eJournals

Kodikas/Code
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/516
2024
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An International Journal of Semiotics Vol. 42 · January/ June 2019 · No. 1 Editors: Achim Eschbach (†) · Ernest W. B. Hess-Lüttich · Jürgen Trabant Review Editor: Daniel H. Rellstab KODIKAS / CODE is an International Journal of Semiotics and one of the leading European scholarly journals in this field of research. It was founded by Achim Eschbach, Ernest Hess-Lüttich and Jürgen Trabant in order to promote multidisciplinary approaches to the study of sociocultural semiosis in 1979, and has been publishing high quality articles, in-depth reviews, and reports on all aspects of sign processes from historical, theoretical, and empirical perspectives since then. On a regular basis, KODIKAS / CODE also publishes special issues, collections of refereed articles on timely topics, solicited by guest editors. Languages of publication are German, English, and French; all contributions handed in to the editorial board are subject to a peer review process. Please send manuscripts electronically to either of these addresses: Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Ernest W. B. Hess-Luettich (Prof. em. University of Berne, Hon. Prof. Tech. Univ. Berlin, Hon. Prof. Univ. of Cape Town) / Winterfeldtstr. 61 / D-10781 Berlin / luettich@campus.tu-berlin.de / hess-luettich@t-online.de Prof. Dr. Jürgen Trabant / Krampasplatz 4b / 14199 Berlin / Deutschland / trabant@zedat.fu-berlin.de Please send books for review to: Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Ernest W. B. Hess-Luettich / Winterfeldtstr. 61 / D-10781 Berlin Prof. Dr. Daniel Hugo Rellstab / Germanistik und Interkulturalität / PH Schwäbisch Gmünd / University of Education / Oberbettringer Straße 200 / D-73525 Schwäbisch Gmünd / daniel.rellstab@ph-gmuend.de Manuscripts should be written according to the Instructions to Authors (see last pages of this issue). Books will be reviewed as circumstances permit. No publication can be returned. An International Journal of Semiotics Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 / 72070 Tübingen / Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 / Fax +49 (0)7071 97 97 11 / info@narr.de / www.narr.de / narr.digital KODIKAS/ CODE An International Journal of Semiotics Volume 42 (2019) · No. 1 Themenheft / Special Issue Urban Semiotics: Zeichen-Landschaften und Streitgespräche im Stadt-Raum Berlins Urban Discourse: Signs of Space and eristic Debates in Berlin von Ernest W. B. Hess-Lüttich 0 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1 Berlin als ‘ Text ’ . Ein interdisziplinärer Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2 “ The Big open ” in Berlin - oder: “ Die Tempelhofer Freiheit ” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3 Sprachlandschaften. Indizien der Gentrifizierung im Berliner Szeneviertel Prenzlauer Berg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4 Fremde in der Stadt? Anmerkungen zur Berliner Moschee-Debatte . . . . . . . . . . . . . 39 5 Diskursformen des Erinnerns. Demnigs ‘ Stolpersteine ’ als Zeichen urbaner Memorialkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 6 Subkultur in Schöneberg. Ein Stadtviertel im Zeichen des Regenbogens . . . . . . . . 57 7 Die Schloss-Debatte. Vom Palast der Republik zum Humboldt-Forum . . . . . . . . . . . 66 8 Ansichten, Einsichten, Aussichten. Probleme, Projekte, Perspektiven . . . . . . . . . . . 74 9 Leer-Zeichen - Die ‘ Mauer ’ im Gedächtnis der Literatur. Statt eines Schlusswortes 82 10 Verzeichnis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 11 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Der Autor / Author . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Anschrift des Autors / Adress of Author . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Hinweise zur Gestaltung von Manuskripten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Instructions to Authors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Publication Schedule and Subscription Information The journal appears 2 times a year. Annual subscription rate € 138, - (special price for private persons € 104, - ) plus postage. Single copy (double issue) € 85, - plus postage. The subscription will be considered renewed each year for another year unless terminated prior to 15 November. Besides normal volumes, supplement volumes of the journal devoted to the study of a specialized subject will appear at irregular intervals. The articles of this issue are available separately on www.narr.digital © 2022 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG P. O. Box 2567, D-72015 Tübingen All rights, including the rights of publication, distribution and sales, as well as the right to translation, are reserved. No part of this work covered by the copyrights hereon may be reproduced or copied in any form or by any means - graphic, electronic or mechanical including photocopying, recording, taping, or information and retrieval systems - without written permission of the publisher. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Setting by: typoscript GmbH, Walddorfhäslach CPI books GmbH, Leck ISSN 0171-0834 K O D I K A S / C O D E Volume 42 (2019) · No. 1 Gunter Narr Verlag Tübingen Abstract: Urban Semiotics is a relatively young field of research that brings together issues of discourse and urbanity research. Methodically, it benefits from a number of current and traditional fields of research such as spatial science, urban ecology and sociology, urban language research etc., which open up an interdisciplinary approach to ‘ reading ’ the ‘ signs of the city ’ . This approach is illustrated by seven controversial debates in the German capital: on the future of the former Tempelhof airport; the gentrification of parts of the former district of workers and artists Prenzlauer Berg; the increasing visibility of Muslim minorities in the form of mosques; the ‘ stumbling stones ’ as signs of urban memorial culture, while anti-Semitism is increasing; the threat posed to the homosexual community in Schöneberg by homophobic migrants; the reconstruction of the Berlin City Palace and the future of the Humboldt Forum it houses; the tension between the restored city centre around the Nicolai Church and the plans for the modern redesign of the neighbouring Alexanderplatz. At the end, instead of a conclusion, the Berlin Wall, as a sign of the East-West divide, is exposed in the memory space of contemporary literature. Zusammenfassung: Urban Semiotics ist ein relativ junges Forschungsgebiet, in dem Fragestellungen der Diskurs- und der Urbanitätsforschung zusammengeführt werden. Dabei profitiert ihre Untersuchung methodisch von einer Reihe aktueller und traditioneller Forschungsrichtungen wie Raumwissenschaften, Stadtökologie, Stadtsoziologie, Stadtsprachenforschung u. a., die einen interdisziplinären Zugang eröffnen zur ‘ Lektüre ’ der ‘ Zeichen der Stadt ’ . Anhand von sieben in der deutschen Hauptstadt kontrovers geführten Debatten wird dieser Ansatz veranschaulicht: über die Zukunft des Tempelhofer Feldes, die Gentrifizierung von Teilen des Arbeiterbezirks und späteren Künstlerquartiers Prenzlauer Berg, die Gestalt von Moscheen zunehmende Sichtbarkeit muslimischer Minoritäten, die ‘ Stolpersteine ’ als Zeichen urbaner Memorialkultur, während der Antisemitismus gleichzeitig zunimmt, die Bedrohung der homosexuellen Community in Schöneberg durch homophobe Migranten, den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses und die Zukunft des von ihm beherbergten Humboldt-Forums, die Spannung zwischen dem restaurierten Stadtkern um die Nicolaikirche und der Planungen für die moderne Umgestaltung des benachbarten Verkehrsknotenpunktes Alexanderplatz. Statt eines Schlusswortes wird am Ende die Berliner Mauer als Zeichen der Ost-West-Spaltung im Erinnerungsraum zeitgenössischer Literatur exponiert. 0 Vorwort Der hier vorgelegte Essay soll den Leser, die Leserin, dafür sensibilisieren, die ‘ Zeichen der Stadt ’ wahrzunehmen, sie zu ‘ lesen ’ . Am Beispiel ausgewählter Quartiere in Berlin möchte er Antworten suchen auf die Frage: Was sind urbane Diskurse? Diese Frage nach dem ‘ Wie ’ urbaner Kommunikation zielt auf deren (sozio)kulturelle Verfasstheit im Schnittfeld von Diskursforschung und Semiotik, Stadtökologie und Stadtsoziologie. Welche Ansätze können in einem interdisziplinären Forschungsdesign zur Anwendung kommen, um die Diskursbedingungen urbanen Wandels zu verbessern? Die einleitend vorgestellten Ansätze semiotischer, urbanologischer, ökologischer, linguistischer Provenienz mögen einen inter- und multidisziplinären Zugang für die ‘ Lektüre ’ urbaner Räume als ‘ Texte ’ bieten. In sieben Skizzen werden solche ‘ Lektüren ’ angeboten, zu denen mich kontroverse Debatten der letzten Jahre motivierten: die Debatte über die Berliner Flughäfen und die Frage, was aus dem ‘ Tempelhofer Feld ’ werden soll; die Debatte über die Gentrifizierung traditioneller Quartiere (wie Prenzlauer Berg) und die Frage, aus welchen Indizien sich ihr Wandel ablesen lässt; die Debatte über unser Verhältnis zu den muslimischen Nachbarn und die Frage, welchen Einfluss sie auf den Wandel bestimmter Bezirke nehmen, indem sie etwa ihrem Glauben durch Moscheen baulich Ausdruck verleihen, über deren Zahl und Standort wiederum diskutiert wird; die Debatte über die angemessene Form der Aufarbeitung unserer politischen Vergangenheit zum Zwecke der mahnenden Erinnerung und die Frage, ob (und wenn ja, wie) Stolpersteine dem wachsenden Antisemitismus entgegenwirken können; die Debatte über die Sichtbarkeit homosexueller Minderheiten im öffentlichen Raum und die Frage, ob und inwieweit ein Traditionsviertel wie der Schöneberger ‘ Regenbogenkiez ’ als solcher erhalten und gegen die zunehmende Gefährdung durch religiös inspirierte Homophobie und damit legitimierte Kriminalität geschützt werden soll; die Debatte über die ‘ leere Mitte ’ im Stadtzentrum und die Frage, wie die Lücke, die durch den Abriss des Palastes der Republik entstand, architektonisch am besten gefüllt werden könne, ob der Wiederaufbau des Schlosses der Hohenzollern dafür der zeitgemäße Ausdruck sei, und wie es nach dessen Fertigstellung kulturell angemessen ‘ bespielt ’ werden könne; die Debatte über die umstrittene Musealisierung des historischen Stadtkerns oder die urbane Zukunftsfähigkeit einer stadtplanerischen Ödnis auf dem angrenzenden Areal des Alexanderplatzes und die Frage, wie Ansprüchen des Tourismus (das Nicolaiviertel als Disneyland? ), des Gewerbes, der Immobilienwirtschaft und des bezahlbaren Wohnraums für breitere Bevölkerungsgruppen zugleich Rechnung getragen werden kann. Die Berliner Mauer schließlich als bauliches Zeichen der europäischen Teilung und der ideologischen Systemkonkurrenz zwischen Ost und West im 20. Jahrhundert wirft die Frage angemessenen Gedenkens auf, wenn jedes Jahr an ihre Errichtung, an ihre Überwindung, an die Opfer, die sie kostete, erinnert wird. Welch kontroverse Debatten sie immer noch auslöst, lehrt ein Blick in zeitgenössische Nach-Wende-Romane, in denen der Fall der Mauer ausgerechnet in einer politisch ‘ links ’ verorteten Literaturszene merkwürdige Phantomschmerzen zu verursachen scheint. - Anlässe genug, genauer hinzuschauen und auf die Details zu achten, um im Glücksfalle den Streit ins diskursiv Produktive münden zu sehen. Berlin / Kapstadt, im Winter 2021 Ernest W. B. Hess-Lüttich Danksagung Zahlreiche Hinweise auf die verschiedensten Quellen verdanke ich Teilnehmerinnen und Teilnehmern thematisch einschlägiger Seminare an der Universität Bern, an der TU Berlin und an der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane sowie Hörerinnen und Hörern meiner Vorträge an der Stellenbosch University und der University of Cape Town. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt für ihr Interesse und ihre aktive Mitwirkung. Ernest W. B. Hess-Lüttich 6 Vorwort 1 Berlin als ‘ Text ’ Ein interdisziplinärer Zugang Abstract: Sustainable Urban Planning is to be understood as a communicative process, which interlinks city architecture, technology, city district management and social infrastructure of neighbourhoods. The focus on sustainability brings up the question, under which discourse conditions architects, city planners interact with other urban actors, citizens, local administrators and politicians in order to successfully implement urban renewal and take into account which cultural heritage should be preserved. Looking at the style of discourse in such urban communication processes brings also its socio-cultural conditions and modalities into focus. Which are the most promising approaches, which could contribute to such an interdisciplinary enterprise? The following chapter presents some such approaches of semiotic, urbanistic, ecological and linguistic provenance, which offer an interand multidisciplinary approach to the ‘ reading ’ of urban spaces as ‘ texts ’ . Zusammenfassung: Was sind urbane Diskurse? Die Frage nach dem ‘ Wie ’ urbaner Kommunikation zielt auf deren (sozio)kulturelle Verfasstheit im Schnittfeld von Diskursforschung und Semiotik, Stadtökologie und Stadtsoziologie. Welche Ansätze können in einem interdisziplinären Forschungsdesign zur Anwendung kommen, um die Diskursbedingungen urbanen Wandels und dessen demokratischer Legitimation zu verbessern? Das folgende Kapitel stellt dazu einige solcher Ansätze semiotischer, urbanologischer, ökologischer, linguistischer Provenienz vor, die einen inter- und multidisziplinären Zugang für die ‘ Lektüre ’ urbaner Räume als ‘ Texte ’ bieten. Keywords: Sustainability, urban planning, urbanity, urban ecology, urban sociology, spatial turn, ecosemiotics, urban language Schlüsselbegriffe: Nachhaltigkeit, Stadtplanung, Urbanität, Stadtökologie, Stadtsoziologie, Raumwissenschaft, Ökosemiotik, Stadtsprache 1.1 Motivation Wer sehenden Auges durch eine Stadt flaniert, nimmt pausenlos eine Fülle von Informationen auf und interpretiert sie meist automatisch zur Orientierung im Raum und zur Einordung seiner soziokulturellen Prägung. Ursprünglich angeregt einerseits durch der ‘ Neuen urbanen Qualität ’ gewidmete Forschungsprojekte, die vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert wurden und deren Ergebnisse und Empfehlungen in zwei Büchern zusammengefasst wurden (Sulzer et al. eds. 2015; Wehrli-Schindler et al. eds. 2015), die anhand konkreter Beispiele neue Wege zur nachhaltigen Entwicklung urbaner Räume aufzuzeigen suchen, andererseits unter dem Eindruck der Berichterstattung zu seit geraumer Zeit anhaltenden Kontroversen über große Bauvorhaben in Berlin - wie die Debatten über den Willy-Brandt-Flughafen BER als in Zukunft einzigem Flughafen der Hauptstadt und die Nutzung seine Vorgänger Tempelhof, Tegel, Schönefeld; den Umgang mit der Gentrifizierung traditioneller Quartiere wie Kreuzberg, Friedrichshain oder Prenzlauer Berg; den Streit über angemessenes Gedenken in Formen öffentlicher Memorialkultur; den langen Weg zum Wiederaufbau des Stadtschlosses und seine künftigen Funktionen; die anhaltende Skepsis gegenüber dem Neubau des umstrittenen Museums der Moderne im Zentrum des Berliner Kulturforums nach Entwürfen von Herzog & de Meuron ( “ Kulturscheune ” mit dem Charme einer “ Lagerhalle von Aldi ” ); die heftigen Diskussionen um neue Moscheen, die Bedrohung historisch gewachsener Subkulturen durch multikulturelle Herausforderungen wie in Neukölln; oder den Konflikt zwischen dem Bedürfnis der Bewahrung historischer Stadtkernstrukturen und ökonomisch begründeten Nutzungsdesideraten, Planungs- und Entwicklungshorizonten, um nur einige aktuelle Beispiele zu nennen - möchte ich in diesem Band den Ursachen für den Befund misslingender öffentlicher Kommunikation über solche Projekte sowie der Frage nach den diskursiven Bedingungen der Möglichkeit einer partizipativen Stadtentwicklung nachgehen. Dazu gilt es verschiedene einschlägige Forschungsstränge zusammenzuführen mit dem Ziel, daraus so etwas wie einen Wegweiser durch eine transdisziplinär höchst disparate Forschungslandschaft zu entwickeln, damit die vielbeschworene ‘ neue urbane Qualität ’ im Einklang mit den davon betroffenen Bürgern erreicht werden kann und nicht im Dickicht widerstreitender Interessen aller beteiligten Akteure erstickt wird. Ein Ausgangspunkt ist dabei die These, dass die alltägliche Lebensqualität in der Stadt in Zukunft nicht nur von architektonisch und ökonomisch interessanten Bebauungskonzepten und Profit generierenden Umbauplänen bestimmt sein wird, sondern wesentlich von einer ökologisch und kulturell integrierten Stadtentwicklung, die einerseits das kulturelle Erbe (z. B. die städtebauliche Denkmalpflege) und den Umgang mit Altbaubeständen berücksichtigt, aber andererseits auch die betroffenen Akteure mit dem Ziel gesellschaftlicher Akzeptanz von notwendigen Neuerungsprozessen diskursiv beteiligt. Moderne Konzepte urbaner Planung, die zugleich energietechnisch nachhaltig sind und energiepolitisch anspruchsvollen Vorgaben folgen (Stichwort: ‘ energetisch-ökologischer Stadtumbau ’ ), ohne historisch gewachsene bauliche Strukturen und soziale Milieus zu zerstören, tragen dem insofern Rechnung als sie das methodische Bewusstsein aller beteiligten Akteure für die Komplexität der dabei involvierten kommunikativen Prozesse zu wecken suchen, um ökologische Stadtentwicklung mit der Dynamik ‘ neuer urbaner Qualität ’ verbinden zu können. Dies stellt auch den Diskursforscher vor die Herausforderung, die kommunikative Infrastruktur im öffentlichen Diskurs über urbanen Wandel in allen seinen Dimensionen zu untersuchen. Deshalb will ich hier den interdisziplinär ehrgeizigen Versuch unternehmen, programmatisch verschiedene Fachtraditionen und Forschungsstränge miteinander ‘ ins Gespräch ’ zu bringen, die in jüngerer Zeit innerhalb ihres jeweiligen Segments Aufmerksamkeit heischen, meist ohne jedoch voneinander genauere Notiz zu nehmen, geschweige ein methodisch integriertes Instrumentarium zu entwickeln, das einem so komplexen Prozess 8 Berlin als ‘ Text ’ wie der zugleich ökologisch nachhaltigen und sozial (möglichst) konfliktfreien Stadtplanung gerecht zu werden verspricht. Zu den hier einschlägigen Diskursfeldern gehören neben (und vor) den eher technischen Disziplinen der Bauingenieurwissenschaften, der Geotechnik, der Energiewirtschaft, der Stadtplanung und -verwaltung usw. nach dem sog. spatial turn (cf. Günzel 2020) z. B. die Raumwissenschaften, die Ökosemiotik, die Stadtsprachenforschung der Linguistik und die Milieuforschung der Stadtsoziologie. Bevor wir also konkrete Beispiele städtischer Transformationsprozesse in den Blick nehmen, müssen wir - nach dem geflügelten Wort des großen britischen Sprachwissenschaftlers Michael A. K. Halliday ( “ before starting social semiotic research, there is so much background to be filled in ” ) - in einem solchen interdisziplinären Gespräch die innerdisziplinären Positionen kurz vorstellen, um die Leser und Leserinnen für den notwendigen Polyperspektivismus einer solchen Diskursanalyse hinreichend zu sensibilisieren. 1 Ich beschränke mich für die primär methodisch interessierten und diskursanalytisch motivierten Zwecke dieses Bandes zunächst exemplarisch auf die drei Bereiche der Raumwissenschaften, der Ökosemiotik und der Stadtsprachenforschung, bevor ich ein Programm zur Analyse urbaner Diskurse am Beispiel energetischer Stadtumbauprozesse entwerfe und danach in sieben Kapiteln exemplarisch den Blick auf einige der oben genannten Berliner Debatten und aktuellen Kontroversen in der deutschen Hauptstadt richte (man könnte auch etliche weitere lokalpolitische Konflikte thematisieren, etwa solche um die Stadtautobahn, die Immobilienspekulation in traditionellen Arbeiter- und Studentenvierteln wie den Wedding oder Kreuzberg, die Flüchtlingsunterkünfte und deren Standorte, die Frage nach der Zukunft des Internationalen Kongress-Zentrums ICC u. v. a., was aber den Rahmen des hier vorgegebenen Umfangs eines Heftes überdehnen würde). 1.2 Raumwissenschaften Nach diversen linguistic turns, pragmatic turns, iconic oder visual oder pictorial turns, performative turns, cultural turns, postmodern turns, postcolonial turns, medial turns etc. (cf. Münker 2009: 18 f.; cf. Bachmann-Medick 2007) wurde bekanntlich der spatial turn ausgerufen, von dem sich seither etliche Disziplinen epistemische Befruchtung erhoffen. Einen nützlichen Überblick bietet der zuerst 2009 von Stephan Günzel bei Suhrkamp herausgebrachte Band über Raumwissenschaften, der die Bedeutung des Raumbegriffs in den verschiedensten Fächern auslotet, alphabetisch geordnet von der Ästhetik und Architektur über Ethnologie und Mathematik bis zur Soziologie und Theologie. In der Einleitung skizziert der Herausgeber knapp die Vorgeschichte der (lange ausschließlich euklidischen) Raumwissenschaft seit Kant und erinnert zu Recht an die psychologischen 1 Nach dem altrömischem Rechtsgrundsatz “ Pronuntiatio sermonis in sexu masculino ad utrumque sexum plerumque porrigatur ” (Corpus Iuris Civilis Dig. 50, 16, 195) und im Einklang mit der geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (s. BVG-Personenstandsurteil 1 BvR 2019/ 16 v. 10.10.2017 gem. Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und BGH-Personenbezeichnungsurteil VI ZR 143/ 17 v. 13.03.2018) sowie den Empfehlungen des Deutschen Rechtschreibrates (v. 26.03.2021), aber auch in vager Erinnerung an dereinst allgemeinverbindliche Regeln der deutschen Grammatik und stilistischen Form, möge in diesem Band die generisch gebrauchte maskuline Form personeller Gruppenbezeichnungen fortan Personen jedweden Geschlechts bezeichnen. Raumwissenschaften 9 und physiologischen “ Ansätze zur empirischen Rückbettung des Apriorischen ” (Günzel ed. 2009: 7), etwa eine vergessene Arbeit von Friedrich Carl Fresenius über Die psychologischen Grundlagen der Raumwissenschaft aus dem Jahre 1868 oder den 1870 von Hermann von Helmholtz gehaltenen Vortrag Ueber den Ursprung und die Bedeutung geometrischer Axiome. Dies nur zur Absicherung gegen den stets wohlfeilen Vorwurf des bloß Modischen. Auch in meinem eigenen (in dem genannten Band leider nicht vertretenen) Fach Germanistik hat das ‘ Raum-Paradigma ’ seine Wirkung bekanntlich nicht verfehlt. Die dort so gern gebrauchte Metapher vom ‘ Text als Raum ’ wirft in der Tat texttheoretische Fragen auf, die vor allem in narratologischem Zusammenhang schon seit längerem erörtert werden und die Auswirkungen auf weitere textwissenschaftliche Ansätze zeitigen. Begriffe wie ‘ Textraum ’ , ‘ literarische Kartierung ’ , ‘ Mapping ’ , ‘ literarische Topographie ’ , ‘ Heterotopien der Literatur ’ etc. werden freilich nicht selten als begriffliche Konzepte aus anderen Disziplinen adoptiert, die z.T. in ganz anderen terminologischen Netzwerken operieren. Dabei haben sich schon allerlei Neben- und Unterströmungen herausgebildet, die z. B. besonders auf die technischen und kulturellen Repräsentationsweisen von Räumlichkeit abheben (topographical turn) und die ihrerseits nicht zu verwechseln seien mit jenen Bemühungen, die sich auf die Beschreibung literarischer Räume und räumlicher Strukturen in ästhetischen Produkten richten (topological turn). Für solche Versuche wurden wie immer in den historisch informierten Textwissenschaften etliche Vorläufer namhaft gemacht (von Lessing über Karlfried v. Dürckheim bis zu Ernst Cassirer und Otto F. Bollnow). Gegenüber solchen (außer bei Lessing) meist eher subjektzentriert-phänomenologischen Ansätzen fasst der im Westen lange ignorierte Begründer der Tartuer Schule des Strukturalismus, der Kultursemiotiker Jurij M. Lotman, den symbolischen Raum der Literatur bereits als Resultat kulturell bestimmter Zeichenverwendungen auf: indem er ein analoges Verhältnis narrativer Texte als ‘ abstrakter Wirklichkeitsmodelle ’ zum jeweiligen ‘ Weltbild ’ einer bestimmten Kultur sieht, überträgt er sein semantisches Raummodell in einen pragmatischen, eben ‘ kulturhistorisch-lebensweltlichen ’ Kontext (cf. Lotman 1974). In der Sprachwissenschaft hat Winfried Nöth bereits früh den Text als Raum semiotisch zu konzipieren vorgeschlagen (cf. Nöth 1994; cf. Hess-Lüttich 1998). Er spürte den Text- Raum vor allem im Metapherngebrauch auf und fand eine Fülle von Beispielen für die von ihm so genannte Geometrie und Topographie des textuellen Raumes. Seine Befunde dienen ihm als Beleg der Hypothese vom kognitiven Ursprung solcher sprachlichen Ausdrücke der Orientierung im Raum (cf. Schmauks 2002). Tatsächlich hat die kognitive Semantik die bemerkenswerte Häufung räumlicher Metaphorik im Sprachgebrauch des Alltags auf die biologische Bedeutung der Orientierung des Menschen in seiner unmittelbaren Umwelt im Prozess des Spracherwerbs zurückgeführt (Lakoff 1987: 269 - 292). In ihrem Buch über Raum, Raumsprache und Sprachräume hat die Nöth- Schülerin Karin Wenz (1997) den Ansatz weiterverfolgt und ist der Frage nachgegangen, welche semiotischen Beziehungen zwischen Raumkognition und textueller Raumrepräsentation bestehen (cf. id. 2009). Aus methodisch-begriffssystematischem Interesse habe ich vor einigen Jahren an anderer Stelle die heute in so vielen Disziplinen verbreitete Raummetaphorik über die Disziplingrenzen hinaus zu ihren Ursprüngen in den raumbezogenen Geowissenschaften 10 Berlin als ‘ Text ’ zurückverfolgt und in kritischer Absicht die Veränderungen des Raumbegriffs von der traditionellen Geographie bis zur aktuelleren Kulturgeographie summarisch nachgezeichnet (Hess-Lüttich 2011). Auch die Verräumlichung sozialer Sachverhalte (und deren Visualisierung) und die Übertragung dieses Ansatzes auf andere Wissensbereiche geriet dabei in den Blick. Im Versuch einer Synthese sollten mögliche Berührungspunkte zwischen literarischen (bzw. literatur- und texttheoretischen) und kulturgeographischen Raumkonzepten sondiert und die Prämissen für ein zeitgenössisches Verständnis von ‘ Raum ’ im Zeichen der Spannungsbalance von ortlosen medialen Netzen und lokaler Identitätsbehauptung profiliert werden, um schließlich literarische Texte als Medien kulturspezifischer Codierungen und als Symbolisierung von ‘ Raum ’ zu exponieren. Denn das Erkenntnis-Potential einer Kooperation zwischen kulturgeographischen und literarischen Topographien scheint bislang ebenso wenig ausgeschöpft wie das einer semiotischen Integration topologischer Relationen in (literarischen) Texten als modellbildenden Systemen (im Sinne Jurij Lotmans), die als abstrakte (ästhetische) Wirklichkeitsmodelle auf das Weltbild einer jeweiligen (hier: urbanen) Kultur verweisen. Konsequenter verfolgt der topologische Ansatz in der Tradition der Tartuer Schule das Programm, gleichsam ‘ oberhalb ’ traditioneller Disziplingrenzen geowissenschaftliche Kartierung und literarische Fiktion als Wirklichkeitsmodelle jeweiliger Kulturen mit den in ihnen geltenden signifikativen Relationen zu interpretieren. Im Zeichen der zunehmenden Komplexität einer multidimensional vernetzten Welt gewinnen die Lotmanschen Impulse unverhofft eine neue Aktualität für den Dialog zwischen Natur- und Kulturwissenschaft, zwischen Sprach- und Literaturwissenschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaft, insofern z. B. literarische Texte als Medien kulturspezifischer Selbstauslegung gelesen werden können und als Zeugnisse veränderter (und veränderlicher) Raumwahrnehmungen, etwa beim Verständnis der Rolle von Metropolen in Literatur und Film (cf. Hess-Lüttich et al. eds. 2010). 1.3 Ökosemiotik In Zeiten des Klimawandels und der ‘ Energiewende ’ , zu der sich die Regierung in Deutschland unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe in Fukushima (2011) schließlich durchgerungen hat, bei einer zugleich sich zunehmend nachdrücklich artikulierenden Kritik lokaler Interessengruppen an den Konsequenzen bei den Kosten erneuerbarer Energien (Sonne, Wind, Wasser, Biomasse) und für den energetischen Stadtumbau, ist ökologische Konfliktkommunikation eine Notwendigkeit für die beteiligten Gruppen und Disziplinen, denn misslingende Kommunikation zwischen den Beteiligten kann die ökologisch notwenigen Maßnahmen gravierend behindern oder gar verhindern. Was in meinem Band über Eco-Semiotics (Hess-Lüttich ed. 2006) auf die Umweltkommunikation in interkulturell-institutioneller Hinsicht (Medien) und auf die Entwicklungskommunikation in interkulturell-interpersoneller Hinsicht (Dialog) bezogen wurde, kann nun für die Stadtplanung fruchtbar gemacht werden. Hier wie dort geht es um die sorgfältige Diskursanalyse interfachlich und inter(sub)kulturell hochspezifischer kommunikativer Konstellationen mit dem Ziel der Veränderung und möglichst Verbesserung ihrer diskursiven Praxis. In der Gruppenkommunikation solch heterogener Konstellationen ist die Gefahr von Missverständnissen erheblich, da Interes- Ökosemiotik 11 sengegensätze, (Fach-)Sprachunterschiede und (Sub-)Kulturkontraste, regionale Divergenzen im Gebrauch von Sprache, Zeichen und Ritualen die Verständigung erschweren. Transdisziplinäre und transkulturelle Verständigungsfähigkeit ist hier in besonderer Weise gefordert, zu deren theoretischen Reflexion, empirischen Beobachtung und fruchtbaren Anwendung oder Vermittlung die Diskursforschung mit ihren zahlreichen interdisziplinären Anschlussstellen durchaus beizutragen vermag. In Analogie zu den längst etablierten Zweigen der Soziolinguistik, der Psycholinguistik, der Patholinguistik, der Ethnolinguistik usw. hat sich nun in den vergangenen Dekaden die Ökolinguistik mit eigenem Profil zu etablieren versucht. Wie immer in solchen Fällen schlug ihr zunächst das geballte Misstrauen derer entgegen, die auf dem Boden des Bewährten nur wieder ein modisches Schlagwort witterten. Deshalb habe ich in meiner Einführung zu dem besagten Band über Eco-Semiotics sicherheitshalber noch einmal an die lange Tradition erinnert, in der der amerikanische Skandinavist norwegischer Abstammung Einar Haugen vor über vierzig Jahren den Begriff der Ökologie - der Jenaer Biologe Ernst Haeckel hatte bekanntlich 1866 “ Oecologie ” als “ Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt ” definiert - erstmals auf die Sprache bezog und Sprachökologie als “ the study of interactions between any given language and its environment ” (Haugen 1972: 325) systematisch zu untersuchen vorschlug. Bis heute jedoch wird die Fachbezeichnung Ökolinguistik, die sich daraus entwickelte, nicht eindeutig gebraucht. Unter dem griffigen Titel wird durchaus Unterschiedliches subsumiert, wie etwa Alwin Fill in seinen zahlreichen Arbeiten zum Thema herausgearbeitet hat (Fill 1998; cf. Hess-Lüttich 2006: 12). Auf die mittlerweile zahlreichen Verzweigungen der Ökolinguistik will ich hier nicht noch einmal eingehen, sondern knüpfe an jene Ansätze an, die zunächst aus außersprachlich-ökologischen Interessen erwuchsen und sich den Auswirkungen des Sprachgebrauchs auf das ökologische Gleichgewicht der Natur widmen, um etwa den Zusammenhang zwischen sprachlicher und ökologischer Biodiversität präziser als bislang gelungen zu profilieren. Diese Ansätze gilt es jedoch zu einer methodisch anspruchsvoll instrumentierten Ökosemiotik zu erweitern und auszubauen, in deren Rahmen die transdisziplinäre Erforschung der zeichenhaften Wechselbeziehungen zwischen Organismen und deren Umwelt ihren systematischen Ort fände (cf. auch Trampe 2000). Die Geschichte dieses Erkenntnisinteresses, das sei wiederum den Skeptikern gegenüber ‘ neumodischer ’ Terminologiebildung versichert, reicht natürlich weit hinter Peirce zurück (cf. Nöth 1996): es hat seinen Ursprung vielleicht schon in der hippokratischen Medizin (Böhme 1996), mindestens aber in der mittelalterlichen Scholastik (Thomas von Aquin), setzt sich fort in der Signaturenlehre der Renaissance (Paracelsus) und wirkt fort über Peirce hinaus etwa in den ökosemiotischen Modellen der “ Umweltlehre ” Jakob von Uexkülls (Thure v. Uexküll 1998) oder in den Funktionskreisen der “ Semiotischen Ökologie ” des Berner Psychologen Alfred Lang (1998). Von dort nun ließe sich eine Brücke zurück zu soziologischen und systemtheoretischen Modellierungen von Ökologischer Kommunikation schlagen, wie sie Niklas Luhmann ( 5 2008) mit seiner Ausdifferenzierung von Funktionssystemen vorgestellt hat, ein Ansatz, der Trampe (1990) seinerzeit zu seiner Forderung nach einer ‘ Ökologischen Linguistik ’ inspiriert hat. Erst von einem solchen Fundament aus lassen sich nun die eingangs gestellten Fragen nach den kommunikativen Bedingungen der Implementierung 12 Berlin als ‘ Text ’ von umstrittenen Projekten der (z. B. energetischen) Stadterneuerung (urban renewal) als ökosemiotische stellen und das grenzüberschreitende Gespräch zwischen den beteiligten Experten und Interessengruppen diskursanalytisch untersuchen. 1.4 Stadtsprachenforschung Die Stadt als Kommunikationsraum und damit linguistisches Objekt im engeren Sinne wurde (nach einigen dialektologisch motivierten Vorläufern) erst in den 1970er Jahren (wieder-)entdeckt. Mit der Entwicklung der Soziolinguistik wuchs das Interesse am Varietätenspektrum des Sprachgebrauchs in zunächst areal definierten, dann auch sozial differenzierten Räumen. Es richtete sich anfangs vor allem auf die dialektalen Varietäten im ländlichen Raum, in dem die Dialektologie deren reinste Ausprägungen suchte. Aber schon bald kam auch der urbane Raum mit seinem ungleich größeren Varietätenreichtum in den Blick. Dessen Komplexität wiederum erforderte ein ganz anderes Methodenarsenal als es die traditionelle Dialektologie selbst in ihren avancierteren Ansätzen zu bieten vermochte. Nach methodisch richtungsweisenden Impulsarbeiten von Joshua Fishman, William Labov oder Lesley Milroy gewann die Stadtsprachenforschung im Schnittfeld von Soziolinguistik und Ethnographie der Kommunikation, von Sprachkontakt- und Mehrsprachigkeitsforschung, von Sprachwandel- und Jugendsprachforschung zunehmend als eigenes Untersuchungsfeld Profil (s. bereits den frühen Forschungsbericht von Dittmar & Schlieben- Lange 1982: 9 - 86). Allerdings lag der Schwerpunkt bei den frühen Arbeiten eher bei phonologischen Variablenkorrelationen (Labov) oder varietätengrammatischen Modellen (Dittmar). Diese Perspektive schien mir methodisch ausgefeilt und linguistisch befriedigend, aber diskursanalytisch zu eng, um der Komplexität von Strukturen kommunikativer Verständigung im urbanen Raum auch nur annähernd gerecht zu werden. Deshalb hatte ich schon in meinem Buch über Angewandte Sprachsoziologie (Hess-Lüttich 1987) gefordert, Stadtsprachen als mit Hilfe von gruppensoziologischen Kategorien zu ordnende Interaktionsnetzwerke zu beschreiben (ibid.: 68 - 72). Damit wollte ich in Orientierung an John J. Gumperz einerseits und Michael A. K. Halliday andererseits ethnographische und soziosemiotische Analysemethoden zu einer polyperspektivisch-multifaktoriellen Diskursanalyse urbaner Kommunikation unter Einschluss ihrer symbolisch-subsprachlichen Ausdrucksformen integrieren. Diesem Anspruch wurde im deutschsprachigen Raum vor allem das von einer Arbeitsgruppe des Instituts für deutsche Sprache (Mannheim) durchgeführte Projekt Kommunikation in der Stadt modellhaft gerecht (cf. Kallmeyer 1994; id. 1995), in dem das Sprachverhalten von ausgewählten multikulturellen Einwohnergruppen (Einheimische, Zugezogene, Migranten, Ausländer) in bestimmten Quartieren Mannheims über Jahre hinweg dokumentiert wurde. Die Untersuchung des daraus entstandenen Corpus fokussierte auf die konkreten Prozesse sprachlicher Verständigung in verschiedenen Konstellationen als auch auf die Kommunikationsnetzwerke, in denen sie stattfinden. Methodische Voraussetzung dazu ist die Berücksichtigung der Gliederung des sozialen Lebensraumes der Menschen in der Stadt und damit von anthropologischen und sozialpsychologischen Ansätzen zur Erforschung solcher Netzwerke. Mit der Gumperzschen Differenzierung zwischen ‘ social setting ’ , ‘ social situation ’ und ‘ social event ’ wird der Zusammenhang Stadtsprachenforschung 13 zwischen diskursiven Prozessen und territorialem Raum relevant, innerhalb dessen sie sich vollziehen. Daran und an darauf aufbauende Ansätze der modernen Stadtsprachenforschung (cf. Stienen ed. 2006; Krefeld ed. 2008; Löffler & Lorenz eds. 2010) kann unsere Fragestellung anknüpfen, indem sie untersucht, welche Rolle das Verhältnis von Schauplatz, Anlass und Interesse beim Prozess der Gruppenbildung spielt, welche Normvorstellungen und Wissensbestände, kollektive und individuelle Spracheinstellungen der Gruppenmitglieder für ihre Verständigung, ihr Selbstbild und ihre Abgrenzung von anderen Gruppen bedeutsam sind und inwiefern sich das alles semiotisch manifestiert in gruppentypischen Kommunikationsformen, Diskursmustern und Argumentationsroutinen. Gerade im Zeichen der Flüchtlingsdebatten seit 2015/ 2016 mit den darin kontrovers diskutierten Fragen der (sprachlichen, sozialen, beruflichen, politischen) Integration von Menschen aus anderen Sprach- und Kulturregionen werden solche komplexeren Ansätze bedeutsam. Dies gilt auch für die Forschungsprojekte zur Untersuchung der Mehrsprachigkeit in urbanen Räumen oder die Beobachtung der Entwicklung sog. ‘ fremdkultureller Parallelgesellschaften ’ in Metropolregionen (z. B. in Neukölln, im Wedding etc.: cf. Hess-Lüttich 2015). 1.5 Urbanitätsforschung (Urban Studies) Die bis hierher vorgestellten Strömungen können nun mit in das einfließen, was man disziplinsystematisch schon seit einiger Zeit Urban Studies nennt, um der Tendenz zu fachlicher Gebietsbildung und akademischer Etablierung wissenschaftssoziologisch Rechnung zu tragen. In ihrem Rahmen können die an technischer Innovation und urbanen Planungsprozessen beteiligten Akteure (wie Ingenieure, Energieversorger, Architekten, Stadtplaner, Kommunalpolitiker, Bürgerinitiativen, Mieter- und Verbraucherverbände) nicht nur für die ökonomischen, juristischen, politischen Implikationen ihres Handelns, sondern eben auch für dessen soziale, kulturelle, sprachliche, historische und (nicht zuletzt) ethische Prämissen sensibilisiert werden. Die Beobachtung der Entwicklung von Metropolen mit ihren gegenläufigen Tendenzen zur Expansion und Fragmentierung bietet sich für eine diskursanalytisch integrierte Fragestellung wie der unseren nach den kommunikativen Infrastrukturen in (technologischen) Innovationsprozessen (wie z. B. dem energetischen Stadtumbau) in besonderer Weise an, weil im Zeichen des Klimawandels und im Zuge des Nachhaltigkeitsdiskurses seit dem letzten Quartal des vergangenen Jahrhunderts der Bedarf an einer Verbindung von technologischer Innovationspolitik, politischer Steuerung, sozialer Praxis und ethischer Rechtfertigung immer offensichtlicher geworden ist (cf. Hess- Lüttich 2007; id. 2021). Dem trägt eine Entwicklung innerhalb der ursprünglich vornehmlich quantitativökonomisch ausgerichteten Urban Studies Rechnung, in der die oben genannten (sozialen, kulturellen, sprachlichen, historischen) Kategorien zunehmend Gewicht gewinnen, weil ‘ Nachhaltigkeit ’ ohne Mitwirkung der von den (technischen) Veränderungen Betroffenen kaum zu erzielen ist. Gesine L. Schiewer (2013: 203 - 219; id. 2021: 645 - 666) misst diesen neuen (methodisch sowohl quantitativ als auch qualitativ operierenden) Ansätzen insofern besondere Bedeutung bei, als sie Städte als physischen Raum mit je spezifischen urbanen Infrastrukturen und als sozio-politische Lebensräume in den Blick nehmen. Dabei sind die 14 Berlin als ‘ Text ’ internationalen Unterschiede zwischen europäischen Stadttypen mit ihren historisch gewachsenen Stadtkernen mit entsprechender Verdichtung der Infrastrukturen (compact cities, Mobilität, Quartiermanagement) und den polyzentrischen Mega-Cities in manchen Schwellenländern mit ihren Fragmentierungstendenzen in physischer, ökonomischer, sozialer Hinsicht (slums, gated communities, ethnical segregation etc.) enorm. Deshalb ist ihre interdisziplinäre Erforschung vor neue epistemologische Herausforderungen gestellt. Diesen Herausforderungen suchen die diskursanalytischen Ansätze der Urban Studies dadurch gerecht zu werden, dass sie den sozialen Divergenzen, objektiven Interessenlagen und kulturellen sowie sprachlichen Voraussetzungen der Akteure einerseits und den Möglichkeiten bzw. Notwendigkeiten urbaner Planung und politischer Steuerung andererseits gleichermaßen Rechnung tragen. Entsprechend weit ist ein Forschungsrahmen zu stecken, der Urbane Kommunikation als komplexen, historisch und kulturell spezifischen Aushandlungsprozess beschreibt. Um modern-nachhaltige Stadtplanung (urban planning) überhaupt noch zu ermöglichen, argumentiert Schiewer (loc.cit.), muss die Kakophonie der Stimmen beteiligter Akteure zu einem konsensorientierten Dialog führen, in dem über öffentliche und private Prämissen und Interessen, soziale und ökonomische Zielsetzungen, annähernd rational verhandelt werden kann. Dabei müsste ein solches kollaborativ orientiertes Dialogmanagement den Zusammenhang von Machtkonstellationen, Interessenlagen und Planungsdesideraten jederzeit im Blick behalten, denn natürlich ist die Unterstellung einer Symmetriekonstellation der Diskurspartner (im Sinne des Habermas ’ schen rationalen Diskurses) in der Praxis Fiktion. Ein Dialogmanagement im hier beschriebenen Sinne muss also mit Albrechts & Denayer (2001: 372) davon ausgehen, dass Stadtplaner “ engage in discourse, conversation, negotiation and persuasion with several groups in society which tell different stories ” . Sie haben also nicht nur unterschiedliche Interessen, sondern sie teilen nicht einmal dieselben Wissensbestände und Wertorientierungen, ihre Weltsicht, d. h. ihre Interpretation von Wirklichkeit differiert, was nach Albrechts & Denayer (2001: 372; cf. Schiewer 2013: loc.cit.) dazu führt, dass [. . .] public discourse suffers from the implicit divergence, because societies like ours have political mechanisms only for resolving conflicting interests, not for conflicting views of reality. Because the mechanisms for dealing with conflicting world-views, discourse communities are lacking (and because in discourse, we mainly stick to our own group and the language we ‘ understand ’ ), we only seldom notice that perceptions and not only interests in society differ markedly [Hervorh. v. mir, EHL]. Der Befund ist alles andere als trivial, wie wir täglich an den zentrifugalen Kräften beobachten können, die heute gesellschaftliche Diskurswelten auseinandertreiben. Wenn in manchen politischen, religiösen oder ideologischen Diskursen oft nicht einmal mehr die Einigung über die gemeinsame Wahrnehmung objektiv gegebener Zahlen, Daten, Fakten oder Sachverhalte möglich ist, über die sich dann in der Sache immer noch argumentativ trefflich streiten lässt, geraten die Grundfesten demokratisch verfasster Gemeinwesen ins Wanken. Denn dann werden jene ‘ Basisregeln kommunikativer Interaktion ’ verletzt, die Verständigung überhaupt erst ermöglichen (Schütz 1971; id. 1974; Cicourel 1975; Ungeheuer 1987; id. 1990/ 2020). Urbanitätsforschung (Urban Studies) 15 1.6 Energetisch-ökologischer Stadtumbau und kommunikative Infrastruktur Die bis hierher entwickelten forschungsgeschichtlichen und begriffssystematischen Vorannahmen können nun anhand konkreter Aufgabenstellungen illustriert werden. Zu den städtebaulichen, architektonischen und ingenieurtechnischen Herausforderungen der programmatischen Stadt im 21. Jahrhundert gehört mit fachübergreifender Relevanz die Entwicklung neuer regenerativer Energiekonzepte, die das Ziel einer Reduktion der Treibhausgase bei gleichzeitiger Emanzipation von fossilen und nuklearen Energieträgern unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit verfolgt (cf. Nerdinger & Wolfrum eds. 2009). Darüber besteht nach der politischen Grundsatzentscheidung über die sog. ‘ Energiewende ’ nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima und angesichts des sich zunehmend beschleunigenden Klimawandels in Deutschland inzwischen weitgehend Konsens (mit den üblichen Ausnahmen am rechten Rand des politischen Spektrums), auch in weiten Teilen der Europäischen Union, nachdem die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Green Deal skizziert hat, leider nicht im gleichen Maße im Rest der Welt, wie die noch nicht problemadäquaten Ergebnisse der jährlichen Klimakonferenzen ebenso zeigen wie die anhaltenden Auseinandersetzungen um die Zukunft der Nutzung nuklearer Energiequellen oder das ungelöste Problem der Endlagerung nuklearer Abfälle. Wenn nun aber zentral gesteuerte, monofunktionale Top-Down-Modelle in der Praxis städtischer Entwicklung immer häufiger scheitern (Haffner 2004), scheint es erfolgversprechender, nachhaltige Stadtplanung (sustainable urban planning) im Sinne der bislang entfalteten Prämissen als kommunikativen Prozess aufzufassen, der Städtebau, technologische Entwicklung, Wohnen und die Sozialstruktur der Stadt als vernetzt begreift. Insofern stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen alle jeweils direkt Beteiligten unter den oben genannten urbanen Akteuren miteinander ‘ ins Gespräch ’ kommen können. Mit den Formen, Strukturen und Funktionen ihrer Verständigung rücken auch ihre soziokulturellen Prämissensysteme in den Blick und damit zugleich auch die historischen Rahmenbedingungen (Baubestand, Denkmalschutz, Milieuschutz etc.). Unsere Fragestellung greift das neue Interesse an ‘ Architekturkommunikation ’ auf (Fischer & Delitz 2009) und sucht zu klären, welche Konversationsmaximen für neue urbane Qualität durch Vermittlung, Moderation und Integration erfolgversprechender sind als die bisherige Praxis. Das Ziel ‘ neuer urbaner Qualität ’ ist nicht nur die Entwicklung von ökologisch nachhaltigen Bebauungs- oder Umbaukonzepten, sondern auch eine sowohl sozial, historisch und kulturell sensibilisierte als auch demokratisch legitimierte partizipative Stadtentwicklung mit dem Ziel der gesellschaftlichen Akzeptanz notwendiger Innovationsprozesse. Dies kann am Beispiel des energetisch-regenerativen Stadtumbaus - also der Entwicklung städtebaulicher Konzepte, die innovative Konzepte der Schonung von Energieressourcen unter zunehmender Nutzung erneuerbarer Energien (renewable energy) von vornherein berücksichtigen - im Blick auf aktuelle urbane Diskurse, postmoderne Lebensmodelle und kontrovers geführte Debatten über solche Großbauprojekte veranschaulicht werden, deren Kosten (und ggfs. Kostenentwicklungen) von politischen Entscheidungsträgern gegenüber ihren Wählern durch plausible Gründe zu rechtfertigen sind. 16 Berlin als ‘ Text ’ Zu den zentralen urbanen Kommunikationsaufgaben wird daher die Vermittlung von politisch-sozialen Notwendigkeiten, technischen Möglichkeiten und individuellen Bedürfnissen betroffener Akteure zählen. Die Untersuchung kommunikativer Infrastrukturen stellt daher eine Ergänzung der Analyse von Stadtentwicklung dar im Hinblick etwa auf Materialforschung und Energiebedarf, wenn davon auszugehen ist, dass die fossil-nuklear versorgte Stadt als Auslaufmodell gilt. ‘ Neue urbane Qualität ’ erscheint mithin als Aufgabe der kommunikativen Koordination unterschiedlicher Interessengruppen mit durchaus disparaten Prämissen, Interessen und Wertesystemen. Wenn ‘ neue urbane Qualität ’ auch als sozialer Prozess verstanden wird, kann die Partizipation von Bürgern an städtebaulichen Entscheidungen als Gegengewicht zu Tendenzen sozialer Fragmentierung wirken. Der städtische Raum ist dabei im Sinne des eingangs entwickelten Raumbegriffs (Abs. 1.2) im weiten Sinne nicht nur als unmittelbar physisch kohärenter Raum zu verstehen, sondern er ist sozial konstituiert und medial potentiell ubiquitär und muss daher kommunikativ erschlossen werden, wenn er für die Vereinbarkeit komplementärer Lebensstile und die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt (ihrem Quartier) relevant werden soll. Es geht mit anderen Worten darum, außer den naheliegenden Faktoren architektonischtechnischer und ökonomisch-finanzieller Machbarkeit auch solche der sozialen Akzeptanz der Innovation und der kulturellen Codierung des baulichen Bestandes zu berücksichtigen, also um die Produktion von konsensuellem Wissen im Dialog der Akteure, in europäischem Kontext übrigens nicht zuletzt ein Gebot der demokratischen Verfasstheit städtischer Kommunen. Vor dem Hintergrund von ‘ Ökologie ’ als Marketingstrategie kann freilich auch ein vermeintlich erreichter Konsens über die ökologische Zukunft von Städten durchaus strittig bleiben, zumal der habituelle ökologische Lebensstil einer urbanen Mittelschicht im Zusammenhang von Migration und demographischem Wandel keineswegs als repräsentativ gelten kann. Deshalb muss ein grundlegender Wandel von Energiesystemen mit einem grundlegenden Wandel des Bewusstseins vom Zusammenhang von Energie- und Ressourcenverbrauch einhergehen, eine Kommunikationsaufgabe par excellence. Unsere Leitfragen zielen, zusammenfassend, demnach (i) auf die kommunikativen Strukturen, die die gesellschaftliche Präsenz urbaner Energiekonzepte der Zukunft bestimmen, (ii) auf die Akteure in diesen Strukturen bzw. Netzwerken, (iii) auf ihre Interessenlagen und ihren Zugang zur öffentlichen Wahrnehmung in einer Stadt, (iv) auf die Bedingungen einer positiven (oder ggfs. negativen) Wahrnehmung der ökologischen Stadt als Resultat kommunikativer Aushandlung und medialer Vermittlung. Der Vermittlung als diskursivem Wissenstransfer kommt also besondere Bedeutung zu. Aus der Fülle diesbezüglich negativer Erfahrungen in der Vergangenheit müssen nun die richtigen Schlüsse gezogen und defizitäre Strukturen bisheriger Verläufe urbaner Kommunikation kritisch freigelegt werden. Die Stadt mit positiver Energiebilanz und die Stadt mit aktiver Partizipation ihrer Einwohner sind das gleichrangige Ziel, weil ökonomische Produktivität und soziale Kohäsion einander bedingen. Die ökonomistische Reduktion des Nachhaltigkeitsbegriffs zu einer bloßen Marketingstrategie könnte durch eine Ergänzung von Stadtplanungsdiskursen um Perspektiven der Sozial- und Kommunikationswissenschaften überwunden werden. Energetisch-ökologischer Stadtumbau und kommunikative Infrastruktur 17 Die theoretischen Vorgaben dafür liegen längst auf dem Tisch. Auf der Agenda stehen sowohl die Kommunikation in der Stadt als auch über die Stadt (Warnke 2011; Gerhard & Warnke 2011). Das Konzept der ‘ neuen urbanen Qualität ’ im hier verstandenen Sinne verknüpft Bau- und Raumplanung mit kommunikativer Infrastruktur (Schrenk et al. eds. 2013) und Stadtentwicklung in der Balance von Innovation und Identität (Ivanisin 2006). Urbanität ist danach nicht nur ein Produkt baulicher Gestaltung, sondern auch der Synthese von Erfahrungsmustern der Akteure und ihrer Wahrnehmung von ‘ Lebensqualität ’ im städtischen Raum (cf. Löw 2001; id. 2008; id. 2018). In der Tradition des sozialen Interaktionismus ließe sich schärfer profilieren, wie geteiltes Wissen durch kommunikatives Handeln produziert und Bauplanung dynamisch ausgehandelt wird (cf. Christmann 2004; Matthiesen 2008; Berking 2008). Stadtentwicklung bedarf der öffentlichen Debatte, deren Dynamik sozialer und medialer Kontrolle unterliegt (Stichworte: demographischer Wandel, Sprachwandel, Veränderung der Lebensformen, Lokalmedien etc.) und in gesellschaftliche Entwicklung eingebettet bleibt (Stichworte: Heterogenität, Migration, Multilingualität, Marginalisierung, Gentrifizierung, Ghettobildung etc.). Auch methodisch ist der Boden längst bereitet für die Analyse der kommunikativen Netzwerke städtischer Akteure (z. B. in der modernen Stadtsprachenforschung, s. o. Abs. 1.4) ebenso wie für die Abhängigkeit energetischer Nutzung von sozialen Sphären und technischen Parametern (Genske et al. 2010). Die Wechselwirkung der Handlungslogiken von Medien und Institutionen auf der Makroebene, der lokalen Akteure auf der Mesoebene und ihrer interpersonalen Netzwerke auf der Mikroebene (Gruppenbildungen und Sprachlandschaften, s. u. Abs. 3.2) kann so zum Gegenstand empirischer Beobachtung werden, etwa durch die Erhebung von Diskurscorpora zum energetischen Stadtumbau mittels leitfragenbasierter Interviews mit Planern, Bürgerinitiativen, Interessenvertretern sowie der linguistischen Analyse einschlägiger Berichterstattung in den Medien. Die im Rahmen einer Mehr-Ebenen-Analyse (z. B. nach D IMEAN : cf. Warnke & Spitzmüller 2008; Spitzmüller & Warnke 2011) qualitativ und quantitativ auszuwertenden Corpusdaten aus Gesprächsprotokollen und Textquellen böten gewiss neue Einsichten in die individuelle und öffentliche Wissenskonstitution zum Thema ‘ neue urbane Qualität ’ (würden aber den vorgegebenen Rahmen dieses Essays sprengen). Die Verbindung von Stadtplanung und Architektur mit Sozial-, Sprach- und Kommunikationswissenschaften kann damit einen wichtigen Beitrag leisten zur empirischen interdisziplinären Raumwissenschaft, der auch einen unmittelbar praktischen Nutzen hätte, insofern er den Aufbau von transdisziplinärer Expertise für Stadt- und Quartierspolitik erlaubte, die empirisch fundiertes Grundlagenwissen für Regierungs- und Verwaltungsentscheide in der Energieentwicklung bereitstellt für nachhaltige Raum- und Nutzungsplanung im Städtebau. Anhand von sieben kurzen Skizzen - die als Diskursimpulse figurieren, nicht als Resultate empirischer Untersuchungen - sei der hier vorgeschlagene interdisziplinäre Ansatz im Folgenden exemplarisch illustriert. 18 Berlin als ‘ Text ’ 2 “ The Big open ” in Berlin - oder: “ Die Tempelhofer Freiheit ” Abstract: Sustainable Urban Planning is to be understood as a communicative process, which interlinks city architecture, technology, city district management and social infrastructure of neighbourhoods. The focus on sustainability brings up the question, under which discourse conditions architects, city planners interact with other urban actors, citizens, local administrators and politicians in order to successfully implement urban renewal and take into account which cultural heritage should be preserved. Using the semiotic, urbanological, ecological, and linguistic approaches presented in chapter 1 as a starting point, the following chapter examines the ongoing controversy over the future of Berlin ‘ s former Tempelhof Airport (once planned as the world ’ s largest airport, later for a long time a wasteland, then refugee accommodation, and now facing redevelopment after cultural interim uses), the question of how urban discourses can succeed or fail, and what consequences this has for the mediation, moderation, and integration of successful urban planning. Zusammenfassung: Nachhaltige Stadtplanung ist als kommunikativer Prozess aufzufassen, in dem Städtebau, Technologie, Quartiermanagement und die Sozialbzw. Milieustruktur einer Stadt miteinander vernetzt werden. Im Blick auf Nachhaltigkeit wird dabei die Frage aufgeworfen, unter welchen Diskurs-Bedingungen Architekten und Stadtplaner mit urbanen Akteuren, Bürgern und (kommunal-)politischen Entscheidungsträgern ins Gespräch kommen können und welches kulturelle Erbe gegebenenfalls erhalten werden soll. Unter Rückgriff auf die in Kap. 1 vorgestellten Ansätze semiotischer, urbanologischer, ökologischer, linguistischer Provenienz untersucht das folgende Kapitel am Beispiel der anhaltenden Kontroverse um die Zukunft des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof (einst geplant als weltgrößter Flughafen, später lange Zeit Brache, dann Flüchtlingsunterkunft und nach Zwischennutzungen für Kulturprojekte vor der Sanierung stehend) die Frage, wie urbane Diskurse gelingen oder misslingen können und welche Folgen das zeitigt für die Vermittlung, Moderation, Integration erfolgreicher Stadtplanung. Keywords: architecture communication, energy turn, renewable energy, sustainable urban planning, urban ecology, Berlin airport Schlüsselbegriffe: Architekturkommunikation, Energiewende, erneuerbare Energie, nachhaltige Stadtplanung, Stadtökologie, Berliner Flughafen 2.1 ‘ The Big Open ’ - vom Ordensfeld zum Weltflughafen Das erste Beispiel sind in Deutschland die jahrzehntelangen öffentlichen Debatten über den neuen Berliner Großflughafen Willy-Brandt (BER), der bereits kurz nach der Wiedervereinigung Anfang der 1990er Jahre für eine Eröffnung zu den Olympischen Spielen 2000 geplant, aber erst ab 2006 zu bauen begonnen wurde. Die schließlich für 2011 angekündigte Eröffnung musste dann aufgrund zahlloser technischer Probleme - 2013 listete eine Prüfung 120 ’ 000 Baumängel auf - und (in deren Folge) gravierende kommunikativer Verwerfungen innerhalb des Trägerunternehmens und zwischen diesem und den beteiligten politischen Stellen zwischen Berlin und Brandenburg immer wieder verschoben werden. Mit 20-jähriger Verspätung wird nun der neue Flughafen, für dessen Bau die Bauherren einst 630 Mio Euro veranschlagt hatten und der die bisherigen Flughäfen Tempelhof, Tegel und Schönefeld ersetzt, gegen Ende 2020 zum exorbitant gestiegenen Preis von drei Flughäfen (über 6 Mrd Euro) eröffnet und mit den ersten beiden Terminals in mehreren Schritten in Betrieb genommen - rechtzeitig zum Shutdown infolge der Corona- Pandemie und zur drohenden Insolvenz der Flughafengesellschaft: “ Die Großmutter aller Bauskandale ” (Fichtner 2020). In dieser langen Phase wurde stets auch über die Zukunft der drei ‘ alten ’ Flughäfen debattiert. Wie kann das monströse Gebäude des Flughafens Tempelhof überhaupt anders sinnvoll genutzt werden? Was geschieht mit und auf der endlosen Weite des ‘ Tempelhofer Feldes ’ inmitten des Stadtgebiets? Warum muss der (wegen seiner Architektur der kurzen Wege und praktischen Sicherheitskonzepte) allseits beliebte Flughafen Tegel Ende 2020 schließen, während der marode Flughafen Schönefeld als Terminal 5 dem neuen BER zugeschlagen und vorläufig weitermachen darf ? Aus diesem vielschichtigen Debattengeflecht greifen wir hier nur ein Segment heraus, nämlich die (sogar in ein Referendum mündende) streitig ausgetragene Kontroverse um die Nutzung des Tempelhofer Areals des am 30. Oktober 2008 geschlossenen Flughafens Tempelhof. Denn hier stehen sich die “ Disponibilität des Raumes ” und die “ historische Physiognomie des Ortes ” (Assmann 2009) in exemplarischer Weise gegenüber. Der stillgelegte Flughafen mit dem ‘ Tempelhofer Feld ’ hat sich mittlerweile historisch mit so viel Bedeutung aufgeladen, dass man von einem Palimpsest der Erinnerungsschichten sprechen kann, das die unbefangene Umnutzung durch Stadtplanung nicht unbeeinflusst lässt. Das Schichtengefüge kann hier nur mit wenigen Stichworten freigelegt werden. Die Geschichte des Ortes beginnt nämlich lange bevor der Flughafen von dem Architekten Ernst Sagebiel entworfen wurde. Im 13. Jahrhundert erhält das Feld, auf dem ein Ordenshaus des Templerordens stand, seinen Namen ( ‘ tempelhove ’ ). Im 18. Jahrhundert wurde das Gelände vom ‘ Soldatenkönig ’ Friedrich Wilhelm I. von Preußen als Exerzierplatz genutzt und erlangte hundert Jahre später internationale Aufmerksamkeit durch die berühmte “‘ Dreikaiserparade ’” im Jahre 1882 vor Kaiser Wilhelm I., Zar Alexander II. von Russland und Kaiser Franz Joseph von Österreich “ (Trunz 2008: 11). Die aufsehenerregenden Flugshows der Wright-Brüder im September 1907 weisen gleichsam kataphorisch voraus auf die spätere Bestimmung des Ortes: 1925 wird das Feld zum (noch sehr bescheidenen) Berliner ‘ Zentralflughafen ’ (Abb. 1), den Adolf Hitler zehn Jahre später dann zu einem repräsentativen ‘ Weltflughafen ’ auszubauen anordnete, den Albert Speer für ihn als ein bauliches Zeichen für dessen 20 “ The Big open ” in Berlin wahnhafte Vorstellung von der politischen Bedeutung des ‘ Dritten Reiches ’ entwirft (Abb. 2). Dessen wahres Gesicht freilich wird aber wohl eher durch das am Rande des Feldes errichtete Konzentrationslager ‘ Columbia ’ symbolisiert, dem einzigen KZ auf Berliner Boden, in dem bis zu seiner Auflösung 1936 prominente Gefangene wie der Rabbiner Leo Baeck, der Kabarettist Werner Finck oder der Kommunist Erich Honecker einsaßen. Abb. 1: Terminal des Flughafens 1923 Abb. 2: Albert Speers Tempelhof-Modell 1935 Nachdem ‘ das tausendjährige Reich ’ nach zwölf Jahren in Trümmern lag, wurde der unvollendet gebliebene Flughafen von den Alliierten für ihre legendäre Luftbrücke genutzt, die den Menschen im von den Sowjets blockierten Westen Berlins das Überleben sicherte und an die das Mahnmal Eduard Ludwigs auf dem ‘ Platz der Luftbrücke ’ bis heute erinnert (cf. Trotnow & v. Kostka 2010: 15 ff.). Erst im Sommer 1962 wurde der in Anlehnung an die ursprünglichen Entwürfe von Ernst Sagebiel wieder aufgebaute Zivilflughafen für die eingeschlossenen Berliner schließlich zum ‘ Tor zur Welt ’ und für die Besucher von überall her zum in den Medien omnipräsenten Entree (cf. Trunz 2008: 114). Nachdem alle Bürgerinitiativen für dessen Erhalt gescheitert waren, sollte der neue Berliner Flughafen Willy Brandt (das für ihn vorgesehene Kürzel BBI musste durch BER ersetzt werden, weil man übersehen hatte, dass ‘ BBI ’ bereits durch den indischen Flughafen Bhubaneswar besetzt war) seine Funktionen übernehmen (und gleich auch die des ebenfalls zu schließenden Flughafens Tegel, für dessen Erhalt sich ebenfalls eine Bürgerinitiative gebildet hatte), ein Großprojekt, das zu einem beispiellosen Bau- und Planungsdesaster geriet und dessen Eröffnungstermin (nach der soundsovielten Verschiebung) zwar für Ende Oktober, Anfang November 2020 annonciert wurde, der aber (aufgrund der Corona-Pandemie) erst mit dem Sommerflugplan 2021 seinen Betrieb aufnehmen wird. Bis dahin soll auch die endgültige Schließung des aufgrund seiner kurzen Wege beliebten Flughafens Tegel abgeschlossen und der Widerstand einer Reihe von Bürgerinitiativen dagegen überwunden sein. Aber das ist eine andere Geschichte. 2.2 Ein Flughafen-Terminal als Palimpsest In Tempelhof steht nun die geradezu einschüchternd imposante Abfertigungshalle leer und liegt das weitläufige Gelände brach. Die historischen Schichten werden allmählich von neuen Funktionen überlagert. Schon seit Mitte der 1990er Jahre wird geplant, zunächst nur in engeren Zirkeln von Planungsbüros und Expertengremien, später unter Beteiligung der Bevölkerung in Internet-Foren und Bürgerbefragungen. 2010 wurde ein Wettbewerb zur Ein Flughafen-Terminal als Palimpsest 21 Landschaftsplanung ausgerufen, in dem die ursprünglichen Ideen zu einer Parkanlage zur Geltung kommen sollen (cf. Seidel 2012: 32). Während ‘ das Volk ’ den Ort als ‘ Tempelhofer Freiheit ’ längst für seine Zwecke nutzte, plante die Senatsverwaltung unter Erhaltung zentraler Parkflächen die behutsame Bebauung von den Rändern her, um zwischen den angrenzenden Quartieren und ‘ dem Feld ’ eine Verbindung zu schaffen (Abb. 3). Gegner und Befürworter der Pläne lieferten sich in Gremien, Medien und Foren seit der Veröffentlichung des Masterplans im Mai 2013 erbitterte Gefechte. Abb. 3: ‘ The Big Open ’ oder ‘ Tempelhofer Freiheit ’ (2017) Die Schichten des Palimpsestes spielen dabei eine wesentliche Rolle. Die Architektur erhielt durch den Einfluss von Albert Speer auf Sagebiels Pläne ihre semiotische Prägung: die Gebäude des Flughafens repräsentieren zugleich die monumentalistische Staatsarchitektur als steinernem Ausdruck des Machtwillens des Nazi-Regimes und die moderne Industriearchitektur als dem Aushängeschild deutscher Ingenieurskunst im Stile der ‘ Neuen Sachlichkeit ’ (cf. Reichhardt & Schäche 2008: 23 ff. et passim). Die Zeichenensembles für beide Funktionen (die Raumdimensionen, die Reichsadler-Reliefs, die Baumaterialien, die Stahlbetonskelett-Konstruktion) sind bis heute wirksam. Eingebettet in die gigantomane Germania-Planung mit ihrer axialen Ausrichtung auf Karl Friedrich Schinkels Kreuzberg-Denkmal als dem Ort der nationalsozialistischen Sonnenwendfeiern verweist der Bau auf das Architektur-Konzept der NS-Ideologie (cf. ibid.: 100; Raichle 2010) und wird durch das KZ ‘ Columbia ’ und die Kampfbomberproduktion der Weser-Flugzeugwerke zum Ort ihrer Vollstreckung, zum ‘ Akteur des Krieges ’ . 22 “ The Big open ” in Berlin Nach dessen Ende kommen neue Funktionen und Bedeutungsschichten hinzu. ‘ Tempelhof ’ stand für ‘ Luftbrücke ’ , für Überleben und Freiheitswillen, später für die Verbindung der von einer sozialistischen Diktatur eingeschlossenen Insel zum ‘ freien Westen ’ , zum Symbol auch für den Imagewandel der Westmächte: “ Aus Besatzern wurden Beschützer ” (Geppert 2010: 137). Nach der historischen Wende von 1989 verlor auch diese Funktion ihre Bedeutung. Wieder müssen neue Bedeutungen gesucht und gefunden werden für das ‘ leere Gebäude ’ und das ‘ freie Feld ’ . ‘ Tempelhof ’ als ‘ historischer Ort ’ hat Zeichen hinterlassen (cf. Assmann 2009: 16 f.), ihm ist Geschichte ‘ eingeschrieben ’ , er ist semantisch mannigfach ‘ aufgeladen ’ : das erklärt das Engagement in der Debatte zum Übergang vom historischen Ort zum öffentlichen Raum. Aber ob man “ eine gegebene geographische Fläche eher als Ort oder als Raum ansieht, ist nicht eine Frage ihrer inhärenten Qualität, sondern eine Frage des Blicks, der Perspektive, des aktuellen Handlungs-Interesses ” (Assmann 2009: 22). Der historische, funktionale und semantische Wandel muss schichtweise rekonstruiert werden, die semiotischen Veränderungen, die aufgrund der Funktionswechsel und Funktionsverluste entstanden sind, müssen definiert werden, wenn die Debatte Früchte tragen soll. ‘ Tempelhof ’ als Zeichen zu interpretieren heißt, die in den jüngsten Palimpsest- Schichten historisch ‘ geladene ’ Semantik der Zeichenträger ‘ Flughafengebäude ’ und ‘ Flugfeld ’ angesichts ihres Funktionsverlusts mit neuer, zusätzlicher Bedeutung zu füllen (cf. Eco 2002). Dafür stehen die Pläne zu seiner Entwicklung zum Modellprojekt künftiger Stadtplanung. Die im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erarbeiteten Strategien zur energetischen Entwicklung des Tempelhofer Feldes könnten dafür die Blaupause liefern - so zumindest die Idee der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt noch bis 2015. Denn der Energiebedarf des denkmalgeschützten Gebäudes sei enorm (nämlich 150 kWh/ m 2 a), das Gelände energetisch aber vollkommen ungenutzt, was dem Steuerzahler erhebliche Kosten aufbürde. Deshalb sei der potentielle Beitrag aller denkbaren (alternativen) Energieträger zu prüfen (cf. Genske et al. 2014). Verschiedene Vorschläge von Experten zur energieneutralen Umnutzung des Flughafens Tempelhof zielten auf eine Deckung des Bedarfs durch die Integration mehrerer Quellen (Blockheizkraftwerk, Solar- und Tiefengeothermie, Biogasanlagen) und eine gemäß neuesten Energie-Standards zu errichtende moderate Randbebauung als Brücke zu den angrenzenden Quartieren, die eine nachhaltige Versorgung im Sommer und im Winter zu gewährleisten versprach. Durch die Diskussion solcher oder ähnlicher Pläne, so die seinerzeitige Hoffnung, könne dem Tempelhof-Palimpsest eine neue Schicht aufgelagert werden, ohne die darunterliegenden Schichten dem Vergessen anheimzugeben: aus der Erinnerung an totalitären Ausdruckswillen die demokratisch verhandelte Nutzung künftiger urbaner Räume ökologisch, finanzierbar, menschenwürdig zu gestalten. 2.3 Vom Bürgerpark zum Flüchtlingslager - und zurück? Es sollte alles anders kommen. Gegen die Vorschläge der Senatsverwaltung zur Umwandlung des Tempelhofer Feldes zu einem 230 ha großen Bürgerpark mit energetisch neutralen Sozialwohnungen für über 5000 Einwohner am Rande des “ big open ” ( “ eine behutsame Randentwicklung für Wohnen, Wirtschaft, Wohlfühlen, unter Nutzung der Vom Bürgerpark zum Flüchtlingslager - und zurück? 23 Möglichkeiten energetischer Stadterneuerung ” ) erhob sich erbitterter Widerstand. Der Vorschlag des seinerzeitigen Senators für Stadtentwicklung (und späteren Berliner Regierenden Bürgermeisters) Michael Müller sah vor, von dem 355 ha großen Areal, auf dem allein das denkmalgeschützte Flughafengebäude ca. 55 ha einnimmt, insgesamt nur ca. 70 ha an drei Randstreifen mit 4700 Wohnungen von städtischen Wohnbaugesellschaften (also nicht von privaten Investoren) zu bebauen und die verbleibenden 230 ha nach dem Vorbild des Großen Tiergartens (210 ha) als ökologisch entwickelte ‘ Grüne Lunge ’ zu gestalten. Man hätte erwartet, dass das Konzept den Wählern der Grünen (Parklandschaft) ebenso einleuchten würde wie denen der Konservativen (Investitionen) und der Linken (Sozialwohnungen mit bezahlbaren Mietpreisen um damals sechs bis acht Euro pro Quadratmeter). Die öffentliche Auseinandersetzung erreichte ihren Höhepunkt, als eine eigens zu diesem Zwecke gegründete Bürgerinitiative namens “ 100 % Tempelhofer Feld ” die Durchführung eines Volksentscheids erzwang, über den schließlich am 25. Mai 2014 abgestimmt wurde. Der Vorlage des Berliner Abgeordnetenhauses wurde ein Gesetzesentwurf entgegengesetzt, der den Erhalt des Tempelhofer Felds in seiner gegenwärtigen Form als Wiese und ohne jede bauliche Veränderung festschrieb, womit außer den Wohnungen auch der geplante Neubau für die Berliner Zentral- und Landesbibliothek sowie die zugleich als Lärmschutz dienende Gewerbebebauung entlang derAutobahn A 100 vom Tisch war (s. Abb. 4 + 5 aus Michaelis-Merzbach ed. 2014: 14, 28). Abb. 4: Westteil des Tempelhofer Feldes als Wiese gemäß Entwurf der Bürgerinitiative “ 100 % Tempelhofer Feld ” . Abb. 5: Westteil des Tempelhofer Feldes als randbebaute und naturgeschützte Freifläche gemäß Entwurf des Berliner Abgeordnetenhauses. 24 “ The Big open ” in Berlin Der Streit darüber tobte wochenlang in den Gazetten der Stadt und entzweite ihre Bürgerschaft. Dabei standen anfangs die Wetten für die Entwürfe des Senats nicht schlecht. Angesichts eines Nettozuwachses von ca. 50 ’ 000 Einwohnern per annum bei steigenden Miet- und Immobilienpreisen war eine satte Mehrheit für die Senatsvorlage erwartet worden, zumal die Grünfläche ja im Wesentlichen erhalten bleiben sollte. Am Ende gab es jedoch eine überraschend klare Mehrheit der Teilnehmer an der Abstimmung für den Alternativentwurf der Bürgerinitiative (65: 35 % bzw. 30: 19 % der Stimmberechtigten), der mit dem angeblichen Verlust einer ‘ Kaltluftentstehungszone ’ argumentierte (was ökologische Gutachten verneinten, die einen Park mit Bäumen und Wasserbecken dem sommerlichen Stadtklima für zuträglicher erachteten als eine karge Steppe, über die ungebremst der Wind pfeift). Die Kampagne ist ein eindringliches Beispiel für das Misslingen der öffentlichen Kommunikation zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft und damit ein starkes Argument für eine rechtzeitige Beteiligung der Bürger an der Stadtentwicklungsplanung, die bei Projekten dieser Größenordnung nur gelingen kann, wenn die jeweiligen Interessenlagen und Entscheidungsprämissen für alle Beteiligten transparent werden. Dazu bedarf es eines in sich komplex gestaffelten und in verschiedenen Foren und Medien organisierten Diskussionsprozesses, der dann wieder Gegenstand kritischer Diskursanalyse sein kann. Im Sommer 2015 wurde die Freifläche von den Anwohnern und Besuchern als eine Art multikultureller Freizeitpark aktiv angenommen. Nach dem Vorbild des heute so beliebten Gleisdreieck-Parks (seit 2014 auf den sich über fast 32 ha erstreckenden ehemaligen Brachen des Bahngeländes am Anhalter und Potsdamer Güterbahnhof in Kreuzberg und Schöneberg) wird die Wiese seither vielfältig genutzt zur Erholung, für Fußball und Spiele im Freien; türkische Familien lassen Drachen steigen und lagern um Picknickkörbe, Jugendliche nutzen die riesigen Landebahnen als Skaterpark und für Rollschuhrennen. Die Initiatoren des Volksbegehrens hatten dafür ca. 40 ’ 000 Euro aus eigener Tasche aufgebracht, um gegen die Regierungskampagne zu bestehen, und sie hatten damit durchschlagenden Erfolg. Ein neues Gesetz garantierte ihnen den status quo: eine unendlich weite Freifläche aus Beton und Steppe mitten in der Stadt. Ihre Argumentation hatte geschickt das nach zahlreichen Bauskandalen in der Stadt gewachsene Misstrauen gegenüber Bauinvestoren, Immobilienspekulanten, überforderten Stadtplanern, abgehobenen Politikern genutzt und ein Zeichen gesetzt für eine bürgernahe Hauptstadt, für Freiheit und Humanität. Die Freude derAbstimmungsgewinner über ihren Sieg währte freilich nur einen Sommer. Schon im Herbst desselben Jahres wurde Berlin mit dem konfrontiert, was alsbald die europäische Flüchtlingskrise genannt wurde. Innerhalb eines Jahres strömten fast eine Million Menschen aus den Balkan-Ländern, aus Syrien, Irak, Afghanistan, aus den nordafrikanischen Ländern des Maghreb, aus Eritrea und Somalia, aus Nigeria und dem Sub-Sahel nach Deutschland. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention und im Namen der Humanität musste die Stadt Berlin allein in kürzester Zeit über 80 ’ 000 Flüchtlinge aus Kriegsgebieten und Migranten aus von Armut und Klimawandel betroffenen Regionen aufnehmen und unterbringen. Mit dem hereinbrechenden Winter waren sie bei klirrender Kälte aus eilig errichteten Zeltlagern in heizbare Notunterkünfte umzuleiten. Die Berliner Behörden waren mit solchen Aufgaben zunächst unübersehbar überfordert (Stichwort ‘ LaGeSo-Skandal ’ 2015). Vom Bürgerpark zum Flüchtlingslager - und zurück? 25 Für die Teilnehmer an der Bürgerinitiative für die Erhaltung der Tempelhofer Wiese und gegen jede bauliche Veränderung ergab sich damit nun ein moralisches und argumentatives Dilemma. Sie verstanden sich den Umfragen zufolge mehrheitlich als ökologisch motiviert, politisch eher grün-alternativ bis links orientiert, multikulturell engagiert und tendenziell eher für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen als für deren Abschiebung oder Ausweisung. Ihr Engagement gegen Investoren im Namen der Humanität und Bürgernähe geriet in Widerstreit zu ihrem Engagement für die Migranten im Namen derselben Humanität und Mitmenschlichkeit, die Zustimmung heischt zu den neuen Plänen für Tempelhof, dort (im Widerspruch zu dem zuvor verabschiedeten Gesetz) nun doch eine Art ‘ Randbebauung ’ mit Flüchtlingsunterkünften ins Auge zu fassen. Welchen Ausweg gab es aus diesem Dilemma? Das war die für den zeithistorisch aufmerksamen Diskursforscher interessante Frage, denn hier kündigte sich bereits an, was später die Debatte über ‘ Flüchtlingskrise ’ genannt werden sollte. Angesichts der Flüchtlingszahlen musste der Berliner Senat schnell Entscheidungen fällen. Am 28. Januar 2016 verabschiedet die Mehrheit des Abgeordnetenhauses ein neues “ Gesetz zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen ” , das die provisorische und befristete Errichtung von Flüchtlingsunterkünften auf dem bebauten bzw. versiegelten Gelände des Flughafens zulässt. Vor der vom Bausenator zunächst ins Auge gefassten Aufhebung des vorherigen Tempelhof-Gesetzes vom Mai des Vorjahres und der ‘ Randbebauung ’ nach den ursprünglichen Plänen, nur jetzt statt mit Sozialwohnungen mit Flüchtlingsheimen, schreckte das Parlament angesichts des eindeutigen Wählervotums indes zurück. Das neue Gesetz erlaubt nur die Nutzung der Hangars und des unmittelbar davorliegenden Rollfeldes, nicht aber die des eigentlichen Feldes. Die Hangars waren z.T. dafür bereits in Beschlag genommen worden, nun sollen zusätzlich auf einem Raum von fast 122 ’ 000 m 2 mobile Unterkünfte errichtet werden, ohne die Grünflächen zu tangieren. Damit würden nur 3.5 % des Feldes für diesen Zweck gebraucht, argumentiert der Senat, aber Platz für ca. 7 ’ 500 Menschen geschaffen, die Schutz suchen. Außerdem sollten die Unterkünfte auf drei Jahre befristet sein und könnten bei Entspannung der Lage zur Wiederherstellung des status quo ante leicht rückgebaut werden. Außer den Notunterkünften (baurechtlich “ fliegende Bauten ” genannt) sahen die Pläne eine Halle für Sprachunterricht und Kinderbetreuung vor ( ‘ Schule ’ 4 ’ 000 m 2 ), zwei Sporthallen (4 ’ 800 m 2 plus Nebenräume), ein Fußballfeld sowie weitere Sportplätze, eine Mehrzweckfläche ( ‘ Marktplatz ’ ), drei Hallen (zu je 1 ’ 600 m 2 ) für die medizinische Versorgung, für Werkstätten (zur berufsvorbereitenden Ausbildung) und eine Agentur für Arbeitsvermittlung ( ‘ Job-Center ’ ), eine Großküche (2 ’ 000 m 2 ), die den Flüchtlingen auch erlaubt, selbst eigene Gerichte zuzubereiten, sowie Lagerflächen (3 ’ 600 m 2 ), kurz, ein multikulturelles (und multikonfessionelles) Dorf für ca. 7 ’ 500 Einwohner, die vor Krieg, Hunger und Not aus ihrer Heimat fliehen mussten und hier vorübergehend ein menschenwürdiges Zuhause finden sollen, nicht jedoch ein islamisches Ghetto, wie Senat und Stadtverwaltung zu versichern sich beeilten (Abb. 6; cf. Czienskowski 2016; Schönball 2016). Trotz der wiederholten Versicherungen seitens der Behörden, dass die Grünflächen von diesen baulichen Maßnahmen überhaupt nicht betroffen seien, riefen die Initiatoren der Bürgerinitiative “ 100 % Tempelhofer Feld ” sofort wieder zum Widerstand auf gegen die Pläne zum Ausbau des Flughafens Tempelhof zu Deutschlands größtem Flüchtlingscamp. 26 “ The Big open ” in Berlin Auch die Opposition im Parlament meldete Bedenken an. Sie argumentierte, dass die Integration der Flüchtlinge aus islamischen Ländern in die deutsche Gesellschaft durch ein Lager dieser Größe behindert werde, dass die geschätzten Kosten von ca. 1 ’ 200 € pro Kopf und Monat zu hoch seien, dass der den Menschen je zur Verfügung stehende private Raum viel zu klein sei, dass die Gefahr der Entstehung von Konflikten zwischen Einwohnern verschiedener religiöser Orientierung entsprechend groß sei, dass fehlende Arbeit und unsichere Bleibeaussichten zu Frustration, Depression, schließlich Aggression führen werde. Dieselben Berliner Bürger, die zuvor im Namen von Menschlichkeit und Basisdemokratie, von Umwelt und politischer Emanzipation die Pläne für den sozialen Wohnungsbau zu Fall gebracht hatten, suchten nun den Bau der Notunterkünfte für Flüchtlinge zu verhindern, weil sie eine Keimzelle für künftige Wohnbauten seien. Den Verdacht oder gar Vorwurf latenter Xenophobie würden diese Bürger zugleich vehement zurückweisen. Mitglieder der Partei Bündnis 90/ Die Grünen unterstellten der Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen, ihren Sieg bei dem Tempelhof-Referendum nachträglich zunichte machen zu wollen und die Option auf die Randbebauung nach den ursprünglichen Plänen insgeheim weiterzuverfolgen. Die Linke sah bereits potentielle Investoren Morgenluft wittern und Immobilienhaie in den Startlöchern. Beide teilten mit der Bürgerinitiative den Zweifel, dass so viele Menschen auf so engem Raum eine Chance Abb. 6: Plan für das Flüchtlingscamp Flughafen Tempelhof 2016 Vom Bürgerpark zum Flüchtlingslager - und zurück? 27 zur Integration hätten. Vielmehr sollten sie anderswo und möglichst dezentral in der Stadt untergebracht werden. “ Eine Form der Menschlichkeit tritt gegen die andere an ” , kommentiert die Berliner Morgenpost (v. 29.01.2016; s. Czienskowski 2016), ja es scheine, als würden sich der Einsatz für die Flüchtlinge und der Einsatz für das Tempelhofer Feld gegenseitig ausspielen (ibid.). Abb. 7: Raum über der Eingangshalle ( ‘ Hitlers Büro ’ ) Abb. 8: Notunterkünfte für Flüchtlinge im Hangar Die Debatte mutet im Rückblick fast idyllisch an, wenn man fünf Jahre später die erschreckenden Bilder aus den Flüchtlingslagern an den europäischen Außengrenzen vor Augen hat (Stichwort: Moria) und gleichzeitig die der wütenden Proteste fremdenfeindlicher Aktivisten. Längst wurde das ethische Dilemma der Berliner Bevölkerung überlagert durch das der europäischen Migrationspolitik, die vergeblich eine Balance zwischen Humanität und Egoismus, Weltoffenheit und Abschottung sucht. Das Dorf für die Geflüchteten ist längst zurückgebaut, aber nun ist weiterhin unklar, was mit dem unendlich weiten Raum des Tempelhofer Feldes geschehen soll. Zahlreiche Nutzungskonzepte wurden ausprobiert und wieder verworfen. Es gab Rockkonzerte und Kunstausstellungen, Modemessen und Pop-Festivals, zwischendurch versuchte der kurzzeitige Intendant der Berliner Volksbühne, der belgische Kunsthistoriker Chris Dercon, die riesigen Hangar-Hallen mit allerlei Performance-Projekten zu ‘ bespielen ’ , bevor er wegen ausbleibender Erfolge wieder vom Hof gejagt wurde (Schaper 2016). Der vielstimmige Chor der Planer offenbart, wie es scheint, eher die Ratlosigkeit der Stadt- und Senatsverwaltung im Umgang mit öffentlichem Raum. Die Visionen für die Zukunft des Tempelhofer Flughafens (z. B. im Zusammenhang mit den Planungen für die dann doch wieder abgesagte Bundesgartenschau 2020: Abb. 9 + 10) standen jedenfalls lange in krassem Gegensatz zu seiner tristen Gegenwart erst als Schutzraum notleidender Menschen aus fremden Kulturen, dann als Proberaum für die Selbstverwirklichung (coronabedingt) arbeitsloser Künstler und Performer (Abb. 11 + 12). Gibt es eine Zukunft für das einzigartige und denkmalgeschützte Bauwerk? Das vom Berliner Senat 2021 verabschiedete Konzept mit dem schönen Titel “ Vision 2030+ ” rechnet aufgrund der jahrzehntelangen Vernachlässigung des Bauwerks mit einer absehbar sehr kostspieligen Sanierung, die u. a. auch eine energetische Defossilisierung vorsieht und lt. 28 “ The Big open ” in Berlin Planung der Tempelhof Projekt GmbH wiederum zwei Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird, während der aufgrund der entstandenen Baumängel nicht einmal die derzeitigen Zwischennutzungen durch Kindergärten, Fundbüro, Polizei fortgeführt werden können. Und was die Wiese davor betrifft, so werden im Wahlkampf 2021 schon wieder Stimmen laut, auf die ursprüngliche Senatsvorlage zurückzukommen und die Pläne für einen großen innerstädtischen Park mit einer moderaten Randbebauung wieder hervorzuholen, gegen die sich gleichzeitig trotz der inzwischen immer krasseren Wohnungsnot und Abb. 9 + 10: Tempelhofer Visionen (Planung zur Parklandschaft IGA 2017) Vom Bürgerpark zum Flüchtlingslager - und zurück? 29 weiter rasant gestiegenen Mietpreise der Widerstand der Unbeirrbaren formiert. Die Debatte über das ‘ Generationenprojekt ’ wird also wohl weitergehen, ganz im Sinne der berühmten letzten Zeilen in dem zuerst 1910 publizierten und von Florian Illies wiederentdeckten und neu ediertem Buch Berlin - ein Stadtschicksal von Karl Scheffler, denn “ Berlin ist eine Stadt, verdammt dazu, ewig zu werden, niemals zu sein ” (Scheffler 2015: 7; cf. Bisky 2019: 16, 410). Abb. 11 + 12: Tempelhofer Hangar 2016 von außen und von innen 30 “ The Big open ” in Berlin 3 Sprachlandschaften Indizien der Gentrifizierung im Berliner Szeneviertel Prenzlauer Berg Abstract: The paper suggests ‘ reading cities as ‘ texts ’ by analysing the semiotic structure of urban space and focussing on the socio-cultural implications of urban communication. At the intersection of urban studies, space studies, eco-semiotics, and urban language research, the new approach of investigating linguistic landscapes is applied to a street of a gentrified quarter in the (East-)Berlin district of Pankow for the development of a didactics of empirical field research with a special focus on multilingualism and multiculturalism in urban communication as an indicator of socio-cultural change in urban districts. In view of the ongoing controversial debate on gentrification, luxury redevelopment, multiculturalism, lack of affordable housing in Berlin (which is once again the subject of another referendum on the expropriation of real estate corporations in 2021, supported by the party Die Linke), the research desideratum is becoming increasingly politically explosive. Zusammenfassung: Der Beitrag plädiert dafür, städtische Räume als ‘ Texte ’ zu ‘ lesen ’ , indem das Insgesamt der in ihnen gebrauchten Zeichen einer semiotischen Analyse unterzogen wird. Mit dem ‘ Wie ’ urbaner Kommunikation rückt ihre (sozio)kulturelle Fassung in den Blick. Im Schnittfeld von Urban Studies, Raumwissenschaften, Ökosemiotik, Stadtsprachenforschung werden Ansätze zur Erforschung städtischer Sprachlandschaften exemplarisch auf eine Straße im Berliner Szeneviertel um den Kollwitzplatz im Prenzlauer Berg des Berliner Bezirks Pankow angewandt. Im Zeichen der anhaltend kontroversen Debatte über Gentrifizierung, Luxussanierung, Multikulturalität, Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Berlin (der auch 2021 bereits wieder Gegenstand eines von der Partei Die Linke unterstützten Volksentscheids über die Enteignung von Immobilienkonzernen ist), gewinnt das Forschungsdesiderat zunehmend an politischer Brisanz. Keywords: Linguistic landscapes, multilingualism, heterogeneity, migration, multiculturalism, marginalization, gentrification, ghettoization Schlüsselbegriffe: Sprachlandschaften, Mehrsprachigkeit, Heterogenität, Migration, Multikulturalität, Marginalisierung, Gentrifizierung, Ghettobildung 3.1 Metropolenzeichen Wer in Berlin heute durch manche ‘ Kieze ’ (Quartiere) streift, kann an manchen Ecken unsicher werden, in welchem Lande er oder sie sich befindet. Im Gewirr der Sprachen bieten die Menschen, Schilder und Reklametafeln in und an den Straßen keineswegs mehr immer genauere Orientierung. Man sieht Passanten aller Hautfarben vorbeiziehen, die oft den Bekleidungskonventionen (oder -vorschriften) ihrer heimischen Kulturen und Religionen folgen, der Blick fällt auf arabische, kyrillische, hebräische, chinesische und allerlei südostasiatische Schriften, und man weiß, man bewegt sich auf multikulturellem Grund. Auch andere deutsche Großstädte sind heute durch die Vielfalt solcher semiotischkommunikativen Strukturen geprägt. Kein Tag vergeht, an dem in den Medien nicht das internationale ‘ Flair ’ der Metropolen emphatisch besungen wird und gleichzeitig die ethnischen Minderheiten als fremde ‘ Fluten ’ und ihre Quartiere als ‘ Problemzonen ’ bedrohlich ins Bild rücken. In den Talkshows geben sich unverdrossene Multikulti- Optimisten und xenophobe Überfremdungskassandras die Klinke in die Hand und streiten mit immer wieder frischem Eifer über die alte Frage, ob ‘ die Fremden ’ eine Gefahr oder eine Bereicherung seien. Der Streit ist m. E. müßig. Die Fremden sind da, und es werden vielleicht noch mehr werden, weil das nicht nur die Genfer Konvention, das europäische Asylrecht und das moralische Minimum erfordern, sondern auch die demographische Entwicklung, der ökonomische Bedarf und die Sicherung der Sozialsysteme. Von den weltweiten Urbanisierungsprozessen wird auch der deutsche Sprachraum nicht unberührt bleiben. Höchste Zeit also, die Entwicklung kommunikativer Infrastrukturen urbaner Räume genauer in den Blick zu nehmen und Anschluss zu gewinnen an eine wissenschaftliche Diskussion, die schon seit einiger Zeit unter dem Rubrum Urban Studies interdisziplinär geführt wird und auch die Cultural Studies, die Soziolinguistik und die Mehrsprachigkeitsforschung nicht unberührt gelassen hat. Dies ist auch das Anliegen eines interdisziplinären Forschungsprojektverbunds im Rahmen des Profilschwerpunktes Urbane Systeme der Universität Essen. Darin geht es um die Stile, Themen, Verhältnisse, Bedingungen und Funktionen jener Kommunikationspraktiken, die innerhalb eines solchen Aushandlungsprozesses zur Artikulation und Konstitution des jeweiligen Urbanitätsverständnisses eingesetzt werden (cf. Gurr et al 2012: 4). Urbanität als Resultat kulturhistorisch spezifischer Kommunikationsprozesse wird hier als “ Distinktionskategorie im Sinne der habitualisierten Form sozialer Abgrenzung ” verstanden (ibid.). Die in solchen Kommunikationsprozessen produzierten Sinnstrukturen sind wiederum an die Medien ihrer Artikulation gebunden, also an semiotische Ressourcen wie Sprache, Bilder, Plakate, Klänge, Gerüche, Graphiken, Karten usw., kurz: “ Metropolenzeichen ” (Ziegler et al. 2016): Das Projekt “ Metropolenzeichen ” greift einen innovativen Zugang zum Thema “ Mehrsprachigkeit ” auf und behandelt die Präsenz sichtbarer (= visueller) Mehrsprachigkeit im öffentlichen Raum der Metropole Ruhr als bundesweit wichtigster Metropole für Arbeitsmigration. - Visuelle Mehrsprachigkeit zeigt sich auf Informations-, Hinweis-, Geschäfts- und Straßenschildern. Sie steht in engem Zusammenhang mit Migration, Kultur- und Konsumtourismus sowie auch mit Regionalisierungstendenzen, d. h. der Inanspruchnahme kleinräumigerer kultureller Identifikationssymbole wie etwa regionalen Varietäten. In einem interdisziplinären und multiperspektivischen Zugriff werden stadtsoziologische, sprachwissenschaftliche und integrationstheoretische Aspekte behandelt, d. h. die städteräumliche Verteilung, formale Ausgestaltung, funktionale Bedeutung und gesellschaftliche Bewertung visueller Mehrsprachigkeit untersucht. 32 Sprachlandschaften 3.2 Die Stadt als ‘ Text ’ Solche Aufgaben werden heute in einem interdisziplinären Forschungsfeld in Angriff genommen, das innerhalb der semiotisch informierten Diskursforschung in jüngerer Zeit erheblich an Aufmerksamkeit gewonnen hat: nämlich die Erkundung ‘ sprachlicher Landschaften ’ (linguistic landscapes, language mapping). Anknüpfend an frühe Vorläuferstudien (cf. Spolsky & Cooper 1991) ist der Ausdruck seit 2006 auch im sozio- und geolinguistischen Fachdiskurs populär geworden und hat zu einer Reihe von Leitstudien über unterschiedliche Städte geführt wie z. B. Jerusalem (cf. Ben-Rafael 2006), Bangkok (cf. Huebner 2006) oder Tokyo (cf. Backhaus 2007). Städte sind nicht zuletzt auch Zentren von Sprachbegegnungen. Nicht nur die von den Einwohnern gesprochenen Sprachen sind dabei von Interesse, sondern auch, welche sich im schriftlichen Bereich manifestieren und wie sie das tun. Wie ist eine ‘ Stadt als Text ’ zu ‘ lesen ’ ? Wie konstituiert sich zum Beispiel die (schrift-)sprachliche Oberfläche einer Stadt, ihr urban face, und was kann man daraus schließen? Rodrigue Landry und Richard Y. Bourhis haben linguistic landscapes beschrieben als “ the language of public road signs, advertising billboards, street names, place names, commercial shop signs, and public signs on government buildings combines to form the linguistic landscape of a given territory, region, or urban agglomeration ” (Landry & Bourhis 1997: 25). Die Dokumentation der linguistic landscapes von Städten ist eine Aufgabe, der sich Diskursforscher in der Linguistik, Semiotik, Soziologie, Kulturgeographie, Stadtentwicklungsplanung gemeinsam stellen. Bislang standen dabei Ansätze der Mehrsprachigkeitsforschung im Zentrum, mit Hilfe derer untersucht wurde, in welchen Sprachen das öffentliche Leben einer multikulturellen Metropole stattfindet und welche Sprachen zusätzliche Präsenz markieren in allen denkbaren Formen und Medien semiotischer Repräsentation: “ language texts that are present in public space ” (Gorter 2006: 1), wobei der Textbegriff hier weit zu fassen wäre und auch nicht verbale Texte einschlösse (Fotos, Schilder, Werbetafeln, Haltestellen, Hinweise, Straßennamen und -markierungen bis hin zu nicht unbedingt autorisierten Texten wie Graffiti, Transparenten, Gruppenabzeichen und dergleichen). Durch die Materialität der Trägermedien gewinnen die Zeichen eine gewisse Autonomie von ihren Produzenten und Rezipienten (Adressaten, Konsumenten) und funktionieren ihrerseits in dynamischen Kontexten (cf. Backhaus 2007: 8). Damit rückt erneut die Räumlichkeit von Sprache in den Blick (cf. Kap. 1), die in der Geolinguistik seit längerem thematisiert wird als “ an integrative view of these multiple semiotic systems which together form the meaning which we call place ” (Scollon & Scollon 2003: 12). Bislang wird die Vielfalt der Zeichenkomplexe noch mit einfachen Einteilungen zu sortieren versucht (cf. Gorter 2006: 28; Androutsopoulos 2008/ 2020), meist nach dem Schema (i) top down: von staatlichen Behörden oder kirchlichen Institutionen angeordnete ‘ amtliche ’ Zeichen (öffentliche Informationen, touristische Informationen, Ordnungshinweise, Gebots- und Verbotsschilder, Aushänge, Gemeindekästen etc.); (ii) bottom up: von privaten Unternehmen angebrachte ‘ kommerzielle ’ Zeichen (Angebote von Dienstleistungen, Inserate von Geschäften, Tafeln von Restaurants, Werbeplakate, Schaufenster etc.); sowie (iii) non authorized: von Die Stadt als ‘ Text ’ 33 meist anonymen Urhebern installierte ‘ unerlaubte ’ Zeichen (Graffiti, Wand- und Straßenmalerei, Protesttransparente, Markierungen von Territorialansprüchen etc.). 2 Sprachgebrauch im öffentlichen Raum kann handlungsrelevante, ästhetische, indexikalische und symbolische Funktionen übernehmen, als Zeichen für Verhaltensaufforderungen (Verbote, Gebote, Anweisungen), für den künstlerischen Selbstausdruck der Zeichenproduzenten (und Repräsentanten unterschiedlicher Kulturen mit je eigenen ästhetischen Konventionen und Traditionen), für autopoietische Verweise auf sich selbst als Code (Indexzeichen für die fremde Kultur oder Sprachgemeinschaft, die sich an die Residenzgesellschaft wendet). Solche Zeichenkomplexe werden makrolinguistisch auf ihre spezifische soziokommunikative Funktion in den ethnographischen Kontexten untersucht, in denen sie figurieren, oder mikrolinguistisch im Hinblick auf ihre jeweilige innere Struktur hin (Lexeme, Kompositabildungen, Neologismen, Code-Kontaminationen, Varietäten, signifikante Deviationen: Barni & Bagna 2009: 135 - 137). Die Grenzen zwischen symbolisch-verbalen und ikonisch-nonverbalen Zeichen ist nicht immer scharf zu ziehen, weil es sich bei den Texten oft um multimodale Code-Komplexe handelt, in denen Schrift und Bild und Farbe kommunikative Funktionseinheiten bilden (cf. Malinowski 2009: 119). 3.3 Multikulturalität und Mehrsprachigkeit in einem Berliner Szeneviertel Im Rahmen eines an der Universität Bern gemeinsam durchgeführten Exkursionsseminars zum Thema ‘ Berlin als Text ’ haben Ingo Warnke und ich die Teilnehmer ermuntert, das methodische Instrumentarium des Ansatzes einmal selbst anzuwenden und für ihre Erkundungen der ihnen fremden Stadt fruchtbar zu machen. Eine Studentin (namens Maria Hofmann) hat sich im Bezirk Prenzlauer Berg umgesehen und dort beispielhaft nur eine kurze Straße, die nach der Bildhauerin benannte Kollwitzstraße zwischen Senefelder Platz und Danziger Straße, mit dem Jüdischen Friedhof und dem Kollwitzplatz, genauer unter die Lupe genommen. Sie führt zentral durch das Mitte des 19. Jahrhunderts erbaute (und zu DDR-Zeiten ziemlich heruntergekommene) Arbeiterviertel, das sich nach ‘ der Wende ’ rasch zu einem attraktiven Quartier mit zahlreichen Cafés, Kneipen, Bars, Galerien entwickelt hat und Stadtsoziologen als Paradebeispiel für Gentrifizierung dient (cf. Häussermann 2000: 57 - 66). Die zugezogenen ‘ Besserverdienenden ’ aus dem Westen und dem Süden Deutschlands, aber auch aus Polen, Italien, Frankreich, Großbritannien, Russland, Vietnam, den USA oder der Schweiz, haben die Miet- und Immobilienpreise steil ansteigen lassen und den Charakter des Bezirks nachhaltig verändert. Die Studentin hat alle Fassaden der Häuser fotografiert und die Bilder in ein vorzugsweise für Textanalysen genutztes Programm namens MAXqda zur Qualitativen Datenanalyse (cf.: www.maxqda.de) eingegeben. Es erlaubt, die digitalen Fotos mit ‘ Codings ’ zu versehen und sowohl quantitativ als auch qualitativ auszuwerten. Die Daten können in dem je nach Fragestellung angepassten Code-System im Hinblick auf verschiedene Aspekte markiert werden, die dann auch in Relation zueinander gesetzt werden können. Hier wurden z. B. 2 Jannis Androutsopoulos (o. J. [2008]): “ Linguistic landscapes: Visuelle Mehrsprachigkeitsforschung als Impuls an die Sprachpolitik ” , im Internet unter: http: / / jannisandroutsopoulos.files.wordpress.com/ 2011/ 05/ j-a-2008linguistic-landscapes.pdf [30.10.2020]; zahlreiche Abbildungen dazu im Internet unter: jannisandroutsopoulos.files.wordpress.com/ 2011/ 05/ j-a-2008-linguistic-landscapes_fotobeispiele-ppt.pdf [30.10.2020]. 34 Sprachlandschaften Codes für die Sprachen Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch, Spanisch, Latein, Russisch, Portugiesisch, Griechisch und Finnisch vergeben, wobei großzügig zum Deutschen gerechnet wurde, was auch in neuere Ausgaben des Duden aufgenommen wurde (z. B. premium, Latte Macchiato, Happy Hour, Cocktail, Bike, City Toilette, Charité, Location oder Security, aber nicht Wörter wie Brownie, Muffin oder Friend, obwohl die auch von den Deutschen verstanden werden dürften). Als Text wurde gezählt, was sich auf einem abgrenzbaren Zeichenträger befand (Tafel, Plakat, Sticker, Wand etc.: 1033 Texte = 100 %). Die Ergebnisse der Recherchen zu dieser kleinen Fallstudie seien hier zur exemplarischen Veranschaulichung kurz zusammengefasst. 3 Manchmal hilft einfach nur zählen, wenn die Alteingesessenen sich von allzu vielen fremden Zungen umzüngelt wähnen. Die blanken Zahlen signalisieren eher Entwarnung: Zumindest in der Kollwitzstraße wird noch Deutsch gesprochen. Drei Viertel der gezählten 1033 Texte wurden in Deutsch geschrieben, einige in Englisch (18 %), nur wenige in Französisch und Italienisch (je 3 %) und noch weniger in anderen Sprachen (2 %) (Abb. 13). Abb. 13: Sprachverteilung Kollwitzstraße in Prozent und als Kreisdiagramm Beim ersten Blick auf die zahlenmäßige Verteilung vielleicht unerwartet sind die fast 200 englischen Texte auf nur einem kurzen Straßenstück. Der zweite Blick aufs Detail relativiert freilich den Befund. Die englischen Versatzstücke in der Sprache der Werbung und des Tourismus sowie die ins Deutsche integrierten Anglizismen entsprechen schlicht dem überwiegenden Sprachgebrauch im Alltag. Allenfalls kann ihr Anteil als Sozialindikator dafür dienen, inwieweit den Adressaten (Konsumenten, Touristen) Kenntnisse fremder Sprachen - und welcher fremden Sprachen - zugetraut wird. Hier vermutet man Bildungsbürgertum mit Englischkenntnissen, die gerne auch mal französisch essen und die mediterrane Küche schätzen. In der Neuköllner Sonnenallee (zum Beispiel) ist die Sprachenverteilung mit zahlreichen türkischen und arabischen (und z. T. russischen) Texten eine völlig andere (Abb. 14). Deshalb wäre es stadtsoziologisch und migrationspolitisch aufschlussreich, solche Straßenzüge mit solchen in anderen Quartieren textsemiotisch zu untersuchen, um frühzeitig Indikatoren von Veränderungen der sozialen Struktur der Bevölkerung auszumachen und ggfs. kommunalpolitisch proaktiv darauf zu reagieren. 3 Ich danke Maria Hofmann für die Aufbereitung und Auswertung der Daten, die sie als Teilnehmerin des Seminars und als Studentische Hilfskraft zur Sprachlandschaft der Kollwitzstraße zusammengetragen hat. Ihrer Mitwirkung verdanke ich die folgenden Tabellen und die (neu gezeichneten) Abbildungen 16 - 19. Multikulturalität und Mehrsprachigkeit in einem Berliner Szeneviertel 35 Abb. 14: Geschäfte in der Neuköllner Sonnenallee Die (vergleichsweise wenigen) anderen Sprachen entstammen überwiegend der Gastronomie. Die spanischen, griechischen, portugiesischen Texte enthalten Namen von Gerichten, die den Hungrigen anlocken sollen, den es nach kulinarischer Abwechslung gelüstet. Fast 85 % der Ausdrücke in anderen Sprachen entfallen auf solche Funktionen: Speisen und Restaurantnamen (Abb. 15 + 16). Prestigefunktionen haben die lateinischen Ausdrücke: ein Geschäft für Badeutensilien nennt sich “ Aqua cultura ” , ein Modegeschäft “ Mutabilis ” , eine physiotherapeutische Praxis “ Corpus Libra ” . Ein Schmuckladen hofft offenbar auf betuchtere Kundschaft aus der russischen Oligarchie oder Putinokratie und übersetzt das Schild ‘ geschlossen ’ vorsorglich ins Russische (Abb. 17). Gegen solche Clientèle, die oft als junge Investoren ihr in der Heimat schnell verdientes Geld im sicheren Ausland investieren und mit ihren Immobilienspekulationen den Kiez nachhaltig verändern, protestieren Anwohner mit ohnmächtigen Stickern an den Regenrinnen, die vor der endgültigen Yuppiesierung (yuppification) warnen (Abb. 18). Abb. 15: Andere Sprachen in Prozent Abb. 16: Restaurantnamen Nicht in allen Fällen konnten die Textcodierungen problemlos bestimmten Sprachen zugeordnet werden, zumal wenn die Urheber künstliche Produktnamen zitierten (Tschibo, Häagen Dasz) oder selbst einige Phantasie darauf wendeten, ihre Ladenschilder als wohlklingende Neologismen oder individuelle Sprachmischformen zu inszenieren (Cuffaro, 36 Sprachlandschaften Soledor, Xampaneria, Lafil, Mokambo, Tukadu, Mokum, Mathia, Duy Thai, Akelius). Fremde Schriftsysteme (oder Anklänge daran) werden den Hinweisen zuweilen auch hinzugefügt, um einen Hauch Exotik zu erzeugen (Abb. 19). Abb. 17: Mehrsprachigkeit Abb. 18: Politische/ r Werbung/ Protest Abb. 19: Andere Schriftsysteme Solche Texte zeugen nicht etwa von einem höheren Anteil von Ausländern im Bezirk sondern allenfalls von Versuchen der Inszenierung einer gewissen Weltläufigkeit, soweit sie nicht ohnehin von der Funktion her definiert sind (85 % der französischen und italienischen Texte haben eine gastronomische Bedeutung). Nicht immer hat also die Wahl der Sprache in solchen Texten mit dem Ort ihres Vorkommens zu tun (cf. Shohamy & Gorter 2009: 110). Aber wenn sie (wozu hier jetzt nicht der Raum ist) systematisch und empirisch in Bezug gesetzt werden zu Kontrastcorpora mit größeren Datenmengen aus anderen Bezirken (besonders aus den Migrantenvierteln), dann lassen sich aus solchen Befunden durchaus soziosemiotische Schlüsse ziehen im Hinblick auf die Veränderungen von Milieus und die Zusammensetzung ihrer Bewohner. Die hier nur an einem kleinen Beispiel aus methodischdidaktischem Interesse demonstrierten Ansätze zur Erkundung interkulturell vernetzter Sprachlandschaften in Großstädten können sich damit als fruchtbares zusätzliches Untersuchungsinstrument der Diskursforschung und der Stadtplanung erweisen (cf. Domke 2014). Schließlich wäre auch ein transnationaler Vergleich solcher Ergebnisse Multikulturalität und Mehrsprachigkeit in einem Berliner Szeneviertel 37 aus deutschen Städten mit solchen aus wirklichen Metropolen (mit ihren Chinatowns, Little Italy Districts, Jewish Quarters usw.) aufschlussreich. Im günstigsten Falle könnten Stadtplanung und Stadtentwicklungspolitik in Deutschland die Fehler der sich abschottenden Ghettoisierung vermeiden, im wahrscheinlicheren muss man - frei nach Winston Churchill - darauf hoffen, dass sie eine akzeptable Lösung finden, nachdem sie alles andere ausprobiert haben. 38 Sprachlandschaften 4 Fremde in der Stadt? Anmerkungen zur Berliner Moschee-Debatte Abstract: The migration debate has been linked to the Islam debate in the German media not only since the so-called ‘ refugee crisis ’ . The controversial statement of a former German president that “ Islam belongs to Germany ” is still the subject of public controversy. Typically, they are ignited by concrete topics (headscarf, burqa, swimming lessons, minarets), each of which is symbolically charged and leads to fierce controversies in different countries. Taking the discussion about mosques as an example, the following chapter attempts to reconstruct the two media debates (that are exemplary for the controversial discourse on migration) in terms of text semiotics and discourse history. Zusammenfassung: Die Migrationsdebatte wird in den deutschen Medien nicht erst seit der sogenannten ‘ Flüchtlingskrise ’ mit einer Islamdebatte verknüpft. Der umstrittene Satz eines früheren Bundespräsidenten, wonach der “ Islam zu Deutschland ” gehöre, ist nach wie vor Gegenstand öffentlicher Kontroversen. Typischerweise entzünden sie sich an konkreten Themen (Kopftuch, Burka, Schwimmunterricht, Minarette), die jeweils symbolisch aufgeladen werden und in verschiedenen Ländern zu heftigen Auseinandersetzungen führen. Am Beispiel der Diskussion über Moscheen versucht das folgende Kapitel die beiden für den kontroversen Migrationsdiskurs exemplarischen Mediendebatten textsemiotisch und diskurshistorisch zu rekonstruieren. Keywords: Migration, Islam debate, minaret, mosque, call to prayer of the muezzin Schlüsselbegriffe: Migration, Islamdebatte, Minarett, Moschee, Ruf des Muezzins 4.1 Islam, Islamismus und die Berliner Muslime Das Gegenstück zum ‘ schwäbisch unterwanderten ’ Kollwitz-Kiez (wie der seinerzeitige Bundestagspräsident und Anwohner Wolfgang Thierse fürchtete) liefert das (in Kap. 3) erwähnte Quartier zwischen Sonnenallee und Karl-Marx-Straße in Neukölln, in dem manche Alt-Berliner Ureinwohner sich längst in den Nahen Osten versetzt wähnen. Als Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble 2006 die erste Islamkonferenz eröffnete, konstatierte er lakonisch: “ Der Islam ist Teil Deutschlands und Europas. ” Aber erst seit der damalige Bundespräsident Christian Wulff in seiner Rede am 03.10.2010 zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit diesen Satz wieder aufgriff, ist die Aussage Gegenstand anhaltender öffentlicher Debatte. Dabei ist die Frage, ob der Islam nun zu Deutschland gehöre oder nicht, eigentlich falsch gestellt, weil sie immer wieder zu Missverständnissen darüber führt, was ‘ der Islam ’ überhaupt sei, ob die Religion, ihre Riten und Rituale gemeint seien oder die Mitbürger, die ihren muslimischen Glauben praktizieren möchten, wie sie ihn jeweils verstehen. Angesichts der anhaltenden Zuwanderung von Menschen muslimischen Glaubens aus nahöstlichen und afrikanischen Kriegs- und Krisengebieten in den letzten Jahren heischt sie jedoch eine Antwort, weil sie sich im Zuge zunehmender Pluralisierung (und womöglich Polarisierung) der Gesellschaft nicht ohne weiteres von selbst erledigen wird, sofern und soweit muslimische, christliche und säkulare Rechts- und Werteordnungen auseinanderklaffen. In ihrem Vorwort zu dem 2019 erschienenen Band Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland plädieren die Herausgeber Carsten Linnemann und Winfried Bausback für die Differenzierung zwischen den verschiedenen Strömungen und Ausprägungen islamischer Glaubenspraxis einerseits und zwischen Islam, politischem Islam (Islamismus) und islamischem Fundamentalismus andererseits. Sie verweisen auf den jüngsten Bericht des deutschen Verfassungsschutzes, demzufolge sich hierzulande die Zahl der potentiell gewaltbereiten Salafisten zwischen 2012 und 2017 mehr als verdoppelt habe (> 11 ’ 000), und auf Studien der Universität Münster überTürkischstämmige in Deutschland, viele davon hier geboren und aufgewachsen, von denen “ jeder zweite Befragte den Koran über unsere Rechtsordnung ” stelle und jeder Dritte meine, “ Muslime sollten eine Gesellschaftsordnung wie zu Zeiten Mohammeds anstreben ” (Linnemann & Bausback 2019: 9). Die Frage, ob und inwieweit man hier von einer erfolgreichen Integration von muslimischen Immigranten sprechen kann, besonders bei solchen der zweiten und dritten Generation, stellen sich inzwischen auch viele andere Untersuchungen (cf. Abdel-Samad 2018; Mansour 2019). Auch der Berliner Soziologe und Migrationsforscher Ruud Koopmans hält die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre, für falsch gestellt, weil sie eine Prämisse enthalte, die Kritiker wie Befürworter implizit unterstellen, nämlich dass es ‘ den Islam ’ gebe. Wenn die Kritiker die Frage verneinen und dies unter Hinweis auf Gewalt, Homophobie, Antisemitismus, Fundamentalismus begründen, verweisen die sie bejahenden Befürworter reflexartig auf die innere Heterogenität des Islams, von ‘ dem Islam ’ könne man deshalb gar nicht reden. Woraus wohl folgt, dass ‘ der Islam ’ dann auch nicht zu Deutschland gehören kann, es sei denn inklusive seiner salafistischen, fundamentalistischen, dschihadistischen Spielarten (Koopmans 2019: 11). Deshalb sei die Frage dahingehend zu präzisieren, welcher Islam zu uns gehören solle - und welcher nicht. Dies aber hieße, nach dem real existierenden Islam zu fragen, nicht nach dem theoretisch möglichen. Das sei also keine theologische Aufgabe, sondern eine empirische. Diese gelte es auf mindestens drei Ebenen zu verfolgen, nämlich durch die Untersuchung (i) der realen Lage in islamischen Ländern, (ii) der Politik islamischer Verbände und Moscheevereine in Deutschland, (iii) der individuellen Auffassungen der in Deutschland lebenden Muslime, die in soziologischen Befragungen repräsentativ ermittelt werden sollten. Knapp zusammengefasst: Von den derzeit 47 islamischen Ländern können zwei (4 %) als leidlich demokratisch verfasst gelten (Senegal, Tunesien; gegenüber 57 % der nicht-islamischen Länder); in 71 % gibt es keine Pressefreiheit (gegenüber 36 % der nicht-islamischen Länder); in 72 % gibt es keine Trennung von Staat und Religion (gegenüber 19 % der nichtislamischen); von 24 Ländern, in denen Apostasie strafbar ist, sind 23 islamisch (in 13 davon steht darauf die Todesstrafe, in keinem nicht-islamischen); in 67 % der islamischen Länder werden Frauen im Familienrecht diskriminiert (gegenüber 14 % der nicht-islamischen 40 Fremde in der Stadt? Länder); auf der Rangliste ‘ Frauenrechte ’ des World Economic Forum belegen islamische Länder 17 der letzten 20 Plätze; alle 12 Länder, in denen Homosexuellen die Todesstrafe droht, sind islamisch, auch in den meisten anderen islamischen Ländern ist Homosexualität illegal; bei den meisten bewaffneten Konflikten sind islamische Länder involviert (von 30 Bürgerkriegen 2015 gab es nur vier ohne muslimische Beteiligung: Burundi, Kolumbien, Südsudan, Ukraine). Der in islamischen Ländern ‘ real existierende ’ Wertekanon unterscheidet sich demnach von dem in Deutschland und Europa heute geltenden diametral. Dies gilt leider auch für die in Deutschland operierenden Organisationen, wie Koopmans anhand von kriegsverherrlichenden Predigten und fundamentalistischen Freitagsgebeten in den Moscheen nachweist, deren Wortlaut z. B. vom mitgliederstärksten Islamverband D İ T İ B zentral festgelegt wird, dessen Imame Türken und die Türkei meinen, wenn sie von ‘ Landsleuten ’ und ‘ Heimatliebe ’ sprechen. Der nach Mitgliederzahlen zweitgrößte Verband İ slâm Toplumu Millî Görü ş gilt als “ Erdo ğ ans politische Schule ” und wird dem islamistischen Spektrum zugeordnet, weshalb er unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht (Hür 2018). Der in den Predigten und Schriften (wie Millî Gazete) offen propagierte Antisemitismus des Verbands wird im Bericht des Verfassungsschutzes belegt, der auch eine Reihe der im Zentralrat der Muslime in Deutschland organisierten Verbände unter Beobachtung gestellt hat, weil sie (wie die Islamische Gemeinschaft in Deutschland) Ableger der radikalislamischen Muslimbrüderschaft oder (wie das Islamische Zentrum Hamburg) Sprachrohr iranischer Fundamentalisten sind oder (wie die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa, türk. Avrupa Türk- İ slam Birli ğ i, kurz AT İ B) dem rechtsradikalen Nationalismus der türkischen Grauen Wölfe zugerechnet wird. Einer im Rahmen des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung (WZB) 2016 durchgeführten Untersuchung zufolge vertreten 69 % der muslimischen Deutschtürken die Auffassung, der Islam sei allen anderen Religionen überlegen, 67 % meinten, Bücher sollten verboten werden, wenn sie ihre religiösen Gefühle verletzen und für 62 % gibt es nur eine ‘ wahre ’ und für alle Gläubigen bindende Auslegung des Korans, 60 % haben eine negative Meinung überAndersbzw. Ungläubige, 76 % sind überzeugt, dass Israel oder die USA selber hinter den von islamistischen Terroristen verübten Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 steckten. Die Zahlen seien nahezu identisch mit den zeitgleich in der Türkei dazu erhobenen Daten. Bei Christen (auch solchen mit Migrationshintergrund) sei es demgegenüber heute nur noch eine Minderheit, die intolerante Glaubensauffassungen vertritt. Wenn dagegen der Liberal-Islamische Bund zu einer Demonstration gegen islamistische Gewalt aufruft, dann kommen nur wenige, weil D İ T İ B und AT İ B ihre Unterstützung versagen. Wenn die Anwältin und Imamin Seyran Ate ş in der von ihr gegründeten Ibn- Rushd-Goethe-Moschee (s. u.) für einen pluralistisch-toleranten Islam wirbt, wird sie (z. B. durch das ägyptische Fatwa-Amt Dar Al-Ifta) der Häresie geziehen und erhält Morddrohungen (worauf in Abs. 4.3 zurückzukommen sein wird). Die kritische Wahrnehmung - auch die kritische Selbstwahrnehmung - des ‘ real existierenden ’ Islams in Deutschland ist also weder Islamophobie noch Häresie, sondern die Voraussetzung für dessen Reform und Integration. Die Moschee-Debatte ist mithin eingebettet in die Islam-Debatte, die den diskursiven Rahmen für den anhaltenden Streit bietet, der sich an den Minaretten im Stadtbild (nicht nur Berlins) entzündet. Islam, Islamismus und die Berliner Muslime 41 4.2 Das Minarett als Zeichen. Vom Funktionswandel eines religiösen Symbols Seit der sog. Flüchtlingskrise 2015/ 16, nach zahlreichen islamistisch motivierten Terroranschlägen und erst recht nach dem vom ‘ Westen ’ verlorenen Afghanistan-Krieg, nach dem ab 2021/ 2022 auch in Europa eine weitere Flüchtlingswelle erwartet wird, ist die Moschee- und Minarett-Frage in manchen Ländern der Europäischen Union wieder aktuell, weil sich in ihr die Frage nach dem Verhältnis von Europa und ‘ dem Islam ’ , zwischen ‘ Einheimischen ’ und muslimischen Migranten exemplarisch kondensiert und ihren symbolischen Ausdruck findet. Während die Moschee mit ihrem Minarett für diese das in der Fremde “ Angekommensein ” repräsentiert als Zeichen ihrer religiösen Identität (Schmitt 2003: 359 ff.), gilt es für jene oft als Symbol der Macht und Ausdruck einer subversiven “ Eroberungsstrategie ” der Einwanderer (Köppel 2009). Der Konflikt entzündet sich meist schon an vermeintlich trivialen Fragen der Raumordnung und des Baurechts, wenn lokale Moscheevereine bei den zuständigen Behörden einen entsprechenden Bauantrag stellen. Obwohl in Deutschland die Glaubensfreiheit grundgesetzlich geschützt und die freie Religionsausübung gewährleistet ist (Art. 4 Abs. 1 + 2 GG), lösen solche Anträge schnell öffentliche Diskussionen aus, weil mit dem Bau das Fremde selbst sichtbar wird, näher rückt, eindringt ins heimisch Vertraute. Die heutige Sensibilität gegenüber im säkularen Deutschland errichteten Moscheen als islamischen Sakralbauten, zu denen das Minarett gehört wie der Kirchturm zur christlichen Kirche, hat sich historisch innerhalb der letzten hundert Jahre entwickelt. Noch im 19. Jahrhundert erfreute man sich an einer Moschee als architektur-ästhetischem Zitat, wenn etwa ein Pumpwerk im Park Sanssouci als eine solche inszeniert wurde oder wenn sie den Schwetzinger Schlossgarten schmückte (Abb. 20 + 21; cf. Beinhauer-Köhler & Leggewie 2009: 16 f.). Abb. 20: Pumpwerk in Potsdam Abb. 21: Schwetzinger Schlossgarten Zu Gebetszwecken wurde in Deutschland eine Moschee erst 1915 errichtet, im Ersten Weltkrieg für muslimische Kriegsgefangene aus der alliierten Armee im Halbmondlager Wünsdorf bei Zossen in Brandenburg. Aber schon sieben Jahre später wurde der erste muslimische Verein gegründet, die Islamische Gemeinde zu Berlin e.V.; 1924 baute die aus 42 Fremde in der Stadt? Indien stammende Glaubensgemeinschaft Lahore Ahmadiyya Bewegung dann die erste richtige Moschee, die bis heute in Wilmersdorf steht (Abb. 22 + 23). Abb. 22: Moschee in Wünsdorf Abb. 23: Ahmadiyya-Moschee in Berlin Wilmersdorf Weitere Moscheen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Hamburg (Fazle-Omar- und Imam-Ali-Moschee) und in Aachen (Bilal-Moschee) errichtet (Beinhauer-Köhler & Leggewie 2009: 30 f.). Erst mit der Zunahme der Arbeitsmigration in den 70er und 80er Jahren wuchs auch der Bedarf an Gebetsräumen und es kam im Zuge der Selbstorganisation muslimischer Gemeinden zu der Gründung von Dachverbänden wie dem Verein Diyanet İş leri Türk İ slam Birli ğ i (D İ T İ B) unter der Aufsicht der türkischen Religionsbehörde (1984), dem Islamrat (1986) oder dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (1994), die sich gemeinsam mit dem Verband der islamischen Kulturzentren (ViKz) 2007 zum Koordinationsrat der Muslime zusammenschlossen und damit wesentlich zur Institutionalisierung des Islams in Deutschland und damit zu dessen öffentlicher Sichtbarkeit beitrugen (cf. Bernhardt & Fürlinger 1015; Schareike 2016). Mit der zunehmenden optischen Präsenz der islamischen Religion in der deutschen Öffentlichkeit stieg zugleich die Skepsis der Nicht-Muslime und ihre Angst vor der Bildung von Parallelgesellschaften, eine Skepsis, die sich in den Konflikten um den Neubau immer weiterer Moscheen ein Ventil suchte und prominenten Autoren wie Thilo Sarrazin (Deutschland schafft sich ab) oder Ralph Giordano (Erinnerungen eines Davongekommenen) auch in den Feuilletons der bürgerlich-liberalen Medien öffentliche Resonanz verschaffte. Es gehört zu den vermeintlichen Paradoxien dieser Debatte, dass sich die islamophoben Pamphlete und Programme der AfD ( “ Der Islam gehört nicht zu Deutschland ” ) oder der sog. Pegida-Bewegung auf Autoren berufen, die sich früher einmal auf der anderen Seite des politischen Spektrums engagiert haben, Sarrazin als Sozialdemokrat, Giordano als kritischer Journalist, der vor dem Hintergrund seiner biographischen Das Minarett als Zeichen. Vom Funktionswandel eines religiösen Symbols 43 Erfahrung des Holocaust nicht müde wurde, sich in Wort und Schrift glaubhaft gegen jede Form des Rechtsextremismus einzusetzen. In zahlreichen Artikeln und Interviews nahm Giordano gegen den geplanten Bau einer zentralen D İ T İ B-Moschee in Köln-Ehrenfeld Stellung, rief sogar zum Baustopp auf (Giordano 2008: 37): Stoppen Sie diesen Bau, der kein Ausdruck muslimischen Integrationswillens ist, sondern ein Zentrum integrationsfeindlicher Identitätsbewahrung, das Symbol eines Angriffs auf unsere demokratischen Lebensformen, ein Anspruch auf Macht und Einfluss. Verhindern konnte er ihn nicht. Mit seinem wortgewaltigen Engagement riskierte er Beifall von der falschen Seite (etwa von der rechtsradikalen Partei Pro Köln), was wiederum scharfe Kritik von der Gegenseite auslöste, durch die der ausgewiesen antifaschistische und sozialliberale Autor sich unversehens in eine politisch ‘ rechte Ecke ’ gestellt sah, aber auch Zustimmung erntete von bekannten Publizisten (wie Lea Rosh), Sozialwissenschaftlern (wie Hartmut Krauss) und kritischen Muslimen (wie der Soziologin Necla Kelek). Die als “ Moscheestreit ” (Sommerfeld ed. 2008) berühmt gewordene Diskussion zog sich in den Medien über die gesamte Planungsphase, Bauverzögerungen und gerichtlichen Auseinandersetzungen bis zur Eröffnung der Moschee im September 2018 hin. Architektonisch gilt der Entwurf von Gottfried und Paul Böhm durchaus als gelungen, eine hohe durchbrochene Kuppel (als Symbol für Weltoffenheit) wird von schlanken 55 Meter hohen Minaretten überragt (Abb. 24). Abb. 24: Die Zentral-Moschee in Köln-Ehrenfeld Der Schaukampf um das Minarett (und in der Schweiz um dessen Verbot, das nach erfolgreichem Referendum mittlerweile in der Verfassung verankert ist: cf. Hess-Lüttich 2017; zur Kontroverse in Österreich s. Fürlinger 2015) wird zu einem weiteren Symbol der 44 Fremde in der Stadt? Auseinandersetzung auf einem ganz anderen Spielfeld: nämlich der Verteidigung der emanzipatorischen Werte der europäischen Aufklärung mit ihren umfassenden Rechtsfolgen sowohl gegen die religiös motivierten Gläubigen (gleich welcher Branche), die sich im Besitze ihrer unteilbaren Wahrheit wähnen, als auch gegen die politisch motivierten Aktivisten des populistischen und erst recht des “ radikalen ” Konservativismus (Strobl 2021), die sich auf ihre unwiderlegbare Erfahrung und den tabubewehrten Anspruch der Tradition berufen. Vier Hauptargumente stehen einander dabei unversöhnlich gegenüber: (i) Minarette seien Machtsymbole der Muslime, die in Deutschland (ähnlich argumentiert die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei SVP) die Scharia gegen die bestehende Rechtsordnung durchsetzen wollten; (ii) beide Rechtsordnungen könnten nicht nebeneinander bestehen; (iii) Minarette würden von fundamentalistischen Gruppen im Ausland finanziert und unterminierten den Religionsfrieden; (iv) muslimische Länder ließen Religionsfreiheit vermissen. Diesen Argumenten wird von liberalen Juristen entgegengehalten, dass (i) unsere Rechtsordnung durch ein paar Minarette nicht ernsthaft bedroht werde; dass (ii) Minarette geltendes Recht nicht außer Kraft setzten, das den Primat des säkularen Staates gegenüber allen Religionsgemeinschaften garantiere, aber eben auch die Religionsfreiheit; dass (iii) die Finanzierung von Minaretten keine Rolle spiele, sofern und soweit sie rechtmäßig und transparent sei; dass (iv) die Verletzung des Grundsatzes der Religionsfreiheit anderswo nicht dessen Suspension im eigenen Lande rechtfertige. Fundamentalisten und Populisten, ergänzt der marxistische slowenische Kulturphilosoph Slavoj Ž i ž ek in der Hamburger Wochenzeitschrift Die Zeit (16 v. 07.04.16: 45), spielten im Grunde auf derselben Seite des Feldes. Mögen sie beide nicht gewinnen, aber auch nicht unberechtigt scheint die verbreitete Sorge, dass die Werte westlicher Demokratien zur Disposition stehen können, wenn rechten oder linken Ideologien, religiösen Fundamentalismen oder abstrusen Verschwörungsmythen unter Berufung auf die Freiheit der Meinung immer mehr Raum gegeben wird, bis sich eben diese Meinungsfreiheit unversehens verflüchtigt hat. In der Schweiz jedenfalls stieß die Initiative der SVP mit ihren xenophoben Plakatkampagnen gegen den weiteren Bau von Moscheen aufgrund dieser Sorge auf fruchtbaren Boden. Abb. 25: Plakate der SVP-Initiative für ein Verbot der Minarette in der Schweiz Das Minarett als Zeichen. Vom Funktionswandel eines religiösen Symbols 45 4.3 Die Moschee-Debatte hält an Auch in Deutschland wird die Minarett-Debatte in dem Maße mit anhaltender, ja zunehmender Heftigkeit geführt, in dem die Zahl der Moscheen zunimmt. Diese Zahl ist übrigens bislang immer noch nicht exakt zu ermitteln, sie variiert von Quelle zu Quelle. Einer Umfrage der Zeit zufolge waren es schon 2016 ca. 2 ’ 750 (Die Zeit 30 v. 14.07.2016), inzwischen wird die Zahl auf etwa 3000 geschätzt, aber eine valide Statistik wird darüber nicht geführt. Genauere Hinweise mit zahlreichen Belegen liefern jedoch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (Bundestag 2020), die allein für Berlin 72 Moscheen aufführen (von denen zwölf dem D İ T İ B und sieben dem ViKz zuzuordnen seien; andere Quellen zählen über 80 Berliner Moscheen). Aber während sich die Zahl der Moscheen immerhin grob schätzen lässt, wissen wir leider immer noch zu wenig über die in den Moscheen verkündeten Botschaften. Laut Berichten des Verfassungsschutzes sind die kriegsverherrlichenden Predigten und fundamentalistischen Freitagsgebete in den Moscheen nicht etwa Einzelfälle, sondern entsprechen den vom D İ T İ B vorgegebenen Richtlinien, denen die türkischen Imame auch dann wortgetreu folgen, wenn sie in ihren Predigten offen zu Antisemitismus und Abgrenzung zur säkularen Residenzgesellschaft aufrufen (Schreiber 2017; Wagner 2018). Hier und da wurden auch christliche Gotteshäuser islamisch umgewidmet. Dass Kirchen heute als Moscheen genutzt werden, ist eigentlich nicht neu; die Entwicklung entspricht dem sinkenden Bedarf auf der einen Seite und dem steigenden auf der anderen (den 2016 in Deutschland geschätzten 2750 Moscheen stehen über 45000 christliche Kirchen, aber nur 130 Synagogen gegenüber). Aber als im Sommer 2020 die Nachricht von der Umwidmung der Hagia Sophia vom Museum zur Moschee durch die Medien geht, spaltet sie (wie schon die türkische Präsidentenwahl) den muslimischen Teil der deutschen Bevölkerung erneut: Die einen bejubeln sie als Symbol islamischer Stärke, die anderen fürchten sie als Ausdruck wachsender Intoleranz gegenüber Andersgläubigen; die einen feiern Erdo ğ an als furchtlosen Kämpfer für die Freiheit ihrer Religion im Lande der Ungläubigen, für die anderen belebt er einen schon überwunden geglaubten Religionskonflikt, mit dem er lediglich von seinem Versagen in der Außen- und Wirtschaftspolitik ablenken wolle. Immerhin hält die Mehrheit der deutschen Muslime den Schritt schlicht für unnötig, weil er keines der bestehenden Probleme löse und die multiplen Konflikte in Krisen-Zeiten von Corona, Klima, Kriegen und Migration nur verschärfe. Auch deshalb hält in den deutschen Metropolen und im Spiegel der Presse die Moschee- Debatte unvermindert an, und es steht nach den periodisch wiederkehrenden religiös motivierten Anschlägen durch radikale Muslime kaum zu erwarten, dass die öffentliche Diskussion um die wachsenden Moscheegemeinden in Deutschland so schnell zum Erliegen kommen wird. Die Streitpunkte sind dabei immer dieselben: die Gegner der Moscheebauten monieren die Höhe der Minarette, die Verfremdung des Stadtbildes, die zu große Nähe zu christlichen Sakralorten (Kirchen, Friedhöfe), die nächtliche Ruhestörung durch Muezzin- Rufe, die Angst vor Überfremdung des vertrauten Kiezes, die Wertminderung der eigenen Immobilie durch die neue Nachbarschaft. Die Argumente (oder Pseudoargumente) ließen sich konflikttypologisch danach sortieren, ob sie raumbezogen die Lage betreffen (Baurecht, Verkehr, Parkplätze, Mietpreisniveau usw.), ethnisch-kulturell das Verhältnis 46 Fremde in der Stadt? von Mehrheit und Minderheit ( ‘ schleichende Orientalisierung ’ , Xenophobie, mangelnde Integration, Kriminalität), oder religiös-weltanschaulich das Verhältnis der Glaubensgemeinschaften (Christen vs. Muslime, Mission, Fundamentalismus vs. liberale Säkularität). Die oft kaum verhohlene Skepsis wird von rechten Parteien und rechtsextremen Gruppierungen nur zu gern für eigene Zwecke instrumentalisiert und in offene Proteste gegen die Errichtung weiterer Moscheebauten eingespeist (Umfragen in Berlin ergeben je nach Fragestellung meist satte Mehrheiten gegen neue Moscheen, was aber je nach Integrationsniveau variiert; cf. Brunn 2006). Repräsentanten eines moderaten Islams wie Tarek Mohamad und Lamya Kaddor hatten unter dem Motto “ Nicht mit uns! ” z. B. am 17.06.2017 zu einer Demonstration in Köln aufgerufen, um ein Zeichen gegen den täglichen Terror in islamischem Namen zu setzen. Die Veranstalter rechneten mit ca. 10 ’ 000 Demonstranten - es kamen einige hundert, also weniger als 0,003 % der in Deutschland lebenden fünf Millionen Muslime. Das war dann auch ein Zeichen, freilich nicht ganz im Sinne der Veranstalter. Alle großen deutschen Islamverbände hatten hier ebenso zum Boykott aufgerufen wie kurz darauf bei einem weiteren Versuch in Berlin. An der dortigen Demonstration gegen islamistischen Terror, nicht weit vom Ort des letzten Anschlags von Anis Amri auf den Berliner Weihnachtsmarkt, nahmen kaum 100 Leute teil - in bemerkenswertem Kontrast zum alljährlichen Al-Quds- Marsch mit seinen antisemitischen Parolen und israelfeindlichen Transparenten, der locker zehnmal mehr Teilnehmer aufbietet. Die Kommentare in den Medien waren entsprechend, zumal die Erinnerung an die massive Propaganda der Islamverbände und Moscheegemeinden für die Abstimmung über die sog. Verfassungsreform in der Türkei noch frisch war, bei der die Mehrheit der die demokratischen Freiheiten genießenden Türken in Deutschland für deren Abschaffung in ihrem Herkunftsland votierte. Fast gleichzeitig mit der fehlgeschlagenen Kölner Demonstration eröffnete (im Juni 2017) die nach eigenem Bekunden gläubige Muslimin und bekannte Rechtsanwältin Seyran Ate ş in Berlin (im Bezirk Moabit) die oben erwähnte von ihr initiierte und gemeinsam mit dem Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi begründete Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, in der nicht nur alle Konfessionen des Islams, sondern auch Nicht-Muslime und sogar Agnostiker oder Atheisten willkommen sind, in der Männer und Frauen gemeinsam beten können, in der Homosexuelle nicht bedroht und diffamiert werden, in der Frauen auch Gebete leiten dürfen - ganz im Geiste der Sure 2, Vers 256 des Korans: “ In der Religion gibt es keinen Zwang ” (cf. Ate ş in Die Zeit 25 v. 14.06.2017: 54). Die Reaktion folgt auf dem Fuße. Die Kairoer Al-Azhar Universität verhängt sofort eine Fatwa gegen diese und alle etwaigen weiteren ‘ liberalen Moscheen ’ . Der türkische Präsident und seine gleichgeschalteten Medien vermuten wie immer die Gülen-Bewegung dahinter und etikettieren damit die liberalen Muslime als Terroristen. Die türkische Religionsbehörde Diyanet wütet gegen die “ unislamische ” Moschee und gibt deren Initiatoren damit zum Abschuss frei. Die bekommen seither täglich Morddrohungen und stehen unter Polizeischutz. Die Hasskommentare in den Netzwerken kommen nicht etwa nur von radikalen Salafisten, sondern aus der Mitte der Moscheegemeinden, die zugleich ihr Mantra zu wiederholen nicht müde werden, Islam bedeute ‘ Frieden ’ und habe mit dem in seinem Namen wütenden Terror nichts zu tun (cf. Evelyn Finger in Die Zeit 26. v. 22.06.17: 56). Der mühsame Weg zu einem gemäßigten Euro-Islam ist offensichtlich noch lang. Und so lange Die Moschee-Debatte hält an 47 wird die europäische Moschee-Debatte weiterhin kontrovers geführt werden. Die Nobelpreisträgerin Herta Müller weiß, wovon sie (im Interview mit der Welt v. 05.03.2015) spricht, wenn sie beim Dialog mit Fundamentalisten wie bei dem mit Diktatoren dafür plädiert, ihn ohne Illusionen zu führen: Als ich nach Deutschland kam, hörte ich hier immer wieder die gut gemeinte Überzeugung, man müsse nur lange genug miteinander reden und sich immer wieder zusammensetzen, und dann werde alles gut. Und es gibt hierzulande auch noch die Auffassung: “ Solange gesprochen wird, wird nicht geschossen. ” Als würde das eine das andere ausschließen (Müller 2015). 48 Fremde in der Stadt? 5 Diskursformen des Erinnerns Demnigs ‘ Stolpersteine ’ als Zeichen urbaner Memorialkultur Abstract: In view of the growing anti-Semitism in Germany, the interest of the following chapter focuses on a memorial that stands out from the routine of the ‘ official ’ culture of remembrance in urban space in a unique way: Gunter Demnig ’ s Stumbling Stones, the largest decentralized work of art in the world, which commemorates former ( Jewish, but also black, gay and other) neighbours and fellow citizens in the city who were deported to Nazi concentration camps and became victims of the Holocaust. Against the background of the advance of populist-right-wing nationalist currents in Europe and the USA, it seems more necessary than ever to critically reassure oneself of the semiotics of remembrance. Zusammenfassung: Angesichts des wachsenden Antisemitismus in Deutschland gilt das Interesse des folgenden Kapitels einem Mahnmal, das sich von der Routine der ‘ offiziellen ’ Erinnerungskultur im urbanen Raum auf einzigartige Weise abhebt: Gunter Demnigs Stolpersteine, das als das größte dezentrale Kunstwerk der Welt an ehemalige (jüdische, aber auch schwarze, schwule und andere) Nachbarn und Mitbürger in der Stadt erinnert, die in die Konzentrationslager der Nazis deportiert und dort Opfer des Holocaust wurden. Vor dem Hintergrund des geschichtsvergessenen Vormarschs populistisch-rechtsnationaler Strömungen in Europa und den USA scheint es gebotener denn je, sich der Zeichensprache des Gedenkens kritisch zu vergewissern. Keywords: Anti-Semitism, memorial, monument, stumbling stone, memorial culture Schlüsselbegriffe: Antisemitismus, Mahnmal, Denkmal, Stolperstein, Memorialkultur Das Geheimnis der Erlösung ist die Erinnerung (Talmud) 5.1 Das Demnig-Projekt Im Norden des Berliner Bezirks Schöneberg grenzt das Quartier, in dem ich lebe, an das einst von Salomon Haberland errichtete Bayerische Viertel, dessen Eleganz wohlhabende jüdische Bürger anzog und das bald die “ Jüdische Schweiz ” genannt wurde. An vielen Häusern erinnern Gedenktafeln an einstige Bewohner wie Albert Einstein, Alfred Kerr, Arno Holz, Eduard Bernstein, Erich Fromm, Gottfried Benn, Emanuel Lasker, Kurt Pinthus, Rudolf Breitscheid, Erwin Piscator und Inge Deutschkron, Marcel Reich-Ranicki, Gisèle Freund, Billy Wilder (damals Samuel Wilder). Auch in dem Hause, in dem ich wohne, lebten, wie ich in einer gemeinsam mit Nachbarn durchgeführten Recherche herausfand, einige Frauen jüdischen Glaubens, die zwischen 1942 und 1944 nach Theresienstadt und nach Auschwitz deportiert und ermordet wurden. An sie wollten wir mit Stolpersteinen erinnern. Die Recherche motivierte mich zu einer genaueren Auseinandersetzung mit diesem bis heute kontrovers diskutierten Kunstprojekt, über das ich hier kurz berichten will. Vor 30 Jahren entwickelt der 1947 in Berlin geborene Bildhauer und politisch engagierte Aktionskünstler Gunter Demnig gemeinsam mit dem Verein Rom, der die Interessen von Sinti und Roma in Deutschland vertritt, die Idee zu einer Kunstaktion, die an die Opfer des Holocaust erinnern soll. Das Projekt “ Mai 1940 - 1000 Roma und Sinti ” markiert 1990 den Weg, den genau 50 Jahre zuvor die deportierten Opfer durch Köln nahmen. Am 16. Dezember 1992 verlegt Demnig vor dem Historischen Rathaus zu Köln einen Pflasterstein, auf dem der Deportationsbefehl Himmlers eingraviert ist. Wiederum zwei Jahre später fertigt er 230 Steine, die auch an andere Nazi-Opfer erinnern: Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, Homosexuelle, Kranke und Behinderte. Sie werden später - ohne amtliche Genehmigung und nahezu ohne öffentliche Resonanz - im Kölner Griechenmarktviertel, in Köln-Ehrenfeld und in Berlin verlegt. Die Aktion wird von den zuständigen Behörden (es handelt sich bei den Orten um öffentlichen Grund, daher ist die Verlegung in jedem einzelnen Falle amtlich genehmigungspflichtig) erst im Nachhinein legalisiert und markiert den Auftakt zu der beispiellosen Erfolgsgeschichte eines politischen Kunst- Projekts im öffentlichen Raum, das als “ work in progress ” bis heute nicht abgeschlossen ist (Endlich 2002: 31), sondern immer noch “ wächst und wächst ” (Leimstoll 2008: 12). Heute [2021] ist es mit über 80 ’ 000 Stolpersteinen in ca. 1600 Städten und in über 27 Ländern (www. stolpersteine-münchen.de) das größte dezentrale Mahnmal der Welt - und wird bis heute kontrovers diskutiert. Immer wieder und neuerdings wieder zunehmend kommt es zu Beschädigungen der Steine durch rechtsextreme Täter, in Berlin und anderswo werden sie zuweilen aus dem Boden gerissen und gestohlen (Langowski 2017). Es sind freilich nicht die Unbelehrbaren und Stumpfsinnigen allein, die gegen diese Form des Gedenkens protestieren, nicht nur die Nazis und Holocaust-Leugner der NPD oder die Dumpfbacken der AfD und deren zahlreiche Satelliten-Organisationen, die gegen die Verlegung der Steine hetzen. Der Streit entzweit manchmal auch die Verbände der Betroffenen selbst. Die innerhalb der jüdischen community umstrittene Entscheidung der Münchner Stadtverwaltung gegen die Verlegung, mit der sie sich über die von engagierten Juden der Stadt (wie dem Journalisten und Publizisten Terry Swartzberg) gesammelten 100 ’ 000 Unterschriften hinwegsetzte, zollte der prominentesten Repräsentantin der örtlichen Jüdischen Gemeinde Respekt: Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland (2006 - 2010), Vizepräsidentin des Europäischen Jüdischen Kongresses EJC (2003 - 2010), Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses WJC (2005 - 2013), Trägerin des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, hatte gegen die Steine Stellung bezogen. Ihr war (und ist) die Vorstellung unerträglich, dass da “ die Namen von Holocaustopfern zu Füßen der Menschen angebracht werden ” , das Judentum verbiete es, über die Toten zu laufen (cf. Benyahia-Kouider 2005: “ [. . .] la religion juive interdit que l ’ on marche sur les morts ” ), “ die Steine werden [. . .] mit Füßen getreten, beschmiert, mit Exkrementen von Hunden beschmutzt, geklaut, beschädigt ” (zit. n. Jessen 2014: 2). 50 Diskursformen des Erinnerns Salomon Korn, der damalige Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, widersprach: Die Steine seien einzigartige Zeichen individualisierten Gedenkens am einstigen Wohnort der Opfer: “ Hier wohnte . . . ” . Nicht zentral, monumental, anonym, zum Ritual erstarrt, sondern überall, mitten unter uns, “ Hier wohnte ” ein Nachbar, Mitbürger, Freund, Verwandter vielleicht, Zeichen an authentischem Ort, bezeugt durch Quellen und Recherche, “ Hinweise auf die verlorene, mutwillig zerstörte ‘ Normalität ’ einstigen Zusammenlebens jüdischer und nicht jüdischer Deutscher ” (Korn 2014: 4). Die Metapher von den Steinen, die man “ mit Füßen trete ” nimmt er auf und ergänzt das Bild: Er hat den Vorübergehenden vor Augen, der, des blinkenden Zeichens gewahr werdend, kurz stutzt, sich herabbeugt, um die Schrift zu entziffern, “ Hier wohnte . . . ” , sich verbeugt gleichsam vor dem Namen, den er dort eingraviert findet (cf. Reinhardt 2009). Die ‘ Verbeugung ’ mitten auf dem Gehweg macht andere Passanten aufmerksam, einige treten hinzu, neugierig, was es da zu sehen gebe, und tun es dem ersten Betrachter gleich (cf. Endlich 2002: 32). Die Metapher sei also doppelt wirksam, denn jedes Mal, wenn Stolpersteine buchstäblich ‘ mit Füßen getreten ’ werden, verweisen sie auf jene, die einst als rechtlose ‘ Untermenschen ’ von selbst ernannten ‘ Herrenmenschen ’ mit Füßen getreten wurden und sie rufen eben dies zurück ins hic et nunc unseres Alltags. Deshalb gehörten sie, meint der Berliner Rechtsanwalt und Publizist Sergey Lagodinsky, nicht nur in die Ghettos der Gedenkstätten, sondern überall hin: “ Wenn wir nicht auf jüdische Opfer [also die Steine als ihr Zeichen] treten dürften, müssten wir alle fliegen: Der deutsche Boden ist mit jüdischen Namen übersät ” (Lagodinsky 2015). 5.2 Steine als Zeichen Das Rathaus Schöneberg beherbergt eine Ausstellung, die den Titel trägt “ Wir waren Nachbarn ” . Der Besucher nimmt Platz an langen Tischen, wie in einem alten Lesesaal, beugt sich unter Leselampen über die dort ausgelegten Alben mit Namen, auf kleinen Karteikarten handschriftlich vermerkt, er trifft auf ihm geläufige wie die oben genannten und ihm gänzlich unbekannte, mehr als 6000, die in der kurzen Zeit, die 1000 Jahre währen sollte, allein aus diesem Bezirk deportiert, vertrieben, ermordet wurden (von 66 ’ 000 Juden, die 1941 noch in Berlin lebten, haben nur 7 ’ 000 überlebt). Ihrer gedenken die polierten Steine im Pflaster vor ihren ehemaligen Wohnhäusern, über die man im Vorübergehen ‘ stolpern ’ soll, Gedenk-Steine als Denk-Impulse, in ihrer anti-monumentalen Summe ein ‘ Gegen-Denkmal ’ (Endlich 2002: 29), ein “ Denkmal von unten ” (Reinhardt 2009), Denk-Male als Wund- Male einer in ihrer kulturellen Gedächtnisgeschichte zutiefst verletzten Nation, zu deren Staatsraison der kategorische Imperativ des ‘ Nie wieder! ’ gehört und die Pflicht, das Wissen über die Schuld und Verantwortung der Deutschen zu mehren, wachzuhalten, weiterzugeben an die Jungen, die “ kein erkennbares kollektives Interesse mehr haben an konfrontativer Identitätspolitik im Medium der Nationalsozialismus ” (cf. Schmid 2009: 31; id. 2010: 8). Dieses bescheidene, dezentrale Denkmal ergänzt die großen Stätten des Gedenkens, die in Berlin errichtet wurden, das 2005 eröffnete monumentale Denkmal für die ermordeten Juden Europas am Brandenburger Tor (Abb. 26), das Martin Walser einen “ fußballfeldgroßen Alptraum ” nannte, das 2008 errichtete für die ermordeten Homosexuellen im Tiergarten (Abb. 33), das den 1989 am Eingang zum Schöneberger Regen- Steine als Zeichen 51 bogenquartier am U-Bahnhof Nollendorfplatz angebrachten Gedenkstein in Form des Rosa Winkels ergänzt (Abb. 32), das erst 2012 eingeweihte für die ermordeten Sinti und Roma südlich des Reichstags (Abb. 27) und weitere drei Dutzend Gedenkstätten allein in Berlin, darunter auch solche für Trümmerfrauen und Zahnärzte, aber keines für die ermordeten Afrikaner. Abb. 26: Denkmal für die von den Nazis ermordeten Juden Europas (am Brandenburger Tor 2005) Abb. 27: Denkmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma (im Tiergarten 2012) Zu ihnen gehört Mahjub Bin Adam Mohamed, der, 1904 in der damaligen Kaiserstraße zu Daressalam geboren, von 1929 bis zu seiner Verhaftung wegen ‘ Rassenschande ’ 1941 unter dem Namen Bayume Mohamed Husen (eingedeutscht für Hussein) in Berlin lebte und dort unter anderem am Seminar für orientalische Sprachen seine Muttersprache Swahili unterrichtete und als Schauspieler in mindestens 23 Spielfilmen mitwirkte (cf. Breiter 2002). An seinem Schicksal bestand im Nachkriegsdeutschland kein Interesse, er wurde wie so viele namenlose Opfer des Rassenwahns der Nazis vergessen. Erst 2007 wurde sein Name 52 Diskursformen des Erinnerns einer breiteren Öffentlichkeit wieder bekannt, als Marianne Bechhaus-Gerst in ihrem Buch Treu bis in den Tod seine Lebensgeschichte nachzeichnete. Noch im selben Jahr verlegte Gunter Demnig vor seinem ehemaligen Wohnhaus in der Brunnenstraße, in der auch die Synagoge Beth-Zion liegt, den kleinen Stein im Standardformat von 10x10x10 cm zu seinem Gedenken (Abb. 28). Abb. 28: Stolperstein für Mahjub Bin Adam Mohamed Abb. 29: Micha Ullmans ‘ Bibliothek ’ : Mahnmal zur Bücherverbrennung (Bebelpatz) Solche Kunstwerke, die den herkömmlichen Denkmalbegriff gleichsam unterlaufen, nennt James E. Young (1993: 39) ‘ Antidenkmale ’ . Wenn authentische Orte auf diese Weise ‘ zum Sprechen gebracht ’ werden, können daraus räumlich-ästhetische Rekonstruktionskonzepte entstehen. Die ‘ Bibliothek ’ auf dem Berliner Bebelplatz wäre dafür ein anderes Beispiel: der über den Platz eilende Fußgänger tritt unversehens auf eine in das Pflaster eingelassene Glasplatte, stutzt, hält inne, sieht unter sich in einen kahlen asch-weiß getünchten Raum hinein, dessen Wände von leeren Bücherregalen gesäumt werden (Abb. 29). Die Leere erinnert an das Verschwinden von Kultur. 20 ’ 000 Bücher der kritischen, jüdischen, linken oder den neuen Machthabern sonst irgendwie missliebigen Autoren (wie Heine, Feuchtwanger, die Manns, Kästner, Hirschfeld) wurden gleich zum Auftakt der Nazidiktatur von den Braunhemden verbrannt - und das war bekanntlich “ ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen ” (Heinrich Heine, Almansor, Vers 243 f.). So wird moderne Denkmalkunst in den öffentlich-urbanen Raum und damit den alltäglichen Bewegungsraum der Menschen eingebettet. Der Platz oder der Bürgersteig wird zum Text. Er liefert dem Flaneur, den Passanten nicht die fertige Lösung, sondern den Impuls zur eigenen Interpretation (cf. Schlusche 2006: 123). Gegen die Anonymisierung und Heroisierung des Todes setzen die Zeichen des Ortes und die Namen der Opfer dessen Individualisierung und Personalisierung - oder, wie Demnig selbst über seine Arbeit sagt: Für mich ist es immer noch eine große Erschütterung, jedes Mal, wenn ich Buchstabe für Buchstabe einzeln einschlage. Das gehört aber für mich mit zu dem Projekt, weil ich mir so immer wieder darüber bewusst werde, dass es sich um einen Menschen, einen einzigartigen Menschen handelt, Steine als Zeichen 53 um den es geht. Das waren Kinder, das waren Männer, Frauen, Nachbarn, Schulkameraden, Freundinnen, Kollegen . . . Und bei jedem Namen entsteht so eine Vorstellung in mir. Und dann gehe ich auch an den Ort, in die Straße, vor das Haus. Da rückt es noch einmal näher an einen heran. Es ist schmerzhaft, den Stolperstein zu legen, aber es ist auch gut, weil da etwas zurückkehrt . . . wenigstens die Erinnerung (Stolpersteine 2007: 37; Hervorh. im Orig. als Majuskel). Die Widerstände gegen die Verlegung sind nicht selten erheblich. Hausbesitzer wollen oft nichts davon wissen, Anwohner mögen nicht sich erinnern oder daran erinnert werden, wie jüdische, schwarze, schwule und andere Nachbarn leise aus ihrer Straße verschwanden. Manche fürchten Anschläge von Neo-Nazis (cf. Leimstoll 2008), andere eine vermeintliche Stigmatisierung ihres Hauses und seiner Bewohner (Stolpersteine 2007: 55). Der kollektiven Amnesie setzen die Steine historische Fakten entgegen, aber eben nicht in der offiziellen Form des rituellen Gedenkens, die Martin Walser (in seiner berühmt-berüchtigten Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1998 in der Paulskirche) als das Schwingen der “ Moralkeule Auschwitz ” empfand und dabei (was er später nicht ohne Scham bekannte) auf klammheimliches Einverständnis hoffen oder gar mit beifälliger Zustimmung rechnen durfte, sondern durch gleichsam zufällige Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit heischt. Man kann aber auch aktiv wegschauen, wenn man nicht sehen will. Die heftige Mediendebatte, die Martin Walsers Rede seinerzeit auslöste (dokumentiert in Schirrmacher ed. 1999, Klotz ed. 1999, Brumlik et al. eds. 2000), gewinnt angesichts der antisemitischen Hate Speech in den Social Media neue Aktualität (Schwarz-Friesel 2019): Sie setzt die Frage nach einer angemessenen ‘ Sprache der Erinnerung ’ immer wieder auf die Agenda. Walser gehört keineswegs zu denen, die die Verbrechen der Nazi-Täter leugnen, verdrängen, relativieren, historisieren wollen, aber, sagt er in der zentralen Passage seiner Paulskirchenrede, “ [. . .] wenn mir aber jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten wird, merke ich, dass sich in mir etwas gegen diese Dauerpräsentation unserer Schande wehrt ” (Walser 1998: 11): Anstatt dankbar zu sein für die unaufhörliche Präsentation unserer Schande, fange ich an wegzuschauen. Wenn ich merke, dass sich in mir etwas dagegen wehrt, versuche ich, die Vorhaltung unserer Schande auf Motive hin abzuhören und bin fast froh, wenn ich glaube, entdecken zu können, dass öfter nicht mehr das Gedenken, das Nichtvergessendürfen das Motiv ist, sondern die Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken. Dagegen will das Projekt Stolpersteine “ Zeichen setzen ” (Franke 2002: 14), “ Zeichen wider das Vergessen ” (Körner 2007), die Steine sind “ Mahn-Zeichen ” (Goebel 2003), “ Zeichen der Erinnerungskultur ” (Demnig: http: / / www.stolpersteine.com/ aktuell.html), sie machen das Verborgene sichtbar, sie holen für die Jüngeren wieder ans Licht, was manche derÄlteren im Dunkeln lassen wollen, sie sind Wegweiser durch die Geschichte ehemaliger jüdischer Stadtquartiere wie das Bayerische Viertel in Schöneberg. Für überlebende Angehörige sind sie zugleich Symbole des Widerstands gegen den Versuch der Nazis, mit der physischen Vernichtung der Opfer zugleich auch jede Erinnerung an jene auszulöschen, denen man ihren Namen nahm und sie mit Nummern im Wortsinne ‘ brandmarkte ’ , sie figurieren als Ersatz der verweigerten Grabsteine, jeder einzelne Stein steht symbolisch sowohl für das namentlich bezeichnete Individuum als auch für die Gesamtheit der Opfer, sagt der Künstler 54 Diskursformen des Erinnerns im Gespräch (Franke 2002: 14), “ denn alle eigentlich nötigen Steine kann man nicht verlegen. ” Will man auch nicht, denn Demnig will sie nicht am Fließband produzieren im Respekt vor der Einzigartigkeit eines jeden Schicksals, jeder Stein soll einzeln sorgsam in Handarbeit gefertigt, behauen, mit Messing bezogen, beschriftet werden (cf. Avidan 2008). Ihre Beschriftung mit Namen, Jahreszahl (Geburts- und Todesjahr) und Todesort ist die Metonymie einer Biographie, Symbol der Biographien von Millionen. Gemeinsam bilden sie ein Netz von Verweisungen, ihrerseits verflochten wiederum mit all den anderen Zeichen des Erinnerns an das NS-Verbrechen, und bei aller Bescheidenheit und Schwäche des einzelnen Zeichenträgers werden sie in ihrer Gesamtheit Teil der Kollektivpsyche und entfalten ihre eigentümliche Kraft (cf. Endlich 2002: 31; Stolpersteine 2007: 57). Sie wirken subversiv gegen den allzu lange verteidigten Topos des Nicht-Wissens - “ davon hat man ja nichts gewusst ” - durch die Prägung des alltäglichen Ortes, der Straße vor dem eigenen Hause. Buchenwald, Theresienstadt, Dachau, Auschwitz und all die anderen Lager waren weit weg, die nächtlichen Transporte der Güterwaggons zu den Stätten industriell betriebener Menschenvernichtung konnte man verdrängen, obwohl sie wohl kaum zu übersehen waren: Allein aus Berlin brachten 61 ‘ Osttransporte ’ 35 ’ 000 Juden in die Vernichtungslager, 123 ‘ Alterstransporte ’ brachten weitere 15122 Juden nach Theresienstadt, wo nur 11 % von ihnen überlebten, Homosexuelle wurden meist nach Sachsenhausen verfrachtet usw. (Dobler 2002; das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf verzeichnet auf seiner Homepage eine Liste der Deportationszüge von 1941 - 1945). 4 Die Lager sind heute bedrückende Gedenkstätten, aber da muss man nicht hinreisen, wenn man partout vergessen will. Der mitten unter uns, im eigenen Kiez, zu den eigenen Füßen eingeschriebenen ‘ Topographie der Vernichtung ’ indes ist kaum zu entrinnen. Sie beschreibt den Ausgangs- und den Endpunkt des Verbrechens. 5.3 Stolpersteine als Gegenstand der Diskursforschung Für diejenigen, die fragen, was das alles mit Diskursforschung und Urban Semiotics zu tun habe und für die das nach allem, was über den Zeichencharakter dieses Kunstwerks gesagt wurde, nicht unmittelbar auf der Hand liegt, hier zusammenfassend nur einige weitere Stichworte. (i) Diskurs: “ Das Beste, was einem Denkmal widerfahren kann, ist eine lebendige Auseinandersetzung ” (Endlich 2002: 36). Für die Stolpersteine trifft das in exemplarischer Weise zu. Sie sind ein Impuls zur (kontroversen) Kommunikation, sei es unter den Passanten, einander fremden Gegnern und Befürwortern, sei es im Gespräch mit Jugendlichen zu didaktischen Zwecken, sei es vermittelt in der anhaltenden Mediendebatte, sei es im Prozess des Kunstwerks selbst, das ein Ergebnis komplexer Verständigungshandlungen des Urhebers mit Archiven, Historikern, Behörden, Schulen, Bürgern ist. Jeder dieser Kommunikationsprozesse kann zum Gegenstand empirischer Diskursanalyse gemacht werden. 4 https: / / www.berlin.de/ ba-charlottenburg-wilmersdorf/ ueber-den-bezirk/ geschichte/ artikel.240430.php [28.09.2021]. Stolpersteine als Gegenstand der Diskursforschung 55 (ii) Stadt-Zeichen: “ In vielen Städten [. . .] sind die Stolpersteine zu Wegweisern durch die Geschichte ehemaliger jüdischer Stadtviertel geworden ” (Körner 2007). Für mich waren die Steine in meiner Straße ein Impuls zur Auseinandersetzung mit der Geschichte ‘ meines Viertels ’ in Schöneberg. Abstraktes Geschichtswissen wird unmittelbar anschaulich, wenn man Zeichen im urbanen Raum als ‘ Text ’ zu lesen weiß. Jungen Forschungszweigen wie Urban Semiotics, Spatial Discourse Studies oder Linguistic Landscapes Research eröffnet sich hier ein neues weites Feld empirischer Untersuchungen. Das “ Hier wohnte ” der standardisierten Beschriftung eines jeden Stolpersteins etwa verweist deiktisch, also wie eine Suchanweisung im hic et nunc seiner Wahrnehmung, auf das Haus, vor dem er verlegt wurde, den Ort, an dem die Opfer zuletzt gelebt haben, den Ausgangspunkt des Verbrechens ihrer Deportation. Deportiert an den ebenfalls vermerkten Ort ihrer Ermordung, den Endpunkt des Verbrechens. Beide Lokaldeiktika zusammen sind Teil des Verweisungsnetzwerks, das die ‘ Topographie des Terrors ’ dem Alltagsgedächtnis des Passanten ‘ einschreibt ’ ( τόπος / tópos / Ort, γράφειν / graphein / schreiben). (iii) Rhetorik: Die Kontroverse innerhalb des Zentralrats der Juden in Deutschland hat gezeigt, wie metaphorische Redeweise ( “ mit Füßen treten ” ) als topisches Argument genutzt wird: ‘ man ’ (im Sinne von ‘ Jeder weiß doch, dass . . . ’ oder ‘ alle teilen doch die Auffassung, dass . . . ’ ) dürfe ‘ doch ’ - eine Partikel, die geteiltes Wissen behauptet, von dem erst bewiesen werden müsste, dass es geteilt sei - nicht diejenigen noch einmal ‘ mit Füßen treten ’ , die einst ‘ mit Füßen getreten ’ wurden. Für sie stehen die Steine zugleich als metonymisches Zeichen, indem die auf ihnen eingravierten lakonischen Informationen (Name, Lebensdaten, Todesort) sie als Individuen und, in deren Summe, sie als Kollektiv repräsentieren (cf. Avidan 2008). Sage also niemand, Germanisten, die sich auch als semiotisch informierte Kulturwissenschaftler verstehen, dürften sich jenseits von Sprachstruktur und Literaturkanon nicht auch ihrer Geschichte, ihrem Alltag, ihrem Raum, den Medien ihres Ausdrucks mit textwissenschaftlicher Neugier zuwenden (und dabei manchmal auch etwas lernen über die Geschichte der eigenen Familie). Die vielerorts propagierte Re-Philologisierung unseres Faches würde es m. E. gerade um jene Dimensionen beschneiden, die es überhaupt erst interessant machen für Menschen, die andernorts und in der Ferne etwas lernen wollen über unser Land, seine Kultur und Geschichte. 56 Diskursformen des Erinnerns 6 Subkultur in Schöneberg Ein Stadtviertel im Zeichen des Regenbogens Abstract: The chapter is dedicated to the Queer Spaces of the Gay Community in the north of the district of Schöneberg, the signs that ‘ mark ’ the quarter and allow it to be semiotically ‘ mapped ’ . After a brief foray through the history of the quarter, the laborious path from persecution to legal equality of homosexual fellow citizens is traced and reference is made to the memorials that commemorate their murder and oppression, but also to those that symbolize their late rehabilitation and emancipation. A Berlin scene quarter of a somewhat different kind, the relaxed liberality of which must be defended against their renewed threat. Zusammenfassung: Das Kapitel ist den Queer Spaces der Gay Community im Norden des Bezirks Schöneberg gewidmet, den Zeichen, die das Quartier ‘ markieren ’ und es semiotisch zu ‘ kartieren ’ erlauben. Nach einem kurzen Streifzug durch die Geschichte des Viertels wird der mühsame Weg von der Verfolgung zur rechtlichen Gleichstellung homosexueller Mitbürger nachgezeichnet und auf die Mahnmale verwiesen, die an ihre Ermordung und Unterdrückung erinnern, aber auch auf solche, die ihre späte Rehabilitation und Emanzipation symbolisieren. Ein Berliner Szeneviertel der etwas anderen Art, dessen entspannte Liberalität es gegen ihre erneute Bedrohung zu verteidigen gilt. Keywords: Rainbow quarter, rainbow flag, gay liberation, queer spaces, gay community, homosexuality, LGBT, culture of remembrance, memorials, pink triangle Schlüsselbegriffe: Regenbogenquartier, Regenbogenfahne, gay liberation, queer spaces, gay community, Homosexualität, LGBT, Erinnerungskultur, Mahnmale, Rosa Winkel 6.1 Hundert Jahre Schöneberger Regenbogenviertel An das Bayerische Viertel, von dem im vorangegangenen Kapitel die Rede ist, schließt sich in fließendem Übergang östlich ein ebenfalls berühmtes Quartier an, das dem unbefangenen Besucher Zeichenensembles bietet, die ihm wie in Neukölln oder Prenzlauer Berg Aufschluss geben können über manche gemeinsamen Merkmale seiner Bewohner. Hier wohnen traditionellerweise überdurchschnittlich viele homosexuelle Männer, die ihre Identität nicht mehr verstecken mögen. Die neue Sichtbarkeit der Gay Community weckt die Neugier des urbanen Semiotikers. Wie zeigt sie sich? Mittels welcher Zeichen gibt sie sich selbstbewusst zu erkennen? Wie verhalten sich die Menschen in ihr? Wie weisen sie sich aus als ihrer Subkultur zugehörig? Gibt es eine ‘ Sprache der Schwulen ’ (zu ‘ gay talk ’ cf. Hess-Lüttich & Vlassenko 2012; Hess-Lüttich 2018)? Welches sind die Zeichen, an denen schwule Besucher sich in der Stadt orientieren, um ihresgleichen zu finden? Wie wird ein städtisches Viertel durch Zeichen offen als Ort der schwulen Subkultur definiert und ‘ markiert ’ ? Lässt es sich durch bestimmte Signalements sozusagen semiotisch ‘ kartieren ’ ? Diesen Fragen wollen wir - geleitet durch die im ersten Kapitel zusammengetragenen theoretischen und methodologischen Überlegungen - am Beispiel jenes Berliner Quartiers nachgehen, das seit über 100 Jahren als ‘ schwul-lesbischer Traditionskiez ’ gilt und schwule Besucher aus aller Welt anzieht: das Schöneberger Regenbogenviertel. Der amerikanische Historiker Robert Beachy stellte in seinem Buch Gay Berlin. Birthplace of a Modern Identity (Beachy 2014), das in deutscher Übersetzung unter dem Titel Das andere Berlin 2015 bei Siedler erschien, die prima facie etwas überraschende These auf, Homosexualität sei “ eine deutsche Erfindung ” . Sie ist der, zugegeben, etwas feuilletonistisch beschriebene Ausgangspunkt einer dennoch historisch soliden und quellensatt dokumentierten Spurensuche nach dem Ursprung und Zentrum der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem gesamten Spektrum der Ausprägungen menschlicher Sexualität im Berlin des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. An seinen bestens informierten Blick auf die Periode von 1867 bis 1933 können die folgenden Beobachtungen im Norden von Schöneberg anknüpfen. Das vor den Toren Berlins gelegene Bauerndorf Schöneberg wurde 1861 in die schnell wachsende Metropole eingemeindet und wuchs innerhalb kürzester Zeit von 4 ’ 500 Einwohnern so rasant auf 175 ’ 000 an, dass es bereits 1898 eigene Stadtrechte erhielt und damit wieder von Berlin unabhängig und für Berliner eine begehrte Wohnlage wurde. In der Gründerzeit blühte die Stadt auf und wurde zum Anziehungspunkt wohlhabender Bürger, aber auch erfolgreicher Künstler und Schriftsteller. Sie konnte sich eine moderne Infrastruktur leisten und baute die erste Untergrundbahn des Großberliner Raums (die heutige Linie U4). Im Zuge der Ausdehnung Berlins wurde Schöneberg dann 1920 wieder eingemeindet und mit Friedenau zu einem Berliner Verwaltungsbezirk zusammengelegt. Hier wurden nun Intellektuelle aktiv, die sich für eine Liberalisierung des Strafrechts einsetzten, die ersten Clubs und Vereine wurden gegründet, das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee versuchte, die Öffentlichkeit über das “ Wesen der mann-männlichen Liebe ” aufzuklären. Im Viertel um den Nollendorfplatz entwickelte sich nach dem 1. Weltkrieg und besonders seit Beginn der 20er Jahre ein vergleichsweise freizügiges Vergnügungsviertel mit zahlreichen Lokalen, Tanzpalästen, Kabaretts, Cafés, aber auch einer florierenden Prostitution. Um 1922 soll es in Berlin (je nach Quelle) zwischen 100 und 150 homosexuelle Lokale gegeben haben, in denen ein durchaus gemischtes Publikum verkehrte (cf. Morek 1931). Kurt Hiller, ein bekannter Schriftsteller und Publizist aus jüdischer Familie, veröffentlichte einen Sammelband mit dem mutigen Titel § 175: Die Schmach des Jahrhunderts! (Hiller 1922). Die Gay History Map des Berliner Szeneblatts Siegessäule verzeichnet allein in dem kleinen Geviert zwischen Motz- und Fuggerstraße etliche Lokale der gehobeneren Variante wie das Eldorado der Drag-Shows und, nur in Schrittweite entfernt, das Dédé oder Mali & Igel, das Dorian Gray oder das Kleist Casino, die Verona Diele oder das Monbijou. Das von dem Gastwirt Ludwig Konecny 1928 eröffnete Transvestitenlokal Eldorado (in der Lutherstraße, ab 1931 in der Motz-/ Ecke Kalckreuthstraße) gilt als das älteste Schwulenlokal Berlins und war ein populärer “ Treffpunkt der internationalen mondänen Welt ” (Pretzel 2012: 114), aber bereits 1932 wurden die Räume von der SA übernommen, und heute 58 Subkultur in Schöneberg erinnert nur noch der Name des dortigen Bio-Supermarktes “ Speisekammer im Eldorado ” an die Vergangenheit des Hauses (Abb. 30). 5 Abb. 30 + 31: Eingang zum Eldorado Motz-/ Kalkreuthstraße 1931 und Isherwood-Gedenktafel Motzstraße 17 Marlene Dietrich, Claire Waldorf, die Tänzerin Anita Berber, der Schriftsteller Erich Kästner wurden hier gesehen, die in Künstlerkreisen gut vernetzte Else Lasker-Schüler logierte im Hotel Koschel, an sie erinnert eine Gedenktafel am heutigen Hotel Sachsenhof in der Motzstraße, Otto Dix verewigte das bunte Treiben in seinem Großstadt-Tryptichon (1927/ 28), Christian Schad fertigte (u. a. für Morecks Führer durch das ‘ lasterhafte ’ Berlin) Zeichnungen vom Eldorado an (cf. Röske 1996), in dem auch W. H. [Wystan Hugh] Auden, Christopher Isherwood und ihre Clique Oxforder Kommilitonen verkehrten. In seiner Autobiographie (Christopher and His Kind) und seinen Berliner Romanen (Mr. Norris Changes Trains, Sally Bowles, Goodbye to Berlin) setzte Isherwood der Zeit und der ‘ Szene ’ ein Denkmal, worauf eine Gedenktafel am Haus Motzstraße 17 hinweist, wo er logierte (Abb. 31, ähnliche Gedenktafeln erinnern auch an Gertrude Sandmann, Erich Kästner oder Billy Wilder, die in der Nähe wohnten). Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten änderte sich die Lage schlagartig. Die offen schwulen Lokale wurden (wie das Eldorado, s. o.) geschlossen, die verbleibenden wurden zur Bespitzelung ihrer Besucher genutzt; “ Rosa Listen ” wurden angelegt, homosexuelle Bürger denunziert, erpresst, später verhaftet und nach dem verschärften § 175 RStGB wegen “ widernatürlicher Unzucht ” zu Gefängnis und Zwangsarbeit verurteilt. Die Kleidung der Opfer wurde mit einem Zeichen aus Stoff analog zum ‘ Judenstern ’ markiert: viele der mit einem ‘ Rosa Winkel ’ Gezeichneten wurden in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert, wo die meisten qualvoll umkamen (cf. Pretzel & Roßbach eds. 2000; Jellonnek & Lautmann eds. 2002). An sie erinnern Mahnmale wie die Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Faschismus am U-Bahnhof Nollendorfplatz oder das Denkmal für die von den Nazis ermordeten Homosexuellen im nahen Tiergarten (Abb. 32 + 33), aber auch zahlreiche ‘ Stolpersteine ’ (des Demnig-Projekts) vor den Häusern, aus denen 5 Abb. 30 (Quelle: Bundesarchiv_Bild_183-1983-0121-500,_Berlin,_Bar_"Eldorado".jpg). Hundert Jahre Schöneberger Regenbogenviertel 59 nicht nur die zahlreichen Juden des hier angrenzenden ‘ Jüdischen Viertels ’ vertrieben worden waren, sondern auch ihre schwulen Nachbarn (Kap. 5). 6 Abb. 32 + 33: Gedenktafel U-Bahnhof Nollendorplatz, Denkmal für die ermordeten Homosexuellen im Tiergarten 6.2 Der lange Weg zur neuen Freiheit Es dauerte lange, bis das zerstörte Viertel einigermaßen wieder aufgebaut war. Die ‘ Szene ’ war verschwunden. Zaghaft eröffneten hier und da nach dem Krieg wieder ein paar Kneipen, in denen Schwule zu verkehren wagten, aber sie blieben unsichtbar. Die Rechtslage war weiterhin so repressiv wie im Kaiserreich und im Nationalsozialismus. Erst die sozialliberale Koalition verbesserte in den 70erJahren die rechtliche Situation der Homosexuellen, die sich nun auch politisch zaghaft zu artikulieren wagten. Im Schatten der Studentenbewegung wurde nach amerikanischem und britischem Vorbild (zunächst in Bonn und Köln) die Gay Liberation Front (glf) gegründet, aus der später eine breite ‘ Schwulenbewegung ’ erwuchs. Das alles ist vielfach beschrieben und umfassend dokumentiert worden, sodass ihre Geschichte hier nicht noch einmal erzählt werden muss (cf. 6 Unter http: / / www.raunitz.de/ sh_tote_opfer/ findet man im Internet eine (nach gegenwärtigem Stand der Forschung zusammengestellte) Liste von homosexuellen Opfern der Naziverfolgung, die zugleich ein dringendes Forschungsdesiderat markiert; cf. auch die Dauerausstellung im Schöneberger Rathaus mit dem Titel “ Wir waren Nachbarn ” (http: / / www.wirwarennachbarn.de/ ) [28.09.2021]. 60 Subkultur in Schöneberg z. B. Lautmann ed. 1977; Kraushaar ed. 1997; Ausstellungen und Kataloge des Schwulen Museums: http: / / www.schwulesmuseum.de/ [28.09.2021]). Aber der konservative Widerstand gegen die Rechte der Minderheit war zäh und massiv. “ Es sollte rund 50 Jahre dauern, bis der Kahlschlag der Nationalsozialisten überwunden war ” (Hoffmann 2001: 152). Einer der Protagonisten der Bewegung, der spätere Verleger des von ihm 1975 gegründeten Verlags Rosa Winkel (Europas erster ‘ Schwulbuchverlag ’ ), Egmont Fassbinder (ein Vetter des schwulen Filmemachers Rainer Werner Fassbinder), erinnert sich in seinem sehr persönlich gehaltenen Bericht über “ Mein schönes ‘ schwules ’ Schöneberg ” (Fassbinder 2001: 153 - 160), dass Homosexuelle “ weit und breit nicht wahrnehmbar ” waren und dass er nicht wusste, wie und wo er “ Gleichgesinnte ” finden könnte (ibid. 153), bis er endlich wagte, ins Trocadero am Winterfeldtplatz (das später in die nahe Courbièrestraße umzog) oder das wiedereröffnete Kleist Casino (KC) an der Ecke Kleist-/ Eisenacherstraße zu gehen. Rosa von Praunheims provokativer Film ( “ Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt ” ) sorgte für heftige Debatten und wurde zum Initialimpuls für die Gründung studentischer Emanzipationsgruppen in allen größeren Universitätsstädten (die erwähnte Gay Liberation Front in Köln, die ihren Namen dem Londoner Vorbild verdankt, gibt es heute immer noch), einschlägige Zeitschriften kamen heraus (Du&Ich, Him, Schwuchtel, magnus), Transvestitenlokale öffneten ihre Pforten (Chez Nous, Chez Romy Haag), in der Bülowstraße machte der erste schwule Buchladen in Deutschland auf (Prinz Eisenherz, heute in der Motzstraße) und, unweit des (heutigen) Kurt-Hiller-Parks, das Café Anderes Ufer, das schnell zum “ Salon der Berliner Homosexuellen ” avancierte (Hoffmann 2001: 151): Hier frühstückten die Künstler Salomé und der Rocksänger Rio Reiser. Hier tranken Autoren wie Detlev Meyer, MarioWirz und Michael Roes Kaffee; der Satiriker Max Goldt war ebenso Stammgast wie die Entertainer Ades Zabel und Biggy van Blond. Nina Hagen, Iggy Pop und Ulrike Folkerts kamen genauso gern ins Ufer wie Michael [sic] Foucault und David Bowie. Und wenn man Glück hatte, konnte man sich hier von den Filmemachern Rosa von Praunheim, Wieland Speck, Lothar Lambert oder Ulrike Ottinger entdecken lassen. Anfang der 80er Jahre hatte sich das Viertel soweit erholt, dass der junge Bruno Gmünder in bescheidenen Räumen in der Nollendorfstraße seinen ersten schwulen ‘ Szeneführer ’ herausbringen konnte: Berlin von hinten. Von der Erfolgsgeschichte des späteren Verlagskonzerns Bruno Gmünder ahnte damals noch niemand etwas. Man vergnügte sich in den inzwischen zum Teil mit ersten ‘ Darkrooms ’ ausgestatteten neuen Kneipen wie Knolle, Tom ’ s Bar oder Knast, aber die hedonistische Sorglosigkeit sollte nicht lange währen. Autoren wie Detlev Meyer (Heute Nacht im Dschungel) und Napoleon Seyfarth (Schweine müssen nackt sein) wurden zu sensiblen Chronisten der herannahenden Bedrohung durch eine neue, in der ‘ Szene ’ grassierende ‘ Schwulenseuche ’ , der sie selbst zum Opfer fallen sollten: A IDS . Schnell lichten sich die Reihen. Die Berliner A IDS -Hilfe wird gegründet, Lokale für HIV-Positive werden eröffnet (wie das Café PositHiv). Nun kommen neue Mahnmale zu den alten hinzu. Das Zeichen des ‘ Rosa Winkels ’ wird ergänzt durch das der ‘ roten Schleife ’ als Zeichen der Solidarität mit den zahllosen Opfern der tödlichen (und bis heute nicht heilbaren) Krankheit und den damit Infizierten (Abb. 34 + 35). 1990 eröffnet die damalige Berliner Senatorin für Justiz, die spätere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes Jutta Limbach, im Rathaus Schöneberg, damals noch Amtssitz Der lange Weg zur neuen Freiheit 61 des Berliner Bürgermeisters, eine Ausstellung des Schwulen Museums zur “ Geschichte des § 175: Strafrecht gegen Homosexuelle ” und verspricht, sich für die Streichung des Paragraphen einzusetzen. Am 10. März 1994 ist es soweit: der Bundestag fasst einen entsprechenden Beschluss, ohne dass das Abendland wie von Konservativen befürchtet untergeht. Nach dem Vorbild der Rainbow Coalition, einer amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, wird die Regenbogenfahne als drittes Zeichen der schwulen Subkultur adoptiert und seit 1996 am Rathaus aufgezogen. Schnell avanciert sie zum im Herzen des Kiezes allgegenwärtigen ‘ Ausweis ’ der einschlägigen Lokale und derer, die als ‘ gay friendly ’ wahrgenommen werden wollen. Die Szene-Wirte tun sich zusammen, gründen einen ‘ Regenbogenfonds ’ veranstalten gemeinsam das ‘ schwul-lesbischen Straßenfest ’ , das sich zur größten und wichtigsten Veranstaltung seiner Art in Europa entwickelt und heute alljährlich bis zu einer halben Million Besucher anzieht. Am 16. Juni 2000 weiht die Bezirksbürgermeisterin Elisabeth Ziemer die von dem Berliner Künstler Salomé entworfene Regenbogen-Stele ein, die vor dem U-Bahnhof Nollendorfplatz den Eingang zum Regenbogen-Quartier markiert und semiotisch die Brücke schlägt vom Rosa Winkel (der Gedenktafel an der Wand gegenüber der Stele) zur 1978 von Gilbert Baker entworfenen Rainbow-Flag. Wer im Dezember 2013 am U-Bahnhof ankommt, traut seinen Augen nicht: im Rahmen einer (eigentlich zeitlich begrenzten) Kunstaktion erstrahlt dessen Kuppel in den leuchtenden Farben des Regenbogenkiezes. Als weithin sichtbares “ Zeichen für Toleranz und Vielfalt ” an dessen Eingang (oder Ausgang) soll es bleiben: die zeitliche Begrenzung wird aufgehoben. Nun gilt das kleine Quartier im Norden Schönebergs endgültig als The Rainbow Village, das aus eigenem Recht an dessen bunte Zeit in den 1920 Jahren anzuknüpfen vermag (Abb. 36 + 37). Abb. 34 + 35: Schöneberger Mahnmale für die Aids-Opfer und HIV-Infizierten 62 Subkultur in Schöneberg Abb. 36 + 37: Regenbogen-Stele und Kuppel des U-Bahnhofs Nollendorfplatz 6.3 Die Gay Community setzt Zeichen Damit sind die drei zentralen Zeichen der Selbstidentifikation eines ganzen Stadtviertels etabliert (Abb. 38): der Rosa Winkel als Stigma, das die so Gekennzeichneten im Wortsinne ‘ zeichnete ’ als abartig, entartet, aus der Art geschlagen, als letztlich ‘ unwertes Leben ’ , bis es von der Gay Community aufgegriffen und umgewertet wurde zum stolz getragenen Abzeichen ihrer Selbstbehauptung gegen den Versuch ihrer Negation und Vernichtung; die Regenbogenfahne, deren Farben zugleich das Leben (rot) symbolisieren sollen, die Gesundheit (orange), die Sonne (gelb), die Natur (grün), die Kunst (blau) und den Geist (violett) und in ihren farbenfroh-bunten Komposition für die selbstbewusste ‘ Fröhlichkeit ’ der Gay Community stehen, ihr ‘ Coming-out ’ , ihre Vielfalt, ihren Mut, ihren Kampf um die gleichen Bürgerrechte, die alle anderen auch für sich beanspruchen; und schließlich, drittens, die Rote Schleife als Zeichen der Solidarität mit der stigmatisierten Gruppe der mit dem HI-Virus Infizierten, jener Infektion, die nach ihrem ersten Auftreten zuerst als ‘ Schwulenseuche ’ diffamiert wurde, die klerikal-konservative Politiker nach Quarantäne und Isolation in Lagern rufen ließ, als sichtbare Thematisierung eines gesellschaftlichen Tabus (awareness ribbon). Abb. 38: Drei Zeichen für die Gay Community Die Gay Community setzt Zeichen 63 Heute gibt es wohl nirgends sonst auf der Welt eine solche Dichte und Auswahl einschlägiger Bars, Clubs, Restaurants, Cafés, Hotels, Buch- und Fetischläden auf so engem Raum. Für Berlin insgesamt listet das Szenemagazin Siegessäule nicht weniger 260 von Schwulen frequentierte Adressen auf und verzeichnet sie auf Karten der drei wichtigsten Zentren (neben Schöneberg noch Friedrichshain und Mitte), aber selbst im Zoom-Ausschnitt wird die Dichte der markierten Orte fast unübersichtlich (Abb. 39). Abb. 39: Schöneberger Gay Map der Siegessäule Abb. 40: Rainbow Flag an einem Reisebüro Das Zeichen der Rainbow-Flag sticht dem Flaneur hier überall ins Auge, nicht nur Fenster der Wohnungen sind damit geschmückt, nicht nur die einschlägigen Läden und Lokale weisen sich damit aus, auch an eher unvermuteten Orten wie Fahrradständern, Fahrschulen, Tierarztpraxen, Obstständen, Geldautomaten usw. klebt das Zeichen, gelegentlich ergänzt um solche, die sich an spezielle Untergruppen der Subkultur wenden (wie die Leder-, Fetisch- oder Bären-Szene), denn kaum ein Gewerbetreibender will es sich mit der hier dominanten Clientèle verscherzen. Für einmal nicht Minderheit sein: für viele der Besucher eine willkommene Entlastung vom Druck ihres heteronormativ geprägten Alltags. Können sie sich also endlich sicher wähnen und ihre Identität offen leben? Die Gefahren lauern selbst hier im Kiez, wie ein Besuch bei Maneo in der Bülowstr. 106 bestätigt. Die Zahl homophober Übergriffe sei massiv gestiegen, die der Straftaten gegen Homosexuelle habe sich innerhalb nur einer Dekade vervierfacht, allein im Jahr 2016 habe man 659 Hinweise auf Gewalttaten bekommen (cf. Maneo-Report 2016 v. 17.05.2017). 7 Und die Zahl der homophoben Gewalttaten steigt immer weiter: die Berliner Zeitung (v. 15.05.2020) meldet auf der Grundlage der von Maneo publizierten Jahresberichte, dass 2020 in Berlin 32 % mehr Übergriffe gegen Schwule und Lesben registriert worden seien als im Vergleich zum Vorjahr, 7 Im Internet unter: http: / / www.maneo.de/ uploads/ media/ MANEO-PM-170516-MANEO_Report_2016.pdf; Report: http: / / www.maneo.de/ infopool/ dokumentationen.html? eID=dam_frontend_push&docID=1337 [28.9.2021]. 64 Subkultur in Schöneberg wobei die Dunkelziffer noch erheblich höher liege. 8 Der für den Kiez zuständige Abschnitt 41 der Berliner Polizei bestätigt die Verschärfung der Sicherheitslage (vor allem durch die Zuwanderung muslimischer und osteuropäischer Jugendlicher) und beschreibt den Ort als für Schwule nicht mehr ungefährlich (cf. auch aktuelle Berichte in der lokalen Presse und im Sender RBB). Mut und Wachsamkeit bleiben geboten. 150 Jahre Gay Liberation konnten Homophobie demnach noch immer nicht zum Schweigen bringen. Im Gegenteil: eine unheilige Koalition von religiösen Fundamentalisten und rechtspopulistischen Eiferern wittert schon wieder Morgenluft für ihren Kampf gegen gleiche Rechte für die LGBT-Community. Für die aber ist, wie ein Blick in andere Länder lehrt, die hierzulande mühsam erreichte Rechtssicherheit überlebenswichtig. Daran erinnert auch der Rechtsphilosoph Christoph Möllers von der Humboldt-Universität anlässlich der späten Gleichstellung des Rechtsinstituts der Ehe in seiner juristischen Stellungnahme, die er ( “ unjuristisch ” ) mit den Worten schließt: Manche sich liberal wähnende Menschen behaupten, nichts gegen Homosexuelle zu haben, es nur nicht gut zu finden, wenn diese heiraten wollen. Der Sprechakt lautet: Du bist in Ordnung, wie du bist. Du sollst nur nicht dieselben Rechte haben wie ich. Auf diese Art des Zuspruchs können die Angesprochenen vermutlich leichter verzichten als auf den verwehrten Rechtsstatus (Möllers 2017). Abb. 41 + 42: Zeichen der schwulen Subkultur(en) 8 https: / / www.berliner-zeitung.de/ mensch-metropole/ berlin-homophobie-so-viele-uebergriffe-gegen-schwuleregistriert-wie-noch-nieund-lesben - li.83640 [28.09.2021]. Die Gay Community setzt Zeichen 65 7 Die Schloss-Debatte Vom Palast der Republik zum Humboldt-Forum Abstract: On the occasion of the 30th anniversary of German reunification 2020, the chapter seeks to reconstruct a both long and controversial debate about rebuilding the Berlin Castle in the historical centre of the city. Thus, a brief look is taken at the eventful history of the building since the middle of the 15 th century. After the Second World War, the ‘ Palace of the Republic ’ , popular among the GDR population, was built on the site of the historically significant site. After reunification, it had to be dismantled due to structural defects, which critics interpreted politically and argued against. The subsequent debate on the variants of the proposals for reconstruction - renovation of the SED palace, modern architecture or rebuilding of the Prussian castle - and the controversially discussed concepts for the use of the ‘ Humboldt Forum ’ are the subject of the analysis. Zusammenfassung: Anlässlich des 30. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung 2020 sucht das Kapitel eine ebenso lange währende kontroverse Debatte um die Wiedererrichtung des Berliner Schlosses in der historischen Mitte der Stadt zu rekonstruieren. Dazu wird ein kurzer Blick auf die wechselvolle Geschichte des Bauwerks seit Mitte des 15. Jahrhunderts geworfen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde an der Stelle des geschichtsträchtigen Ortes der in der DDR-Bevölkerung populäre ‘ Palast der Republik ’ errichtet, der nach der Wiedervereinigung aufgrund von baulichen Mängeln rückgebaut werden musste, was die Kritiker politisch deuteten und dagegen argumentierten. Die anschließende Debatte über die Varianten der Vorschläge zur Wiederbebauung - Sanierung des SED-Palastes, moderne Architektur oder Wiederaufbau des Preußenschlosses - und der kontrovers diskutierten Konzepte zur Nutzung des ‘ Humboldt-Forums ’ sind Gegenstand der Analyse. Keywords: Berlin Palace, Hohenzollern residence, Palace of the Republic, GDR People ’ s Chamber, Humboldt Forum, colonialism, freedom and unity monument Schlüsselbegriffe: Berliner Schloss, Hohenzollernresidenz, Palast der Republik, Volkskammer der DDR, Humboldt-Forum, Kolonialismus, Freiheits- und Einheitsdenkmal 7.1 Zum Gedenken an 30 Jahre Schloss-Debatte Was haben die Berliner Großprojekte Flughafen und Humboldt-Forum gemein? Die never ending story ihrer immer wieder verschobenen Eröffnungen. Auch für 2020 wurden sie wieder einmal angekündigt. Aber immer kam etwas dazwischen. Am 03. Oktober 2020 feiert Deutschland 30 Jahre Wiedervereinigung. Ebenso lange währt nun auch die Debatte über die Wiedererrichtung des preußischen Stadtschlosses zu Berlin. Sie ist damit eine der am längsten anhaltenden Architektur-Debatten der Gegenwart. “ Das Berliner Schloss spaltet die Stadtgesellschaft ” , schreibt Jens Bisky in seiner voluminösen Biographie einer großen Stadt (Bisky 2019: 879). Dabei ist die Entscheidung schon vor geraumer Zeit gefallen, nämlich kurz nach der Jahrtausendwende. Eigentlich sollte in dem riesigen Gebäude, das am Ende 682 Millionen Euro kosten wird und damit zu einem der teuersten Kulturbauten Deutschlands überhaupt avanciert, längst das Humboldt-Forum eingezogen sein und mit den inzwischen kontrovers diskutierten ethnologischen Sammlungen aus Dahlem längst Besucher aus aller Welt anziehen. Nun soll es 2021 aber wirklich soweit sein, wenn auch in Etappen: Im Juli beginnt man mit einer sehenswerten Ausstellung zur Geschichte Berlins; zum Herbstbeginn kommen Teile der außereuropäischen Sammlungen und Exponate aus dem Museum für Asiatische Kunst hinzu. Auch wenn noch viele Räume leer stehen, will man mit der offiziellen Eröffnung nicht länger warten: Ende September 2021 gibt es einen Staatsakt, der Bundespräsident spricht, die Staatsministerin für Kultur ist auch dabei, aber nun wird die ursprünglich stadt- und architekturhistorisch akzentuierte Diskussion des Gebäudes um postkoloniale Perspektiven auf seinen Inhalt erweitert. Anlass genug, nach dem Blick auf die ‘ Flughafen-Debatte ’ (Kap. 2) auch einen auf die ebenso langlebige ‘ Schloss-Debatte ’ zu werfen. Galt die öffentliche Diskussion im Falle des neuen Flughafens (neben dessen Standort und den zahllosen technischen Problemen) unter anderem auch der Frage der künftigen Nutzung der bisherigen Flughäfen (Tempelhof und Tegel im Westen, Schönefeld im Osten der Stadt), so wurde im Falle des Stadtschlosses nicht minder erbittert darum gerungen, nach dem Fall der Mauer zunächst den Abriss des asbestverseuchten DDR-Palastes der Republik und dann den schon 1990 von Joachim Fest in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vorgeschlagenen Wiederaufbau des Berliner Schlosses zu verhindern oder zu unterstützen (cf. Schug ed. 2007). Diese Mediendebatte wurde bereits bald nach der Entscheidung des Deutschen Bundestages 2002 für den Wiederaufbau in Monographien und Sammelbänden dokumentiert und muss hier nicht erneut rekonstruiert werden (cf. Hennet 2005; Ribbe ed. 2005). Aber seither riss die Debatte nicht ab, sondern weitete sich aus auf die Gestaltung des Schlossplatzes insgesamt und auf die Frage, wie und wofür das Schloss optimal genutzt werden könne. Doch zunächst ein kurzer Blick zurück, um dem Leser die vielerorts dokumentierte historische Entwicklung des Gebäudes im Schnelldurchlauf zu vergegenwärtigen und der aktuellen Debatte damit die nötige historisch informierte Tiefenschärfe zu verleihen. 7.2 Von der preußischen Wehrburg zum Neubau des Hohenzollernschlosses Mit der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung der Städte Berlin und Cölln wird 1443 unter der Regentschaft des Kurfürsten Friedrich II der Grundstein für die Residenz der Hohenzollern gelegt, eine wehrburgartige Anlage, deren genaues Aussehen nicht sicher überliefert ist und die um 1538 zugunsten eines neuen Renaissanceschlosses fast vollständig abgetragen wird. Um das Schloss mit den Jagdgründen des Tiergartens zu verbinden, werden ab 1646 Straßen gen Westen angelegt, womit es zum Mittelpunkt der rasch wachsenden Stadt wird. Als Kurfürst Friedrich III sich 1701 in Königsberg (als Friedrich I) zum König krönt und damit Von der preußischen Wehrburg zum Neubau des Hohenzollernschlosses 67 Kurbrandenburg zum Königreich Preußen wird, verlangt die neue Würde ein etwas repräsentativeres Gehäuse. Unter der Bauleitung von Andreas Schlüter entsteht ein barockes Stadtschloss, auch die Fassaden zum Lustgarten, der Schlossplatz und das Schlüter-Portal gehen auf seine Entwürfe zurück. Der neue Schlossbaumeister Johann Eosander v. Göthe erweitert den Bau dann ab 1706 noch einmal erheblich (und setzt sich mit dem Eosander- Portal ein prachtvolles Denkmal). Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I geht es etwas bescheidener an, lässt aber die Lücke zwischen Schlüterhof und Eosander-Portal schließen. Die Schlosskapelle wird 1853 mit einer Kuppel gekrönt. Mit der Reichsgründung 1871 wird das Schloss kaiserliche Residenz, eine Häuserzeile auf der “ Schlossfreiheit ” wird abgerissen, um dort Platz zu schaffen für das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal (Abb. 43). Abb. 43: Berliner Schloss nach der Reichsgründung Abb. 44: Das Schloss nach dem Krieg 1945 Nach dem Weltkrieg und der Abdankung des Kaisers wird der Bau während der Weimarer Republik und im sog. Dritten Reich dann genutzt als Kunstgewerbemuseum, Mensa, Wohnraum, Studentenhilfe, Theatermuseum und Ausstellungshalle und manches mehr (Abb. 44). Im Februar 1945 brennt das Schloss nach einem Luftangriff auf das Stadtzentrum schließlich bis auf den Nordwestflügel aus. Weniger aus bautechnischen als aus ideologischen Gründen wird es auf Beschluss der SED-Regierung 1950 unter Missachtung aller Proteste gesprengt und der dadurch freigewordene Platz in Marx-Engels-Platz getauft und für Kundgebungen der Partei und als Parkplatz genutzt. Als Nachfolger von Walter Ulbricht veranlasst Erich Honecker als Erster Sekretär des ZK der SED den Bau eines vom Architektenkollektiv um Heinz Graffunder konzipierten Neubaus, der als Sitz der Volkskammer und als Kulturhaus dient. Damit soll der ‘ Palast der Republik ’ (PdR), dessen Dimensionen ihm bald den Spottnamen ‘ Palazzo Prozzo ’ eintragen, zum politischen und kulturellen Kristallisationspunkt der Arbeiterbewegung werden. Viele Bürger der DDR erinnern neben den SED-Parteitagen vor allem die Kulturveranstaltungen wie Konzerte, Ausstellungen, Theateraufführungen, Modenschauen, Hochzeiten und dergleichen. Familien treffen sich den Restaurants des Hauses, Jugendliche in der hauseigenen Diskothek oder an der Bowlingbahn. Die Erinnerung daran trägt in der Nachwendezeit ab 1990 viel zu dem nostalgisch verklärten Image des Hauses bei vielen Bürgern bei, vor allem solchen, die zu DDR-Zeiten der SED bzw. nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 ihrer Nachfolgerpartei nahestehen. 68 Die Schloss-Debatte Abb. 45: Palast der Republik 1986 Abb. 46: Palast der Republik 1987 Diese ist es denn auch, die zunächst den Protest gegen den Rückbau des Gebäudes anführt, der durch die krebserregende Asbestkontamination und aufgrund statischer Probleme unausweichlich scheint. Im wesentlichen stehen drei Optionen zur Wahl: Erhalt des PdR, moderner Neubau, Wiedererrichtung des Schlosses. Eine unabhängige Expertenkommission empfiehlt schließlich mit nur einer Gegenstimme die Rekonstruktion der historischen Mitte Berlins. Der Deutsche Bundestag entscheidet sich nach mehreren Architekturwettbewerben 2003 für den Abriss des PdR und den Wiederaufbau des Schlosses. Es soll als ‘ Humboldt-Forum ’ die Sammlungen der Dahlemer Museen außereuropäischer Kulturen, die Zentral- und Landesbibliothek Berlin sowie die wissenschaftshistorischen Sammlungen der Humboldt-Universität beherbergen. 7.3 Das Humboldt-Forum in der Diskussion Gegen diese Grundsatzentscheidung wurden von vielen Seiten Einwände hervorgebracht, der Petitionsausschuss des Bundestages allein hatte 880 Eingaben zu behandeln, die er verwarf. Die Gegenseite der Befürworter suchte ebenfalls Anhänger zu mobilisieren und für die Akzeptanz des Schlosses zu gewinnen. Einige der wesentlichen Argumente in der Kontroverse ließen sich in folgender Tabelle zusammenfassen: Pro Contra Ein modernes Gebäude könne die Lücke zwischen den historischen Bauten im Zentrum nicht füllen. Mit zeitgenössischen Nutzungskonzepten lasse sich die alte Baustruktur nicht verbinden. Das Schloss habe eine wichtige Funktion für das deutsche / europäische Geschichtsgedächtnis, es diene als Brücke zur Vergangenheit. Das Schloss repräsentiere eine monarchische politische Ordnung und sei einer republikanischen Demokratie nicht mehr angemessen. Das Schloss bilde den Kern des Berliner Zentrums, es halte die Mitte zusammen. Das Schloss tilge die historischen Brüche im urbanen Raum und es negiere die DDR-Epoche. Das Schloss verspreche zur touristischen Attraktion zu werden und ziehe international Besucher an. Eine authentische Rekonstruktion des Schlosses sei unmöglich, die Kopie werde zum Disneyland. Das Humboldt-Forum in der Diskussion 69 Besonders der von dem Hamburger Kaufmann Wilhelm v. Boddien gegründete ‘ Förderverein Berliner Schloss ’ trat in der Debatte von Beginn an mit z.T. spektakulären Aktionen hervor wie der semiotischen Simulation der Schlossfassaden durch Stoffbahnen als Zeichen für die Dimensionen des geplanten Baukörpers, was zur Veranschaulichung des Vorhabens und zur Spendenbereitschaft beitragen sollte. Nach Jahren mit verschiedenen Zwischennutzungen wurde für die Gestaltung des Schlosses Ende 2007 ein weiterer Architekturwettbewerb ausgeschrieben, an dem sich 158 Büros beteiligten; von ihren Entwürfen schafften es 30 in die zweite Auswahlrunde, in der eine Jury aus 14 Preisrichtern sich schließlich für den Vorschlag des italienischen Architekten Franco Stella aus Vicenza entschied, der neben drei barocken Fassaden eine nach Osten gewandte moderne Ansicht vorsah, an der sich freilich auch wieder heftiger Streit entzündete, der bis heute anhält. So wird Stellas Fassade mit einem Gewerbebau am Nordbahnhof verglichen, um nur einen der schmeichelhafteren Kommentare herauszugreifen. Stellas Architekten-Kollegen kritisierten die zahllosen Vorgaben des Wettbewerbs, der ihre Kreativität beschneide. Abb. 47: Berliner Schloss Westfassade (© SHF / Christoph Musiol) Abb. 48: Berliner Schloss Ostfassade (© SHF / Foto (Zuschnitt): Christoph Musiol) 70 Die Schloss-Debatte Auch in der Berliner Bevölkerung überwog anfangs die Skepsis. Noch viele Jahre nach der Grundsatzentscheidung für das Humboldt-Forum sprachen sich laut einer Umfrage der (freilich in dieser Frage nicht ganz neutralen) Berliner Zeitung (BLZ) im Sommer 2010 angeblich 80 % der Berliner dagegen aus (Aulich & Höhn 2010; Zylka 2010). Eine Diskursanalyse einschlägiger Artikel in den online-Ausgaben der BLZ und der Süddeutschen Zeitung (SZ) aus demselben Zeitraum bildet das gesamte Spektrum der Kontroverse ab. So kritisierte die BLZ etwa, dass die Vorgabe der Barockfassaden zu Grundrissen führe, die für Bibliotheken oder Ausstellungen unbrauchbar seien und fragte, ob das Konzept überhaupt in eine moderne und ökologisch nachhaltige Zeit passe (Bernau 2010), während die SZ an die konkreten Aufgaben und baulichen Herausforderungen erinnerte, die vor lauter Symboldebatten in den Hintergrund zu treten drohe (Seibt 2010). Die Fördervereine rüsteten derweil publizistisch auf, organisierten Ausstellungen und Diskussionsrunden, gaben Bücher, DVDs und eigene Zeitschriften heraus (wie das Berliner Extrablatt, dessen 93. Ausgabe im April 2020 erschien). Mit der sachlichen Aufklärung und Fülle der Informationen wuchs denn auch die Zustimmung zu dem Projekt (proportional zu dessen Kosten). Anlässlich des 30. Jahrestages der Wiedereinigung resümiert die FAZ in einer Sonderbeilage zu ihrer Ausgabe Nr. 230 v. 02.10.2020, dass wohl “ über keinen anderen Symbolort seit 1989 so heftig gestritten ” worden sei wie über den Wiederaufbau des Berliner Schlosses (Maak 2020). Doch immer noch halten sich Zustimmung und Ablehnung, Identifikation und Skepsis die Waage. Die einst schönste Fassade, die nach Osten zur Spree hin, sehe nun aus wie ein “ monumentales Abluftgitter ” (ibid.), und das Humboldt-Forum sei ideologisch zwischen die Fronten geraten. Dies spielt auf den Streit zwischen Mitgliedern der Expertenkommission wie Bénédicte Savoy einerseits und den Vorgängern des neuen Generalintendanten Hartmut Dorgerloh (Neil MacGregor, Herman Parzinger, Horst Bredekamp) andererseits an, bei dem es u. a. um das Verhältnis der Ethnologischen Sammlungen zum Kolonialismus und die Frage der Restitution afrikanischer Objekte geht. Von denen bekommt der Besucher allerdings kaum etwas zu sehen, allenfalls ein bis drei Prozent des Bestandes, der Rest (schätzungsweise eine halbe Million Artefakte) verstaubt in den Depots (cf. Papp 2021; Rauterberg 2021). Um sie dreht sich nun der anhaltende Streit: wie schon das Schloss als anachronistisches Zeichen imperialer Machtansprüche des versunkenen Deutschen Reiches gelesen werden müsse, so sei nun dessen museale Möblierung ein Zeichen für kolonialistische Raffgier und arrogante Indifferenz gegenüber den Erben der ursprünglichen Schöpfer in Afrika und Asien. Wie gelangten die zahllosen, oft wertvollen Objekte aus China, Tibet, Nepal, Indien, Sri Lanka, Ozeanien, aus Namibia, Nigeria, Benin und anderswoher in Zeiten des Kaiserreichs in deutschen Besitz? Wird deren Erwerbsgeschichte in der Provenienzforschung prüfbar offengelegt? An den berühmten Benin-Skulpturen aus Nigeria etwa oder an dem Luf-Boot aus Papua Neuguinea entzündet sich exemplarisch ein Konflikt zwischen verschiedenen Parteien, der entlang unübersichtlicher Frontlinien (zwischen Vertretern der Herkunftsländer, Museumsdirektoren, Archivaren, Kuratoren, Provenienz- und Restitutionsforschern, Aktivisten wie der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy oder dem Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer) in den Spalten der Feuilletons und schnell geschriebenen Sachbüchern ausgetragen wird und der einer eigenen Aufarbeitung bedarf (cf. Aly 2021; Hauser-Schäublin 2021; Savoy 2021). Es Das Humboldt-Forum in der Diskussion 71 steht zu hoffen, dass die kontroversen Debatten den Blick auf die einzigartigen Objekte nicht gänzlich verstellen, sondern diskursanalytisch nüchtern aufgearbeitet und in den Kolonialismus-Diskurs eingebettet werden. Dabei sind weitere Auseinandersetzungen rund um das Schloss bereits in vollem Gange. Anhaltenden Streit gibt es z. B. auch um die Kuppel und ihr Kreuz mit einer von der Apostelgeschichte und dem Brief an die Philipper inspirierten Inschrift des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV (1853): “ Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind. ” Jens Bisky irritiert, dass gerade jene semiotisch aufgeladenen Teile des Bauwerks mit besonderer Sorgfalt rekonstruiert worden seien, die, wie er in Anlehnung an des Königs Sprachgebrauch schreibt, den “ Ludergeruch der Reaktion ” verströmten (Bisky in der SZ v. 22.05.20). Die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters begrüßt als Bauherrin das Kreuz als Zeichen für Nächstenliebe und Weltoffenheit, der Kultursenator Klaus Lederer kritisiert es als religiös besetztes Zeichen, das alles konterkariere, wofür das Humboldt- Forum im Sinne seiner Namenspaten stehe, für Humanismus, Aufklärung, Gleichwertigkeit der Menschen und Kulturen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland mischt sich ein und empfiehlt, die Zeichen der drei abrahamitischen Religionsgemeinschaften gemeinsam aufzunehmen. Diese und viele andere Stimmen der Kontroverse stellt der Berliner Tagesspiegel in seiner Ausgabe v. 29.05.2020 zusammen (Schulz 2020). Heftiger geht es in den sogenannten Sozialen Netzwerken zu, in deren Untiefen wir hier jedoch nicht folgen wollen. Ein anderes Beispiel für die öffentlichen Diskussionen im Zusammenhang mit dem Streit ums Schloss ist das Freiheits- und Einheitsdenkmal, das an die Stelle des Kaiser-Wilhelm- Nationaldenkmals vor dem Gebäudekomplex treten soll und das die Berliner vox populi ‘ die Einheitswippe ’ getauft hat. Auch an dessen Zeichensprache entzündet sich die Debatte, an der zahlreiche Kultur- und Medienschaffende teilnehmen, die den Standort in offenen Briefen infrage stellen, weil er den kosmopolitischen Anspruch des Humboldt-Forums existenziell in Frage stelle. Eine quellensatte Zusammenstellung kritischer Kommentierungen findet sich unter: https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Freiheits-_und_Einheitsdenkmal [Abruf 09.10.2020]. Die Bruchlinien der Kontroverse verlaufen nicht unbedingt entlang der Parteigrenzen, obwohl das Thema politisch brisant ist. Politiker jeder Couleur äußern sich für und wider die “ Bundesbanane ” , wie das Denkmal auch verspottet wird. In den Feuilletons tobt der Streit mindestens so lange, bis es errichtet sein wird und die Bevölkerung und die Besucher sich dazu verhalten können. Noch scheint deren Mehrheit eher skeptisch: einer Umfrage von Infratest dimap im Mai 2017 zufolge hätten 58 % der Berliner lieber die historischen Kolonnaden rekonstruiert gesehen als sich durch den “ Politkitsch ” der Wippe “ verschaukeln zu lassen ” (Bisky 2015). Was aussehe wie eine “ surreal überdimensionierte Obstschüssel ” , so Niklas Maak in seinem eingangs zitierten Rückblick auf die Schlossdebatte anlässlich des 30. Jahrestages der Wiedervereinigung, solle zum Ausdruck bringen, dass Menschen zusammen wie 1989 etwas bewegen können (eben die Wippe zu neigen); das Zeichen könne aber “ auch so gelesen werden, dass es immer, wenn in Deutschland zu viele Leute in eine Richtung laufen, mit dem Land bergab geht ” (Maak 2020). Und weil unten im Kupfergraben dazu noch eine Badeanstalt eingerichtet 72 Die Schloss-Debatte werden soll, fügt er spöttisch hinzu: “ Oben spielt man Preußens Gloria, in der Mitte werden die Leute verschaukelt, unten gehen die einfachen Leute baden: Vielleicht ist Berlin am Ende hier ja doch, ganz unfreiwillig, ein vielsagendes Selbstporträt gelungen ” (ibid.). Abb. 49: Freiheits- und Einheitsdenkmal nach dem Entwurf von Milla & Partner Das Humboldt-Forum in der Diskussion 73 8 Ansichten, Einsichten, Aussichten Probleme, Projekte, Perspektiven Abstract: At the end of the volume, the controversies mentioned in the previous chapters and the views negotiated therein are briefly summarized, the insights gained and consequences drawn from them are acknowledged, and the prospects thus opened up are used as an opportunity to throw light on some more perspectives for further potential projects which, due to the limited scope of this volume, can only be hinted at here in the form of a few exemplary highlights such as the Nicolai Quarter, Alexander Square, the Huguenots tradition. Zusammenfassung: Zum Abschluss des Bandes werden die in den vorangegangenen Kapiteln genannten Kontroversen und darin verhandelten Ansichten resümiert, die daraus gewonnenen Einsichten und gezogenen Konsequenzen gewürdigt, die damit eröffneten Aussichten zum Anlass genommen, Perspektiven auf weitere potentielle Projekte zu werfen, die hier aufgrund der Umfangsbegrenzung nur in Form von einigen exemplarischen Streiflichtern angedeutet werden können: das Nicolai-Viertel, der Alexanderplatz, die Spuren der Hugenotten. Keywords: Urban debates, subcultures, Nicolai Quarter, Alexander Square, the Huguenots tradition Schlüsselbegriffe: Urbane Kontroversen, Subkulturen, Nicolai-Viertel, Alexanderplatz, Hugenotten-Tradition 8.1 Kontroversen, Kompromisse, Konsequenzen Die Ansichten der Teilnehmer zu den Standpunkten in den Kontroversen, von denen in den vorangegangenen Kapiteln die Rede war, gehen nach wie vor weit auseinander, manche dauern an. Die Debatten zu den Flughäfen (Tempelhofer Feld, Tegel-Schließung, BER- Eröffnung) oder zu Multikulturalität, Parallelgesellschaft oder Gentrifizierung (Brennpunkt Neukölln, Prenzlauer Berg), die zu den Grenzen der Religionsfreiheit (Moscheebauten) oder angemessenen Formen des Gedenkens (Memorialkultur, Stolpersteine), die zum Schutz von Minderheiten bestimmter Subkulturen und deren Bedrohung durch Kriminalität oder Religionen (Regenbogenkiez) oder die zu Schloss und Humboldt-Forum sind nach wie vor aktuell, obwohl sie teilweise seit Jahrzehnten streitig geführt werden. Bei manchen zeichnet sich ab, dass die gesellschaftliche Realität oder die Schaffung von Fakten auch zu neuen Einsichten führt. Die Frage der Randbebauung des Tempelhofer Feldes ist wieder offen, seit sich das Problem der Wohnungsnot bis zu Grünen und Linken herumgesprochen hat, die freilich eher für die Enteignung bestehender Wohnungen plädieren, was in der Konsequenz vermutlich eher zu einem Baustopp führen dürfte als dass sich Investoren dadurch sonderlich beflügeln ließen. Dass die sozialen Brennpunkte in Neukölln, Kreuzberg, Friedrichshain sich nicht von selbst auflösen, haben mittlerweile auch alle Parteien verstanden; die Einhegung organisierter Clan-Kriminalität ist ebenfalls kein Tabuthema mehr (wenn auch bislang wenig erfolgreich); Milieuschutzmaßnahmen sollen die wüstesten Auswüchse der Immobilienspekulation einhegen. Die gefährliche Zunahme von Antisemitismus, Rechtsextremismus, Homophobie wird politisch ebenfalls endlich wahrgenommen, seit sie unübersehbar geworden ist. Und selbst “ Egons Lampenladen ” trauern nur die Verbissensten der SED-Altkader hinterher, während die meisten das Schloss, seit es in voller Pracht vor ihnen steht, eigentlich doch ganz schön finden, wie es sich nun harmonisch einfügt in das Ensemble der benachbarten Bauwerke der Museumsinsel, der Staatsoper, der Humboldt-Universität, des Lustgartens, des Berliner Doms, des Roten Rathauses, des Nicolaiviertels. Die Aussichten sind also eigentlich nicht so düster, wie die Tonlage mancher Debatten vermuten lassen könnte. Natürlich wünscht man sich oft ein beherzteres Vorgehen zur Lösung drängender und offenkundiger Probleme, die jedoch über 40 ’ 000 Menschen, die jährlich neu nach Berlin ziehen wollen, nicht abzuschrecken scheinen. Aber auch diejenigen, die ihr Leben seit je in der Stadt verbracht haben, finden immer wieder Neues zu entdecken. Zum Abschluss hier exemplarisch nur ein paar Streiflichter als Impuls zu weiteren Projekten. 8.2 Spurensuche im ältesten Berlin: Das Nicolai-Viertel Schräg gegenüber vom Berliner Schloss, am östlichen Ufer der Spree, erstreckt sich um die Nicolai-Kirche herum das nach ihr benannte Viertel, dessen Ursprung auf das 12. Jahrhundert zurückgeht. Die ersten Häuser der Kaufmannsiedlungen Berlin und Cölln entstanden hier und wurden, verbunden durch den Mühlendamm über die Spree, 1237 erstmals urkundlich belegt, zum Kern der gemeinsamen Doppelstadt. Ausgrabungen deuten auf eine noch frühere Entstehung hin, aber erst mit der Errichtung des kurfürstlichen Schlosses nebenan (s. Kap. 7) gewann die schnell wachsende Gemeinde an Bedeutung. Die Nazi-Pläne zur Umstrukturierung des Viertels wurden glücklicherweise nicht umgesetzt, was freilich auch nicht gegen dessen Zerstörung im Bombenhagel des Weltkriegs half. Erst in den 1970 Jahren sollte die klaffende Lücke zwischen Spree und Alexanderplatz endlich geschlossen werden. Ob die historische Nicolaikirche abgerissen werden solle oder nicht, wurde engagiert debattiert. Schließlich entschloss sich das beauftragte Planungskollektiv zu einer an den ursprünglichen Strukturen orientierten Wohnbebauung, die pünktlich zum 750-jährigen Stadtjubiläum 1987 fertiggestellt wurde (cf. Goebel 2003). Aber auch diese Lösung geriet in die Kritik, Grund genug zu einer Spurensuche vor Ort. Wie ‘ lesen ’ wir heute den erneuerten historischen Stadtkern? Welche Zeichen deuten auf die verschiedenen Schichten des Palimpsests, das im Laufe der Zeit in diesem eng gezirkelten Geviert entstanden ist? Die urban-semiotische Exkursion wird sinnvollerweise bei der Nikolaikirche ihren Ausgang nehmen, die so alt ist wie die Stadt (Kieling & Althoff 2001). Zwischen 1220 und Spurensuche im ältesten Berlin: Das Nicolai-Viertel 75 1244 wurde ein schlichter Vorläufer-Holzbau ersetzt durch eine dreischiffig-kreuzförmige Basilika, deren Grundriss auf dem Boden des heutigen Backsteinbaus noch zu erkennen ist, der zwischen 1460 - 1480 auf dem ursprünglichen Feldsteinsockel errichtet wurde. Die Kirche wurde freilich im Weltkrieg fast vollständig zerstört. Erst nach 1980 wurde ihr Wiederaufbau angestrebt, aber die Nutzung war wiederum strittig. Schließlich wurde ein Kompromiss gefunden: die Kirche wurde zu einer Konzerthalle umgewidmet und beherbergte zudem eine Zweigstelle des Märkischen Museums. Außerdem wurde auch der Kapellentrakt wiederhergestellt und die Gruft zugänglich gemacht, in der bedeutende Berliner (wie u. a. die kurfürstlichen Kanzler Lampert und Christian Diestelmeyer oder der Philosoph und Jurist Samuel Frh. v. Pufendorf ) ihre letzte Ruhestätte fanden. Der Weg führt uns weiter über die Poststraße, in der viele hohe Regierungsbeamte und Militärs wohnten und in der die erste Apotheke, das ersteTheater und das erste Postgebäude Berlins standen, vorbei an der Gerichtslaube, die zur 750-Jahr-Feier 1987 wiederaufgebaut wurde, aber mit dem mittelalterlichen Gasthof kaum Ähnlichkeiten aufweist (immerhin soll das Dach als Zeichen für den einstigen Renaissance-Giebel dienen), vorbei auch am Knoblauchhaus (Poststr. 23) aus dem 18. Jahrhundert, das 170 Jahre lang im Besitz der bedeutenden Berliner Familie Knoblauch war (zu der auch der Architekt Eduard Knoblauch zählte, der u. a. die große Synagoge in der Oranienburger Straße oder die Russische Botschaft baute) und das als einziges Wohnhaus noch an seinem einstigen Ort steht (heute ein Teil des Stadtmuseums), bis hin zur “ schönsten Ecke Berlins ” , dem Ephraim-Palais, einem im Auftrag des jüdischen Bankiers Veitel Heine Ephraim 1762 - 1769 von dem Berliner Oberbaudirektor Friedrich Wilhelm Dieterich errichteten Rokoko-Palais, das unter Verwendung einiger Originalbauteile und der Kopie einer von Andreas Schlüter entworfenen Decke aus dem früheren Palais Wartenberg im ersten Stock um einige Meter nach Norden verschoben für das Stadt-Jubiläum 1987 fertiggestellt wurde. Abb. 50: Das Ephraim Palais im Nicolaiviertel einst und jetzt Ähnliche Palimpsest-Strukturen weisen auch andere Gebäude des pseudohistorischen Ensembles auf, z. B. das Wirtshaus Zum Nussbaum, das vor dem Krieg in Cölln stand und Heinrich Zilles Stammkneipe war; das heutige Haus ist eine Kopie, das man als pars-prototo-Zeichen für die zahllosen Alt-Berliner Lokalitäten nehmen kann, die heute verschwunden sind. Dasselbe gilt für den Gasthof Zur Rippe, benannt nach seinem Hauszeichen 76 Ansichten, Einsichten, Aussichten (das vor der Einführung von Hausnummern 1799 das Auffinden des Hauses erleichtern sollte), das wie das Ephraim-Palais 1935 abgerissen worden war, um dort Platz für das von den Nationalsozialisten geplante Gauforum und die Verbreiterung des Mühlendamms zu schaffen. Man kann froh darüber sein, dass, wenn der Ostberliner Magistrat schon die achtspurige Straße aus NS-Zeiten nicht zurückbauen mochte, man statt des Gauforums der Nazis immerhin die Kopie eines Alt-Berliner Lokals besuchen kann; leider wurde es 2019 geschlossen. Man könnte also über das Nicolaiviertel dieselbe Debatte führen wie heute über das Stadtschloss (in dessen Hof übrigens auch das Georg-Denkmal des Bildhauers August Kiss stand, das heute als beliebtes Photomotiv vor der Nicolai-Kirche steht), aber wenn die Schloss-Kopie von Bevölkerung und Fremdenverkehr so angenommen wird wie der simulierte historische Stadtkern, könnte sich die umstrittene Entscheidung für den Wiederaufbau am Ende doch noch als glückliche Fügung erweisen. Vielleicht hat man aus den desaströsen Fehlentscheidungen früherer Stadtplaner ja doch etwas gelernt? Die Pole der Debatte markieren zwei Beispiele, an denen sich bis heute die Gemüter erhitzen: der Alexanderplatz auf Rang vier im Ranking der beliebtesten Plätze Europas kann mit mancherlei Superlativen punkten; aber das Erbe der Hugenotten in Gestalt des Gendarmenmarktes kann mithalten, eine der teuersten Adressen der Stadt. 8.3 Der Alexanderplatz und das Erbe der Hugenotten Der Alexanderplatz im Bezirk Mitte gehört ebenfalls zum historischen Zentrum Berlins, im 17. und 18. Jahrhundert ein Markt- und Handelsplatz, später benannt nach dem russischen Zaren Alexander I anlässlich seines Besuches des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III im Jahre 1805. Mit dem Ausbau des Berliner Verkehrsnetzes in den Boom-Jahren der Gründerzeit gewann er jedoch erheblich an Bedeutung und erfuhr einschneidende bauliche Veränderungen: Hotels, Kaufhäuser, Behörden (Stadtgericht und Polizeipräsidium) säumten den Platz, überragt von einem neuen Wahrzeichen, der Berolina (eine kupferne Abb. 51: Berliner Alexanderplatz um 1900, Blick nach Westen Der Alexanderplatz und das Erbe der Hugenotten 77 Kolossalfigur, die jedoch im Weltkrieg II für die Kriegswirtschaft eingeschmolzen wurde). Der Architekt und Industriedesigner Peter Behrens wurde beauftragt, den Platz im Geiste der neuen Sachlichkeit umzugestalten und dabei den Erfordernissen der gestiegenen Mobilitätsansprüche gerecht zu werden. Die ehrgeizigen Pläne gerieten indes ins Stocken, als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen. Die Investoren zogen sich zurück, den Rest besorgten die Bombenangriffe im April 1945. Nach dem Krieg wurden als erstes die beiden Behrens-Bauten (Berolina- und Alexanderhaus) wiederaufgebaut, später kamen klotzig-schmucklose Büro- und Geschäftshäuser dazu, ein Wolkenkratzer, der als Hotel diente, und ein Warenhaus (heute Kaufhof ). Die weite Leere in der Mitte wurde mit Betonplatten belegt, über die der Wind hinwegfegte. Wenn es das Ziel war, den Platz zu einen urbanen “ Zentrum der Begegnung ” zu machen, so wurde es durch die Stadtplanung gründlich konterkariert. Daran konnte auch die “ künstlerische Ausgestaltung ” des Platzes nicht mehr viel ändern, die stählerne Weltzeituhr des gelernten Bauschlossers Erich John und der von dem linientreuen “ Staatskünstler ” Walter Womacka geschaffene bunt-beleuchtete Brunnen der Völkerfreundschaft, den die respektlose Ostberliner vox populi alsbald “ Nuttenbrosche ” taufte. Das pulsierende Leben rund um Berlin Alexanderplatz, das Alfred Döblin 1929 in seinem Roman beschreibt, war einer sterilen Ödnis gewichen, in der sich niemand länger aufhalten mochte als nötig. Abb. 52: Berliner Alexanderplatz nach 1990 Nach der Wiedervereinigung legte der Architekt Hans Kollhoff kühne Pläne für eine komplette Neugestaltung des unwirtlichen Platzes vor, die mit einem Mix von Büroflächen und Wohneinheiten eine Re-Urbanisierung anstrebten, aber wegen der dabei vorgesehenen Hochhausgruppen umstritten waren. Stattdessen wurden ein Einkaufszentrum (Alexa) und der Saturnbau realisiert, die das urbane Leben auf die Geschäftsöffnungszeiten begrenzten. Neue Pläne sollen es nun richten. Die alten Kollhoff-Pläne werden wieder hervorgeholt, Wettbewerbe werden ausgeschrieben, Konzepte des Architekturbüros Kny & Weber orientieren sich am historischen Stadtgrundriss, aber für kleinteilige Quartiersstrukturen finden sich keine Investoren. Die Bürger demonstrieren derweil schon mal vorsorglich gegen die von Ihnen befürchtete Gentrifizierung. Die einen wollen bezahlbares Wohnen im 78 Ansichten, Einsichten, Aussichten Zentrum und neue Modelle des Zusammenlebens fördern, die anderen möchten in Luxuswohnungen investieren, die Rendite versprechen. Die Debatte dreht sich im Kreis und blockiert die Verständigung darüber, wie aus einem Verkehrsknotenpunkt wieder ein ‘ Platz ’ entstehen kann, der gesellschaftlichem Leben im Zentrum der Stadt jenen Raum gibt, in dem Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Begegnung in Cafés und Restaurants gleichzeitig stattfinden kann. Vielleicht können die Spuren der Hugenotten dabei als Orientierung dienen, denen der semiotisch sensibilisierte Flaneur auf Schritt und Tritt begegnet? Die nach dem von Louis XIV 1685 verfügten Edikt von Fontainebleau aus Frankreich vertriebenen Protestanten werden von Friedrich I mit dem Toleranzedikt von Potsdam noch im selben Jahr nach Preußen eingeladen. Mehr als 7000 von ihnen finden allein im Berliner Dorotheenviertel Obdach oder siedeln sich im Friedrichstadtviertel an und bringen nicht nur französisches savoir vivre mit, sondern auch intellektuelle und ökonomische Impulse. Das französische Gymnasium wird gegründet und gewinnt rasch an Renommee. Der Gendarmenmarkt nimmt Gestalt an, der Französische Dom wird nach dem Vorbild des Temple Charenton errichtet, die Académie des Sciences gegründet, der Französische Friedhof geweiht (cf. Fleury 2009). Für den frisch gekürten preußischen König wird Paris zum städtebaulichen Vorbild; er lässt das Berliner Schloss nach Plänen des römischen Barock-Architekten Gian Lorenzo Bernini umbauen, die er im Auftrag von Louis XIV für den Louvre entworfen hatte; er ergänzt seine Sommerresidenz (Schloss Charlottenburg) um eine Orangerie und beauftragt Jean de Bodt mit der Vollendung des noch von seinem Vater bei dem Pariser Hofarchitekten François Blondel in Auftrag gegebenen Zeughauses und mit dem (freilich nicht realisierten) Bau einer Kirche nach dem Modell des Dôme des Invalides; auch die Reiterstatue von Henri IV auf dem Pont-Neuf gefällt ihm sehr: so etwas will er auch haben und lässt eine ähnliche Skulptur, die seinen Vater (den Großen Kurfürsten) zu Pferde darstellt, auf der Langen Brücke (heute Rathausbrücke) aufstellen, die auf das Schloss zuführt (heute steht sie vor dem Schloss Charlottenburg). Sein Sohn Friedrich Wilhelm I (der Soldatenkönig) teilt den frankophilen Geschmack des Vaters und legt für das Training seiner Soldaten diverse Plätze ebenfalls nach Pariser Vorbild an: das Rondell (Mehringplatz) nach dem Modell der Place des Victoires, das Oktogon (Leipziger Platz) in Anlehnung an die Place Louis le Grand, und das Quarrée (Pariser Platz mit der Französischen Botschaft) ist der Place Royale (heute Place des Voges) nachempfunden. Der heutige Pariser Platz ist das historische Entrée zum Prachtboulevard Unter den Linden. Friedrich Wilhelm I ließ ihn 1734 bei der Erweiterung der Dorotheenstadt - die erste systematische und ab 1674 in orthogonalem Raster bebaute Stadterweiterung - durch Oberbaudirektor Philipp Gerlach von vornherein als ‘ Schmuckplatz ’ anlegen (cf. Welzbacher 2006: 120), der das Viertel mit prächtigen Palais nach Westen zum Tiergarten hin abschloss und mit einer funktionalen Toranlage (die später durch das von Carl Gotthard Langhans mit der Quadriga von Gottfried Schadow konzipierte Brandenburger Tor ersetzt wurde) den imposanten Eingang zur Stadt markierte, wo Staatsgäste mit militärischen Ehren und Glockengeläut empfangen wurden, eine architektonisch markante Referenz auf das französische Vorbild (cf. Schäche 1995: 520; Ziemssen 1888: 42). Hier wohnten wichtige Leute wie der Jurist und preußische Staatsminister Friedrich Karl von Savigny, der Der Alexanderplatz und das Erbe der Hugenotten 79 Komponist Giacomo Meyerbeer oder der Dramatiker August von Kotzebue, durch die sich der Platz “ mit Lebensart, Reichtum und Eleganz, Großbürgertum und einen Touch Bohème verband ” (cf. Nowel 2007: 136). Eines der Palais (am Pariser Platz 5) hatte im September 1860 der damalige französische Gesandte Prinz de La Tour d ’ Auvergne für die diplomatische Vertretung Frankreichs erworben; es wurde in der deutschen Hauptstadt schnell zu einer wichtigen Adresse nicht nur für den politischen Austausch, sondern auch für kulturelle und gesellschaftliche Ereignisse (cf. Savoy 2004: 13). Mit dem Einmarsch Napoleons tritt indes schnell Ernüchterung ein, das Vorbild wird Konkurrent. Politisch dreht sich der Wind, der Platz wird am 15. September 1814 umbenannt und sollte als Pariser Platz nunmehr an den antinapoleonischen Befreiungskrieg und den siegreichen Einmarsch der alliierten Armeen in die französische Hauptstadt im März des Jahres erinnern (cf. Geiger, Hennecke & Kempf 2006: 74; Gärtner 1995: 281). An diesem Knotenpunkt begegnen sich die Berliner aus verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen. In seinem 1887 in der Vossischen Zeitung vorab publizierten Roman Irrungen, Wirrungen (als Buch im Jahr darauf erschienen) hat Theodor Fontane das zugleich portraitiert und problematisiert: im 7. Kapitel geht der Protagonist Baron Botho von Rienäcker von der Allee Unter den Linden herkommend auf das Brandenburger Tor zu, um sich die Zeit bis zu einem Treffen seinem Onkel zu vertreiben: Unter solchen Betrachtungen stand er eine Zeitlang vor dem Lepkeschen Schaufenster und ging dann, über den Pariser Platz hin, auf das Tor und die schräg links führende Tiergartenallee zu, bis er vor der Wolfschen Löwengruppe halt machte. Hier sah er nach der Uhr. »Halb eins. Also Zeit.« Und so wandte er sich wieder, um auf demselben Wege nach den Linden hin zurückzukehren. Vor dem Redernschen Palais sah er Leutnant von Wedell von den Gardedragonern auf sich zukommen (Fontane [1888] 1990: 351). In der Struktur des Romans kommt dieser Kurzbeschreibung des Pariser Platzes insofern eine zentrale Bedeutung zu, als sich der adlige (aber mittellose) Offizier hier gegen die nicht standesgemäße Beziehung mit seiner Geliebten, der hübschen Schneiderin Lene, und für seine gesellschaftlich privilegierte Sphäre entscheidet. Fontane ‘ verortet ’ damit nicht zufällig seine verhaltene Kritik an den sozialen Standesgrenzen und der moralischen Hypokrisie seiner Zeit an einem urbanen Schauplatz, der zugleich die wilhelminische Gesellschaft und ihren weltpolitischen Anspruch spiegelt. Wilhelm I orientiert sich in seinem städtebaulichen Anspruch antifranzösischen Aufwallungen zum Trotz weiterhin an Paris mit seinen von Baron Eugène Haussmann konzipierten “ stolzen Straßenzügen ” (Huret 1911: 28). Huret empfiehlt freilich umgekehrt den Parisern eher die Orientierung an James Hobrecht, der zwar auch breite Straßen plant, aber der eben auch die soziale Durchmischung der bis heute gültigen Blockrandbebauung im Auge hat. Wilhelm I will den Reichstag größer als das Palais Bourbon, den Berliner Dom höher als den Dôme des Invalides, den Kurfürstendamm prächtiger als die Champs-Elysées, die Museen reicher als den Louvre. Seither ist “ der Berliner als solcher ” im Ausland nicht mehr zu beeindrucken: “ Ham ’ wer ooch, nur jrößer ” . Die Folgen der Hybris wurden allseits gründlich durchlitten, umso wichtiger ist die Besinnung auf die ursprüngliche wechselseitige städtebauliche Vorbildfunktion, von der Berlin bis heute profitiert. 80 Ansichten, Einsichten, Aussichten Von der einstigen Pracht ist nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg nicht mehr viel geblieben, ein Seitenflügel der Preußischen Akademie der Künste und die Ruine des Hotels Adlon (cf. Zohlen 1999: 123), die stolze Bezeichnung ‘ Empfangssalon ’ wurde nun nicht mehr verwendet. In den zahlreichen baulichen Veränderungen des Platzes spiegelt sich emblematisch deutsche Geschichte, aber das Brandenburger Tor blieb eine gewisse Konstante in dem Ensemble, das auch nach der sog. Wiedervereinigung 1990 zunächst ein eher trostloses Bild bot. Die Erinnerung an die martialischen Grenzanlagen und die Brachen nach dem Mauerfall sollte zügig getilgt werden, aber die Debatte, wie der Platz nun städtebaulich wiederaufgebaut werden sollte, zog sich hin und beschäftigte gut fünf Jahre lang die renommiertesten Architekten aus verschiedenen Ländern, die darüber stritten, ob und wie ein “ Dialog von Alt und Neu, von Vergangenheit und Zukunft ” baulich umzusetzen sei (Schäche 1995: 521). Auf der Grundlage einer historischen Analyse der ursprünglichen Raumgestalt des Ortes erstellten schließlich die Gutachter Bruno Flierl und Walter Rolfes einen Entwurf für die zukünftige Gestaltung des Pariser Platzes, der an die Vorkriegsform des geschlossenen Stadtplatzes anknüpfen, aber mit zeitgenössischer Bebauung flankiert werden sollte. Darin suchten sie unter Beibehaltung der historischen Proportionen das ausgewogene Verhältnis von Platzformat und Traufhöhe zu wahren. Nach der Entscheidung des Deutschen Bundestages 1991, Berlin wieder zum Regierungssitz zu machen, zögerte die französische Regierung nicht lange und ließ die neue Botschaft nach den Plänen des französischen Architekten Christian de Portzamparc an derselben historischen Stelle wie vor der Zerstörung des Platzes errichten, wo sie am 23. Januar 2003 feierlich eröffnet wurde (cf. Savoy 2004: 13). Das architektonische Konzept mit seinen zum Platz hin offenen Glasfenstern verbindet elegante Modernität mit administrativer Funktionalität und passt sich harmonisch in das Gesamtkonzept des neu gestalteten Platzes ein. Ob er nun wieder zum ‘ Empfangssalon ’ der Stadt werden kann? Dass er Berliner wie Besucher in Scharen anzieht, mag ein gutes Zeichen sein. Der Alexanderplatz und das Erbe der Hugenotten 81 9 Leer-Zeichen - Die ‘ Mauer ’ im Gedächtnis der Literatur Statt eines Schlusswortes Abstract: Instead of a conclusion, the following chapter traces a void left by the central landmark of European division and the ideological system competition between East and West in Berlin: for almost a generation, a wall erected on August 13, 1961 and only surmountable at acute risk to life divided the city, but even after its ‘ fall ’ on November 9, 1989, its rapid disappearance and after another generation, the consequences of division have still not been completely overcome. The Wall may have been erased in terms of urban planning, but it still has an effect on people ’ s minds today. On the basis of four selected works - Zafer Ş enocak ’ s Gefährliche Verwandtschaft, Thomas Brussig ’ s Sonnenallee, Inka Parei ’ s Schattenboxerin and Katja Lange-Müller ’ s Böse Schafe - the controversial findings are discussed that despite all the euphoria about ‘ the turnaround ’ , the transformation of the death strip first into a wasteland and then into the hectic filling of the void has triggered a strange phantom pain among not a few authors as timediagnostically sensitive seismographs of social ruptures, the political anamnesis and therapy of which is still pending. Zusammenfassung: Statt eines Schlusswortes spürt das folgende Kapitel den Spuren einer Leerstelle nach, die das zentrale Wahrzeichen der europäischen Teilung und die ideologische Systemkonkurrenz zwischen Ost und West in Berlin hinterlassen hat: für fast eine Generation lang spaltete eine am 13. August 1961 errichtete und nur unter akuter Lebensgefahr überwindbare Mauer die Stadt, aber auch nach deren ‘ Fall ’ am 9. November 1989, ihrem schnellen Verschwinden und nach einer weiteren Generation sind die Folgen der Teilung noch immer nicht gänzlich überwunden. Die Mauer mag städtebaulich getilgt worden sein, in den Köpfen der Menschen wirkt sie heute noch nach. Anhand von vier exemplarisch ausgewählten Werken - Zafer Ş enocaks Gefährliche Verwandtschaft, Thomas Brussigs Sonnenallee, Inka Pareis Schattenboxerin und Katja Lange-Müllers Böse Schafe - wird der kontroverse Befund diskutiert, dass aller Euphorie über ‘ die Wende ’ zum Trotz die Verwandlung des Todesstreifens erst zur Brache und dann zur hektischen Füllung der Leere unter nicht wenigen Autoren als zeitdiagnostisch sensiblen Seismographen gesellschaftlicher Bruchstellen einen merkwürdigen Phantomschmerz ausgelöst hat, dessen politische Anamnese und Therapie noch aussteht. Keywords: The Berlin Wall, shooting order, commemoration of the Wall ’ s victims, remembrance through memorials, remembrance in the medium of literature, East Side Gallery, Zafer Ş enocak ’ s “ Gefährliche Verwandtschaft ” , Thomas Brussig ’ s “ Sonnenallee ” , Inka Parei ’ s “ Schattenboxerin ” , Katja Lange-Müller ’ s “ Böse Schafe ” Schlüsselbegriffe: Die Berliner Mauer, Schießbefehl, Gedenken der Mauertoten, Erinnerung durch Mahnmale, Erinnerung im Medium der Literatur, East Side Gallery, Zafer Ş enocaks “ Gefährliche Verwandtschaft ” , Thomas Brussigs “ Sonnenallee ” , Inka Pareis “ Schattenboxerin ” , Katja Lange-Müllers “ Böse Schafe ” 9.1 Der Riss Über 28 Jahre lang (vom 13.08.1961 bis 09.11.1989) ging ein Riss mitten durch Berlin: ein Todesstreifen teilte die Stadt, eine Mauer trennte die Einwohner in hüben und drüben, und wer von Osten nach Westen wollte, musste gewärtigen, erschossen zu werden. 1961 wurde die Mauer errichtet, dreißig Jahre später war sie so gut wie verschwunden, weitere dreißig Jahre später sucht man nach ihren letzten Spuren, wenn es der vielen Toten zu gedenken gilt, die ihr Leben ließen beim verzweifelten Versuch, den “ antifaschistischen Schutzwall ” zu überwinden (so die zynische Bezeichnung des SED-Propagandachefs Horst Sindermann für die “ Grenzbefestigungsanlage ” , mit der die DDR ihre Bürger an der Flucht zu hindern suchte). Nach wie vor gilt die Mauer als Symbol der deutschen Teilung, auch wenn nur noch drei kurze Fragmente davon am Originalstandort erhalten sind (cf. Schulte 2011). Tatsächlich wollte man in der ersten Euphorie mit der Teilung zunächst rasch auch deren Spuren tilgen, es galt, zügig eine klaffende Lücke zu schließen, eine Wunde zu heilen, die so viele Opfer gefordert hatte. Der breite Grenzstreifen wurde zur riesigen Brache, die reichlich Raum bot für Ideen zu ihrer Bebauung, Nutzung und Entwicklung. Nicht alle Pläne können im Rückblick als gelungen gelten, manche Projekte hätte man vielleicht lieber so nicht umgesetzt, und mit zunehmendem zeitlichen Abstand wurde auch die Forderung lauter, Teile der Mauer zu erhalten, um sie nicht dem Vergessen anheimzugeben, sondern für spätere Generationen zur Mahnung und Erinnerung bestehen zu lassen. Endlose Debatten entzündeten sich an der Frage einer angemessenen Form des Gedenkens, eine Senatskommission sollte schließlich ein Konzept dafür entwickeln, Gedenkstätten wurden Abb. 53: Gedenktafel Maueropfer Ebertstraße nahe Reichstag, Berlin Tiergarten Der Riss 83 eingerichtet, Ausstellungen eröffnet, Dokumentationen erstellt, Führungen veranstaltet, Vereine gegründet, Kreuze errichtet, Bücher geschrieben, die inzwischen Bibliotheken füllen. Ein Mauerweg zeichnet als Rad- und Fußweg den 160 km langen Grenzverlauf rund um die einstige Enklave ‘ Westberlin ’ nach und zieht viele Besucher an, die mit Infostelen und Texten in mehreren Sprachen über die deutsche Teilung informiert werden. Zahlreiche Mahnmale erinnern an die an der Grenze erschossenen Flüchtlinge (Abb. 53). Auch 30 Jahre nach ihrem ‘ Fall ’ sorgt die Mauer noch immer für Diskussionen in der Stadt. Immer wenn irgendwo ein Bauherr Mauerreste entfernen lässt, um an der Stelle Wohn- oder Geschäftshäuser zu bauen, muss er mit Protesten rechnen. So erregte es international Aufsehen, als im März 2013 Tausende gegen den Teilabriss der inzwischen weltberühmten East Side Gallery demonstrierten, jene mit Graffiti bemalte Mauerzeile, die nach dem Willen eines geschichtsvergessenen Investors am Ufer der Spree einem Hochhaus mit Hotel und Luxuswohnungen weichen sollte (Rogalla 2013). Man hat dann irgendwann einen Kompromiss gefunden, um sowohl den Interessen des Investors als auch denen der Berliner am Erhalt dieses einzigartigen Dokuments der deutschen Teilung gerecht zu werden. Bis heute wirken die Ensembles von Mauerresten, Mauerweg und Mahnmalen als Symbol der Hoffnung auf eine Überwindung des Kalten Krieges, eine Hoffnung, die angesichts der politischen Systemkonkurrenzen gerade wieder zu schwinden droht, aber auch wachzuhalten ist als Zeichen der gebotenen Erinnerung an eine Epoche, die so viele Familien entzweite und unendliches Leid über zahllose Menschen brachte. In Zeiten neuer DDR-Nostalgien und Versuche der Verharmlosung eines menschenverachtenden Regimes kann auch bei wachsendem zeitlichen Abstand gar nicht nachdrücklich daran erinnert werden, zumal wenn die baulichen Zeichen der ideologischen Spaltung der Stadt in antagonistische Räume überschrieben werden durch neue Bedeutungen, sei es in der Umfunktionierung des Mauerrests zur Kunstkulisse wie im Falle der East Side Gallery, sei es Abb. 54: Berlin mit und ohne Mauer, ein Fotovergleich der Berliner Morgenpost v. 06.08.2021 84 Leer-Zeichen - Die ‘ Mauer ’ im Gedächtnis der Literatur in der Neubebilderung historischer Entzweiung durch das musealisierende Zitat preußischer Einheit. Die Ambivalenz dieser Entwicklung verdichtet sich in der Frage Aleida Assmanns, wie viel in Berlin von der geteilten Stadt erhalten und damit in der Erinnerung der Bevölkerung überhaupt präsent bleiben soll: Durch Selektion bestimmter Epochen, die durch plakative Leitbilder vermittelt werden, entstehen auf dem Wege der Rekonstruktion neue museale Zonen zeitlicher Homogenität, die die gewachsene Heterogenität der Stadt in eine immer einheitlichere historische Kulisse verwandeln. Architektonische Rekonstruktionen dürfen nicht dazu führen, dass auf Kosten anderer Zeitschichten (wie der DDR) ein harmonisiertes preußisches Epochenbild geschaffen wird (Assmann 2009: 26). 9.2 Zafer Ş enocaks Gefährliche Verwandtschaft und Thomas Brussigs Sonnenallee “ Wie es wirklich war ” , das lehrt paradoxerweise am genauesten die Fiktion. Die Mauer mag verschwinden, die Erinnerung daran verblassen, im Medium der Literatur bleibt sie ‘ aufgehoben ’ . Die Menschen in Berlin würden sich nicht lange mit den “ alten Geschichten ” aufhalten, sie lebten mit dem Blick nach vorn, meint der Protagonist Sascha Muhteschem in Zafer Ş enocaks Gefährliche Verwandtschaft, so werde “ auch die Mauer bald vergessen sein ” ( Ş enocak 1998: 71). Ihr unverhofftes Verschwinden führt zu ambivalenten Empfindungen, einerseits bietet der neue freie Raum auch neue ‘ Freiräume ’ in des Wortes schönem Doppelsinn, andererseits fehlt etwas, woran man sich gewöhnt, womit man sich arrangiert hatte: Für eine Stadt, deren Mitte komplett neu gestaltet wird, bricht eine neue Zeit an. Menschen stellen sich immer gegen Zeitenwechsel. Sie haben dabei das Gefühl, als würde ihnen der Boden unter den Füßen entgleiten. Bei einem Zeitenwechsel wird man entweder neu geboren oder hat das Gefühl, dass die eigene Zeit abgelaufen ist. Ein tiefer Riss geht durch die Gesellschaft ( Ş enocak 1998: 70). Die Diagnose erweist sich heute angesichts der Erfolge populistischer Bewegungen und reaktionärer Parteien im Osten als aktueller denn je. Wie schnell war der Jubel vom 9. November 1989 verstummt, das Hochgefühl verflogen, ein vereintes Deutschland war geboren, aber “ die Zahl derer, die sich die Mauer zurückwünschten, stieg von Tag zu Tag ” ( Ş enocak 1998: 33) - aus je unterschiedlichen Gründen übrigens in den linken Milieus des Westens ( “ Preußens Gloria! ” ) und den neurechten Resten der SED-Kader im Osten (Schutz und Schirm der Partei). Die “ Schutzhaut ” , die vor dem Unbekannten schützte, war plötzlich abgefallen, eine neue Identität noch nicht gefunden: Identität ist zum Ersatzbegriff für Geborgenheit geworden. Es war als hätte der Fall der Mauer, der Zusammenbruch der alten Ordnung, nicht nur eine befreiende Funktion gehabt. Ohne Mauer fühlte man sich nicht mehr geborgen ( Ş enocak 1998: 47). Ob dieses Gefühl des Unbehaustseins in der unversehens entgrenzten Weite der Welt die Menschen nach neuer Zugehörigkeit suchen ließ? Nach heimeliger Wir-Nähe im zugigen Raum neuer Unübersichtlichkeiten? Nach deutsch-nationaler Identität als schützendem Kokon gegenüber ‘ fremden ’ Menschen und Mächten? Für Yasemin Day ı o ğ lu-Yücel scheint der Wegfall einer physischen Grenze eher die Sehnsucht nach einer psychischen genährt zu haben: Zafer Ş enocaks Gefährliche Verwandtschaft und Thomas Brussigs Sonnenallee 85 Obwohl die Mauer eigentliche Komplexität im Sinne von kultureller Vielfalt und Austausch zwischen ‘ Ost ’ und ‘ West ’ unterminierte und die Öffnung dieser Grenze eben diese Vielfalt im Sinne einer multikulturellen, multikonfessionellen und multipolitischen Gesellschaft begünstigt hätte, geschieht - folgt man der Gefährlichen Verwandtschaft und auch den Debatten um verstärkten Nationalismus nach 1989/ 90 - das genaue Gegenteil (Day ı o ğ lu-Yücel 2005: 94). Für Sascha Muhteschem, der den Mauerfall ‘ verpasst ’ hat, weil er zu der Zeit im Ausland lebt, wird die neue Lage jedenfalls zum Impuls, sich seiner komplexen Identität neu zu versichern, indem er seiner Herkunft nachspürt und die neue Offenheit auch als Befreiung anzunehmen lernt. Von der Sonnenallee im Berliner Bezirk Neukölln war im Zusammenhang mit signifikanten ‘ Sprachlandschaften ’ bereits kurz die Rede (s. o. Kap. 3, Abb. 14), sie gilt heute als die “ arabische Straße ” Berlins schlechthin, in der nach der Schätzung der ehemaligen Neuköllner (und neuen Berliner) Bürgermeisterin Franziska Giffey über 90 % aller Geschäfte in arabischer Hand sind (Küpper 2016). In den Nachrichten kommt die Straße vornehmlich als ‘ Problem ’ ins Bild, wenn wieder einmal jüdische Menschen attackiert wurden oder Verkehrsrowdys Passanten erschrecken oder die kriminellen Großfamilien der berüchtigten Berliner Clans gewaltsam ihre Revieransprüche geltend machen (cf. Sundermeier 2016). Ihren heutigen Namen erhielt die anlässlich des Todes von Kaiser Friedrich III nach ihm benannte 1920 Straße bei der Eingliederung der Gemeinde Rixdorf in die Stadt Berlin. Kaum kamen die Nationalsozialisten an die Macht, wurde die inzwischen ausgebaute Sonnenallee nach dem Geburtsort Adolf Hitlers in Braunauer Straße umbenannt, viele der jüdischen Anwohner wurden nach Auschwitz deportiert und ermordet. Nach dem Krieg bekam sie schnell wieder ihren früheren Namen (cf. Hildebrandt 2020). Kaum etwas erinnert hier mehr daran, dass diese einstige Flaniermeile dann ab 1961 geteilt war in ein westliches und östliches Stück, getrennt durch Mauer und Todesstreifen. Eine Reihe mit ein paar Pflastersteinen, eine kleine in den Boden eingelassene Tafel, zwei Fernrohre als Zeichen für die einst allgegenwärtige Überwachung durch die Grenzpolizisten der DDR. Das war ’ s. Nach markanteren Spuren der Teilung sucht der Flaneur vergebens. Die findet er stattdessen zuhauf in Literatur und Film. Der Regisseur Leander Haußmann drehte 1999 eine lockere Komödie mit dem Titel Sonnenallee über eine im Schatten der Mauer lebende Clique Ostberliner Jugendlicher, zu der er mit Thomas Brussig und Detlev Buck auch das Drehbuch schrieb. Brussig erweiterte das Skript zu einem Roman, den er noch im selben Jahr unter dem Titel Am kürzeren Ende der Sonnenallee im Verlag Volk und Welt herausbrachte. Thomas Jung liest den aufgrund seiner nostalgischen Verklärung der DDR-Realität nicht unumstrittenen Roman als Gedächtnisort der Zeitenwende: Abseits von den innerstädtischen Zentren der Macht gelegen, gilt die Sonnenallee weniger in der Topografie der Großstadt als ein Erinnerungsort an die deutsche Teilung als vielmehr in der durch den Roman Am kürzeren Ende der Sonnenallee [. . .] geschaffenen kollektiven Erinnerung an die späten Jahre und den schließlichen Untergang der DDR. Die Rede von der Sonnenallee - die vielmehr das literarische [. . .] Abbild eines fiktiven Ortes in der grenznahen ostdeutschen Provinz als den realen Grenzübergang evoziert - hat einen über den spezifischen Ort hinaus gültigen Erinnerungsraum geschaffen ( Jung 2006: 276). 86 Leer-Zeichen - Die ‘ Mauer ’ im Gedächtnis der Literatur Die Wirklichkeit des Lebens im Schatten der Mauer gerät in diesem harmlosen, vielleicht auch verharmlosenden Mikrokosmos der “ scheinbar idyllischen Enklave ” kaum in den Blick (Dubrowska 2010: 335); die jungen Leute blenden Schießbefehl und Todesstreifen aus ihrem Alltag aus: “ Wenn in aller Heimlichkeit die Mauer geöffnet worden wäre, hätten die, die dort wohnten, es als allerletzte bemerkt ” (Brussig 1999: 137), behauptet der auktoriale Erzähler, was eine wohl doch allzu arglose Sicht der Lage suggeriert. Seine Jugendlichen machen sich lustig über die westlichen Besucher einer Aussichtsplattform, die mit leichtem Grusel einen halb spöttischen, halb mitleidigen Blick über die Mauer auf die “ Zonis ” werfen, die sich ihrerseits einen Spaß daraus machen, den Westlern eine Show zu bieten, um deren Ressentiments zu entlarven. Sobald sich ein Bus mit westlichen Touristen nähert, “ rannten Mario und Micha auf den Bus zu, streckten die Hände bettelnd vor, rissen die Augen auf und riefen: ‘ Hunger! Hunger! ’” (Brussig 1999: 42). Die schockierten Besucher photographieren solche Szenen, was sogleich von der Westpresse aufgegriffen wird, die sich scheinheilig über die “ Not im Osten ” sorgt. Die Jungen stellen weder die Existenz noch den Zweck der Mauer in Frage, sie ist einfach da, nur im Alltag gelegentlich etwas lästig wegen der ständigen Ausweiskontrollen, die sie als Bewohner des Grenzgebiets über sich ergehen lassen müssen. Nur einmal scheint die von ihr ausgehende Gefahr kurz auf, als Michael und sein Freund Wuschel einen leider auf den Todesstreifen gewehten vermeintlichen Liebesbrief mit einem Staubsauger zu bergen versuchen. Die Grenzwächter eröffnen sofort das Feuer auf Wuschel, den nur eine unter seiner Jacke verborgene Schallplatte der Rolling Stones rettet, welche die für ihn bestimmte Gewehrkugel ablenkt. Das reale Grauen wird hier als Slapstick inszeniert, aber weiter nicht thematisiert, geschweige problematisiert. Nur Marios Freundin, die sich für den Existenzialismus interessiert, wagt einmal Kritik und erlaubt sich die träumerische Phantasie, dass die Mauer dereinst verschwinden werde, was freilich für Mario “ ungeheuerlich ” ist: “ das überstieg alles Vorstellbare ” (Brussig 1999: 76). Auch hier also, ähnlich wie bei Ş enocak, eine eher unkritische Affirmation bestehender Verhältnisse, in deren überschaubarer Enge man sich eingerichtet und es sich gemütlich gemacht hat, eine teils konservativ regressive, teils nostalgisch verklärende Haltung, die vielleicht nicht den beiden Autoren anzulasten ist, aber die auch dreißig Jahre nach der Wende bei vielen, die im Osten oft eher zu den Profiteuren des autoritären Systems gehörten, noch immer verbreitet scheint und sich etwa im zunehmend demokratieskeptischen Wählervotum für populistische und rechtsreaktionäre Parteien niederschlägt. 9.3 Inka Pareis Schattenboxerin und Katja Lange-Müllers Böse Schafe Im selben Jahr wie Brussigs Sonnenallee erscheint auch Inka Pareis schnell erfolgreiches Debüt Die Schattenboxerin, der als ‘ Berlin-Roman ’ von der Kritik überwiegend wohlwollend aufgenommen wird und in dem die Teilung der Stadt ebenfalls ein zentrales Motiv ist, auch wenn die Mauer selbst zwar nur indirekt thematisiert, aber doch zum Schauplatz einer individuellen Gewalterfahrung der Ich-Erzählerin wird. Eine Brache im Grenzgebiet am Görlitzer Bahnhof wird hier zur trostlosen Kulisse einer Vergewaltigung, die das Opfer so traumatisiert, dass sie sich von der Außenwelt abschottet: Inka Pareis Schattenboxerin und Katja Lange-Müllers Böse Schafe 87 An manchen Tagen scheint mein Leben von der Zimmertür bis zur Balkonbrüstung zu reichen, an anderen nur bis zu den Kanten der Matratze. Hin und wieder endet es an der Stelle, wo mein Körper das Ende seiner physischen Ausdehnung erreicht hat. Ich ahne, dass es vielleicht möglich wäre, sich noch weiter zu minimieren, nach innen hinein, aber an diesem Punkt überfällt mich Angst, und ich stehe auf (Parei 1999: 113). In der Kritik wurde eine Parallele gezogen zwischen der Verletzung des urbanen Raums durch die Mauer, die brutal eine Schneise durch seine Mitte schlägt, und der des Körpers der Protagonistin durch die physische Gewalt, die ihr widerfuhr. Umgekehrt deutet Dörte Bischoff (2005: 125) vielmehr den Fall der Mauer als Verletzung des zuvor als intakt gedachten status quo - nun ja, immerhin wird die Parallelisierung von Körper und urbanem Raum in beiden Perspektiven bemüht. Etwas bemüht scheint mir auch ihr Versuch, die Angst vor der Vergewaltigung insofern zugleich metaphorisch auf den ‘ Schutzwall ’ zu beziehen als “ zumindest ihr Ost-, in gewisser Weise aber auch der Westteil, durch die Mauer vor dem Eindringen des Anderen, Fremden, Bedrohlichen geschützt werden sollte ” (Bischoff 2005: 126). Gemeinsam ist dabei der Protagonistin wie der Stadt ihre Isolation, mit der sich die eine vor der Außenwelt verschließt und die andere sich als Ostteil vom Westteil abkapselt, der seinerseits als vom Westen Deutschlands abgeschnittene Enklave am Tropf der ehedem ‘ rheinischen Republik ’ hängt. Ihre selbstgewählte Isolation überwindet die Protagonistin erst nach der Wende durch ihren Umzug in den Ostteil der Stadt. Die neue Nachbarin ihrer Wohnung wirkt schon rein äußerlich wie eine Doppelgängerin der Ich-Erzählerin. ‘ Hell ’ und ‘ Dunkel ’ , wie die beiden Figuren ein wenig plakativ genannt werden, sind die letzten Mieter eines ehemals jüdischen Hauses, einander ähnlich und doch fremd wie die gegenüberliegenden Wohnungen, die als Metapher für die beiden Teile der Stadt verstanden werden können. Dass ‘ Hell ’ und ‘ Dunkel ’ am Ende zusammenziehen, wurde als Auflösung der Spaltung gelesen, als Verschmelzung zweier Figuren, als Vereinigung zweier (Stadt-)Teile zu einem Ganzen (cf. Meise 2005: 135). Vielleicht eine etwas zu versöhnliche Lesart angesichts fortdauernder, immer wieder auflebender Spannungen und der immer noch offenen Frage, wann endlich hier “ zusammenwächst, was zusammengehört ” , wie Willy Brandt einst hoffte. Auch in Katja Lange-Müllers schmalem Berlin-Roman Böse Schafe stehen zwei Protagonisten für die geteilte Stadt, sie liegen “ nicht Seite an Seite, dennoch Kopf an Kopf ” auf verschiedenen Matratzen, die Ich-Erzählerin Soja, die aus Ost-Berlin geflohen ist, und Harry, der West-Berliner, beide gelernte Schriftsetzer, beide mit dem Nachnamen Krüger, beide einer Sucht verfallen (im Westen mit Heroin, im Osten mit Alkohol und Nikotin assoziiert), beide mit der Erfahrung der Unfreiheit, sei ’ s im Gefängnis wie Harry, Junkie und HIV-positiv, sei ’ s eingemauert in einem Land, aus dem es nur schwer ein Entrinnen gab. Einander fern durch getrennte Entwicklung und dennoch ein Paar: Zwischen deiner und meiner Kindheit, Pubertät, Jugend [standen] außer etlichen Ruinen, Häusern, Bäumen, Sträuchern, Grasnarben noch Mauer, Panzersperren und nervös, nach Orden, Prämie, Sonderurlaub gierende Grenzer, die mit dafür gesorgt hatten, dass uns mehr unterschied als bloß das Geschlecht (Lange-Müller 2009: 28). Als die Mauer fällt, liegt Harry als Aids-Kranker in der Klinik, Sonja flieht erneut in die Fremde, weil sie sich fremd fühlt im neuen Berlin. Kaum dass das ummauerte Westberlin 88 Leer-Zeichen - Die ‘ Mauer ’ im Gedächtnis der Literatur dank Harry ihr Zuhause hätte werden können, löst es sich auf, der schöne Harry verfällt, sie bleibt allein, ungeschützt, und geht fort, “ [. . .] weil ich nicht zu Hause sein wollte, wenn sich beides auflöste, mein Ost- und unser Westberlin, hatte befürchtet, dass ich mich ebenso auflösen und womöglich verschwinden würde ” (Lange-Müller 2009: 198). Die hier ausgewählten literarischen Texte scheinen eine Leerstelle zu spüren, wo eine Mauer einst vermeintlich Sicherheit bot, fast ist es, als vermissten die Autoren etwas, als sehnten sie sich zurück in die Zeit der Übersichtlichkeit des Gewohnten und weiter nicht Hinterfragten, als fürchteten sie die neue Offenheit, als irritierte sie das Fremde der plötzlichen Veränderung, als misstrauten sie den Fremden, die aus aller Welt in die Stadt strömen und das berlinisch grau Vertraute kosmopolitisch bunt werden lassen. Dies erscheint als ein ebenso bemerkenswerter wie merkwürdiger Befund in einer sich politisch als eher links-alternativ definierenden Berliner Literaturszene, die bewahren zu wollen scheint, was endlich überwunden werden konnte: die Mauer, die ein Ganzes zerschnitt in einander zunehmend entfremdete Teile. Inka Pareis Schattenboxerin und Katja Lange-Müllers Böse Schafe 89 10 Verzeichnis der Abbildungen Abb. 1: Terminal des Flughafens 1923: www.tempelhoferfreiheit.de [03.03.2012] Abb. 2: Albert Speers Tempelhof-Modell 1935: Bundesarchiv R 4606/ 3793/ Nr. 1880, www.thf-berlin.de [21.05.2016] Abb. 3: ‘ The Big Open ’ oder ‘ Tempelhofer Freiheit ’ (A. Savin, WikiCommons, 2017) Abb. 4: Westteil des Tempelhofer Feldes als Wiese gemäß Entwurf der Bürgerinitiative “ 100 % Tempelhofer Feld ” : Michaelis-Merzbach 2014 Abb. 5: Westteil des Tempelhofer Feldes als randbebaute und naturgeschützte Freifläche gemäß Entwurf des Berliner Abgeordnetenhauses: Michaelis-Merzbach 2014 Abb. 6: Plan für das Flüchtlingscamp Flughafen Tempelhof: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin, 2016 (auch in: Berliner Morgenpost v. 29.01.2016: 9) Abb. 7: Raum über der Eingangshalle ( ‘ Hitlers Büro ’ ): Michael F. Mehnert 2009 (GDFL/ Creative Commons CC-BY-SA_3.0) Abb. 8: Notunterkünfte für Flüchtlinge im Hangar: rbb/ Mara Nolte 2015, www.tagesschau.de (© picture alliance / dpa / Bernd v. Jutrczenka) Abb. 9: Tempelhofer Visionen (Planung zur Parklandschaft, © Konzept Gross.Max für die IGA 2017) Abb. 10: Tempelhofer Visionen (Planung zur Parklandschaft, © Konzept Gross.Max für die IGA 2017) Abb. 11: Tempelhofer Hangar 2016 von außen: rbb/ Mara Nolte 2015, www.tagesschau.de (© dpa / bvj sab 2016) Abb. 12: Tempelhofer Hangar 2016 von innen: Hannibal Hanschke/ Reuters, Tagesspiegel v. 26.10.2015 (© Hannes Koch 2015 / © dpa/ bvj sab 2016) Abb. 13: Sprachverteilung Kollwitzstraße in Prozent und als Kreisdiagramm (© Ernest Hess-Lüttich, Berlin & Maria Hofmann, Bern) Abb. 14: Geschäfte in der Neuköllner Sonnenallee (© Ernest Hess-Lüttich, Berlin) Abb. 15: Andere Sprachen in Prozent (© Ernest Hess-Lüttich, Berlin & Maria Hofmann, Bern) Abb. 16: Restaurantnamen (© Ernest Hess-Lüttich, Berlin & Maria Hofmann, Bern) Abb. 17: Mehrsprachigkeit (© Ernest Hess-Lüttich, Berlin & Maria Hofmann, Bern) Abb. 18: Politische/ r Werbung/ Protest (© Ernest Hess-Lüttich, Berlin & Maria Hofmann, Bern) Abb. 19: Andere Schriftsysteme (© Ernest Hess-Lüttich, Berlin & Maria Hofmann, Bern) Abb. 20: Pumpwerk für die Fontänenanlagen im Park Sanssouci Potsdam 1841/ 42: https: / / www.potsdam-abc.de/ verzeichnis/ objekt.php? mandat=4711 [21.05.2016] Abb. 21: Schwetzinger Schlossgarten: https: / / www.google.com/ search? q=schloss-schwetzingen.de [21.05.2016] Abb. 22: Moschee in Wünsdorf: http: / / www.spiegel.de/ fotostrecke/ moschee-wuensdorf-erstes-de utsches-gotteshaus-des-islam-fotostrecke-128071 - 5.html (© Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte / Kunstbibliothek, SMB, Photothek / Willy Römer) [21.05.2021] Abb. 23: Ahmadiyya-Moschee in Berlin Wilmersdorf: http: / / berlin.ahmadiyya.org/ photos/ berlinposter.pdf (© Landesdenkmalamt Berlin 2008; Axel Mauruszat 2009) Abb. 24: Die Zentral-Moschee in Köln-Ehrenfeld (© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons) Abb. 25: Plakate der SVP-Initiative für ein Verbot der Minarette in der Schweiz: Hess-Lüttich 2017 (© goal.ch) Abb. 26: Denkmal für die von den Nazis ermordeten Juden Europas (am Brandenburger Tor 2005): Landeszentrale für politische Bildung Berlin (K. Weisser; CC BY-SA 2.0 DE.) Abb. 27: Denkmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma (im Tiergarten 2012): ak analyse & kritik (akweb.de), de.wikipedia.org, Landeszentrale für politische Bildung Berlin Abb. 28: Stolperstein für Mahjub Bin Adam Mohamed: de.m.wikipedia.org (wikimedia commons; © Paul David Doherty; © OTFW 2012, Berlin, GNU Free Documentation License) Abb. 29: Micha Ullmans ‘ Bibliothek ’ : Mahnmal zur Bücherverbrennung Bebelpatz (© Charlotte Nordahl, Creative Commons 2.0 Generic Abb. 30 Eingang zum Eldorado Motz-/ Kalkreuthstraße 1931: Bundesarchiv, Bild 183-1983-0121-500 / CC-BY-SA 3.0 Abb. 31: Isherwood-Gedenktafel Motzstraße 17: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg Pressestelle (berlin.de) Abb. 32: Gedenktafel U-Bahnhof Nollendorfplatz: © Ernest Hess-Lüttich, Berlin Abb. 33: Denkmal für die ermordeten Homosexuellen im Tiergarten: de.wikimedia.de commons (© Elmgreen & Dragset 2008; © Times 2008, GNU Free Documentation License) Abb. 34: Schöneberger Mahnmale für die Aids-Opfer und HIV-Infizierten: Stele gegen das Vergessen von Bernhard Keller 2010 (© www.indulgenz.de/ stele-gegen-das-vergessen/ ) Abb. 35: Schöneberger Mahnmale für die Aids-Opfer und HIV-Infizierten (© aidshilfe.de; cf. Axel Schock: magazin.hiv/ magazin/ gesellschaft-kultur/ vom-grabmal-zum-denkmal/ ) Abb. 36: Regenbogen-Stele vor dem U-Bahnhof Nollendorfplatz: © regenbogenfonds.de Abb. 37: Kuppel des U-Bahnhofs Nollendorfplatz: © Ernest Hess-Lüttich, Berlin Abb. 38: Drei Zeichen für die Gay Community: © Ernest Hess-Lüttich, Berlin; Yannick Walthert, Bern Abb. 39: Schöneberger Gay Map der Siegessäule: Das queere Stadtmagazin (Druckversion) Abb. 40: Rainbow Flag an einem Reisebüro: © Ernest Hess-Lüttich, Berlin Abb. 41: Zeichen der schwulen Subkultur(en): © Ernest Hess-Lüttich, Berlin Abb. 42: Zeichen der schwulen Subkultur(en): © Ernest Hess-Lüttich, Berlin Abb. 43: Berliner Schloss nach der Reichsgründung: Album von Berlin, Globus Verlag Berlin 1904 Abb. 44: Das Schloss nach dem Krieg 1945: Förderverein Berliner Schloss e.V. Abb. 45: Palast der Republik (© ap; © Jörk Blobelt, 1986, CC BY-SA 4.0) Abb. 46: Palast der Republik 1987 (© dpa) Abb. 47: Berliner Schloss Westfassade (© SHF / Christoph Musiol) Abb. 48: Berliner Schloss Ostfassade (© SHF / Foto Zuschnitt: Christoph Musiol) Abb. 49: Freiheits- und Einheitsdenkmal nach dem Entwurf von Milla & Partner (© dpa/ Milla/ tagesspiegel) Abb. 50: Das Ephraim Palais im Nicolaiviertel einst und jetzt: Stadtmuseum Berlin (Reproduktion: Michael Setzpfandt; Photo: Oliver Ziebe) Abb. 51: Berliner Alexanderplatz um 1900, Blick nach Westen (aus: Lemmer 1980: 20) Abb. 52: Berliner Alexanderplatz nach 1990 (www.komoot.de/ smarttour/ ) Abb. 53: Gedenktafel Maueropfer Ebertstraße, Berlin Tiergarten (© CC BY-SA 3.0 Commons) Abb. 54: Berlin mit und ohne Mauer, ein Fotovergleich der Berliner Morgenpost v. 06.08.2021 <https: / / interaktiv.morgenpost.de/ berliner-mauer-damals-heute/ > [09.11.2021] Hinweis: Trotz gründlicher Recherche gelang es möglicherweise nicht in jedem Einzelfall, den/ die Rechteinhaber und Rechtsnachfolger ausfindig zu machen. Für den Fall, dass ein solcher Bezug übersehen wurde. bitte ich vorsorglich um Entschuldigung und um Kontaktaufnahme: Ernest W. B. Hess-Lüttich|Winterfeldtstr. 61 | D-10781 Berlin | Deutschland | hess-luettich@t-online.de Verzeichnis der Abbildungen 91 11 Bibliographie Albrechts, Louis & William Denayer 2001: “ Communicative Planning, Emancipatory Politics and Popstmodernism ” , in: Paddison (ed.) 2001: 369 - 384 Aly, Götz 2021: Das Prachtboot. Wie Deutsche die Kunstschätze der Südsee raubten, Frankfurt/ Main: S. Fischer Androutsopoulos, Jannis (o. J. 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Hess-Lüttich (*1949), Ordinarius emeritus (Germanistik: Sprachu. Literaturwiss.) Univ. Bern (CH) [1991 - 2014], Hon. Prof. (Allg. Linguistik) TU Berlin (D) [seit 2015], Hon. Prof. (German Studies) Stellenbosch Univ. (ZA) [2007 - 2017] u. University of Cape Town (ZA) [seit 2020], Gastprof. MHB Fontane (D) [seit 2016]; Dr. phil. (Philologien), Dr. paed. (Sozialwiss.), Dr. habil (Germanistik u. Allg. Linguistik), Dr. h. c. [Budapest 2009]; akad. Werdegang: Lektor in German London Univ. [1970 - 72], Wiss. Ass. Anglistik TU Braunschweig [1974 - 75], Wiss. Ass. Germanistik F U Berlin [1975 - 80], Priv. Doz. Dt. Philologie + Allg. Linguistik Bonn/ Berlin [1985 - 90], Full Prof. German Studies, Assoc. Prof. Comparative Literature, Research Fellow Semiotics IU Bloomington [1990 - 92]; Forschungsschwerpunkte: Diskursu. Dialogforschung (soziale, literarische, ästhetische, intermediale, interkulturelle, intra-/ subkulturelle, institutionelle, fachliche, öffentliche, politische, urbane Kommunikation); Publikationen: ca. 70 Bücher u. Editionen sowie ca. 400 Aufsätze; Monographien u. a. zur Dialoglinguistik, Kommunikation i. d. Literatur, Semiotik d. Dramas u. Theaters, Grammatik d. dt. Sprache, Literaturtheorie u. Medienpraxis, Urbane Sprachlandschaften; Herausgeberschaften: div. Zeitschriften u. Buchreihen, u.a. Kodikas/ Code. Int ’ l. Journ. of Semiotics u. Kodikas Supplement Series [seit 1979], Cross Cultural Communication [seit 1994], Zs. f. interkulturelle Germanistik [bis 2015]; Fachgesellschaften: Dt. Ges. f. Semiotik (Präsident, jetzt Ehrenmitglied), Ges. f. Angewandte Linguistik (Vizepräsident), Int ’ l. Assoc. of Dialogue Analysis (Vizepräsident), Ges. f. interkulturelle Germanistik (Präsident, jetzt Ehrenmitglied); Mitglied div. Advisory Boards u. Editorial Boards; Ehrenmitglied d. Ges. ungarischer Germanisten, Mitglied d. Wiss. Beirates d. ICLTT d. Österreichischen Akademie der Wissenschaften [bis 2016]; Gastprofessuren: München, Graz, Madison, Gainesville, Belo Horizonte, New York, Puerto Rico, New Delhi, Basel, Izmir, Bangkok, Stellenbosch, Melbourne, Ambon u. Visiting Scholar an ca. 20 weiteren Universitäten in Europa, Amerika, Afrika, Asien, Australien. K O D I K A S / C O D E Volume 42 (2019) · No. 1 Gunter Narr Verlag Tübingen Anschrift des Autors / Adress of Author Univ.-Prof. Prof. h. c. Dr. Dr. Dr. h. c. Ernest W. B. Hess-Luettich HonProf Technical University of Berlin Language and Communication Department Hardenbergstr. 16 - 18, D-10623 Berlin M: hess-luettich@campus.tu-berlin.de Ernest Hess-Luettich [Apr - Dec] Winterfeldtstr. 61, D-10781 Berlin M: hess-luettich@t-online.de Univ.-Prof. Prof. h. c. Dr. Dr. Dr. h. c. Ernest W. B. Hess-Luettich HonProf University of Cape Town School of Languages and Literatures Faculty of Humanities, Beattie Bldg. University Ave S, Rondebosch Cape Town, 7701, South Africa M: ernest.hess-luettich@uct.ac.za Ernest Hess-Luettich [ Jan - Apr] Suite 1104, The Piazza on Church Sq. 32, Parliament St., Cape Town 8000, ZA M: hessluettich@icloud.com Hinweise zur Gestaltung von Manuskripten Beiträge für die Zeitschrift KODIKAS/ CODE (ca. 10 - 30 S. à 2.500 Zeichen [25.000 - 75.000], Times od. Times New Roman 12., 1.5-zeilig, Rand 2 - 3 cm l/ r) sind dem Herausgeber in elektronischer Form (Word- oder rtf-Datei) und als Ausdruck auf Papier einzureichen. Abbildungen sind getrennt vom Text in reproduzierbarer Form (mind. 300 dpi, schwarzweiß) beizufügen. Nach dem Titel des Beitrags folgt der Name des Autors (der Autoren) mit Angabe das Dienstortes. Dem Text (in deutscher, englischer, französischer oder spanischer Sprache, ggfs. gegengelesen von native speakers) ist eine kurze Zusammenfassung (abstract) in englischer Sprache voranzustellen (1-zeilig petit 10.). Die Gliederung des Textes folgt dem Dezimalsystem (1, 2, 2.1, 2.1.1). Auf separatem Blatt sind ihm die Anschrift des/ der Verf. und eine kurze bio-bibliographische Notiz (3 - 5 Zeilen) beizufügen. Zitierweise In der Semiotik gibt es eine Vielzahl konkurrierender Zitierweisen, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Für KODIKAS wird hier eine in vielen Disziplinen (und anderen semiotischen Zeitschriften) international verbreitete Zitierweise empfohlen, die sich durch Übersichtlichkeit, Benutzerfreundlichkeit, Vollständigkeit der Angaben und Sparsamkeit der Zeichenökonomie auszeichnet. Wörtliche Zitate werden durch normale Anführungszeichen kenntlich gemacht ( “…” ). Wenn ein Zitat die Länge von drei Zeilen überschreitet, wird es links 0.5 eingerückt und 1-zeilig petit (11.) geschrieben: Ich bin ein Blindtext und bin blind geboren. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es bedeutet, ein blinder Text zu sein. Man macht keinen Sinn. Man wirkt hier und da aus dem Zusammenhang gerissen. Oft wird man gar nicht erst gelesen. Aber bin ich deshalb ein schlechter Text? Ich weiß, dass ich nie die Chance habe im SPIEGEL zu erscheinen. Aber bin ich darum weniger wichtig? Ich bin blind! Aber ich bin gerne Text. Und sollten Sie mich jetzt tatsächlich zu Ende lesen, dann habe ich geschafft, was den meisten “ normalen ” Texten nicht gelingt. Ich bin ein Blindtext und bin blind geboren … (Autor Jahr: Seite). Zitatbeleg durch Angabe der Quelle gleich im Text mit einer auf das Literaturverzeichnis verweisenden bibliographischen Kurzangabe (Autor Jahr: Seite): “ [ … ] wird für die Herstellung des Zaubertranks die Beigabe von Dracheneiern empfohlen ” (Gaukeley 2006: 387). Wenn das Zitat im Original über eine Seite hinausgeht, wird entsprechend ein “ f. ” (= folgende) an die Seitenzahl angefügt (387 f.). Alle Auslassungen und Hinzufügungen in Zitaten müssen gekennzeichnet werden: Auslassungen durch drei Punkte in eckigen Klammern [ … ], Hinzufügungen durch Initialien des/ der Verf. (EHL). Hervorhebungen werden durch den eingeklammerten Zusatz “ (Hervorh. im Original) ” oder “ (Hervorh. nicht im Original) ” bzw. “ (Hervorh. v. mir, Initial) ” gekennzeichnet. Wenn das Original einen Fehler enthält, wird dieser übernommen und durch ein “ [sic] ” (lat. so) markiert. Zitate innerhalb von Zitaten werden in einfache Anführungszeichen gesetzt ( “… ‘…’ …” ). Auch nicht-wörtliche Zitate (sinngemäße Wiedergaben, Paraphrasen) müssen durch Verweise gekennzeichnet werden: Auch Dracheneier werden für die Herstellung eines solchen Zaubertranks empfohlen (cf. Gaukeley 2001: 387). Gundel Gaukeley (2001: 387) empfiehlt den Gebrauch von Dracheneiern für die Herstellung des Zaubertranks. Objektsprachlich gebrauchte Wörter oder grammatische Formen werden kursiviert: “ Die Interjektion eiapopeia gilt als veraltet. ” Die Bedeutung eines sprachlichen Elementes steht in einfachen Anführungszeichen: “ Fähe bedeutet ‘ Füchsin ’ . ” Standardsprachlich inkorrekte Formen oder Sätze werden durch Asterisk gekennzeichnet: “ *Rettet dem Dativ! ” oder “ *der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. ” Fußnoten, Anmerkungen Auf Anmerkungen und Fußnoten wird im Text durch eine hochgestellte Zahl verwiesen: [ … ] verweisen wir auf Gesundheitsgefahren, die mit regelmäßigen Geldbädern einhergehen. 2 Vor einem Satzzeichen steht sie möglichst nur dann, wenn sie sich direkt auf das Wort unmittelbar davor bezieht (z. B. die Definition eines Begriffs angibt). Fußnoten (am Fuße der Seite) sind gegenüber Anmerkungen am Ende des Textes vorzuziehen. Fußnoten (Anmerkungen) werden einzeilig petit (10.) geschrieben, mit 1.5-zeiligem Abstand zwischen den einzelnen Fußnoten (Anmerkungen). Bibliographie Die Bibliographie verzeichnet alle im Text genannten Verweise. Bei Büchern und Editionen: Nachname / Komma / Vorname / ggfs. Herausgeber (ed.) / ggfs. Auflage als Hochzahl / Jahreszahl / Doppelpunkt / Buchtitel kursiv / ggfs. Punkt bzw. Satzzeichen / ggfs. Untertitel / Komma / Ort / Doppelpunkt / Verlagsname: Gaukeley, Gundel 2001: Das kleine Einmaleins der Hexerei. Eine Einführung, Blocksberg: Hexenselbstverlag Duck, Dagobert (ed.) 4 2000: Wie verdiene ich meine erste Phantastillion? Ein Ratgeber, Entenhausen: Disney Bei Aufsätzen in Zeitschriften oder Sammelbänden (dort ggfs. mit Kurzverweis auf einen eigenen Eintrag des Sammelbandes), wird der Titel in Anführungszeichen gesetzt, dann folgen die Angaben mit Seitenzahlen: Gaukeley, Gundel 1999: “ Verbesserte Rezepturen für Bombastik-Buff-Bomben ” , in: Vierteljahresschrift des Hexenverbandes 7.1 - 2 (1999): 27 - 41 Duck, Donald 2000: “ Wie leihe ich mir einen Taler? Praktische Tips für den Alltag ” , in: Duck (ed.) 4 2000: 251 - 265 Duck, Dagobert (ed.) 4 2000: Wie verdiene ich meine erste Phantastillion? Ein Ratgeber, Entenhausen: Disney Gibt es mehrere Autorinnen oder Herausgeber, so werden sie in der Reihenfolge aufgeführt, in der sie auch auf dem Buchrücken oder im Titel des Aufsatzes erscheinen, verbunden durch “ und ” oder “ & ” (bei mehr als drei Namen genügt ein “ et al. ” [für et alii ] oder “ u. a. ” nach dem ersten Namen). Dasselbe gilt für mehrere Erscheinungsorte, getrennt durch Schrägstriche (bei mehr als drei Orten genügt ein “ etc. ” ): Hinweise zur Gestaltung von Manuskripten 107 Quack, Primus von & Gustav Gans 2000: Untersuchungen zum Verhältnis von Glück und Wahrscheinlichkeit, Entenhausen/ Quakenbrück: Enten-Verlag Duck, Dorette und Daniel Düsentrieb (eds.) 1999: Ente, Natur und Technik. Philosophische Traktate, Quakenbrück etc.: Ganter Wenn ein Buch innerhalb einer Buchreihe erschienen ist, kann der Reihentitel und die Bandnummer hinzugesetzt werden: Duck, Tick et al. 2001: Ordens- und Abzeichenkunde für Fieselschweiflinge (= Schriftenreihe des Entenhausener Pfadfinderverbandes 13), Quakenbrück etc.: Ganter Duck, Tick u. a. 2001: Ordens- und Abzeichenkunde für Fieselschweiflinge, Quakenbrück usw.: Ganter (= Schriftenreihe des Entenhausener Pfadfinderverbandes 13) Auch sog. ‘ graue ’ Literatur - Dissertationen im Uni- oder Reprodruck ( “ Zürich: Diss. phil. ” ), vervielfältigte Handreichungen ( “ London: Mimeo ” ), Manuskripte ( “ Radevormwald: unveröff. Ms. ” ), Briefe ( “ pers. Mitteilung ” ) etc. - muß nachgewiesen werden. Innerhalb des Literaturverzeichnisses werden die Autor(inn)en in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Gibt es mehrere Veröffentlichungen derselben Person, so werden sie in chronologischer Reihenfolge aufgelistet (innerhalb eines Jahres mit Zusatz eines kleinen lateinischen Buchstabens zur Jahreszahl - entsprechende Angaben beim Zitieren im Text): Duck, Daisy 2001 a: “ Enten als Vorgesetzte von Erpeln. Einige Beobachtungen aus der Praxis ” , in: Entenhausener Zeitschrift für Psychologie 7.1 (2001): 47 - 67 Duck, Daisy 2001 b: “ Zum Rollenverständnis des modernen Erpels ” , in: Ente und Gesellschaft 19.1 - 2 (2001): 27 - 43 Internetquellen Zitate aus Quellen im Internet müssen stets mit vollständiger URL inklusive Transferprotokoll (http: / / oder ftp: / / etc.) nachgewiesen werden (am besten aus der Adresszeile des Browsers herauszukopieren). Da Angaben im Internet verändert werden können, muß das Datum des Zugriffs in eckigen Klammern hinzugesetzt werden. Handelt es sich um einen innerhalb eines eindeutig betitelten Rahmens (Blogs, Onlinezeitschriften etc.) erschienenen Text, so wird genauso wie bei gedruckten unselbständigen Arbeiten zitiert: Gans, Franz 2000: “ Schon wieder keinen Bock ” , in: Franz Gans ’ Untaten. Blog für Arbeitsscheue, im Internet unter http: / / www.franzgansuntaten.blogspot.com/ archives/ 00/ art07.htm [15.01.2009] Trägt die Website, aus der ein zitierter Text stammt, keinen eindeutigen Titel, so wird der Text ähnlich wie eine selbstständige Arbeit zitiert: Klever, Klaas (o. J.): Wer wir sind und was wir wollen, im Internet unter http: / / www.entenhausenermilliadaersclub.eh/ organisation/ index.htm [15.01.2009] Ist der Verfasser nicht zu identifizieren, so sollte stattdessen die jeweilige Organisation angegeben werden, die für die angegebene Seite verantwortlich zeichnet: Entenhausener Onlineportal (ed.) 1998: Einbruch bei Dagobert Duck. Panzerknacker unter Verdacht, im Internet unter http: / / www.eopnet.eh/ aktuell/ lokales/ 980315/ art21.htm [15.01.2009] 108 Hinweise zur Gestaltung von Manuskripten Instructions to Authors Articles (approx. 10 - 30 pp. à 2 ’ 500 signs [25.000 - 75.000] line spacing 1.5, Times New Roman, 12 pts) must be submitted to the editor both on paper and in electronic form (wordor rtf-file). Figures (graphics, tables, photos) must be attached separately (300 dpi minimum, black and white). The title is followed by name(s) of author(s), affiliation and location. The language of the text, preceded by a short summary (abstract) in English, must be German, English, French, or Spanish. The outline follows the decimal system (1, 2, 2.1, 2.1.1). On a separate sheet, the postal address(es) of the author(s), including e-mail address, and a short bio-bibliographical note (3 - 5 lines) is to be attached. Quotations Quotations are referred to in the text with author (year: page) and indicated by normal quotation marks “…” (author year: page), unless a quotation is more than three lines long, in which case its left margin is - 0.5, in single spacing and petit (11 pts): I am a blind text, born blind. It took some until I realised what it meant to be a blind text. One doesn ’ t make sense; one is taken out of context; one isn ’ t even read most of the times. Am I, therefore, a bad text? I know, I will never have a chance to appear in Nature or Science, not even in Time magazine. Am I, therefore, less important? Okay, I am blind. But I enjoy being a text. Should I have made you read me to the end, I would have managed what most of the ‘ normal ’ texts will never achieve! I am a blind text, born blind … (author year: page). The short bibliographical reference in the text refers to the bibliography at the end. All deletions and additions must be indicated: deletions by three points in square brackets [ … ], additions by initials of the author. If there is a mistake in the original text, it has to be quoted as is, marked by [sic]. Quotations within quotations are indicated by single quotation marks: “… ‘…’ …” . Paraphrases must be indicated as well: (cf. author year: page) or author (year: page). Foreign words (nota bene) or terms (the concept of Aufklärung) are foregrounded by italics, so are lexical items or grammatical forms (the interjection gosh is regarded as outdated); the lexical meaning is given in single quotation marks (Aufklärung means ‘ Enlightenment ’ ); incorrect grammatical forms or sentences are marked by an asterisk (*he go to hell). Footnotes (annotations) Footnotes are indicated by upper case numbers (as argued by Kant. 2 ). Footnotes at the bottom of a page are preferred to annotations at the end of the article. They are written in single spacing, with a 1.5 space between them. Please avoid footnotes for mere bibliographical references. Bibliography The bibliography lists all references quoted or referred to in alphabetical order. They should follow the form in the following examples: Short, Mick 2 1999: Exploring the Language of Poems, Plays and Prose, London: Longman Erling, Elizabeth J. 2002: “‘ I learn English since ten years ’ : The Global English Debate and the German University Classroom ” , in: English Today 18.2 (2002): 9 - 13 Modiano, Marko 1998: “ The Emergence of Mid-Atlantic English in the European Union ” , in: Lindquist et al. (eds.) 1998: 241 - 248 Lindquist, Hans, Steffan Klintborg, Magnus Levin & Maria Estling (eds.) 1998: The Major Varieties of English (= Papers from M AVEN 1997), Vaxjo: Acta Wexionensia No. 1 Weiner, George 2001: “ Uniquely Similar or Similarly Unique? Education and Development of Teachers in Europe ” , Plenary paper given at the annual conference, Standing Committee for the Education and Training of Teachers, GEC Management College, Dunchurch, UK, 5 - 7 October 2001, http: / / www.educ.umu.se/ ~gaby/ SCETT2paper.htm [accessed 15.01.09]. 110 Instructions to Authors BUCHTIPP Philippe Moser Linguistic Landscape als Spiegelbild von Sprachpolitik und Sprachdemografie? Untersuchungen zu Freiburg, Murten, Biel, Aosta, Luxemburg und Aarau 1. Auflage 2020, 366 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-8363-5 eISBN 978-3-8233-9363-4 Die Studie ist der geschriebenen Sprache im öffentlichen Raum gewidmet und bietet gleichzeitig eine kritische Auseinandersetzung mit den Methoden des als Linguistic-Landscape-Forschung bekannten Ansatzes. Gegenstand der Untersuchung sind die Linguistic Landscapes von Freiburg, Murten, Biel, Aosta, Luxemburg und Aarau. Im Wesentlichen wird die Frage behandelt, ob und in welchen Bereichen die Präsenz der betrachteten Sprachen und der Mehrsprachigkeit im öffentlichen Raum tatsächlich der aktuellen Sprachdemografie und Sprachpolitik entspreche. Dies wird anhand von quantitativen und qualitativen Analysen der insgesamt mehr als 5500 erhobenen Einheiten untersucht. Beantwortet wird gleichzeitig die Frage, inwiefern eine Methode der ausschliesslichen Betrachtung von Linguistic Landscapes Aussagen über Sprachdemografie und Sprachpolitik eines Territoriums zulasse. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de narr.digital Themenheft: Urban Semiotics: Zeichen-Landschaften und Streitgespräche im Stadt-Raum Berlins Von Ernest W.B. Hess-Lüttich 1 Berlin als ‘Text’. Ein interdisziplinärer Zugang 2 “The Big open” in Berlin - oder: “Die Tempelhofer Freiheit” 3 Sprachlandschaften. Vor-Zeichen der Gentrifizierung (Prenzlauer Berg) 4 Fremde in der Stadt? Anmerkungen zur Berliner Moschee-Debatte 5 Diskursformen des Erinnerns. Demnings ‘Stolpersteine’ als Zeichen urbaner Memorialkultur 6 Subkultur in Schöneberg. Ein Stadtviertel im Zeichen des Regenbogens 7 Die Schloss-Debatte. Vom Palast der Republik zum Humboldt-Forum 8 Ansichten, Einsichten, Aussichten. Probleme, Projekte, Perspektiven 9 Leer-Zeichen - Die ‘Mauer’ im Gedächtnis der Literatur ISBN 978-3-8233-0270-4