ich hab ihn lieb gehabt, sehr lieb. (TF 532/ 32f.) Beide Sequenzen sind wortwörtliche Äusserungen von KÖNIG PHILIPP in der neunten Szene des letzten Aktes, die dieser unter dem Schock der Nachricht vom Tod des MARQUIS POSA macht. (Vgl. V, 9, V. 5O14f.N. 5O38f.N. 5047f.) Tieck zitiert also im zweiten Akt des Katers aus drei verschiedenen Stellen des Don Carlos: Bei der ersten handelt es sich um die metaphorische Umschreibung unmenschlichen Verhaltens. Das von Schiller aus der parodistischen Umkehr der unbefleckten Empfängnis gewonnene Bildwer nicht von einem Weib geboren ist, ist kein Mensch wird in Carlos' Replik zu einer massiven Anklage seines Vaters. Im Kontext des Katers erscheint demgegenüber die von Schiller vorgenommene parodistische Umkehr wieder rückgängig gemacht: Die weibliche Protagonistin des Liebespaars greift eigentlich nur deshalb zum Schiller-Zitat, um HINZES Verhalten mit dem nötigen rhetorischen Gewicht als Taktlosigkeit disqualifizieren zu können. Da sie ihn der Unmenschlichkeit bezichtigt, wird der rhetorische Kraftakt für den Aussenstehenden lächerlich, weil sie ihn damit nur als das bezeichnet, was er ist, als Tier. 15 Die anderen Stellen stehen bei Tieck ganz im Dienst der Karikatur der tragischen Katastrophe. Wo in der Tragödie das Schicksal zuschlägt und Tote hinterlässt, kriegt im Kater der König seinen "Zufall" (TF 532/ 37f.) wegen eines verbrannten Kaninchens. Wie Schillers KÖNIG PHILIPP in MARQUIS POSA den Hoffnungsträger feiert, so feiert Tiecks Kater-König ihn im Kaninchenlieferanten. Während der Hoffnungsträger bei Schiller sterben muss, damit das Stück den dramaturgischen Erfordernissen der Tragödie entspricht, liefert HINZE bei Tieck ganz wortwörtlich nur das Futter für die Kater-Katastrophe und darf deshalb am Leben bleiben. Zudem ist an der Katastrophenstelle die Komödie noch nicht zu Ende, HlNzE wird für den weiteren Verlauf noch dringend gebraucht. Im übrigen geht es im Kater ja nicht wirklich um Leben und Tod, sondern in erster Linie um die Wirkung des tragischen Schicksalstopos. Die ganze Kater-Welt gerät denn auch tatsächlich für einen Moment ausser Rand und Band: Es entsteht ein gewaltiges Pochen und Pfeifen im Parterre; man hustet, man zischt, die Galerie lacht; der König richtet sich auf, nimmt den Mantel in Ordnung und setzt sich mit dem Zepter in grösster Majestät hin. Alles ist umsonst, der Lä,rm wird immer grösser, alle Schauspieler vergessen ihre Rollen, auf dem Theater eine fürchterliche Pause. - Hinze ist eine Säule hinan geklettert. (TF 533/ Sf.) Der König bleibt als einziger seiner Rolle treu: Dem entspricht im Tragödienmuster, dass der König als einziger überlebt. So wie die andern sterben, vergessen hier die Schauspieler ihre Rollen, während HlNzE sogar vergisst, dass er eine Rolle spielt und nachgerade zum Kater wird 16 • Aus der "häuslichen" Katastrophe am Hofe KÖNIG PHILIPPS ist eine "theatralische" geworden: sowohl auf dem Theater im Theater wie auch auf den Bühnen Berlins. In der Parodie KÖNIG PHILIPPS als vom Kater-König verfluchter KOCH PHILIPP, der "das Jubelgeschrei der Hölle [sei], wenn ein Undankbarer verbrannt wird! " (TF 532/ 29f.), bekommt Tiecks Karikatur nachgerade makabre Züge: Während Schillers KÖNIG PHILIPP noch Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrennen lässt und schliesslich auch seinen eigenen Sohn dem Grossinquisitor überantwortet, verbrennt Tiecks KOCH PHILIPP gerade noch ein Kaninchen. Die Modernität der transzendentalen Buffonerie 315 3.4.3.2 SIE und ER: Vom Verschwinden der Liebe Ähnlich virtuos wie die Katastrophe demontiert Tieck den anderen zentralen Topos der Tragödie: das Konzept der unglücklichen Liebe. Für diese Demontage wählt Tieck ein anderes Verfahren: Während er den Katastrophen-Topos als Strukturelement der Märchenaufführung in das Stück selber integriert, setzt er das Liebespaar wie einen Fremdkörper ein. Er inszeniert damit ein zusätzliches Minidrama als Theater auf dem Theater. Der erste Auftritt im zweiten Akt, zwei Szenen vor der Kulmination im Kaninchen-Debakel, ruft in Erinnerung, dass am Anfang jeder Tragödie die Liebe steht. Weil der Kater-Stoff selber das "echte" Liebespaar vorenthält, füllen die beiden Figuren diese Leerstelle aus. Allerdings mehr schlecht als recht: Tieck kennzeichnet ihre dramaturgische Funktion als lediglich anonyme, einen Rollentypus mimende Figuren vor allem über die Sprache: Das Geturtel der beiden ist von so pathetischer Künstlichkeit, dass es sich als leere Rhetorik entlarvt. Ihr zweiter Auftritt im dritten Akt dient nur noch dazu, die zwischenzeitlich beschlossene Trennung mitzuteilen. Das Liebesdrama ist im Blitzverfahren in zwei Szenen abgehandelt. Der sprachlichen Sterilität dieser beiden Liebespaar-Sequenzen entspricht die szenische: Der Auftritt des Paares ist im Rahmen der Märchenaufführung völlig willkürlich und unmotiviert. Ihr schemenhafter Auf- und Abtritt verliert auch dann nichts von seiner Künstlichkeit, wenn die beiden als eine Art Phantasmagorie dessen betrachtet werden, was Hinze mit seiner Jagd schlussendlich erbeuten möchte, nämlich das Liebesglück zwischen Gottfried und der Prinzessin. Die Liebe ist, zumindest als dramatischer Topos, auf den Hund gekommen - und das Kater-Publikum merkt es sowenig wie die Berliner Iffland-Gemeinde. 17 Ausgehend von der Gattungsproblematik und dem damit zusammenhängenden vielschichtigen Irritationspotential des Katers führten die bisherigen Überlegungen immer wieder zur Ironie. Ironie ist sowohl für strukturelle Eigentümlichkeiten wie für die Grundfärbung der ganzeri Stillage des Stückes verantwortlich. Die Bedeutung der Ironie wiederum wird erst sichtbar, wenn der Text im Tieckschen Sinn als literarische Laune behandelt wird, als dramatisch-dramaturgischer Spass, der souverän über den Fundus aller möglichen, auch gegensätzlichster Gestaltungsmittel verfügt. Dieser Befund präzisiert das Verhältnis zur Ironie: Voraussetzung zur adäquaten Bestimmung der ironischen Dimension des Stückes ist die Einsicht, dass das Programm des Katers gerade darauf beruht, quer zu allen Gattungen zu liegen. Der Kater will in dieser Beziehung gar nichts sein, er will nur etwas vorführen, oder mit Friedrich Schlegel zu reden, "gleichsam auf dem Dache der dramatischen Kunst" herumspazieren. (FS 217) 18 Er wühlt lustvoll in den Rumpelkammern der Theatergeschichte und bedient sich schamlos aller möglichen, zu leeren Konventionen verkommenen Muster zur Inszenierung eines Theaterbetriebs, der zwar an Theater erinnert, aber Theater vorenthält. Theater über das Theater in der Form von Theater auf dem Theater ist für Tieck ein genuin theatralischer, und das heisst, ironischer Akt: "mit der Entstehung des Theaters entsteht auch der Scherz über das Theater, wie wir schon im Aristophanes sehn, es kann es kaum unterlassen, sich selbst zu ironisieren" (TF 564/ 26ff.). Wenn bisher von Ironie die Rede war, dann wurde mit einer gewissen Selbstverständlichkeit auf ein umgangssprachliches Ironieverständnis rekurriert, das weiter oben behelfsmässig als Labilität aller Bezüge beschrieben wurde. Was aber versteht Friedrich Schlegel als Vater der romantischen Ironie unter Ironie? 316 J. Ulrich Binggeli 3. Schlegel und die romantische lronie 3.1 Die Rezeptionsproblematik Die Frage nach der ironischen Qualität von Tiecks Kater ist auch eine nach der romantischen Ironie. Die besondere Art des Tieckschen Lustspiels ist in der Forschung immer wieder als Exemplifikation der romantischen Ironie im Sinne von Friedrich Schlegel betrachtet worden, obwohl Schlegels Lyceums-Fragmente von 1797, der Schlüsseltext für die Entwicklung des romantischen lroniebegriffs, und Tiecks Kater im selben Jahr erschienen sind und demzufolge gar keine direkte Ableitung vorliegen kann. Es scheint vielmehr so zu sein, dass die spezifische Dramenform des Katers und das romantische Ironie-Postulat Schlegels unabhängig voneinander zur gleichen Zeit eine gleiche poetologische Intention zum Ausdruck bringen. 19 Es bereitet auch heute noch Schwierigkeiten, Schlegels Ideen zur Ironie begrifflich präzise zu bestimmen. Verantwortlich dafür ist in erster Linie die Form, die Schlegel zu ihrer Darstellung benutzt. Er findet zwar im Rahmen seiner Fragmentsammlungen ganz griffige und pointierte Formulierungen, entwickelt dabei aber keineswegs ein in sich kohärentes, systematisch fassbares Ironie-Konzept. Diese Offenheit hat durchaus Methode, insofern sie sich bewusst einer Darstellungsweise verweigert, die dem Gegenstand nicht angepasst ist. Allein schon durch die Fragmentform signalisiert Schlegel, dass die Ironie sich wesensmässig einer Systematisierung entzieht und deshalb einer anderen als einer systematischen Darstellungsform bedarf. Insofern aber die konsequente Fragmentarisierung mit System betrieben ist, sind die Fragmente Ausdruck der im 53. Athenäums-Fragment beschriebenen Notwendigkeit, System und Systemlosigkeit zu verbinden: "Es ist gleich tödlich für den Geist, ein System zu haben, und keins zu haben. Er wird sich also wohl entschliessen müssen, beides zu verbinden." (FS 2, 173) Die Fragmente präsentieren sich als "wogende Ideenmasse", die die Begriffe im Fluss hält und sie in immer neuen Ansätzen experimentell umspielt. (Pikulik 1992, 112) Weil das, was Schlegel mit dem Begriff der Ironie umkreist, sich einer eindeutigen Fixierung entzieht, dürfen Schlegels Ausführungen nicht als Definitionen gelesen werden. "Sie sind es im Grunde nicht, sondern nur perspektivische Annäherungen an etwas eigentlich Undefinierbares." (Pikulik 1992, 112) Schlegel kann deshalb behaupten, dass Ironie ebenso "logische Schönheit" wie auch die "Form des Paradoxen" sei, dass in ihr "alles Scherz und Ernst", "treuherzig offen" und gleichzeitig "tief verstellt" sei, dass ihr eine "erhabne Urbanität" ebenso eigne, wie "transzendentale Buffonerie". Diese schillernde Opazität der Schlegelschen lronieperiphrasen dürfte dafür verantwortlich sein, dass die Ironie seither eine ungebrochene Anziehungskraft hat. Das macht sie nicht eben verständlicher, im Gegenteil. Ein kurzer Blick auf die Rezeptionsgeschichte zeigt, dass diese den Zugang zu einem adäquaten Verständnis eher erschwert als erhellt. Bereits die Zeitgenossen haben höchst unterschiedlich auf Schlegels Ironie-Postulat reagiert. Schon nach kurzer Zeit drohte das Wort "im Vexierspiel begriffslüsterner romantischer Selbst- und Weltdeutung[ ... ] ins Schemenhafte abzusinken". (Strohschneider-Kohrs 1978, 78f.) Schlegel reagierte darauf mit Ironie. Im letzten Stück des dritten Athenäum-Bandes, im Essay Über die Unverständlichkeit, demonstriert er gleich selber ironische Kompetenz und Souveränität, indem er seinen eigenen Ironieentwurf im Namen des damit ausgelösten unsäglichen Ironiefiebers, ironisiert: Er beschreibt zunächst ein ganzes System von lroniearten: "die erste und vornehmste von allen ist die grobe Ironie". (FS 2, 369) Es folgen dann die feine, die delikate, die extrafeine, die redliche, die dramatische, die doppelte und schliesslich die Ironie der Ironie. Darunter kann wiederum laut Schlegel Verschiedenstes verstanden werden: Die Modernität der transzendentalen Buffonerie 317 Wenn man ohne Ironie von der Ironie redet, wie es soeben der Fall war; wenn man mit Ironie von einer Ironie redet, ohne zu merken, dass man sich zu eben der Zeit in einer andren viel auffallenderen Ironie befindet; wenn man nicht wieder aus der Ironie herauskommen kann, wie es in diesem Versuch über die Unverständlichkeit zu sein scheint; wenn die Ironie Manier wird, und so den Dichter gleichsam wieder ironisiert; [... ] wenn die Ironie wild wird, und sich gar nicht mehr regieren lässt. (FS 2, 369) Genutzt hat Schlegels Versuch, die Ironie über ihre Ironisierung zu bändigen, nichts, sie ist auch später immer wieder wild geworden: sei es bei den ersten grossen Antipoden der romantischen Kunstauffassung Hegel und Kirkegaard oder in dem Disput über die Kunst und Kunstbegriffe der deutschen Romantik in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, der nicht zuletzt durch die Beunruhigung oder Faszination durch die zeitgenössische Kunst ausgelöst worden war, als deren Anfang und Ahne die Romantik betrachtet wurde. Die Schlegelschen Aphorismen wurden zu Freibriefen, um "alle möglichen 'Höllenfahrten der Selbsterkenntnis' dermodemenKunstmitdemNamen 'Ironie' zu verbinden". (Strohschneider-Kohrs 1978, 77) Um dieser Gefahr zu entgehen, soll im folgenden versucht werden, die gedanklichen Voraussetzungen der einschlägigen Fragmente zur Ironie zu rekonstruieren. Es geht dabei sowohl um die Frage nach ihrem Stellenwert in Schlegels eigenem Denken wie auch um die Bedeutung seiner Ironie~Konzeption in der Geschichte des Ironiebegriffs. Diese beiden Fragestellungen ergeben sich aus den zwei grundsätzlichen Untersuchungsperspektiven der Forschung zur romantischen Ironie: Entweder geht man von Schlegel aus und kommt so zur Ironie, oder man geht von der Ironie aus und fragt nach dem Beitrag Schlegels. Obwohl beide Betrachtungsweisen auf die gleichen Belegstellen rekurrieren, ergeben sich Akzentverschiebungen. Für die Schlegel-Forschung steht die Ironie in einem direkten Zusammenhang mit der geschichtsphilosophischen Prägung der Gedankenwelt Schlegels. Für sie taucht die Ironie in Schlegels Denkhorizont als Versuch des modernen Menschen auf, mit seiner existentiellen Situation zurechtzukommen. Die Ironie-Forschung betont demgegenüber den grossen Wandel in der Geschichte der europäischen lronieauffassung, der durch die Lyceums- Fragmente eingeleitet wurde. Aus dieser Optik hat der von Schlegel propagierte Bedeutungswandel weniger mit der persönlichen Befindlichkeit des Autors zu tun als vielmehr mit der Erkenntnis, dass sich in der literarischen Tradition des Abendlandes durch alle Epochen hindurch ein Stilmerkmal behauptet hat, das Schlegel mangels eines anderen Begriffs mit Ironie bezeichnet hat. 3.2 Zur Entwicklung des Ironie-Begriffs vor den Lyceums-Fragmenten Die Gedankenwelt des jungen Schlegel ist der Geschichtsphilosophie verpflichtet und als solche durch drei Aspekte geprägt: das Erlebnis der Antike, das reflektierte Leiden an der Modeme sowie die Hoffnung auf das kommende Reich Gottes. Diesen drei Schichten sind drei unterschiedliche Zeitdimensionen zugeordnet: die klassizistische der Vergangenheit, die zeitkritische der Gegenwart, die eschatologische der Zukunft. Die Gegenwart erscheint als antithetische Negativität zur idealisierten Antike. Diese ist zwar für die Gegenwart nicht reproduzierbar, geistert aber als erinnerte Thesis für die Zukunft durch die Gegenwart. Im Aufsatz Über das Studium der Griechischen Poesie von 1795 analysiert Schlegel die Antike und die Modeme streng antithetisch. Die Negativität der Gegenwart, verstanden als Zwischenzeit, ist nur als Antithese zur Vergangenheit und der geahnten Synthese der Utopie in der Zukunft sinnvoll. Der Studium-Aufsatz postuliert die Antike als natürliche Bildung, die Modeme als künstliche. Verantwortlich für die negative Einschätzung der Modeme ist die 318 J. Ulrich Binggeli Emanzipation des Verstandes, unter dessen Einfluss alle Bezüge zerstört oder fragwürdig und Gegenstand der Reflexion werden. Für den jungen Schlegel ist die Antike ihrem Wesen nach Zusammenhang, die Modeme dagegen Zerstückelung. Dem entspricht in ästhetischer Hinsicht die Verdrängung des Schönen durch das Interessante. Schlegels Frühwerk ist der Versuch, das durch den Verstand des isolierten Subjekts produzierte Negative zu denken und zu überwinden. Mit den Lyceums-Fragmenten von 1797 setzt eine Umwertung dieses Negativen ein: Es gibt auch negativen Sinn, der viel besser ist als Null, aber viel seltner. Man kann etwas innig lieben, eben weil mans nicht hat: das gibt wenigstens ein Vorgefühl ohne Nachsatz. Selbst entschiedne Unfähigkeit, die man klar weiss, [...] setzt wenigstens partiale Fähigkeit und Sympathie voraus. (FS 2, 155) Das Wissen um die Unfähigkeit und die im "Vorgefühl" angedeutete Zukunftsbezogenheit, oder anders ausgedrückt, die Reflexion und die Utopie sind demnach die beiden Faktoren, die das Negative, obwohl sie es zugleich auch mit verschulden und mit ausmachen, zu einem Positiven verwandeln. Verständlich werden diese beiden Aspekte erst, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Schlegels Überlegungen wesentlich durch die Sehnsucht bestimmt sind, die Gebrochenheit der modernen Existenz zu überwinden. Viele seiner Äusserungen kreisen um Möglichkeiten, die Gegensätze aufzuheben und zu vereinigen. Szondi sieht in diesem Drang zur Vereinigung die "Haupttendenz" des Romantischen bei Schlegel, die sich in allen Bereichen manifestiere: am bekanntesten in der Bestimmung der romantischen Poesie, dann aber auch in der Philosophie, in der Ästhetik, in der Ethik, im Problem der Ich-Welt-Beziehung oder in der Auffassung der Liebe. (Szondi 1978, 15f.) Szondi folgert daraus, dass die Hauptbewegung von Schlegels Denken, "das Streben nach Einheit, nach Kommunikation, Universalität, Unendlichkeit" (Szondi 1978, 16) sei. Für das moderne Subjekt ist Reflexion primär Selbstbewusstsein und Selbstbezogenheit. Wenn sie zunächst auch nur Ausdruck der Isolation des Subjekts zu sein scheint, führt die Reflexion aber schliesslich doch dazu, dass das auf sich zurückgeworfene, sich selbst Gegenstand gewordene Ich Distanz zu sich und der Welt gewinnt und aus diesem Bewusstsein die zunächst durch die Reflexion hervorgerufene Spaltung wieder aufzuheben vermag. Analog dazu fordert Schlegel eine Dichtung, die mit dem Objekt auch sich selber mitdichtet, sich selber zum Gegenstand macht, Poesie der Poesie wird. Im berühmten 116. Athenäums-Fragment, das die "romantische Poesie" als "progressive Universalpoesie" postuliert, formuliert Schlegel zu diesem Aspekt: Und doch.kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frei von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen. (FS 2, 182f.) Im gleichen Fragment kommt Schlegel auch auf die utopische Dimension der romantischen Poesie zu reden: Andere Dichtarten sind fertig, und können nun vollständig zergliedert werden. Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, dass sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann. (FS 2, 183) Insofern die utopische Qualität gerade im ewig Unfertigen, in der Absage an Vollkommenheit gesehen wird, deutet Schlegel auch auf diese Weise das Zerstückelte der Modeme positiv um. Er betont das futuristische Element der fragmentarischen Gestaltungsweise explizit im 24. Athenäums-Fragment: "Viele Werke der Alten sind Fragmente geworden. Viele Werke der Die Modernität der transzendentalen Buffonerie 319 Neuem sind es gleich bei der Entstehung." (FS 2, 169) Schlegel sieht im Fragment die adäquate Ausdrucksform für die Darstellung und Gestaltung jenes Wissens um das Zukünftige, das das Sein im Negativen erleichtert, weil dieses so zum Vorläufigen wird. Fragt man nun nach Bedeutung, Stellenwert und Funktion der Ironie in diesem frühromantischen Kosmos transzendentaler Ernüchterung, so zeigt sich, dass ihr geradezu die Funktion eines Katalysators zukommt. Sie erst scheint die Begriffswelt des jungen Schlegel in jenen dialektischen Prozess verwickelt, die involvierten Ideen dafür verfügbar gemacht zu haben. Ein gewichtiges Indiz für diese These liefert eines der ersten Lyceums-Fragmente: Mein Versuch über das Studium der griechischen Poesie ist ein manierierter Hymnus in Prosa auf das Objektive in der Poesie. Das Schlechteste daran scheint mir der gänzliche Mangel der unentbehrlichen Ironie, und das Beste, die zuversichtliche Voraussetzung, dass die Poesie unendlich viel wert sei; als ob dies eine ausgemachte Sache wäre. (FS 2, 148) Die selbstkritische Würdigung seiner Frühschrift erfolgt ganz im Zeichen der fehlenden Ironie. Gleichzeitig wird aber auch das Verhältnis zwischen Poesie und Ironie deutlich: Allein die befriedigte Feststellung, dass er immerhin den Wert der Poesie von Beginn an erkannt habe, zeigt, .dass Schlegels Kernanliegen primär dem Entwurf einer neuen Poesie gilt. Die Ironie dagegen rückt von dem Moment an ins Blickfeld, da Schlegel glaubt, in ihr den Schlüssel zu dem gesuchten neuen Poesieverständnis gefunden zu haben. Der ironische Blick erst scheint ihm Betrachtungsweisen vermittelt zu haben, die den Weg zur romantischen Poesie aufzeigen. Insofern sind die Lyceums-Fragmente nicht nur in der Begriffsgeschichte der Ironie ein Wendepunkt, sondern auch in Schlegels eigener Entwicklung zum Vordenker der deutschen Romantik. 20 Gerade die Heterogenität der Äusserungen zur Ironie und die verwirrend-wuchernde Vielfalt der Bezugspunkte zeigen, dass der Denkhorizont der Schlegelsehen Fragmentsammlungen gänzlich durch die Ironie geprägt ist. Die Ironie bestimmt die Grundtonart und wird so zur Signatur des romantischen Geistes. 3.3 Schlegels Ironie-Begriff Was aber meint Schlegel, wenn er von Ironie spricht? Im 42. Lyceums-Fragment gibt Schlegel einen Aufriss seiner Ironie-Konzeption: Die Philosophie ist die eigentliche Heimat der Ironie, welche man logische Schönheit definieren möchte: denn überall wo in mündlichen oder geschriebenen Gesprächen, und nur nicht ganz systematisch philosophiert wird, soll man Ironie leisten und fordern; und sogar die Stoiker hielten die Urbanität für eine Tugend. Freilich gibts auch eine rhetorische Ironie, welche sparsam gebraucht vortreffliche Wirkung tut, besonders im Polemischen; doch ist sie gegen die erhabne Urbanität der sokratischen Muse, was die Pracht der glänzendsten Kunstrede gegen eine alte Tragödie in hohem Styl. Die Poesie allein kann sich auch von dieser Seite bis zur Höhe der Philosophie erheben, und ist nicht auf ironische Stellen begründet, wie die Rhetorik. Es gibt alte und moderne Gedichte, die durchgängig im Ganzen und überall den göttlichen Hauch der Ironie atmen. Es lebt in ihnen eine wirkliche transzendentale Buffonerie. Im Innern, die Stimmung, welche alles übersieht, und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst, Tugend, oder Genialität: im Äussern, in der Ausführung die mimische Manier eines gewöhnlichen guten italiänischen Buffo. (FS II, 152) Schlegel ist sich natürlich bewusst, dass der Begriff der Ironie durch die Rhetorik besetzt und mit ganz bestimmten Inhalten konnotiert ist. Er ist deshalb gezwungen, deutlich herauszustreichen, dass er nicht von einer punktuell und zu ganz bestimmten Zwecken einsetzbaren 320 J. Ulrich Binggeli Redefigur spricht, sondern von einem Prinzip, das "überall" und "durchgängig im Ganzen" wirkt. Der Ursprung dieser Ironie liegt für ihn in der Philosophie beziehungsweise in der besonderen Art der philosophischen Argumentation, die von Sokrates praktiziert und von Platon zu einer literarischen Dialogkunst entwickelt worden ist. Schlegel postuliert letztlich nichts anderes als eine Rückbesinnung auf diese Denk- und Argumentationsweise. Dass er als ihr Wiederentdecker diese Ironie ungleich höher einschätzt als die rhetorische, ist nicht weiter erstaunlich. Aufschlussreich ist hingegen die Art und Weise, wie er das tut. Er illustriert den unterschiedlichen Gehalt der beiden Ironiebegriffe ästhetisch, mit dem Gefälle nämlich zwischen den zwei literarischen Gattungen der Kunstrede und der alten Tragödie. Dieser Vergleich bildet die Brücke, über die er auf die Poesie und damit auf sein zentrales Credo zu sprechen kommen kann: Erst in Verbindung mit der sokratischen Ironie erreicht die Poesie die philosophische Bedeutung und Grösse, die sie zum umfassenden Kunstprinzip nobilitiert. Diese Ironie ist die Voraussetzung dafür, dass möglich wird, was Schlegel im 115. Lyceums- Fragmentpostuliert: "Alle Kunst soll Wissenschaft, und alle Wissenschaft soll Kunst werden; Poesie und Philosophie sollen vereinigt sein." (FS 2, 161) Behler geht davon aus, dass Schlegel primär durch seine Literaturstudien zu einer Neukonzeption der Ironie angeregt worden sei. Er sieht diese These durch die Feststellung in diesem Fragment bestätigt, dass der Hauch der Ironie in alten und modernen Gedichten anzutreffen sei. Schlegel habe letztlich nichts anderes gemacht, als "ein entscheidendes Merkmal der europäischen Literatur mit dem Namen der l.[ronie]" bezeichnet. (Behler 1998, 609) 21 Die Entdeckung, dass in der europäischen Literatur quer durch alle Epochen hindurch ein Stilprinzip erkennbar ist, das eine starke Affinität zum Widersprüchlichen und Paradoxen hat, das eine tiefe Gebrochenheit, in der er seine eigene zu erkennen meint, im künstlerischen Ausdruck zu bewältigen sucht, muss Schlegel wie eine Offenbarung empfunden haben. 22 Während im zitierten Fragment vom "göttlichen Hauch" die Rede ist, nennt er die Ironie im Essay über Georg Forster "ein zartes, geflügeltes und heiliges Ding" (FS 90). Er versieht mit einem "Heiligenschein" (Pikulik 1992, 107), was er im 108. Lyceums-Fragment als "die einzige durchaus unwillkürliche, und doch durchaus besonnene Verstellung" (FS 160) bezeichnet. Schlegels Ironie wurzelt tief im sokratischen Gestus des Nichtwissens. Dieser Gestus ist seinem Wesen nach ein Akt der Verstellung, weil er höherer Einsicht entspringt und insofern wiederum Wissen anzeigt. Ein Wissen freilich von ganz anderer Qualität, Weisheit eben, die dazu befähigt, den Grossteil dessen, was sich als Wissen ausgibt, als Täuschung zu durchschauen und zu entlarven. Weisheit ist das Wissen, dass die Wahrheit nicht verfügbar ist, sondern in einem unendlichen Prozess gesucht werden muss. Sie ist als Ganzes nicht zu haben, nur partielle Einsichten sind möglich, jedes Verständnis ist letztlich bruchstückhaft, fragmentarisch. Und das ist für Schlegel auch gut so, denn: Wahrlich, es würde euch bange werden, wenn die ganze Welt, wie ihr es fodert, einmal im Ernst durchaus verständlich würde. Und ist sie selbst diese unendliche Welt nicht durch den Verstand aus der Unverständlichkeit oder dem Chaos gebildet? (FS 370) Diese Apotheose der Unverständlichkeit im Namen des sokratischen Nichtwissens aus dem Essay Über die Unverständlichkeit steht ganz im Zeichen der skizzierten Umwertung des Negativen. Das menschliche Unvermögen, die letzten Dinge zu begreifen, das "Unverständliche, Dunkle erscheint hier als Sacrum, dessen erhaltende Kraft verlorenginge, wenn der Verstand Zugang zu ihm erhielte [... ]. Und die Ironie ist der lächelnde Wärter, der den Zugang bewacht." (Pikulik 1992, 108) Der ironische Blick hebt das Unverständliche nicht nur Die Modernität der transzendentalen Buffonerie 321 ins Bewusstsein, er stiftet zugleich auch die Erkenntnis seiner Notwendigkeit als unergründliche und unerschöpfliche Quelle alles Werdenden. 3.4 Die "tranzendentale Buffonerie" Weil der ironische Blick ein Verzicht auf ein umfassendes metaphysisches Verstehen ist, stiftet er eine entspannte Überlegenheit, die im Widersprüchlichen und Paradoxen dieser existentiellen Spielvorgabe nichts weniger als eine "transzendentale Buffonerie" zu sehen vermag. Oder anders formuliert: Die Wünsche, die die Ironie im Bereich der metaphysischen Sinnstiftung (selbst)bewusst offen lässt, kompensiert sie durch die Vermittlung einer Disposition zti einem lustvollen Sprung in die Fülle des Lebens, in eine Buffonerie eben. Deren weitere Bestimmungdurch den Begriff"transzendental" macht zweifellos die Originalität und Eigentümlichkeit dieser vielleicht berühmtesten und meist· zitierten Wortschöpfung im Zusammenhang mit der romantischen Ironie aus. Hält man sich jedoch an die meisten Kommentare, könnte man meinen, Schlegel rede von 'buffonesker Transzendenz'. Selbst wenn "transzendental" in Schlegels Verwendung erläuterungsbedürftiger ist als "Buffonerie", sollte die grammatikalische Fügung insofern berücksichtigt werden, als Schlegel in diesem Zusammenhang den Akzent eindeutig auf die Betonung des Theatralisch-Komödiantischen oder ganz allgemein des Spielerischen setzt. Es geht um die Verführung zu einer Optik, die "die Begebenheiten, die Menschen, kurz das ganze Spiel des Lebens wirklich auch als Spiel" (FS 323) nimmt und darstellt. Die Fortsetzung dieser Passage aus dem Gespräch über die Poesie thematisiert genau jenes Verhältnis zwischen dem Idealen und dem Realen, das Schlegel anderenorts 23 zur Bedeutung des Begriffes transzendental angibt: LOTHARIO. Alle heiligen Spiele der Kunst sind nur ferne Nachbildungen von dem unendlichen Spiele der Welt, dem ewig sich selbst bildenden Kunstwerk. LUDOVIKO. Mit anderen Worten: alle Schönheit ist Allegorie. Das Höchste kann man eben weil es unaussprechlich ist, nur allegorisch sagen. (FS 324) In der Luft der Ironie wächst dem buffonesken Spiel eine transzendentale Dimension zu, Buffonerien dieser Art wohnt eine Tendenz auf das Utopische hin inne. Die Kunst erhält eine andere Verbindlichkeit. Als progressive Universalpoesie ist sie im Werden: ''ja, das ist ihr eigentliches Wesen, dass sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann." (FS 183) Solche Kunst ist von einer eigentümlichen Spannung geprägt: Was von Aussen in der Maskerade eines "guten italiänischen Buffo" daherkommt, ist im Innern von einem überlegenen Geist durchdrungen, der insofern Transzendenz stiftet, als er "alles übersieht, und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst, Tugend oder Genialität." (FS 152) "Transzendentalpoesie" stellt ihrem Wesen nach "das Produzierende mit dem Produkt" dar, ist "künstlerische Reflexion und schöne Selbstbespiegelung", sie ist "überall und zugleich Poesie und Poesie der Poesie". (FS 204) Schlegel macht aus einem erkenntnistheoretischen einen poetologischen Begriff, indem er "Transzendenz" zu "poetischer Reflexion" umprägt. Das ist nur möglich, weil er den reflexiven Anteil in der Wechselbeziehung zwischen Philosophie und Poesie auch auf die Poesie bezieht und damit die Unterscheidung zwischen beiden aufhebt. Es ist offensichtlich, dass die Bezeichnung "poetische Reflexion" für Schlegel gleichbedeutend mit Ironie ist. Ironie wird damit zur Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis. Nur mit Hilfe der Ironie ist das menschliche Dasein zu erkennen und zu ertragen. Das bedeutet jedoch nicht, dass auf diesem Wege das Unendliche im Endlichen auch tatsächlich fassbar wäre. 322 J. Ulrich Binggeli Die Ironie mutet der Kunst Zeichen der Reflexion zu, die nur auf das Verhältnis, den Widerstreit, die Grenze zwischen Endlichem und Unendlichem weisen. [...] Das Ironie-Postulat[...] beschränkt die Poesie nur auf das Verweisungszeichen [...], sie deutet nur hinaus auf ein Mögliches hinter dem Erscheinenden. (Strohschneider-Kohrs 1987, 87f.) 3.5 Die Ironie zwischen Dialektik und Polarität Spannungsverhältnisse sind die eigentliche Domäne der Ironie. Das ganze 108. Lyceums- Fragment charakterisiert die Sokratische Ironie als Medium, in dem Zwiespältigkeiten bewusst gemacht und als solche wahrgenommen, aufgehoben, aber nicht aufgelöst werden: In ihr ist alles Scherz und Ernst, offen und verstellt; sie vereinigt Lebenspraxis mit wissenschaftlichem Geist, Kunstmit Naturphilosophie, sie sensibilisiert für den "unauflöslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten, der Unmöglichkeit und Notwendigkeit einer vollständigen Mitteilung", sie ist zugleich die "freieste aller Lizenzen, denn durch sie setzt man sich über sich selbst weg; und doch auch die gesetzlichste, denn sie ist unbedingt notwendig" (FS 160). Die Ironie stiftet ein Klima, in dem die Gegensätze nicht als unvereinbare Pole erscheinen, sondern in einen dialektischen Prozess gebracht werden können. Dieser erfasst alles, insbesondere auch den Künstler selber: Mit der "freiesten aller Lizenzen" wird aus Selbstbeschränkung Selbstüberwindung, die erst den Raum wirklicher Freiheit erschliesst. Im 37. Lyceums-Fragment bezeichnet Schlegel diese Form der Selbstüberwindung als das Notwendigste und des Höchste: Das Notwendigste: denn überall, wo man sich nicht selbst beschränkt, beschränkt einen die Welt; wodurch man ein Knecht wird. Das Höchste: denn man kann sich nur in den Punkten und an den Seiten selbst beschränken, wo man unendliche Kraft hat, Selbstschöpfung und Selbstvernichtung. (FS 151) Indem die Ironie die Wechselwirkung zwischen Selbstschöpfung und Selbstvernichtung oder Enthusiasmus und Skepsis 24 als unabdingbare Voraussetzung des künstlerischen Schaffensprozesses einsichtig macht, vermag sie die beiden Antagonismen dialektisch in der Selbstbeschränkung aufzulösen. Die Selbstbeschränkung erscheint als "Meisterung des künstlerischen Schaffensdranges" (Behler 1972, 68), als "Vermögen besonnenen Selbstbewusstseins der künstlerischen Tätigkeit als solcher". (Strohschneider-Kohrs 1978, 86) Die Ironie generiert eine Kunst der buffonesken Heiterkeit mit transzendentaler Öffnung. Im vieldiskutierten 69. Ideen-Fragment ist letztlich nur die Voraussetzung dieses rastlosen Werdens und Vergehens formelhaft ausgedrückt, wenn Schlegel die Ironie als "klares Bewusstsein der ewigen Agilität, des unendlich vollen Chaos" (FS 263) bestimmt. Wo Bewegung, Beweglichkeit, Leben fehlt, ist der Tod. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet bildet auch das Vokabular Schlegels diese rastlose Bewegtheit ganz direkt ab: "Buffonerie", "transzendental", "progressiv" sind Ausdrücke der "Agilität". Schlegel hat die Ironie verschiedentlich formelhaft verkürzt beschrieben. "Ironie ist die Form des Paradoxen", "Ironie ist permanente Parekbase". Der Begriff selber scheint immer wieder in den dialektischen Umformungsprozess hineinzugeraten. Wenn Ironie zunächst überhaupt das Bewusstsein etwa von der Notwendigkeit "ewiger Agilität" vermittelt, wird in einem nächsten Schritt dieser Vermittlungscharakter obsolet, die Ironie wird zur Sache selber, sie ist das "Bewusstsein ewiger Agilität". Dem entspricht die Akzentverschiebung, die der Ironiebegriff selber durchmacht: Was zunächst als "Selbstbeschränkung" auf das Verhältnis Die Modernität der transzendentalen Buffonerie 323 des Autors zu seinem Werk bezogen war, wird in einem weiteren Schritt um den Aspekt der "poetischen Reflexion" vertieft (FS 182), um schliesslich in die symbolische Auffassung der Ironie im Gespräch über die Poesie zu münden, wo diese ''uns nur Zeichen, Mittel zur Anschauung des Ganzen" (FS 323) vermittelt. In dieser Optik lässt die Ironie als Bewusstsein des ''unendlich vollen Chaos" alles nur als Stück eines umfassenden Ganzen erscheinen. "Der eigentliche ironische Gehalt dieser Sehweise liegt demnach in einem symbolischen Verständnis alles einzelnen und notwendig begrenzten Seins als Teil der unendlichen Lebensfülle." (Behler 1972, 71) "Es ist gleich unmöglich, sie [die Ironie] zu erkünsteln, und sie zu verraten. Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch nach dem offensten Geständnis ein Rätsel." (FS 160) Diese Bemerkung aus dem 108. Lyceums-Fragment benennt wohl den tieferen Grund, weshalb Schlegel sich nach dem Ende des Athenäums nur noch spärlich zur Ironie geäussert hat. Der Essay Über die Unverständlichkeit im letzten Band gleicht einer Absage an die weitere öffentliche Erörterung der Ironie. Welche Bedeutung aber die Ironie auch weiterhin in seinem Denken hatte, veranschaulicht eindrücklich der Vergleich mit der Liebe in einer seiner letzten Vorlesungen: Die wahre Ironie[...] ist die Ironie der Liebe; Sie entsteht aus dem Gefühl der Endlichkeit und der eigenen Beschränkung, und dem scheinbaren Widerspruch dieses Gefühls mit der in jeder wahren Liebe eingeschlossenen Idee eines Unendlichen. (FS 10, 357) 4. Tiecks Kater und die Ironie Friedrich Schlegels Gemessen an Schlegels lroniebegriff ist Tiecks Kater ein Meisterwerk der Ironie. Ob er umgekehrt auch ein ironisches Meisterwerk ist, ist eine andere Frage. Um mit Schlegel zu reden: Der Kater ist exzellente Poesie der Poesie, ist er aber auch Poesie? Doch zunächst, inwiefern korrespondiert Tiecks ''Theatergemälde" mit Schlegels Ironie-Konzept? Viele seiner charakteristischen Merkmale lassen sich als Ausdruck eines Habitus erklären, der die Signatur des Schlegelschen lronieverständnisses trägt. Allen anderen voran ist die Grundkonzeption als Theater auf dem Theater dafür verantwortlich, dass der Kater den "göttlichen Hauch der Ironie" atmet. Mit der Emanzipation des in der Tradition vorgegebenen Topos vom Spiel im Spiel vom episodischen Motiv zur Grundkonstellation des ganzen Stücks macht Tieck die Dichtung zum Gegenstand ihrer selbst. Das Theater ist sich durch die permanenten Illusionsbrüche und das systematische Aus-der-Rolle-Fallen des Spielerpersonals in einem Grade gegenständlich geworden, dass es zwangsläufig dem Schlegelschen Rhythmus von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung, von Enthusiasmus und Skepsis anheimfällt. Im Akt der systematisch betriebenen Desillusionierung entsteht eine neue Fiktion, die zerstörte Theaterwirklichkeit wird laufend und gleichzeitig durch eine neue ersetzt. Die konsequente Prägung des ganzen Stückes durch ein alle Ebenen und Schichten durchdringendes Prinzip der Gebrochenheit, entspricht dem Postulat, wonach Ironie nur ist, wo sie "durchgängig im Ganzen und überall" (FS 152) herrscht. Dass in diesem Ambiente keine geordneten Prozesse ablaufen können, versteht sich von selbst. Was Tieck im Kater als unglaublich turbulente und chaotische Szenerie zwischen Schein und Sein entwirft, heisst bei Schlegel "transzendentale Buffonerie" (FS 152). Die "mimische Manier eines gewöhnlichen guten italiänischen Buffo" (FS 152) ist unmittelbar einsichtig, die Komponente der Transzendenz25 nur dann, wenn man bereit ist zuzugeben, dass Tieck mit dem Kater tatsächlich 324 J. Ulrich Binggeli etwas Neues gelungen ist, das weit über sich hinausweist. Die Schlegelsche Ironie generiert in der Poesie das Utopische aus der Auseinandersetzung mit existentiellen Bedingungen, die essentiell aus unauflösbaren Spannungen bestehen. In diesem Horizont ist auch Tiecks experimenteller Ansatz zu verorten, im Kater die Produktions-, Darstellungs- und Rezeptionsperspektive zu vereinen. Unabhängig davon, wie gut ihm das gelungen ist, bewahrte gerade die transzendentale Dimension der Ironie Tieck selber vor dem Schicksal seines DICHTERS. Insofern das Ironie-Postulat die "Poesie nur auf das Verweisungszeichen" beschränkt und nur auf ein "Mögliches hinter dem Erscheinenden" deutet (vgl. Strohschneider-Kohrs 1987, 87f.), verweist der Kater auf ganz neue Dimensionen im dramatischen Fach. Der Kater ist eine Utopie der Komödie 26 , insofern ist Tieck weit mehr als der Erfinder nur der romantischen Komödie. In Tiecks Gebrauch wächst auch dem dramaturgischen Muster des Aus-der-Rolle- Fallens transzendentale Qualität zu. Weil er es wie die Spiel im Spiel-Konzeption nicht nur episodisch, sondern systematisch als durchgängiges Merkmal einsetzt, mutiert es vom Kuriosen zum Normalen. Normal ist, dass man ein Rolle spielt und sich dessen bewusst ist und deshalb auch souverän aus ihr herausfallen beziehungsweise umgehend wieder in sie hineinschlüpfen kann. Komisch,ja geradezu abseitig wirken demgegenüber jene Figuren, die, wie das Liebespaar, dieses Rollenbewusstsein nicht haben. Diese Inversion ist eine logische Konsequenz der romantischen Poesie, die "am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frei von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte" schwebt (FS 182). In einer so konzipierten Kunst, die als allumfassendes, im besten Sinne 'ganzheitliches' Programm das Weltganze künstlerisch durchdringen, in Kunst tränken, "das Leben und die Gesellschaft poetisch machen" (FS 182) will, gibt es keine Trennung von Fiktion und Realität. Der herkömmliche Sinn des Aus-der-Rolle-Fallens hat sich in sein Gegenteil verkehrt: Wer nicht aus der Rolle fällt, fällt aus der Rolle. Leben ist Spiel, und Spiel ist Leben: Selbst in ganz populären Arten wie z.B. im Schauspiel, fodem wir Ironie; wir fodem, dass die Begebenheiten, die Menschen, kurz das ganze Spiel des Lebens wirklich auch als Spielgenommen und dargestellt sei.[...] Alle heiligen Spiele der Kunst sind nur ferne Nachbildungen von dem unendlichen Spiele der Welt, dem ewig sich selbst bildenden Kunstwerk. (FS 323f.) Diese Passage aus dem Gespräch über die Poesie von 1800, steht zwar bereits ganz im Zeichen des symbolischen Ironiebegriffs des späteren Schlegel. Dessen ungeachtet darf die Spiel-Metapher zweifellos als Tertium comparationis des lronieverständnisses von Tieck und Schlegel betrachtet werden. Spiel ist ein Indikator sowohl für Scherz und Unernst wie auch für Bewegung, Beweglichkeit, Vitalität - Leben. In den zur gleichen Zeit wie das Gespräch über die Poesie entworfenen Ideen findet Schlegel die denkwürdige Formulierung: "Ironie ist klares Bewusstsein der ewigen Agilität, des unendlich vollen Chaos." (FS 263) Chaos ist für Schlegel nur "diejenige Verworrenheit, [... ]aus der eine Welt entspringen kann." (FS 263) Chaos als ewige Agilität ist die Signatur des Lebens. Die Ironie ist demnach als Bewusstsein dieser Agilität in ganz umfassenden Sinn Bewusstsein des Lebens. Wo keine Ironie ist, ist kein Leben. Tiecks Kater ist ein Chaos dieser Art: Aus dem Fiasko des Theaters im Stück steigt das Stück selber wie ein Phönix auf als neuartiges theatralisches Postulat, das der Bühnenkunst zukunftsweisende dramaturgische Möglichkeiten öffnet. Friedrich Schlegel hat den Kater weit weniger enthusiastisch begrüsst als sein Bruder. Er sei ihm nicht reich, nicht frech und nicht poetisch genug, liess er Wilhelm wissen. Schlegels Kritik der mangelnden Poesie ist eine am Umgang mit der Ironie. Tieck und Schlegel haben unabhängig voneinander die Ironie (wieder)entdeckt, bei beiden wirkte diese Entdeckung Die Modernität der transzendentalen Buffonerie 325 stimulierend auf das eigene Schaffen. Die Lyceums-Fragmente sind ebenso ein Kind dieser Goldgräbereuphorie wie der Kater. Was indes für Schlegel der absolut zentrale und lang gesuchte Faktor für die Entwicklung einer umfassenden Kunsttheorie war, führte bei Tieck zu einem Werk, das sein Genügen primär in seiner Verspieltheit fand. Tieck hat die 'undeutsche' Leichtigkeit, die für Heine massgeblich dafür verantwortlich war, in Tieck ungeachtet aller ideologischen Vorbehalte einen der wenigen deutschen Geistesverwandten zu schätzen, immer wieder betont und als konstituierendes Merkmal des Katers herausgestrichen. 27 Schlegel und Tieck sind zwar beide der Meinung, dass das Spiel der adäquate Ort für die Ironie sei. Anders als Schlegel verliess sich Tieck auf einen naiv-kindlichen Glauben an die Vermittlung einer höheren Wahrheit im Spiel, durch den spielerischen Umgang mit sich und der Welt. Schlegels Rede vom Spiel ist demgegenüber wesentlich sublimierter, es geht nicht um das Spiel selber, sondern um die Metapher, um das Symbol. Die durch den ironischen Blick vermittelte Spiel-Metapher wird für den Philosophen zum Verweiszeichen auf das Utopische, für den Spieler dagegen zur lustvollen Herausforderung, die Wirklichkeit gegen das Spiel auszuspielen. Die Ironie führt bei Tieck im Namen einer philosophischen Heiterkeit zu einem Plädoyer für die radikale Befreiung des Spieltriebs. 5. Der Kater im Spiegel der modernen Linguistik 5.1 "Wer Ohren hat zu hören, der höre" Tiecks Handhabung der Ironie im Kater ist beneidenswert brillant. Mit dem Theater, das im Theater und auf dem Theater zum Gegenstand seiner selbst wird, wird auch die Ironie zum Gegenstand ihrer selbst. Analog der Spiel im Spiel-Konzeption ist der Kater durch die zwei Perspektiven geprägt, die die unterschiedliche ironische Dimension des Stücks im Stück und des Stücks selber ausleuchten. Die Ironie im Stück wird durch die Ironie des Stückes reflektiert. Insofern das Fiasko der Theateraufführung im Stück als essentielles Versagen der Ironie Ausgangspunkt und Bedingung für die Entstehung des Stückes selber ist, ist der Kater auch ein Lehrstück über die Ironie. Diese Zusammenhänge werden deutlicher, wenn man davon ausgeht, dass Tieck im Kater genau das inszeniert, was aller Voraussicht-nach passiert wäre, wenn er wie sein DICHTER versucht hätte, dem Berliner Iffland-Publikum mit der Karikatur ihres Abgottes als Kater-Interpret einen heilsamen Schock zu versetzen. Die Botschaft wäre nicht angekommen, weil die Ironie der Karikatur nicht verstanden worden wäre. Tieck wäre wie sein DICHTER insofern Opfer der Ironie geworden, als er nicht kompetent mit ihr umgegangen wäre. Ironie wirkt nur, wenn sie erkannt wird. Wird eine ironisch gemeinte Rede nicht als solche begriffen, kehrt sich der Sinn des Gesagten tatsächlich analog der rhetorischen Definition der Ironie ins Gegenteil oder in etwas anderes. Eine absolute Sicherheit gibt es in ironischen Angelegenheiten nicht. Der Sprecher allein weiss,. ob seine Äusserung ironisch gemeint ist oder nicht; aber er kann sich nicht darauf verlassen, dass die ironische Prägung vom Hörer auch erkannt wird, selbst wenn er sie deutlich signalisiert. Der Hörer oder Leser wird umgekehrt nie genau wissen, ob er es mit Ironie zu tun hat, es sei denn, der Sprecher würde explizit durch einen Metakommentar entsprechende Unsicherheiten aus dem Weg räumen. An diesem Sachverhalt haben auch die zahlreichen Ironietheorien der modernen Linguistik nichts geändert. Für die grundsätzliche Entscheidung, ob ein Text ironisch zu verstehen sei oder nicht, bieten sie keine Hilfe. Uwe Japp etwa hält dazu in einem einschlägigen Lexikonartikel fest, dass es häufig nicht einfach sei, anderen gegenüber plausibel 326 J. Ulrich Binggeli zu begründen, dass ein Text sich einer ironischen Konzeption verdanke, auch wenn man selber davon überzeugt sei. In der Regel fehlten deutliche Ironiesignale in ironischen Texten: "Hier beginnt dann die Arbeit der Interpretation." (Japp 1992, 441) 28 Edgar Lapp meint dazu lapidar, dass man davon ausgehen könne, "dass ironische Äusserungen generell von einem Sprecher vollzogen und einem Hörer interpretiert werden" (Lapp 1997, 32). Das ist zweifellos richtig, funktioniert der Hörer aber nicht, wie er sollte, und interpretiert er nicht, dann steht der Sprecher so unverstanden da wie Tiecks DICHTER. Tieck macht nun dieses kommunikative Risiko der Ironie zum Ausgangspunkt und beherrschenden Thema des Katers. Und indem er das tut, setzt er zugleich das deutlichste Signal dafür, dass Ironie und nichts als Ironie angesagt ist. Der konzeptionelle Entscheid für eine Metaebene, die erlaubt, vorzuführen, dass die Ironie scheitert, wenn entweder ihre Signale versagen oder die Hörerinstanz taub für sie ist, macht deutlich, dass bereits Tieck sehr klar erkannt hat, was später vor allem die linguistischen Ironietheorien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu erfassen versuchten: das Problem der Signalisation der Ironie. Das Interesse der Sprachwissenschaft dafür wurde massgeblich durch Harald Weinrichs These ausgelöst, dass das Ironiesignal konstitutiv zur Ironie gehöre: Es ist von solcher Art, dass es sowohl vernommen als auch überhört werden kann. Es gehört nämlich einem Code zu, der nicht mit dem allgemeinen Code der Grammatik identisch ist und an dem nur diejenigen Anteil haben, die Witz haben. Die Halbgebildeten und Süffisanten überhören es, und das Ironiesignal kommt nicht zum Ziel. Das ist aber nicht die Schuld des Sprechers, sondern die Schuld des Hörers. (Weinrich 1974, 63) Das Gelingen des ironisches Diskurses ist für Weinrich ganz elementar von zwei Faktoren abhängig: dem Ironiesignal und dem Code. Was Weinrich als Code bezeichnet, betrifft schlicht die Tatsache, dass die Ironie nichtjedermanns Sache ist. 29 Wo die Disposition und Empfänglichkeit für die ironische Stillage fehlt, stösst der Ironiker nur auf Unverständnis, was Schlegel in den Lyceums-Fragmenten zu der Bemerkung veranlasste: "Es ist unmöglich, sie [die Ironie] zu erkünsteln, und sie zu verraten. Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch nach dem offensten Geständnis ein Rätsel." (FS 160) Tiecks Zuschauer repräsentieren mustergültig jene Gemeinde von "Halbgebildeten und Süffisanten", denen der Ironie-Code mangels Witz völlig fremd ist. Indem Tieck im DICHTER die Machtlosigkeit des Dichters einem derartigen Publikum gegenüber vorführt, funktionalisiert er es zum grotesken Spielelement seiner Kater-Buffonerie um und rettet damit sich selber in die Ironie. Denn nur die Ironie befähigt ihn, die Ignoranz der Rezipienten nicht nur als Spielbedingung zu akzeptieren, sondern sie auch zu motivischen Zwecken auszunutzen. Das Verfahren, mit dem Tieck im Kater die Ironie signalisiert, lässt sich anschaulich mit dem Ansatz von Edgar Lapp beschreiben, der Ironie in seiner Ironie der Linguistik von 1992 als Simulation zweiter Stufe zu fassen versucht. Obwohl Lapp sein Modell ausdrücklich als Mittel zur Analyse ironischer Äusserungen, also verbaler Ironie, versteht, ist das Prinzip der doppelten Simulation auch ein taugliches Beschreibungsmuster für die spezifische, primär durch literarische Faktoren bestimmte Prägung der Tieckschen Ironie. Die Ironie ist im Kater nicht durch einzelne ironische Äusserungen konstituiert, sondern durch die besondere Tektonik und die Intertextualität des ganzen Textes. 30 · Die Modernität der transzendentalen Buffonerie 327 5.2 Lapps Simulationstheorie Lapp entwickelt seinen sprechakttheoretisch-pragmatischen Ansatz in einem ersten Schritt aus einer trennscharfen Unterscheidung zwischen Lüge, Unehrlichkeit und Heuchelei. Er ordnet diese drei Formen unaufrichtigen Sprechens den drei fundamentalen Sprechakttypen - Assertiven, Injunktiven und Expressiven zu, die ihrerseits durch unterschiedliche propositionale Einstellungen oder Aufrichtigkeitsbedingungen bestimmt sind. Wenn Aufrichtigkeit so verstanden wird, dass die propositionale Einstellung, die der Äussernde hat, die gleiche ist, die er ausdrückt, dann kann die grundlegende Struktur der Unaufrichtigkeit als jeweils spezifischer Konflikt zwischen einem psychischen Zustand und einer sprachlichen Handlung bezeichnet werden. Aus diesen Voraussetzungen ergeben sich folgende Zuordnungen: Die Lüge repräsentiert als intendierte Opposition von Behauptung und Glauben des Sprechers den assertiven Fall, die Unehrlichkeit als intendierte Opposition von Willensbekundung und Willen den injuriktiven Fall, die Heuchelei als intendierte Opposition zwischen dem bekundeten und dem wirklich empfundenen Gefühl den expressiven Fall. Die jeweils resultierenden Sprechakte sind im Fall der Lüge unwahrhaftig, im Fall der Unehrlichkeit leer und im Fall der Heuchelei unecht. Gemeinsam ist ihnen, dass sie hohl sind und insofern in Austins System der sprachlichen Unglücksfälle unter die Kategorie der Missbräuche fallen. In einem nächsten Schritt entwickelt Lapp eine Typologie der Simulation mit dem Ziel, die ganz spezifische Art der ironischen Simulation zu bestimmen. Er geht dabei vom traditionellen Konzept der Simulation oder Verstellung aus und bestimmt die Ironie im Sinne der simulatio, dem So-Tun-als-ob der Rhetorik, als Simulation der Unaufrichtigkeit. Als solche muss sie zwei Bedingungen erfüllen: Sie muss dem simulierten Gegenstand zugleich ähnlich und hinreichend verschieden sein. Diesem Kriterium entsprechen sprachliche Handlungen, die einen psychischen Zustand ausdrücken, den man nicht hat. Prototypisches Beispiel dafür ist die Lüge als Simulation einer Überzeugung, die man nicht hegt, aber trotzdem zum Ausdruck bringt. Den Unterschied von Lüge und Ironie bringt Lapp auf den Purikt: "Die Lüge ist eine Simulation der Aufrichtigkeit, die Ironie ist eine Simulation der Unaufrichtigkeit." (Lapp 1997, 146) Die Ironie ist also keine echte Lüge, sondern eine simulierte. Der Lappschen These liegen zwei Simulationstypen zugrunde, die sprechakttheoretisch auf verschiedenen Ebenen liegen. Während die Lüge eine verdeckte Simulation der Aufrichtigkeit auf der Ebene der propositionalen Einstellung ist, ist die Ironie eine offene Simulation der Unaufrichtigkeit auf der Ebene sprachlicher Handlungen. Der Lügner simuliert eine propositionale Einstellung, der Ironiker eine sprachliche Handlung. Diese um eine Simulationsstufe erweiterte Theorie der Ironie geht davon aus, dass der ironische Sprecher, um seinen kommunikativen Zweck zu erreichen, das heisst, um die Täuschung seines Gesprächpartners zu vermeiden, die Simulation der Aufrichtigkeit, also die Lüge, simuliert. Ironie ist also eine Simulation zweiter Ordnung. Die Ironie als bedingt durchschaubar vorgespielte Lüge ist dann am erfolgreichsten, wenn sie evident gegen die von den Gesprächspartnern geteilte Hintergrundinformation verstösst, wenn es offensichtlich ist, dass die Äusserung aufgrund des Kontextes unakzeptabel ist. Will man die betreffende Äusserung nicht als widersprüchlich, paradox oder unsinnig interpretieren, bleibt nur der Ausweg, sie als simulierte Lüge, als Ironie zu verstehen. Wenn der Sprecher den Hörer dabei im wörtlichen Sinne mehr oder weniger im Zweifel lässt, ob es sich um eine Lüge handelt oder nicht, erreicht die Ironie eine Subtilität, die sich dem ~iko aussetzt, als Lüge fehlinterpretiert zu werden. Auch das spricht für die Annahme einer Simulation zweiter Ordnung. Erst wenn die Interpretation im Rahmen der strikten wörtlichen 328 J. Ulrich Binggeli Rede, zu der auch die Lüge gehört, zu Widersprüchen führt, versucht der Hörer, die kommu~ nikative Absicht des Sprechers auf einer höheren Ebene zu erschliessen. Ironie ist also eine doppelte Simulation des mit dem Sprechakt verbundenen psychischen Zustandes. Der Ironiker tutrso, als simuliere er sowohl eine mit dem aktuellen Sprechakt verknüpfte Einstellung wie auch seine Täuschungsabsicht. Was für die Simulation der Lüge entwickelt wurde, gilt analog für jene der Unehrlichkeit und Heuchelei, so dass sich die Ironie als Simulation zweiter Stufe plausibel von allen anderen Formen unaufrichtigen Sprechens unterscheiden lässt. Über den Nachweis der für die Ironie spezifischen Form der Simulation in den verschiedenen den Sprechakt konstituierenden Komponenten kommt Lapp zum Schluss, dass ironische Äusserungen als simulierte Sprechakte angesehen werden können. Lapp versteht seine Theorie primär als Vorschlag zur "angemessenen Differenzierung und Analyse ironischer Äusserungen", als "eine Methode zur Beschreibung ihrer Funktionsweise". (Lapp 1997, 148) Er knüpft beim Konzept der Verstellung an und versucht über die Einführung einer weiteren Simulationsstufe das Problem zu lösen, "dass zwar alle Formen von Ironie auf die eine oder andere Weise als Verstellung analysiert werden können, aber umgekehrt nicht jede Verstellung notwendig ironisch sein muss". (Lapp 1997, 169) Die Ironie unterscheidet sich demnach von anderen Formen der Unaufrichtigkeit dadurch, dass sie eine Verstellung lediglich simuliert. 5.3 Die Ironie des Katers als Simulation von Theater Das Prinzip der doppelten Simulation kann nun so gut wie auf der Ebene des einzelnen Sprechaktes auch zur Erfassung der Ironie im ganzen Kater herangezogen werden. Diese ist nicht, wie bereits ausführlich erläutert, durch den ironischen Tonfall auf der Ebene der Figurenrede konstituiert, sondern durch die patchworkartige Konstruktion des Stückes, die bedenkenlos alle möglichen theatralischen Elemente und Topoi zu einem virtuosen Scherz zusammenmontiert. So wie dieser Scherz weiter oben als Abbild des Abbildes des Theaters bestimmt wurde, lässt sich seine Ironie als Simulation der Simulation von Theater beschreiben. Ganz im Lappschen Sinne haben die beiden Simulationsstufen unterschiedliche Ziele: "Die Simulation zweiter Ordnung hat nicht den Sinn des Verbergens oder Täuschens (dissimulatio), sondern einzig den des So-tun-als-ob, des Vorgehens (simulatio)." (Lapp 1997, 148f.) Indem der Kater die abgewirtschaftete Theaterkultur Berlins simuliert, übernimmt er scheinbar auch die Ästhetik der Ifflandschen Theaterpraxis. Diese ist insofern eine Simulation der ersten Stufe, als ihre Produktionen nach Tiecks Dafürhalten mit wahrem Theater nur noch am Rande etwas zu tun haben. Als Simulation zweiter Ordnung bezieht sich der Kater insofern "auf die Art und Weise der Simulation erster Ordnung" (Lapp 1997, 149), als er mit seiner Darstellung der des Publikums auf alle zeitgenössischen Ansprüche und Erwartungen bezüglich des Theaters eingeht. Für Lapp ist die "Annahme unterschiedlicher Simulationsebenen" ein wesentliches Kriterium zur "Analyse und korrekten Interpretation" von ironischen Äusserungen. (vgl. Lapp 1997, 148) Er folgert daraus optimistisch, dass die Ironie über diese Voraussetzung zwangsläufig erkannt werden müsse, weil die Ironie dann am erfolgreichsten sei, wenn sie evident gegen die von den Gesprächspartnern geteilte Hintergrundinformation verstosse, wenn es offensichtlich sei, dass die Äusserung aufgrund des Kontextes unakzeptabel sei: "Will man die betreffende Äusserung nicht als widersprüchlich, paradox oder unsinnig interpretieren, bleibt nur der Ausweg, sie als simulierte Lüge(= Ironie) zu verstehen." (Lapp 1997, 147) Tieck scheint diesbezüglich weit weniger zuversichtlich gewesen zu sein: Obwohl die Die Modernität der transzendentalen Buffonerie 329 Märchenaufführung in jeder Hinsicht gegen den Erwartungshorizont des Publikums verstösst, reagiert es keineswegs so, wie Lapp prognostiziert: Die Irritation und Ratlosigkeit des Publikums führt nicht zum Effekt, dass es analytisch daraus folgert, es müsse Ironie im Spiel sein; es sieht sich vielmehr in seinem Misstrauen allem Ungewohnten gegenüber bestätigt; was ihm zugemutet wird, ist eben "widersprüchlich, paradox oder unsinnig". Tieck neutralisiert dieses für die Ironie typische Risiko, nicht erkannt oder fehlinterpretiert zu werden, indem er die ganze Kater-Szenerie aus genau einem solchen Fehlschlag heraus entwickelt. Als selbstbezügliche Ironie wird die Ironie zum Signal ihrer selbst. 6. Fazit Mit der Propagierung der romantischen Ironie kam das Problem der Erkennbarkeit von Ironiesignalen in die Welt. Die Ironie Friedrich Schlegels bedarf einer grundsätzlich anderen Signalisation als jene der alten Rhetorik. Letztere kann mit den Methoden der modernen Linguistik analysiert werden, erstere nicht. Die Ironie der Rhetoriker und Linguisten ist eine berechenbare Grösse, sie ist klassifizierbar, mit geeigneten Methoden zu erkennen und zu erklären, die der Romantiker ist unberechenbar, irritierend, oft schwer zu erkennen und letztlich nicht wirklich zu erklären. Tiecks Kater ist ein Beispiel dieser Art. Seine Ironie wird durch die Gesamtkonzeption des Stückes konstituiert oder umgekehrt formuliert, die Gesamtkonzeption indiziert unmissverständlich Ironie. Die völlig neuartige Theatralik ist ohne den Einfluss der Ironie schwer vorstellbar, die Ironie erlaubt, ja provoziert einen völlig veränderten, bisweilen auch respektlosen Umgang mit sämtlichen traditionellen Elementen des schöpferischen Akts. Diese Dimension von Ironie ist mit der Lappschen Simulationstheorie nur unzulänglich zu erfassen, denn diese hat aufgrund eines anderen Erkenntnisinteresses einen beschränkteren Untersuchungsgegenstand, den des einzelnen Satzes bzw. des einzelnen Sprechaktes. Sie ist grundsätzlich nicht an der Frage der Erkennbarkeit der Ironie interessiert, sondern nur an ihrer Funktionsweise. 31 Es ist nur auf den ersten Blick überraschend, dass sich dennoch mit dem für Lapps Theorie charakteristischen Prinzip der doppelten Simulation auch die ganz anders geartete Ironie des Katers plausibel beschreiben liess. Der tiefere Grund dafür dürfte darin zu sehen sein, dass dieses Prinzip in dieser Verwendung letztlich wie ein etwas komplexeres Ironiesignal wirkt. Doppelte Simulation kann zum Bauprinzip ganzer Texte werden und ist dann ein Zeichen für Ironie. Das heisst aber auch, dass Ironie nur über ihre Signalisation erschlossen werden kann, und weiter, dass Weinrich mit seiner These der Abhängigkeit der Ironie vom Ironiesignal auf die zentrale Gesetzmässigkeit in ironischen Zusammenhängen verwiesen hat. Dass "praktisch alles Ironie signalisieren kann" (Lapp 1997, 30), ist nur dann ein Argument gegen das Ironiesignal, wenn man, wie Weinrichs Kritiker, meint, dieser - Begriff sei nur dann tauglich, wenn sich daraus ein Zeichensystem, eine Klassifikation Ironie signalisierender Indikatoren entwickeln liesse. Betrachtet man dagegen das Ironiesignal als eine Art Filter, dann wird aus Lapps kritischem Vorbehalt umgehend das stärkste Argument dafür, dass dieser Filter bzw. die Filterfunktion durch alles mögliche gebildet werden kann, unter anderem auch durch ein Prinzip wie das der doppelten Simulation. In diesem Horizont propagiert Lapp mit seiner Simulationstheorie über die Untersuchung der Funktionsweise ironischer Äusserungen nichts anderes als die Untersuchung einer von unzähligen anderen Signalisationsmöglichkeiten von Ironie. Betrachtet man das Ironiesignal metaphorisch als kostbaren, aus unterschiedlichsten Materialien gewirkten Schleier, der die Ironie wie eine 330 J. Ulrich Binggeli geheimnisvolle Schöne nur in ihren Konturen erahnen lässt, dann wirkt Lapps Simulationstheorie wie die Gebrauchsanweisung zur sorgfältigen und exakten Untersuchung einer der Verarbeitungstechniken, die bei der Herstellung dieses Schleiers zur Anwendung kam ohne bei diesem Geschäft weder für die Versuchung empfänglich zu sein, noch ihr zu erliegen, den Schleier auch einmal zu heben. Die Immunität vieler Interpreten den abgründigen Reizen der Ironie gegenüber verhinderte im Falle des Katers mit der adäquaten Rezeption seiner spezifischen Ironiequalität auch die Wahrnehmung der ganz erstaunlichen Modernität des Tieckschen lronieverständnisses: Lange bevor die moderne Linguistik die Abhängigkeit der Ironie von ihrer Signalisation als Problem entdeckte, verschleierte Tieck seinen ironischen Spott über die reale Theatermisere auf den Berliner Bühnen im komödiantisch-heiteren lroniesignal der Kater-Buffonerie. Anmerkungen 1 Integriert in eine selbständige, dialogisch strukturierte Rahmennovelle nach dem Vorbild von Boccaccios Decamerone versammelt der Phantasus insgesamt dreizehn Märchen, Erzählungen, Theaterstücke und Novellen. 2 Mit der Sigel ''TF...." werden Zitate nachgewiesen aus: Ludwig Tieck: Schriften, in 12 Bänden, hrsg. von Manfred Frank u.a., Bd. 6 Phantasus, hrsg. von Manfred Frank, Frankfurt a.M. 1985. 3 Pikulik meint aber: "Sein vornehmster Zug liegt in dem Spiel mit Fiktion und Wirklichkeit, Schein und Sein, zugleich ein Verfahren der Ironie". (Pikulik 1992, 300) 4 Für Tiecks Komödien ist es von grundsätzlicher Bedeutung, "dass sie als geistiges Niveau der Zuschauer die Aufgeklärtheit des kleinen Mannes voraussetzen, für den alles ein konkretes, möglichst messbares Produkt ist. Es sind Leute von ehrbarer Halbbildung, voll von Klischee und Konfektionsgeschmack, die den 'gesunden Menschenverstand' zum Hausgott erhoben haben und Kotzebue zum Hauspoeten. Und ihr Geschmack ist selbstredend der 'gute Geschmack', den sie in der Bejahung des Althergebrachten herangebildet haben." (Thalmann 1974, 30) 5 Pestalozzi greift auf Einschätzungen von Ingrid Strohschneider-Kohrs zurück, die bereits in ihrer 1961 erstmals publizierten Studie Die romantische Ironie in Theorie und Gestaltung bemerkte: "Mit dieser Möglichkeit, Mittel und Formen der Illusionsdurchbrechung nicht nur zuweilen sondern durchgängig zu verwenden, scheint bereits eine Veränderung in der Struktur des Lustspiels bewirkt.[ ... ] so ergibt sich ein neues Spielthema und eine gewiss eigenartige Struktur des Lustspiels, in dem ein Grenzfall von Bühnendarstellung erkennbar wird." (Strohschneider-Kohrs 1977, 290f.) 6 Böttiger und Iffland tauchen ja auch tatsächlich im Kater auf: Ifflands Name fällt zwar nicht, aber "der fremde Akteur, der grosse Mann", der den Kater spielt, ist unschwer als Iffland zu identifizieren, zumal Tiecks Bötticher (anstatt Böttiger) auf dieses Stichwort hin auch gleich zu einer grossen Lobeshymne auf den Verehrten ansetzt: "Da werden wir einen Göttergenuss haben. Ei, wie doch dieser Genius, der alle Charaktere so innig fühlt und fein nuanciert, dieses Individuum eines Katers heraus arbeiten wird! " (TF 494/ l7f.) 7 Die kulturpolitische Bedeutung des Tandems Iffland/ Kotzebue darf durchaus mit dem Kulturimperialismus von Disneyland verglichen werden. 8 vgl. dazu Strohschneider-Kohrs, die in der Publikumskarikatur eine Bloßstellung der "Trivialaufklärung mit ihrem Theatergeschmack und ihrer Theaterkritik" sieht: "Diese Satire richtet sich gegen die sentimentalen Rührstücke, gegen pathetische Tiraden und Spektakelsucht ebenso wie gegen den zu Norm erhobenen platten Alltagsverstand." (Strohschneider-Kohrs 1977, 297) 9 "Vergönnen Sie mir nur eine Minute Gehör, ehe Sie mich verdammen. Ich weiss, dass ein verehrungswürdiges Publikum den Dichter richten muss, dass vor Ihnen keine Appellation statt findet, aber ich kenne auch die Gerechtigkeitsliebe eines verehrungswürdigen Publikums, dass es mich nicht von einer Bahn zurück schrecken wird, auf welcher ich seiner gütigen Leitung und seiner Einsichten so sehr bedarf." (TF 496/ 21f.) 10 vgl. Tiecks Rede vom "albernen, aber lustigen Kindermärchen". (TF 1390) 11 vgl. dritte Szene im dritten Akt, wo LEANDER und HANSWURST über den Gestiefelten Kater selber disputieren. Während die beiden Figuren aufgrund ihres Rollenbewusstseins also zugleich als Figuren im Stück agieren, wie auch als Kontrahenten einen Disput über das Stück führen und damit einen Standpunkt ausserhalb des Stückes Die Modernität der transzendentalen Bujfonerie 331 einnehmen können, vermag das Publikum sich auch dann nicht als Mitspieler zu begreifen, wenn es, wie in dieser Situation, ausdrücklich in dieser Rolle behandelt und angesprochen wird. HANSWURSTS letzte Replik, LEANDER behaupte gegen seine Meinung, "das Publikum im gestiefelten Kater sei gut gezeichnet", ist gemäss Regieanweisung ausdrücklich "gegen das Parterre" gerichtet. Weil es aus FISCHERS Optik indes gar kein Publikum gibt, so dass das beschriebene Paradoxon, dass er seine eigene Existenz bestreitet. (vgl. TF 547) 12 "Freiheit und Gleichheit! -Das Gesetz ist aufgefressen! Nun wird ja wohl der Tiersetat Gottlieb zur Regierung kommen." (TF 556(35f.) 13 Diese Stelle wird immer wieder als Belege für die politische Dimension des Katers angeführt. Frank referiert im Kommentar ausführlich den Aufsatz von Jacques Wolf Les allusions politiques dans le "Chat hatte" de Ludwig Tieck aus dem Jahr 1909 (! ), der im Kater fünf Komplexe politischer Satire ausmacht. Der POPANZ ist für Wolf weniger der Inbegriff der vorbürgerlichen Feudalität, als die Inkarnation des anonymen Gesetzes-Terrors des Nationalkonvents. Er sieht in den Verwandlungskünsten des POPANZ das Abbild der Gesinnungsschnüffelei des Nationalkonvents. Weil Tieck unter dem Eindruck des Terrors vom Revolutionsbefürworter zu ihrem Gegner wurde, schlägt Wolf vor, "die Verschlingung des Popanz (unter Beibehaltung der Revolutionsparole) als eine selbst revolutionäre Überbietung des Terrors und der Tyrannei zu verstehen, die dem Tiers-etat Gottlieb seine Souveränität allererst schafft". (vgl. TF 1392ff.) Vergegenwärtigt man sich jedoch den Hintergrund, den Tieck zum Kater-Stoff greifen lässt, dann ist doch nur sehr schwer vorstellbar, dass er im Kater allen Ernstes eine Revolutions-Parabc; J sah. 14 Aus Shakespeares Hamlet: Hamlet in der Szene mit seines Vaters Geist I,5 15 In seiner zweiten Rolle ist er Jäger. Aber auch als Kater ist er nur eine Rolle, die von einem Schauspieler gespielt wird. Laut Tieck ist damit Iffland gemeint. Ist das Spiel mit dem Schiller-Zitat nicht nur parodistischer Spass, richtet er sich ganz direkt gegen Iffland? 16 Das ist gewissermassen die spöttische Vision der Ifflandschen Schauspielkunst: Der Schauspieler ist, was er spielt. 17 Vgl. den frenetischen Applaus, den das Liebespaar für seinen ersten Auftritt erhält. (TF 519/ 4f.) 18 Mit der Sigel "FS ... "werden Zitate von Friedrich Schlegel aus dem zweiten Band der Kritischen Friedrich- Schlegel-Ausgabe ausgewiesen, vgl. auch Bibliographie. 19 Diese Ansicht vertritt insbesondere Ingrid Strohschneider-Kohrs in der umfangreichen Studie Die romantische Ironie in Theorie und Gestaltung von 1960. 20 Der Bedeutungswechsel der Ironie zwischen Frühschriften und Lyceums-Fragmenten wird in der Forschung unterschiedlich beurteilt. Für Strohschneider-Kohrs führt Schlegel sowohl mit dem Begriff der Ironie wie mit jenem von der Kunst als einer Transzendentalpoesie genau die Frage "nach dem leitenden Prinzip und eigentümlichen Gesetz der 'modernen' Kunst" (Strohschneider-Kohrs 1978, 83) weiter, die ihn bereits im Studium- Aufsatz beschäftigt hatte. Die Fragestellung hatte sich für Schlegel aufgrund seiner eigenen Beschäftigung mit der modernen Kunst ergeben, die seiner damaligen Meinung nach im Zeichen des Interessanten aus künstlicher, absichtlicher Bildung entstanden war. Es ging letztlich um die Frage, ob die aus diesem Geiste hervorgegangene Kunst sich nach eigenem Gesetz entfalten könne, oder anders formuliert: "hat ,die mit dem Bewusstsein des unauflöslichen Zwiespalts lebende Kunst eine Chance, ihr Weltbegreifen und Selbstverständnis auszusprechen und in eine angemessene Form zu bannen? " (Strohschneider-Kohrs 1978, 83) Szondi demgegenüber betont bei den Lyceums-Fragmenten die "Umwertung" (Szondi 1978, 14) der klassizistischen Postulate der Frühschriften. Diese Sichtweise wird relevant für die Einschätzung der Ironie. Szondi sieht in der Ironie die Bezeichnung für den Versuch des isolierten, sich gegenständlich gewordenen Menschen, "seine kritische Lage durch Abstandnahme und Umwertung auszuhalten." (Szondi 1978, 24) Der Herausgeber der Lyceums-Fragmente in der jüngsten Kritischen Ausgabe, Hans Eichner, betont ebenfalls den Bruch; er vergleicht die Lyceums-Fragmente mit einem ''feierlichen Widerruf' (Eii: hner 1967, LI) der klassizistischen Postulate der früheren Schriften. Allerdings gibt er zu bedenken, dass sich der Wandel bereits in den Jahren zuvor abzeichnete. Der entscheidenden Anstoss zur Überwindung seiner "'Gräkomanie' von 1793-95" (Eichner 1967, L), die auch ganz wesentlich mit persönlichen Nöten und Schlegels eigene Zerrisseuheit zu tun hatte, ging von Schillers Schrift Über naive und sentimentalische Dichtung von 1795 aus, die ja im Gegensatz zu Schlegels damaliger Einstellung in einer glänzenden Rechtfertigung der Modemen gipfelt. Schlegel reagierte darauf in den folgenden Jahre mit intensivster Lektüre, er "las unermüdlich - und natürlich nicht nur die deutschen Zeitgenossen, sondern die grossen Meister der Vergangeuheit: Dante, Tasso und Ariost, Cervantes und, immer von neuem von den Übersetzungen seines Bruders angeregt, Shakespeare. Erst nun ging ihm der Sinn dafür auf, dass das, was von den Modemen seit Dante angestrebt und geleistet wurde, nicht nur anderen Zwecken diente, als die 'schöne' Kunst der Griechen, sondern dass es gerade auf diese Zwecke ankam." (Eichner 1967, LI) 332 J. Ulrich Binggeli 21 "Bei der Lektüre der europäischen Literatur seit dem Mittelalter und des Mittelalters sowie der Spätantike selbst wird auf überzeugende Weise deutlich, dass die romantische Bestimmung der 1., wie sie gegen Ende des 18. Jh. erfolgt, nicht etwas Neues zu erfinden suchte, sondern mit dem viel bescheideneren Anspruch auftrat, einem wesentlichen Charakterzug der europäischen Literatur, der sei langem in Übung war, seinen entsprechenden Namen zu geben." (Behler 1998, 607) 22 Zu den Kennzeichen dieser literarischen Ironie vor der Romantik gehört laut Behler das Zusammenspiel von zwei Realitätssphären, die Vermischung von erhabenen und trivialen Sujets, aber auch die Vorliebe für die Figur des weisen Narren, in dem die Verbindung von kontrastierenden Elementen, von Ernst und Scherz, Heiterkeit und Trauer ganz direkt verkörpert scheint. Der Reiz dieser Figur, ihre ironische Qualität, beruht für die Romantiker auf der eigentümlichen Mischung von Weisheit und Narrheit, Wissen und Ignoranz, bei der diese Gegensätze sich jedoch so sehr durchdringen, dass sie ein Ganzes werden. Ihr brillantester Vertreter ist zweifellos Cevantes Don Quijote, den Tieck 1799-1802 übersetzte. Aufgrund der als exemplarisch empfundenen Verkörperung der Ironie im Sinne eines Kontrastierens von Wirklichkeit und Dichtung avancierte dieser Roman für die Frührolllllfttiker zum Pretotyp der Kunst des Erzählens. In erzähltechnischer Hinsicht faszinierte sie vorallem die Durchbrechung der narrativen Atmosphäre im zweiten Teil des Romans, wo sich der Autor mit kritischen Fragen und Bemerkungen an seine Leser wendet oder wo Don Quijote und Sancho Pansa Personen begegnen, die sie aus dem ersten Teil bereits kennen und damit aus der aktuellen literarischen Wirklichkeit heraus- und in die Realität übertreten, die aber nur eine potenzierte literarische Sphäre ist. Diese Technik einer Illusionsbrechung über das Heraustreten des Autors aus seinem Werk und der damit erreichten potenzierten Darstellungsweise lässt sich unschwer in eine Traditionslinie stellen, die bis zurück in die Spätantike führt. Namentlich der einzige vollständig erhaltene Roman des Altertums, die Metamorphosen; beziehungsweise der Goldene Esel des Apuleius, behandelt das Problem der literarischen Mitteilung auf ganz drastische Weise, tritt doch der Autor in Eselsgestalt auf. lni 18. Jahrhundert war diese den europäischen Roman weithin bestimmende Technik der Ironie zu einer bewussten Kunst ausgebildet, ohne dass aber für sie die Bezeichnung der Ironie verwandt wurde. Sternes Tristam Shandy ist ein Meisterwerk dieser Art. Friedrich Schlegel sah nun in Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre (1794-96) einen vorläufig letzten Höhepunkt dieser Verfahrensweise. In seiner berühmten Rezension dieses Werkes von 1798 hebt Schlegel mit Nachdruck "die Ironie, die über dem ganzen Werk schwebt" (FS 137) hervor und bezieht sich dabei auf Goethes eigene Stellungnahmen zu seinem Roman, seiner Erzählweise und seinem Helden in dem Roman selbst. Unschwer erkennt man in dieser Formulierung jene aus dem 42. Lyceums- Fragment von 1797: "Es gibt alte und moderne Gedichte, die durchgängig im ganzen und überall den göttlichen Hauch der Ironie atmen". (FS 152) 23 Vgl. Athenäums-Fragmente 22 und 238. 24 Bereits in der Studie Vom ästhetischen Werle der griechischen Komödie von 1794 geht Schlegel davon aus, dass zwei antagonistische Triebkräfte den schöpferischen Prozess konstituieren. Der positive Pol lässt sich als "aufschäumende poetische Begeisterung, als Enthusiasmus" odereben "Selbstschöpfung" bezeichnen. Dem steht die "Selbstvernichtung" beziehungsweise die "rückwirkende, limitierende und korrigierende Skepsis gegen das eigene Produktionsvermögen" gegenüber. (vgl. Behler 1972, 67) 25 "lni Innern, die Stimmung, welche alles übersieht, und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst, Tugend, oder Genialität" (FS 152) 26 In der Forschung wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Tieck mit dem Kater den Weg sowohl zum absurden wie zum epischen Theater gewiesen habe. 27 Thalmann hat eindringlich darauf hingewiesen, dass nicht nur Schlegel Mühe mit Tiecks Verspieltheit hatte: "Die zünftige Kritik hat Tieck teils zur Oberflächlichkeit und teils zur Schwermut verurteilt, wie sie nicht honorieren wollte, 'dass es einen Witz geben könne, der in sich selber spiele und sich damit beruhige, dass es möglich, ja nothwendig sei, die ganze Zeit und Alles, was darin geschieht, für ein scherzhaftes Spiel anzusehen, und dass der rechte Spass eben der sei, an gar keinen Ernst zu glauben und so die ganze Welt gleichsam mit einerneuen Sonne zu beleuchten' (Nachr. Sehr. II, 48). [ ... ] Tieck geht von der 'Unschuld des Komischen' aus (Krit. Sehr. IV, 99), nicht von der Bitterkeit 'eines Aristophanes. Lachen ist für ihn der herzlichste Ausdruck zwischenmenschlicher Beziehungen. [...] Tiecks Lachen bleibt aber ohne das Unheimliche, da so oft durch die romantische Dichtung geht. Es bleibt für ihn ein ästhetischer Reiz, der nicht in eine tragikomische Weltangst umschlägt." (Thalmann 1974, 24ff.) 28 In seiner Theorie der Ironie von 1983 ordnet Japp das Problem der eindeutigen Bestimmbarkeit vor allem der literarischen Ironie zu: "Es ist etwas anderes, wenn wir sagen, in einem bestimmten Werk sei eine bestimmte Stelle ironisch zu verstehen, und wenn wir sagen, ein bestimmtes Werk sei ironisch. lni ersten Fall sprechen wir von verbaler Ironie, im zweiten Fall aber von literarischer Ironie oder Fiktionsironie. Hiermit ist zunächst ein Die Modernität der transzendentalen Buffonerie 333 eigentümlicher Stil gemeint, vor allem aber, dass dieser Stil ein durchgehender sei; [ ... ] Hier liegt aber zugleich die eigentliche Schwierigkeit der literarischen Ironie. Wenn wir sie nicht an einzelnen Stellen erkennen können, wie können wir dann überhaupt auf distinktive Weise von ihr sprechen? Das macht die literarische Ironie zum Problem der Interpreten, die darüber streiten, ob ein bestimmtes Werk ironisch sei oder nicht." (Japp 1983, 42) Mit Rekurs auf eine Bemerkung von B. Allemann aus dessen Buch Ironie und Dichtung von 1969, wonach im Anschluss an die Frühromantiker, für die die Ironie etwas ganz anderes als die Aneinanderreihung ironischer Bemerkungen gewesen sei, ein hochironischer Text denkbar sei, in welchem sich keine einzige ironische Bemerkung finde, resümiert Japp: " ... der Übergang von der verbalen Ironie zur literarischen Ironie ist der von einer vernachlässigenden Quantität zu einer unsichtbaren Qualität." (Japp 1983, 43) 29 Weinrichs These, dass ironische Kommunikation auf einen "Geheimcode" (Weinrich 1974, 65) angewiesen sei, der erst ermögliche, die Ironiesignale zu entschlüsseln, ist namentlich von linguistischer Seite heftig kritisiert worden. Lapp etwa meint, dass man Ironiesignale nicht als "konventionelle sprachliche oder aussersprachliche Zeichen im Sinne eines selbständigen Codes" systematisieren sollte, wie das Weinrich vorschlage. (vgl. Lapp 1997, 30) Geradezu überheblich disqualifiziert Engeler Weinrichs Arbeit: Weinrichs Begriffe seien viel zu vage und unpräzise, so dass seine Ergebnisse "für den Linguisten entsprechend uninteressant" seien, (Engeler 1980, llf.) Liest man die einschlägige Passage bei Weinrich nach, dann gibt es indes keine Hinweise dafür, dass Weinrich diesen Code als exaktes Zeichensystem bestimmen möchte, wie Lapp behauptet. Im Gegensatz zu Engeler halte ich gerade den essayistischen Zugang Weinrichs für die Stärke seines Textes, weil er dem Gegenstand immer noch am angepasstesten ist. Weinrich ist so präzise wie möglich und so unscharf wie nötig. 30 Hinsichtlich der Ironie ist der Kater ein Gegenentwurf zu Schillers Don Carlos, auf den er ja ausdrücklich Bezug nimmt. Don Carlos ist tragisch, Der gestiefelte Kater ist ironisch. Während Schiller in rhetorischer Manier die Ironie als punktuell einsetzbares Stilmittel benutzt und etwa in Regiebemerkungen ausdrücklich vermerkt, ob eine Passage ironisch gemeint sei oder nicht (z.B. "Carlos (mit ironischem Lächeln)" (II, 8, 1702) oder "Carlos (nicht mit Ironie)" (II, 8, 1367)), verlässt sich Tieck auf die entsprechende Signalwirkung seiner Textstruktur. Insofern ist der Kater der falsche Untersuchungsgegenstand für verbale Ironie, ganz abgesehen davon, dass der Text in dieser Hinsicht auch nicht besonders aufregende Beispiele bietet. 31 Lapp Interesse gilt ausschliesslich der Frage, was der Sprecher bewusst oder unbewusst tut, wenn er ironisch spricht; der Hörer kommt nur als Statist vor, von dem erwartet wird, dass er sich modellgerecht verhält: "Wie schon mehrfach erwähnt, und wie wir durch Winners (1988) Überlegungen zur Psycholinguistik ironischer Äusserungen wissen, gehört es zu den Erfolgsbedingungen ironischer Äusserungen, dass der Sprecher voraussetzen muss, dass der Hörer die wirkliche Einstellung des Sprechers kennt oder zumindest seinen kognitiven Fähigkeiten gemäss optimal erschliessen kann, um den intendierten Effekt zu erzielen." (Lapp 1997, 148) Literaturverzeichnis a) Primärtexte Schiller, Friedrich: Don Carlos. In: Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Bd. 2, hrsg. von Gerhard Pricke und Herbert G. Göpfert, München 1981, S. 7-267 und S. 1093-1230. Schlegel, Friedrich: Lyceums-Fragmente. In: ders.: Charakteristiken und Kritiken I (1796-1801 ), hrsg. von Hans Eichner. Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 2, München u.a. 1967, S. 147-163. Schlegel, Friedrich: Athenäums-Fragmente. Ebd., S. 165-255. Schlegel, Friedrich: Ideen. Ebd., S. 256-272. Schlegel, Friedrich: Gespräch über die Poesie. Ebd., S. 284-362. Schlegel, Friedrich: Über die Unverständlichkeit. Ebd., S. 363-372. Schlegel, Friedrich: Georg Forster. Ebd. S. 78-99. Schlegel, Friedrich: Über Goethes Meister. Ebd. S. 126-146. Schlegel, Friedrich: Seine prosaischen Jugendschriften, hrsg. von J. Minor, Bd. 2, Wien 1882. Tieck, Ludwig: Phantasus, hrsg. von Manfred Frank. In: Ludwig Tieck: Schriften in zwölf Bänden, Bd. 6, Frankfurt a.M. 1985. 334 J. Ulrich Binggeli b) Sekundärliteratur Hehler, Ernst: Klassische Ironie - Romantische Ironie - Tragische Ironie, Dramstadt 1972. Hehler, Ernst: Ironie. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hrsg. von Gert Ueding, Tübingen 1998, Bd. 4, s. 599--624. Eichner, Hans: Einleitung. In: Friedrich Schlegel: Charakteristiken und Kritiken I (1796-1801); hrsg. von Hans Eichner. Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 2, München u.a. 1967, S. IX-CXX. Engeler, Urs Paul: Sprachwissenschaftliche Untersuchung zur ironischen Rede, Zürich 1980. Frank, Manfred: Kommentar. In: Tieck, Ludwig: Phantasus, hrsg. von Manfred Frank. In: Ludwig Tieck: Schriften in zwölf Bänden, Bd. 6, Frankfurt a.M. 1985, S. 1145-1518. Japp, Uwe: Theorie der Ironie, Frankfurt a.M. 1983. Japp, Uwe: Ironie. In: Literatur Lexikon, hrsg. von Walther Killy, Gütersloh/ München 1992, Bd. 13, hrsg. von Volker Meid, S. 440-443. Japp, Uwe: Die Komödie der Romantik, Tübingen 1999. Kluge, Gerhard: Spiel und Witz im romantischen Lustspiel, Köln 1963. Kreuzer, Helmut: Nachwort. In: Ludwig Tieck: Der Gestiefelte Kater, hrsg. von Helmut Kreuzer, Stuttgart 1980, s. 66-80. Lapp, Edgar: Linguistik der Ironie, 2. Aufl., Tübingen 1997. Paulin, Roger: Ludwig Tieck, Stuttgart 1987. Pestalozzi, Karl: Tieck- Der Gestiefelte Kater. In: Die Deutsche Komödie, hrsg. von Walter Hinck, Düsseldorf 1977, s. 110-126. Pikulik, Lothar: Frühromantik: Epoche - Werke- Wirkung, München 1992. Prang, Helmut: Die romantische Ironie, Darmstadt 1972. Strohschneider-Kohrs, Ingrid: Die romantische Ironie in Theorie und Gestaltung, 2., durchgesehene und erw. Auflage, Tübingen 1977. Strohschneider-Kohrs, Ingrid: Zur Poetik der deutschen Romantik II: Die romantische Ironie. In: Die deutsche Romantik, hrsg. von Hans Steffen, 3. Aufl., Göttingen 1978, S. 75-97. Szondi, Peter: Friedrich Schlegel und die romantische Ironie. Mit einer Beilage über Tiecks Komödien. In: Ders.: Schriften II, hrsg. von Jean Bollack u.a., Frankfurt a.M. 1978, S. 11-31. Thalmann, Marianne: Anmerkungen, in: Ludwig Tieck, Werke in vier Bänden, hrsg. von Marianne Thalmann, Darmstadt 1972, Bd. II, S. 900-905. Thalmann, Marianne: Provokation und Demonstration in der Komödie der Romantik, Berlin 1974. Weinrich, Harald: Linguistik der Lüge, 5. Aufl., Heidelberg 1974. Review Article KODIKAS / CODE Ars Semeiotica Volume 23 (2000) · No. 3-4 Gunter Narr Verlag Tübingen The International Topography of Media Semiotics Ernest W. B. Hess-Lüttich All my notions are too narrow. Instead of 'Signs', ought I not to say Medium? 1 Images, pictures, photos, logos, maps, and stamps 2 Film, television, video, and radio 3 Computers, electronic networks, hypertext, and cyberspace 4 Time, memory, media, and the semiotics of the museum 5 Aesthetic aspects of the media 6 Sociosemiotics and today's myths in the media Charles Sanders Peirce 7 Tbe media myths have changed. Or haven't they,? Some concluding remarks and further reading References In the following paper I attempt to discuss most of the chapters of a volume of some 900 pages on Media Semiotics, based on summaries by Jon Busey (section 2), Cynthia Geiss (section 1), Richard Graf (section 6), Petra Hays (section 4), Charles S. Hutto (section 3), and Jennie Sherrick (section 5), who attended my graduate seminar on media semiotics at the University of Florida in 1999. I dedicate this article to these students who helped making my stay as Distinguished Max Kade Professor at the German Department professionally successful and personally delightful. Winfried Nöth, eminent scholar in the field of semiotics, professor in Germany and Brazil, and author of successful handbooks of semiotics, organised an international conference on Media Semiotics at the University ofKassel a few years ago. Only a couple ofyears later, he managed to bring out the proceedings of this conference in a volume which can be fairly described to represent the topography of the heterogeneous field of current research in the semiotics of the media. 1 In a short introduction, the editor gives a brief overview of current trends in media studies and an outline of the eight parts of the book covering the main fields of research. Part I, for instance, deals with the semiotic foundations of the media. lt investigates especially "the concept of medium in relation to the general theory of signs, studies processes of mediation in the media, and discusses the nature of self-referentiality in media communication" (8). Solomon Marcus, Gerard Deledalle, Göran Sonesson, Elisabeth Walther, Martin Krampen, and Lucretia Escudero Chauv~l contibuted to this first part. 336 Ernest WB. Hess-Lüttich 1 Images, pictures, photos, logos, maps, and stamps The second part is devoted to Pictorial and graphic semiotics. The chapter, in general, deals with the semiotic approach to pictures; anything from logos to postage stamps. JANICE DELEDALLE-RH0DES writes on "Semiotics and Ethics: The image of semiotics and semiotics of the image" (111-119). She states that most semioticians see their field as "a kind of method, a discipline, something akin to philosophy, but which the aim is essentially the analysis of signs and not their evaluation." Other semioticians do concem themselves with values and evaluations and many of these have based their research on Peirce's system in which aesthetics, ethics, and logic cannot be dissociated. Deledalle-Rhodes feels that what is lacking in the field of semiotics is the lack of application of the theory of ethics. She feels that ethics cannot be dissociated from the semiotic analysis of the media and that ethics is important for the future of semiotics as a whole. Deledalle-Rhodes says that the analysis ofthe media, such as films, newspaper, radio, and television, is often misguided. Tue media deliberately present images that are supposed to be described as impartial. Moral evaluation is not the utmost importance of the media. They present images that appear to be deliberately misleading, false, and have been manipulated. Deledalle-Rhodes brings up the contradiction between media and literature. Media is seen as a former of public opinion, while literature is merely for the literary. She wonders why the rise in fascist and racist literature has not brought about a critical response from the semiotic community. A reader can buy a book or not, so it is feit that this form of media is not very influential. On the other band, the media, such as television, are not escapable. Deledalle- Rhodes believes that very few of the images used in media are "true" or "real" and that they "are used to represent some state of things that the user either believes to be true or wishes the public to believe to be true." lt is the ethic question of misrepresentation. An image cannot lie because it does not say anything. Only by how the image is presented can it be manipulated as something that the media wants the public to perceive as being true or false. We see this all the time in news coverage. One picture is used to tel1 many stories but the public believes that the photos that are being shown of a certain event are actually coming from that event. Tue other question of ethics that is raised is that of familiarization. The sensational, the tragic, the dramatic is brought forth every day in the media and it has become too familiar by the process of repetition. Deledalle-Rhodes uses the example of a reporter who told of the damage of the earthquake in Kobe in 1995. He stated that although the event was tragic, many buildings were left standing and not very many people were injured. She finds this a refreshing change that it is possible to find a balance in reporting the devastation and the positive side of the earthquake. But, she feels, as much as the media use these images to help the public, they are harmful because "they encourage a general tendency to seek the sensational for its own sake." "The media create precedents which tend to familiarize, and thus apparently legitimize, acts which previously have seemed inconceivable." This is a very poignant topic is today' s society where people feel that there is a numbing toward the violence that appears on television, in movies, and video games. Graphie scenes of violence are all too common to today' s youth and we have seen some of the consequences that can arise from this. In the next chapter entitled ''The prephotographic, the photographic, and the postphotographic" LUCIA SANTAELLA BRAGA analyses what she defines as the three paradigms of the process of image production (121-132). Tue prephotographic paradigm deals with images that are handmade, or as Santaella Braga puts it, "artisanally produced", including paintings, engravings, sculptures, etc. Tue second paradigm "refers to all images produced The International Topography of Media Semiotics 337 through dynamic connection with, and physical capture of, fragments of the visible world", i.e. photography, since this process requires some sort of mechanical device. This paradigm extends from photography to cinema, video, and holography. The third paradigm is concerned with synthetic images or infographic images. These images are produced by using computers. Braga goes in depth on how the images are produced. In the artisanal form, the mode of production lies in the medium itself. Paintings, drawings, etc. are produced onthe reality of this material. The artisanal depends on the support of the medium, which is almost always a flat surface. The agent of production is the artist using bis body as the main instrument of production with perhaps a paint brush as an extension ofhis body. 'Tue signs produced by the brushstroke are a visible reflection of the gesture of the agent." Braga feels that the artisanal image is unique and authentic because it is an original reflection of the artist's view of the world. With the photographic paradigm comes a process of production that comes from the establishment of photography. Photography has taken from the artist the ability to place bis band on the image. In photography the image comes from the recording on a chemical or electromagnetic support. The rays of light that past through the camera leave a lasting impression on this support. Braga states that the subject aims to dominate the object that is being photographed. After the picture is taken, the image is forever captured and an infinite number of copies may be produced from the negative. In the postphotographic model, the process of production is triadic "presupposing three phases that are interconnected but perfectly delimited." The support ofthis means ofproduction is the computer and the video screen. The artist that produces these images is now a programmer whose intelligence interacts with the artificial intelligence of the computer. The image on the monitor can only be visualized because the screen is composed of units known as pixels. Braga defines three stages of production for infography; (1) the programmer must build a model of an object using calculations; (2) "the numerical matrix is transformed, based on other models of visualization or algorithms of image simulation; and (3) the computer translates this information to form an image. "Always highly iconic, this image presents no analogy to the symbolic representations." "Through the indexical connection between a number in the algorithm and a pixel ön the screen, infography seems to provide a perfect equilibrium for the distribution of the semiotic roles performed by the three sign modalities symbol, index, and icon." The computer allows for the creation of experiences that are not performed on real objects in real time or space. Artisanal images are produced on surfaces that are subject to erosion over time, surfaces such as walls, canvasses, and caves. There is a contradiction between the artist's desire for permanency and the deterioration of the image. In the photographic paradigm, the means of storage gains a permanency. A negative can be developed at any time. ''Thus, the image gains in durability what it loses in uniqueness." In the postphotographic, the computer memory is the means of storage. The image that is displayed is only one of the many possible images that are contained within the computer. The computer can start from any point and visualize any given image. For artisanal images, imagination is the essential tool. For photography, the agent must merely react, while the person working with infography must have the ability to manipulate and calculate data. But is not imagination essential for any form of art? lt could be argued that it takes just as much imagination to establish what will be created on a computer screen as it does to paint a landscape. Also, not just anyone can take a photograph that is considered art worthy. lt takes a special something to be able to visualize and imagine what it is you want to capture. But Braga feels that photographic images take something away from 338 Ernest WB. Hess-Lüttich the world and that there is an act of perversity in it. Synthetic images are a result from a person's need to act on reality with the interaction of the computer. The way an artist sees the world is presented in his work, whereas the photograph is the agent's point of view of the world. "In synthetic images, there is anybody's and nobody's glance." Again many will disagree here. All artists, whatever form they choose to create in, have a loving gesture toward their work. Just because a person chooses to create art with a camera does not mean that they do not do it lovingly. Maybe people tend to jump to the conclusion that if an artist uses a more mechanized tool such as the camera or computer, they are somehow disassociated from their work. Consequences for the relation between the image and the world are how the image and the world relate. Tue prephotographic image is a metaphor; it functions as a look at the world. In this way, what is real is imagined by the artist and filtered through his illusion. "lts ideal of perfect symmetry is the direct outcome of a model existing only in the imagination." The outcome is symbolic. For photography, the image is a reflection of the world. "Thus, it acts as a shadow of the world, its remnant or cut, ip which the indexical dominates." Postphotographie images are a view of a virtual world, a metamorphosis. Reality is refined and filtered through this medium. Consequences for the role of the receptor deal with what the image means to convey. "While the artisanal image is produced for the purpose of contemplation, the purpose of the photographic image is for observation and the purpose of the postphotographic image is for interaction." The photograph's primary effect is recognition and relies on memory. Tue postphotographic image needs to be controlled from the _very beginning and a mode of programming has been developed that makes "the receptor' s response instructions and commands as fast as possible." The prephotographic is "the universe of the etemal", the photographic is "the universe of the instantaneous", while the postphotographic is "the universe of the fugitive, the universe of pure time, thus reversible and capable of being restarted at any time." "Can pictures lie? " asks WINFRIED NöTH, the editor, in the third chapter of this second part (133-146). He discusses how pictures have been seen as a means of manipulating the masses. He asks "whether the alleged manipulative power of pictorial messages could also derive from an inherent semiotic potential to lie, that is, the criterion of untrue pictorial statements with the intent to deceive." There is little doubt that pictures can refer to something that does not exist, or never existed, but do these pictures necessarily lie? Tue question of whether a picture can tel1 the truth or lie has three aspects: semantic, syntactic, and pragmatic. Tue semantic point of view states that the picture must correspond to the facts it depicts. The syntactic point of view requires that the picture must be one that represents an object and "conveys a predication about this object." Finally, the pragmatic aspect states that there must be an intention to deceive on the part of the addresser of the pictorial message. Starting with the semantic viewpoint, photographs seem to be true visual messages because "they fulfill the semantic criterion of correspondence to the facts." Photos correspond to the world they are depicting because of their iconic nature. They also correspond to reality because they depict the object of reality: " ... the photographic picture is defined as an indexical sign." Now it is commonly known that photographs can be manipulated. Through processes such as retouching, filtering and double exposure, pictures can be changed in any number of ways. "By retouching, the signifier referring to an existing object could be made to disappear." However, are these manipulated photos, for example, something an advertiser might use for a campaign, really lying? Do they really want to deceive the viewer? According The International Topography of Media Semiotics 339 to Nöth, they don't. "Instead of a lie, the ad is a mere visual metaphor, a hyperbole not tobe taken seriously." The difference between that and a really deceptive fake, a genuine visual lie, is in the pragmatic dimension of the photographic message. The syntactic part, remembering that the picture must represent an object and convey a predication, brings forth the question whether pictures can function as autonomous dicentic signs, or consist of rhematic signs only. Nöth makes a comparison to how a sentence is looked at. A statement can be true or false but not the individual words. "Truth values can only be derived from sentences or propositions in which a subject or argument is in syntactic relation to a predicate." Do pictures represent objects, or can they represent the object and the predications about the object? Nöth states three reasons why this statement has been found negative. The first argument is contextual incompleteness, which states that pictures alone cannot lie, but that only if accompanied by a caption of title it may convey a true or false proposition. Nöth argues against what he calls a "logocentric thesis of the dicentic incompleteness of pictures." He feels that the theory says nothing about pictures without labels and the semiotic potential of these pictures. Even though pictures without labels or captions are rare they are still tobe found, especially among paintings and family photos where he states that it is a rule not to have these titles. The second argument Nöth brings forth against the argument of the assumption of the dicentic structure ofpictures is called nonsegmentability. Nöth feels that visual arguments of a photo can be determined segmentally. "Such segments are the potential arguments of the visual proposition." He uses, for example, a picture with two dogs. Bachpart of the picture, color, size, shape, descriptions of material, all of these things can be looked at. Based on all of these elements it is easy to see how a picture can be manipulated, but assuming it has not been altered, it conveys a true message. Pictures do have the potential of fulfilling the criterion of propositional structure. The final argument Nöth brings forth that argues against the possibility of assigning truth values to pictures is that of dicentic vagueness. ''This argument claims that pictorial messages are so ambiguous, vague, and polysemous that they cannot serve to prove any truth or falseness." Nöth argues that a message which conveys a plurality of facts about the world must not be less true than a message that simply conveys one true fact. "Neither polysemy nor ambiguity can thus be accepted as general arguments against the truth potential ofpictures." Now, returning to the three main points, the final aspect of whether a picture can tel1 the truth or lie is the pragmatic dimension. Nöth comes back to the question whether pictures can assert at all. "Is not their function restricted to the mere showing of the real or imaginary? " Nöth brings forth the argument, made by Wittgenstein, against the assertive potential of pictures. This argument is that of pragmatic indeterminacy, meaning that the pragmatic function of pictures is open and undetermined. And yet, he states, pictures are used for assertive purposes, for example, police photos and scientific illustrations. "Whenever signs can be used for asserting the truth they can also be used to deceive. If they assert, they will be used as lies." The conclusion is that "pictures can be used to assert or to deceive about facts from the semantic, syntactic, and with certain reserves, also from the pragmatic dimension." LUCA CANEPAR0 and GIAN PA0L0 CAPRETIINI write "On the semiotics of the image and the computer image" (147-158). The authors begin with their definition of an image as "the planar space-place of signification." Their analysis deals with the visual plane, or plane of expression, that is made manifest through a medium in relation to a second plane, the plane of content. Between the plane of expression and the plane of content, a relationship may be established. "The former becomes an expression of the later, which in turn becomes the 340 Emest WB. Hess-Lüttich content of the form.er." Tue plane of expression allows us to get to the plane of content through the identification of relations, similarities and differences, associations and disassociations, during which systems of relations are established. The authors use the term "narrative structure" to define the meaning process that emerges in both planes. "Tue production of a narrative structure derives, in the final analysis, from the dynamism of the relations to be established." The authors then go on to distinguish between narrative structure in a static image (photos, drawings, paintings) and in a dynamic image (video, film, computers). Caneparo and Caprettini go into an analysis of veridiction, of what an image projects outward that allows its being perceived as a concept of reality. This analysis implies looks at perspective, chiaroscuro, or the uses of light and shadow, and detail. Being able to define a correlation between the form of the content and the form of the expression, according to the authors, allows them to advance the theory that for images there exist codes which can be defined as strong. "W e define as strong those codes which, in a representation, trigger the process of veridiction." ELI ROZIK discusses the use of "Pictorial metaphor in commercial advertising" by means of graphic design or photography (159-174). "Pictorial advertising is a clear case of iconic communication, as most products and their qualities are represented by easily identifiable printed or projected images, including printed labels." Rozik posits that metaphor derives its surface structures from a common deep structure, the rules of ellipsis and the particular quality of each medium. This deep structure is viewed as similar but altemate to the structure of literal description. To prove the theory that metaphor gets its meaning from these deep structures, Rozik states that two theories are required, "a theory of metaphor and a theory of pictorial communication, as a particular case of iconic communication." Rozik defines verbal metaphor as "a standard means of describing referents (objects or the phenomena), whether real or fictional, which is alternative to literal description." Metaphor is characterized by the use of an improper term in the "capacity predicate of a sentence." Ellipsis may apply to any of the things that compose the deep structure of a metaphor, other than the improper term, "because without it there is no alternative source of referential associations." Rozik states that structure ofverbal metaphors include five verbal parts; (1) a subject-predicate syntactic pattern, (2) a literal subject of the proposition, (3) an improper noun-predicate, (4) a common literal predicate, (5) an optional preference marker. Pictorial advertising focuses on identifying a product that is known to the customer and on presenting this product in the form of an appealing image. "In iconic utterances, certain signs serve to identify the referent (subject signs) and others to describe or, rather, categorize it (predicate signs)." Any description of a picture is equal to the pictorial description itself. The identification of the referent is crucial because this information allows one to determine if the predicate is literal or metaphorical. Rozik states that two differences must be identified which derive from the nature of the medium. The first one is that "iconic media do not provide signs equivalent to verbal nouns and names." Second, pictorial predication is spatial. Since metaphors consist of having an improper term, you may have a mixture of literal and improper predicates in a picture, relating to one or more sources of referents. Even though bis article addresses both, Rozik feels that there is a difference between design and photography in the sense of subject and metaphorical predicate. "Whereas in design, the merging of literal and metaphorical elements can be achieved by means of dexterous lines, textures, and colors, this is difficult to attain in photography without employing special techniques." He adds a step by step analysis of how to look at metaphorical advertisements and concludes bis paper with the summation that pictorial metaphor reflects The International Topography of Media Semiotics 341 that there are deep structures, shared by pictorial and verbal media, and that there is an operation of the same rules of ellipsis. "The use of pictorial metaphors in advertising suggest that they have a potentially persuasive power, possibly on the unconscious level and, therefore, are of financial interest." BENOIT HEILBRUNN' s article is entitled "Representation and legitimacy: A semiotic approach to the logo" (175-189). According to Heilbronn, the meaning of a logo can be derived from two different systems of signification; a system of intemal dependencies between what makes up a logo sign, and an extemal system of signification constituted by other logos. A logo is a sign that is usually used to represent companies, organizations, brands, etc. People are bombarded with numerous amounts oflogos per day and so companies seek to create signs that are distinguishing, simple and distinctive. The logo has not only a representative function but also a pragmatic one because it anticipates a reaction on the part of the receiver. "A semiotic study of the logo permits us to define what gives logos the status of signs and to investigate the laws of their relationships." The semiotic function of the logo is that it stands for something, it represents. something. A logo identifies an organization, product, or service and can be viewed as an expression of the company's intentions and values. Logos fulfill the following functions: phatic (maintaining the control of the channel that allows communication to happen); poetic (information on the message structure); expressive (information about its sender); conative (information about the receiver); metalinguistic (the code in which the message is expressed); referential (the message including the context ofthe information used by the receiver as source of information). There are three types oflogos: (1) the logotype (for example; IBM, 3M, ABC) is composed only of "alphanumeric signs". The colors and the type style give the logo its identity features. (2) The iconic, or icotype logo representing a company acts as an iconic and indexical sign (e.g. the Shell Oil Company logo, the Nike "swoosh"). (3) The mixed logo makes use of a mixture of words and images (e.g. Pepsi, AT&T, Merrill Lynch). "Usually based on an association of a name (logotype) and an image (icotype) these logos metaphorically borrow the elementary signs of human identity, i.e., a name and a photo." Three types of messages can be recognized in the mixed logo. The first is a linguistic message which consists ofthe product or company's name and logo. The two other messages are in the logo, one iconic, the other symbolic. The iconic message "denotes the 'real object' in such a manner that the signifier and the signified are 'quasi-tautological', hence a relationship of mutual understanding between the linguistic message and the iconic message." The symbolic message includes the connotations of the symbol that form the image of the product or company. These connotations are coded because they depend on knowledge from the viewer and imply that the symbol is open to different interpretations. Heilbronn discusses the extemal dependencies of a logo both from a Peircean perspective and in an anthropological view. The sign function of a logo is based on three main anthropological functions; sovereignty, warrior, and reproduction. Sovereignty is based on sameness and consistency meaning that if a logo is repeated over and over again it is easily identified and recognizable. Warrior is based on "a principle of difference and delimination." This function illustrates the pragmatic type of relationship that exists between logos on a given market. Logos that seek to copy other logos only gain legitimacy through the success of the logo that is being copied. In the old design for Pepsi, for instance, they copied the design of Coke. The way the words were written, the flourish of the design, and the way Pepsi put "cola" at the end of their title, led to a similarity with the original creator of soft drinks. 342 Emest W. B. Hess-Lüttich Finally, reproduction "is based on a principle of ubiquity, that is, the logo can really play an indexical role in so far as it is widely used and repeated over time and space." This function is based on repetition and is sometimes considered to be the most important role of the logo. "Indexical/ iconic ,tensions: Tue semiotics of the postage stamp" is the title of DAVID ScoTI' s article (191..; .201). Scott discusses Peircean semiotic theory, in particular the categories in the Second Trichotomy (Icon, Index, Symbol), and how these categories provide the means to analyze the tension between indexical and iconic functions in the postage stamp. "This is because Peirce's distinction between iconic, indexical, and symbolic signs provides criteria against which both the authenticity and the functional efficiency of stamps as signs can be judged." Tue indexical role of the postage stamp is to identify the country, which indicates where the mail has come from, and that the postage has been paid. As an icon, stamps represent the country from which it came by issuing it with some sort of national emblem in addition to the country' s name. Tue stamp may also propose additional icons, such as people, events, and places, which are associated with the country. This is the commemorative function of the stamp. Scott states that even when presenting an icon or commemorative image, the postage stamp is still an indexical sign. Tue authenticity of a stamp icon can be measured by the links that are proposed between it and the issuing country. These links must be established, according to Scott, if the stamp is to be considered more than just a colored sticker collected by children. Tue distinction between the iconic and symbolic functions in signs is useful in assessing the semiotic efficiency of the stamp. "A sign classified as symbolic in Peircean terminology can become iconic merely by virtue of becoming disproportionately prominent or isolated from its conventional context." Scott states that shifts can occur among the semiotic elements and can result in a destabilizing or reformulation of the reading of the stamp message. Tue role of typographical elements is important in evaluating stamps. "Letters, as conventional signs, are, in theory at any rate, relatively unambiguous in the messages they propose, at least within the restricted texts in which they tend to appear on stamps." Their relationship with the icons promoted on the stamp has the potential of being complex and susceptible to manipulation. Letters and the typography themselves have the tendency to aspire to iconic status. "This semiotic fluidity, reflecting the fluidity of Peirce's categories, serves to remind us that it is impossible ultimately to pin signs down, to arrive at any fixed or absolute classification." Scott feels that in this sense, the stamp warrants "vigilant semiotic analysis". 2 Film, television, video, and radio The third and fourth part of the book deal with.film, television, video, and radio. Tue film section includes twelve papers, some of them excellent, on the history of film, on selfreference, intermediality, and intertextuality in the movies, on acting, star images and the role of the film author, and on topics such as violence, masculinity, eating, and orality in the movies. Warren Buckland, Michael Hayes, Alain J. Cohen, Gloria Withalm, Lisa Block de Behar, Uwe Wirth, Petra Grimm, Stephen Lowry, Paul McDonald, Andrzej Gw6zdz, Hans Krah, and Jochen Mecke contributed to this third part. For reasons of space and complexity, we will concentrate here on the fourth part. The International Topography of Media Semiotics 343 In RICHARD LANIGAN' s "Television: the semiotic phenomenology of communication and the image" (381-392), the author makes a number of critical statements about such programs as "Beavis and Butthead" and MTV Cartoons in general, disguising them as generalities by referring to them as programs substandard to the ones shown on CNN. His claim that "cartoons will never be embodied, imagination is not a person" (389) may be an overgeneralization concerning the future of animation. His opinion of the series becomes apparent in the statement: "Beavis and Butthead reduce imagination to a TV image expression" (ibid.). His categorization of Beavis' and Butthead's 'Other' and 'Self', ego and alter ego according to Foucault and Freud seems a bit overextrapolated. But these critical words contrast sharply with his earlier praises of CNN as the "paradigm of the created image" (3 87), which stems most likely from his affinity with 'news' in general: "The J? resentation of news, in all its categories from "hard" news to "entertainment" news, is a creative representation" (387f.); he qualifies this by defining it with the terminology of Merleau-Ponty. However, our criticism of his style should by no means be taken as a disagreement with his overall assessment of the networks. His example of a "symbol to be consumed as symbolic" in the O.J. Simpson trial, a very popular symbol indeed at the time this article was written, is right on track, andin fact we've seen others since then: Princess Diana' s death had a similar impact on the world, though it was much swifter in terms of the press sensation and length than Simpson's. So too was the Clinton trial ('Affair') an instance of the public's fascination with an image, a Self, which no one really knew and which was abstracted. Lanigan' s argument on this level was therefore quite valid and applicable to a number of television situations and personalities. MICHELC0STANTINI's raises the question "Where is the subject in the macromedia? The question of zapping" (393-401). He defines four 'positions' of the zapper: conjunction, disjunction, nondisjunction, and nonconjunction. Obviously, each is based on the first-string thought of 'conjunction', the root on which the other three are based. He conceives of conjunction as basically the place or point in time in which the viewer (zapper) of a television finds the program s/ he wants and decides to watch it for a moment. According to Costantini, this makes the viewer the "integral subject of the performance" (ibid.). This definition is ambiguous: it can mean subject as in 'main topic' or as in a 'test subject' (i.e., that upon which something is acted or experimented). This leaves a gaping hole in the rest of the definitions. lt is also erroneous, as it neglects the importance of the programs themselves, which come at a given moment, and assigns therefore too little value to the sheer chance of the matter of whether something enjoyable is playing. Nondisjunction evidently conjunction negated twice by prefixes and hence a similar phenomenon is meant here to be nearly the opposite of conjunction, namely the periods when the viewer cannot find a program to interest him/ her. A strange and seemingly unrelated anecdote about a news program he once saw follows. Nonconjunction is characterized by the viewer' s desire not to be a part of the audience. To him, "the verb to zap, in this type of expression, does not even imply the idea that we switch from one channel to another. lt more or less implies that we should remove, erase the painful view by pressing the remote control button" (399). The final position, disjunction, is the true opposite of conjunction: the viewer does not find anything s/ he likes. lt distinguishes itselfby being the one situation in which the 'object of value' (a 'good' and worthwhile television program) does not exist. Costantini thus concludes that the "end of zapping also means the failure of performance" (ibid.). PHILIP C. SUTT0N addresses two very interesting points concerning the audience in his article on "The surrogate audience: Ostension of spectator response in televised shows" 344 Emest WB. Hess-Lüttich (403-415). Automatism and the role of the audience in detennining the final copy of a program are surely topics worth investigating. The use of 'canned' laughter, applause signs, and other contrivances to affect the atmosphere and the feelings and attitudes ofthe audience about and towards the show have been around so long that one accepts them as an inherent part of the program. In fact, the audience is a very important factor in each (performed) show - Sutton calls it a "necessary contributor to the performance text" ( 411) and the viewers are 'tricked' into thinking theyhave acbieved 'conjunction' by the audience's response, although the show itself may not be as worthwhile as one thinks. MICHAEL MÜLLER and BERNHARD SPRINGER' s "Liquid images: A semiotic analysis of onair promotion and TV design of TV stations" (417-420) concems itself largely with the network logos and what they attempt to acbieve. One complaint about these discussions would be that they never offer any support for the data they present. We are told that Premiere aims at exclusiveness, Pro Sieben at experience, etc., but not how this has been established, wbich comes into play when Kabel l's choice of color is criticized as being inappropriate for the age group. Private TV stations are also contra-distinguished, and it is mentioned that they "tend to use the color intensity contrast of modern and pop-art painting" (420), but the why is never addressed. Also, the claim is made of the logo that it has the "foremost function to help the viewer to orientate bimor herself. Apart from that, the logo is creating a trademark wbich works similarly to other brands" (427). To a certain extent this sounds plausible, but the way it is alleged without any support whatsoever casts doubt on the methodology. On the other band, a number of other discussions, for instance the ones on trailers and on pre-presentations, are thought-provoking. At least equally as thought-provoking is CLAUDE GANDELMAN's article entitled "Foreshadowing virtual reality in narrative and film" ( 431-440), presenting a discussion on virtual as being a medium achieved without the use of computers. Every time one sees a movie as powernd as Stalingrad or Gumma or hears certain music or smells an odor that reminds one of past times, one has experienced virtual reality. The 'return' of the mind "from its sojourn in.the virtual back into the concrete reality" (431) and its 'entry' into it are more memorable than all that happens in between. His discourse on virtual reality as more than just a medium for video games and a eure for arachnophobia is both accurate and refresbing. His address of virtual reality is unconventional in many respects: the subsection 'Virtual reality as "infamy"' contains part of a story and then a few examples of Doppelgänger stories examples wbich are instances of a virtual reality. Entering this new world of virtual reality is more of an act of realization than one of derealization. We are no langer in the realm of the pure mental image but in an artificially constituted sensorial world in wbich man touches, smells, as well as sees bis "image." This image world of virtual reality also evokes in him feelings ( of pleasure, fear, pain, etc.) that are not the mere de-realization of real feelings (such as we experience in reading a book or viewing a movie), but wbich are as real as our senses are real. The author adds that he has two fears that bis concept of virtual reality might lead to: that one might not be able to return from bis virtual reality without the feeling of being alienated from reality (as opposed to the normal feeling of retuming to it), and that the "virtual reality addict" might lose bis power of imagination and suffer a loss of creativity in general. Those who cannot leave an intemet chat room without feeling as though they were missing out on something, those whose best friends (or spouses, cbildren, entire families) exist only as lines on a screen those are the virtual reality addicts of today. The International Topogfaphy of Media Semiotics 345 MASSIMO A. BONFANTINI, SUSAN PETRILLI, and AUGUSTO PONZIO claim in their article on "TV is dead, video is bom" that "Dialogue on new intermedia communication" is actually trialogue between three intellectuals. They bring up several interesting and extremely impelling points about the role of television, electronic hypertextual devices, and hopes about the future of television. "And as a powerful means of communication, television is used in this sense ("exploited and exasperated by capitalism") as well. How else can we explain the important role carried out by television in triggering off the Gulf War and in its development? " (448). Here Ponzio merely scrapes the tip of an iceberg. TV is not just a vebicle for propelling the desire for war in Western cultures, it is the medium that should take responsibility for the fact that "war is inscribed in our experience" (447), for a typical American's week is filled with hours and hours of watching TV, and TV is filled with allusions to if not pictures of and thus invocations of war. People believe their television sets. People trust and believe many ofthe people they see on TV whom they shouldn't. When the word gets out that the American military has launched missiles in the direction of a country that cannot protect itself, Americans turn on their television sets and wait for the explanation. And in a very short time a power figure one different from bis precursors in that bis election was largely based on the impression he made on audiences when he appeared on TV assuages feelings of anger people have about their own country. This is what is called propaganda. As a counterexample, Petrilli comments on television's enabling a country to become a "participating democracy". At times, the moment we see bombings or riots or catastrophes of any sort on TV is the same moment in wbich our presidents leams of them. This is the great advantage the citizens of today have over those of the 1940s and 1950s: namely that no one expects to wait days or even more than a few hours when it comes to the goings on in the world as well as in national politics. The allocution on hypertext is a bit more subtle, posing the questions, "What is the real nature of the relation between the use of electronic devices and the user-consumer? Does the subject construct bis or her own texts or, rather, is the subject reduced to passively submitting to the products offered by the sign market, to operating as a function of an institutionalized system, of socio-economic production processes conceived in the interests of whoever [sie] in fact owns and controls the communication network? " (449). Truly, the reader of a text does become rather the 'creator' when s/ he 'reads' a hypertext and is therefore no longer bound the earlier Gestalt-types. And as to the nature of the relation between the use of electronic devices and the user-consumer, it' s pretty obvious what happens every time a new type of device bits the shelves take for instance the DVD players, that are more expensive and harder to come by than the traditional movie-viewing apparatus and for which there is only a limited and very expensive number of titles available. After all, Bonfantini' s hopes on the future of television sound very refresbing: "But above all what we need is very little TV" (450). As a concluding article for this section IV of the book we are looking at, we have STEPHAN SCHI.JCKAU's analysis of games in the media: "Audience participation games. Consideration for parties other than the actual participant" (465-478). Although he does provide descriptions for the three basic types of games that exist (in bis opinion), he never tells us what he uses as criteria to determine wbich are important. He leaves no room for ones just as important at least in American television circles such as "Wheel of Fortune, Jeopardy, Double Dare" etc. Another question concems bis purpose. Is it to inform the reader of the three types of games there are and then provide a discussion of each, or is it to narrow the scope of a topic everyone thought s/ he would understand mutually by filling roughly five pages with diagrams and scripts wbile leaving out a simple example? 346 Emest W. B. Hess-Lüttich 3 Computers, electronic networks, hypertext, and cyberspace The next section (V) is opened by RENE J. J0RNA and W0UT VAN WEZEL with a chapter on "Objects and the world metaphor: a semiotic engineering approach" (479-586). In the digital world of computerized media, software, games, and their applications to daily life, some aspects appeal more than others to their users. Aside from the fact that some are popular due to a certain type of genre such as sex, violence, and adventure, there appears to be a mystical element in some, which captures the minds and interests of its users. But why? What is it that tends to draw in users? What is it that turns or pushes them away? According to Joma and van Wezel, what draws a user in is that it "corresponds to everyday experiences [yet also contains] phenomena that only exist in a dream world [ ... ]. The combination of real and fantastic properties stimulates the [users] and makes them feel engaged" (481). However, what turns them away is a combination of the "user interface" and the "communication part ofthe system." There is a large semantic gap between whatthe user wants and what the computer has to offer. Somewhere along the way there is a miscommunication between the computer and its user largely due to misunderstandings or shall we say, lack ofknowledge on both sides. Therefore, this points us in the direction ofthe main question of the article: why some computer games and computer applications seduce many users to behave as if they were in real life. The answer may be found by parting it into different aspects or characterizations of the world around us. We must consider such ideas as the world or metaphor and "conversation metaphor", "first-personness", and the reference of cognitive architecture. lt is also important to take a closer look at the domains of design, programming, and object orientation. Today, the conversation or communication between the computer and its user is completed or takes place in the third person. However, it is suggested that if the point of view was changed, it would be received better by the user. Representation plays a key role here. For example, the key word is mimesis (i.e. mimicry or imitation). If a person can recognize what is being represented and can predict or expect a specific outcome which later formalizes or results in that predicted / expected outcome, then the user will be more apt to use that medium. This concept would remove any aspect of an ''alienation effect" which the medium produces and inflicts upon the user. lt works very much like a play. The actions within a play follow a logical pattem. "A new situation in the play may appear, but it is within the scope of possibilities" (485). Therefore, changes can occur provided clues were presented early enough which were in some way expected or predicted without alienating the viewer or rather, the user. Moving deeper into first-personness and its implications for the design of a computer interface, one must consider the communication between the computer and its user in terms oflanguage-like structures such as world metaphor and conversation metaphor. Characteristics of world metaphor are objects. Objects help the user to identify with what is being represented in an application. Conversation metaphor, on the other hand, consists of indirection. In other words, it is complicated communication in an indirect sense. This means that the user must use a "mental model" to fully understand what is occurring allowing the user to interface much easier with the computer. However, programming experts have found it rather difficult to agree "on which metaphor is better in which situation" and, therefore, have problems to incorporate this into their programs (487). Although many would agree it is fairly simple to understand that using the right combination of object orientation and design would create the perfect virtual world within a computer application, it is still very difficult to do. The International Topography of Media Semiotics 347 Everything depends on perception. One person's view may or may not be another person's view. So to answer the earlier questions about what draws a user in or pushes him away, the same "ambiguous answer" remains: perception. GUILIANO MAGGIORA, PIO LUIGI BRUSASCO, and LUCA CANEPARO look at "Serniotics of computer media in architecture" (497-506) and argue that architecture in a sense is a connotative semiotics. This means that it starts with constructed objects and uses them to communicate "its way of seeing space in a social and ideological way" (498). Therefore, an architectural drawing or a design is not just a simple picture, but rather a text in its own right. For example, many different small drawings are used within a form of hierarchy to create and represent something much larger. In short, each individual drawing has a practical function to create the whole. Now take the same basic principle, yet change the entire medium. Tue computer now replaces our canvas or drawing paper and table. The ruler and pencil are both thrown away, replaced by highly technological "input devices and methods for generating the shapes of the drawing" (502). There is a whole new form of communication between the architect and his virtual sketchpad mediated only by a computer monitor. Thanks to serniotics, the rest is the creation of a whole new world of twoand three-dimensional designs by the architect using every different approach possible. Defining "Electronic communities as social worlds", JOACHIM R. HÖFLICH aims at "a socio-serniotic analysis of computer mediated interpersonal communication" (507-517). He understands 'electronic communities' as "relatively durable groups or networks of mediaconnected individuals, meeting in a virtual electronically created space, and which are constituted by a common rule guided usage" (507). Over the years, their popularity has grown due to overwhelming use of the earlier electronic bulletin boards and mailboxes. To summarize the emergence of 'electronic communities' one only has to study the increased usage of new communicative technologies, particularly the usage of the computer. Rules also have to be understood in context. Aside from considering coded rules of membership, one must be weil aware of the socio-serniotic nature of the mediated communication generating these socalled media generated social worlds. Tue way in which we communicate within the computerized world is changing rapidly. Written words on paper will soon be another aspect of the distant past. lt is digital writing which will take over in the near future. Yet what are the repercussions of this new takeover? RICHARD W. JANNEY speaks of "Tue cold warmth of communication in computer networks" (519-534) with respect to e-mail communication: "While a thesis like this may appeal to computer engineers, software designers, data librarians, and others who stand to profit from it, one wonders about its implications for the many natural language users who rely on computer networks sitnply as a means of linguistic communication" (519). Such a vision demands a system of communication in which all things must be digitally encodable. We are currently not at this stage of development. However, today's e-mail communication has put us well on our way. For example, e-mail addresses already make it rather difficult to distinguish between different senders by the simple letters used in their formation or format. Email, by way of the intemet, has changed our world completely. We can now send and receive information at such a rate that it is no longer necessary to depend solely on printed or televised news. However, has it really revolutionized the way we communicate? Take expressions and the exchange of attitudinal information. lt is very difficult to express emotion, intonation, and gestures. Therefore, e-mail lacks the ability to convey an amount of nonverbal information. E-mail writers have to "try harder" than most other writers to effectively communicate something to their readers. 348 Ernest W. B. Hess-Lüttich What if one considered e-mail as a prothesis? lt would replace a sensory part of the body, yet would contain only deceptive properties. Explanation: "E-mail could [... ] be likened to an artificial hand that enables us to reach out and grasp an object, but not feel its texture. We could call it a form of contact without a sense oftouch" (525). lt also has a tendency to distort a sense of time, space, information, the private and public sphere, and many other things as well. But most important, e-mail blocks our realization of sender and receiver. lt confuses one'.s perception of possible and certain 'real' partners. E-mail leaves a user's clear understanding of the self somewhat hazy. In other words, it blurs a once crystal clear image due to its complexity, flexibility, size, and speed. In short, e-mail has completely changed our world and the way we communicate. In order to keep this change positive and to deter the negative, more research on the influence of computers and their applications on social relationships will have to be made. PIRKKORAUDASKOSKI investigates "Semiosis at computer media" (535-545). The written texts in conjunction with computer media are used to inform the reader / user of certain meanings. lt is necessary, in referenceto any text, that they are interpreted. They are considered obscure because they represent a situation, yet are completely separated from that situation. Therefore, the reader must interpret the text to give it meaning in order to understand the context. "In literary texts, this vagueness is a positive feature, as the creative imagination of the reader is essential for an enjoyable reading experience" (536). Yet when a text is used as a resource or an aid to accomplish something within the real world, it takes away the freedom from the reader to creatively interpret it. As a result, tension forms between the text as a free interpretation and the necessary reading required ofthe text. This leads to uncertainties, between the writer or creator of the text and the reader. For example, a computer manual is written to instruct the user of his equipment and to guide him through any usage ofthe system. The manual completes this task via language as well as icons. However, it has often been documented that the reader could not correctly interpret what the writer wanted to convey, therefore, creating a lack of understanding or comprehension between the writer and his reader. lt is specifically this uncertainty, which has been given great consideration among linguists and social scientists. The examined phenomenon is: where does the uncertainty emerge during communication between the writer and the reader? Research in the field of interaction in technological environments "show how people interpret each other and the other signs in the situation, be they written language, icons on the computer screen, or the visual and audio data that modern multimodal media make available for users to interact with (and with each other)" (535). In an exemplified situation, two participants want to converse and convey to each other certain meanings and understandings. This is often done, however, by questioning the other' s background. Such questioning often becomes a personal struggle between parties about one another's mental competence or reading comprehension a face-to-face threat. Therefore, semiotic studies are necessary "in orderto find out how [... ] texts were treated and interpreted in a situation [and] to understand the unfolding situation and the way the text is used to get a task done" (544). In short, using conversation analytical methods to analyze the situated interpretation of computer instruction manuals is helpful in our understanding of writer / reader interpretations and is effective in the creation of better computer manuals. MlKLE D. LEDGERWOOD is interested in the relation between "Hypertextuality and multimedia literature" (547-558). The technological revolution has brought about quite a change in the way we do things. lt is well known that the revolution, itself, has broken into The International Topography of Media Semiotics 349 virtually every aspect of our lives. But has it really? The educated world has just begun to accept this technological explosion. In fact, departments of the creative arts are now using computers as one of their main mediums of creativity. Yet literature departments are still lagging behind in the acceptance of this new technology. Therefore, perhaps it would do us all some good to explore some aspects of new genres called hypertextuality and multimedia literature. Multimedia is the wave of the future for literature departments and literary scholars and critics. Expansion of the intemet in combination with multimedia computers and materials has spawned a medium as well as a genre for all. CD-ROMs are now the latest rave incorporating written word and hypertextuality. These discs unite the world of literature with that of multimedia games and roll them both into a hypertextual shell to create what is now referred to as 'edutainment.' Countless new programs have been written leading to the creation of numerous CD-ROM titles such as Poetry in Motion, The Madness of Roland, and Myst. What remains in difficulty is the question: Whether or not hypertextuality and multimedia literature are serious formats for educational as well as professional work. GUIDO IPSEN analyzes "Linguistic orientation in computational space" (559-573). Computers have become important aspects of our daily lives. Most people do not even realize how often they must deal with computers. For example, the cash dispenser or ATM at the local bank or grocery store is a computer. The crucial point of computers, however, is to create potential environments, hence the term virtual reality or world. Yet virtual reality is often referred to only as such in conjunction with computer games. However, this is not the case. lpsen argues ''that all applications, be they calculating programs, word processors, or flight simulators, evince spatiality and dimensionality of various kinds and are therefore capable of generating virtual environments within the user's mind" (559). This, in turn, creates a link with spoken language due to behavior and movement within a time-space continuum, real or virtual, and therefore demands the study of linguistics. According to KARINWENZ' s "Principles of spatialization in text and hypertext" (575-586) one cannot assume, as does Nelson, that "hypertext is fundamentally traditional and in the mainstream of literature" nor with Bolter' s idea that technology creates a different space (584). The world oftextual literature and that ofthe technological hypertextual are "interwoven and cannot be reduced to its mere oppositions" (584). Wenz's reason is that hypertext does not only make up recent technical development, but follows tradition as well. 4 · Time, memory, media, and the semiotics of the museum The next section is introduded by a chapter from JOSEFW ALLMANNSBERGER on ''The medium is the memory: Ars memoriae in its age of technical reproducability" (589-601). Since only memory and remembering can provide an invariance of a kind in our lives, which are dynamic in nature and constantly in flux, memory and remembering are crucial to forming our individual identities. Against this background of constant change, however, our ego, that is, our concept of self, is also constantly changing, yet it remains essentially the same, so that we are always conscious of this individual core identity as a constant, and it is this 'constant' identity that serves as a home base for experiencing the world around us. Individuals who do not have the capacity of remembering in a constant, organized manner, such as those suffering from Alzheimer's disease, have lost their capacity to experience themselves as a constant identity. Remembering {and forgetting) determines the temporal matrix of the human mind. 350 Emest WB. Hess-Lüttich Wallmannsberger looks at 'electronic' writing and remembering, noting first that we all must, of necessity, depend upon writing in order to remember the myriads of pieces of information with which we must deal on.a daily basis. He points out that 'electronic' writing has brought with it a dramatic increase in the volume of materials to be produced and processed, which exacerbates the problem which a writing culture develops, a problem first noted by Plato more than two thousand years ago, namely that writing "may begin as a mere instrument, but it gradually turns into a factor in/ forming the whole information processing environment" (592). Tue long-term effect of writing cultures has been a shift away from knowledge as immediately accessible (in memory) to knowledge that is recoverable from written sources, this difference being also the difference between static memories in oral cultures vs. the dynamic ·memories of modernized societies, which "typically structure resources to be remembered in the form of processes of how to recover the information required" (593). Computer technology has made possible the storage and efficient retrieval of information via data bases, so that we now have electronically mediated memories to manage information for us. "Features of human remembering, such as gestalt properties or assignment of prototypical properties, are integrated into electronically mediated information ecologies." This trend toward more "psychologically inspired" models of electronic memories has been implemented in hypertextand hypermedia systems. The problem with these is that they result in the creation of "semantic networks of almost Byzantine complexity." Here Wallmannsberger arrives at the phenomenon of forgetting, the counterpart to remembering. "We know very little about how the human mind goes about forgetting," he writes, but it is obvious that the dialectics of remembering and forgetting must be a characteristic of cognitive processing. One has to forget some things, both to make room for new material and to stay sane; equilibrium must be maintained. Both long and short term aspects of memory are affected by this economy of remembering and forgetting. In the context of computers, writes Wallmannsberger, ars oblivionalis entails a temporary "bracketing" of information not immediately needed, which is recoverable anytime it is required, rather than a total forgetting, as in erasure or deletion of information. The construction of knowledge, Wallmannsberger points out, "is a fundamentally social process. Recent advances in research into human memory have pointed to the situatedness and social feedback systems of forgetting and remembering." Tue systems of "collective memories" spawned by the globality of mass media are manifest in the collective memories of global networks through the medium of computers in the Internet, which calls for an interaction of the sign system and the users of the system. He likens the "knowledge space" of global electronic networks to the market places of Ancient Greece. "Tue 'market place' is the message and the memory," he writes, and it is not a specific physical locale: cyberspace is by definition space beyond space." An "ecological approach" to electronic remembering shows all its aspects: "the dynamics of the sign systems, the interactions of sign users with electronic systems, and most prominently, the social horizons of understanding that are constituted through the interplay of these factors." With global hypertexts, we have ecologies of communication that are both maximally abstract, insofar as the medium is completely digital, and at the same time as concrete as systems of face-to-face social interaction" (601). Continuing the theme of memory, LUCIO AGRA and MONICA NUNES wish to contribute to the debate about the new cultural and communicational environment provided by those media that have the ability of data transmission in real time: i.e., radio, television, video, and The International Topography of Media Semiotics 351 more recently the information highways: "The role of memory in the contemporary acceleration of cultural proliferation" (603-609). In this "landscape created by acceleration, simultaneity, and speediness," the place of memory is important because "it is what provides the survival of culture itself." They agree with Lotman's judgment that the absence of memory is equivalent to "nonculture," and that culture is essentially always moving toward forgetfulness. Some characteristics of the acceleration of information circulating from one medium to another are: first, that the limits between high culture and what is called pop culture have been erased; second, that everything produced in the media field can be turned into a cult object (examples John Lennon, Andy Warhol, the cult of the 50s or the 70s). The survival of any cultural product is "part of a peculiar dynamism," which, say Agra/ Nufies, is determined by the media but is not a closed process; it is rather a process "in which the receiver is also a participant." Agra/ Nufies ask: lf the representations ofour culture are just images of very short duration due to the acceleration and simultaneity, what kind of memory do they produce? They discuss the question of "whether it is still possible to think about social memory, or whether our society is one of oblivion." There are two differing opinions about this question. One common one says that artificial memories are being created by the media, and that means taking away people's own memories. Agra/ Nufies take the opposing position, arguing that "acceleration increases memory by its power oftransformation." However, the "old-fashioned concept" of memory has been transformed, they add, and we are not dealing with the individual or genealogical memory of oral cultures, nor the social memory based on the written page. "In the present techno-scientific panorama, memory can no longer be considered a piece of information or a remembrance about yesterdays." Tue information networks (like the Internet) are almost "collective memories," which "organize the historical experience of a human collectivity." Since culture is memory, and the cultural text is constantly being written, interactively through computer mediation by the users of the system, Agra/ Nufies posit that perhaps we have already arrived at a universal hypertext: a text with no single author, a text always in the process of being written. Memory in the information age, therefore, is already constituted by speed and acceleration. Because of the acceleration, the information is not read and interpreted as before, but it is explored interactively the user navigates in it. "This makes memorization easier, considering that we better retain what is transmitted by the path of experience, thus, by interactivity." In the fourth arid last part of the paper, Agra/ Nufies talk about real and virtual experience. Using the example of computer games that simulate flight, they posit that these games deal with two levels of experience: "the first comprehends the act of flying in itself in the way it is performed by a 'real' pilot. The second level develops a new way of feeling the same experience." Under the aspect of memorization, the real and the virtual experience are the same the memory is as virtual as the computer program, "so that we can say that the simulator is the memory of the real experience." Tue mechanism of memorization "is independent of the 'real' existence of the object and even from the object itself, because the images of the memory willingly appear in the absence of the object." In conclusion Agra/ Nufies quote Levy, who said that the process of elaboration is always present when we remember anything: "To elaborate a proposition or image is then to construct paths of access to its representation in the associative network of the long term memory." So "remembrance is always an act of construction which turns the memory text into a 352 Emest WB. Hess-Lüttich new text"; it is a reconfiguration of the first experience. Agra/ Nuiies posit that "acceleration and speed are inherent to this new way of thinking." lt can be questioned, however, whether acceleration increases memory or whether it makes memorization easier that the user navigates the information highway. The human mind commits that to memory with which it has had a chance to occupy itself, and speed is detrimental to the process of memorization. "We better retain what is transmitted by the path of experience, thus, by interactivity," Agra/ Nuiies state. True, but real-world experience is something we experience in space and time, not in the push-button time-warp of cyberspace. HELOfSA DE ARAUJO DU ARTE VALENTE is "Listening to the virtual past" (611-617). The development of techniques of "capturing, storage and remodeling of sound" characteristic of the acoustic media in the twentieth century has resulted in the appearance of schizophony in the soundscape. The composer R. Murray Schafer coined the term schizaphony to mean "any sound emitted other than from its source." These techniques of recording sound, says Valente, have completely changed our musical perception and listening habits. Valente traces the history of technically mediated sound, beginning with an interesting point for us to think about: "the industrialization in the beginning of the century has brought along the phenomenon of noise, thus substantially altering the soundscape and making disappear many preexisting sounds, specially those of a lower intensity." Technical mediatization has brought new sounds and has stimulated the hearing of works of past centuries. The earliestrecordings were voice only, because the technology did not allow for satisfactory recording ofmusical instruments. Nor could early recording equipment capture various sound sources at the same time (such as a symphony orchestra). This problem was solved in the 1920s, when electrical recording replaced mechanical. High fidelity came along next, but it was not until the 1950s with the arrival of stereophony and the microgroove record that background noise such as hissing could be eliminated and a better integrity of sound could be reached. Another fact about schizophony is that it has "enabled the arrival of a technical fetishism, making the sound sign (in this case the record) stronger than the object itself represented by this sign", a problem studied by Adorno in his article "The fetishism in music and the regression of hearing." People of course began to use the new technology to their advantage. Valente points to modem-day examples, such as some pop music stars which exist only due to competent sound engineering, or the example of the pianist Glenn Gould who left the concert halls for recording studios because of what the technology could do. She points out also that the technical mediatization fits perfectly with some musical styles appearing after the war, such as Frank Sinatra. She terms Sinatra "the [middle dass] voice of high fidelity, soundscape of the economically rising metropolis." lt was in 1948 when Columbia released microgrooves the 33 rpm record, which allowed "codification in two signs and, consequently, the introduction of stereophonic sound." This new technology also allowed a longer recording time. Today, technology is also used to try to restore early recorded sound, so called historical re-editions, so that we can hear, as Valente puts it, "an archaeological Caruso" on our CD player. But beyond that, the latest technology allows the synthetic creation and recreation of sounds that existed only in imagination, for example the creation of the voice of Farinelli, the castrate who lived in the 18 th century, for the movie Farinelli. The creation of this voice was based upon literature, technical texts and recorded cylinders from 1902-1904 left by Alessandro Moreschi, the last known castrate. Based on this information, computer technology allowed the texture, trilling and articulation, impossible for contemporary singers, to The International Topography of Media Semiotics 353 be reproduced. The voices of a countertenor and a soprano were recorded and then processed in a note by note blending ofboth timbres and frequencies. This results in a new sign, writes Valente, a sign based on more than one initial reference, in this case two human voices. lt could be called a virtual voice, once it has been created and brought into the real soundscape. Another kind of virtual voice is the remastering of old recordings, filtering out interference from the old recording, or noise. Valente writes: "In using the word noise, we are actually getting back to the definition established by the Theory of Information, that is: at the moment a sound engineer manages to eliminate the noise hissing, plonking he is actually making a noise in the code of phonographic language, which interferes directly with the ground of the sign." Thus, she writes, "a new way of listening is bom, [... ] which will only be able tobe recovered by means of a virtual past, the ear oftoday intending tobe the ear ofyesterday" (616). In her paper on "The museum as a political media: a semiological assault" (619-628) SANDRA LOTTE ESSLINGER examines the nonverbal ways in which two major art exhibits in Munich in the year 1937 sent messages in keeping with the political ideology of the Third Reich. She begins by pointing out that a crass polarization resulted from the creation of the Aryan identity: "The Aryan category was defined by and assaulted the identity of the inferior Other." Similarly, the two exhibits, Große Deutsche Kunst andEntartete Kunst, were defined relative to one another. "The exhibits constituted the sites in which the Aryan and the Other identities were ostensibly defined by and for the bourgeois of the Third Reich." The notion of space is Esslinger' s focus, specifically, how space was used to influence the viewers of the exhibits. Space in this context has several aspects: the buildings in which the exhibits were housed, the way in which the objects were hung and labeled, and the social events showcasing the openings of the exhibits. These events in turn, writes Esslinger, "extended the museum space into the lives of the people outside of these edifices and provided sites for socially and politically elicited behaviors, corresponding to the valuation of the art works. As 'high' and 'low' art, behaviors reflect and produce social values." These valuations not only corresponded to the works of art but are also easily transposed to the actual groups or individuals that correlate with the works of art. The space of the museum was therefore used as a semiological system that would influence the viewer' s perception of the "true German identity." On the subject of "high" and "low" art, Esslinger points out that the assessments at the time of these exhibits would most likely be reversed today. The 'degenerate' art of the Third Reich was viewed as 'low' art, while what was viewed as true, traditional German was seen as 'high' art, and therefore superior in cultural value. This 'high' art of the Third Reich, however, would be placed in the category of popular culture today - "art for the people, the Volk." Esslinger now examines the subcategories of the concept of space. The buildings in which the exhibits were housed sent a message. The 'degenerate' exhibit was placed in a building that housed the Institute of Archaeology, which is significant because a museum of archaeology contains artifacts from dead cultures. This suggests that this modemist art "not only was not 'high' art, but also was not an art of a living culture." The audience was to consider this collection as "deteriorating, degeneratingan art mausoleum." Furthermore, the rooms were narrow, the openings from one room to another were narrow, and the ceilings were relatively low. This is a space, says Esslinger, that would inspire less "awe and respect" toward the works of art than the space chosen for The German Exhibit, which was found nearby in the 354 Emest WB. Hess-Lüttich Haus der Deutschen Kunst, one of the first public buildings erected by the Third Reich. The Haus der Deutschen Kunst was intended to house 'high' art. "The ceilings were high, the rooms were large and light, and the limestone from which the museum was constructed were permanent, implying that the objects within were etemal and living, creating a discursive space charged with meaning even prior to hanging the works." The hanging of the works of art also sends a message to the viewer, working in conjunction ·with the space chosen. The hanging of the works in the two exhibits differed dramatically. Tue 'degenerate' works were hung quickly and haphazardly, grouped in vague themes if at all, hung close together, some with frames removed, some crooked. The result was a chaotic impression. The ground floor rooms, which were the last rooms visited and therefore left the most lasting impression upon the viewer, were completely disorganized, and the works were not even individually identified. Esslinger believes that "the disorganization is an intrinsic part of the strategy to manipulate the audience." The viewer was "overwhelmed by the sheer number of pictures," and could not view individual works clearly because of the jumbled arrangement and the heights at which they were hung. "The environment was viewer hostile," writes Esslinger, "creating a sense of disorientation and alienation from the works." The works seemed irrational, so that the way the exhibit was arranged in the space chosen "overtly suggested that the works were done by deviants." In contrast, The German Exhibit was "organized in a clear and comprehensible manner." The planning and execution of this exhibit had taken months. The works were hung in the spacious, light rooms of the impressive Haus der Deutschen Kunst. They were hung according to well defined themes, each work was given plenty of space, good lighting, and each work was placed so that it could be comfortably contemplated. Also important to the way the works of art come across to the viewer are the methods of labeling, which also contrasted greatly in the two exhibits. In The Degenerate Exhibit, the commentaries and labeling were painted freehand directly on the walls, without a standard format or size. The prices paid, includedin the label, were often those paid in the inflationary period of the 1920s, so that they were outrageously high, but without an explanation. There were stickers next to many of the works reading, "Bezahlt von den Steuergroschen des arbeitenden deutschen Volkes" (paid for from the taxes ofthe working German people), the unwritten message being 'squandered public funds'. Esslinger writes, ''The texts [labels] provided reasons, rational causes, for the viewer's confusion, disorientation, and hostility." In contrast, The German Exhibit labeled the works of art carefully and neatly, with the artists, titles and requested sale prices. "The works of art were left to speak for themselves, implying that the meaning and.value were inherent qualities. The context of these works defmed the art as bearing the qualities of 'high' art objects." Esslinger also discusses some social aspects that fit into the semiotic system. There was no major social event to mark the openings of The Degenerate Exhibit, as there was for The German Exhibit. For each opening of The German Exhibit in Munich, each year starting in 1937, there was the "Day ofGerman Art." There were parades, speeches, and ! arge crowds. lt was a media event, with cultural speeches by Hitler and Goebbels. The lack of any such event for The Degenerate Exhibit indicated the devaluation of its art. A further difference of this sort: there was no entrance fee to The Degenerate Exhibit, while it cost money to get into The German Exhibit, so that an economic valuation message was being sent. Similarly, FRAUKE VON DER HORST' s paper on "The museum as semiotic frame: 'Degenerate art' in the thirties and the nineties" (629-638) focuses on an exhibition entitled "Degenerate Art: The Fate of the Avant-Garde in Nazi-Germany" at the Los Angeles The International. Topography of Media Semiotics 355 County Museum of Art in 1992, which was internationally praised for producing a 'reconstruction' of the 1937 Degenerate Art Exhibition of the Third Reich in Munich. Von der Horst has a problem with the concept of the exhibition being seen as a 'reconstruction' or 'recreation' of the original. Because the works of art were showcased in the opposite manner as they were in the 1937 exhibition, since they are now considered masterpieces and not degenerate, von der Horst maintains that the exhibition is not a recreation or a reconstruction of the historic Entartete Kunst exhibition. The reconstruction of the actual 1937 exhibition, which crammed the works of art into several cramped, low-ceilinged rooms of the Archaeological Museum, hanging them haphazardly, with inadequate lighting and derogatory, carelessly written labels, was relegated to a dollhouse-sized model. "Tue actual objects," writes von der Horst, "the art work, as signifiers were erected in the signifying systems of the post-industrial, postmodern museum in Los Angeles, the nineteenth century late capitalist Chicago Arts Institute and Berlin's imperial Prussian neoclassic Altes Museum." The 1937 exhibition purposefully sent a message beyondjust the "degenerate art" message, namely a message against the artists themselves, individually and as a group; a message of anti-Semitism, anti-communism and anti-intellectualism, writes von der Horst. Here she sees another problem with the 1992 L.A. exhibition. She states that Americans actually share these prejudices, citing the McCarthy era as the zenith of anti-communism, and that this attitude was still propagated by former President Reagan in the eighties. For anti-intellectualism, she points out that the intellectual as critical thinker was ridiculed as "egghead" by former President George Bush in 1992. Her case for anti-Semitism is merely the statement, "Anti-Semitism is cautiously performed if not spoken." She criticizes the fact that, "rather than foregrounding these shared political assumptions and values, the exhibition side-lined them as part ofthe Nazis' fascist ideology." Von der Horst wonders how "the team ofthirtyseven bad developed such unfailing judgment for an art form they detested that they could determine the future masterpieces ? " She questions whether it could actually be their "sentence as the ugly other" that defines them as masterpieces today, a case of "reverse discrimination." In DIANADRAKE WILSON' s "Western heritage and its autres: Cowboys and Indians, facts, and fictions" (639-651), the process of forgetting is not seen as passive, as it was in Wallmannsberger's paper who states, "we know very little about how the human mind goes about forgetting." Wilson, in contrast, subscribes to a concept of active forgetting posited by De Certeau, which is more a collective than an individual forgetting. Wilson begins with a quote from De Certeau, who sees the dichotomy of present and past, remembering and forgetting, more or less as a battle: the present has expelled the past in order to take its place, but the past haunts the present, it "re-bites," writes De Certeau, "and memory becomes the closed arena of conflict between two contradictory operations: forgetting, which is not something passive, a loss, but an action directed against the past; and the mnemic trace, the return of what was forgotten, in other words, an action by a past that is now forced to disguise itself' (639). Wilson's point ofreference is Tue Gene Autry Western Heritage Museum (she refers to it as the Autry) in Los Angeles. Tue spaces ofthe museum, she writes, "unfold a narrative of conflict between an insistence on forgetting and a return of the disguised." Tue conflict spoken of by De Certeau is present in the museum in the form of dichotomies: "Existing in the ether of the Autry' s Seven Spirits of the West, which are metonyms for historical periods, the dichotomies of cowboys and Indians, past and present, history and legend, cinei: na and TV, fact and fiction, real and imaginary seem to resist here that which haunts them elsewhere." Wilson maintains that "Tue vacillation between spirits standing in for history and the 356 Emest WB. Hess-Lüttich dichotomies as ordering principles creates another metahistory for us to remember, rather than just obscuring the correct history." The way the Autry presents the historical figure of Buffalo Bill Cody creates such a metahistory. In the audio narration of a cinematic collage of both Hollywood and historical films of Buffalo Bill, it is pointed out that he was a performer, and that the legend was bigger than the actual man, and that even in this historical film, Buffalo Bill appears in his mythical form. Following this cinematic presentation, one comes to the Imagination Gallery, at the entrance to which there is the following statement: "Much of what people think about the West comes from motion picture, television, radio, and advertising. Images created by these forms have become apart of the legacy of the West along with the real events and people that mak: e up its history." Wilson writes, "here is an opportunity for active, even aggressive, forgetting of differences." Another of Wilson' s points is that there are different practices of memory, different ways of remembering that have different effects on our perspectives, on how we think about (for instance) cowboys and Indians. Bringing real Indians into the space of the Autry, writes Wilson, "provides for backwards readings of the Museum' s narrative script: there are no real Indians left, the emptiness of wildemess has been converted to civilization' s entertainments." As an illustration of the different ways of remembering, she describes a gallery, the Conquest Gallery, with three vitrines dedicated to General George Custer and Captain Miles Keogh. Perpendicular to these is a vitrine containing six mannequins in costumes from the late 1800s, depicting people with different cultural backgrounds; in descending order from the figure of General Custer, a Euro-American woman, Afro-American man, Euro American man who dresses and acts like Native Americans, a Native American who "mak: es himself useful," a resistant Native American man, to the last figure, a "forcibly adapted" Native American woman. At the end of the vitrine stands a desiccated (dried) saguaro cactus. Tue vitrine is labeled with the following commentary: "When people of different cultures meet they often fight especially if their way of life seems threatened. Sometimes individuals adapt to the newcomers, however, and attempt to live in peace. In either instance, change is inevitable." To Wilson, this seemed offensive, condescending. She interpreted the cactus as suggesting that the 'inevitable change' suggested here is neither resistance nor adaptation, but an inevitable desiccation of Native American culture altogether." However, a Native American Wilson had brought along, Helen Herrera, a Mescalero Apache, remained unperturbed at the exhibit. When asked, Herrera replied that she agrees that change is inevitable, and then added: ''They lump us together with Native Americans, just like they lump the South with the term Hispanics." Herrera had a completely different perspective. Since "they" can't even manage to name the people (the individual tribes) and events properly, the statement, or for that matter the entire historical tableau presented, was not tobe tak: en seriously at all. Herrera knew the history of her own tribe and of other tribes, and differentiated between them; each one has a different story. As Wilson has pointed out (as did Esslinger), a museum exhibit can and often does have a definite semiotic strategy. In the case of the Autry, the strategy of "active forgetting" can be seen as the exercising of the winner' s rights, the winner here being white Americans who won out over the Indian tribes in the latter part of the 19 th century. What Wilson calls historical traumas causes subjectivity; the individuals on each side of an issue will have different embodied memories which determine his or her perspective. The embodied memories will have been mediated by very (Jifferent semiotic systems. The International Topography of Media Semiotics 357 5 Aesthetic aspects of the media The seventh section of the book, entitled "Aesthetic Aspects of the Media" (653- 754), begins with an article by ROLF KL0EPFER wbich is called, "Innovation, gainful learning, and habits in the aesthetics of media" (655-673). He discusses how habit reduces hard-won skills to simple routines by becoming a replacement for learnt knowledge and complex schemata of actions and introduces the complexity of sign processes through an example of a television viewer and a news program. The observation "that the viewer remembers more about the news reader and her clothes than about the hard-won mass of information from all over the world" (656) has convinced some thinkers to reject the idea that television is an 'empty medium'. Opposing this he ponders, whether "aestheticisation of the media [can] only be interpreted in negative terms as 'collective anesthesia' ? " (658). He recommends two ways to surpass this notion: (i) critical awareness of the bistory of media, communicative practices, and functional continuity and (ii) the functions ofthe sign (emotive, connotative, and phatic). The content of the communication, however, often becomes a means for appealing to the viewers, thus losing most of the communicative effect. Ancient rhetoric and poetics established that communication is most effective when signs are used to inform or teach, to move, and to delight. Following Roman Jakobson, Kloepfer objects to a reductionist semiotics suppressing the 'energy' of the gaps and tensions in semiosis. He asserts that this energy is the cause of the development of semiotic capacity. Communication like perception is in origin and in principle multisensory and thus based on tensions. The reason is that "tension filled gaps are the causes of new syntheses and in this way of all aesthetic pleasure and learning" (660). He then discusses deictics and states that the dubious resistance offered to us by the outer world gives rise to our behavior, knowledge, communication, and learning. This explains the aforementioned notion that multimedia complexes can easily become embodied habits. He concludes by saying that semiosis is the presentation of movement in the other' s or in one' s own consciousness and that this can have either value in itself like music or additionally realize contexts. Tbis last point is then illustrated by discussing significant eye movement and attention as in film. Any investigation of communication based on 'content analysis' alone, he claims, lacks feeling and experience and to support this notion he demonstrates the semiotic relevance of the human ability to use apparent deficits as enrichment. In conclusion, it is argued that thought as a sign process based on both procedural habit-memory and declarative knowledgememory must involve feeling/ emotion, volition/ will, and cognition/ knowledge. In bis article on "Deep structure and design configurations in paintings" (675-688), CLAUDI0 FEDERIC0 GUERRI approaches the study of significative production in painting from the perspective of form. He maintains that the pictorial image is the formation of an underlying formal structure and introduces an approach to the 'deep syntax' of a work of art. He examines the relation between syntactics, semantics, and pragmatics by a detailed analysis of Velazquez' "Las Meninas". He discusses how the position of each of the figures in the painting are important with regard to a syntactical, semantical, and pragmatical interpretation of the painting leading to what he calls a Theory of Spatial Delimitation (TSD). However, the author didn't make much of a distinction between the properties of bis tracings for bis interpretations. Anyone could use any series of lines, triangles, squares - Malevich' s squares serve as an example for the aesthetic comprehension of a semiotic reading of deep structuring forms and interpret these tracings syntactically, semantically or pragmatically. 358 Ernest WB. Hess-Lüttich Following Martin Krampen, CLAUS DREYER looks at "Architecture as a mass medium" (689-702) regarding the architect or team which produced the architecture as the sender of the information from a different perspective, one could regard architecture as the actual sender, but that perspective is not followed here -, the construction site as channel, and people as receivers. This "Shannon-Weaver model of architecture as communication" (690) is applied to various examples such as the Centre Pompidou or the Louvre Pyramid in Paris, the Portland Building, the Yokohama Tower of Winds, and the Karlsruhe Center of Art and Media Technology. According to Dreyer, postmodern architecture as a mass medium has become an understandable medium, which can give a response to different expectations to each of its onlookers. Today electronic media allow for virtual construction of architecture, e.g. Toyo Ito's Tower of Winds. Tue outside of the building is composed of all glass windows which mirror their extemal surroundings, also portraying the interior life and true functions of the building as living their own life hidden inside. Tue outside, mirroring its surroundings, is practically a form of camouflage. lt creates an illusion that things seem to be not as clustered as they really are. He concludes by giving an outlook on virtual reality and cyberspace. He believes that electronic media will expand the field of architecture's boundaries, allowing for more creativity and production of new spaces and installations. TANJA LEONTE CHRISTIDIS talks on "Poems on the bus: Some practical aspects of the reception of poetry in the mass media" (703-712). She discusses poems from a poetry contest posted on the wall of a bus and the reception of these poems by the passengers. She also outlines some of the strategies and types of reception of poetry in the mass media. One communication strategy, in particular, used by poems on a bus, resembles strategies of advertising. With regards to reception, her research found that most people were not able to recall the poem' s content, but could remember its visual appearance and rhythm. Thus, mass media and advertising bring art and everyday life together, forming a new type of cognitive perception. Her sociological and empirical approach, forcing the two areas of mass media and poetry together, is limited to people who use public transportation and therefore cannot be generalized to the public' s reception of poetry. The main thesis of FRIEDRICH W. BLOCK's article on "The form of the media: Tue intermediality ofvisual poetry" (713-730) is that "experimental literature develops specific mechanisms in order to reflect on medial prerequisites and possibilities of literary action" (713). Max Bense's concept of art is the catalyst for Block's ideas, and therefore the author makes use of some of bis visual poetry to demonstrate that intermedial literature as well as other forms of media are in need of the individual realization by some active observer. In Bense' s Cartesian Concrete, for example, the author describes the syntactical reading of the text (which reads "ich denke ist etwas") and the gaps within the text. In another example, created by Hansjörg Mayer, the status of language becomes questionable as well. In dealing with the operative and functional aspects of these examples, he takes the observer of the intermedial text into account, focusing along the way on the operation mode of mediation. In order to discuss the functional aspect, he explains the media concept of social systems theory, which allows for the realization of intermedial applications. In the last two sections of bis article, self-reflection in the system of art and digital hypermedia, and the observer are discussed, the latter of which he introduces the term metamediality and maintains that this concept along with intermediality must be considered from the observer's perspective. The first section of EDUARDO PENUELA CANIZAL's article on "Poetics of a multimedia text" (731-740) discusses optical and digital images as well as visual metaphors. He is The International Topography of Media Semiotics 359 examining the hypothesis that poetic over-determination produced by metaphors is inclined to cancel out the opposing elements, therefore allowing it to enjoy the "expressive advantages engendered by the principle of invariability" (731 ). Through exploring this topic, he provides examples, wbich were built by semiotic rhetoric in an attempt to stress those aspects affiliated with the principle of invariability. In considering photography as an important component of multimedia, he discusses photograph indexicality and iconicity, which are of interest and give rise to the subject of rhetoric. In exploring the topic of rhetorical structures, he defines and gives examples to aphaereses, apocopes, syncopes, and synereses, through wbich he attempts to define the connection between the metaphorical process and the principle of invariability. He considers one particular multimedia text, "Roundabout Brasilia" by Teresa Labarrere, as a good example where metaphor plays aii important role. In bis article on "Graphie notation and musical grapbics: The nonnotational sign systems in new music and its multimedial, intermedial, extended-medial, and mixed-medial character" (741-754), NIKSA GLIGO argues with Nelson Goodman' s concept of notationality attempting to give an explanation for the reasons of change in the notational functionality in new music. He describes extramusical messages and notation and asks whether in music the transmitter actually becomes the medium of the nonverbal message. In order to answer this question, Gligo outlines Erhard Karkoschka's list of musical elements which make a grapbic musically relevant. After clarifying the difference between sign and drawing, the author then makes a distinction between a grapbic notation and a musical grapbic. Both of these are usually taken as synonymous terms, however, the author distinguishes between them and also discusses the difference between Karkoschka' s and Anestis Logothetis' sign systems. Tue author states that Karkoschka's system is in terms of musical grapbics wbile Logothetis' system is based on grapbic notations, although bis list of grapbic elements is included in Karkoschka's list. The difference stems from Logothetis' method of notation wbich "is meant to communicate images of sound characteristics and not to serve as material for improvisation" (744). Tue author also concurs with Logothetis' idea, believing that sign systems in music should be referred to in terms of graphic notations. This, in theory, would leave more room for open improvisation instead of giving the transmitter of the music specific instructions. Tue author then proceeds to discuss Karkoschka' s second element conceming verbal aids, which are viewed as being not only indispensable, but also obligatory in a music score. Two examples wbich function as verbal aids but which are not directly bound with the music scores themselves are listed: Treatise by Comelius Cardew and Imaginary Music by Tom Johnson. In the first of these, Cardew' s use of verbal aids was included in a handbook on the Treatise, wbich remarked on the work. His score was non-notational as he wanted the musicians to feel free to respond to bis music, thus leaving it open for improvisation. Johnson' s work, on the other band, bad no verbal aids except for those, which were suggested by bis grapbism. Following the discussion about verbal aids, a brief note about graphic aids is discussed, which was also Part of Karkoschka's list of musically relevant elements. Gligo concludes by discussing examples of scores not intended for translation into music. Such music is expressed into private music, such as Johnson's lmaginary Music, music to read, or prose music where the transmitter has actually become the medium of a nonverbal message. 360 Emest WB. Hess-Lüttich 6 Sociosemiotics and today's myths in the media YISHAI T0BIN opens the eighth section of the book (755-865) and discusses "Divination as a media event" (755-778), i.e. the role of today' s mass media in relation to 'divination', such as fortune telling, astrology, psychics, and palm reading. Because divination bad generally been thought of as a highly personal encounter between the diviner and dient, Tobin's first response is to dismiss as a "contradiction" the idea of a mass media/ public form of divination, that is, a very private act cannot be reconciled with the very public media. However, although Tobin does conclude the act of divination has not yet become a media event in itself, he points out several examples of the intersection between traditional divination methods and the mass media, i.e., the old system has been adapted to new technologies. Tue "need to understand why" (759) is the constant force which has propelled the use of divination through time. As people accept new technologies, this constant need for divination is accepted, if not demanded, within the new mythologies. Tue "Psychic Friends Network" on cable television, the daily horoscope in the national newspaper, and the use of computers in casting astrological birth charts are the most common examples of the meshing of the private and public. Diviners welcome the new technologies as a way of legitimizing or scientifically enhancing their work in the minds of their clients. However, Tobin shows that all divination techniques, regardless of technology, follow the same discourse model and employ the same semiotic systems. In bis reflection of "Media, death, and democracy" (779-790), PATRICK lMBERT states how the control of the "truth" was once the realm of the religious world, who granted access to the "exterior" through oral sermons purporting to represent the word of God. Today it is the mass media (in collusion with the government and industry) that wishes to control access to world events and therefore create the reality ("truth") for the receiver. The example used is the "dead body" as a referent for the truth that is desired to be represented. Receivers can be programmed to react to the dead body image in a predisposed manner based on manipulation of information, the dissemination of misand dis-information, and the inability to access other points of view. Two possibilities are given to break this cycle of manipulation. Tue first is through literary discourse, because this segment is not part of the govemment media industrial coalition, and because with literary texts authors describe and explore the "strategies linked to referentiality" (784 ), which can give an understanding of the issues of manipulation to the reader. Tue second is to bring the ideas and philosophies of "decontextualization" (785), i.e. the ability to understand referentiality and the deconstruction of the official point of view, out of the sphere of intellectualism and into the level of public discourse. In this way a truly informed public can safeguard their democratic institutions. ERSU DING writes on "Myth of the Occident and its manifestations in the Chinese Media" (791-800). He puts forth the proposal that the role of creator of preconceived notions, prejudices, and ideas ("myths") by one culture about another is not confined to the stronger ofthe two cultures. That is, the East, previously dominated by Western power and influence (and still economically and technologically backwards compared to the West), also creates its own myths related to the West and its culture. Because myths involve signifying meaning, they are naturally under the realm of the semiotician. As China is now officially closed to outside information, the source that ultimately propagates and controls the myths are the official state run newspapers, books, and television programs (i.e. state-controlled mass media). Ding goes on to analyze a Chinese television series about a Chinese man in New York, and shows how the series presented myths that reinforce official Chinese govemment The International Topography of Media Semiotics 361 policy. Ding calls this the "everyday myth" (798) which is basically used as a tool for social order. · FERNANDO ANDACHT looks at the "Media coverage of the unreasonable in the land of hyper-reason" (801-815), i.e. at the role of the mass media in continuing cultural myths. Andacht starts with Barthes' definition of myth for semiotic purposes as an "excessively justified discourse used to justify as nature what is historical purpose, as eternity what is contingency" (802). He expands this concept to include myth as making "everything we plan, feel, or do seem reasonable, fair, plausible in advance" (802). He follows this path even further into the realm of semiotics to show how the theory of unmarked and marked ·pairs, which are "the very basis of meaning as it was elaborated by the Prague school's theory" (803), promotes by its very construct of opposition the idea of myth, e.g. good vs. bad, normal vs. abnormal. Any disruption, or even exposure, of these ingrained myths must be dealt with severely in order to maintain the safety of the constructed status quo. Andacht's analysis relates to "myths of the middle" (807), i.e. the myths of the mesocracy (Bürgertum or bourgeoisie) in modern day Uruguay. He describes how Uruguay television's coverage of a gay pride parade, and the semiotic sign usage within the coverage itself, reinforces the antihomosexual myths of the Uruguay middle dass. Tue media thus becomes, in Andacht' s words, a "mythkeeper" (809). "Tue media and logic in the 'housekeeping' press" (817-829) is the topic of COLINE KLAPISCH. She describes the results of a study, which compared a French woman' s magazine against two of its rivals. Tue magazines had re-occurring themes, which Klapisch calls "the grammar of this press segment" (819), which supposedly address "feminine expectations" (817). Among the findings are that the magazine in question "presents itself as solving the totality of problems a woman might have" (820); "advice [ ... ] is always considered legitimate" (821); "no space is given to imagination or independence" (821); "events [ ... ] present themselves as taken-for-granted facts" (822); and that in general the woman is defined socially, by generally accepted 'norms', or by the 'other'. Tue rival magazines seemed to have a broader context and reflect more current thinking regarding a woman and her world. Tue magazine in question has, in effect, been promoting outdated myths. HANSRUEDI SPöRRI's interest is "Tue desire of 'crises': An occidental way of existing" (831-840): he shows that many communications in modern life follow an old pattern, which he refers to as an "apocalyptic form of discourse" (831), based upon bis reading of the Revelation of St. John. Tue apocalyptic form follows the pattern: Superior Power sends message ---. Chosen One receives message, in turn transmits message ___. The Others receive message, defer to new authority of Chosen One. The pattern also uses strong semantic opposites such as 'light/ dark' or 'good/ bad' and links the characteristics of the desired opposite to nature, in order to reinforce the validity of both the message and the authority of the Chosen One. Additionally, those not in the structure, i.e. those who deny the Chosen One, are punished or become somehow non-privileged. Spörri shows how this pattern appears in an Italian political speech, an Islamic religious decree, and a Swiss advertisement, each of which was carried through the mass media. For Spörri such patterns have become so ingrained in our society that we accept their inherent repression and exclusion without contemplation. GIULIA CERANI' s argument, in her article "Invitation to Travel: Tue window-shop relationship in the communication of fashion" (841-850), is very simple: brand names today not only denote the clothes themselves, but a lifestyle, i.e. a set of values have become associated with the brand. Tue sales outlets for these brands have to convey these values, i.e. convey the 362 Emest W. B. Hess-Lüttich meaning of the brand. Therefore the setting and structure of the stores are a valid field for semiotic study. Cerani describes how the display windows, the store set-up, and architecture, called collectively the "expression and content" (844), help communicate the desired "meaning" of the brands. Her conclusion that marketers could use these tools in addition to enhance their product' s desirability is not quite unexpected. SUSANNENIEMEIER investigates ''Nonverbal signs in an intercultural business negotiation" (851-865) and attempts to see if nonverbal signs in a business negotiation match with a previous study conceming four defined cultural dimensions. The results are mixed, andin the author' s own words, "far from being completed" (864). However, for the author the important point is the actual use of these types of semiotic studies so that business negotiators better understand the cultural and ethnic nonverbal signs being communicated, knowingly or unknowingly, by their negotiating counterparts. 7 The media myths have changed. Or haven't they? Some concluding remarks and further reading .The title of the last section clearly indicates one of the central themes of the whole book. What is not so clear is to what extent each of these chapters, intentionally or not, describes a strong myth to their normal business strategies and then shows how the mass media act as "mythkeeper" (Andacht: 809). Are these articles representative of, or exceptions to, the general relationship between myths and the mass media? 2 The contributions from Ding and from Andacht are the most straightforward, the myths are well-defined and the evidence presented for the role of the media in promoting and supporting these myths is convincing. lssues of race and sexual orientation have to be among the top ideas related to myth production, because they strike at the very core of what it means to be 'someone', either as an individual or part of a group, and the 'mass' -media, by its very definition, would reflect the core 'values' of the mass group, whether enlightened or not. Media in the U.S. as well as in Europe certainly have made great strides in changing previously held myths in the areas of race and sexual orientation. Are these reflected in recent mass media events? Regarding media news reporting in the U.S., the murders of a black man in Texas and a gay man in Wyoming, both victims ofprejudice or "hate crimes", as opposed to (unfortunately named) "normal" crimes, received an enormous amount of coverage. The news reports emphasized the brutality of the crimes along with the shock that such a thing could occur in this day and age. Thus, at first blush, the media appear to be presenting the anti-myth, that is, it is news because it should not have happened based on the discrediting of the old myths in our society. On second thoughts, however, it seemed that the media were in fact playing with the same old myths fear over race and sexual orientation as a way to increase ratings or sell newspapers. Have the masses, and their mass media, really changed? Or have we all collectively just put a 'politically correct' spin on our old myths? lt is interesting to note the changes in two fixtures ofthe American television landscape, the situation comedy ('sitcom') and the game show, in this area. The first example is "Will and Grace", a prime-time network sitcom which shows the friendship between a woman and her best-friend/ roommate, a gay man. The show has been a "surprise" hit for the network, the critics love it and the ratings have been impressive. The show is clever, well-written, self deprecating, and avoids (for the most part) tradi- The International Topography of Media Semiotics 363 tional myths related either to gender or orientation. Such a show, especially on network (as opposed to cable) television, would have been hardly imaginable, say, ten years ago. Tue second example is "Hollywood Squares", a daytime and prime-time game show that combines a quiz show, celebrities, and tic-tac-toe, and has been on the air in one form or another for decades. In an attempt to reach a younger, more "hip" audience, the most recent version of the show features current celebrities and entertainers. Among them is RuPaul, a black transvestite. Featuring such a performer would have been unheard of even a few years ago. At least in these examples it seems that the mass media are not as reactionary in their role as mythkeeper, and can reflect other non-traditional or myth-changing modes. This appears to be the case with the article by Klapisch, relating to the French women' s magazines, although this context is hidden. That is, while Klapisch correctly and convincingly points out the traditional myths of "femininity" propagated by the magazine, if one reads between the lines, it appears the magazine knew it bad a problem related to its readers and/ or rivals, hence their commissioning of the study in the first place. We are not told the extent of the problem, or whether the magazine changed because of the study. Klapisch does not emphasize the antimyths of the rival magazines. We are also never told whether the readers have been surveyed to see if they themselves believe the myths being put forth, or if they take the whole magazine with "a grain of salt" in order to get whatever information they wish from it. Thus a new myth that we're all too stupid to re-evaluate the old myths shoved at us by the media is created during the analysis of these old myths. Imbert portrays a dark, Marxist, paranoiac myth and an ominous mythkeeper: the collective truth/ reality is constructed and supplied to us by a govemment-industry-media coalition. While most people would disagree with this Orwellian "1984" description, at least in regards to "free/ democratic" countries such as the U.S. or in Europe, there is more than a kemel of truth in bis scenario, as was shown in the Kosovo crisis in recent years (cf. also the Gulf War on CNN a decade ago, or the coveringof the anti-Taliban coalition in Afghanistan in 2001). Regardless of one's opinion on the military action itself, it has been interesting to note how it has been portrayed to the American people, first by politicians and then by the media. The NATO and U.S. govemment policy for intervention in Kosovo was based upon: the ethnic cleansing program of the Serbians, reminiscent of fascism; the need for a stable Europe in the U.S. national interest; and that through the use of only air power it would be a "clean" action. This already oversimplified explanation has been reduced even further in the mass media to the semiotic signs of "Hitler, money, no dead bodies". Using Imbert's thesis, the media have literally shown ethnic Albanian dead bodies and no dead American bodies. Who could not be manipulated into supporting such a cause with such a non-existent price? lmbert suggests there has been a perfect govemment-media synthesis. Tue opponents of the military action cite the lack of military exit strategies, our stretched military forces, and the lack of an active role of the U .S. in other such conflicts around the world, most notably Africa. Their signs thus become "Vietnam, cost, euro-prejudiced", but at this stage the mass media reported these arguments as side-bars. Eventually it could boil down to a media presentation of "Hitler vs. Vietnam" two myths with such power in the American mind it is hard to see how a rational debate could arise based just upon the crisis itself. Tue articles by Tobin, Spörri, Cerani, and Niemeier show no clear myth or mythkeeper, but that is what is important in itself. That is, how myths and semiotic usage have become such a part of us that we do not even realize it when we try to analyze it. In this regard Spörri' s article is the most straightforward. He shows how form of presentation and the myth it represents have, in effect, become an ingrained myth itself. The Italian politician's speech 364 Emest W. B. Hess-Lüttich uses the earliest fonns of the narrative tradition. The lslamic decree plays on the most primal fears of the unknown and the devil. We respond to the advertising of in/ out, privilege/ nonprivilege at almost a genetic level like a child being accepted by the mother. These structures are used in the mass-media all around us, without us being aware of them. Like Spörri, Tobin discusses an ancient need repackaged in a current context: the desire to know the future. However, he stops short with obvious things such as fortunetellers (based on his prior work), and says divination itself is not yet a mass media event. Perhaps he has ignored such obvious mass media "divinations" as the Federal Reserve chairman Alan Greenspan discussing the economy before Congress, the daily stock market forecast, even sports betting lines and odds. All of these would have their own semiotic codes, are instances of the private becoming part of the mass media, and would be worthy of study. The extreme is shown in the articles by Cerani and Niemeier, that is, how semiotic signs are sent and received sub-consciously. The fact that both articles relate to business (i.e. capitalism) fuels the fire of not only Imbert, discussed earlier, but the theories of philosophers such as Horkheimer/ Adorno (The Culture Industry) and later Enzensberger (The Consciousness lndustry), and would therefore be part of the capitalist / mass-media mythkeeping structure. As an aside, a classic American sub-conscious sign in this regard started with the McDonald' s hamburger chain in the 1950' s. The restaurants used the colors gold and red and became known for their "fast food", that is, limited common menu, fast service, low prices. All future entrants into this market, such as Burger King, Wendy' s, even local chains, all used some combination of red and gold. These colors came to mean, and still mean today, "fast food", and consumers sub-consciously react to those colors when looking for such an establishment. Thus, in its own way, each article in this section addressed the myth and the mythkeeper, and covers almost every facet of modern human existence: race, gender, sexual orientation, politics, business, religion, the "future", and the sub-conscious. There is no shortage of current texts that discuss myths and the media in our society, and while most do not discuss the topic of semiotics per se, the concepts are certainly reflected in them. One interesting aspect for study, not explored in Nöth's edition, is that there are segments of myths and related mass-media mythkeepers, and that the mass-media support these myths for specific economic or ideological reasons, i.e., not just a general coalition as put forth by Imbert above. That is, there is a circular relationship between myth, mythkeeper, and receiver of th.e myth. A publication-pending book chapter from Hess-Lüttich (in prep.: chapter "Media and Text", 10) indirectly discusses such a structure: One cannot underestimate the influence of the anticipation of the readers' expectations by the publishers, who at the same time may serve an (economically or politically) established development of group identification. This can easily be shown by a comparison of the presentation of the same factual information in daily newspapers that are 'aligned' with various political groups. Thus, different segments of the mass-media will "spin" the given infonnation to relate to the myths of their customers. The danger here is that a study of such a segmentation would drift away froin the general (Barthes) definition of myth as relating to a homogeneous bourgeoisie, and an intended mass-media study would instead become an analysis of alternative media (cf. Hess-Lüttich ed. 2001 a). In his 1997 book Media Semiotics: An Introduction, Jonathan Bignell devotes a chapter to defining and explaining the idea of signs and myths, and proceeds to show how these signs and myths exist and are propagated by the mass-media. Like Klapisch, Bignell's analysis of The International Topography of Media Semiotics 365 both women's magazines and advertisements finds that these mediums promote ingrained myths. John David Skrentny (1998) addresses the myths surrounding affirmative action and the "pundits" (which can be defined as mass-media commentators) who use these myths. Skrentny re-evaluates the truth behind these myths and urges the pundits to do the same. Douglas J. McReynolds (1998) discusses how "Western" films are making a popular comeback in the 1990's, after Clint Eastwood's film "Unforgiven" almost killed the genre by twisting the western myths into a critically acclaimed, bot "politically correct" movie. The newer movies revive the standard myths that the audience expects. Robert Hewison (1998) describes how books are entering the market following the success of the film ''Titanic", and exploiting the myths that surround that time period. He feels that the interest over this catastrophe is a manifestation of the public' s own fears about the new millennium. Another area of study that would be ripe for an analysis of semiotics / mass media / myths is that of UFO phenomena all the elements are certainly there: The myths exist regarding government knowledge; the role of the mass-media (whether "manipulated" by the government or not) is present in newspaper reporting of UFOs, television shows (documentary or fictional), specialty joumals, magazines, books, radio call-in shows, and public opinion polls; and the entire sub-culture has its own language and semiotic system, which clearly convey and differentiate meanings and attitudes. A simple example: aliens on earth are referred to by believers as "visitors", by scientists (skeptical or otherwise) as "extra-terrestrials", and by non-believers as "little green men". If anything, the UFO phenomenon reaches to one of the deepest myths of mankind, i.e., our place in the cosmos, and semiotics and the mass-media are major parts of this myth. An interesting primer on the topic of UFOs, certainly entertaining and comprehensive, bot in no way scientific or scholarly, is Phil Cousineau's 1995 book on UFOs. A Manual for the Millennium. Finally, two German volumes on media semiotics further contribute to the new and rapidly expanding field of research. One is devoted to aspects of the change of media and communication due to technical innovation (Hess-Lüttich ed. 2001 a). lt comprises various approaches (linguistic and otherwise) to applied media semiotics with regard to theory, terminology, methodology (part I); to the notion of text in new concepts such as hypertext and computer animation (part 11); and to innovative textual structures in media such as press, alternative press, commercials, and the like (part III). The other book (Hess-Lüttich 2001 b) includes the aesthetic perspective in applied media semiotics: it sketches the new area of net art and the tasks of media aesthetics and tele-semiotics (introduction); it reflects the role of the author in the new media and literary reactions to the change of literature in the age of information (part I); it investigates the structures of new literary genres such as net art and hyperfiction (part II); it looks at the relationship of literature and film and the change of audio-visual codes and conventions (part III); and it adds a diachronic dimension to the study of media semiotics (part IV), giving examples of reconstructing earlier stages of the history of the audio-visual, of television and its development, its transformation and future perspectives. Notes 1 Winfried Nöth (ed.), Semiotics ofthe Media. State ofthe Art, Projects, and Perspectives, Berlin/ New York: Mouton de Gruyter 1997, 896 + x pp., 398,00 DM, ISBN 3-11-015537-0 [All quotes frorn this book, referring to the pages of the chapters cited]. 2 This question will be discussed in collaboration with Richard Graf (Gainesville/ Florida) in order to provide both a European and a US Arnerican perspective on the current rnedia practice. 366 Emest WB. Hess-Lüttich References Bignell, Jonathan 1997: Media Semiotics: An Introduction, Manchester: Manchester University Press Cousineau, Phil 1995: UFOs, a Manualfor the Millennium, New York: HarperCollinsWest paperbacks Garland, Henry & Garland, Mary (eds.) 1997: The O)fford Companion to German Literature, Oxford: Oxford University Press Groden, Michael & Kreiswirth Martin (eds.) 1994: The Johns Hopkins Guide to Literary Theory and Criticism, Baltimore: The Johns Hopkins University Press Hess-Lüttich, Emest W.B. 2000: Literary Theory and Media Practice. Essays on Semiotics, Aesthetics, and Technology, New York: CuNY Hess-Lüttich, Emest W.B. (ed.) 2001 a: Medien, Texte und Maschinen. Angewandte Mediensemiotik, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag Hess-Lüttich, Emest W.B. (ed~) 2001 b: Autoren, Automaten, Audiovisionen. Neue Ansätze der Medienästhetik und Tele-Semiotik, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag Hess-Lüttich, Emest W.B. (in prep.): "Media and Text: Looking back on thirty years of German Media Semiotics", in: id. Codes of Media Culture, Toronto: Toronto University Press Hewison, Robert 1998: "Exploitation of the sinking of the Titanic", in: New Statesman Jan 1998 v. 127 n. 4368: 38-39 McReynolds, Douglas J. 1998: "Alive and weil: Western myth in Westemmovies", in: Literature Film Quanerly Jan 1998 V. 26 n. 1: 46-51 Nöth, Winfried (ed.) 1997: Semiotics ofthe Media - State of An, Projects, and Perspectives, Berlin/ New York: Mouton de Gruyter Nöth, Winfried 2000: Handbuch der Semiotik, Stuttgart/ Weimar: Metzler Skrentny, John David 1998: "Affirmative Action: Some advice for pundits", in: American Behavioral Scientist April 1998 V. 41 n. 7: 877-885 Reviews Klaus Brinker, Linguistische Textanalyse. Eine Eimlihrung in Grundbegriffe und Methoden(= Grundlagen der Germanistik 29), 5. durchgesehene und ergänzte Auflage, Berlin: Erich Schmidt 2001, ISBN 3 503 04995 9, 168 s. Klaus Brinkers erfolgreiche Einführung in die linguistische Textanalyse ist, gemessen an ihrem schmalen Format, ein äußerst informatives und für den Studierenden leicht zugängliches Buch. Eingangs legt der Verf. in klarer und unprätentiöser Art seine Absichten und Ziele dar und erläutert den Gegenstand der Textanalyse. Danach werde die Textanalyse bestimmt durch die Textlinguistik, die auf der Grundlage der Annahme des Textes als der "obersten Bezugseinheit linguistischer Analyse" operiere (S. 9). Als Ziele der Textanalyse formuliert Brinker einerseits das Erschließen (das "transparent machen") von Textstrukturen und andererseits die Vermittlung der Regelhaftigkeit von Textkonstitution und -rezeption. Als zentrale theoretische Grundlage der Textanalyse definiert er die Unterscheidung von Struktur und Funktion des Textes, und ihre Aufgabe entsprechend als Beschreibung der Zusammenhänge zwischen Textstruktur und Textfunktion. Der Aufbau des Buches orientiert sich an dieser Ausgangslage. Zuerst wird der Begriff des Textes selbst erläutert, dann die Elemente der Textstruktur und der Textfunktion, sowie die Analyse von Textsorten, Zum Schluß gehen alle besprochenen Elemente in eine Zusammenfassung zur linguistischen Textanalyse ein. Der Leser wird behutsam ins Thema eingeführt. Die Fachbegriffe der linguistischen Textanalyse werden von ihrer alltagssprachlichen Verwendung abgegrenzt und sukzessive anhand von Beispielen eingeführt. Eine klare Gliederung und kurz gefaßte Kapitel schaffen Übersicht. Die einzelnen Unterkapitel beschränken sich aufs Wesentliche. Nur an wenigen Stellen kann diese der KODIKAS / CODE Ars Semeiotica Volume 23 (2000) · No. 3-4 Gunter Narr Verlag Tübingen Textsorte Einführung geschuldete Knappheit bei Studienanfängern allerdings auch zu Verständnisproblemen führen, wie sich in der Verwendung des Buches in der Lehre im Grundstudium erweist. Nach der Einführung der alltagssprachlichen, der sprachsystematisch verankerten und des kommunikationsorientierten Textbegriffe schlägt der Verf. einen integrativen Textbegriff vor. Prinzipiell soll darin den unterschiedlichen Erkenntnisinteressen beider linguistischen Richtungen Rechnung getragen werden, als Grundlage für die Definition diene aber der pragmatische Ansatz: "Der Terminus Text bezeichnet eine begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen, die in sich kohärent ist und die als Ganzes eine erkennbare kommunikative Funktion signalisiert" (S. 17); Seine Hauptgrößen sind Segment (Gliederung der Textoberfläche), Proposition (semantische Struktureinheit) und Satz (syntaktische Struktureinheit eines Textes). In den folgenden Abschnitten wird als leitendes Element der Textstruktur die Textkohärenz und deren grammatische, und thematischen Bedingungen besprochen (Prager Schule, Diskursforschung). Weiter geht es um die Themenentfaltung: zunächst wird festgehalten, daß die thematische Analyse vom Gesamtverständnis des Textes ausgeht; das Thema eines Textes spiegelt nicht nur den dominanten Referenzträger wider, sondern beinhaltet auch das, was mit ihm geschieht. Die "Grundformen thematischer Entfaltung" werden anhand von Textbeispielen ausführlich erläutert. Bei der Erläuterung der kommunikativen Funktion von Texten bezieht sich Brinker vor allem auf die sprechakttheoretischen Ansätze von Austin und Searle. Im Kapitel über den Begriff der Textfunktion macht der Verf. anhand eines Kriterienkatalogs von E.U. Große anschaulich klar, was unter "Textfunktion" zu verstehen sei. Bei der textanalytischen Bestimmung der Text- 368 Reviews funktion stellt er einen eigenen Ansatz vor, der im Unterschied zu Großes Katalog nicht an das sprechakttheorethische Konzept der Illokationsindikatoren anknüpft, sondern auf der Definition eigener "Indikatoren der Textfunktion" basiert. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie "auf einem einheitlichen Kriterium beruhen": auf der "Art des kommunikativen Kontaktes, den der Emittent mit dem Text dem Rezipienten gegenüber zum Ausdruck bringt" (S. 107). Zum "Zusammenhang von Textfunktion und Textstruktur" wird vermerkt, die Textfunktion bedinge in grammatischer bzw. thematischer Hinsicht die Textstruktur. ·Die Zusammenhänge präsentieren sich aber als kompliziertes Gefüge, was wiederum anhand eines Textbeispiels erläutert wird. Nach Betrachtungen zum Satz und zu textinhärenten Strukturen und Funktionen gelangt Brinker zum Schluß zur Klassifikation von Texten, also zur Analyse von Textsorten. Jeder konkrete Text ist Exemplar einer bestimmten Textsorte, wobei zunächst noch der linguistische Begriff der Textsorte vom alltagssprachlichen abgegrenzt wird. In der Linguistik gibt es dazu wiederum ein sprachsystematisches und ein kommunikationsorientiertes Konzept, wobei das letztere deskriptiv angemessener sei. Die Differenzierung fußt auf funktionalen, kontextuellen und strukturellen Kriterien. In der abschließenden Zusammenfassung werden die in den vorhergehenden Kapiteln erklärten Teile der linguistischen Textanalyse zu besseren Übersicht in einer Tabelle zusammengeführt. Brinkers Buch ist eine klar strukturierte und gut lesbare, auch für Anfänger der Textanalyse geeignete Einführung, die sich nicht mit zu vielen komplizierten Einzelheiten aufhält. Die Erläuterungen anhand konkreter Textbeispiele machen die teils etwas kondensiert dargebotenen theoretischen Anteile anschaulich. Bei den Ergänzungen zur 5. Auflage hätte die Aktualisierung hier und da (etwa im Hinblick auf neue Vertextungsformen wie Hypertext-Komplexe im Gefolge der technologischen Entwicklung oder auf semiotische Verfahren zur Analyse von Kohärenz in polycodierten Texten) etwas energischer ausfallen können. Ernest W.B. Hess-Lüttich (Bern) Jörg Niederhauser, Wissenschaftssprache und populärwissenschaftliche Vermittlung (=Forum für Fachsprachenforschung 53), Tübingen: Narr 1999, ISBN 3-8233-5358-6, 275 S. Der Berner Germanist Jürg Niederhauser legt hier eine aus seiner Dissertation hervorgegangene Arbeit vor, die Beachtung verdient, da sie sich einem zunehmend an Bedeutung gewinnenden Sektor der modernen Fachsprachenforschung widmet: der Popularisierung wissenschaftlichen Wissens. Legitimationsprobleme der Wissenschaft werden in einer Wissensgesellschaft heute auf den Foren der Öffentlichkeit diskutiert. Den Vermittlern von Resultaten der Forschung an eben diese Öffentlichkeit kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Je komplizierter die Probleme, desto hermetischer die Sprache derer, die sie in ihren Zirkeln behandeln. Hier ist im besten Sinne des Wortes Übersetzungsarbeit gefordert, sei es durch die Experten selbst (was eine nicht sehr verbreitete Zusatzkompetenz erfordert), sei es durch die Mediatoren im Wissenschaftsjournalismus (die über ihr Metier hinaus über die Kompetenz im jeweiligen Fach verfügen müssen, dessen Ergebnisse sie verständlich machen wollen). Das ist der Ausgangspunkt einer linguistischen Untersuchung der Popularisierung wissenschaftlichen Wissens: "Kommunikationskonflikte innerhalb des Prozesses der Vermittlung wissenschaftlichen Wissens zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit einerseits, bei andererseits zunehmender Wichtigkeit der Wissenschaften in einer Zeit, die wie keine andere durch Wissenschaft und Technik geprägt ist" (S. 15). Der Konflikt gründet in den völlig unterschiedlichen Bedingungen der Verständigung in der Welt der Wissenschaft und der Welt der Öffentlichkeit. Das Interesse an diesen Bedingungen zielt auf eine Erweiterung des traditionellen Spektrums der Fachsprachenforschung, deren Verdienste bislang vor allem in der Erforschung der fachinternen Kommunikation lagen, in der Erfassung von Fachwortschätzen und in Fragen der Terminologienormung. Erst in neuerer Zeit wurde sie um pragmatische, textlinguistische und textsortentypologische Fragestellungen systematisch erweitert. Dabei Reviews 369 kam es auch zu Berührungspunkten der Fachsprachenforschung (manchmal auch in etwas engführender Analogie zu anderen "Bindestrich-Linguistiken" kurz Technolinguistik genannt) mit gesprächsanalytischen Ansätzen zur Erforschung der Kommunikation in Institutionen und mit solchen der neueren Verständlichkeitsforschung. Unverständlichkeit sei ja das hervorstechende Merkmal einer hermetischen Fachsprache mit all ihren standardisierten, spezialisierten, formalisierten, partikularisierten, kondensierten, deagentivierten, latinisierten oder anglisierten Konventionen der Formulierung. Der Umformung dieser in der Welt der Wissenschaft funktional adäquaten Redeweisen in die der anderen Gesetzen gehorchenden Welt der Öffentlichkeit gilt das Hauptinteresse des Buches. Dazu legt der Verf. gleichsam einen Schnitt durch die Wissenschaftsberichterstattung, beleuchtet also den gesamten Prozeß von der ersten fachinternen Formulierung für Experten über mehrere Transferschritte hinweg bis zum journalistischen Artikel in den Printmedien. Gestützt auf ein Corpus von Texten, die sich auf ein bestimmtes physikalisches Thema beziehen (die sog. Hochtemperatur-Supraleitung), kann der Verf. (der zum Glück zugleich auch Physiker ist) die Techniken und Strategien der Popularisierung, die sprachbezogenen Aspekte populärwissenschaftlicher Wissenschaftsvermittlung und das Verhältnis von fachinterner und fachexterner Kommunikation genauer profilieren. Er zeigt, wie sich im Umgang mit der spezialisierten Fachterminologie eine Reihe von Erklärungsverfahren herausgebildet haben, die indes oft eher den Stilpräferenzen der Autoren folgten als sich an systematischen Erfordernissen orientierten. Während im wissenschaftlichen Text die Abbildung der lliustration des dargestellten Sachverhalts diene, ziele sie in der populärwissenschaftlichen eher auf die Aufmerksamkeitslenkung. An die Stelle des sachbetonten, deskriptiven, argumentativen Diskurses trete dann die erzählende Darstellung mit ihrem Interesse eher an der Person des Wissenschaftlers, mit ihrer Orientierung am (gesellschaftlichen) Nutzen, mit ihrer Erklärung durch Bezug auf Alltagserfahrungen. Das Buch ist solide strukturiert: der Verf. beginnt mit einem Blick auf den gegenwärtigen Stand der Fachsprachenforschung, problematisiert den Terminus Fachsprache selbst und sichtet bisherige Ansätze zur Analyse linguistischer Aspekte der Vermittlung und Popularisierung von Wissenschaft. Dabei berücksichtigt er auch Ergebnisse der Medien- und Publizistikwissenschaft sowie neuere Erkenntnisse der Verständlichkeitsforschung. Von semiotischem Interesse sind da-. bei besonders die Elemente wissenschaftlicher Darstellung, die sich der 'rein' linguistischen Analyse entziehen, die Vertextungsmuster in ihrem polycodierten Aufbau von Text, Apparat, Bild und Graphik. Hier könnte eine Analyse der journalistischen Aufbereitung wissenschaftlicher Ergebnisse in den elektronischen Medien anschließen mit ihren weiteren Besonderheiten der Visualisierung, Personalisierung und narrativen Rekonstruktion des Erkenntnisprozesses. Aber das würde den selbstgesteckten Rahmen einer solchen Einzeluntersuchung weit übersteigen, weil derlei heute empirisch sinnvoll nur noch in Forschungsteams geleistet werden kann. Dem Buch kommt zugute, daß der Verf. nicht nur selbst über die Doppelkompetenz in der Linguistik und in der Physik verfügt, sondern auch aktiv im Wissenschaftsjournalismus aktiv ist. Die Bedeutung seines Themas nicht nur für die moderne Fachsprachenforschung, sondern auch für die Einstellung zur Wissenschaft allgemein und in der Öffentlichkeit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn "die Wissenschaftsberichterstattung bestimmt auch das öffentliche Bild von Wissenschaft, denn für die meisten Leute ist nach Ablauf von Schulzeit oder Studium die Wissenschaftsberichterstattung der einzige Kontakt zur Wissenschaft" (S. 234). Ernest W.B. Hess-Lüttich (Bern) Jens Wernecken: Wir und die anderen ... Nationale Stereotypen im Kontext des Mediensports ( = Beiträge des Instituts für Sportpublizistik 6), Berlin: Vistas 2000, ISBN 3-89158-271-4, 530 S. In der aus seiner Dissertation am Institut für Sportpublizistik der Universität Münster hervorgegangenen Studie setzt sich Jens Wernecken das 370 Reviews Ziel, Entstehung, Verwendung, Qualität und Funktionen nationaler Stereotypen im Mediensport zu untersuchen und Fragen wie "Was ist typisch deutsch? " oder "Wie schätzen Deutsche im Sport sich selber (resp. ihre Landsleute), wie schätzen sie Vertreter anderer Nationen ein? " zu klären. Er versteht seine Untersuchung als Grundlagenarbeit zur "Image-Forschung" im Kontext der Medien. Die empirischen Untersuchungsdaten wurden 1995 mittels Analyse und Interpretation der Sportberichterstattung der Medien Zeitung und Fernsehen, sowie Publikumsbefragungen (Stadioninterview, Passantenbefragung und Telefoninterview) erhoben. Diese mehrmethodische Vorgehensweise soll ermöglichen, die Konstrukte der "Sportmedienrealität" zu den Publikumsbildern in Bezug bringen zu können. In einem ausführlichen ersten Teil (ca. 140 S.) wird der aktuelle Forschungsstand im Hinblickauf die Dimensionen und den sozialen Stellenwert des Sports, den Mediensport, die Wirkungen der Massenmedien, die Medienbilder und Publikumsbilder gesichtet. Außerdem werden die für die Untersuchung wichtigsten Begriffe (Image, Stereotyp etc.) definiert und abgegrenzt. Erst im sechsten Kapitel werden Leitfragen und Hypothesen aufgestellt und dann im siebten das "Untersuchungsdesign" erläutert. Das achte Kapitel enthält dann die Ergebnisse der Untersuchung, gegliedert nach Methoden. Zum Schluss folgt die Diskussion der Ergebnisse in Form einer "Hypothesendiskussion". Die Diskussion des Themas "Sport" verlange die Berücksichtigung von Wirtschaft, Medien und sozialen Faktoren. Sportlichkeit könne als Leitbild oder Erscheinungsform der modernen Gesellschaft gesehen werden, wobei seine (soziale) Bedeutung eine erhebliche Veränderung erfahren habe. Seit den 50er Jahren sei das Interesse am aktiven Sport stetig gewachsen. Die Art der sportlichen Tätigkeit und ihr Stellenwert habe sich in verschiedenen Bereichen ständig gewandelt: (i) die sportlichen Aktivitäten hätten sich vom organisierten Sport (Vereinssport) zu nichtorganisierten Sportaktivitäten (individuelles Sporttreiben) verlagert; (ii) die Anhängerschaft des Passivsports (Besuch von Sportveranstaltungen, Konsum von Mediensport als Unterhaltung) habe in den 80er und 90er Jahren zugenommen; (iii) seit Mitte der 80er Jahre habe sich auch das Interesse von Wirtschaft und Medien vermehrt dem Sport zugewandt, was zu einer sozialen Aufwertung des Sports geführt habe. Medien haben den Sport vermarktet und instrumentalisiert: am offensichtlichsten zeichnet sich dies an der Inszenierung des kommerzialisierten Schau- und Spitzensports ab, der heute ganz auf die Unterhaltungs- und Konsumbedürfnisse der Gesellschaft ausgerichtet ist. Es ergibt sich ein stabiles "magisches Dreieck" der Wechselwirkungen zwischen Medien, Sport und Wirtschaft. Die Sportberichterstattung im Fernsehen und in den Printmedien sind publikums- und marktabhängig und damit den Gesetzen den Marktes unterworfen: diese bringen eine Uniformierung der Berichterstattung, die sich formal, stilistisch und inhaltlich in einer weitreichenden "intermediären Konvergenz" niederschlägt. Für die Tageszeitungen ist ein umfangreiches, aktuelles, ereignisreiches Sportangebot Verkaufsinstrument. Die Sportberichterstattung im Vergleich zwischen verschiedenen Tageszeitungen ist weitgehend konform, maßgeblich dafür sind Selektions- und Konstruktionsfaktoren des Sportjournalismus. Für die Sportberichterstattung im Fernsehen ist ein "duales Rezeptionsverhalten" (S. 83) zu beobachten: die privaten und die öffentlich-rechtlichen Sender haben ein entweder eher unterhaltungssuchendes bzw. ein eher informationsorientiertes Zielpublikum. Im intermediären Konkurrenzkampf hat die Sportberichterstattung im Fernsehen gegenüber der in den Zeitungen Überhand genommen. Als Gründe dafür sind u.a. Reichweitenverluste und geringe Nutzungsdauer der Tageszeitungen auszumachen. Die Funktionalisierung des Sports in den Medien bringt eine sprachliche Effekt-Orientierung mit sich: wettbewerbsorientierte Sportberichterstattung erfordert eine marktfähige Sprache. Merkmale dieser Sprache sind: einfache, verständliche Sätze, Bildhaftigkeit, beschränkte Lexik und ein begrenztes Repertoire von Redewendungen, Übertreibungen, rhetorischen Fragen, Klangfiguren. Für die massenkommunikative Publikums- und Wirkungsforschung steht der Transfer der "Medienrealität" zum Publikum und deren Rezeption durch das Publikum im Mittelpunkt. Die Reviews 371 in den 70er Jahren entwickelten Ansätze des "Agenda-Settings" und der "Kultivierungshypothese" haben die Bedeutung der Individualität der Rezipienten hervorgehoben. Ihr Wissen, ihre Aufmerksamkeit und ihr Problembewusstsein bestimmen ihren Umgang mit der durch die Medien gelieferten Information. Diese kann mitbestimmen, worüber Rezipienten denken, aber nichtwas sie denken. Bei der Kultivierungshypothese stehen die langfristigen Auswirkungen der Medien im Vordergrund des Interesses. Nach dieser Hypothese entstehen die Bilder, welche die Menschen sich von etwas machen, die "Publikumsbilder", weniger aus PrimäI'erfahrungen des Individuums als aus Medienerfahrungen. "Medienrealität", also das durch die Medien vermittelte Bild der Realität, bezieht sich zwar grundsätzlich auf "die Welt", entspringt aber einem "vielstufigen Interpretations-, Auswahl- und Konstruktionsprozess" (S. 104) und vermittelt dadurch eine 'modifizierte Realität', auch der "Sportmedien-Realität". Die Bedeutungsfelder von Bild und Image überschneiden sich zwar, aber da letzteres einem wirtschaftspsychologischen Kontext entstammt, ist es spezifischen Einschränkungen unterworfen. Stereotyp und Vorurteil unterscheiden sich darin, daß Stereotypen nicht a priori Negativ-Wertungen sind, daß Vorurteile sich prinzipiell auf "die anderen" beziehen und Selbstwahrnehmung ausgrenzen, und daß Stereotypen gegenüber Veränderung immun sind, während Vorurteile als eine Art "Wahrnehmungsblocker" mit Abwehrfunktion fungieren. Für das Verhältnis von Images, Kommunikation und Medien werden solche semantischen Nuancen relevant. Images werden durch Medienkommunikation mitgeprägt, transportiert und vermittelt. Die subjektiven Konstrukte und die Entstehung von Stereotypen sind eng mit ihren sprachlichen Korrelaten verbunden. Aber die Imageforschung steht im Hinblick auf die "Publikumsbilder" des Mediensports noch am Anfang. Deshalb will der Verf. mit seiner Studie die "Qualitäten, Verwendungsweisen, Entstehungszusammenhänge und Funktionen der Medien- und Publikumsbilder des Sports erörtern" (S. 141), wobei die "kontextrelevanten Bezüge durch Images" im Mittelpunkt stehen sollen. Auf der Basis von 16 forschungsleitenden Fragen formuliert er dogmatisch-provokativ 13 Hypothesen, die durch die Studie verifiziert oder falsifiziert werden sollen. Dazu wählt er ein mehrmethodisches Vorgehen, das Auswertungen sowohl nach qualitativen als auch quantitativen Kriterien zuläßt und Publikumsanalyse (Befragungen per Telefoninterview, von Passanten, von Stadionbesuchern) mit Medienanalyse (Analyse von TV- Sportsendungen, Zeitungsartikeln) verbindet. Die wichtigsten Ergebnisse aus der Medienanalyse (S. 178-278) werden hier nur stichwortartig und geordnet nach den Kriterien Form, Inhalt, (nationale) Image-Bezüge und Sprache wiedergegeben. Die Sportberichterstattung im Fernsehen ist demnach gekennzeichnet (i) formal durch einen hohen Uniformitätsgrad, einen Trend zum "Infotainment" und die "Ereigniszentriertheit" der Aufmerksamkeit; (ii) inhaltlich durch eine senderübergreifende Konformität, Fixierung auf einen (länderspezifischen) Kanon weniger TV- Sportarten, 'Schausport', positive Personalisierungen und "Aktiven-Perspektivierung" (die Athleten stehen im Mittelpunkt); (iii) imagebezogen durch Grundmuster nationaler Stereotypisierung, ethnozentristische Ausrichtung der Berichterstattung, Personenkult um die Sportler, primäre (Flaggen, Hymnen) und sekundäre Symbole (visuelle Images, Stereotypisierungen) für Länder und Nationen; (iv) sprachlich durch anschauliche Metaphorik, effektorientierte Hyperbolik, nationale Stereotypisierung, Formatierung, Akzentuierung. Sportberichterstattung in Tageszeitungen ist demgegenüber gekennzeichnet (i) formal durch variationsarme Stilformen, Vermischung von Information, Meinung und Unterhaltung innerhalb eines Textbeitrages; (ii) inhaltlich durch Ereignis- und Verwertungsorientierung, "Aktivenpointierung", unkritisch positive Bewertung von Sport und Sportlern, Fußball-Dominanz, Thematisierung von Randaspekten; (iii) imagebezogen durch weniger visuelle "Nationen-Images" und nationale Stereotypen als im Fernsehen; (iv) sprachlich durch mehr Chauvinismen, aber weniger Anakoluthe als im Fernsehen. Die Publikumsanalyse (durch Telefon- und Passantenbefragung mittels kognitiver Wissensfragen und affektiver Meinungsfragen) dient vor allem zur Analyse von Publikumsbildern und Grundgrößen der Stereotypisierung. Sie führt zu 372 Reviews folgenden Resultaten: (i) die Rezeption des Sportgeschehens ist untrennbar mit der emotionalen Haltung verbunden; (ii) Sport ist ein relevanter Faktor für die nationale Identifikation; (iii) positive Besetzung des "eigenen Landes" (Attribuierung von Fairneß, Erfolg, Professionalität) gegenüber negativer "der anderen" (Aggressivität, Fanatismus); (iv) Beteiligung der "eigenen" Sportler als Bedingung der identifikatorischen Wahrnehmung des Sports; (v) Fernseh-Sportberichterstattung ist der bedeutendste "Image-Former" für den Sport und verstärkt die affirmative Haltung der Rezipienten ihr gegenüber; (vi) medial vermittelte Sportereignisse werden besser erinnert und als wichtiger eingestuft als andere, wobei Interesse nicht unbedingt zu mehr Wissen führt; (vii) "Agenda-Setting"-Effekte und "Mainstream"-Wirkung der Sportmedien sind klar erkennbar: Meinungen und Einstellungen zum Sport sind bei Rezipienten des Mediensports homogener als beim Rest des Publikums, Sportberichterstattung und Publikumsbilder verstärken sich wechselseitig. In der abschließenden Hypothesendiskussion (S. 436ff.) werden die meisten der eingangs aufgestellten Hypothesen verifiziert, einige falsifiziert. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß Sportmedien das "Bild des Sports in unseren Köpfen" prägen (S. 451); daß aufgrund der hochgradigen intermediären Konvergenz Tageszeitungssport kein Komplementärangebot zum TV-Sport bildet; daß "gezielte Nationalismen" und Stereotypisierungen als Wettbewerbsinstrumente zur "publikumsattraktiven" Inszenierung medialer Sportereignisse dienen; daß "Medienbilder des Sports" national codiert sind und eine wichtige Rolle für die Rezeption des Mediensports spielen; daß zwischen "Medien- und Publikumsbildern des Sports" klare Konvergenzen auszumachen sind, was auf die Funktion der Medien als "sport-image-former" schließen läßt; daß die "Erforschung nationaler Stereotypen im Kontext des Mediensports" aufdie Bereiche Werbung, Marketing und Sponsoring ausgedehnt werden muß. Jens Wem.ecken legt mit dieser empirischen Studie eine umfangreiche und genau recherchierte Untersuchung vor, die den Anspruch des Verf., eine Grundlagenarbeit zu der auf den Sektor der Sportmedien angewandten "Image-Forschung" zu leisten, sicherlich erfüllt. Die Zwischenresumes erlauben trotz des Materialreichtums und der Methodenbzw. Kategorienvielfalt (auch der gelegentlichen terminologischen Überfrachtung) eine gute Übersicht über die Ergebnisse der Untersuchung. Ernest W.B. Hess-Lüttich (Bern) Adressen der Autoren/ Adresses of Authors J. Ulrich Binggeli Bürgerwehrstrasse 11 79102 Freiburg Dr. Gregor Bongaerts Universität GH Essen Fachbereich 3 / Literatur- und Sprachwissenschaften Universitätsstraße 12 45117 Essen Prof. Dr. Achim Eschbach Universität GH Essen Fachbereich 3 / Literatur- und Sprachwissenschaften Universitätsstraße 12 45117 Essen Dr. Achim Geisenhanslüke Fakultät II - Germanistik Universität Duisburg 47048 Duisburg Prof. Dr. Dr. Ernest W.B. Hess-Lüttich Universität Bern Institut für Germanistik Länggass-Strasse 49 CH-3000 Bern 9 Schweiz Marcel Post Universität GH Essen Fachbereich 3 / Literatur- und Sprachwissenschaften Universitätsstraße 12 45117 Essen Dr. Andreas Ziemann Universität GH Essen Fachbereich 3 / Literatur- und Sprachwissenschaften Universitätsstraße 12 45117 Essen