eJournals Kodikas/Code 27/1-2

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2004
271-2

Wege zur Sprache: Wilhelm von Humboldt und Frankreich

61
2004
Sarah Bösch
Markus Meßling
L'article introduit à la problématique de recherche du présent volume qui porte sur le rôle de la pensée linguistique humboldtienne sous son double aspect philosophico-empirique dans les relations réciproques entre Wilhelm von Humboldt et la France. Dans une première partie, nous voudrions montrer que Humboldt a reçu pendant son second séjour parisien de multiples impulsions pour ses propres recherches sur le phénomène langagier dont au moins deux seront d'une importance décisive pour son futur projet linguistique: d'un côte, la dimension anthropologique de ses préoccupations linguistiques, c'est-à-dire le fait que ses réflexions sur la traductibilité des langues et cultures anciennes s'ouvrent par l'expérience d'une réalité sociale différente et dans le contexte des projets anthropologiques des Idéologues à une nouvelle dimension herméneutique; de l'autre, le maintien des relations spéciales avec le champ scientifique française, comme le révèlent ses études sur l'égyptien, le chinois et le polynésien. Dans la perspective inverse qui étudie la reception de l'ɶuvre humboldtienne en France une conclusion analogue s'impose. Le transfert des écrits humboldtiens en France se concentre dès son début dans la Société asiatique sur ses travaux linguistiques. Dans la deuxième partie, l'article tente une ébauche des grandes lignes d'une histoire de la (non-)réception du linguiste Humboldt en France au XIXe et au début du XXe siècles tout en aboutissant à un panorama des enjeux actuels de la reception.
kod271-20005
Wege zur Sprache: Wilhelm von Humboldt und Frankreich Sarah Bösch und Markus Meßling L’article introduit à la problématique de recherche du présent volume qui porte sur le rôle de la pensée linguistique humboldtienne sous son double aspect philosophico-empirique dans les relations réciproques entre Wilhelm von Humboldt et la France. Dans une première partie, nous voudrions montrer que Humboldt a reçu pendant son second séjour parisien de multiples impulsions pour ses propres recherches sur le phénomène langagier dont au moins deux seront d’une importance décisive pour son futur projet linguistique: d’un côté, la dimension anthropologique de ses préoccupations linguistiques, c’est-à-dire le fait que ses réflexions sur la traductibilité des langues et cultures anciennes s’ouvrent par l’expérience d’une réalité sociale différente et dans le contexte des projets anthropologiques des Idéologues à une nouvelle dimension herméneutique; de l’autre, le maintien des relations spéciales avec le champ scientifique français, comme le révèlent ses études sur l’égyptien, le chinois et le polynésien. Dans la perspective inverse qui étudie la réception de l’œuvre humboldtienne en France, une conclusion analogue s’impose. Le transfert des écrits humboldtiens en France se concentre dès son début dans la Société asiatique sur ses travaux linguistiques. Dans la deuxième partie, l’article tente une ébauche des grandes lignes d’une histoire de la (non-)réception du linguiste Humboldt en France au XIX e et au début du XX e siècles tout en aboutissant à un panorama des enjeux actuels de la réception. Vermittlung und Transfer Am 13. Juli 1798 klagt Wilhelm von Humboldt in seinem Pariser Tagebuch: “Die Unterredung mit [Destutt de] Tracy nicht sonderlich merkwürdig. Immer und ewig Kantische Metaphysik; vorzüglich Moral, worüber nun nach allem, was ich gesehen habe, schwerlich mehr etwas Neues zu bemerken ist.” (GS XIV: 535). Solche Bemerkungen finden sich einige in seinem Pariser Tagebuch, und es besteht kein Zweifel, dass sich die Gespräche mit vielen französischen Geistesgrößen, die Humboldt in der französischen Kapitale trifft, aus seiner Sicht unbefriedigender als erwartet gestalten. Ähnlich wie Görres, Friedrich Schlegel, Achim von Arnim und Kleist, moniert auch Humboldt, in einem Brief an Schiller, die Schwierigkeit eines Dialogs mit den “Nachbarn” d’outre-rhin. 1 Im Gegensatz zu den nach Paris aufbrechenden Romantikern aber zieht Humboldt, wie Günter Oesterle schreibt, “gänzlich andere Konsequenzen aus seiner Bestandsaufnahme. Die vereitelte gegenseitige Hermeneutik ist für ihn keineswegs gleichbedeutend mit der Preisgabe der eigenen hermeneutischen Anstrengungen, das Nachbarland, seine Kultur und Kunst zu verstehen.” (1991: 328) - und dort deutsche Kunst und Kultur zu vermitteln, muss man hinzufügen. Zuweilen bis zum Überdruss stellt K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 27 (2004) No. 1 - 2 Gunter Narr Verlag Tübingen Sarah Bösch und Markus Meßling 6 sich Humboldt während seines Aufenthaltes in der französischen Hauptstadt von 1797 bis 1801 den Fragen zu deutscher Philosophie und Literatur und macht diese in wissenschaftlichen Gesellschaften und persönlichen Gesprächen bekannt. Aber wird er jenseits seiner Vermittlerrolle auch selbst als eigenständiger Wissenschaftler und origineller Denker in Frankreich wahrgenommen? Werden seine Schriften im 19. Jahrhundert und darüber hinaus - soweit sie schon publiziert waren - gelesen und diskutiert? Und wenn ja, in welchen Kontexten und mit welchem Erkenntnisinteresse? Zugleich stellt sich die Frage, welchen Eindruck die verschiedenen Bereiche des Pariser Umfelds auf Humboldt machen, welche französischen Schriften er seinerseits liest und verarbeitet. Dass es einen lebenslangen persönlichen Bezug Humboldts zu Paris gibt, ist bekannt. Welche Rolle aber spielt die französische Forschung für die Genese seiner Wissenschaft? Dies sind die beiden ineinander verschränkten Ausgangspunkte eines Bereichs des wissenschaftlichen Transfers zwischen Deutschland und Frankreich, der sich, je tiefer man gräbt, als verzweigter erweist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Hinter den Chiffren “Humboldt in Frankreich” und “Frankreich in Humboldt” verbergen sich eine Vielzahl von möglichen Untersuchungsgegenständen, von denen der Bereich des Sprachdenkens nur einen Aspekt des humboldtschen Œuvres darstellt, an dem man dem Problem der Aneignung und Transformation fremder Kultur- und Wissensgegenstände nachgehen kann. So kann man bei “Humboldt und Frankreich” auch an den deutsch-französischen Kulturvermittler aus dem Eingangszitat denken, der nicht nur in Frankreich für deutsche Kultur und Sprache warb, sondern auch in Deutschland die Verbreitung sprachwissenschaftlicher Innovationen aus Frankreich vorantrieb. Zu denken ist hier an seine Reden zur champollionschen Ägyptologie an der Berliner Akademie in den 1820er Jahren und seinen damit verbundenen Einsatz für die Institutionalisierung dieser Disziplin in Deutschland. 2 Die Politik ist ein anderes thematisches Feld, auf dem man nach wechselseitigen Bezügen zwischen Humboldt und Frankreich suchen kann. So hat Humboldts Erleben der französischen Revolution sein politisches Denken und Handeln geprägt und letzteres wurde wiederum in der französischen Tagespresse zur Kenntnis genommen und kommentiert. 3 Dass im um Humboldt zentrierten deutsch-französischen Transfer jedoch seinem Sprachdenken eine zentrale Stellung zukommt, sei die These, die im Folgenden aus den zwei Perspektiven plausibel gemacht werden soll. Zu Wilhelm von Humboldts Frankreichrezeption Der erste Parisaufenthalt (1789) Das Erleben der revolutionären Ereignisse im Paris des Jahres 1789 hat Wilhelm von Humboldts Denken und auch seine politische Praxis für sein Leben geprägt. Während Humboldt die Leitideen der Französischen Revolution uneingeschränkt teilt, besorgt ihn sehr die blutige Fratze der Revolution, die er dort am Werk sieht, wo die Verhältnisse unter den neuen Ideen mit Gewalt gebogen werden. 4 Die Frage, wie Realität und Fortschritt gewaltfrei in Einklang zu bringen sind, treibt Humboldt fortan um: Im praktischen Sinne werden die Revolutionserfahrungen daher entscheidend für sein politisches Konzept der Reform und das pädagogische der Bildung, 5 in theoretischer Hinsicht bilden sie einen Angelpunkt der humboldtschen Geschichtsphilosophie. Als Urerfahrung der Moderne steht die Französische Revolution in Humboldts historischem Denken für das “Prinzip allgemeiner Humanität” (GS Wege zur Sprache: Wilhelm von Humboldt und Frankreich 7 VII,1: 14), das es, wie Hans-Ernst Schiller aufzeigt, mit der ästhetischen Idealität der griechischen Antike historisch zu versöhnen gilt: Zwischen dieser Gewissheit eines Fortschritts der Freiheit und des Rechts und jener, sei es wehmütigen, sei es enthusiastischen Fixierung aufs Ideal der unwiederbringlichen Griechen besteht eine gewisse Spannung. Der Fortschritt darf nicht geleugnet werden, aber er muss beschränkt sein, um den Wert des antiken Ideals nicht zu negieren. In der Beziehung von französischer Revolution und klassischem Griechentum konkretisiert sich somit das Verhältnis von Fortschritt und historischer Individualität, das die Geschichtsphilosophie prinzipiell und methodisch klären muss. (Schiller 1997: 54) Analog zu Kategorien aus anderen Feldern wie der Naturforschung und Anatomie - wissenschaftliche Bereiche, mit denen Humboldt sich in Jena beschäftigt hatte -, die für Humboldts spätere Sprachreflexion bedeutend wurden, 6 haben auch die in der Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution entwickelten historischen Grundbegriffe des (ethischen) Fortschritts und des (ästhetischen) Ideals eine Relevanz für Humboldts Sprachdenken entfaltet. Das gilt insbesondere für Humboldts Überlegungen zur Sprachhistorie: Die Sprachentwicklung ist Fortschritt, eine feinere Ausbildung, die vor allem durch die Literatur bewerkstelligt wird; insofern haben wir eine lineare Entwicklung geistiger Kräfte. Sie ist aber, wie die Moderne der Antike gegenüber, auch ein Rückschritt durch den Verlust sinnlicher Fülle und das Abschleifen grammatischer Formen. (Schiller 1997: 61) Doch es gibt auch einen Hinweis darauf, dass die Französische Revolution Humboldt ganz konkret Stoff für sprachliche Überlegungen bot. Auf seinem Weg von Frankreich in die Schweiz diskutiert Humboldt in Stuttgart mit dem Philosophieprofessor Schwab über die Konsequenzen der Revolution für die französische Sprache, was er in seinem Reisetagebuch recht ausführlich vermerkt. 7 Die beiden Gelehrten diskutieren nicht nur die Frage, ob die Tatsache, dass “nicht mehr der Französische hof, sondern die Französische nation den ton angeben werde” (GS XIV: 152), die Entwicklung des Französischen begünstige oder ob die politischen Veränderungen einen Prestigeverlust des Französischen mit sich brächten, sondern auch über “den genius der Französischen und deutschen sprache” (ebda.): Doch räumt er, glaub’ ich, der Französischen zu viel ein. Er schrieb ihr fähigkeit zu ieder art des ausdruks zu, und führte z.B. Rousseaus Heloise an. Allein wer sagt, dass Rousseau deutsch nicht noch schöner geschrieben hätte? und sieht man Rousseau die fesseln der sprache nie an? (ebda.) Die Reichweite des Gesprächs über die Beschaffenheit der Sprache(n) ist erstaunlich und führt zu Überlegungen im Spannungsfeld zwischen gesteuerter Sprachveränderung und organischer Sprachentwicklung: Ueber Marmontels vorschlag, ganz neue wörter zu machen, und darüber, dass wörter nicht so vorsätzlich und verabredet neu geschaffen werden, sondern aus der lage oder den durch diese lage allgemein gewordenen empfindungen des volks hervorgehen müssen, raisonnierte er [Schwab] sehr fein. In der that würde dadurch die verbindung des nationalcharakters und der sprache lokrer werden, welches nicht bloss dem ausdruk und der mittheilung, sondern auch der eignen entwiklung unsrer ideen unendlich schaden bringen müsste. (GS XIV: 152-153) Das, was Humboldt hier als Hervorgehen der Wörter aus den “allgemein gewordenen Empfindungen” eines kulturellen Individuums beschreibt, weist - schon begrifflich - auf einen später geprägten Kernbegriff des humboldtschen Sprachdenkens hin: den individuellen Sprachsinn. Und mit dem Verweis auf die Bedeutung der Sprache für die “Entwicklung der Ideen” findet sich gar ein Bezug zum innersten Kern der humboldtschen Sprachtheorie Sarah Bösch und Markus Meßling 8 vorgezeichnet, nämlich die Erkenntnis von der kognitiven Relevanz der Sprache als Materialität des Denkens. Allerdings liegt der Fokus der Reflexion hier noch nicht auf der formativen Funktion der Sprache für das Denken, sondern auf der Möglichkeit einer Nation, ihre Ideen, und somit letztlich ihren Charakter, in der Sprache zu entwickeln, in Wörtern auszuformen, wofür die Vorgabe ‘künstlicher’ Wörter kontraproduktiv wäre. Man muss also wohl sagen, dass die Erkenntnis von der kognitiven Relevanz der Sprache hier erst vorgezeichnet ist, zumal in Humboldts erster sprachtheoretischer Schrift, dem Fragment Über Denken und Sprechen von 1795/ 96 (GS VII,2: 581-583) diese noch nicht, dafür aber noch das klassischaristotelische Modell der sprachlichen Bezeichnung der Ideen formuliert wird. 8 Wenn man also sicher nicht sagen kann, dass Humboldt die Tragweite der semantischen Verschiedenheit der Sprachen und damit den Sinn eines Sprachstudiums 1789 schon systematisch für sich entdeckt, so zeigen die Aufzeichnungen über das Gespräch mit Schwab, wie tief er bereits zu diesem Zeitpunkt, zumindest punktuell, in sprachphilosophische Reflexionen eintritt, die vor allem von einem anthropologischen Interesse an der Ausprägung von “Nationalcharakteren”, und insbesondere dem französischen, geleitet werden. Hier zeichnet sich deutlich die Bedeutung des anthropologischen Erkenntnisinteresses für Humboldts Weg zur Sprache ab, was ein plötzliches ‘Finden’ des Sprachthemas in Paris während seines zweiten Aufenthalts um 1800 unplausibel erscheinen lässt - auch wenn sich dort der Übergang zum Sprachstudium vollzog - und Humboldts anthropologisch ausgerichtete Arbeiten in den Vordergrund rückt. Bereits Wilhelm Lammers (1936) hat daher bei seiner Suche nach den “Entwicklungslinien und treibenden Kräfte auf dem Wege Humboldts zur Sprachforschung” 9 vor allem folgende drei Aspekte herausgestellt: Humboldts philologische Studien zum griechischen Altertum, seine Übersetzungen und den Entwurf einer vergleichenden Anthropologie. Spätere Arbeiten haben das anthropologische Interesse Humboldts mit einem ästhetischen in Verbindung gesetzt und Humboldts Sprachverständnis vor allem auf das Konzept künstlerischer Schöpferkraft zurückgeführt. 10 Wenn die kategorialen Wurzeln des humboldtschen Sprachverständnisses also in seinen frühen Studien liegen, ist dann das Paris um 1800 also vielleicht nur der zufällige Ort von Humboldts Hinwendung zur Sprachforschung? Dass dies nicht so ist, führen die Analysen von Denis Thouard und Jacques Guilhaumou in diesem Band vor Augen, die zeigen, wie in dem fremden Umfeld die philologischen Arbeiten in einen größeren, kulturellen Übersetzungszusammenhang hineingestellt werden, in dem die semantische Verschiedenheit erst ihre ganze hermeneutische Relevanz entfalten kann. Marmontels Vorschlag der Wortneuschaffung indes, den dieser in dem Abschnitt “Usage” seiner Elements de littérature 11 (1787) unterbreitet hatte und den Humboldt und Schwab diskutieren, 12 sollte in der Neologismenbegeisterung der Revolutionäre eine neue Aktualität bekommen. 13 Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass Humboldt sich im Paris des Jahres 1789 mit Problemen der Semantik konfrontiert sieht - was nicht verwundert, denn die öffentliche Sprachendebatte der Revolution entfaltet sich ausgehend von der Übersetzungsproblematik erst langsam von 1790 an und wird erst ab 1793 zu einer eigentlichen Sprach(en)politik. 14 Paris und der Übergang zur Sprachanthropologie Als Humboldt 1797 zum zweiten Mal nach Paris kommt, möchte er dort anthropologische Studien treiben: Seine Anthropologie, die er im Plan einer vergleichenden Anthropologie (GS 1: 377- 410) 1795 skizziert hat, bezieht sich im Unterschied zu den anthropologischen Wege zur Sprache: Wilhelm von Humboldt und Frankreich 9 Projekten, die zur gleichen Zeit in Frankreich entstehen, 15 gerade auf die zivilisatorisch am weitesten entwickelten Teile der Menschheit, denn erst in einer vielseitig entfalteten Kultur bildet sich für Humboldt wirklich der Charakter der Individualität aus. 16 Paris aber ist für ihn der Ort, an dem sich die charakteristischen Züge des ausklingenden 18. Jahrhunderts, also der aufziehenden Moderne, am besten zeigen. So schreibt Humboldt in einem Brief an Gentz vom 29. November 1797: “Der moderne Geist, in seinen Extremen und Extravaganzen vorzüglich, ist nirgends so sehr zu Hause als hier; der Denkungsart des Schlusses unsres Jahrhunderts hat Frankreich sogar die Richtung gegeben.” (Freese (Hg.): 235) Humboldt liest daher zahlreiche philosophische, anthropologische und ästhetische Abhandlungen und zeichnet in seinen Tagebüchern und in Briefen seine Pariser Lektüren auf. Eine zentrale Auseinandersetzung ist dabei jene mit den Schriften Condillacs, 17 die ja einen wesentlichen Hintergrund der zeitgenössischen französischen Philosophie bildeten, mit der Humboldt sich, wie anfangs geschildert, als Vermittler der kantschen Metaphysik in Gesprächen immer wieder kritisch auseinandersetzen muss. Aufschlussreich sind aber auch Humboldts Aufzeichnungen über das Erlebte, über kulturelle Begegnungen und politische Rituale und Humboldts physiognomische Studien. Der Bedeutung dieser reichen Materialsammlung als Feld der Bewährung für Humboldts Konzept einer Anthropologie zwischen Empirie und Philosophie hat Elisabeth Beyer das Nachwort 18 zu ihrer französischen Übersetzung des Pariser Tagebuchs gewidmet, das wir als Hintergrund der anderen Analysen zu diesem Zeitraum in diesem Band in überarbeiteter Form noch einmal abdrucken. Mit der Schrift Ueber die gegenwärtige französische tragische Bühne (GS II: 377- 400), die im April 1800 in Goethes Propyläen erscheint, entsteht zudem ein Text über das französische Theater und somit über einen wichtigen Ausschnitt französischer Öffentlichkeit. Hier wird derjenige Bereich angesprochen, den man als den humboldtschen Frankreichdiskurs im engen Sinne bezeichnen kann, das Bild also, das Humboldt sich von Frankreich selbst gemacht hat. Auch wenn uns das Tagebuch zeigt, wie facettenreich und detailliert dieses Bild gewesen ist, ist es doch auffällig, dass Humboldt keine strukturierte Monographie über Frankreich verfasst, die dem Anspruch der Ganzheitlichkeit seiner Anthropologie entspräche. Oesterle (1991: 321-334) hat aufgezeigt, dass Humboldt dieses Projekt aufgeben musste, weil sich die beiden großen Pole der, aus Humboldts Sicht, negativen Entwicklungen und der positiven Grundvoraussetzungen, die zu verwerfen er im Gegensatz zu den Romantikern nicht bereit war, nicht mehr zu einem klaren Bild zusammenfügen ließen: Wie lässt sich eine schlüssige, in sich konsistente Bestimmung des französischen Nationalcharakters geben, wenn zumindest gegenwärtig “die Richtung” der französischen Kultur “(…) einen gerade vom Ziel abführenden Weg” aufweist, weil sie “die Quellen selbst verunreinigt, aus welchen sie entspringt”. Am Ende des 18. Jahrhunderts fallen aus deutscher Perspektive der Standard, die “gelungensten Energien” und die “fehlerhaften Ausartungen” Frankreichs derart auseinander, dass sie nicht mehr auf eine klassizistisch darstellbare einheitliche Gestalt konzentriert werden können. Wilhelm von Humboldt muss den großen Plan einer vergleichenden Anthropologie zumindest im Blick auf den Kontrapost zur deutschen Kultur aufgeben. Freilich nicht ganz. Aus der “Sisyphosarbeit” entsteht ein kleines, anonym erschienenes Juwel in Goethes “Propyläen”, der Aufsatz “Ueber die gegenwärtige französische Bühne”. (Oesterle 1991: 334) Trotz des hohen Stellenwerts des Texts über die französische Bühne, der eine große anthropologische Reichweite hat, 19 wird doch die erste Studie im Sinne des im Plan formulierten Umfangs Humboldts Arbeit über das Baskenland sein - Die Vasken, oder Bemerkungen auf einer Reise durch Biscaya und das französische Basquenland im Frühling des Jahrs 1801 Sarah Bösch und Markus Meßling 10 (GS XIII: 1-196). Der baskischen Sprache sollte indes für Humboldts Denken eine besondere Rolle zukommen. In Paris vollzieht sich der entscheidende Übergang von Humboldts Anthropologie zur Sprachanthropologie. Doch wie es die vorangegangenen Überlegungen zu Humboldts anthropologischem Erkenntnisinteresse bereits vermuten lassen, findet sich das Thema Sprache in Humboldts Korrespondenz, bevor es in den großen anthropologischen Projekten der Société des observateurs de l’homme als zentrales Moment anthropologischer Studien formuliert wird. 20 Bereits in einem Brief an Schiller vom 26. April 1799 schreibt Humboldt, dass er “nunmehr diesen ganzen Stamm der südwestlichen Sprachen Europas übersehen und von ihnen aus Vergleichungen auch zwischen der Literatur und dem Nationalcharakter dieser Völker anstellen” (BS: 178 -179) könne. 21 Die Verbindung von Sprache und Literatur ist charakteristisch für Humboldt. Auch in seinem Brief an Wolf vom 20. Dezember 1799, der oft als “Begründungsurkunde” der humboldtschen Sprachwissenschaft aufgerufen wird, erklärt Humboldt sein Bedürfnis, sich “künftig noch ausschließender dem Sprachstudium [zu] widmen”, ausdrücklich mit seinem Interesse an der spanischen Literatur und Sprache. 22 Das Literaturstudium ist aber im Kern von Humboldts auf Kulturen der Schriftlichkeit angelegter vergleichender Anthropologie verwurzelt. 23 So zeigt die im Brief an Wolf vorgenommene Verschränkung des Studiums der Texte mit der Untersuchung der Sprache in einer “Theorie der Ästhetik” - diesen Begriff verwendet Humboldt an dieser Stelle - wie der hohe Stellenwert der Sprache implizit bereits in Humboldts Anthropologie angelegt war. Das Poetische in das Sprachstudium einzugliedern, sollte indes ein wesentliches Merkmal der humboldtschen Sprachwissenschaft bleiben. 24 Auch sein Konzept von Erkenntnis und Sprache findet Humboldt nicht in der französischen Philosophie, er ist kein “preußischer Ideologe” - diese These von Aarsleff ist sorgfältig widerlegt worden, 25 indem die geistigen Traditionen Humboldts, vor allem die Bedeutung Leibniz’, Herders und Kants für Humboldts Denken hervorgehoben worden sind. In seinem Artikel beharrt Pierre Caussat hier noch einmal sehr deutlich auf der humboldtschen Kritik an der condillacschen “Analyse”, deren Konzept Humboldt zu mechanistisch erscheint und an der er vor allem den schöpferischen Anteil des “Ich” vermisst, den er im Sinne Kants mit der Sinnlichkeit synthetisch verbunden sieht. 26 Allerdings möchte man über die von Caussat schonungslos entblößte Kluft zwischen den Gedankenwelten mit dem steten Bemühen Humboldts um Ausgleich zwischen kultureller Anpassung und Kritik doch etwas humboldtsche Versöhnlichkeit legen: Die in Paris weilenden Romantiker stufen […] das Französische zur Unkultur herab, die es zu annihilieren gilt. Nicht mehr das Verstehen der “Extrakultur”, von der man sich abgrenzt, ist gefragt, sondern kollektive Selbstreinigung von ihr. […] Von dieser schnellen Distanznahme hebt sich die vorsichtigere, am klassizistischen Kunststudium geschulte “Empfänglichkeit” Humboldts für fremde, neue Eindrücke ab. Humboldt blieb seinem in den Altertumswissenschaften gewonnenen hermeneutischen Grundsatz einer möglichst intensiven Akkommodation ans Fremde auch beim Studium des französischen Nationalcharakters treu. (Oesterle 1991: 328 -329) Diese Worte klingen aber nicht nur versöhnlich, sie verweisen auch auf einen wichtigen Sachverhalt: Denn Humboldts Wille zur Teilhabe lässt die fremde Umgebung zu einem Raum der Überprüfbarkeit seiner anthropologischen Studien, der empirischen Anthropologie werden. Paris ist für ihn ein wahres Laboratorium, in dem die Agammemnon-Übersetzung, wie Denis Thouard in diesem Band herausarbeitet, eine neue Qualität erhält: Die mit der Übersetzungsarbeit einhergehende Reflexion der Übersetzbarkeit von Kulturen (Übersetzen Wege zur Sprache: Wilhelm von Humboldt und Frankreich 11 des Antiken in eine moderne Sprache) und des poetischen Charakters der Sprache im Allgemeinen verbindet sich mit der Realität kultureller Differenz und dem Funktionieren von Sprache in Gesellschaft. Jacques Guilhaumou kann deshalb hier zeigen, wie Humboldt in Frankreich den ersten sprachanthropologischen Fragestellungen nachgeht: der Problematik des “Stils” einer Sprache, dem Genie des Französischen anhand von Rousseau und dessen Sprache - ein Thema, das Humboldt in dem genannten Gespräch mit Schwab schon interessiert hatte - und schließlich der Sprache der politischen Repräsentation beim Abbé Sieyès. Wenn Humboldt in seinen ästhetischen und anthropologischen Studien und seinen Übersetzungen Probleme des sprachlichen Verstehens bereits reflektiert, so können diese doch erst in der anderen Lebenswelt ihre volle hermeneutische Bedeutung erlangen. Nicht das Thema Sprache ist neu, sondern die Verbindung des Themas mit der Frage des Verstehens eines realen sozio-kulturellen Umfeldes. Dies sollte Humboldt nur wenig später bei der Begegnung mit dem Baskischen bewusst werden. Doch trotz der vorgebrachten Einschränkungen ist die intellektuelle Umgebung in Paris, in der die Erkenntnis von der Bedeutung des Sprachlichen für die großen anthropologischen Projekte diskutiert wird, 27 zweifellos auch konzeptuell ein guter Mutterboden für Humboldts Interesse an den Sprachen. Den französischen (Expeditions-)Projekten zur Erforschung der so genannten “Wilden” kommt für Humboldts Denken nicht nur die Bedeutung zu, seinen Blick vom Vertrauten in die geographische Weite und damit hin zur sprachlichen Fremde auszudehnen, 28 sondern auch diejenige, die Sprache nicht mehr allein in einem kulturellen Zusammenhang, sondern im ganzheitlichen Kontext der Lebenswelt, also im umfassenden Sinne anthropologisch zu betrachten - so wie Humboldt es als Übersetzer selbst in Paris erlebt. Allerdings darf man dabei nicht die Verschiedenheit des anthropologischen Erkenntnisinteresses nivellieren: Die Projekte der Ideologen bleiben der universal-historisch orientierten französischen Diskurstradition und letztlich der Suche nach dem Ursprung des Menschen stark verpflichtet, während Humboldts Sprachanthropologie im Sinne seines Plans einer vergleichenden Anthropologie eine synchrone Verschiedenheit zu erfassen sucht. 29 Bereits im genannten Brief an Schiller äußert Humboldt eine tiefe Faszination für das Baskische. 30 Dagegen beteuert Humboldt nur Monate später in seinem Brief an Wolf, er werde sich in seinen Studien auf “die Töchtersprachen der lateinischen und die Geschichte ihrer Entstehung beschränken” (BW: 201). Nach seiner ersten Begegnung mit dem Baskenland während seiner Reise nach Spanien, also im Oktober 1799, ist es dann aber doch das Baskische, das Humboldt derart fasziniert, dass er, zurück in Paris, das Studium dieser so anderen Sprache aufnimmt. Während Humboldt die lateinischen Töchtersprachen wohl eher vertraut gewesen sind, erfährt er im Baskischen eine sprachliche Fremdheit, 31 die ihm in ungeahnter Form die kognitive Tiefe der Sprachverschiedenheit bewusst gemacht haben dürfte. Jürgen Trabant hat daher die Bedeutung der Erfahrung der sprachlichen Alterität der Basken für den Übergang zur Sprache in Humboldts Anthropologie betont. 32 Vor seiner zweiten Reise ins Baskenland studiert Humboldt die fremde Sprache in Paris, und dabei sind ihm französische sprachwissenschaftliche Forschungen und Materialien dienlich, die ihn von jetzt an begleiten werden. 33 In der Zeit zwischen April 1800 und April 1801 übersetzt und bearbeitet Humboldt die Schrift “Lettres sur Bayonne et sur les basques”, die der baskische Politiker und Condillac-Schüler Dominique Joseph Garat 1782 im Mercure de France veröffentlicht hatte, und erstellt ein Thesenpapier “Ueber die Verwandtschaft des Vaskischen mit anderen Sprachen und die Abstammung desselben”, Arbeitsmaterialien, in denen Humboldt Kategorien des Sprachenstudiums entwirft, die er später wieder aufgreift. 34 Sarah Bösch und Markus Meßling 12 Mueller-Vollmer (1991: 111-113) hat daher die These formuliert, dass im Streit um die epistemologische und philosophische Bedeutung der Ideologen für Humboldt, die, wie wir jetzt wissen, sehr gering eingeschätzt werden muss, die Relevanz dieser ersten sprachwissenschaftlichen Studien zu sehr vernachlässigt worden sei. In der Bearbeitung von Garats Text über die Basken erhält vor allem der enge Zusammenhang von Lebenswelt und Sprache Kontur. Zugleich wird im Studium des Baskischen der Grundstein für den wichtigen Stellenwert französischer Sprachforschung in Humboldts Arbeiten zu Sprache und Schrift gelegt. Jean Rousseau erörtert für uns an dieser Stelle mit Butet de la Sarthes Lexikologie eine andere, ebenfalls sehr frühe Quelle der humboldtschen Sprachwissenschaft. Vor dem Hintergrund des dargestellten Entwicklungsganges spricht also viel dafür, dass es diese zwei Aspekte sind, die Humboldt aus Paris mitnimmt und die entscheidend auch für seine Sonderstellung innerhalb der deutschen Sprachwissenschaft sein sollten: sein Konzept einer anthropologischen Sprachwissenschaft und seine nun nicht mehr abbrechende Rezeption französischer Forschungen. Das führt uns nach Tegel. Paris und der Orient: Die Tegeler Zeit Als Humboldt 1820 nach dem unfreiwilligen Abschied aus dem politischen Leben seine linguistischen Studien wieder aufnimmt, setzt er ganz neu ein. Bei aller Kontinuität, die das Denken Humboldts generell ausmacht, ist dieser Neueinsatz das Charakteristikum der Tegeler Jahre. Und dabei spielen die wissenschaftlichen Neuigkeiten aus Paris eine entscheidende Rolle. Paris wird jetzt vor allem der Bezugspunkt für die Wendung nach Asien, wobei Amerika, das aufgrund der Reise seines Bruders und der Materialien von Hervás in Rom lange im Zentrum stand, allmählich an Attraktivität verliert. Zum einen eignen sich Sanskrit, Ägyptisch, Chinesisch und später das altjavanische Kawi besser als Studienobjekte im Sinne der humboldtschen Anthropologie als die wenig verschrifteten Kulturen amerikanischer Völker. Zum andern prägt sich der europäische Diskurs über den Orient auch in Deutschland in seiner ganzen Fülle aus. 35 In der Tegeler Zeit stehen zwei große Begegnungen im Vordergrund: die Begegnung mit dem Werk Champollions und der Austausch mit Abel-Rémusat. 36 Humboldt ist einer der ersten, der in Deutschland Champollions bahnbrechende Entdeckungen zur Entzifferung der Hieroglyphen bekannt macht. Die Entwicklung der Hieroglyphenlektüre Humboldts lässt sich von einer anfänglich stark der Hieroglyphen-Metaphysik der antiken Schriftsteller verpflichteten Vorstellung von einer kultischen Symbolschrift hin zu einer eindeutigen Anerkennung phonetischer Anteile im hieroglyphischen System nachvollziehen. Die Übersetzung einiger Inschriften von Sachmet-Statuen, mit der Humboldt seinen Zyklus über die ägyptischen Hieroglyphen beschließt, ist ein erstes Dokument einer modernen deutschen Ägyptologie und zeigt, wie bemerkenswert weit die Beschreibung des hieroglyphischen Systems auf Champollions Spuren bereits gekommen war. Von Beginn an steht die Beschäftigung mit der Hieroglyphenschrift auch hinter Humboldts sich entwickelnder Schrifttheorie und führt zu Humboldts wegweisendem grammatologischen Aufsatz Über die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau (GS 5: 107-133) aus dem Jahre 1824. In seiner Abhandlung über den Zusammenhang von Schrift und Sprache 37 von 1823/ 24 nehmen die Hieroglyphen den Platz der Bilderschrift ein, mit der er eine Darstellung der Schrifttypen beginnt, die zunächst noch an den triadischen Schrifttypengenealogien des 18. Jahrhunderts orientiert ist und Bilder-, Figuren- und Buch- Wege zur Sprache: Wilhelm von Humboldt und Frankreich 13 stabenschrift als Etappen einer genealogischen Schriftentwicklung betrachtet. Während ein Kapitel über die Figurenschrift nicht entsteht, hat sich die Perspektive, mit der Humboldt sich der Schrift in seiner Rede über die Buchstabenschrift nähert, geändert. In der Rezeption des Werks von Champollion hat Humboldt erkannt, dass die ägyptischen Hieroglyphen keine reine Bilderschrift sind, sondern vielmehr das phonographische und das semographische Prinzip in sich vereinen. Schrift erscheint also von Beginn an in ihrer ganzen möglichen Komplexität. Konsequenterweise führt Humboldt die genealogische Perspektive in der Rede über die Buchstabenschrift nicht fort. Die triadische Schriftgeschichte wird aufgegeben zu Gunsten einer Anthropologie, die in den Schrifttypen die grundsätzlichen, von Beginn an gegebenen Möglichkeiten des Menschen zu schreiben sieht. Das heißt nicht, dass Humboldt sich für die Historizität von Schrift nicht mehr interessiert, ganz im Gegenteil, denn Schrift erscheint immer nur in historischen Ausprägungen. Aber alle historischen Schriften bewegen sich zwischen den drei möglichen graphischen Funktionsprinzipien. Humboldt interessiert sich fortan für die Leistungsfähigkeit der drei Prinzipien, das heißt für die Frage, inwieweit sie dem formalen Prinzip der Sprache gerecht werden. Jean Rousseau und Denis Thouard 38 haben diesen Übergang vom Konzept einer genealogischen bzw. teleologischen Sprachentwicklung zur funktionalen Verschiedenheit auch für Humboldts Sprachbetrachtung aufgezeigt, und zwar an Humboldts Analyse des Chinesischen, mit dem Humboldt sich seit seiner Rede Ueber das Entstehen der grammatischen Formen (GS IV: 285 -313) von 1821 auseinandersetzt und das auch in der intensiven Reflexion des Ägyptischen im Hintergrund präsent ist. In der von Rousseau/ Thouard aufgearbeiteten Korrespondenz Humboldts mit dem Pariser Sinologen Abel-Rémusat, die durch dessen 1824 im Journal Asiatique veröffentlichte Rezension von Humboldts Aufsatz über die grammatischen Formen angeregt wurde, erhält Humboldt dann auch maßgebliche Argumente, um von der anfänglichen Vorstellung eines grammatischen Mangels der chinesischen Sprache zu einer Typologie der strukturalen Verschiedenheit überzugehen, in der dem Chinesischen eine ihm eigene grammatisch-kognitive Leistung zuerkannt wird. Der Briefwechsel hat aber auch eine über das Chinesische hinaus gehende Bedeutung für Humboldts Sprachreflexion: In der Auseinandersetzung mit Rémusats Ausführungen reflektiert Humboldt die Problematik einer impliziten und expliziten Grammatik sowie die Frage nach dem Universellen und dem auf die individuelle Sprachform zurückgehenden Anteil in der grammatischen Struktur der Sprache. Über Bezugnahmen auf Adriano Balbi, Eugène Burnouf und Antoine Isaac Silvestre de Sacy hinaus, die nicht von annähernd großer Reichweite für Humboldts Sprachwissenschaft sind, ist daher die Korrespondenz mit Abel-Rémusat neben der Champollion-Rezeption die zweite große “Pariser Begegnung” dieser Jahre. Zur französischen Humboldt-Rezeption Transfer: Humboldt im Umfeld der Société asiatique (1820 -1835) Ebenso wie Humboldt französischen Sprachforschern in der Auseinandersetzung mit ihren Schriften “begegnet”, setzen sich zeitgleich auch die genannten Pariser Gelehrten mit Humboldts linguistischen Forschungsergebnissen auseinander. In den Jahren nach 1820 beginnt das, was man als die französische Humboldt-Rezeption im engeren Sinne bezeichnen muss, d.h. eine direkte und produktive Aufnahme seiner Werke, die sich über einfache Erwähnungen seiner Person hinaus, in Rezensionen und Übersetzungen, Aufsätzen und schließlich in monographischen Studien niederschlägt. Sarah Bösch und Markus Meßling 14 In der Zeit der persönlichen Präsenz Humboldts in Frankreich und seiner sich anschließenden politischen Laufbahn werden nur einzelne seiner Schriften und Projekte dem französischen Publikum über das Magasin encyclopédique und den Spectateur du Nord zugänglich: 1799 die auf Französisch verfasste Selbstanzeige seiner Ästhetischen Versuche über Goethes Hermann und Dorothea, 1800, 1808 und 1813 Teilübersetzungen seiner zuerst in Goethes Propyläen erschienenen Abhandlung Ueber die gegenwärtige französische tragische Bühne, seines Rom-Gedichts sowie einiger Auszüge aus der Ankündigung einer Schrift über die vaskische Sprache und Nation. Weitreichende Reaktionen lösen diese vereinzelten Veröffentlichungen, die in keinem übergreifenden wissenschaftlichen Diskussionszusammenhang stehen, nicht aus. Als symptomatisch erweist sich hier der Blick in zeitgenössische biographische Nachschlagewerke. Diese geben unter dem Stichwort “Wilhelm von Humboldt” sogar den umfangreichsten der genannten Texte, den ästhetischen Aufsatz Humboldts für Madame de Staël, entweder gar nicht wie z.B. in der Biographie des hommes vivants von 1817 oder fehlerhaft als “traduction du poëme de Goëthe, Hermann et Dorothée” an, wie in der Biographie nouvelle des contemporains (1823: 286). Die von Humboldt zeitweise ausgeübten diplomatischen und politischen Funktionen werden hingegen mit erstaunlicher Detailkenntnis referiert. Ein Wandel in der Wahrnehmung Humboldts in Frankreich tritt nach seinem Rückzug aus dem politischen Leben ein, als er beginnt, sprachwissenschaftlich zu arbeiten, seine Ergebnisse an der Berliner Akademie vorzutragen und sich in den Publikationsorganen der Pariser Société asiatique - im Journal asiatique und im Verlag Dondey-Dupré - mit französischen Aufsätzen zum Chinesischen, Japanischen und Sanskrit der französischen Öffentlichkeit als Sprachwissenschaftler zu präsentieren. 39 Die Zeit zwischen 1820 und 1835 ist neben den aktuellen, in den 1970er Jahren einsetzenden Bemühungen um das Werk Wilhelm von Humboldts die einzige Phase in der französischen Humboldtrezeption, in der sich ein relativ weiter Kreis miteinander vernetzter Wissenschaftler über einen bestimmten Zeitraum hinweg kontinuierlich mit Humboldts Schriften auseinandersetzt - und damals wie heute dominiert die Beschäftigung mit Humboldt als empirischem und/ oder philosophischem Sprachforscher. 40 Zwischen diesen beiden Polen verdankt sich der Transfer von Teilen des humboldtschen Werkes, nicht nur der sprachbezogenen Texte, sondern auch der staats- und bildungstheoretischen, ästhetischen und anthropologischen Schriften sowie diverser Briefwechsel, im Wesentlichen dem Forschungsinteresse und Engagement von zeitlich und/ oder institutionell unabhängigen Einzelpersonen. 41 Hier stechen der Straßburger Germanist Robert Leroux, der zwischen 1929 und 1958 zwei Bücher und sieben Aufsätze vorrangig zu Humboldts Frühwerk veröffentlicht, 42 sowie die mehrfachen Rezensionen und Editionen verschiedener Briefwechsel, besonders der Briefe an eine Freundin, zwischen 1890 und 1920 43 besonders hervor. An der frühen Humboldtrezeption im Umkreis der 1822 gegründeten Société asiatique fallen vor allem die biographischen sowie im weitesten Sinne institutionellen und diskursiven Bedingungen ins Auge, die die Kenntnisnahme humboldtscher Forschungen in Frankreich überhaupt erst ermöglichten und entscheidend beförderten. Neben inhaltlichen Konvergenzen zwischen Humboldts damaligen Forschungsinteressen und den wissenschaftlichen Bemühungen der Société asiatique - beide beschäftigen sich sowohl mit Sprachen als auch mit Literaturen des ostasiatischen und orientalischen Raums, mit typologischen und schrifttheoretischen Fragen - sowie einem auf beiden Seiten geteilten theoretischen Verständnis von Sprachwissenschaft als zwischen Sprach- und Textstudium vermittelnder Philologie 44 ist es vor allem dem Einsatz und der Reputation Alexander von Humboldts zu danken, dass Wege zur Sprache: Wilhelm von Humboldt und Frankreich 15 Humboldts Forschungsergebnisse auf diesen Gebieten in Paris überhaupt zur Kenntnis genommen und diskutiert wurden. Die Mehrzahl der Besprechungen von Wilhelms Akademiereden und Publikationen, die im Journal asiatique, dem Bulletin des sciences historiques, antiquités, philologie und dem Journal des savans erschienen, 45 gingen - wie aus Alexanders Korrespondenz deutlich wird - auf gezielte Anregungen des jüngeren Humboldt-Bruders zurück. 46 Dieser hatte in seiner Funktion als Mitglied des Conseil der Société asiatique seit deren Gründung (1822) darüber hinaus 1824 die Aufnahme Wilhelms als “associé correspondant” bewerkstelligt. Das solchermaßen von Alexander geknüpfte Netzwerk führte zu zahlreichen wissenschaftlichen Briefwechseln zwischen Wilhelm von Humboldt und verschiedenen Mitgliedern der Société asiatique, u.a. dem Sinologen Jean-Pierre Abel-Rémusat, dem Ägyptologen Jean-François Champollion, den Philologen Jean-Louis und Eugène Burnouf sowie dem Orientalisten Eugène Vincent Jacquet. 47 Zwischen 1820 und 1835 kann man im Falle der Beziehungen Humboldts zu französischen Sprachforschern demnach von einem wechselseitigen Transfergeschehen im Sinne des von Michel Espagne und Michael Werner in den 1980er Jahren entwickelten Transferbegriffs sprechen. 48 Nach 1835: Auflösung des Netzwerkes und konjunkturelle Verschiebungen Mit Humboldts Tod 1835 endet die Auseinandersetzung mit seinen Forschungen in diesem Gelehrtenkreis abrupt - das letzte Werk, das noch im Journal Asiatique (1837) Erwähnung findet, ist der erste Band des posthum von Buschmann herausgegebenen Kawi-Werks. Wie kommt es nach dieser relativ konstanten Rezeption zu einem derart radikalen Bruch? Zunächst markierte Humboldts Tod einen natürlichen Endpunkt. Die Rezeption humboldtscher Forschungsergebnisse und Schriften war einerseits stark an sein mit Materialaustausch und wissenschaftlicher Diskussion befasstes “réseau de correspondances” geknüpft, das mit seinem Tod zwangsläufig zusammenbricht. Darüber hinaus war Alexander, nachdem er spätestens im April 1832 seinen Hauptwohnsitz definitiv wieder nach Berlin verlegt hatte, nicht mehr persönlich im Pariser Wissenschaftsleben präsent. Dementsprechend wird sich auch sein Einfluss auf die Verbreitung der Forschungen Wilhelms reduziert haben. Andererseits handelte es sich bei dem bevorzugten Transfermedium, der “Rezension” (compte rendu, critique littéraire, annonce), um eine Textsorte, die primär auf Neuerscheinungen reagiert, die für ein bestimmtes wissenschaftliches Forschungsfeld relevant sind. In dieses konnte Humboldt nach 1835 zwangsläufig auch nicht mehr aktiv eingreifen. Hier bestätigt sich die in der Transferforschung wiederholt hervorgehobene Bedeutung der Individuen und der von ihnen gebildeten Netzwerke als conditio sine qua non eines jeden Transfergeschehens auf geradezu exemplarische Weise. 49 Dass Humboldts Sprachwissenschaft sich in der Folgezeit keinen anderen vergleichbar prominenten Rezeptionsraum erobern konnte, ist wohl in erster Linie der zunehmenden Dominanz der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft im Institutionalisierungsprozess der linguistischen Disziplin an den französischen Universitäten geschuldet. Zwei der sowohl wissenschaftlich als auch bildungspolitisch einflussreichsten Linguisten des 19. Jahrhunderts in Frankreich, Michel Bréal und Gaston Paris, haben bei Vertretern der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft (Bopp, Diez) in Deutschland studiert und deren Hauptwerke übersetzt. 50 Mit der von beiden maßgeblich mitbestimmten Einrichtung der “grammaire comparée” an den französischen Universitäten ging Sylvain Auroux (1984) zufolge eine Marginalisierung der Untersuchung bestimmter Sprachen und Fragestellungen in der “offiziellen” französischen Sprachwissenschaft einher, wie sie an den Universitäten gelehrt Sarah Bösch und Markus Meßling 16 wurde. Von den zahlreichen im 19. Jahrhundert wirkenden sprachwissenschaftlichen Gesellschaften wird allein die Société de linguistique, die sich vornehmlich der historischvergleichenden Untersuchung indoeuropäischer Sprachen widmet, langfristig vom französischen Staat gefördert, was sie vor allem ihren politisch einflussreichen, an den Universitäten etablierten Mitgliedern zu verdanken hat. 51 Die von der staatlichen Förderung ausgegrenzten Sprachen und sprachwissenschaftlichen Fragen (nämlich nicht-indoeuropäische Sprachen, Sprachtypologie, Verhältnis Sprache/ Schriftsystem und Sprache/ Kultur/ Denken) waren nun aber gerade diejenigen, mit denen sich Humboldt hauptsächlich beschäftigt hatte und die in der ersten Rezeptionsphase bis 1835 generell eine dominante Stellung innerhalb der französischen sprachwissenschaftlichen Diskussion eingenommen hatten, wie z.B. die Preisfragen des Prix Volney der Jahre 1825 -1828, 1829 und 1835 belegen. 52 Die Ausschreibung zum Prix Volney der Jahre 1825, 1826 und 1828 fragt nach dem zeitgleich von Abel-Rémusat und Humboldt diskutierten Einfluss verschiedener Schriftsysteme auf Sprachentwicklung und Grammatik (Leopold (Hg.) 1999: II, 38), 1829 wird eine “analyse raisonnée du système grammatical de la langue basque” (Silvestre de Sacy 1828: 6) verlangt, 1835 eine Beschreibung des “caractère grammatical des langues de l’Amérique du nord” (Leopold (Hg.) 1999: II, 100). Hierbei handelt es sich um linguistische Themen, denen sich auch Humboldt zu dieser Zeit widmet. Ab 1836 hingegen gibt die Kommission einschränkend vor, dass die eingereichten Abhandlungen sich methodisch an dem historisch-komparativen Ansatz auszurichten hätten, “dont les langues romane et germanique ont été l’objet depuis quelques années” (zit. nach Leopold (Hg.) 1999: Ia, 75). Die Vorbilder dieser Vorgabe liegen auf der Hand: Jakob Grimms Deutsche Grammatik (1819, 1822-37), François Raynouards Grammaire comparée des langues de l’Europe latine […] (Bd. 6 der Choix de poésies originales des troubadours, 1816 -1821) und später Friedrich Diez’ Vergleichende Grammatik der romanischen Sprachen (1836 - 44). Neben diesen allgemeinen konjunkturellen Verschiebungen 53 innerhalb des sprachwissenschaftlichen Diskurses in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dürfte die abwertende Haltung einzelner hochrangiger französischer Forscherpersönlichkeiten zu Humboldts Sprachwissenschaft, die oftmals mit einer unverhohlenen Bewunderung der Boppschen wissenschaftlichen Errungenschaften einherging, die produktive Rezeption seines linguistischen Forschungsprogramms bis in das 20. Jahrhundert hinein behindert haben. Als signifikantes Beispiel sticht hier das Werk des französischen Sprachwissenschaftlers Antoine Meillet (1866 -1936) ins Auge, einem der laut Swiggers (1996) einflussreichsten und vielfach ausgezeichneten französischen Linguisten im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert. 54 Meillets “Aperçu du développement de la grammaire comparée”, den er seiner mehrfach neu aufgelegten Introduction à l’étude comparative des langues indo-européennes als Appendix (453 - 483) beifügt, setzt den Verfasser des Conjugationssystems als alleinigen Schöpfer der ‘neuen Wissenschaft’ in Szene: “Après un séjour à Paris, qui était alors le principal centre d’études orientales, et où il avait appris le sanskrit en grande partie seul et avec des moyens très imparfaits […], Bopp publie en 1816, à Francfort-sur-le-Main, son premier ouvrage: Ueber das Conjugationssystem der Sanskritsprache […]. La grammaire comparée était créée” (Meillet 1934: 457). Die Rhetorik Meillets lässt keinen Zweifel aufkommen, wem die Sprachwissenschaft ihre methodischen Fortschritte zu verdanken habe: “Bopp a trouvé la grammaire comparée en cherchant à expliquer l’indo-européen, comme Christophe Colomb a découvert l’Amérique en cherchant la route des Indes” (Meillet 1934: 458). Humboldt hingegen, den er, wie noch in weiten Teilen der Sprachwissenschaft nach der Jahrhundertmitte üblich, ohnehin weniger als Linguisten denn als Sprachphilosophen Wege zur Sprache: Wilhelm von Humboldt und Frankreich 17 wahrnimmt, 55 begegnet Meillet in den meisten Fällen mit Unverständnis. Konzepte wie die “innere Sprachform” erscheinen ihm “vague et insaisissable [sic]” und hätten ohnehin niemals Eingang in die französische Sprachwissenschaft gefunden. 56 Auch die bis in aktuelle sprachwissenschaftliche Überblicks- und Nachschlagewerke 57 ungebrochen mit Humboldts Namen assoziierte Sprachtypologie im Sinne einer von genetischer Zusammengehörigkeit unabhängigen Klassifikation natürlicher Sprachen “d’après les traits généraux de leur structure grammaticale en langues isolantes, agglutinantes, incorporantes et flexionnelles” stuft Meillet als “dénué de toute utilité soit pratique, soit scientifique” ein: “c’est une amusette dont aucun linguiste n’a pu tirer parti” (Meillet 1914/ 1921: 76 -77). In einer Rezension zu Leo Weisgerbers Untersuchung Die Stellung der Sprache im Aufbau der Gesamtkultur geht Meillet sogar soweit zu behaupten, eine Anknüpfung an Humboldt innerhalb der Sprachwissenschaft, wie sie zeitgenössisch in Deutschland bei den Neuhumboldtianern zu beobachten sei, käme einer unzulässigen Vernachlässigung der Kernaufgaben des Fachs gleich. Im Gegensatz zu Bopp, der einer ganzen Wissenschaft zur Geburt verholfen habe, seien Humboldts Forschungen zu keiner Zeit Ausgangspunkt irgendeiner nutzbringenden wissenschaftlichen Arbeit geworden. Aus diesem Grunde müsse man um die Fruchtbarkeit des wissenschaftlichen Nachwuchses fürchten, der durch die Schule eines bekennenden Humboldtianers wie Weisgerber gegangen sei: La disette de publications nouvelles montrait assez et trop que les jeunes linguistes allemands se sont détachés de la grammaire comparée; voici qu’un jeune professeur de grammaire comparée dans une université allemande regrette tout net le travail consacré pendant un siècle à la grammaire comparée: la linguistique a négligé l’essentiel de sa tâche. M. Weisgerber revient à Humboldt; il estime fâcheux que Bopp n’ait pas suivi la direction indiquée par Humboldt qui avait fait créer la chaire de grammaire comparée de Berlin. Mais c’est un fait que les idées de Humboldt souvent évoquées depuis leur publication n’ont jamais provoqué aucun travail utile, tandis que l’enseignement de Bopp a donné naissance à une science entière. Il est à craindre que les jeunes qui chercheront chez M. Weisgerber une direction n’aient pas la fécondité de Bopp, de Schleicher, de Joh. Schmidt et de Brugmann (Meillet 1933: 7, Herv. d. Verf.). Eine derart skeptische bis ablehnende Haltung gegenüber einer sprachwissenschaftlichen Forschungsrichtung, die sich dezidiert in die Tradition Humboldts stellt, dürfte nicht unerheblich dazu beigetragen haben, dass Humboldts Arbeiten weiterhin diesen geringen Einfluss auf die französische Sprachwissenschaft nahmen, den Meillet ihnen an dieser Stelle zuschreibt. Die Ausnahme: Humboldt in der französischen Baskenforschung Der einzige Text Humboldts, der nach 1835 das ganze 19. Jahrhundert hindurch kontinuierlich in verschiedenen Zusammenhängen kommentiert und diskutiert wird, ist die etymologisch-sprachhistorische Studie Prüfung der Untersuchungen über die Urbewohner Hispaniens vermittelst der Vaskischen Sprache (1821). 58 Es ist also wiederum ein im weitesten Sinne sprachwissenschaftlicher Text, der eine gewisse Kontinuität der Rezeption humboldtscher Forschungen in Frankreich gewährleistete. Schon zu Lebzeiten galt Humboldt als ausgewiesener Experte für das Baskische, die Prüfung wurde schon kurz nach ihrem Erscheinen in drei verschiedenen Zeitschriften rezensiert, 59 der Historiker Jules Michelet bespricht sie in seiner Histoire de France (1833), 1866 wird die Abhandlung von Augustin Marrast übersetzt. Auch im Umkreis der von 1867 bis 1916 erscheinenden Revue de linguistique et de philologie comparée finden sich einige Artikel, die sich im Rahmen von Sarah Bösch und Markus Meßling 18 Untersuchungen zur baskischen Sprachgeschichte mit Humboldts These der originären Identität des Baskischen mit dem alten Iberisch befassen. 60 Neben der guten Verfügbarkeit des Textes, verdankt sich die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit dieser Abhandlung wohl einerseits Humboldts anhaltendem Ruf als ausgewiesener Baskisch-Experte, andererseits der Tatsache, dass diese Studie eine grundlegende These vertritt, an der sich jede folgende Arbeit aus dem baskologischen Diskursbereich des Vasko-Iberismus zwangsläufig kritisch abarbeiten musste. Ferner dürfte auch Humboldts Selbstdarstellung als Sprachwissenschaftler und Baskologe in Frankreich dazu beigetragen haben, dass vor allem einer seiner wissenschaftlichen Beiträge auf diesem Gebiet in Frankreich nach seinem Tod weiterhin in produktiver Weise zur Kenntnis genommen wurde. Denn auch andere, nicht sprachbezogene Schriften Humboldts waren Mitte des 19. Jahrhunderts, wie ein Blick in verschiedene zeitgenössische Nachschlagewerke verrät, 61 durchaus in Frankreich bekannt und teilweise auch in französischer Übersetzung zugänglich. 62 Zur Humboldt-Renaissance im 20. Jahrhundert Seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist eine breite Wiederentdeckung des Sprachdenkers und philosophischen Anthropologen zu beobachten. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten hat sich ein Kreis vornehmlich von Philosophen und Linguisten gebildet, die kontinuierlich z.T. in enger Kooperation 63 zum Werk Humboldts publizieren und dessen französische Übersetzung befördern. Eine erste Bilanz dieser vielfältigen Forschungs- und Übersetzungsaktivitäten liegt mit dem 2002 von Anne-Marie Chabrolle-Cerretini herausgegebenen dossier électronique “Editer et lire Humboldt” in der Zeitschrift Histoire- Epistémologie-Langage vor. Der vorliegende Band, der einige der wichtigsten Protagonisten dieses anhaltenden Rezeptionsprozesses erstmals in dieser Form außerhalb Frankreichs präsentiert, sollte als Fortsetzung dieser Publikation verstanden werden. Er bietet einerseits überblickshafte Analysen zum bisherigen Rezeptionsverlauf vor allem im 20. Jahrhundert (Chabrolle- Cerretini und z.T. Thouard) und spezielle Untersuchungen zur Humboldtinterpretation eines der prominentesten Leser Humboldts in Frankreich, dem Dichter und Sprachtheoretiker Henri Meschonnic (Trabant, Jostes). Andererseits kommen einige der aktuellen Fragestellungen und Perspektiven zu Wort, die die Auseinandersetzung mit dem humboldtschen Sprachdenken im französischen Sprachraum (Beyer, Caussat, Guilhaumou, Meschonnic, Rousseau, Thouard) derzeit bestimmen. Auffallend ist in diesem Zusammenhang sicher zum einen das zunehmende Interesse an Humboldts zweitem Parisaufenthalt um 1800 und hier im Besonderen seinen philosophischen und anthropologischen Studien, wie sie sich in den erst vor kurzem durch Elisabeth Beyer ins Französische übersetzen Pariser Tagebuchaufzeichnungen jener Zeit (Humboldt 2001) niederschlagen. Allein vier Beiträge beschäftigen sich mit Humboldt ausgehend von dieser Textbasis und diesem Zeitraum (vgl. Beyer, Caussat, Guilhaumou und Thouard). Ein weiteres Charakteristikum der aktuellen Humboldt-Rezeption ist die vornehmliche Konzentration auf die sprachtheoretischen und philosophisch-anthropologischen Schriften des Autors; der Bildungs- und Staatstheoretiker, der Humboldt auch war, wird bisher nur am Rande beleuchtet. 64 Insofern bieten die in diesem Band versammelten Aufsätze ein durchaus repräsentatives Bild der aktuellen wissenschaftlichen Bemühungen um das Werk Humboldts in Frankreich, fokussieren sie doch alle - wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkt- Wege zur Sprache: Wilhelm von Humboldt und Frankreich 19 setzungen und methodischen Ansätzen - in der einen oder anderen Weise auf das humboldtsche Sprachdenken. Zwei Ereignisse haben diese Erst- oder Re-Lektüren Humboldts entscheidend befördert: Zum einen entwickelte sich seit den 1970er Jahren im Rahmen der in Frankreich insbesondere von Sylvain Auroux initiierten Forschungen zur Geschichte der Sprachwissenschaft und Sprachreflexion 65 auch ein Interesse an Humboldts linguistischen und sprachphilosophischen Beiträgen bei Linguisten wie Jean Rousseau oder Anne-Marie Chabrolle- Cerretini. Gerade der Aufsatz von Chabrolle-Cerretini in diesem Band zeigt aber auch, dass die begrüßenswerte Zunahme von fundierten Expertenstudien zu Humboldts Sprachwissenschaft in Frankreich keineswegs zu einer Revision der Humboldt-Darstellungen in einschlägigen Einführungs- und Überblicksdarstellungen geführt hat, die sein sprachwissenschaftliches Werk weiterhin ungebrochen auf seinen “essai typologique des langues” oder einzelne Konzepte seiner Sprachtheorie (“Ergon/ Energeia”, “Weltansicht”, “innere Sprachform”) reduzieren. Zum anderen wurde die 1974 von Pierre Caussat besorgte Übersetzung einiger zentraler sprachphilosophischer Texte Humboldts, über hundert Jahre nach der letzten französischen Übersetzung eines Humboldt-Textes (Humboldt 1867), zum Ausgangs- und Referenzpunkt einer bis heute vor allem von Henri Meschonnic, Pierre Caussat und Denis Thouard geführten Kontroverse, wie Humboldts Denken adäquat ins Französische zu übersetzen sei. 66 Caussat wurde von verschiedenen Seiten vorgeworfen (Meschonnic, Thouard, Nerlich), er präsentiere dem französischen Publikum eher den Derrida “qui se cache derrière Humboldt” (Nerlich (Hg.) 1988: 23) als Humboldt selbst, er habe Humboldt in einen, seinem Sprachdenken nicht angemessenen poststrukturalistischen Denker transformiert. 67 Als Reaktion entstanden in den letzten zwanzig Jahren mehrere Neuübertragungen der Übersetzungen Caussats (Humboldt 1974) durch Denis Thouard (Humboldt 2000) und Annette Disselkamp/ André Laks (Humboldt 1985), begleitet von Analysen der humboldtschen Texte. Die Debatte dreht sich jedoch nicht nur übersetzungspraktisch um die angemessene Übersetzung von semantisch komplexen humboldtschen Schlüsselbegriffen wie “Verschiedenheit” mit “différence” (Caussat) oder “diversité” (Thouard), sondern rührt letztlich auch an grundsätzlich divergierende übersetzungstheoretische Konzeptionen. Sieht der Dichter und Sprachtheoretiker Meschonnic (1985) in den von ihm analysierten französischen Humboldtübersetzungen die poétique und spezifische modes de signifier der humboldtschen Texte in Gefahr, mahnt der Philosoph Thouard, nicht zu vergessen, dass die Übersetzung in erster Linie eine “tâche herméneutique” sei “avant d’être une performance poétique” (Thouard in Humboldt 2000: 17). Thouard selbst zeigt in seinem Beitrag zum vorliegenden Band, wie die “diversité des images de Humboldt en France” auf die divergenten kulturbzw. wissenschaftskritischen und politischen Anliegen der Rezipienten zurückzuführen ist. Der im zentralistischen Frankreich für die Anerkennung sprachlicher und kultureller Diversität kämpfende Pierre Caussat betone eher die relativistische Seite des humboldtschen Sprachdenkens, den Humboldt der “Verschiedenheit”, der “différence”, den Verfechter der einzelsprachlichen und kulturellen Partikularitäten. Der Dichter Henri Meschonnic setze in seiner mit einer Kritik am Strukturalismus verbundenen Humboldt-Interpretation - die er selbst eher als Weiterdenken im Sinne Humboldts (“être Humboldt aujourd’hui” oder “penser Humboldt aujourd’hui”) denn als an wissenschaftlichen Maßstäben zu messende Humboldt-Exegese versteht - den Fokus auf Humboldt als Verfechter des dynamischen, kontinuierlichen Wesens der Sprache als “energeia” bzw. “verbundene Rede”. Ausgeklammert werden hierbei jedoch andere grundlegende Aspekte der humboldtschen Sprachtheorie wie z.B. das Konzept der “Ver- Sarah Bösch und Markus Meßling 20 schiedenheit”, wie Jürgen Trabant in dem Vergleich seiner eigenen Humboldt-Interpretation mit derjenigen Meschonnics herausarbeitet. 68 Diese kurzen Anmerkungen zu den aktuellen Bemühungen um das Werk Humboldts wie auch das Ensemble der hier abgedruckten Aufsätze mögen verdeutlichen, dass sich der Zugriff auf die humboldtschen Texte innerhalb der zwei Jahrhunderte grundlegend gewandelt hat. War das Interesse an Humboldts Sprachdenken im 19. Jahrhundert primär ein Interesse an den Detailergebnissen seiner linguistischen Studien zum Sanskrit, Chinesisch oder Baskisch, die man in den respektiven Diskursen, oftmals in Rezensionsform zur Kenntnis nahm (Orientalismus, Vasko-Iberismus), von denen man sich absetzte oder die man in eigene Argumentationen integrierte, ist der Zugriff im 20. Jahrhundert ein primär hermeneutischer oder historiographischer, der aus einem Interesse an der Gesamtkonzeption des humboldtschen Sprachstudiums bzw. den verschiedenen Etappen der Genese seines linguistischen Forschungsprogramms erwächst. Anmerkungen 1 So schrieb er an Friedrich Schiller am 23. Juni 1789: “Sich eigentlich zu verständigen ist unmöglich, und das aus einem sehr einfachen Grunde. […] Wenn sie sich derselben Worte bedienen, so nehmen sie sie immer in einem andern Sinn. Ihre Vernunft ist nicht unsre, ihr Raum nicht unser Raum, ihre Einbildungskraft nicht die unsrige. […] Sinn, Geist und Gemüt [sind] für sie ganz leere Worte […].” (BS, Bd. 2: 154) 2 Vgl. die Angaben im Richard Lepsius-Archiv auf der Projektseite des Altägyptischen Wörterbuchs der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: http: / / aaew.bbaw.de/ com/ bg/ Lepsius.html. 3 Vgl. z.B. Moniteur universel. Tables chronologique et alphabétique 1806 -1820. 4 Zu Humboldts Beschäftigung mit den Ereignissen von 1789 vgl. Muhlack (1967: 35 - 68) sowie Dippel (1990: 31-36). 5 Vgl. Menze (1988). 6 Vgl. Bucher (1991), Watanabe (1991) und Müller-Sievers (1993), der die Bedeutung des epistemologischen Umbruchs vom Konzept der Präfiguration zu jenem der Epigenesis im ausklingenden 18. Jahrhundert herausgearbeitet hat, den Humboldt in seinen anatomischen Studien nachvollzieht und der wesentlich für das Verständnis von Humboldts naturphilosophischer Studie über die Geschlechter und von dessen organizistischem Sprachkonzept ist. 7 Vgl. GS XIV: 152 f. 8 In dem Fragment heißt es: “6. Die sinnliche Bezeichnung der Einheiten nun, zu welchen gewisse Portionen des Denkens vereinigt werden, um als Theile andern Theilen eines grösseren Ganzen, als Objecte dem Subjekte gegenübergestellt zu werden, heisst im weitesten Verstande des Wortes: Sprache. “ (GS VII,2: 581; Herv. d. Verf.) Vgl. hierzu Trabant (1986a: 71 ff.). 9 So lautet der vierte Teil seines Buches. 10 So Kurt Müller-Vollmer (1976), der den Stellenwert der romantischen Poetik für Humboldts Sprachauffassung herausgearbeitet hat, Peter Schmitter (1985), der Humboldts Sprachauffassung in Analogie zu dessen Kunstverständnis gesetzt hat, und Jürgen Trabant (1986a), der Humboldts Konzept der schöpferischen Synthesis des Wortes bis zu dessen Aufsatz Ueber den Geschlechtsunterschied (1795) zurückgeführt hat. 11 Vgl. Marmontel (1787, Bd. 15: 404 - 430). 12 S. noch einmal GS XIV: 152-153. 13 Die Bedeutung der Neologismen und veränderten Wortbedeutungen im politischen Denken der Revolutionäre hat Brigitte Schlieben-Lange (1996: 72- 87) dargelegt. 14 Vgl. Schlieben-Lange (1981: 100). 15 Vgl hierzu die umfassende Darstellung von Moravia (1977: v.a. 64 - 88 u. 120 -208). 16 Vgl. GS I: 393 f. 17 Vgl. vor allem die Abhandlung im Pariser Tagebuch über Condillacs Essai sur l’origine des connaissances humaines (GS XIV: 444 - 449). 18 “Lecture”, in: Humboldt (2001: 321-328). Wege zur Sprache: Wilhelm von Humboldt und Frankreich 21 19 Vgl. Oesterle (1991: 334 -349). 20 Vor allem in Degérandos Considérations sur les diverses méthodes à suivre dans l’observation des peuples sauvages (abgedruckt in: Copans/ Jamin (Hg.): 73 -109) vom September 1799, aber auch in Jauffrets Introduction aux Mémoires de la Société des observateurs de l’homme (ebda.: 53 - 65), wo es heißt: “[…] et que l’on commence à sentir que la connaissance des mots est comme la clef de la connaissance des choses. “ (ebda.: 63) 21 Humboldt traut sich dies zu, weil er “nun schon des Spanischen recht gut mächtig” sei, “Portugiesisch zulerne und auch das Altprovenzalische nicht versäume, das eigentlich die Muttersprache des neuern Italienischen, Französischen und Spanischen ist” (BS: 178). 22 Vgl. BW: 201. 23 Dies hat Oesterle (1991) gezeigt. 24 Vgl. Absatz 12 der Akademierede Ueber das vergleichende Sprachstudium (GS IV: 12-14). Auch die Menge an Übersetzungen, die Humboldt etwa aus dem Griechischen, dem Sanskrit und dem Ägyptischen vornahm, zeigt den bedeutenden Stellenwert von Texten für sein Sprachstudium. 25 Die “Aarsleff-Debatte” braucht hier nicht mehr dargelegt zu werden. Vgl. Aarsleff (1977), auf den Gipper (1981), Oesterreicher (1981 und 1986) und Trabant (1986b; 1990: 217-241 und 2004: 18 -20) geantwortet haben. Schlieben-Lange (1984: 33) hat dagegen noch einmal betont, dass “alles [daraufhin] deutet […], dass die Wissensbestände der Sprachphilosophie der Aufklärung in der Formulierung der Ideologen als sicheres, mithin implizites Wissen in die humboldtsche Sprachtheorie eingehen” und Humboldt sich insofern dem “Forschungsprogramm der grammaire générale verpflichtet” gefühlt habe. Eine intertextuelle Analyse, die nachweisen könnte, dass Humboldts Begrifflichkeit tatsächlich auf Begriffen der französischen Spätaufklärung basiert, steht noch aus. Hierbei wäre allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Vorstellungen der “grammaire générale” ja auch in Deutschland, etwa durch Bernhardi, tradiert worden sind, sie also vielleicht so etwas wie den sprachwissenschaftlichen Horizont der Zeit bilden. Der Nachweis, dass sich ein solcher allgemeinen Wissenshorizontes der Zeit in Humboldts Texten wieder findet, nimmt den in der Kritik an Aarsleff herausgearbeiteten Quellen nichts von ihrer herausgehobenen Stellung. 26 Elsina Stubbs (2002), die in ihrem Kapitel zu Condillac und Humboldt (51- 84) noch einmal von Aarsleffs These ausgeht, kann in ihrer Studie den behaupteten unmittelbaren Einfluss des französischen Philosophen auf Humboldt nicht plausibel nachweisen: Es fehlen diesbezügliche Rezeptionsnachweise, und die von Caussat in diesem Band bearbeiteten Stellen des Pariser Tagebuches und der Korrespondenz werden ungenügend zur Kenntnis genommen. Was sie allerdings überzeugend nachzeichnet, ist eine von Condillac ausgehende geistige Tradition, in der Humboldt, wie andere, stehe. Diese hatte schon Jürgen Trabant (1990) in seinen Traditionen Humboldts dargestellt. 27 Vgl. Trabant (2004: 19ff.). 28 Vgl. ebda: 19 f. 29 Vgl. Trabant (2004: 21ff.), der Degérandos Projekt allerdings in Bezug auf den Begriff der “fraternité” differenziert: Indem der Anthropologe den “Wilden” als Bruder begegnen soll, wird er praktisch einer von ihnen. Im Konzept der “observation participante” wird die Vergangenheit Gegenwart, öffnet sich Degérandos Projekt einer Betrachtung synchroner Verschiedenheiten. 30 Vgl. BS: 181. Humboldt schreibt dort: “Ein kleiner, aber merkwürdiger Punkt ist noch Biskaya. Es ist wenigstens das einzige europäische Land, das eine eigentliche Ursprache, älter als alle übrigen neuern und die mit keiner andern auch nur entfernte Ähnlichkeit besitzt, erhalten hat. Besonders ist die Grammatik dieser Sprache im höchsten Grade merkwürdig und führt zu interessanten Betrachtungen über die Bildung der Sprache überhaupt.” 31 In das Tagebuch der Reise nach Spanien schreibt er während des Aufenthaltes in St. Jean de Luz über die erste Begegnung mit dem Baskischen: “Ueber den Klang der Sprache wage ich nichts zu sagen, als dass er durchaus fremd ist, und man nicht das Mindeste versteht.” (GS XV: 129) 32 Vgl. Trabant (2004: 18). 33 Vgl. Hurch (Hg.) (2002: 14). - Ein Beispiel hierfür ist die Grammatik von Nicolas Fréret, deren Manuskript Humboldt zur Vorbereitung der Reise ins Baskenland von Baron de Sainte-Croix erhält, mit dem Humboldt in Paris relativ intensiven Kontakt pflegte und der zu diesem Zeitpunkt den Nachlass Frérets besaß. Auf diesen Text verweist Humboldt auch wieder in seinem Beitrag zum Mithridates von Adelung und Vater, wo er die von ihm zur Hilfe genommenen Quellen erörtert. (Vgl. Hurch (Hg.) 2002: 83 f.) 34 Vgl. Mueller-Vollmer (1991). Sarah Bösch und Markus Meßling 22 35 Auf die Sonderstellung, die Humboldt mit seinen maßgeblich von französischen Forschungen angeregten Studien zum Ägyptischen und Chinesischen innerhalb des in Deutschland dominanten Indiendiskurses einnimmt, kann hier nicht eingegangen werden. 36 Die Ausführungen zum Stellenwert der Schriften Champollions und Abel-Rémusats für Wilhelm von Humboldts Sprachanthropologie basieren auf ersten Ergebnissen einer Studie über die Rezeption französischer Philosophie und Forschungen in Humboldts Schriftbetrachtung, die im Rahmen des DFG-Projekts “Wilhelm von Humboldt und Frankreich” entsteht. Zu Champollions anthropologischem Projekt vgl. Meßling (im Druck1), zur Bedeutung der champollionschen Erkenntnisse für Wilhelm von Humboldts Theorie der Schrift vgl. Meßling (im Druck2). 37 Über den Zusammenhang der Schrift mit der Sprache (GS V: 31-106). 38 Vgl. Rousseau/ Thouard (1999) auf die sich auch die folgenden Ausführungen zum Chinesischen beziehen. 39 Vgl. Humboldt (1826 a und b), (1827 a und b), (1830) und (1832). 40 Dies und die folgenden Ausführungen basieren auf den vorläufigen Ergebnissen einer quantitativen Erhebung zur Rezeption der humboldtschen Schriften in Frankreich vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, die im Rahmen des DFG-Projekts “Wilhelm von Humboldt und Frankreich” durchgeführt wurde. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Erhebung in Form einer kommentierten Gesamtbibliographie verbunden mit Detailstudien zu ausgewählten Phasen der Rezeption ist für die zweite Projektphase geplant. Erste inhaltliche Analysen zur frühen Humboldtrezeption in der Société asiatique bis 1835 wurden auf der von der Équipe “Transferts culturels” des CNRS veranstaltenden Journée d’étude L’Orient comme tiers: échanges entre orientalistes français et allemands an der Ecole normale supérieure am 5. Juni 2004 in Paris vorgetragen. Die Ergebnisse dieser deutsch-französischen Tagung werden voraussichtlich in der Revue germanique internationale erscheinen. 41 Vgl. beispielhaft Challemel-Lacour (1864), Farinelli (1898), Gaudefroy-Demombynes (1931), Kelkel (1958). 42 Vgl. Leroux (1929/ 30), (1932a und b), (1934), (1946), (1948), (1951/ 52), (1958) und (1959). 43 Vgl. exemplarisch Cherbuliez (1889) Laquiante (Hg. 1893) Simond (Hg. 1893), Hamy (Hg. 1904) und (1907), Bossert (1908), Lux (1911), Wyzewa (1911). 44 Zu den sprachtheoretischen und sprachwissenschaftlichen Konvergenzen zwischen Humboldt und einzelnen Vertretern der Société asiatique, die eine Rezeption seiner Schriften in diesem Kontext begünstigten vgl. Bösch (im Druck). 45 So erschienen beispielsweise 1824 Rezensionen zu “Ueber das Entstehen der grammatischen Formen und ihren Einfluss auf die Ideenentwicklung” im Bulletin des sciences historiques (2: 1-2, 146 -147) und dem Journal asiatique (5: 51- 61), die Akademierede “Ueber die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau” wurde ebenfalls 1824 im Journal asiatique (5: 369 -376) besprochen, der “Lettre à Monsieur Abel- Rémusat” 1827 im Bulletin des sciences historiques (7: 365 -369) und 1828 im Journal des savans (2 e série, 13: 68 - 80, 141-151). 46 Vgl. exemplarisch Alexander von Humboldts Brief an seinen Bruder vom 13. September 1824: “Die Abhandlung über die grammatischen Formen hat hier das größte Aufsehen erregt und ich glaube Dir geschrieben zu haben, daß Rémusat auf meine Bitte einen Auszug daraus in der Asiatischen Zeitschrift veröffentlichte […]. Das ebenso bedeutende Manuskript über den Einfluß der Schrift ist sogar noch in den Händen eines Professors Schulz aus Darmstadt, den wir hier haben und der eine gründliche Kenntnis des Persischen, Arabischen und Chinesischen besitzt. Du siehst auch aus dem anliegenden Brief und den Bemerkungen, wie wichtig man hier diese letzten Arbeiten nimmt, die wir (unser aller Wunsch) in einem Bande vereinigt sehen möchten. Ich werde Schulz schreiben, einen Auszug aus der Abhandlung über die Schrift zu machen” (Humboldt (Hg.) 1923: 151). 47 Vgl. die Briefverzeichnisse in Mattson (1980) und Mueller-Vollmer (1993) sowie die ausführliche Aufarbeitung des Briefwechsels zwischen Humboldt und Abel-Rémusat durch Rousseau/ Thouard (1999). Editionen und Untersuchungen zu den Briefwechseln Humboldts mit Champollion und den Burnouf-Brüdern werden im Rahmen des DFG-Projekts “Wilhelm und Humboldt und Frankreich” vorbereitet. 48 Zur Methodologie der ursprünglich in Frankreich in einer Arbeitsgruppe des CNRS von Michael Werner und Michel Espagne entwickelten Kulturtransferforschung vgl. exemplarisch und zusammenfassend jüngst Espagne (1999) und Middell (Hg. 2000). 49 “Les premières manifestations d’un transfert ne sont pas des œuvres, souvent diffusées et traduites à une époque très tardive, mais des individus échangeant des informations ou des représentations et se constituant progressivement en réseaux […] Les réseaux en tant que milieux matriciels sont antérieurs à tout produit culturel déterminé, mais ils tendent à dépasser le stade de l’échange épistolaire ou de l’échange oral pour se constituer en textes.” (Espagne/ Werner 1987: 984 -986) Wege zur Sprache: Wilhelm von Humboldt und Frankreich 23 50 Vgl. Franz Bopp (1833 -52): Grammaire comparée des langues indoeuropéennes (Ü: Michel Bréal). 5 Bde. Paris 1866 -1874 sowie Friedrich Diez (1836 - 44): Grammaire comparée des langues romanes (Ü: Gaston Paris / Auguste Brachet / Alfred Morel-Fatio). Paris 1874 -76. 51 “La Société de linguistique est bien un organe officiel: elle est subventionnée par l’Etat (1869), après 1870 ses réunions ont lieu à la Sorbonne, ses membres sont majoritairement des professeurs, et c’est parmi eux que se recrute le personnel de la toute nouvelle Ecole Pratique des Hautes Etudes […] Cette dernière [la Société de linguistique] travaille sur les langues indo-européennes d’un point de vue très spécialisé (étymologies, dérivations phonétiques; les tables des Mémoires comportent essentiellement de longues listes de mots). On n’y rencontre pratiquement aucune discussion théorique sur le langage, la grammaire, les questions des catégories.” (Auroux 1984: 305 -307) 52 Der Prix Volney, ein 1820 von Constantin-François Chassebœuf de Volney ursprünglich für die Transkription asiatischer Sprachen gestifteter Preis wurde in der Folge zu einer europäischen Auszeichnung für herausragende linguistische Arbeiten. Zur Geschichte des Prix Volney vgl. grundlegend Leopold (Hg. 1999). 53 Das in der Transferforschung wichtige heuristische Konzept der “conjoncture” wurde in der Annales-Schule geprägt und bezeichnet im Unterschied zu dauerhaften Strukturen eher kurz- und mittelfristige Trends (vgl. Burke 1990: 112-113). 54 “As a scholar […] and as a teacher, M[eillet], […] left his mark on European ling[uistics] in the first half of this century; as Vendryes wrote in his obituary article, ‘on peut dire que l’histoire du développement de la pensée de M[eillet] se confond avec l’histoire de la ling[uistique] au cours des cinquante dernières années.’” (Swiggers 1996: 623) 55 Vgl. Di Cesare (1998: 18): “Humboldts Werk bleibt wie im vergangenen, so auch in unserem Jahrhundert in seinem inneren Zusammenhang unbekannt, und seine philosophische Reflexion wird weiterhin von der Sprachforschung ferngehalten. Humboldt erscheint, so betrachtet, als ein Sprachphilosoph, dessen sicherlich anregende Überlegungen dazu verurteilt sind, empirisch ungenutzt und unbenutzbar zu bleiben.” 56 So in einer Besprechung zu Louis Hjelmslevs Principes de grammaire générale: “M. Hjelmslev évite avec raison la notion vague et insaisissable de ‘innere Sprachform’, notion qui n’a du reste jamais pénétré vraiment en France.” (Meillet 1930: 4) 57 Vgl. diesbezüglich Trabant (1986a: 166 -167) und Chabrolle-Cerretini in diesem Band. 58 Eine Analyse dieses bisher wenig beachteten humboldtschen Textes einschließlich einer Untersuchung seiner Quellen bietet neuerdings Rousseau (2004). 59 1821 Antoine Isaac Silvestre Sacy in Journal des Savans (2 e série, 6: 587-593, 643 - 650), 1823 Conrad Malte- Brun in Nouvelles annales des voyages (19: 109 -115), 1824 A[driano? ] B[albi? ] in Bulletin des sciences historiques (1: 201-204). 60 Vgl. exemplarisch Bladé (1869), Van Eys (1874), Darregeix (1876), Luchaire (1879). Zur Rolle des “énigme des origines de la basquité” im Rahmen der diskursiven Konstruktion einer “singularité basque” im 19. Jahrhundert vgl. aus diskursanalytischer Perspektive Bidard (2001). 61 Michaud. Biographie universelle ancienne et moderne (1854: 149 -151) nennt neben den Basken-Schriften (Mithridates-Beitrag, Prüfung) und den Aufsätzen im Journal asiatique, z.B. die Übersetzungen aus Pindar und Aeschylos, die Ästhetischen Versuche, die Aufsätze für Schillers Horen (Über den Geschlechtsunterschied, Über die männliche und weibliche Form), die Akademiereden Über das Entstehen der grammatischen Formen, Über die Bhagavad-Gita, Über vier ägyptische löwenköpfige Bildsäulen und die Kawi-Einleitung. Die Nouvelle biographie générale (1861), Larousse. Grand dictionnaire universel (1865/ 76) und La Grande Encylopédie (1894) verweisen darüber hinaus auf die beiden staatstheoretischen Schriften, verschiedene Briefwechsel und die von Alexander von Humboldt zusammengestellten Gesammelten Werke. 62 Humboldt (1859) und (1867). 63 Vgl. Rousseau/ Thouard (1999), Chabrolle-Cerretini (Hg. 2002) und (im Druck) und die von Jean Quillien initiierten und eingeleiteten Übersetzungen humboldtscher Texte von Annette Disselkamp/ André Laks (Humboldt 1985) und Christophe Losfeld (Humboldt 1995). 64 So z.B. bei Ferry u.a. (Hg. 1979), Schaub (1990) oder Dumont (1991). 65 Zentrale Forschungsergebnisse dieser historiographischen Konjunktur innerhalb der Sprachwissenschaft sind z.B. in Auroux (Hg. 1989 -2000) und regelmäßig in der seit 1979 erscheinenden Zeitschrift Histoire- Epistémologie-Langage nachzulesen. 66 Vgl. diesbezüglich vor allem Meschonnic (1985) und Thouard (2000) sowie die Diskussion zwischen Caussat und Thouard in Chabrolle-Cerretini (Hg. 2002). Sarah Bösch und Markus Meßling 24 67 Vgl. auch Thouard (2002): “Je voudrais suggérer que le traducteur ne doit pas simplement être au clair avec la langue qu’il traduit, sa signification spécifique, son contexte propre d’énonciation, mais aussi avoir une conscience critique de sa propre langue et des implications de ses choix terminologiques.” Ähnlich Meschonnic (1985). 68 Zu weiteren Aspekten der Humboldt-Interpretation Meschonnics sowie der Position von Meschonnics Sprachtheorie insgesamt innerhalb des sprach- und literaturtheoretischen Diskurses seiner Zeit vgl. neuerdings auch Jostes (2004: 157-218) und in vorliegendem Band. Bibliographie Aarsleff, Hans (1977): Guillaume de Humboldt et la pensée linguistique des Idéologues. In: Joly, André / Stéfanini, Jean (Hg.): La grammaire générale. Des modistes aux idéologues. Villeneuve-d’Ascq: P.U.L.: 217-241. Auroux, Sylvain (1984): Linguistique et anthropologie en France (1600 -1900). 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