eJournals Kodikas/Code 24/1-2

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2001
241-2

Atomforschung und atomare Bedrohung

61
2001
Hans Krah
kod241-20083
KODIKAS / CODE Ars Semeiotica Volume 24 (2001) · No. 1-2 Gunter Narr Verlag Tübingen Atomforschung und atomare Bedrohung Literarische und (populär-)wissenschaftliche Vermittlung eines elementaren Themas 1946-1959 HansKrah Since the beginning of the "atomic age" atomic research and the nuclear threat are elementary subjects not restricted to special disciplines. A discussion about 'atomic possibilities' also takes place in literature .and popular science. The study will show the semantics and strategies conceming the atomic discourse given by these two media. The discourse as described in the study is temporarily limited to the very beginning ofpublic awareness in Germany from 1946 to late fifties. The relevance of this period ensues from the necessity of constructing available patterns to organize the discourse and make it possible to communicate about the new subject. Dem Resümee Salewskis (1995: 11) nach 50 Jahren Atomzeitalter: "Die Atombombe ist ein Stück Politik, vielleicht sogar Philosophie und Kultur, nicht jedoch ein Stück Krieg", ist insofern zuzustimmen, als die Atombombe auch und primär mit Ausnahme ihres frühen Einsatzes in Hiroshima und Nagasaki ein Phänomen des Denkens geblieben ist. 1 Dieses Denken bleibt aber nicht auf Spezialdisziplinen beschränkt. Gerade die Ausnahme des Beginns des Zeitalters, die Demonstration der Faktizität, macht die Atomforschung zum elementaren Thema und zum allgemeinen kulturellen Wissen. Atomare, wissenschaftliche Problematiken sind keine philosophisch-theoretischen Phänomene, die vom Alltag losgelöst in hochspezialisierten Nischen verhandelt würden; ihnen wird von Beginn an ein elementares Interesse über ein Fachpublikum hinaus zugestanden. Eine Auseinandersetzung und Diskussion dieser (atomaren) Möglichkeiten findet denn auch in primär medial-ästhetischen - Literatur - oder primär medial-didaktischen.,.. Populärwissenschaft - Diskursen statt, in denen die Bombe und ihr Umfeld, das atomare Wissen, verhandelt werden. Diese Texte die literarischen wie die populärwissenschaftlichen bedienen dieses Bedürfnis und dokumentieren gleichzeitig den jeweiligen historischen Stand, nicht nur den des Wissens im engeren Sinne, sondern auch den der Einstellungen zu diesem Wissen und den seiner kontextuellen Funktionalisierung. Im folgenden möchte ich die literarischen und populärwissenschaftlichen Strategien der Vermittlung in der unmittelbaren Zeitphase des Beginns des atomaren Diskurses resp. des Beginns seiner öffentlichen Wahrnehmbarkeit in Deutschland, von etwa 1946 bis 1959, nachzeichnen. Dieser Zeitraum ist als Etablierungszeitraum des Diskurses auch insofern von Bedeutung, als hier Anschauungen zu vermitteln sind, die noch keine Anschauungen sind, insofern Ende der 40er Jahre/ zu Beginn der 50er Jahre noch keine genuin eigene Sprache, keine genuin eigenen kulturellen Topoi und Bilder zur Verfügung stehen, die den Diskurs organisieren und über die Alltagskommunikation funktionieren, sich regeln könnte. Diesen Fundus gilt es erst zu entwickeln. 84 HansKrah In unterschiedlichem Maße wird dazu der Komplex Atomforschung narrativiert, wird zur Geschichte: Primär literarisch wird er als Motiv 'atomare Bedrohung' handlungsgenerierend und handlungsdetenninierend und über narrative Muster, Plotstrukturen und Lösungen zur Anschauung gebracht. Primär populärwissenschaftlich wird er zur Wissenschaftsgeschichte, die sich als spannende 'Expedition' in unbekannte Gebiete geriert. 1. Forschungen und Bedrohungen imAtomzeitalter sieben Geschichten In den literarischen Texten wird die narrative Verhandlung zumeist durch eine mehr oder weniger gravierende Katastrophe initiiert, 2 durch die daraus resultierende Bedrohung der Welt und die Suche nach Lösungsmöglichkeiten des Problems. Ich skizziere kurz die Plots einiger Texte, die das engere Korpus der folgenden Ausführungen bilden. 1. 1 In Raketenfahrt in die Urzeit. Ein phantastischer Zukunftsroman aus den letzten Tagen der Menschheit (1950) erkunden Prof. Lundholm und seine Crew mit dem Raumschiff Delphin als erste Menschen den Weltraum. Sie fliegen zunächst zur Venus und dann zum Mars, während auf der Erde der V ersuch unternommen wird, am Südpol ''mittels Atomgewalt die dort lagernden Eismassen zum Schmelzen zu bringen" (Brugg 1950: 156). Statt zur Landgewinnung führt diese Enteisung zu einer zweiten Sintflut, bei der die gesamte Erdbevölkerung umkommt und die die Erde unbewohnbar macht. Übrig bleiben nur Lundholm und seine Crew. Diese fliegen zurück zur Venus, auf der, da dort urzeitliche Verhältnisse herrschen, ein Überleben möglich ist. 1.2 In Helium (1949) wird die von Dr. Cziensky entwickelte Helium-Wasserstoff-Bombe getestet,3 da die Regierung sie als Machtmittel bei einem bevorstehenden Krieg einsetzen möchte. Prof Zweiholz(! ) warnt verzweifelt davor, kann den Test aber nicht verhindern. Mit Hilfe eines Flugkörpers wird die Bombe in die Luft geschossen, um dann über dem Pazifik zu detonieren. Zwei Beobachterschiffe, mit den Namen "Erinnya" und "Terpsichore", sollen die Durchführung aus gehöriger Distanz protokollieren. Das Experiment scheitert und scheitert nicht. Es scheitert, da die Bombe etwas vom Kurs abweicht und zwischen den beiden Schiffen landet. Es scheitert nicht, da die Bombe als Bombe funktioniert. Für die Besatzungen, aus deren Perspektive der Text die Ereignisse schildert, ist damit das definitive Ende vorgegeben. Das Problem bleibt aber kein lokal begrenztes. Der Atombrand droht sich unaufhaltsam auszubreiten und zu einem globalen zu werden. Der Text endet mit der Möglichkeit, dieses zu verhindern, eine Möglichkeit, die aber eine riesige, gemeinsame, d.h. übernationale Anstrengung erfordert (das Hundertfache einer Jahresproduktion Cadmium). 1.3 In Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... (1948) geht es um ein Attentat auf Amerika. Fünfzig Tonnen Uran werden gestohlen; ein Erpresser droht, damit Amerika in die Luft zu sprengen. Gekoppelt ist diese Ebene an den Forscher Phil Congrave. Dessen Vater ist vor einigen Jahren bei einem Experiment ums Leben gekommen, als er bei seinen Atomforschungen unvorsichtigerweise einen Atombrand heraufbeschwor und dabei eine ganze Insel ins Jenseits beförderte. Der Sohn forscht weiter, allerdings weiser. Er sprengt keine Inseln in die Luft, sondern entwickelt den Atommotor, den Inbegriff des Wünschenswerten (im Text). Atomforschung und atomare Bedrohung 85 Schließlich gibt es ein Happy-End; das Attentat auf Amerika kann gerade noch verhindert werden. 1.4 In Alarm aus Atomville (1956) entdecken der Reporter Anderson und der Uransucher Patrick O'Brien in Kanada durch Zufall Atomville: eine riesige unterirdische Versuchsanlage, in der, ausgehend und eingerichtet von den Vereinten Nationen und unter Aufsicht des Atom- Weltforschungsrates in Genf, auf allen erdenklichen Gebieten atomar geforscht wird. Chef von Atomville ist Prof. Omen. Anderson und O'Brien verpflichten sich, einige Jahre in Atomville zu bleiben. Hier experimentiert Prof. Omen mit "Homo Xl", den er mit Hilfe radioaktiver Bestrahlung zu einem Übermenschen schaffen will. Zur gleichen Zeit beteiligen sich Anderson und O'Brien an der Jungfernfahrt des Atom-U-Bootes 'Seedrache'. Sie fahren unter den Nordpol, tauchen in den Philippinen-Graben auf 11 000 Meter Tiefe, zünden dort eine Versuchsbombe und sind auf dem Weg zurück nach Atomville, als von dort schlechte Nachrichten kommen. Homo Xl hat das Kommando übernommen und droht der Welt mit Vernichtung. Doch dies stellt sich glücklicherweise als 'Bluff' heraus. Homo XI, der verschwundene Sohn von O'Brien und selbst Forscher, wollte damit beweisen und den Atom- Weltforschungsrat davon überzeugen und warnen, daß diese Experimente nicht machbar, da gefährlich, sind und sich keinem genuin wissenschaftlichem Interesse verdanken, sondern nur dem übersteigerten Ehrgeiz von Prof. Omen. 1.5 In Die Erde brennt (1951) ist nach einem verlorenen Krieg das Land Geranien(! ) verwüstet, und die wichtigen Einwohner, die Atomforscher, sind vori den Siegern in deren Länder geholt. So arbeitet Karl Davertshoven in Pelargonien, ohne zu wissen, daß der Rest seiner Familie, seine Tochter Elka und sein Vater Rudolf Davertshoven ebenfalls überlebt haben. Sein Vater wird in Dahlien, dem Gegner von Pelargonien, gezwungen, für die Kanzlei- Unionisten in Mesonsk Atomforschung zu betreiben. Grund, warum er sich dazu zwingen läßt, ist der Geiselstatus seiner Enkelin. Als diese flieht, er aber im Glauben gelassen wird, Elka sei bei der Flucht ums Leben gekommen, zündet er seine bereits vorbereitete Bombe. Mesonsk fliegt in die Luft, der Atombrand breitet sich aus, eine globale Katastrophe droht. Um der Ausweitung Herr zu werden, beschließt man, Atombomben auf den Brandherd zu werfen, um die Ausbreitung zu stoppen. Im letzten Moment und unter Aufopferung seines Lebens erkennt Karl Davertshoven, von dem dieser Plan stammt, daß dies genau das Gegenteil bewirken würde. Wie bereits Klaus Bender, der mit Elka geflohene Assistent seines Vaters, richtig erkannt hat, fällt der Atombrand von selbst zusammen, nachdem er ein Gebiet von ca. 1000 Kilometer im Durchmesser vernichtet hat (beschränkt auf das Gebiet der Sowjetunion, als die politisch und topographisch Dahlien eindeutig zu übersetzen resp. zu erkennen ist). 1.6 In ... und alle Feuer verlöschen auf Erden (1948) erfindet Habakuk Petromis den Permostaten, ein Gerät, das sowohl Hitze als auch Kälte erzeugen kann, ein Perpetuum mobile, wie der Name beinhaltet. Als Erfinder kümmert er sich aber nicht um die Auswertung seiner Forschung, um die Nutzung für die Menschheit. Dies übernimmt der Ingenieur Kay Phearsen, anstatt daß er, wie es ihm Petromis nahelegt, den Permostaten optimiert. Denn: Es fehlt die dritte Wirkung, Elektrizität. Die geschäftliche Ausnutzung scheitert am Widerstand der Kohle- und Öl-Lobbyisten einerseits und aus privaten Gründen andererseits, da der Vater 86 HansKrah seines Geldgebers den Geldhahn zudreht. Kay gerät in Konflikt mit dessen Schwester der einzigen, geliebten und verwöhnten Tochter des Vaters - Sumi, die nach einem Zerwürfnis verschwindet. Dafür macht der Vater Kay verantwortlich. Nach seinem wirtschaftlichen Ruin besinnt sich Kay aufWissenschaft und Forschung, er experimentiert mit dem Permostaten, bis er schließlich die dritte Wirkung findet. Gleichzeitig und unabhängig davon experimentiert auch Sumi mit dem Permostaten, um die dritte Wirkung zu finden; ihr gelingt dies aber nicht richtig. Statt den Permostaten zu optimieren, mutiert sie ihn; ihr Permostat hat zwar auch eine zusätzliche Wirkung, allerdings eine letale. Er läßt sich als Waffe mißbrauchen und wird dies auch, ohne ihr Wissen. Der Text endet nach einigen Verwirrungen und Projekten, so dem Versuch, mit Hilfe des Elektro-Permostaten das Kongobecken abzuriegeln durch riesige Eisberge - und zu fluten, um es für Weiße bewohnbar zu machen, mit einem Happy-End: mit Einsicht, Verzicht auf den gigantesken Plan, Aufklärung der Verbrechen und Zusammenführung des Paares Kay und Sumi. 1.7 In Attentat auf Universum (1949) baut James Curron mit finanzieller Unterstützung von Lewis Goudsmith eine Mondrakete. Diese wird gestartet, obwohl Martin Kerckhoff, ebenfalls Wissenschaftler wie Curron und dessen früherer Partner, eindringlich davor warnt. Denn: Die Entfernungen sind falsch berechnet, der Mond ist nicht 384 000, sondern nur etwa 3000 Kilometer von der Erde entfernt, was bei den riesigen Energiemengen, über die die Rakete als Antrieb verfügt, zu einer Katastrophe führen muß. Denn: Man lebt gemäß der Hohlwelttheorie auf der Innenseite einer Hohlkugel, und das gesamte Universum hat demgemäß hier seinen Platz. Kerckhoffs Theorie bestätigt sich. Die Rakete trifft die Sonne, reißt sie aus ihrer Bahn, so daß nun der Strahl der im Zentrum des Universums befindlichen Himmelskugel ungeschützt und ungestreut auf die Erde trifft und langsam, aber sicher alles verbrennt (die Sonne selbst fungiert als eine Art Diffusionskörper). Doch es gibt eine Rettung. Mit einer zweiten Rakete schaffen es Curron und Kerckhoffunter Selbstopfer, die Sonne wieder in ihre Bahn zu stoßen. 2. Auswertung I: narrative Verhandlung - Probleme und Problemlösungen Argumentation, Diskussion und Reflexion laufen über die Narrationen, die vorgeführten Geschichten. Diese bestimmen die ideologische Auseinandersetzung, etwa Zeitpunkt und Motivation diskursiver Stellungnahmen. Die Geschichten definieren dabei sowohl das zu bewältigende Problem, als sie dann in bezug zu diesem Problem auch Sinn wie Sanktionen stiften, Modelle von Problemlösungen bereitstellen. Zunächst seien einige Folgerungen im Kontext der Narration festgehalten. 2.1 Die narrative Ebene erscheint als Kombination und Mischung aus Abenteuer/ Kolportage einerseits und Wissensvermittlung andererseits. Je 'realistischer' dabei die Diegese, die dargestellte Welt, konzipiert ist, auf Gegenwartsproblematiken, politische Konstellationen hin,4 desto 'wissenschaftlicher' ist das einbezogene Wissen. Der atomare Diskurs bewegt sich durchaus auf dem Level der Sachbücher, die als Hintergrundwissen anzunehmen sind, von dem zwar abgewichen wird, aber auf einem 'fundierten' Niveau: Der Übergang zwischen Erwiesenem und vollkommen Spekulativem ist fließend und nicht einfach zu erkennen. Je utopischer die Welt konzipiert ist, so wenn in Alarm aus Atomville ein Atom-Weltforschungs- Atomforschung und atomare Bedrohung 87 rat das Sagen hat, und je mehr reale Umstände ausgeblendet sind, wie in Raketenfahrt in die Urzeit, desto weniger 'modern' und auf dem neuesten Stand scheint das Wissen zu sein, wenngleich auch hier mit solchen Wissenselementen gearbeitet wird. Hier erscheinen neben den fundierten Wissenselementen auch andere, eher fantastische und Science-Fictionmäßige.5 2.2 Der Fokus der Texte ist auf die Perspektive der Forscher und Wissenschaftler ausgerichtet und damit auf die Gruppe der Verantwortlichen. Die Restbevölkerung erscheint als 'individualisierte' Masse, das heißt, sie wird repräsentiert durch ein Paradigma von typischen Normalbürgern, wobei durch die Darstellung dieser Schicht typische bzw. die diesen als typisch unterstellten Meinungen, Reaktionen und Verhaltensweisen bei kollektiven Gefahren abgebildet werden (zumeist entsteht durch diese Kollektivpsyche neben der eigentlichen eine zweite Katastrophe, ausgelöst durch Panik, Hamsterkäufe, Endzeitstimmung und ähnliches). 2.3 Die Probleme werden nicht nur narrativ, sondern auch dezidiert aktantiell verhandelt. D.h.: Positionen werden personalisiert, figuralisiert zu Typen gebündelt und über die Figurenkonstellation und -konfiguration vermittelt. Präferierte Aktanten sind: Auf der Seite der Frauen gibt es drei Typen. Erstens (und narrativ sujethaft) die höhere, reiche Tochter, die wissenschaftlich interessiert ist und selbst Forschung betreibt (Mady Goudsmith aus Attentat auf Universum, Florabelle Carter aus Helium, Sumi Mewenbrough aus ... und alle Feuer verlöschen auf Erden). Zweitens die Reporterin (Lily Dean aus Raketenfahrt in die Urzeit, Gloria Kepler aus Helium), drittens die Tochter eines Wissenschaftlers (Dorrit aus Attentat auf Universum, Miß Varrey aus Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... , Elka aus Die Erde brennt). Letztgenannter Typ steht insbesondere als Partnerin, zumeist des Helden, zur Verfügung (und konstituiert auf dieser Ebene, der Partnerfindung, ein Sujet). Auf der Seite der Männer gibt es den Geldgeber, den Reporter und innerhalb der Gruppe der Wissenschaftler die Reihe der Nicht-Helden, die sich dadurch definieren, daß sie in unterschiedlichem Maße und Grade einen wissenschaftlichen Normverstoß begangen und d.h. konkret, etwas zu verantworten haben. Solche Aktanten sind nicht fokussiert, ihrer Perspektive wird nicht oder nur punktuell gefolgt; sie sind nicht Protagonisten. Typologisch lassen sie sich unterscheiden in den 'Mad scientist' (der keinerlei Einsicht zeigt und sich einer 'Schuld' nicht bewußt ist, da diese Kategorien auf ihn per se nicht anzuwenden sind), den 'Spieler' 6 (der sich seiner Verantwortung, seines Beitrags zwar bewußt ist, der daraus aber keine Konsequenzen zieht, keine Einsicht in die Schuldhaftigkeit und moralische Verwerflichkeit seines Verhaltens zeigt, und dadurch erst recht moralisch verwerflich ist) und den 'aus Versehen schuldhaft gewordenen Wissenschaftler' (der aus 'positivem' Fanatismus zu spät, fast zu spät zur Einsicht kommt, sich seiner Schuld und Verantwortung aber bewußt wird und versucht, das Geschehene reversibel zu machen). 7 Der Protagonist selbst ist entweder nur am Rande mit Wissenschaft und Forschung korreliert (etwa Reggy Curron als Sohn eines Wissenschaftlers in Attentat auf Universum oder Fred Rauch und 'Posi' Anderson in Raketenfahrt in die Urzeit und Alarm aus Atomville als Reporter), oder diese Ebene ist, wenn er also selbst Forscher ist, von einer anderen überlagert, die nichts mit Wissenschaft zu tun hat: Er ist dann unschuldig Verdächtigter in einem Kriminalfall (Congrave junior oder Phearson in Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... und ... alle Feuer verlöschen auf Erden), der Fokus liegt dann gerade nicht in seiner Eigenschaft und Tätigkeit als Forscher. Als Protagonist zeichnet ihn letztlich seine 'bewahrte Unschuld' 88 HansKrah und die Tatsache aus, daß bei ihm die Fäden zusammenlaufen, er als 'Halbbeteiligter' Distanz und Nähe zum Geschehen verbindet und überbriickt. 2.4 Innerhalb des Spektrums der Wissenschaft läßt sich neben der aktantiellen Verteilung eine Ausdifferenzierung von drei als archetypisch klassifizierbaren Bereichen konstatieren. Unterschieden werdenForschung,Anwendungund Wissensvermittlung. Es gibt den Typ des Forschers, des echten Forschers, wie sein kennzeichnendes Epitheton lautet: "Sein Streben gilt ausschließlich dem, was noch zu erforschen ist, also der ungelösten Aufgabe, während das fertige Werk nicht mehr ernstlich interessiert" (Holk 1948a: 61). Daneben gibt es den meist als Ingenieur bezeichneten Typus, der sich etwa in ... und alle Feuer verlöschen auf Erden durch die Bemühungen auszeichnet, "dem Permostaten durch mechanische und elektrische Schaltung eine wirtschaftlich verwertbare Form zu geben" (Holk 1948a: 61). Reine Forschung und angewandte Forschung werden zwar inhaltlich unterschieden, sie werden ideologisch aber nicht gegeneinander ausgespielt. Positiv ist der 'Anwender' insbesondere dann, wenn er selbst Forscher ist und diese Bereiche oszillieren, wie dies in Raketenfahrt in die Urzeit oder narrativ durchgespielt in ... und alle Feuer verlöschen auf Erden der Fall ist. Dieser letztlich hannonischen Symbiose steht die wissenschaftliche Wissensvermittlung diametral gegenüber. Diese wird an eine spezifische Gruppe gebunden, als deren alleinige Tätigkeit, und explizit und exzessiv abgewertet. Die Rede ist von der Professorenschaft. In Attentat auf Universum tritt mit Professor Gamow ein Vertreter dieser Zunft auf und verdeutlicht hier narrativ, was in ... und alle Feuer verlöschen auf Erden als ideologisches Statement unwidersprochene Position ist: ''Die forschenden Wissenschaftler begnügten sich[...] damit, in Gedanken achtungsvoll ihren Hut zu ziehen, aber die breite Masse der Professoren und Dozenten, die kraft ihrer Gedächtnisleistung akademische Grade erworben haben und vom braven Wiederkäuen dessen leben, was sie sich selbst nur angelesen haben, liefert ausgiebig Zeitungsartikel und Aufsätze aller Art. Da sie mangels eig~ner Forschung nichts von der Sache verstehen, hindert sie nichts, sehr ausführlich über Möglichkeit und Unmöglichkeit, wie über Nutz und Unnutz des Permostaten zu schreiben. Sie liefern zahllose Beiträge zur Unzulänglichkeit einer professoralen Kaste, die sich seit Jahrhunderten bemüht, mit derartigen Beiträgen die Wissenschaft um ihren guten Ruf zu bringen." (Holk 1948a: 105) Wissensvermittlung in ihrer positiven Variante ist dagegen zweifach verschoben. Zuständig hierfür ist der Reporter. 8 Dadurch ist sie zum einen auf der Ebene der Institution verschoben, die für die Vermittlung zuständig ist. Gesetzt ist, daß der Reporter als Repräsentant der Öffentlichkeit Garant für die 'Ordentlichkeit' und Integrität der Forschung ist. Zum anderen ist sie dadurch auf der Ebene des Texttyps verschoben, in dem sie formuliert ist. Die Reporter sind jeweils Exklusivberichterstatter, die direkt vor Ort dabei sind und diesen Erfahrungshorizont in das Vermitteln mit einbringen können - und sollen. Das Abenteuer, das der Forschung inhärent ist, kann so mitvermittelt werden. Und welcher Texttyp wäre da besser geeignet als der literarische, freilich nicht als literarische Fiktion, sondern als Medium des Realismus, der Authentizität, so wird in Alarm aus Atomville selbstreflexiv am Ende des Romans konzipiert: "Sie nehmen an der nächsten Fahrt des 'Seedrachen' als Reporter teil. Schlagen Sie Ihrem Mister Gould eine spannende Reihe von Originalberichten vor, oder noch besser, schreiben Sie Atomforschung und atomare Bedrohung 89 Ihre Erlebnisse, angefangen von der Begegnung mit Noah bis zu diesem Augenblick, als Roman und bieten Sie das Manuskript Mister Gould an. Es wäre nicht das erstemal, daß die Wirklichkeit bessere Romane schreibt als die lebhafteste Phantasie! " (Dolezal 1956: 167) 2.5 Insofern die Probleme personalisiert sind, können die Texte eine Bewertungs- und Orientierungshilfe anbieten, von der sie auch systematisch Gebrauch machen: die Physiognomik. Ein schlechter Charakter bildet sich äußerlich ab, wer häßlich ist und/ oder körperliche Gebrechen hat, dem ist nicht zu trauen. So ist es der bucklige Hugh Dalton, der sich in ... und alle Feuer verlöschen auf Erden als der Permostat-Mörder entpuppt; über den Erpresser Ben Small heißt es ebenda, er "hat in seinem verschlagenen, spitzen Gesicht manches von einer Ratte an sich" (Holk 1948a: 171). Und Professor Marin, der 'Mad scientist', wird wie folgt beschrieben: "Er hat sehr lange, schmale Hände, deren Haut noch eine Spur von Feuchtigkeit trägt. Sein Gesicht ist helle und weiß, sein Haar fuchsig rot, fuchsig rot auch sein SchnlllTbart und sein etwas kümmerlicher Spitzbart. In den Augen liegt eine durchdringende Schärfe. An den Mundwinkeln knittern sich scharfe Falten, deren unruhige Bewegungen seinen Worten höhnische Nuancen verleihen. Insgesamtmacht ernicht den Eindruck eines gemütlichen Gesprächspartners. Es liegt etwas Durchtriebenes und Hinterhältiges in seinem Gesicht, etwas von der Schläue eines Fuchses und sogar einiges von der hämischen Niedertracht eines Teufels. Ein gefährlicher Rotkopf! " (Ebd.: 28) Aber auch Schönheit ist bei einem Mann letztlich immer? : eichen eines schlechten Charakters, zumal wenn er sprachlich mit dem Lexem 'schön' beschrieben wird. Über Buresch, Mitverantwortlicher des Antarktis-Projektes und zusätzlich Verräter, heißt es: "[...] ein Herr, ungefähr in den SO-Jahren mit graumelierten Schläfen [...] Man hätte diesen Mann als schön bezeichnen können, wenn nicht irgend etwas lauerndes in seinem Blick die an sich sympathischen Gesichtszüge gestört hätte" (Brugg 1950: 167) Und wenn Ernest Madura in Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... demgemäß als "ein schöner Mann von südländischem Typ" (Holk 1948b: 92) eingeführt wird, ist damit dessen verbrecherisches Potential antizipiert. Er ist der Attentäter auf Amerika. Schönheit bei einem Mann ist funktionalisiert als Symbol eines Defizits auf der moralischen Ebene. 9 Im Denken herrschen also Modelle des Ausgleichs und der Ausgewogenheit vor, in Anwendung des demokratischen Prinzips der Gleichheit. Eine Störung ist denn auch immer mit einem Anschlag gegen solche Prinzipien verbunden. 2.6 Ausgelöst wird das zu bewältigende Problem nie systembedingt, sondern immer aus individuell-privatistischen Interessen. Gekoppelt und konkretisiert wird das Problem dabei gerne mit der Kategorie des Experiments, das als Lexem negativ konnotiert ist, insofern nur diejenigen Forschungen als Experiment bezeichnet werden, die dann auch regelmäßig schiefgehen, sich verselbständigen und negative Auswirkungen haben. Ein geglücktes Experiment ist in dieser Semantik ein Widerspruch in sich. 10 Wenn es wie in Alarm aus Atomville heißt: "Greifen Sie, Herr Kollege, nicht in das Experiment ein. Ich habe es vollkommen in meiner Hand und werde es abbrechen, sobald ich es für notwendig halte" (Dolezal 1956: 93), dann ist dies bereits Indiz dafür, daß es selbstverständlich doch eskalieren wird. 11 90 HansKrah 2.7 In den Texten dominiert bei der Lösung der Probleme ein Verursacherprinzip. D.h., die Verantwortlichen werden zur Rechenschaft gezogen, und zwar bereits aufgrund eines Theodizee-Prinzips der Weltordnung, nicht als menschlich-gesellschaftliche Aktion: Die selbstverursachte Katastrophe wendet sich gegen den Verursacher selbst. Verantwortliche trifft die Katastrophe zumeist als erste oder als letzte. Es trifft sie als erste, im engeren Sinn als Theodizee, wenn sie direkt das Experiment zu verantworten haben, direkt aus egoistischen Gründen für die Katastrophe verantwortlich sind. So exemplarisch die Finanziers Goudsmith und Carter aus Attentat auf Universum und Helium, die die von ihnen finanzierten Experimente mit dem Tode bezahlen. Die letzten Momente von Goudsmith werden wie folgt geschildert: "Lewis Goudsmith gehört zu den wenigen, die die Rakete starten sehen - und das ist zugleich das letzte, was seine Augen zu sehen bekommen. Lewis Gouldsmith stirbt als erstes Opfer des Starts. [...] Gierig und atemlos starrt er auf den hochziehenden Spuk. Da packtihn plötzlich ein furchtbarer Luftwirbel, reißt ihn herum und stößt ihn ins Wasser hinein. Sein Schrei verhallt im wilden Fauchen des Wirbels [...] Dann hebt ihn eine mächtige Brandungswelle hoch, schleudert ihn gegen die Kaimauer und zerschmettert ihm die Glieder" (Holk 1955: 167) Carter in Helium hat es etwas besser; er erleidet angesichts des mißglückten Experiments (nur) einen Herzschlag. Solche narrative Sanktion trifft auch die Ingenieure Parisi und Buresch in Raketenfahrt in die Urzeit, sie trifft Rudolf Davertshofen in Die Erde brennt, sie trifft, in etwas abgeschwächter Form, Congrave senior in Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... und Anthony Dalton in ... und alle Feuer verlfischen auf Erden. Verantwortliche sterben als letzte, wenn sie nur indirekt für die Katastrophe verantwortlich sind, wenn sie, ohne etwas verschulden zu wollen, aus besten Wissen und Gewissen heraus gehandelt zu haben glauben. Sie sterben dann nicht als Sanktion, sondern als Sühne, Wiedergutmachung und Opfer, und damit zumeist gleichzeitig auch als Weltretter. So Karl Davenport in Die Erde bennt und insbesondere James Curron und Martin Kerckhoff in Attentat aiifUniversum. Eine solche indirekte Schuld wird auch dem zugewiesen bzw. weisen sich selbst diejenigen zu, die an sich nichts mit dem Experiment zu tun haben, die aber aus systematischen Gründen involviert sind: Wissenschaftler zu sein verpflichtet in den Texten immer zu einer Art Kollektivschuld, da sie, so die zu rekonstruierende Logik, zu denen gehören, die die Geschehnisse erst ermöglicht haben und dementsprechend hätten verhindern müssen. Für Dr. Friedrich Nathon, eindeutig positive und moralisch integre Figur des Romans Helium, wird dies narrativ ausgespielt. An Bord des Beobachterschiffes Erinnya lehnt er eine Flucht in einem der Rettungsboote ab, mit der Begründung: "Vielleicht habe ichhiernoch eine -Aufgabe" (Khuon 1949: 234). Diese Aufgabe, seine "Pflicht" (ebd.: 240), wie er sie auch nennt, sein "heimlich gefaßte[s] Ziel" (ebd.: 246), besteht darin, Dr. Cziensky das Wissen zu entlocken, wie der drohende Weltuntergang noch abgewendet werden kann-was ihm auch gelingt. 12 2.8 Bei der Lösung des Problems bzw. in der Gesamtnarration zu erkennen ist ein 'Sankt- Florians-Prinzip '. Die Perspektive ist zumeist auf die Abwendung des eigenen Schadens gerichtet, bzw. ein Problem wird nur dann virulent, wenn es ein eigener Schaden werden könnte. Es gibt kein globales Denken per se. Es besser zu wissen und sich selbst retten zu können, das genügt für das Wohlbefinden. So weiß in Raketenfahrt in die Urzeit Prof. Lundholm von vornherein um die Gefährlichkeit und die Konsequenzen der Enteisung der Antarktis. 13 Besonders engagiert ist er allerdings nicht, dieses Projekt zu verhindern. Er Atomforschung und ato~re Bedrohung 91 schickt ein Telegramm mit dem Inhalt: "warnen vor unüberlegten handlungen stop professor lundholm stop" (Brugg 1950: 165), viel mehr insistiert er nicht und läßt die Welt in ihr Unglück rennen. Sein eigenes Projekt ist wichtiger, geht ihn damit ja auch das Problem der Welt weniger an: ''Ich bin der Meinung, die ganze Angelegenheit doch der Weltöffentlichkeit zu übergeben. Leider haben wir momentan nicht genügend Zeit dazu, denn unser Flug auf den Mars steht bevor." (Ebd.: 201) Zurück vom Mars, ist die Welt abgesoffen, aber das scheint kein besonderer Schock für Lundholm und seine Crew zu sein; diese können ja zurück zum venusianischen Ur-Paradies. In Alarm aus Atomville wird im Philippinengraben von positiver Seite eine Testbombe gezündet (deren Sinn und Nutzen unerwähnt bleibt) und dabei ein Tsunami ausgelöst. Dieser richtet eine deutliche Verwüstung auf den Philippinen an, Manila wird zerstört. Doch eine Reflexion darüber findet weder vonseiten der Verantwortlichen noch des Textes als Ganzen statt. Probleme bereitet diese lokale Katastrophe nur insofern, als das Hotel von Professor Ordaz eine Ruine ist und das Problem entsteht, wo man denn nun zu Abend essen soll. Es bleibt aus weißer Sicht eine nette Anekdote, über die man später erzählen kann. Auch in Die Erde brennt ist es nicht die ganze Erde, die brennt, sondern 'nur' Rußland (was schaden da schon 1000 km Verwüstung). Und in ... und alle Feuer verlöschen auf Erden überlagert das eigene Projekt, die Flutung des Kongobeckens, sämtliche Gedanken an etwaige Folgen. Daß dieses Projekt am Ende gestoppt wird und hier ansatzweise darüber reflektiert wird, liegt nicht an einer prinzipiellen Einsicht, sondern verdankt sich der Verdeutlichung zweier Paradigmen (Stichwort 'Begrenzung' und 'Raumveränderung', siehe unten), für die es argumentativ funktionalisiert ist. 3. Auswertung II: Atomdiskurs, Technik- und Wissenschaftsdiskurs und deren Konstituenten Sosehr die atomare Verhandlung in den Texten an die Narration gekoppelt ist, sosehr ist sie darüber hinaus thematisch an einen Technik- und Wissenschaftsdiskurs gebunden. Dabei kann folgendes postuliert werden: 3.1 Auch wenn es bei den in den Texten vorgeführten Forschungen nicht um einen atomaren Kontext zu gehen scheint, so ist ein solcher als Hintergrunddiskurs in den Texten dennoch präsent. Die Auseinandersetzung mit 'nicht-realen' Techniken bildet eine Verhandlung des neuen Forschungsgegenstandes und dessen Problematiken mit ab. Wenn in Attentat auf Universum der Treibstoff der ersten Rakete "Plutonit" ist und sich somit sprachlich als aus den Bestandteilen 'Plutonium' und 'Dynamit' zusammengesetzt deuten läßt, wird mit Plutonium und der ungeheuren Energie, die frei wird, eindeutig auf einen atomaren Kontext referiert. So heißt es denn auch, daß die "Rakete wie eine Bombe" (Holk 1955: 56) wirkt. In ... alle Feuer verlöschen auf Erden ist die explizite Diskussion, daß der Permostat Kohle und Öl ersetzen wird und verzichtbar werden läßt ("damit macht er die Welt von Kohle und Öl unabhängig"; Holk 1948a: lOlf.), zu deutlich, um über diese funktionale Äquivalenz den Permostaten nicht zeichenhaft für atomare Energien zu lesen (die darüber hinaus ja ähnlich wie ein Perpetuum mobile erscheinen). 14 Zudem wird in den pseudowissenschaftlichen 92 HansKrah Erklärungen über die Bestandteile des Permostaten mit Begriffen wie "Halbwertszeit" (ebd.: 45) das Begriffsfeld des atomaren Diskurses benutzt. Mit diesen Befunden korreliert die These, daß der Atomdiskurs kein eigenständiger ist, sondern auf zweifache Weise ein abhängiger. Zum einen ist er in den Diskurs um Technik, Forschung und Wissenschaft im allgemeinen integriert und dadurch organisiert. Er ist damit, wenn überhaupt, ein Problem der Technik bzw. von deren Anwendung, kein per se politisches, moralisches, ethisches -oder atomares. Zum anderen wird er von anderen Leitdifferenzen überlagert: Nicht die Differenz 'Atomforschung nicht-atomare Forschung' dominiert das Denken, sondern dieses regelt sich nach anderen Konstituenten, die quer zu einer solchen Klassifizierung liegen. Im folgenden möchte ich einige dieser zentralen Konstituenten aufzeigen und das spezifische Modell von Technik und dessen grundlegenden Prämissen vorführen. 3.2 Technik kommt prinzipiell ein Status des 'Außen-vor-Seins' zu, der nicht mit anderen Lebensbereichen vernetzt, sondern autonom und unabhängig von gesellschaftlichen Verhältnissen ist. Er ist kein kulturell-historisch gewachsener und nicht bedingt durch politischsoziale Konstellationen, sondern Wahrheit pur. Technikist Naturrecht, ist die fleischgewordene bzw. materialisierte Aufklärung. So kann in Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... argumentiert und geantwortet werden: '" Alle diese Kernspaltungen, in die sich die Atomphysik heute verbissen hat, sind nicht nur gefährlich, sondern auch überflüssig. Der Kraftbedarf der Welt kann mühelos aus Energien heraus gedeckt werden, die uns die Atome auch ohne brutale Eingriffe in die Kernstruktur liefern.' 'Sie sind Pazifist? ' 'Techniker. Und die Aufgabe der Technik liegt schließlich darin, einen größten Nutzeffekt mit geringsten Mitteln zu erzielen."' (Holk 1948b: 40) 3.3 Wie aus dem obigen Zitat auch hervorgeht, ist Technik ein Nutzenaspekt inhärent. Sie dient der Menschheit und ist für diese anzuwenden, wobei nicht differenziert wird, wer ~ese Menschheit konkret sein soll - und wie dieser Nutzen konkret aussieht. "ich möchte diesen Permostaten anwenden, ihn für die Wissenschaft und für die Technik auswerten[...] Eine Erfindung ist doch auf jeden Fall nicht dazu da, um in der Hosentasche herumgetragen zu werden. Sie muß in eine technisch und wirtschaftlich verwertbare Form gebracht und in den Dienst der Menschen gestellt werden" (Holk 1948a: 42f.). ''Die Arbeiten in Atomville gehen weiter, wir haben ungeheuer viel zu forschen und zu gewinnen. Es soll aber alles nur zum Glücke der Menschheit und jedes einzelnen von uns sein" (Dolezal 1956: 167). Gerade dieser Aspekt der programmatischen Setzung verweist in seiner Generalisierung und Entdifferenzierung auf ein utopisches Moment der Konzeption. 3.4 Damit Technik nützen kann, müssen allerdings einige Merkmale erfüllt sein. 'Gute' Technik ist vor allen Dingen an dem Prinzip der Einfachheit zu erkennen. Für Maschinen, Apparaturen sowie deren Grundlagen und deren Anwendung gilt konstitutiv dieses eine Kriterium. Explizieren läßt sich dies anhand des Atommotors in Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... Hier symbolisiert die Erfindung des Atommotors das Glück der Menschheit Atomforschung und atomare Bedrohung 93 schlechthin, für dessen Realisierung bereits Jahre umsonst geforscht wurde. Der Protagonist ist nun derjenige, dem diese Erfindung glückt. Zunächst doziert er, als er das Funktionsprinzip seines Motors darlegen soll, seitenlang und ausführlich grundlegendes 'Wissen'. Um die spezifische Art der Einbeziehung von Wissenselementen an einem Beispiel aufzuzeigen, sei ein Ausschnitt hiervon wiedergegeben: "Sie wissen vermutlich bereits, daß ein Atom aus dem Atomkern und den umkreisenden Elektronen besteht, der Atomkern wiederum aus Protonen und Neutronen. Hinter diesen Bezeichnungen stehen keine Körper, sondern Energieballungen besonderer Zustandsform. [...] Ein Proton z. B. ist also keinesfalls ein letztes, formloses Elementarteilchen, sondern ein verwickelter Energiekomplex bestimmter Prägung, Eigenart und Wirkung. Das konnte die Forschung noch feststellen. Es dürfte ihr allerdings unmöglich sein, noch weiter einzudringen, da die Denk- und Forschungsmöglichkeiten im Innern des Atoms ihre innerste Grenze finden. Das besagte bereits die Unbestimmtheitsrelation Heisenbergs. Wir müssen uns damit abfinden, mit Energiekomplexen zu rechnen, die in unbekannt bleibenden Strukturen aus unbekannt bleibenden Gesetzmäßigkeiten heraus existieren und wirken aus dem Unfaßbaren, also aus Gott heraus, wenn man will. [...] Die stärksten Wirkungen wurden durch Angriffe auf den Kern selbst ausgelöst und die Atomphysik der letzten Jahrzehnte war denn auch praktisch fast ausschließlich eine Kernphysik. Ihr bedeutendstes Ergebnis bestand darin, daß es gelang, den Urankern zur Spaltung zu bringen und den Zerfall in Kettenreaktionen von einem Uranatom zum anderen lawinenartig fortschreiten zu lassen zu einer Massenexplosion. [...] Diese Atombombe ist das Musterbeispiel eines wissenschaftlichen Kurzschlusses. Sie hat alle anderen Forschungsmöglichkeiten weitgehend blockiert, weil man meinte, nur über die Atombombe zum Atommotor kommen zu können. [...] Man hat berechnet, daß man mit der Enetgie eines Ziegelsteines eine Riesenstadt wie New York oder ein Land wie die Schweiz ein Jahr lang mit voller Energie versorgen kann. Die Rechnung ist bescheiden, aber sie zeigt immerhin, daß keine Notwendigkeit vorliegt, die atomare Substanz der Welt in nennenswertem Maße anzugreifen oder Katastrophen zu beschwören." (Holk 1948b: 37ff.) Auf Kernspaltung wird verzichtet (ein Befund, der noch inteipretiert werden kann). Als Resümee seines Prinzips heißt es dann statt dessen: "[... ] praktisch läuft es daraufhinaus, daß sie einfach [Herv. H. K.] durch Sonnenbestrahlung gewisser Isotopen Atomenergie freimachen wollen" (ebd.: 42). Dieses Prinzip der Einfachheit wird in der Folge explizit diskutiert, wodurch gerade die Relevanz dieses Kriteriums als das entscheidende verdeutlicht wird ('"Das erscheint so einfach, daß[ ...]' - 'Einfachheit ist kein Gegenargument. Denken Sie an den Eisenstab"' ebd.: 43). 15 Aus diesen einfachen Prinzipien heraus resultiert dann auch, daß sich die entsprechenden Apparaturen durch Schlichtheit auszeichnen. Der Atommotor wird wie folgt beschrieben: ''Die Kommision betrachtet aufmerksam das plumpe, dreieckige Gestell, das mit Abstand unter die etwas überstehende Achse des Generators greift. An ihm ist eine Platte befestigt, die etwa einen halben Meter im Quadrat mißt, aber nur zehn Zentimeter stark ist. Sie steht senkrecht und ist offenbar auf die Generatorenachse zentriert worden. An der Außenseite ihres Mittelfeldes haftet ein armstarker Zylinder von etwa zwanzig Zentimetern Länge, aus dem zwei kupferne Kabelanschlüsse herausragen,. An diesen hängen Kupferkabel, die zum Generator VIführen. Die schmale Oberkante des grausilbrigen Kastens trägt im mittleren Drittel genutete Führungsleisten. Viel mehr ist nicht zu sehen." (Ebd.: 123) "Viel mehr ist nicht zu sehen", ähnlich wird in .. . und alle Feuer verlöschen auf Erden die Beschreibung des Permostats zusammengefaßt. Dieser besteht nur aus drei Teilen: 94 HansKrah "Zwei Eihälften, an der Ringseite um einige Millimeter ausgehöhlt, dazwischen der Ring. Dieser faßt zwei drehbare Scheiben mit gemeinsamem Mittelpunkt. Um diesen herum sitzen winzige Blöcke, fest mit den Scheiben verbunden. Das ist alles" (Holk 1948a: 39). "Das ist alles" verweist wiederum auf die einfache Konstruktion. Zumeist muß das Prinzip der Einfachheit nicht rekonstruiert werden, sondern ist als Lexem in den Texten vorgegeben. In Attentat auf Universum hat die zweite Rakete, mit deren Hilfe die Sonne wieder ins Lot gebracht werden soll, die Form einer Kugel. Wie dieses Beispiel zeigt, scheint die Grundprämisse zu sein, daß solche Technik eben deshalb 'unproblematisch' ist, da sie quasi nicht vom Menschen erdacht ist, sondern in der Natur vorgefunden wird, sich auf vorgegebene, natürliche Formen beziehen läßt. Aber nicht nur abgeleitet aus dieser Form läßt sich in Attentat auf die Einfachheit schließen. Zudem heißt es explizit: "die Kugel arbeitet nach einfachsten Prinzipien" (Holk 1955: 248). Analog heißt es inAlarm aus Atomville über das Atom-U-Boot: "Auf dem 'Seedrachen' wird der Sauerstoff einfach durch Elektrolyse aus dem Meerwasser gewonnen'' (Dolezal 1956: 105). Mit dem Prinzip der Einfachheit wird als inverses Denkkonstrukt das der Komplexität aufgerufen. Wenn es bei der Beschreibung einer technischen Apparatur heißt, "Er öffnete eine Art kleiner Tür in diesen Apparaten, aus denen eine verwirrende Fülle von technischen Einzelheiten hervorblitzte" (ebd: 83), dann ist präsupponiert, daß dies eine Technik ist, die mit Vorsicht zu genießen ist. Komplizierte Technik bringt Schaden oder ist, wie das obige Beispiel aus Alarm in Atomville, im Kontext einer anderen Abweichung als Abweichungsmarkierung funktionalisiert (nur in einem spezifischen Anwendungsfall kann Komplexität positiv funktionalisiert sein, ich komme darauf zurück). 3.5 Wie am Beispiel des Atommotors zu sehen ist, da nicht der Kern gespalten werden muß und nur ein Teil der maximal vorhandenen Atomkraft genutzt wird, sind gute Technik und wissenschaftliche Forschung allgemein programmatisch begrenzt. Begrenzungen sind positiv konnotiert, Grenzen werden gesetzt, aus einer universellen inneren Einsicht heraus, sind unhinterfragbar, kein Gegenstand der Diskussion, Conditio sine qua non: Die begrenzte Nutzung der Atome reicht, eine andere führt zur Katastrophe. Letztlich findet sich in jedem der Texte (mindestens) eine Stelle, in der diese allgemeine Grenze explizit diskursiv beschworen wird. Einige Beispiele: "Mochte der menschliche Erfindergeist immer tiefer in die Geheimnisse der Natur eindringen, den letzten Schleier konnte er doch nie lüften" (Brugg 1950: 229); "An den Grundfesten der Naturgesetze zu rütteln war unmöglich" (ebd.: 64); "ein Eingriff in jene Bereiche, die allein dem Schöpfer vorbehalten sind, [könnte] nur einen Sturz aus großer Höhe bedeuten" (Dolezal 1956: 166); ''können bei der entstehenden Energielawine nicht irgendwelche Grenzen überschritten werden, hinter denen unbekannte, gänzlich neue Gegebenheiten herrschen? " (Khuon 1949: 107); "Zweiholz [...]hielt es für wahrscheinlich, daß mit der Wasserstoff-Helium-Bombe die 'Dämme der Natur' brechen würden" (ebd.: 46); "Man sollte nie über die Grenzen hinausgehen, die von der Natur gezogen wurden" (Holk 1948a: 56). Atomforschung und atomare Bedrohung 95 In Attentat auf Universum läßt sich die Adaption der Hohlwelttheorie in diesem Sinne plausibilisieren, handelt es sich dadurch doch um ein ''begrenztes Universum" (Holk 1955: 231). Dieses konstitutive Merkmal der Begrenzung ist insofern ein signifikanter und zentraler Befund, stellt es doch einen Unterschied zur Konzeption von Technik früher dar: Bereits die Explizitheit, mit der auf die Positivität von Grenzen und die apokalyptischen Gefahren, die jenseits lauem, verwiesen wird, verweist darauf, daß es sich hierbei um ein neues Konzept handelt. Während vor 1945, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Tendenz zum grenzenlosen Fortschritt geht, den der Mensch aus sich heraus zu bewerkstelligen und ideologisch als Ziel zu verfolgen hat, 16 so gilt nun, daß es eine nicht vom Menschen gesetzte Grenze gibt, von einer Instanz darüber hinaus, sei es von der Natur oder von Gott; eine Instanz, die in ihrer Autorität nicht angezweifelt wird. Worin diese Instanz konkret besteht, ist unterschiedlich und sekundär. Zentral ist sie primär als strukturelle Größe in ihrer prinzipiellen Existenz, unabhängig von einer konkreten Füllung. 3.6 Konkret abgehandelt, als narrativer Extrempunkt, wird eine solche Begrenzung mit Versuchen am Menschen, wie sie sich gekoppelt mit dem Stereotyp des 'Mad scientist' finden. So etwa mit Professor Omen und seinen Experimenten mit Homo Xl in Alarm aus Atomville: ''Ich werde Sie zu dem größten Genie machen, das je die Menschheit gesehen hat[ ...] Sie sollen das denken, was noch kein Mensch gedacht hat, weil die Natur keinen Übermenschen hervorbringt. Ich aber will einen aus Ihnen machen. [...] Ich werde Sie bestrahlen, Thr Gehirn wird schöpferisch werden" (Dolezal 1956: 69f.). In ... und alle Feuer verlöschen auf Erden heißt es analog über und von Professor Marin: "Die Thymusdrüse kann durch gewisse Strahlen mein Patentangeregt werden, [...] Ergebnis: Der Mensch wächst weiter. Er wächst über das vorgesehene Maß hinaus, wird eine Doppelportion Mensch, ein Übermensch diesseits undjenseits von Nietzsche. Jedem seine Körpergröße nach Wunsch, Beruf, Lebensstellung und Mode! " (Holk 1948a: 56) "Der Übermensch, der die Welt verändert, der Wundermensch des Atomzeitalters" (Dolezal 1956: 70), Experimente am Menschen auf diese Ebene werden die Grenzen der Forschung, wenn sie nicht nur ideologisch diskursiv gesetzt sind, sondern narrativ verhandelt werden, verlagert. Sie sind damit zum einen ein Nebenschauplatz (im Vergleich mit der atomaren Bedrohung durch Atombomben), auch einer der Plots der Texte, und sie sind zum anderen als Verweis auf Genetik, Eugenik, Humanmedizin auch einer, der Bezüge zur pervertierten Forschung der unmittelbaren kulturellen Vergangenheit evoziert und, so meine These, dies durchaus bewußtermaßen macht. 17 3.7 Gute Technik, so kann wiederum dagegengehalten werden, macht mobil. Dies, ihre Mobilitätsgewährleistung, dürfte ihr wesentliches Charakteristikum und zentrales Differenzkriterium sein. 18 Forschung ist nur legitim, wenn sie keine substantiellen Raumveränderungen bedingt, sondern sich mit den gegebenen Umständen, d.h. den natürlichen, räumlichen Rahmenbedingungen abfindet. Diese dürfen nicht verbessert werden. Solche .Positionen werden rekurrent als Hybris, als Anmaßung, als Gottgleichheit, als zu groß für Menschen, gesetzt. 19 Was statt dessen mit Hilfe der Technik gemacht werden darf und gemacht werden 96 HansKrah soll, ist, 20 sich innerhalb dieses gegebenen Rahmens perlekt einzurichten, diese Gegebenheiten bis ins Letzte zu erkunden: ·den Raum zu bereisen, ihn zugänglich zu machen und damit symbolisch über den Gegebenheiten zu stehen, da sie nicht beschränken. Durch Mobilität wird die konstitutive Begrenzung sekundär wieder aufgehoben, das ist ihre spezifische Leistung·. Die Fahrten mit dem Atom-U-Boot unter den Nordpol2 1 und in die tiefsten Tiefen des Meeres in Alarm in Atomville dienen nichts anderem als der Dokumentation dieser Fähigkeit und repräsentieren dieses Denken par excellence. Mobilität ist die Leitdifferenz, die nicht zwischen Atom- und anderer Technik unterscheidet; eine solche zusätzliche Unterscheidung kann korreliert sein, wie in Raketenfahrt in die Urzeit, wo sich nicht-atomare Raumfahrt und Atomexperimente gegenüberstehen, sie ist aber nicht zwingend: In Alarm aus Atomville ist das Atom-U-Boot als Gegenprogramm zu anderer, verwerllicher Forschung innerhalb der Atomforschung situiert und differenziert hier die 'gute' von der 'schlechten'. 22 3.8 Technik und Forschung sind männliche Domänen. Im positiven, unproblematischen Fall dient sie der Mannwerdung und ist zumeist nicht explizit thematisiert. In Raketenfahrt in die Urzeit kann dies exemplarisch nachgezeichnet werden: Mit den beiden Wissenschaftlern Prof. Lundholm und Dr. Sauerland ist auch der junge Reporter Fred Rauch mit an Bord der Expedition zur Venus, Als sie von dort nach einigen Abenteuern wieder zur Erde zurückfliegen wollen, bleibt Fred allein und freiwillig auf der Venus zurück. In diesem, durch die technischen Möglichkeiten der Raumfahrt erst konstituierten, 'phantastischen' Raum außerhalb der als negativ empfundenen· Gesellschaft kann sich nun der Prozeß der Mannwerdung vollziehen. Als die beiden Wissenschaftler, nun in Begleitung einer Reporterin, einige Jahre später bei ihrem Flug zum Mars Fred auf der Venus besuchen, zeigt sich, welche Wandlung mit diesem vorgegangen ist, und es zeigt sich, was ein deutscher Jungmann zu leisten imstande ist: ''Wie erstaunten sie aber, als sie ihre ehemalige Behausung wiederfanden. Der Garten, welchen sie vor Jahren angelegt hatten, war vergrößert worden. Fein säuberlich wuchsen auf den Beeten allerhand Pflanzen [...] Die Wohnung selbst war durch eine Tür verschlossen [...] im Inneren der Behausung wurden sie auch angenehm überrascht. Ueberall herrschte Sauberkeit. [ ...]An dem, was Fred während ihrer Abwesenheit geschaffen hatte, konnten sie sich nicht genug satt sehen, besonders Miß Dean staunte" (Brugg 1950: 215); "Aus dem jungen, schlanken Reporter des 'Weltbild' war ein kraftstrotzender Riese mit einem mächtigen Barte geworden. Seine Kleidung bestand aus einem aus Fasern gewebten Lendenschurze, der seine gut entwickelte, kräftige Muskulatur, sowie den von der Sonne dunkelbraungebrannten Körper sehen ließ.[...] Er[ ...] lachte über das ganze Gesicht, wobei er sein blendend entwickeltes Gebiß sehen ließ" (ebd.: 217). Fred ist ein Alleskönner, ein Siegfried-Typ, ist zum hellen, strahlenden Helden mutiert. 23 Seine männlichen Qualitäten (die er später mit Miß Dean unter Beweis stellen darl, da die beiden im Adam-und-Eva-Modell dafür Sorge tragen, daß die Menschheit nicht ausstirbt und der Text trotz Vernichtung der Erde positiv enden kann) äußern sich zeichenhaft insbesondere durch eine Fähigkeit, die er sich zentral und im Text ausführlich dargestellt aneignet: Er lernt fliegen! Im Modell 'Geierwally' raubt er aus einem hoch und unwegsam gelegenen Hort unter Einsatz seines Lebens einen Jungflugsaurier, den er zum "lebendigen Flugzeug" (ebd.: 191) abrichteC Auch dieser Technikaspekt gehört zur Männlichkeit als Extrempunkt dazu. Atomforschung und atomare Bedrohung 97 Was dagegen passiert, wenn sich Frauen zu sehr und auf eine nicht-weibliche Weise für Technik interessieren, machen Helium und insbesondere Attentat auf Universum drastisch deutlich. 24 In Attentat auf Universum wirft sich Mady Goudsmith (man beachte den Vornamen 'mad-y') zum Kapitän des Raumschiffes auf, das ihr Vater finanziert hat, hört nicht auf Warnungen, startet eigenmächtig zum Mond und verursacht den Zusammenprall mit der Sonne, der den Beginn der globalen Katastrophe auslöst. Doch dies ist nicht Sanktion genug. Bevor sie stirbt, gehen mit ihr zwei Veränderungen einher, ihre physische Attraktivität und ihren mentalen Zustand betreffend: 25 "Auf den Gesichtern liegt noch tief eingefurcht die Verzerrung dieser Minuten. Bei Mady Goudsmith wirkt die Veränderung erschreckend. Vor dem Start war siejung und schön. Jetzt hat sie fast das Gesicht einer alten Frau. Nase und Wangenknochen springen scharf heraus. Auf der Haut liegen unregelmäßige rote Flecken wie Blutschwamm" (Holk 1955: 169); ''Mady Goudsmith reckt sich als Siegerin. Haha, jetzt führt sie allein die Rakete - und ihr allein wird aller Ruhm gehören. Beschleunigung! · Höhe! Dreitausend Kilometer über der Erde! Eine Irre tanzt im trommelnden Höllenreigen der kosmischen Strahlen[...]" (ebd.: 180f.). In die männliche Domäne der Technik einzudringen, wie dies in Helium auf der topographischen Ebene geschieht, wenn Florabelle Carter Dr. Cziensky in seinem Laboratorium, als er beim Zusammenbau seiner Bombe ist, unangemeldet und ungebeten 'besucht', ist auch gekoppelt damit, den männlich dominierten Raum der 'Sexualität' anzutasten. Technik und Sexualität substituieren sich. Interesse für Technik entspricht dem der Frau nicht zugestandenen und negativ bewerteten Interesse an einer aktiven, dem Mann gegenüber fordernden und an dessen Potenz interessierten Sexualität. Diese Sexualisierung der Technik (und letztlich ihre fatalen Folgen) läßt sich im Text auf der sprachlichen Ebene sehen, wenn Florabelle über ihren Besuch lapidar berichtet, "Ich habe mir seinen Zünder angesehen" (Khuon 1949: 108), oder die Situation selbst, als sie dies tut, wie folgt beschrieben wird: "Das Mädchen hatte den Mund um ein weniges geöffnet; es war ganz im Bann dieser verderbenbringenden Maschine" (ebd.: 93). 3.9 Forschung ist in den Texten immer an Generationen gebunden. Es stehen sich letztlich immer eine Vätergeneration und eine ebenso bereits erwachsene jüngere Generation gegenüber, wobei die Vätergeneration wörtlich zu nehmen ist. Mütter sind sämtlich absent (am deutlichsten in Attentat auf Universum, wo es drei Väter-Kinder-Beziehungen gibt, bei denen immer die Mutter fehlt). 26 Es zeigt sich (mit marginalen Ausnahmen) dabei die Tendenz der Texte, Parteinahme für die junge, die neue Generation zu ergreifen. Diese ist generell positiv bewertet. 27 Denn Jugend macht gut, was die Väter 'verbrochen' haben, auf diesen Nennerläßt sich die Botschaft der Texte bringen, am deutlichsten in Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... Hier heißt es: ''Mein Vater trug die Schuld. Sein Großversuch hatte nicht zu einem Kraftwerk geführt, sondern zu einem Atombrand" (Holk 1948b: 85). Dementsprechend wird diese Schuld gesühnt, und zwar dadurch, daß der Sohn der Welt den Atommotor 'schenkt'. Wenn die Väter Einsicht zeigen, dann können auch sie selbst diese Sühne vornehmen, wie dies in Attentat auf Universum geschieht, wo sich die Väter gemein- 98 HansKrah sam ihrer Schuld versichern und sich gemeinsam für die Welt, repräsentiert im jungen Paar, ihren Kindern, opfern: "'Ich schuf die Pläne, und sie bauten die Rakete. Das ist unsere gemeinsame Schuld. Wir werden gemeinsam versuchen, sie zu tilgen"' (Holk 1955: 230). Ist die junge Generation mit einer Schuld beladen bzw. nicht eindeutig positiv, dann ist im Unterschied zur Vätergeneration das Prinzip der Läuterung favorisiert, ohne letalen Ausgang, sondern als Gewinner, wie in Alarm aus Atomville anhand Brien O'Briens und in ... und alle Feuer verlöschen auf Erden anhand Phearsons vorgeführt wird. Eingeübt werden diese dabei in das Prinzip der Beschränkung und der Rücksichtnahme auf andere, mit dem ihre ursprünglichen Pläne kollidieren. Hier ist narrativ-aktantiell das l'leue Dogma der Begrenzung inszeniert, wie es für die junge Generation zu gelten hat. 3.10 An diese Generationenorganisation schließt sich unmittelbar ein weiterer Aspekt von Technik an. Diese ist mit einem Schu/ ,d- und Verantwortungsdiskurs verknüpft. In allen Texten geht es zentral um eine Verhandlung der Kategorien 'Schuld' und 'Verantwortung'. Aus Attenat auf Universum seien noch einige prägnante Beispiele aufgeführt: "Wir sind alle schuldig, soweit Ahnungslosigkeit eine Schuld ist. Aber für unser Nichtwissen werden jene eintreten müssen, die uns etwas Falsches lehrten und uns hinderten, die Wahrheit zu erkennen" (ebd.: 202); "Keiner von euch ist persönlich daran schuld. Und doch sind wir alle schuldig, denn es gibt eine Gesamtschuld, die jeden von uns trifft" (ebd.: 239f.). Evident dürfte sein, gerade durch die Vernetzung mit den Generationen, daß sich dies als eine Verschiebung interpretieren läßt. Die eigene und eigentliche Verantwortung aus der unmittelbaren Vergangenheit der NS-Geschichte kann aufden Atomdiskurs verschoben werden, und es können hier, auf diesem neutralen Terrain, Positionen bezogen bzw. diskutiert werden. Eine zaghafte Art der Vergangenheitsbewältigung, für die der Atomdiskurs glänzend geeignet ist, ist er doch einer, der erstens eine ambivalente Bewertung zuläßt, zweitens nicht pauschal verurteilt werden kann, sondern hinsichtlich seiner Vor- und Nachteile abzuwägen ist, drittens gleichzeitig eine Zukunftsperspektive eröffnet und viertens dezidiert nicht in den Verantwortungsbereich der Deutschen fällt. 3.11 Über diese Rahmenprämissen hinaus ist Technik in den Texten optional national funktionalisierbar, in dem Sinne, daß auf diesem Terrain deutsche Befmdlichkeiten abgehandelt werden können. 28 Dies sei am Beispiel Raketenfahrt in die Urzeit etwas näher und ausführlicher skizziert. Hier gibt es auf der Ebene der Raumfahrt zu dem Unternehmen der Deutschen ein Konkurrenzunternehmen, das der Russen. Russen und Deutsche stellen im Text die einzigen Nationen dar, die über solche Forschungsprogramme verfügen. Bereits dies erscheint auffällig. Denn die Amerikaner, die die eigentlichen Träger solcher Programme im kulturellen Wissen der Zeit sind, sind vollständig ausgeblendet. Letztlich übernehmen die Deutschen den Platz der Amerikaner, so ist präsupponiert.w Doch die Verhandlung dieser 'positiven' Gegnerschaft ist marginal. Gegenfolie sind die Russen, deren Expedition und deren Charakterisierung denn in toto eine Opposition zu den Deutschen darstellt, wodurch sich deren Merkmale stilisieren und inszenieren lassen; die deutsche Seele, noch mitgenom~ men von einer unschönen Vergangenheit, kann so gesunden. Atomforschung und atomare Bedrohung 99 Während die Deutschen um.jubelt von einer "tausendköpfige[n] Menge auf dem Flugplatz in Neubiberg bei München" (Brugg 1950: 58) in aller Öffentlichkeit zur Venus starten, starten die beiden Russen Iwan Popoff und Fedor Michailowitsch heimlich von einem Leningrader Fabrikgelände aus, trotz Verbots von Kommissar Iwanowitsch. Eigentlich diesem Flug nicht gewachsen, gelangen sie nur durch Zufall zur Venus, wo sie als erstes von den Deutschen, die (selbstverständlich) schon hier sind und trotz widriger Technik durch eine menschliche Meisterleistung unbeschadet landen konnten, Hilfe einfordern. Die Deutschen sind trotz des Tons, in dem diese Bitte vorgetragen wird, (selbstverständlich) zur Hilfe bereit, wie dies Dr. Sauerland dem hier noch jungen Fred Rauch auseinandersetzt: "'Es ist unsere Pflicht zu helfen,' ermahnte ihn ernst Dr. Sauerland. 'Wir führen keinen Krieg, sondern sind Wissenschaftler. Allerdings war es von den Russen ein Leichtsinn, so ohne VorbereitmJg zu starten. So viel mir bekannt ist, sind sie ohne Einwilligung der Regierung abgeflogen, nur um uns zuvorzukommen.'" (Ebd.: 84) Zu dieser Hilfe kommt es aber nicht mehr. Die Russen machen sich, kaum auf der Venus, leichtsinnig, unvorbereitet und in planloser Abenteurerlust daran, die Venus zu erkunden. Sie entfernen sich von ihrer Rakete, ein plötzlicher Vulkanausbruch läßt einen Graben entstehen. Ergebnis: "Der Weg zur Rakete war versperrt" (ebd.: 94). Popoff nimmt Anlauf, überwindet den Graben und versucht, "ohne sich um seinen Kameraden zu kümmern" (ebd.), die Rakete zu starten. Soviel Unsolidarität wird bestraft, die Rakete samt Popoff verschwindet in einem Spalt. Der Überlebende Michailowitsch ist nur maximal drei Seiten lang zu bedauern, so allein und auf sich gestellt auf der Venus zu sein. Durch Zufall findet er die Deutschen. Diese haben ihre Expedition (selbstverständlich) planvoll und sorgfältig vorbereitet; eigentlich kann ihnen nichts passieren, wenn nicht der böse Russe wäre. Statt zu kooperieren, entpuppt er sich als genauso schändlich in seiner Gesinnung wie sein Kollege. Er raubt den Deutschen das Raumschiff: · "Ein bösartiges Lächeln glitt über sein Gesicht. 'Warum sollen die drei nicht hier bleiben und ich fliege allein zur Erde zurück. Wenn das glückt, bin ich ein gemachter Mann.'" (Ebd.: 104f.) Doch dies verursacht keine Panik bei den Deutschen. Die ausgegebene Parole lautet: sich mit den "gegebenen Tatsachen abfinden" (ebd.: 106). Schnell sind der leere Panzer einer Riesenschildkröte als Unterkunft gefunden und die typisch deutschen Werte auch auf der Venus etabliert: "'Dochjetzt möchte ich vorschlagen, unsere neue Behausung etwas wohnlich einzurichten.• Die drei betraten nun das Innere des Schildkrötenpanzers und fanden es ziemlich gemütlich; der Boden war mit Flugsand bedeckt und einige eidechsenartige Tiere verschwanden bei ihrem Eintritt blitzschnell ins Freie. Bald war aus riesigen Famwedeln ein Besen hergestellt und mit vereinten Kräften hatten sie in kurzer Zeit das Innere ihrer zukünftigen Behausung gesäubert" (ebd.: 107f.). Gemütlichkeit, Gemeinschaft, Effizienz, Sauberkeit, Ordnung, das sind wahre deutsche Tugenden. Und während Michailowitsch zwecks Ernährung unzivilisiert "gierig den Dotter, da er ja kein Feuer hatte, roh heraus[sog]" (ebd.: 99), ernähren sich die Deutschen zwar auch von Sauriereiern, allerdings auf kultivierte Weise: "An Hand einer Lupe, welche der Professor stets bei sich trug, wurde dürres Holz vor ihrer Wohnung entzündet und bald schmorten die Eier in dessen Glut" (ebd.: 108). 100 HansKrah Was den Deutschen zum deutschen Glück fehlt, ist schnell erkannt: natürlich ein deutscher Schäferhund. Damit kann die Venuswelt nun nicht aufwarten, aber dennoch fmdet sich auch dafür passabler Ersatz. Als Haustier bietet sich ein Saurier an, der, wie der Löwe in der Fabel, einen Stachel in der Pfote hat und die Deutschen mit "bittenden Augen" (ebd.: 110) auffordert, ihm diesen Dienst zu erweisen. Die Deutschen sind mannhaft genug dazu, der Saurier ist dankbar was die Russen nicht waren. Der Dachssaurier, "der sie freudig mit seinem stachelbewährten Schwanze wedelnd, begrüßte" (ebd.: 129), folgt den Deutschen wie ein Hund. Was ist aus Michailowitsch geworden? Die gerechte Weltordnung hat verhindert, daß sein Coup glückt. Diese gerechte Weltordnung äußert sich darin, daß der Russe Michailowitsch (selbstverständlich) mit der "komplizierte[n) Apparatur des Delphin" (ebd.: 112) nicht umgehen kann. Dies ist um so erstaunlicher, als zunächst von einer komplizierten Apparatur nicht die Rede war. Es gab einen Hebel, mit dem Professor Lundholm sehr einfach umgehen konnte. In dieser textuellen Umsemantisierung äußert sich die oben erwähnte positive Funktionalisierungsmöglichkeit von Komplexität. Mit ihrer Hilfe lassen sich die Protagonisten ausdifferenzieren, lassen sich die elitären Helden, die mit komplizierter Technik wie selbstverständlich umgehen können, von den positiven Laien wie den negativen Gegenspielern unterscheiden. Hier konkret: Was einem Deutschen einfach vorkommt, ist für einen Russen ein unüberwindliches Hindernis. Michailowitsch muß wieder auf der Venus landen, verläßt das Raumschiff, wird von Flugsauriern ergriffen, die mit ihm in der Luft Katz und Maus spielen, und ersäuft dabei im Meer. Das Raumschiff bleibt einige Jahre unberührt und rostfrei im feuchtwarmen Dschungel der Venus stehen, bis es die Deutschen dann immer noch funktionsfähig wiederfinden und verwenden: deutsche Wertarbeit. 4. Populärwissenschaftliche Vermittlung: Skizze ihrer Verbreitung und Funktionalisierung Was steht an Wissen in der Zeit nun zur Verfügung? Ich komme zur populärwissenschaftlichen Vermittlung. Bevor in Kapitel 5 ein Text in seiner Argumentationsstruktur detailliert vorgestellt werden soll, seien einige Stichpunkte und Beobachtungen, das Korpus betreffend, skizziert. 4.1 Ein erster Befund ist, daß die Publikationen zmn Thema quantitativ durchaus beträchtlich sind. Trotz Hiroshima ist dabei generell und im allgemeinen keine Katastrophenmentalität zu verzeichnen, kein Bewußtsein von Gefahren. Die einzelnen Präsentationen drücken eher Zukunftsfreude aus. 4.2 Zu sehen ist eine spezifische Korrelation zur historischen, geographischen Situierung, zur Nachkriegszeit; ein Aspekt, der nicht nur die Historizität dieses Wissens an sich oder die Art seiner Vermittlung betrifft. Es geht nicht nur um die Vermittlung von Wissen über Atomkraft. 30 4.3 Dem Diskurs kommt als Trägerdiskurs die Leistung zu, als Signal eines Neubeginns zu fungieren. Der Atomdiskurs nach 1945 ist neu auch in dem Sinne, daß er nicht ideologisch Atomforschung und atomare Bedrohung 101 vorbelastet ist und demgemäß neu ideologisiert werden kann. Insbesondere kann er als Anfang inszeniert werden die Atombombe stellt ein Hilfsmittel beim Großreinemachen dar. Zu sehen ist dies z.B. an der Bildung und Neugründung von Buchreihen, bei denen dann fast regelmäßig der erste Band über Atomkraft handelt: So in der Reihe 'Wissenschaft für Jedermann' , 31 in 'Orionbücher. Eine allgemein verständliche naturwissenschaftlich-technische Schriftenreihe', 32 in 'Erforschte Welt'. 33 Als nicht vorbelasteter Gegenstand kann das Schreiben über Atom sogar den unverfänglichen Neubeginn der Literatur, des Schreibens allgemein ausdrücken, über die als grundlegend gesetzte Opposition von Wissenschaft vs. Ideologie. So wird im ersten dieser Bücher von 1946, herausgegeben von der "Neues Österreich" Zeitungs- und Verlagsgesellschaft m. b. H., explizit dieser Konnex erstellt. Es heißt: ''Nach sieben Jahren geistiger Verkümmerung und Abgeschlossenheit ist das neu entstandene demokratische Österreich wieder in die internationale Völkerfamilie eingegliedert. Nach sieben Jahren kultureller Verkrüppeiung und Verstümmelung ist dem österreichischen Verlag und dem österreichischen Schriftsteller der Weg in die große, weite Welt wieder freigemacht [...] (Thirring 1946: 158; unpag.)" 4.4 Zentrale und explizit thematische Aspekte sind Popularisierung und Verbreitung. Zumeist wird dies bereits im Titel deutlich: "Die Geschichte der Atombombe. Mit einer elementaren Einführung in die Atomphysik auf Grund der Originalliteratur gemeinverständlich dargestellt"; "Wissenschaft für Jedermann"; "Orionbücher. Eine allgemein verständliche naturwissenschaftlich-technische Schriftenreihe''; ''Atom-Lexikon.Allgemeinverständliche Erläuterungen der wichtigsten Fachausdrücke der Atomphysik"; "Atomphysik in gemeinverständlicher Darstellung". Wo dieser Aspekt nicht im Titel erscheint, wird er dennoch exzessiv praktiziert, wie in Hanslians "Vom Gaskampf zum Atomkrieg" oder in Gails "Der Griff nach dem Atom". 4.5 Der populärwissenschaftliche Diskurs ist wie die Literatur von der Grundtendenz ein evaluativ positiver Diskurs bezogen auf den Gegenstand. Es geht, so läßt sich schließen, primär um die Vermittlung von Wissen: Popularisierung, 'Demokratisierung', Zur- Verfügung-Stellen von Wissen erscheinen als Wert an sich. Es geht nicht darum, was mit diesem Wissen anzufangen wäre bzw. welche Konsequenzen diese Wissensinhalte haben/ haben könnten. Es geht dezidiert nicht um eine inhaltliche Aufklärung als Grundlage einer kritisch-reflexiven Diskussion um Technik und Atomforschung. Auch hier zeigt sich, daß der Atomdiskurs weniger ein eigener und eigentlicher Diskurs ist, sondern auf verschiedene und komplexe Weise ein Trägerdiskurs. 34 4.6 Der obige Punkt ist mit folgendem zu korrelieren: Der atomare Diskurs ist kein spezifisch, qualitativ anderer als andere Wissenschaftsdiskurse, sondern ist integriert in das oben konstatierte Reihenphänomen. 35 Interessant an diesen Reihen ist gerade, daß sie ein Sammelsurium an allem möglichen bieten und damit die einzelnen Themen homogenisieren, ihnen gleiche Relevanz zusprechen, ein präsupponiertes gleiches Interesse an ihnen. Neben wissenschaftlichen Themen im engeren Sinne finden sich sehr viele Themen zum Alltag - und es finden sich nicht nur dezidiert moderne Themen, sondern auch und vor allem Traditionelles ( "Mein Bienenbuch. Ein alter Imker berichtet über seine Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse"). Gedeutet werden kann dies im Kontext eines 'Neuaufbaus des Alltags', als 102 HansKrah Orientierungshilfe für das, was sein 'darf', was als politisch-ideologisch unverfänglich gilt (vgl. die Auflistungen in Anm. 36). Signifikant ist denn, daß diese Reihen keine Themen zu Politik, Zeitgeschichte, jüngster Vergangenheit, Demokratie und ähnlichem anbieten. 36 4.7 Ein letzter Punkt sei expliziert, der aus dem Bisherigen hervorgeht. Der Diskurs ist substantiell gekoppelt an einen Anspruch, einem Auftrag vergleichbar, auf Erziehung, Bildung, Didaktik auch und gerade der Erwachsenen. Diese beanspruchte Zuständigkeit artikuliert sich z. B., wenn es für die Reihe 'Wissenschaft für Jedermann' programmatisch heißt: ''Rücksicht nehmen [...] vor allem auf die Art der Darstellung, die für die Erwachsenenbildung die geeignetste ist: Populärwissenschaft im besten Sinne des Wortes." (Thirring 1946: 153; unpag) Postuliert ist, daß diese Aufklärung einer politischen Bildung entspricht, eine solche zu ersetzen vermag. 37 5. Otto Willi Gail: Der Griff nach dem Atom. Es knistert im Gefüge der Welt (1947) - Argumentationsstruktur Als Beispiel eines solchen populärwissenschaftlichen Textes, seines durch ihn vermittelten Wissensfundus und seiner Argumentationsstrategien sei Otto Willi Gails Der Griffnach dem Atom. Es knistert im Gefüge der Welt von 1947, Band 1 der Buchreihe Erforschte Welt, ausführlicher vorgestellt. 38 5.1 Der ersten Auflage ist ein Vorwort vorangestellt (das in der dritten Auflage dann entfällt), das auch separiert als Werbeträger und Ankündigungstext (so z.B. im zweiten Band der Reihe Erforschte Welt) erscheint. Programmatisch heißt es: ''Dieses Buch ist kein Lehrbuch, sondern der Versuch, mit ganz unwissenschaftlichen Worten eine Welt zu schildern, die voller Wunder ist. [ ... ] Professor Dr. Otto Hahn hat den Physiker Dr. habil. Erich Bagge mit der kritischen Durchsicht des Textes vertraut und so dafür gesorgt, daß diese Schilderung der Wunderwelt des Atoms nicht der lockenden Versuchung erlag, die Bezirke des heute Erwiesenen zu verlassen" (Gail 1947: 6). Signifikant ist der doppelte Anspruch, einerseits auf der Ebene der Präsentation nicht-wissenschaftlich sein zu wollen und auf poetisch-rhetorische Mittel zurückzugreifen (wie dies dann durchaus auch geschieht), 39 andererseits mit Hilfe wissenschaftlicher Autoritäten, Hahn und Bagge, den Status dessen, was beschrieben wird, als verbürgtes Wissen und Wahrheit zu garantieren zu versuchen .. Was zum Kauf, zur Lektüre verleiten soll, ist primär Wissen, sind objektive Tatsachen; nach diesen besteht Bedarf, so ist zu schließen. Und die 'frischeste' Ware ist die mit dem Siegel der Experten. Zu dieser postulierten Authentizität und Wahrhaftigkeit sind zwei Anmerkungen zu machen. So schließt die obige Formulierung "die Bezirke des heute Erwi~senen" im Text durchaus Aussagen wie folgende mit ein: Atomforschung und atomare Bedrohung 103 "Freilich ist es vorläufig noch recht hinderlich, daß bei den Atomumwandlungen im Uran große Mengen von unerwünschten Stoffen entstehen, die auf die Reaktionen hemmend einwirken und den Apparat verstopfen, gewissermaßen vergiften. Aber auch gegen diese Schwierigkeiten wird sich eine Abhilfe finden lassen" (ebd.: 91); "Eine ähnliche Entwicklung wird wohl einst auch der Atommotor durchlaufen" (ebd.: 92); ''Professor Hahn schätzt die Menge der natürlichen Uranlager so ein, daß sie als Energiespender im Atomzeitalter etwa 200 Jahre vorhalten dürften. In dieser Zeit wird es aber wohl gelingen, die Kettenreaktion auch in anderen und häufig vorkommenden Grundstoffen herbeizuführen und zu beherrschen" (ebd.: 97). Zum verbürgten Wissen gehören also durchaus auch Spekulationen und Projektionen in die Zukunft, ein Tenor, der dem Buch tendenziell zugrunde liegt; die obigen Beispiele stellen keine Ausnahmen dar. Das "Erwiesene" ist ein dehnbarer Begriff, der unter Wissen, auch wissenschaftlich abgesichertem, deutlich mehr verstehen und mehr einbeziehen läßt, als in vergleichbaren Texttypen heute. 40 Die zweite Anmerkung ist im Kontext des Selbstverständnisses dieses Wissenschaftsbereiches zu sehen. Wenn als Instanzen der Wahrhaftigkeit Atomphysiker erscheinen, dann wird damit der Fokus auf die rein technische Dimension des zu verhandelnden Gegenstandes gelenkt, nur dafür, für die Richtigkeit technischer Details und physikalischer Modelle können sie eigentlich bürgen. Wenn es im Buch aber auch und zentral um die gesellschaftlichsozialen Kontexte diesei: technischen Dimension geht und eher philosophische Fragen um Sinn, Nutzen und Gefahren dieses neuen Gegenstandes erörtert werden, dann wird durch eine solche Vorgabe sowohl präsupponiert, daß auch dafür die Physiker zuständig und kompetent sindwas die Technik auf die Position des 'Außen-vor-Seins', des 'Darüberstehens' bringt -, als auch letztlich der Bock zum Gärtner gemacht: Diejenige Instanz, die ein massives Interesse hat, daß Forschung betrieben wird, 41 wird in die Position ihrer eigenen Kontrolle und Rechtfertigung gesetzt. Daß sie die dazu geforderte kritische Objektivität nicht notwendig und unbedingt aufweist, scheint evident. 5.2 Noch bevor Gail mit der Schilderung seines eigentlichen Themas, des Atoms, richtig beginnt, äußert er sich ausführlich zum Aufbau der Welt im allgemeinen, wobei er dezidiert die folgende These vertritt: "Das wahrhaft Große, das Grundsätzliche, das Wahre, ist immer einfach; [...] Wahrscheinlich ist das letzte Grundgesetz, das den Aufbau der Materie bestimmt, ganz eiufach. So einfach, daß es unser Begriffsvermögen vorläufig noch übersteigert. [...] hnmer mehr tastet sich so der menschliche Geist heran an das 'Urgesetz der Welt'. Wir wissen nicht, ob es ein solches überhaupt gibt und ob wir es je erkennen werden. Denn wahrscheinlich ist das letzte, alles umfassende Urgesetz, falls es überhaupt existiert, von einer so überwältigenden Einfachheit, daß sie alle Möglichkeiten der Anpassung unseres menschlichen Begriffsvermögens übersteigt. Diese letzte Einfachheit gehört einer anderen Geisteswelt, einer anderen Dimension an." (Ebd.: lOf.) Die "letzte Einfachheit", hier wird sie also theoretisch-wissenschaftlich fundiert und in extenso expliziert. 42 Was sich in den literarischen Texten findet, gilt als zentrale Kategorie auch für diesen Teildiskurs. 43 104 HansKrah 5 .3 Inhaltlich basiert die Beschreibung des Gegenstandes 'Atom' grundlegend auf Vergleichen und Analogien; so, und als zentrales Argumentationsschema, wenn der "Griff nach dem Atom" mit dem "Griff nach dem Feuer" (ebd.: 111) parallelisiert wird: 44 "Dem Eintritt des Menschen in die Welt des Atoms kommt eine Bedeutung zu, die nur dem ersten großen Entwicklungsschritt der Urmenschheit vergleichbar ist; der Nutzbannachung des Feuers." (Ebd.: 7) Diese Parallelisierung impliziert eine Art von Wiederholung und gibt damit das ideologische Programm vor: Die Atomforschung wird in die Menschheitsgeschichte eingebunden, sie ist nichts wesentlich anderes. Was früher geschafft wurde, mit dem Feuer, das muß jetzt mit dem Atom ebenso möglich sein. Insbesondere können damit die Gefahren, die im Umgang mit dem Atom enthalten sind, beschreibbar gemacht, in eine Vorstellung gepreßt und bewältigt werden. So die prinzipielle Zweischneidigkeit des Atoms, das wie das Feuer schaden und nutzen kann. Der Schaden ist als wesensmäßiges und notwendiges Übel mitgedacht und damit keine eigenständig zu diskutierende Größe. 45 Daß diese Hauptgefahr rekurrent als "Atombrand" bezeichnet wird, ein Terminus, der sich in den literarischen Texten rekurrent findet, ist angesichts dieser Feuerparallelisierung plausibel. Die Gefahr ist keine wirkliche, so wird mit Hilfe verschiedenerStrategien argumentiert. So wird ein Vergleich hier gerade nicht auf der Ebene der Natur, der elementaren Kräfte geführt, sondern auf der der Technik und einer dem Menschen unterstellten universellen Kollektivpsyche. Das Problem liegt nicht bei der Technik,.sondem bei der menschlichen Reaktion auf sie, und deshalb gilt es, durch Wissensvermittlung diese Reaktionen zu kanalisieren. Eine zusätzliche Strategie ist im zentralen Paradigma 'Wiederholung' situiert, das mit scholastischer Spitzfindigkeit funktionalisiert wird. In indirekter Beweisführung wird gefolgert, daß der Atombrand deshalb ausgeschlossen sei, da es ihn in der Vergangenheit nicht gegeben habe: 46 "Aber der Teufel, der hier an die Wand gemalt wird, dürfte so wenig real sein wie die 'entsetzlichen Gefahren', die man vor wenig mehr als hundert Jahren mit der rasenden Eisenbahn verbunden glaubte. Jedesmal, wenn etwas umwälzend Neues sich anbahnt, macht die Menschheit erst mal eine Angst-Psychose durch, und jedesmal wird dann ein paar Dutzend Jahre später darüber gelächelt. Es ist zwar nicht absolut unmöglich, aber doch aufs höchste unwahrscheinlich, daß so etwas wie ein unbekämptbar sich ausbreitender Atombrand jemals eintritt. Wenn dafür überhaupt eine Neigung vorhanden wäre, dann müßte sich doch schon einmal irgendwann und irgendwo auf der Erde etwas derartiges ereignet haben." (Ebd.: 84) 5.4 Neben der Gefahr des Atombrandes wird die Gefahr durch radioaktive Strahlung deutlich minimiert und als eigenständige Gefahr ausgeblendet. Gefahr stellt sie nur dann dar, wenn sie analogisiert werden kann, wobei diese Gefahr dann aber eine qua Analogie und Bild per se begrenzte ist. Verwendung findet das Bild des Giftes; konkretisiert als Adaption des bekannten und im kulturellen Bewußtsein noch virulenten Phänomens 'Giftgas': 47 "Bei den Atomreaktionen im Uran entstehen vielerlei Nebenprodukte, vor allem Gase, die durch ihre Radioaktivität geradezu Giftgase darstellen" (ebd.: 97). Strahlung selbst, wenn sie nicht als Giftgas deklariert wird, wird als Gefahr marginalisiert. 48 Sie stellt zwar eine Gefahr dar, aber erstens eine prinzipiell bewältigbare und begrenzbare: 49 "Außerdem entsteht bei der Uranspaltung auch eine durchdringende Strahlung, die sich aus Neutronen, Elektronen und Gammastrahlen zusammensetzt, und Gesundheit und Leben der an Atomforschung und atomare Bedrohung 105 den Geräten arbeitenden Menschen schwer bedroht Darum muß jede Vorrichtung, die mit Uranreaktionen größeren Stiles arbeitet, in dicke Metallwände oder Betonmauern, die diese Strahlungen mit Sicherheit [Herv. H. K.] aufhalten, eingeschlossen und durch Fernlenkung bedient werden." (Ebd.: 97) Diese potentielle Gefahr stellt zweitens nur dann eine faktische dar, wenn spezifische Prämissen erfüllt sind: "Aber mit entweichenden Neutronen ist eben nicht zu spaßen und diese rasenden Geschosse aus dem Innersten der Materie haben schon manchen Unfall verursacht So wird aus New York vom Tode eines jungen Physikers berichtet, der eigenmächtig einen Versuch an nicht genügend geschützten Geräten durchgeführt hatte und dabei von einer unvorsichtig entfesselten starken Neutronenstrahlung getroffen worden war. Wenige Stunden später war derjunge Mann tot. Sein gesamtes Mark war verdorrt, er war buchstäblich verwelkt'' (ebd.: 98; Herv. H. K.). Auch Sachtexte argumentieren also analog den literarischen Texten mit den Strategien der Personalisierung und des Verursacherprinzips. Nur ad personam kann Schaden entstehen, nicht qua strukturell-systematischem Kontext, eben nur, wenn von den vorgegebenen Spielregeln abgewichen wird. Und diese Abweichung wird dann auch prompt sanktioniert, wobei es nur den Verursacher (und keinen anderen) trifft. Interessanterweise trifft es hier, im Unterschied zur Konzeption der literarischen Texte, den jungen Forscher, nicht einen älteren (und dadurch, so ist zu schließen, einen erfahreneren). 50 5.5 Strahlung wird darüber hinaus als in einem Nutzenkontext integriert gedacht, was in direkter Abwägung mit etwaigen Schäden zu folgenden (apodiktischen) Behauptungen führt: "Jedenfalls hat die Anwendung der künstlichen Radioaktivität in der Medizin heute schon zur Entwicklung neuer Heilmethoden geführt, die bereits Tausenden von Menschen das Leben gerettet haben" (ebd.: 75); "Heute schon kann mit Recht behauptet werden, daß die Atomenergie allein durch die von ihr erschlossenen neuen Heilmethoden mehr Menschenleben gerettet hat, als durch die beiden Atombomben auf Japan vernichtet worden sind." (Ebd.: 96) Ein 'Hiroshima'-Effekt ist eindeutig nicht zu verzeichnen. Der faktische Abwurf der Atombomben löst keine nennenswerte Reflexion um Konsequenzen und Folgen aus. Statt dessen kommt es zu einer Marginalisierung durch Aufrechnung; 'Verständlich' ist dies dann, wenn ·der Abwurfkontextualisiert gedacht ist, wenn er zum einen insofern relativiert ist, als von der Tatsache ausgegangen wird, daß die Bombe berechenbare Schäden hinterlassen hat. Die Aussage, daß "mehr als die Hälfte der japanischen Großstadt Hiroshima" (ebd.: 38) zerstört wurde, läßt sich auch so lesen, daß eben auch nur etwas mehr als die Hälfte zerstört wurde. Eine Größenordnung, die angesichts zerbombter eigener Städte (Hamburg, Dresden) nicht wesentlich erschreckender ist. Hiroshima stellt dann einen Bombenabwurfneben anderen dar, der nur insofern interessant ist, als ihm eine neue Technik zugrunde liegt. 51 Zum anderen läßt sich der Abwurf auf Hiroshima insofern positiv konnotieren bzw. ohne große emotionale Betroffenheit darüber berichten, als es eben ein Abwurf auf Hiroshima war und er sich somit in deutlicher räumlicher Distanz zum eigenen Schauplatz, den es auch hätte treffen können, verhält. Bestimmt das Sankt-Florians-Prmzip das Denken, dann ist es plausibel, daß nicht weiter spezifiziert werden muß: Nagasaki muß dann auch nicht mehr eigens und namentlich erwähnt werden. 52 106 HansKrah- 5.6 Wenngleich Gail zunächst massiv für die reine Wissenschaft plädiert, für das reine Interesse an Erkenntnis, und Forschung notwendig an die Integrität der Forscherperson koppelt, so enthält sein Text eine zentrale Aporie, wie in dessen syntagmatischem Verlauf deutlich wird. Nachdem Gail mit einem Plädoyer in die Ethik der von allen gesellschaftlichen Zwängen losgelösten Wissenschaft eingeübt hat, schleichen sich peu a peu Elemente einer Funktionalität von Forschung ein: Worum es eigentlich geht, ist der Nutzen aus der Forschung, ist ihre Anwendung. Der Tenor der textuellen Argumentation dreht sich um. Das Interesse, die Begeisterung für die reine Forschung läßt schnell nach, wenn sie nicht ausgewertet werden kann. So heißt es: "Und so erscheint es, daß alle diese Atomumwandlungen, so interessant und aufregend und überaus wertvoll für die wissenschaftliche Erk~nntnis sie auch sein mögen, doch nicht den geringsten praktischen Wert haben." (Ebd.: 63f.) In diesem Kontext kann nun auch die Forschungsgeschichte narrativiert und nationalisiert werden. Denn die ''völlige Wende" (ebd,: 70), die die Forschung auf den richtigen, also anwendungsbezogenen, Weg bringt, kommt aus Deutschland: "Die Wende kam erst, als es im Jahre 1939 dem deutschen Chemiker Otto Halui gelang, zum ersten Male den schwersten und kompliziertesten Atomkern der Natur zu spalten: das Uran" (ebd.: 64). Nationalstolz, an der weltumwälzenden Entdeckung, am Gegenstand des Buches, maßgeblich Anteil zu haben, schwingt mit, wenngleich die Funktionalisierung von Forschung für nationale Befindlichkeiten bei Gail nicht so stark ausgeprägt ist; wie sie sich z.B. in Hanslians: Vom GaskampfzumAtomkriegfindet. 53 5.7 Für einige abschließende Bemerkungen zur Gesamtkonzeption des Gailschen Sachbuchs, seiner zugrundeliegenden Ideologie und deren Vernetzung im Kontext, 54 beziehe ich mich auf ein längeres Zitat aus dem Ende seiner Ausführungen: "Gewiß hat die immer weiter fortschreitende Technifizierung des Lebens bisher mehr Leid als Segen über die Menschen gebracht[...] Aber.daran ist nicht die Technik schuld, sondern nur ihre falsche, immer noch unreife Anwendung. Die üblen Erscheinungen sind nichts als Kinderkrankheiten, die dem noch sojungen Zeitalter der Wissenschaft und Technik anhaften. [...] Und was den Krieg betrifft, so steht es gewiß außer Frage, daß nur die hochentwickelte Technik des zwanzigsten Jahrhunderts dem Krieg diese furchtbare, alles zerstörende Gewalt hat verleihen können, an deren Folgen nun die ganze Welt so schwer zu tragen hat Aber darin liegt auch ein Gutes: unter dem Dröhnen der Motoren hat der Krieg die verhängnisvolle Maske des Ritterlichen, des männlich Heldischen verloren und sein wahres Gesicht enthüllt Und das ist sinnlose Zerstörung und brutaler Massenmord! Vielleicht dämmert nun doch endlich die Erkenntnis herauf, daß die Menschheit, will sie nicht völlig in primitivste Baroarei zurücksinken, nur noch einen [Herv. im Original gesperrt] großen Krieg zu führen hat, den aber unerbittlich und bis zur letzten Konsequenz: den Krieg gegen die Kriegsursachen! Und die letzte Ursache aller Völkerkriege ist die Not. Wer anders als eine sich immer höher entwickelnde Technik wäre imstande, den Kampf gegen die Not wirksam zu führen? Nur sie allein kann durch Steigerung der Produktj_on und durch sinnvoll geregelte Verteilung der Güter Not mindern und schließlich ganz besiegen. [...] Nur diese zwei Mittel können die Weltretten: die Vervollkommnung des Werkzeuges Technik und die Erziehung der Jugend zu einer seelisch-moralischen Haltung, die den Mißbrauch dieses Atomforschung und atomare Bedrohung 107 Werkzeuges künftiglich ausschließt Naturwissenschaft und Technik haben nur einen einzigen Zweck: demMenschen zu dienen, die materiellen Hindernisse, die ihn bedrängen, wegzuräumen und den Weg frei zu legen für die ungestörte Entwicklung von Geist und Seele, des Göttlichen im Menschen" (ebd.: 109f.). Auf drei Komplexe möchte ich eingehen. Erstens: Es offenbart sich im Text eine Position der Fortschrittsgläubigkeit und der Rettung der Technik, die in weiten Teilen mit Schemata argumentiert und operiert, wie sie bereits vor 1945 zur Verfügung stehen. So wird mit den Merkmalen "Vervollkommnung" und "sich immer höher entwickelnd" das Bild der Technik antizipiert, das sie als unbegrenzte konzipiert und auf einen grenzenlosen Fortschritt baut. Ebenso ist die Kriegsmetaphorik, in der die Problemlösung ausgedrückt wird ("Krieg gegen die Kriegsursachen! "), als dieses 'Paradoxon' einem 'Frühe-Modeme' -Denken des kollektiven Aufbruchs verpflichtet. Und daß dazu "allein" die Technik fähig und berechtigt ist, wodurch sie zur per se sinnhaften und sinnstiftenden Metaebene menschlichen Zusammenlebens gemacht wird (man beachte: selbst eine "sinnvoll geregelte Verteilung der Güter'' wird als zu vollbringende Leistung der Technik unterstellt; hierzu bedarf es also weder einer Logistik noch einer zu führenden Diskussion über Verteilungsschlüssel, -berechtigung, -umfang, -ethik etc.: Technik ist Zivilisation), gehört ebenfalls in dieses Paradigma. 55 Und schließlich dürfte der Glaube, die Not sei letzte Ursache aller Kriege, eine eher naive, bestimmte Fakten nicht wahrhabende bzw. ausblendende Sicht der Dinge bezeichnen, die der eigenen subjektiven Befindlichkeit dienlich ist, nicht aber einem reflektierten Erkenntnisstand entspricht, gerade in Anbetracht des Zweiten Weltkriegs. 56 zweitens: Im Vergleich zu den literarischen Texten (und auch einigen 'wissenschaftlichen', vgl. den Titel von Schaper 1948), die zwar zumeist ebenfalls prinzipiell technikfreundlich sind, 57 dies aber dezidiert innerhalb des Rahmens der selbstkonstituierten neuen Begrenzung, verwahrt sich Gail davor, der Technik eine Begrenzung auferlegen zu wollen. In dieser Position ist er aber in der Defensive, d.h., er steht vor der Notwendigkeit, diese Position explizit zu verteidigen und zu rechtfertigen. Dies ist eine der Veränderungen, die sich im Vergleich mit 'vor 1945' einstellt. Bei dieser Rettung der Technik bedient er sich zum . einen des teleologischen Modells der Aufklärung, die die Menschheitsgeschichte qua Metaphorik der Altersstufen wieder sinnvoll zu machen versuchte. Nun sind es aber nicht die Völker, die verschiedene Alter repräsentieren, sondern das Zeitalter selbst wird anthropomorphisiert. Zum anderen werden die negativen Folgen der Technik positiv umbewertet, indem sie semiotisiert werden. Sie sind Zeichen, wie es nicht sein soll, und lassen sich so appellativ funktionalisieren. Drittens: Neben dieser Veränderung gibt es eine zentrale und insofern signifikante, als sie als eigenständiger Falctor den Platz der Technik als alleiniger Weltrettung streitig macht und diese insofern (in Maßen) relativiert: die Erziehung derJugend "zu einer seelisch-moralischen Haltung", wie es heißt. Ein Konstrukt, das eindeutig den neuen Verhältnissen geschuldet ist (und nicht auf die Frühe Modeme zurückgeht, wo Jugend zwar auch zentrale Denkkategorie, aber nicht zu erziehen, sondern von sich aus 'bewegt' war), als pädagogisch angelegte Neuregelung und Neuorganisation der Gesellschaft und deren Rekonstituierung. Wer wen dabei zu maßregeln hat ('anständig' macht), dabei gehen die Meinungen allerdings auseinander (Gail läßt wohlweislich die Frage nach dem Agens, wer denn die Jugend erziehen soll oder kann etwa die Altnazis? -, offen). Wie die dafür propagierten Modelle in den literarischen Texten zeigen, besteht zwar Konsens über die Differenzierung nach Generationen; die Perspektiven, wer dieses Verhältnis wie regelt, stehen sich aber diametral gegenüber. 108 HansKrah Anmerkungen Die Begriffe 'Denken', 'Diskurs' und (kulturelles) 'Wissen' sind analog der Präzisierung von Titzmann 1989 und Titzmann 1991a verwendet. 2 Zum Zusammenhang dieser Katastrophen mit globalen Katastrophen und zur Verortung in diesen Diskurs siehe Krah 2000, insbesondere 285-325. Zu einem Überblick über das Verständnis von Raum und Narration siehe Krah 1999. 3 Zum historischen Kontext: hnJanuar 1950 gibt Präsident Truman den Entschluß bekannt, die Wasserstoffbombe zu bauen; im Mai 1951 findet ein Versuch einer Wasserstoff-Kernfusion auf den Marshall-Inseln statt; im November 1952 wird die erste amerikanische Wasserstoffbombenexplosion auf der Insel Elugelap im pazifischen Ozean getestet; am 1. März 1954 folgt die amerikanische H-Bombe auf Eniwetok im Bikini-Atoll (dazwischen liegt im August 1953 die Explosion der ersten russischen Wasserstoffbombe). 4 So etwa in Helium, Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... , Die Erde brennt. 5 Interessant ist die Konzeption in Attentat auf Universum: Hier wird anachronistisch und ernsthaft auf die Hohlwelttheorie als Rahmen der Welt Bezug genommen, innerhalb dieser Welt wird dann 'modern' argumentiert. 6 In Attentat auf Universum wird ein "Unterschied zwischen Forschem und Hasardeuren" (Holk 1955: 117) gesetzt, in Helium sagt Dr. Cziensky von sich: "Ich habe gespielt mit dem höchsten Einsatz, der möglich war: mit der Welt" (Khuon 1948: 251). 7 So etwa Anthony Dalton aus ... und alle Feuer verlöschen auf Erden, Brian O'Brien aus Alann aus Atomville, James Curron aus Attentat auf Universum. Daneben findet sich der Typ des verführten Wissenschaftlers (Parisi in Raketenfahrt in die Urzeit); dieser stellt im Korpus ein marginales Phänomen dar. 8 In Raketenfahrt in die Urzeit wird zuerst mit Fred Rauch und dann mit Lily Dean ein Reporter resp. eine Reporterin auf den Flug zur Venus resp. zum Mars mitgenommen. Ähnliche Modellierungen um Exklusivberichte gibt es in Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... und Alann aus Atomville. Auch auf den Beobachterschiffen in Helium sind Reporter vertreten. Zusätzlich wird hier die Darstellung der Zündung des Flugkörpers und des Verlaufs seinerFlugbahn als Liveberichterstattung des jeweiligen beobachtenden Reporters inszeniert. 9 Ähnliche Konzeptionen finden sich in Oskar Maria Grafs Die Erben des Untergangs; siehe Krah 2000: 276ff. 10 Eine solche Semantik des Experiments findet sich in Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... , Helium, Raketenfahrt in die Urzeit, Alann aus Atomville, in Jahnns Der staubige Regenbogen und Langes Blumen wachsen im Himmel. Der politische Slogan der Zeit, 'Keine Experimente', scheint also auf einer gemeinsamen Grundsemantik zu basieren. Dem Experiment steht systemisch als prinzipiell positiv konnotierte wissenschaftliche Betätigung und 'Forschungsleistung' die Expedition gegenüber. 11 Dementsprechend geht es um die Reversibilität von Experimenten ("Eine Atomreaktion ist durchgegangen, und wir haben die Kontrolle darüber verloren. Es handelt sich darum, die Herrschaft über das Experiment wieder zurückzugewinnen"; Dolezal 1956: 143), was allerdings nur in utopischen Konstellationen wie in Alann aus Atomville funktioniert. 12 In diesem Kontext heißt es über das Verhältnis von Nathon und Cziensky: ''Eine seltsame Kraft schien zwischen ihnen zu wirken. Sie zogen einander an wie ungleichnamige Elektrizitäten" (Khuon 1949: 242). 13 Es heißt: "wer weiß, ob nicht durch das Freiwerden von Riesenenergiemengen ein Atombrand entstünde, dem vielleicht die gesamte Erde zum Opfer fallen könnte" (Brugg 1950: 156). 14 Explizit findet sich diese Koppelung in Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ..., wenn es heißt: "Ich biete Ihnen den Atommotor die Welt ohne Kohle und Öl beliebige Kraft aus unerschöpflichen Reserven die Energiequelle des kommenden Jahrtausends unbeschränkte Entwicklung aller Industrien eine Welt ohne Not" (Holk 1948b: 35f.). Auch bei Gail (siehe Kap. 5) wird die Verbindung expliziert und sogar als Sinn gesetzt: "ein Gramm Uran könnte mit den heutigen Mitteln der Atomtechnik 2 Zentner, bei vollständiger Spaltung aller Atome aber 2 Tonnen und bei völliger Entmaterialisierung 200 Bahnwagen (3000 Tonnen) Kohle ersetzen. Und darin liegt der Sinn des eben anbrechenden Zeitalters der Atomenergie; denn die Kohlevorräte der Erde gehen in absehbarer Zeit zu Ende" (Gail 1947: 102). 15 Mit dem 'einfachen' Eisenstab wird auf eine 'einfache' Analogie angespielt: '"Da gab es einmal einen Mann, der behauptete, durch einfache Drehung eines Eisenstabes Elektrizität produzieren zu können genug Elektrizität, um die ganze Welt damit zu versorgen. War dieser Mann verrückt? ' 'Selbstverständlich war er verrückt. Mit einem Eisenstab ...? ' •Augenblick, bitte. Dieser rotierende Eisenstab nebst einigem Zubehör heißt Dynamo. Und er liefert der Welt tatsächlich eine ganze Menge Elektrizität."' (Holk 1948b: 42f.) Atomforschung und atomare Bedrohung 109 16 Vgl. dazu Krah 2002. 17 Ein weiteres Beispiel in diesem Kontext wäre Hans Henny Jahnns Der staubige Regenbogen (1959). 18 Gegenüberstellen lassen sich die Raumfahrt in Raketenfahrt in die Urzeit, das Atom-U-Boot in Alann aus Atomville und der Atommotor in Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... den Raumveränderungen durch die Experimente des Vaters in Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ••. , durch Atombomben wie in Helium und Die Erde brennt, durch Enteisungs- oder Flutungsprojekte wie in Raketenfahrt in die Urzeit und ... und alle Feuer verlöschen auf Erden. Deutlich werden zwei Kriterien. Zum einen darf Technik nicht in Opposition zur Natur geraten und diese, den Plan der Schöpfung, nicht wesentlich verändern, sei es Mensch, wie oben skizziert, oder Raum. Zum anderen wird Forschung und Technik in Relation zum Raum gedacht. Raumtransformation, Raumveränderung an sich, quasi als Metamorphose und Metaereignis ist nicht legitim und führt auch bei positiver Absicht zu negativen Folgen (die Urbarmachung entspricht der Sintflut). 19 Diese Argumentation zeigt sich etwa deutlich in Langes Blumen wachsen im Himmel, und sie unterscheidet sich deutlich - und läßt sich gerade in dieser Unterscheidung konturieren von der in Grafs Die Erben des Untergangs oder des Films THINGS TO COME (vgl. Anm. 55). 20 Raumveränderung ohne Technik, auf traditionelle Weise durch Pioniertätigkeit: Land aneignen und roden, ist von diesem Verdikt nicht (unmittelbar) betroffen, wenngleich die deutschen Texte diese Dimension im Unterschied zu vergleichbaren amerikanischen (vgl. Krah 2000)-eher nicht thematisieren und im Diskurs per se ausblenden. 21 Zum historischen Kontext: hn Januar 1955 findet die erste Fahrt des mit Atomenergie betriebenen amerikanischen U-Bootes "Nautilus" statt; im August 1958 (Alann aus Atomville ist 1956 publiziert) fahren die beiden Atom-U-Boote "Nautilus" und "Skate" unter dem Eis des Nordpols hindurch. 22 Die Ausnahme, daß die Raumfahrt als Repräsentant von Mobilität in Attentat auf Universum negativ erscheint, ist nur eine scheinbare. Raumfahrt ist hier deshalb negativ, da sie innerhalb der dargestellten Welt der Hohlwelt mit dem Axiom der Begrenzung kollidiert; sie ist es, wie die Rettung über eine zweite, positiv konnotierte Rakete zeigt,. da die erste Rakete zusätzlich an bestimmte negative bzw. fehlende Modalitäten geknüpft ist, wobei die Einfachheit, die für die zweite Rakete, gilt, die eine ist; eine weitere ist in Kap. 3.8. aufgezeigt. 23 Vgl. zur Tradition dieser Konzeption Titzmann 1991b. 24 Etwas komplexer, im Ergebnis aber nicht von der allgemeinen Konzeption abweichend, verhält es sich in ... und alle Feuer verlöschen auf Erden. Hier ist mit Sumi eine Frau vertreten, die Anteile beider Konzeptionen, der 'normalen' wie der abweichenden, in sich vereint. Surni verursacht durch ihre Forschung "den elektrischen Stuhl in der Westentasche" (Holk 1948a: 152), das Mordwerkzeug 'mutierter' Permostat, kann aber über die Narration und einen symbolischen, fingierten Tod ihre 'negativen', unweiblichen Anteile verlieren. 25 Vgl. auch: "Mady Goudsmith sieht furchtbar aus. Thr Haar ist wirr, ihr Gesicht hektisch rot, ihre Augen übernatürlich groß und fiebrig. [ ... ] Wohl niemand von ihren Freunden hätte sie in diesem Augenblick erkannt. Es liegt etwas Megärenhaftes über ihr" (Holk 1955: 174). 26 Dies gilt auch für Die Erde brennt, Helium, ... und alle Feuer verlöschen auf Erden, Alann aus Atomville, Vielleicht ist morgen schon der letzte Tag ... Zudem handelt es sich zumeist um leibliche Vater-Kind-Beziehungen. Auffällig ist dabei, daß positive Väter, die sich dadurch auszeichnen, daß sie ihr Wissen freiwillig an die junge Generation weitergeben, wie in Raketenfahrt in die Urzeit und ... und alle Feuer verlöschen auf Erden, immer nur metaphorische Väter sind. Ähnliches gilt für Zweiholz und den Außenminister in Helium. 27 In Die Erde brennt überwindet die junge Generation im Paar Marja und Jan Morris sogar die Systemgrenzen zwischen Pelargonien und Dahlien, also USA und UdSSR. In Helium stellt es sich etwas komplexer dar. Hier gibt es drei Generationen. Die älteste ist positiv, allerdings bereits nicht mehr in den Positionen, in denen sie etwas gegen die mittlere Generation ausrichten kann. Entweder stirbt sie wie Zweiholz oder tritt resigniert zurück wie der Außenminister. Die mittlere Generation repräsentiert das, was in den anderen Texten die ältere Generation vertritt: Schuld und Verantwortung, wobei es innerhalb dieser Generation zwischen den beiden geistigen Kindern von Zweiholz, Dr. Cziensky und Dr. Nathon, zum (Zwei-)Kampf zweier Prinzipien kommt, bei dem sich das positive, Verantwortung übernehmende, wiederum aufopfert und die Welt rettet, die das negative Prinzip, figuriert im Sündenbock Cziensky, aufs Spiel gesetzt hat. Positiv ist dann wiederum eindeutig die junge Generation, wie anhand Kingsons ('Kings Son') gezeigt wird. Davon, von einer positiven Bewertung, bleiben abweichende Frauen wie Florabelle selbstverständich ausgenommen. 28 So etwa in Die Erde brennt oder in Karl Aloys Schenzingers Atom. Bereits die Namensgebung und -verteilung, Dr. Cziensky (als der Böse) und Dr. Friedrich(! ) Nathon, in Helium läßt sich in diesem Kontext lesen. 110 HansKrah 29 Wie sich der Text die Einbindung von Amerika vorstellt, und den Platz, der Amerika zukommt, wird an der Reporterin Miß Lily Dean, der einzigen Amerikanerin des Textes und der einzige Verweis auf die Existenz Amerikas im Text überhaupt, verdeutlicht: Einverleibung durch Heirat, wobei die Rollenverteilung und die Unterordnung der (amerikanischen) Frau klar vorgegeben sind. Bereits dies ist eine Projektion, mit der der Text den umgekehrten 'Normalfall' amerikanischer Besatzungsoldat heiratet/ schwängert Deutsche (und der deutsche Mann hat das Nachsehen) - 'verarbeitet'. 30 Dies ist gerade im Vergleich mit den jeweiligen späteren Auflagen zu sehen. Diese zeichnen sich zwar auch durch Aktualisierung des Fachwissens aus, aber nicht nur. Auch ein veränderter Modus und Gestus· der Präsentation ist zu verzeichnen. Vgl. Anm. 40. 31 Band 1 der Reihe: Thirring 1946. 32 Band 1 der Reihe: Völcker 1946. 33 Band 1 der Reihe: Gail 1947 (Band 2: Ders., Physik der Weltraumfahrt); in der Jugendbuchreihe 'Was ist Was' nimmt die Atomenergie, Barr 1962, (nur mehr oder immerhin) Band 3 ein (nach 'Unsere Erde' und 'Der Mensch'). 34 Ein Wandel im Denken zeichnet sich so die These erst mit der Wasserstoffbombe ab; die tatsächlichen Katastrophen von Hiroshima und Nagasaki. sind dafür wenig relevant; vgl Kap. 5.5. 35 Auch dort, wo keine direkte Reihe ersichtlich ist, etwa bei Dogigli 1949, finden sich integrierte Verlagsankündigungen gerade von Werlcen, die einen solchen Reihenkontext suggerieren (Hans-JoachimFlechner, Experimente - Formeln - Erkenntnisse. Aus der Werkstatt der Forschung. [ ... 1- Paul de Kruif, Bezwinger des Hungers. Ein Buch von Forschern und Entdeckern. [ ... ] - Curt Thesing, Wunder der Fortpflanzung. Eine Einführung in das Wesen des Lebens. [ ... ] -Curt Thesing, Geheimnisse des Lebens. Ein Streiftug durch das Reich der Biologie.). 36 Zum Beispiel die Reihe Wissenschaft für Jedermann, hrsg. von Dr. Walter Hollitscher: "Das· vorliegende Bändchen leitet eine in unserem Verlag erscheinende Serie von insgesamt etwa 60 Büchern ein, die folgende Gebiete umfassen: Allgemeine Geschichte, Anthropologie, Geschichte der Technik und Kultur, Physik und Chemie, Biologie und verwandte Gebiete, Medizin, Geologie, Soziologie, Mathematik, Astronomie. [ ... ] Obwohl dem breitestenLeserpublikumzugänglich, wirdjedes der Werke auch dem Fachmann Neues sagen. Die Autoren werden besonders auf die Bedürfnisse der Studenten in den Oberklassen der Mittelschule und den ersten Universitätsjahren Rücksicht nehmen und vor allem auf die Art der Darstellung, die für die Erwachsenenbildung die geeignetste ist: Populärwissenschaft im besten Sinne des Wortes. [ ... ]Zunächst ist die Herausgabe folgender Bändchen geplant: J. B. S. Haldane: Wissenschaft des Alltagslebens. Eine Sammlung ganz kurzer Artikel über die wissenschaftlichen Grundlagen alltäglicher Erscheinungen. Meisterhaft geschrieben, voll neuartiger Forschungsergebnisse und origineller Wendungen. -Sir John BoydOrr: Nahrung und Volk. Ein populäres Buch des berühmten britischen Ernährungsfachmannes, der heute die Ernährungsabteilung der 'Vereinten Nationen' leitet. Höchst aktuell und inhaltlich unübertrefflich. - Graham Clark: Von der Wildheit zur Zivilisation. Dieser Band stellt den ersten einer historischen Monographienserie dar, die fortlaufend auf deutsch herausgebracht werden soll. -J. G. Crowther: Das Universum (I und II). Eine allgemeinverständliche Schilderung des modernen Weltbildes. -B. Farrington: Die griechische Wissenschaft und was sie bedeutet. Eine Geschichte der ionischen Naturphilosophie. Gründliche Diskussion der historischen Wurzeln der Wissenschaft in Gewerbe und Handwerk. Ein glänzendes Buch, das sowohl den Historiker wie den Philosophen und Naturwissenschaftler angeht und dem Laien den Zugang zu diesen drei Disziplinen in aufklärendster Weise ebnet'' (Thirring 1946). Zum Beispiel die Reihe Orionbücher, hrsg. von Erich Lasswitz: "Jeder Band ist illustriert und in sich abgeschlossen. Folgende Bände sind erschienen oder vorgesehen: E. Völcker: Atomkräfte. Geschichtliche Entwicklung der Atomphysik bis heute und Ergebnisse der neuzeitlichen Atomforschung. - 0. Dächsel: Mein Bienenbuch. Ein alter Imker berichtet über seine Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse. - E. Lasswitz: Schreiben und Rechnen. Vom Ursprung der Schrift und der Zahlen, ihrer Entwicklung und praktischen Anwendung. -F. Bolle: Vögel um uns. Eine Einführung in die Fülle der Erscheinungen unserer heimischen Vogelwelt. - W. Stanner: Wellen weisen. den Weg. Das Wesen der elektromagnetischen Wellen und ihre Bedeutung für den Verkehr wird erklärt. - H. Bollow: Ameisen und Termiten. Von den Geheinmissen des Lebens der staatenbildenden Insekten. - Ed. Pfeiffer: Wänne und Kälte. Physik der hohen und tiefen Temperaturen und ihre Anwendungen in der Technik und im täglichen Leben. - K. Grimm: Lebensstoffe. Vitamine, Hormone, Fermente und Enzyme und ihre Bedeutung für den lebenden Organismus,. - 0. Appelt: Kleine Pflanzenkunde. Bau und Lebensäußerungen der Pflanzenwelt werden im Rahmen der einheimischen Flora geschildert. - W. Stanner: Kleine Sternenkunde. Anleitung zur Beobachtung des Sternenhimmels und Darstellung der neuzeitlichen Anschauungen über den Bau der Sterne und des Weltalls. - F. Bolle: Kleine Tierkunde. Bau und Leben der als Voraussetzung für das Verständnis der Vorgänge im lebenden Organismus [sie! ]. - K. Schmort: Süße Stoffe. Was ist süß und wie Atomforschung und atomare Bedrohung 111 entstehen die süßen Stoffe? - E. Lasswitz: Kräfte im Haushalt. Wirkungen und Verwendung der Energie im Leben des Alltags. - J. Hausen: Kunststoffe. Geschichte, Wesen, Herstellung und Bedeutung für Technik, Wirtschaft und Haushalt" (Völcker 1946). Solche Reihen gibt es selbstverständlich auch bereits in der Frühen Modeme. Nicht das Reihenphänomen an sich, sondern seine spezifische (historisch-ideologische) Funktionalisierung scheint signifikant. So handelt es sich um neue Reihen, nicht um Wiederaufnahmen oder Fortsetzungen, und diese sind nicht mehr primär für die Jugend oder eine bestimmte soziale Schicht, sondern 'entdifferenziert' für alle. Daß es die 'Reihe' bereits gibt und auf diese Form zurückgegriffen werden kann, ist darüber hinaus funktional, da nichts wirklich Neues geleistet werden soll, Traditionen als Modelle symbolischen Aufbruchs gesucht sind. 37 So heißt es bei Gail ( 1948: 7): "Wir sollten dafür sorgen, daß die technischen Wissenschaften in die breite Masse dringen, damit die versklavende Bewunderung dem nüchternen Wissen weiche. Großes Wissen einer kleinen Anzahl birgt stets die Drohung der Entartung und der Diktatur das Mitwissen von Millionen aber kann dieser Drohung begegnen. Die Menschheit muß endlich lernen, mit dem wunderbaren, aber scharfen Werkzeug 'Technik' umzugehen; und wenn jeder einzelne sein Wissen erweitert, dann lernt die Menschheit". Als ob es in Hitlerdeutschland an der Technik gelegen hätte! 38 Otto Willi Gail betätigte sich seit Ende der 20er Jabre als Wissenschaftsjournalist und Autor populärwissenschaftlicher Bücher, zunächst über die Raumfahrt. Dem gingen eigene literarische Produktionen voran, so die beiden Romane über die Weltraumfahrt, Der SchzifJ ins All (1925) und Der Stein vom Mond (1926), in denen er die Theorie von Hermann Oberth adaptierte und popularisierte (vgl. Krah 2002). Ernst von Khuon bezieht sich in seiner Vorbemerkung zu seinem Roman Helium explizit auf Gail: "Die Idee gab Otto Willi Gail". Interessanterweise ist in Gail über die Wasserstoffbombe, die den Gegenstand von Helium bildet, nichts zu lesen. 39 Dies ist, so ist präsupponiert, die dem Gegenstand adäquate Beschreibung eine 'Wunderwelt' läßt sich nicht nüchtern wissenschaftlich wiedergeben, so ist zu schließen. 40 Auch ein Vergleich mit der dritten Auflage von 1958 würde bereits interessante und signifikante Veränderungen zeigen. Nicht nur, daß hier Erkenntnisse hinzukommen, die 1947 noch im Prozeß der Erforschung und Entdekkung sind, auch das, was als seriöse Art der Darstellung gilt, inwiefern etwa Wissenselemente in die Zukunft hochgerechnet werden, unterscheidet sich deutlich. Dies hat mit einem gewandelten Wissenschaftsethos und einem gewandelten Verständnis dessen zu tun, was als populärwissenschaftliche Aufbereitung gelten und wozu sie dienen soll; dies hängt auch mit den Umständen der unmittelbaren Nachkriegssituation und einem gewandelten Schreibimpetus in diesem Kontext zusammen (vgl. hierzu allgemein zur Historizität von Wissen Richter/ Schönert/ Titzmann 1997). Der Duktus der 'Hochrechnungen' erschwert die Entscheidung, was in literarischen Texten noch abgesichertes Wissen, was literarische Fiktion ist; dies schafft eine 'Grauzone', die 'ästhetisch' besetzt wird. 41 Vgl.etwaHahno.J. 42 Ein weiteres Beispiel: "Aus Bewegungsgeschwindigkeit, Bahnkrümmung und Stärke des magnetischen Kraftfeldes läßt sich die gesuchte Masse mit Hilfe ganz einfacher Fonneln berechnen" (Gail 1947: 28). 43 Die Frage nach einem direkten Einfluß Gails dürfte müßig sein: Auszugehen ist von gemeinsamen Grundannahmen (der Epoche), die das Denken strukturieren. 44 Mit dieser Parallelisierung werden zudem die Paradigmen für 'Vergangenheit' und 'Gegenwart' konstitniert; Grundparadigmen menschlicher Zivilisation, die Gail dann auch für die Zukunft mit der Raumfahrt fortschreibt: "Mit der Eroberung des Weltenraumes wird die Menschheit in die dritte große Phase ihrer Entwicklung eintreten. Die erste war der Griff nach dem Feuer, die zweite der Griff nach dem Atom" (Ankündigungstext für Otto Willi Gails Physik der Weltraumfahrt, Khuon 1949: 264). 45 Nicht nur im Vergleich mit dem Feuer, auch in der Beschreibung an sich wird diese Ambivalenz immer wieder artikuliert, wobei sie ontologisch metaphorisiert wird und demgemäß unabhängig von menschlichem Einfluß ist. Einige Beispiele: "'Uranium' ist der Name des Stoffes, der die Welt mit tiefstem Grauen und höchster Hoffnung erfüllt hat" (Gail 1947: 69); ''Es ist, als ob der Name 'Uran' schon eine Vorahnung dieser Bedeutung enthielte" (ebd.); Plutonium gehört zu den ''unheimlichen Überelementen" (ebd.: 81); "Pluto ist in der griechischen Götterwelt der Gott des Reichtums undder Dämon der Hölle" (ebd.). 46 Unausgesprochen bleibt dabei insbesondere der Sachverhalt, daß sich die Welt nicht von selbst, ohne menschliche (technische) Beteiligung, atomar in Brand setzt. 47 In Helium heißt es analog: "[ ... ] der Nebel um unser Schiff trägt zuviel Strahlungsgift'' (Khuon 1949: 229). 48 Etwas, was sich in der dritten Auflage 1958 dann doch grundlegend wandelt (vgl. Gail 1958: lllff., insbesondere 113). Die Gefahr der Strahlung und deren Eigenständigkeit im 'Atomdenken' dürfte mit dem Diskurs um die Wasserstoffbombe korrelieren. 112 HansKrah 49 Zum Vergleich ein entsprechender Passus bei Hanslian 1951, der sich nicht mit den Präliminarien der Gefahren in Forschungseinrichtungen aufhält, sondern gleich zur Sache kommt. Über die Wirkung der Atombombe und den Schutz davor doziert er: "Der Hitzeblitz dauert etwa 1-2 Sekunden[ ... ] Eine normale Ziegelmauer bietet bereits genügend Schutz gegen die Hitzestrahlen [ ... ] Die Druckwirkung der Explosion erscheint geringer als man allgemein angenommen hatte [ ... ] Gute Luftschutzunterstände bieten vollkommen Schutz gegen die Druckwirkung der Atombombe. Auch erscheinen Volltreffer auf Unterstände nahezu ausgeschlossen, da die Atombombe voraussichtlich in der Luft zur Explosion gebracht wird. Die dritte Atomexplosionserscheinung ist die Strahlenwirkung oder die Radioaktivität [ ... ] Gewöhnliche Hausmauern und einfache, erdüberdeckte Unterstände gewähren in jedem Falle so weit Schutz, daß der Körper nicht von einer tödlichen Dosis getroffen wird. Dickes Mauerwerk und eine Erddecke von über einem Meter Stärke schützen völlig." (Hanslian 1951: l 16f.; Herv. im Original gesperrt): Entproblematisierung durch das 'Duck and cover'-Prinzip. 50 Zudem wird hier auf einen (medizinisch-pädagogischen) Topos verwiesen. Die Schilderung der Todesumstände legt durch das Referieren auf die Leitdifferenz Jugend-Alter und die Zeichenhaftigkeit des (Rücken-)Markverlusts ("verwelkt") Konnotationen zu einer altbekannten jugendlichen (sexualmoralischen) Sünde nahe. 51 Die allgemeine Aussage des Textes, "Alles Neue hat Opfer verlangt" (Gail 1947: 99), die zwar nicht direkt auf Hiroshima bezogen ist, läßt sich auf einer abstrakten Ebene dann durchaus auch darauf beziehen. hn Text wird sie als Resümee eines Beispiels aufgeführt, das die prinzipielle Gegenwärtigkeit von Gefahr beijeder Forschung anzeigt und damit den Status von Forschung als per se besondere Leistung dokumentiert: "Alles Neue hat Opfer verlangt. Auch Max Valier, der Pionier der Mondrakete, wurde im Jahre 1930 von einem seiner eigenen . Geschöpfe getötet: eine explodierende Versuchsdüse drang ihm ins Herz" (ebd.). Interessant° ist dieses Zitat gerade im Vergleich mit dem Beispiel des "jungen Physikers". Interessant insofern, als hier das Verursacherprinzip positiv urnbewertet wird und der Verursacher als Opfer von Forschung, die ihren Tribut fordert, heroisiert werden kann. Die unterschiedlichen Todesumstände (und die Nationalität) dürften beim Funktionieren einer solchen Operation eine Rolle spielen. 52 Der Hinweis auf "die beiden Atombomben" ist denn auch der einzige im ganzen Text, der auf Nagasaki verweist. Auch im Glossar findet die Stadt keine Erwähnung. 53 Einige Kostproben aus dem fünfzehnten und letzten Kapitel von Hanslian ( 1951: 125ff.), "Und Deutschland? " betitelt: "Kein Volk der Erde hat neben den Griechen der gesitteten Welt so unvergängliche geistige Werke geschenkt wie die Deutschen. Von ihren wissenschaftlichen Großtaten legt auch diese Studie beredtes Zeugnis ab, und die klassischen Werke deutscher Denker, Dichter und Tonschöpfer stehen als funkelnde Sterne am Firmament und strahlen Trost und Beglückung den Völkern auch in finsterster Nacht. [ ... ] Auch auf die Gefahr hin, sich einer Übertreibung schuldig zu machen, soll hier gesagt sein, daß die Haltung Deutschlands für den Ausgang der drohenden Auseinandersetzung mitbestimmend und wesentlich sein wird[... ] Eine Neutralität Deutschlands, von manchen heute empfohlen und gepriesen, ist ein Unding. Deutschland muß sich in der einen oder anderen Richtung entscheiden, und für wen es sich entscheidet, dem wird letzten Endes der Sieg zufallen." - "[ ... ] dieses Handeln ist ohne Deutschlands Mitwirkung nicht möglich. Deutschland hat jetzt die gro~ Chance, begangenes Unrecht durch seine Tatkraft wieder gutzumachen und dadurch gleichzeitig sich selbst und anderen Ländern Europas zu helfen. Möge es diesen geschichtlichen Augenblick in seiner ganzen Tragweite erkennen und entsprechend handeln! " (Ebd.: 132). 54 Ideologie ist hier im neutralen Sinn von Paradigmenvermittlung des Wünschenswerten verstanden, ist also diskursiv definiert als Regulationsprozeß, der bestimmte Werte als Werte zu setzen und über bestimmte Verfahren zu vermitteln versucht, der Normen und Verhaltensregularitäten aufstellt, Sinn definiert und Konsens schafft, Gefühle und Affekte moduliert und verhindert, daß potentiell kritische Bedeutungen kritisch in Relation zum jeweilig konstituierten Modell entstehen und artikuliert werden. 55 Zu sehen etwa in dem Film THINGS TO CoME (GB 1936, William Cameron Menzies) und (ebenfalls wie bei Gail als Relikt nach 1945) in Oskar Maria Grafs Die Erben des Untergangs. Siehe hierzu ausführlich Krah 2000: 237-296, und Krah 2002. 56 Gail daraufhin (als Folgerung der Textpropositionen) zu unterstellen, daß er damit den zweiten Weltkrieg und den Anteil der Deutschen daran rechtfertigtes muß ja wohl eine Not der Deutschen gegeben haben, Stichwort 'Volk ohne Raum' -, geht wohl zu weit; statt dessen dürfte diese Formulierung als Indiz für die 'Naivität' des Gesamtdiskurses zu deuten sein. Die betreffende Textstelle ist denn in der 3. Aufl abgeändert/ abgeschwächt zu: "Eine der Ursachen aller Völkerkriege ist die Not" (Gail 1958: 125). 57 So, wenn in Alarm aus Atomville die Rettung der Fortschrittsgläubigkeit dadurch erreicht wird, daß eine Simulation des 'Ernstfalls' und dessei: i Bewältigung durchgespielt wird. Das Ergebnis heißt: alles unter Kontrolle, jeder Situation gewachsen. Atomforschung und atomare Bedrohung 113 Literaturverzeichnis Barr, Donald 1962: Atomenergie. Wissenschaftliche Überwachung durch Dr. Paul E. 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