eJournals Kodikas/Code 27/3-4

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2004
273-4

Michael Anton Böhm: Deutsch in Afrika. Die Stellung der deutschen Sprache in Afrika vor dem Hintergrund der bildungs- und sprachpolitischen Gegebenheiten sowie der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik (= Duisburger Arbeiten zur Sprach- und Kulturwissenschaft 52), Frankfurt/Main: Peter Lang 2003, 702 S., ISBN 3-631-51566-9

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2004
Ernest W. B. Hess-Lüttich
kod273-40327
Reviews 327 abspielen. Werner Kallmeyer und Inken Keim (vom Mannheimer Institut für deutsche Sprache) untersuchen z.B. eine ethnisch minoritäre Gruppe von vorwiegend türkisch-stämmigen Mädchen zwischen 15 und 21 Jahren daraufhin, wie sie in ihrem gesamten sozialen und kommunikativen Verhalten zwischen türkischer und deutscher Sprache eine eigene Identität aufbauen. Die zweite Gruppe umfasst Aktivitätstypen, die sich im schriftlichen Medium ausdrücken. Unter diesem Aspekt beschreiben beispielsweise Jan Berns (Halle-Wittenberg) und Peter Schlobinski (Hannover) die verbalen Ausdrucksformen von zwei Hip-Hop-Gruppen, die ihrer Identität je unterschiedlich Ausdruck geben: einmal im ‘gangsta-rap-Stil’, der Gewalt, Verbrechen und Sexualität thematisiert, einmal im ironisch-spielerischen Stil der in Deutschland bekannten Hip- Hop-Gruppe ‘Fünf Sterne Deluxe’. Die letzte Gruppe ist auf Aktivitätstypen bezogen, die aus von den Forschern organisierten Treffen und Situationen hervorgehen (z.B. Interviews mit Jugendlichen, arrangierte Gespräche unter Informanten usw.). Dabei wurde untersucht, wie die Jugendlichen innerhalb von bestimmten Situationen und Rollen sich positionieren und repräsentieren. Peter Auer (Freiburg/ Brsg.) und Inci Dirim (Hamburg) diskutieren z.B. in ihrem Kapitel die spontane Aneignung von türkischen Idiomen durch deutsche Jugendliche, die nicht türkisch sprechen, innerhalb eines nachbarschaftlichen Zusammenhangs, in dem türkische Jugendliche die größte Minderheitsgruppe bilden. Die im besprochenen Band versammelten Aufsätze geben auf hohem Niveau einen vielfältigen und informativen Einblick in die unterschiedlichen Weisen, wie Jugendliche heute in ihren jeweiligen Szenen Identität diskursiv konstruieren. Darüber hinaus beschreiben die Texte immer auch die Befindlichkeit einer Generation und die Möglichkeiten und Bedingungen, die die Jugendlichen in der Gesellschaft vorfinden und wie sie sich darin orientieren und zurechtfinden. Die Aufsätze fokussieren zwar einen ganz bestimmten Bereich innerhalb nur einer Generation, im Hintergrund steht aber immer gleichzeitig die Gesellschaft als ganze, so daß die Texte zugleich implizit Auskunft über das lebenslange Verhältnis von Sprache, Gruppe und Identitätskonstitution im gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft insgesamt geben. Alle Untersuchungen sind empirisch fundiert, was eine besondere Nähe zu und Verbundenheit mit den Jugendlichen schafft. Die lebensnahen und konkreten Beschreibungen des empirischen Materials verführen jeden zu intensiverer Lektüre, der sich für den gegenwärtigen Stand der Jugendsprachforschung interessiert, aber auch jeden, der sich einfach noch einmal vor Augen zu führen wünscht, wie sich Jugendliche ihre Identität heute wie ehedem unter je geltenden sozialen Bedingungen suchen und gestalten müssen. Ernest W.B. Hess-Lüttich (Universität Bern) Michael Anton Böhm: Deutsch in Afrika. Die Stellung der deutschen Sprache in Afrika vor dem Hintergrund der bildungs- und sprachpolitischen Gegebenheiten sowie der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik (= Duisburger Arbeiten zur Sprach- und Kulturwissenschaft 52), Frankfurt/ Main: Peter Lang 2003, 702 S., ISBN 3-631-51566-9 Die auf einer Augsburger Dissertation basierende Arbeit des Germanisten Michael Anton Böhm bietet einen sehr nützlichen Überblick über die Lage seines Faches auf dem afrikanischen Kontinent. Wer sich über die aktuelle Situation der Vermittlung der deutschen Sprache in den z.Zt. 54 Staaten Afrikas auf den unterschiedlichen Ebenen von der Schule bis zur Hochschule und anderen Bildungsträgern wie Goethe-Instituten, Gesellschaften oder Stiftungen orientieren will, dürfte hier fündig werden. Die Arbeit will zugleich den bislang vermißten Gesamteindruck von Stellung der deutschen Sprache auf dem Erdteil insgesamt vermitteln als auch eine möglichst vollständige Bestandsaufnahme von der Germanistik und dem DaF-Unterricht in den einzelnen Ländern vornehmen. Die umfangreiche Arbeit gliedert sich in drei Teile von unterschiedlichem Gewicht. Zunächst skizziert Böhm (= Verf.) den Kontext der Auswärtigen Kulturpolitik Deutschlands, in deren Rahmen die Förderung der deutschen Sprache im Ausland eingebettet ist. Er geht dabei auch kurz Reviews 328 auf deren historische Entwicklung seit dem Kaiserreich ein und stellt die wichtigsten an der Sprachförderung beteiligten staatlichen Institutionen vor wie das Auswärtige Amt, die Ständige Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache (StA- DaF), die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) und einige Mittlerorganisationen wie (neben einigen Stiftungen vor allem) das mit Inter Nationes fusionierte Goethe Institut und den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Am Rande verweist der Verf. auch auf die einschlägigen Anstrengungen der früheren DDR (Herder-Institut Leipzig) und der benachbarten deutschsprachigen Länder hin, wobei Österreich sich vergleichsweise stark engagiert, während die Schweiz ihr Nichtstun durch den Verweis auf ihre Mehrsprachigkeit rechtfertigen zu können meint. Nicht erwähnt wird die Stiftung Pro Helvetia, die sich jedoch mit ihrem verengten Kulturbegriff aus der Sprachförderung inzwischen völlig heraushält und selbst das weltweit anerkannte Programm der Swiss Chairs (Gastprofessuren für renommierte Wissenschaftler und Autoren) aus Kostengründen vorläufig eingestellt hat. Der weit umfangreichere zweite Teil untersucht länderübergreifend die Situation des Deutschen in Afrika im Hinblick auf die für dessen Stellung wichtigsten inneren und äußeren Faktoren (Bildungssituation, Sprachensituation, Sprachenpolitik, Sprachförderung durch Deutschland). Die Ergebnisse werden dann nach Bildungsbereichen aufgeschlüsselt und getrennt für die Schulen, Hochschulen und außerschulische Träger dargestellt und schließlich auch quantitativ erfaßt, was ein recht differenziertes Bild ergibt über die höchst unterschiedliche Situation in den einzelnen Ländern. Der Statistik-Teil mit seinen übersichtlichen Tafeln und Tabellen bietet dem Leser einen schnellen Zugriff auf die Vergleichsdaten und gibt signifikante Hinweise auf die Entwicklung der letzten beiden Dekaden. Der dritte Teil ist versammelt auf ca. 450 Seiten Berichte zu den einzelnen Ländern in der Form von nach einheitlichem Schema gegliederten Handbucheinträgen. Der Aufbau wird zunächst kurz erläutert im Hinblick auf allgemeine Daten zu den Ländern, zu ihren Volksgruppen und Religionen, ihrer Geschichte und ihrem Bildungswesen, ihren Sprachen und Fremdsprachen. Die Informationen zur Stellung des Deutschen in diesen Ländern sind dann wieder wie im zweiten Teil nach Schule, Hochschule und außerschulischem Bereich sortiert. Zwei Länderberichte, die zu Namibia und zu Südafrika, weichen von diesem Schema etwas ab und sind auch deutlich länger geraten als die andern, weil hier auch noch das Deutsche als Muttersprache berücksichtigt wurde. Die Länderberichte sind (nach einem Kriterienbündel, das historisch-koloniale und politisch-geographische Aspekte einschließt) sieben Staatengruppen aufgeteilt: Nordafrika, frankophone Staaten West- und Zentralafrikas, anglophone Staaten Westafrikas, Östliches Afrika, lusophone Staaten, Staaten im Indischen Ozean, Südliches Afrika. Diese 54 Länderberichte enthalten eine Fülle nützlicher Hinweise, auch viele ernüchternde bis resignative Befunde, bergen aber auch manch verblüffende Information, die selbst mit dem Thema halbwegs vertrauten Lesern so nicht bewußt gewesen sein mögen. Wie erklärt sich z.B. eine dem weltweiten Trend völlig zuwiderlaufende Zuwachsrate von über 400 % bei Deutschlernern und -lehrern in Nordafrika? Warum läßt man das Potential von in der früheren DDR ausgebildeten fast 50.000 Menschen mit Deutschkenntnissen in Mosambik so gänzlich brachliegen? Wie kommt es, daß ausgerechnet in den frankophonen Ländern wie Cote d’Ivoire oder Senegal, Mali oder Cameroun sich das Deutsch an Schulen und Hochschulen so gut behaupten konnte? Sollte die deutsche Kulturpolitik in die Sprachförderung für die vielen ‘weißen Flecken’ investieren (über 30 Länder haben praktisch gar keine Deutschlerner) oder sich auf die klassischen Hochburgen in Ägypten und Südafrika mit den Germanistik- Leuchttürmen an der University of Cairo und der Stellenbosch University konzentrieren? Die Berichte über Südafrika und Namibia mit nennenswerten deutschen Bevölkerungsanteilen sind denn auch vergleichsweise umfangreich und differenziert. Angesichts des hohen Nachwuchs- und Multiplikatoren-Potentials eines Landes mit Deutsch als anerkannter Nationalsprache wie Namibia und der wichtigen politischen und wirtschaftlichen Stellung Südafrikas auf dem Kontinent wäre eine Stärkung der kulturpolitischen Beziehungen gerade hier auch aus deutscher Sicht besonders sinnvoll, um den nach dramatischem Reviews 329 Abstieg der Absolventenzahlen während der beiden letzten Dekaden jüngst zu beobachtenden zaghaften Aufwärtstrend zu stärken. Die von Böhm akribisch zusammengetragen Daten und Fakten könnten den Verantwortlichen in Berlin stichhaltige Argumente liefern. Mit dem Länderbericht zu Swasiland endet das Buch etwas abrupt und ohne Résumé, dafür folgt eine umfangreiche Forschungsbibliographie, auf die gern zurückgreifen wird, wer sich mit dem Deutschen nicht nur in Afrika, sondern auch im Rest der Welt wird beschäftigen wollen. Dies gilt auch für diejenigen, die für die deutsche Auswärtige Kulturpolitik verantwortlich zeichnen, denen man die Lektüre nur warm ans Herz legen kann, wenn die Sprachförderung im Ausland nicht als ‘Subvention’ mißverstanden werden soll (wie sie der hessische Ministerpräsident Roland Koch in seinen Sparvorschlägen etikettiert hat), sondern als langfristige Investition im wohlverstandenen (kulturellen, aber auch wirtschaftlichen) Interesse des Landes. Ernest W.B. Hess-Lüttich (Universität Bern) Dominic Busch: Interkulturelle Mediation - Eine theoretische Grundlegung triadischer Konfliktbearbeitung in interkulturell bedingten Kontexten. Studien zur interkulturellen Mediation Bd. 1, Frankfurt a.M.: Peter Lang 2005, 392 S. ISBN 3-631-53018-8. Das Buch von Dominic Busch basiert auf einer von Hartmut Schröder an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/ O. betreuten Dissertation und eröffnet eine von diesen beiden herausgegebene Reihe zur interkulturellen Mediation, insbesondere vor dem Hintergrund der besonderen Situation in der deutsch-polnischen Grenzregion. Ausgangspunkt seiner Arbeit ist für Busch (= Verf.) der Mangel wechselseitigen kulturellen Wissens zwischen deutschen und polnischen Studierenden an der Viadrina als einem Vorzeigeort deutsch-polnischer Verständigung. Aus persönlichen Erfahrungen schließt er, dass bei alltäglichen Missverständnissen traditionelle Mediationsansätze nicht ausreichten (Kap. 1). Deshalb entwirft der Autor ein alternatives Konzept von Mediation, das aus der Situation heraus zwischen unterschiedlichen Auffassungen und Kulturen zu vermitteln geeignet sein solle. Dazu zeigt er zunächst auf, wie der Bedarf an interkultureller Mediation am Ende des 20. Jahrhunderts in westlichen Gesellschaften gewachsen sei (Kap. 2) und beschreibt dann die Entstehung und Entwicklung der Mediation als Konfliktlösungsverfahren, vor allem im Hinblick auf interkulturelle Konfliktsituationen (Kap. 3). Für solche triadische Verständigungssituationen entwirft der Verf. sein Konzept der induktiven Mediation (Kap. 4 und 5) und diskutiert anhand ausgewählter empirischer sprach- und sozialwissenschaftlicher Studien weitere Forschungsstrategien und -möglichkeiten für sein Modell (Kap. 6). Ausgehend von der Prämisse, dass Mitglieder unterschiedlicher Kulturen auch ein unterschiedliches Konfliktverhalten haben, ohne dass den Beteiligten die Ursachen dafür bewusst sein müssen, sucht der Verf. u.a. mit Methoden der ‘kritische Diskursanalyse’ (und unter der in solchen Qualifikationsschriften üblichen Berufung auf allerlei Zitierautoritäten und ihre mehr oder weniger einschlägigen Bemühungen: Husserl, Weber, Schütz, Gadamer usw.) den Aneignungsprozess von Fremdem durch Verstehen als eine asymmetrische Machtkonstellation zwischen Verstehendem und Verstandenem zu modellieren, in der das Verstandene in den Erfahrungskontext des Verstehenden integriert und damit seiner Ursprünglichkeit beraubt werde (S. 72). Die westliche Auffassung des Kulturbegriffs gehe nach wie vor auf das von Herder geprägte Verständnis zurück: Kultur sei ethnisch fundiert, sozial homogen und grenze sich nach außen ab. Demgegenüber müsse (im Anschluss an Welsch) ein ‘transkulturelles’ Kulturverständnis entwickelt werden, in dem kulturelle Zugehörigkeit nicht mehr an Abstammung oder Territorien gebunden sei und sich auch nicht mehr an der Nation orientieren dürfe. Kultur müsse vielmehr als Netzwerk gedacht werden, das relativ sei und keiner weiteren Stütze dieser Art mehr bedürfe. Verständigung durch ‘kulturelle Überlappung’ (Holenstein) sei möglich, weil unterschiedliche Kulturen über einen weitaus größeren Anteil an Universalien verfügten als bisher angenommen. Diese dürften aber nicht als logisch absolut ge-