Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2004
273-4
Jannis K. Androutsopoulos and Alexandra Georgakopoulou (eds.): Discourse Constructions of Youth Identities. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2003, 339 + viii pp., ISBN 90-272-5352-8
121
2004
Ernest W. B. Hess-Lüttich
kod273-40326
Reviews 326 Jannis K. Androutsopoulos and Alexandra Georgakopoulou (eds.): Discourse Constructions of Youth Identities, Amsterdam/ Philadelphia: John Benjamins 2003, 338 + viii pp., ISBN 90-272-5352-8 Jeder Mensch zeichnet sich aus durch seine Identität, durch die er sich identifiziert und unterscheidet von anderen Individuen. Dazu bedient er sich einer Fülle von Zeichen, auch sprachlichen. Kein Wunder, daß sich ganz unterschiedliche Disziplinen dem zentralen Konzept gewidmet haben, neben Soziologie, Psychologie, Politologie, Rechtswissenschaften usw. nicht zuletzt auch die Linguistik und Semiotik. Identität ist ein soziales Konstrukt, das im komplexen Zusammenspiel des gesellschaftlichen Miteinanders entsteht und hervorgeht, also ein im gemeinsamen Handeln, Denken, Fühlen und Kommunizieren entstehendes Phänomen, das je nach Situation und Rolle veränderbar ist. Identität drückt sich nicht innerhalb eines einzigen Modus oder als feste Einheit aus, sondern auf komplexe und je unterschiedliche Weise. Identität kann sich darin zeigen, wie man lebt, mit welchen Menschen man verkehrt, wie man denkt und urteilt, wie man fühlt und welche Haltungen gegenüber bestimmten Werten und Vorstellungen man einnimmt, worüber man spricht, wie man spricht usw. Zudem sind all diese Identität generierenden Faktoren nicht unabhängig von Ort, Zeit, Rolle, Situation und anderen Bedingungen. Bei dem Konstruktionsprozess von Identität kommt der Sprache bzw. dem Sprechen eine besondere Bedeutung zu. Das zeigt sich z.B. darin, wie man sich sprechend von anderen unterscheidet und abgrenzt. Besonders augenfällig ist dies bei Jugendlichen und ihrer Sprache, sie befinden sich in einem Zwischenstadium, in dem sie sich psychisch und gesellschaftlich zurecht finden und sich eine Position schaffen müssen. Sie grenzen sich nicht nur von den Erwachsenen und den vorherrschenden Normen ab, sondern sie konstruieren gleichzeitig eine eigene Identität, worin sie sich und ihresgleichen finden können. Verhalten, Aussehen, ein bestimmter Gefühlsausdruck und Sprache dienen dabei als Erkennungszeichen. Wer denselben Beschäftigungen und Interessen nachgeht, zudem sich noch ähnlich kleidet und spricht, der gehört zur entsprechenden Gruppe (peer-group). Jugendliche identifizieren sich in diesem Prozeß weniger mit den von den gesellschaftlichen Bedürfnissen festgelegten und definierten Rollen, ihre Orientierungspunkte konstruieren sich vielmehr in Gruppen, die sich nicht nur von den bestehenden Normen der Erwachsenen, sondern ebenso von anderen, konkurrierenden Gruppen abheben. Das ist, sehr grob zusammengefaßt, der Ausgangspunkt des von den beiden aus Griechenland stammenden, aber in Deutschland (Hannover) und Großbritannien (London) tätigen Herausgebern zusammengestellten Sammelbandes, der ein Dutzend Aufsätze von Autoren vereinigt, die untersuchen, wie Jugendliche Identität kommunizierend herstellen und zum Ausdruck bringen. Die thematischen Ansatzpunkte sind so vielfältig wie die Facetten der sozialen Konstruktion von Identität. Soziale und pragmatische Faktoren wie Alter, Geschlecht, Rolle, peer-group, Ethnizität, sozio-kultureller Kontext, Situation usw. spielen dabei ihre je funktionale Rolle. Der Konstruktionsprozess wird überdies auch von den Medien beeinflußt, die verwendet werden, um sich auszudrücken: Musik, SMS, Chat, traditioneller Brief, interpersonale mündliche Kommunikation usw. Gemeinsam ist allen Autoren, daß sie den Schwerpunkt auf diskursive Formen legen, d.h. auf die Frage, welche Rolle Sprache und andere kommunikativ relevante Zeichen bei der Konstruktion von Identität spielen. Ihnen ist allen bewußt, daß sich sprachliches Verhalten nicht losgelöst von nicht-sprachlichem untersuchen läßt, denn erst im Zusammenspiel aller relevanten Faktoren werden Identitäten geschaffen. Um der Komplexität des Gegenstandes gerecht zu werden, orientieren sich die Herausgeber in ihren einführenden Leitlinien am Konzept der Aktivitätstypen, das kommunikatives Verhalten zu Typen abstrahiert und modelliert: “conglomerats of social events and genres or types of discourse” (7). Die Beiträge sind schwerpunktmäßig in drei Gruppen unterteilt, die sich an unterschiedlichen Arten von Aktivitätstypen orientieren. Die erste Gruppe bezieht sich auf Aktivitätstypen, die sich alle im Rahmen verschiedener peer-groups (Nachbarschaft, Schule, Jugendzentrum usw.) Reviews 327 abspielen. Werner Kallmeyer und Inken Keim (vom Mannheimer Institut für deutsche Sprache) untersuchen z.B. eine ethnisch minoritäre Gruppe von vorwiegend türkisch-stämmigen Mädchen zwischen 15 und 21 Jahren daraufhin, wie sie in ihrem gesamten sozialen und kommunikativen Verhalten zwischen türkischer und deutscher Sprache eine eigene Identität aufbauen. Die zweite Gruppe umfasst Aktivitätstypen, die sich im schriftlichen Medium ausdrücken. Unter diesem Aspekt beschreiben beispielsweise Jan Berns (Halle-Wittenberg) und Peter Schlobinski (Hannover) die verbalen Ausdrucksformen von zwei Hip-Hop-Gruppen, die ihrer Identität je unterschiedlich Ausdruck geben: einmal im ‘gangsta-rap-Stil’, der Gewalt, Verbrechen und Sexualität thematisiert, einmal im ironisch-spielerischen Stil der in Deutschland bekannten Hip- Hop-Gruppe ‘Fünf Sterne Deluxe’. Die letzte Gruppe ist auf Aktivitätstypen bezogen, die aus von den Forschern organisierten Treffen und Situationen hervorgehen (z.B. Interviews mit Jugendlichen, arrangierte Gespräche unter Informanten usw.). Dabei wurde untersucht, wie die Jugendlichen innerhalb von bestimmten Situationen und Rollen sich positionieren und repräsentieren. Peter Auer (Freiburg/ Brsg.) und Inci Dirim (Hamburg) diskutieren z.B. in ihrem Kapitel die spontane Aneignung von türkischen Idiomen durch deutsche Jugendliche, die nicht türkisch sprechen, innerhalb eines nachbarschaftlichen Zusammenhangs, in dem türkische Jugendliche die größte Minderheitsgruppe bilden. Die im besprochenen Band versammelten Aufsätze geben auf hohem Niveau einen vielfältigen und informativen Einblick in die unterschiedlichen Weisen, wie Jugendliche heute in ihren jeweiligen Szenen Identität diskursiv konstruieren. Darüber hinaus beschreiben die Texte immer auch die Befindlichkeit einer Generation und die Möglichkeiten und Bedingungen, die die Jugendlichen in der Gesellschaft vorfinden und wie sie sich darin orientieren und zurechtfinden. Die Aufsätze fokussieren zwar einen ganz bestimmten Bereich innerhalb nur einer Generation, im Hintergrund steht aber immer gleichzeitig die Gesellschaft als ganze, so daß die Texte zugleich implizit Auskunft über das lebenslange Verhältnis von Sprache, Gruppe und Identitätskonstitution im gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft insgesamt geben. Alle Untersuchungen sind empirisch fundiert, was eine besondere Nähe zu und Verbundenheit mit den Jugendlichen schafft. Die lebensnahen und konkreten Beschreibungen des empirischen Materials verführen jeden zu intensiverer Lektüre, der sich für den gegenwärtigen Stand der Jugendsprachforschung interessiert, aber auch jeden, der sich einfach noch einmal vor Augen zu führen wünscht, wie sich Jugendliche ihre Identität heute wie ehedem unter je geltenden sozialen Bedingungen suchen und gestalten müssen. Ernest W.B. Hess-Lüttich (Universität Bern) Michael Anton Böhm: Deutsch in Afrika. Die Stellung der deutschen Sprache in Afrika vor dem Hintergrund der bildungs- und sprachpolitischen Gegebenheiten sowie der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik (= Duisburger Arbeiten zur Sprach- und Kulturwissenschaft 52), Frankfurt/ Main: Peter Lang 2003, 702 S., ISBN 3-631-51566-9 Die auf einer Augsburger Dissertation basierende Arbeit des Germanisten Michael Anton Böhm bietet einen sehr nützlichen Überblick über die Lage seines Faches auf dem afrikanischen Kontinent. Wer sich über die aktuelle Situation der Vermittlung der deutschen Sprache in den z.Zt. 54 Staaten Afrikas auf den unterschiedlichen Ebenen von der Schule bis zur Hochschule und anderen Bildungsträgern wie Goethe-Instituten, Gesellschaften oder Stiftungen orientieren will, dürfte hier fündig werden. Die Arbeit will zugleich den bislang vermißten Gesamteindruck von Stellung der deutschen Sprache auf dem Erdteil insgesamt vermitteln als auch eine möglichst vollständige Bestandsaufnahme von der Germanistik und dem DaF-Unterricht in den einzelnen Ländern vornehmen. Die umfangreiche Arbeit gliedert sich in drei Teile von unterschiedlichem Gewicht. Zunächst skizziert Böhm (= Verf.) den Kontext der Auswärtigen Kulturpolitik Deutschlands, in deren Rahmen die Förderung der deutschen Sprache im Ausland eingebettet ist. Er geht dabei auch kurz
