Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
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2004
273-4
Frank Hartmann: Mediologie - Ansätze einer Medientheorie der Kulturwissenschaften. Wien: WUV Facultas 2003, 198 S., ISBN 3-85114-801-0
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2004
Ernest W. B. Hess-Lüttich
kod273-40331
Reviews 331 im Bildungswesen), Stereotypisierung und Vorurteilsbildung (z.B. argumentatives Verhalten), Ausgrenzung und Diskriminierung (z.B. Definitionen von Gruppenzugehörigkeit, Dominanzverhalten, Funktionalisierung von Verständnisschwierigkeiten, Unkooperativität). In solchen Alltagssituationen sind kaum professionell ausgebildete Mediatoren zugegen, da können Dritte nur spontan und auf der Grundlage ihrer alltagssprachlichen Kompetenz vermitteln. In spontanen, interkulturell bedingten Missverständnissen sind die Interaktionspartner oft nicht in der Lage, den Grund des Missverständnisses oder gar das Missverständnis selber wahrzunehmen. Eine Dritte Person muss in diesem Fall den Klärungsprozess initiativ einleiten und vorantreiben. Aus zeichenu. handlungstheoretisch orientierten Ansätzen leitet Busch sodann mediatorische Strategien ab, die verstehensfördernd wirken, indem sie auf Strategien des Reformulierens, Paraphrasierens, Wiederholens und der Rekontextualisierung zurückgreifen. Solche Strategien stimmen mit theoretischen Überlegungen zum Fremdverstehen überein, die vorbringen, dass durch Perspektiven- und Rollenübernahme und so genannte Techniken des Spiegelns ein gegenseitiges interkulturelles Verständnis gefördert werden könne. Dabei können Mediatoren durch ihre Außenperspektive und emotionale Neutralität vermittelnd wirken. Schwierigkeiten interkulturellen Verstehens lassen sich (nach Rost-Roth) auf pragmatische Kategorien und Ebenen zurückführen wie Kulturunterschiede in Höreraktivitäten und im Rückmeldeverhalten, in Erzählformen und Narrationen, in konversationellen und argumentativen Stilen. Hier können Dritte kulturelle Unterschiede ausmachen und die beiden Parteien darauf aufmerksam machen. Aus solchen und ähnlichen Beobachtungen stellt der Verf. ein synoptisches Modell zusammen, in dem er deduktive und induktive Konzepte interkultureller Mediation kombiniert. Das Modell fasst Strategien und Vorgehensweisen zusammen, deren sich Dritte in interkulturellen Kontaktsituationen wie auch institutionelle Mediatoren bedienen können. Buschs Modell interkultureller Mediation erscheint am Ende freilich als ein einfaches Phasenmodell, das sich von denjenigen, die er zuvor kritisiert hat, nicht wesentlich unterscheidet. Es versteht sich im Grunde weitgehend von selbst und löst den zuvor erhobenen theoretischen Anspruch kaum ein. Zum anderen prüft er die referierten unterschiedlichen Ansätze nicht auf ihre epistemologische Kompatibilität hin und vermag sie so auch nicht in eine stringente Argumentation schlüssig zu integrieren. Ein Indiz für mangelnde Kohärenz sind die zahllosen resümierenden und vorausverweisenden Textteile, die den Leser eher verwirren als die Arbeit strukturieren. Das Missverhältnis zwischen argumentativem Aufwand unter Rekurs auf alles und jedes (die Bibliographie verzeichnet 644 Titel) und eigentlichem Ertrag ist schon frappant. Auch in sprachlich-formaler Hinsicht lässt die Arbeit Wünsche offen. Gerade bei einem Thema, bei dem es primär und wesentlich um Verstehen im Allgemeinen und um Verständlichkeit fördernde Mittel und Methoden geht, empfindet der Leser die unnötig komplizierte Darstellungsweise als eher abschreckend und die hohe Frequenz von Orthographiefehlern als ziemlich ablenkend. Aber das hat wohl keiner von den Juroren gemerkt, die das Buch mit dem Mediations-Wissenschaftspreis 2004 der Centrale für Mediation ausgezeichnet haben. Ernest W.B. Hess-Lüttich (Universität Bern) Frank Hartmann: Mediologie - Ansätze einer Medientheorie der Kulturwissenschaften. Wien: WUV Facultas 2003, 198 S., ISBN 3-85114-801-0 Medienbegriffe gibt es bekanntlich viele; Medienästhetik, Medienphilosophie, Mediensoziologie oder Medientechnologie haben je eigene Konzepte vorgeschlagen. Vor dem Hintergrund dieser etwas unübersichtlich gewordenen Medientheorie plädiert der Wiener Medienphilosoph Frank Hartmann für wiederum einen ‘neuen’ Ansatz unter dem (von Régis Debray entlehnten) Titel der Mediologie. Von diesem im Frankreich der neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts populär gewordenen Ansatz erhofft sich Hartmann (= Verf.) nicht weniger als eine Neuorientierung der Kulturwissenschaft als gesellschaftswissenschaftliche Reviews 332 Antwort auf die “wichtigste Revolution unserer Zeit”, nämlich die grundlegende Veränderung der Kommunikationsverhältnisse und ihrer Techniken und Praktiken durch “elektronische Technologien und eine global vernetzte Infrastruktur” (S. 91). Wie läßt sich dieses Anliegen theoretisch fassen? Als eine Medientheorie der Kulturwissenschaft will die Mediologie den (engen) Medienbegriff erweitern bzw. sich eher von diesem lösen, um sich der Frage zuzuwenden, wie Medien neue Ideen innerhalb unser Kultur vermitteln und transformieren. Unter diesem als ‘Medialität’ beschriebenen Zusammenhang versteht der Verf. den Prozeß des Übermittelns, Übersetzens, Übertragens innerhalb einer Gemeinschaft, also nicht nur den Vermittlungsprozess, sondern auch den Aspekt einer Transformation von Informationen innerhalb jeweiliger Kommunikationsverhältnisse. So geht er zu Recht davon aus, daß sich Informationen sowohl bei der Weitergabe von Generation zu Generation, als auch innerhalb verschiedener Medientechnologien (z.B. die Drucktechnik) verändern. So kommen ‘Ideen’ nie in ‘reiner’ Form vor, sondern immer nur materialisiert in einer spezifischen medialen Umwelt. Debray nannte das Mediasphäre und meinte damit eine Art strategisches Milieu für Kommunikation. “Gedanken und Ideen werden nicht einfach nur symbolisch vermittelt”, schreibt Hartmann (S. 100), “sondern ständig übersetzt in Zeichen, Worte Symbole, Bilder und dabei auch technisch recodiert. Sie nehmen meist einen intermediären Zustand an, d.h. sie werden nicht als solche kommuniziert, sondern innerhalb der Geltungsbedingungen einer Mediasphäre formatiert.” Neue Ideen setzen sich also nicht immer nur aufgrund besserer Argumente durch, sondern oft auch dann, wenn sie im Spannungsfeld zwischen Technik (also ihrer Speicherung und Vermittlung) und Kultur (ihren Inhalten und Weltbezügen) gut positioniert sind, m.a.W.: die (Entstehungs-)Geschichte kultureller Formen schließt die Formen der Speicherung und Weiterverarbeitung von Ideen ein. Allerdings ist dieser Begriff der ‘Idee’ bei Hartmann nicht eindeutig definiert. Einerseits versteht er darunter Praktiken kultureller Formen schlechthin, andererseits zielen seine Beispiele auf revolutionär neue Ideen (Karl Marx) und deren Durchsetzungskraft innerhalb einer Gesellschaft. Von Debray übernimmt Hartmann auch die medialogischen Zäsuren als historische Stufen der Mediasphäre: auf die Logosphäre nach der Erfindung der Schrift folge die Graphosphäre nach der Erfindung des Drucks; nach dem iconic turn befänden wir uns derzeit in der Videosphäre (also im Wandel von der Schriftkultur zur Bildkultur), die ihrerseits von der Numerosphäre digitaler Medien abgelöst werde. Medien versteht der Verf. dabei jeweils als “eine Kommunikation ordnende Macht, die aber nicht von außen auf die Kultur einwirkt, sondern selbst Kultur ist” (S. 91). So soll eine Theorie der Medien als eine Theorie der Kultur konzipiert werden, in der die Vermittlung von Ideen und die Praxis der Mediennutzung Kultur und Technik verbindet. Medien wirken als Kulturprodukte ihrerseits auf die Kultur ein und verändern Formen oder Praktiken gesellschaftlicher Ordnungsprinzipien. Die zentrale Frage der Mediologie sei diese: “Welche Technologien, welche historischen Prozesse und welche kulturellen Praktiken ermöglichen Kommunikationsprozesse? Wie verändern sich dabei die beteiligten Akteure und die indirekten Adressaten dieser kommunikativen Akte? ” (S. 101). Dabei sollen die Symbolisierungsverfahren (wie Schrift oder Rechnen), soziale Kommunikationscodes, materielle Speicher (Datenträger), Aufzeichnungsdispositive (Schreiben, Malen, Fotografieren etc.) in einem Zusammenhang mit dem jeweiligen Verbreitungsnetz analysiert werden. Die Frage, was genau nun hier Medien sind und was Medialität, beantwortet der Verf. m.E. nicht. Wie läßt sich z.B. bei einem ‘technischen Medienbegriff’ Sprache oder Schrift etwa von Macht oder Glaube als symbolisch generalisiertem Kommunikationsmedium bei Luhmann abgrenzen? Nach Hartmann ist ‘Medium’ als “System von Trägern, Netzen und Dispositiven der Kommunikation zu verstehen, das sich historisch revolutioniert” (S. 105). In kritischer Wendung gegen die klassischen Sender-Empfänger- Modelle zur Beschreibung von Kommunikation plädiert der Verf. für die “Neufassung eines Kommunikationsbegriffs, der den Realitäten einer Informationsgesellschaft entspricht und geistige Kategorien mit technischer Mediatisierung ins Verhältnis setzt: Kommunikation nicht als Aussenden von Botschaften, sondern als Herstellen Reviews 333 von Beziehungen .” 1 Die Trennlinien zwischen der Übertragung (= ‘Transformation’), dem Inhalt oder der Botschaft (= ‘Schaltung’) und der Gesamtheit des Prozesses der Kommunikation (= ‘Mediatisierung’) bleiben unklar. Mit einem dergestalt weit gefaßten Kommunikationsbegriff ist jedwedes menschliche Verhalten als Kommunikation anzusehen und jedes Handeln als Kommunikation zu beschreiben, was den daraus abgeleiteten Medienbegriff ins Unbestimmte entgrenzt. So sind auch Kriterien der Abgrenzung von Medien zu Mediensorten oder von diesen zu Textsorten bzw. Kommunikationsformen Hartmanns Sache nicht. Das wäre aber Voraussetzung für einen weniger spakulativen Zugang zur Frage, inwieweit moderne Kommunikationstechnologien alte verdrängen oder inwieweit diese verändert werden. Aber vielleicht interessieren den Mediologen solche Fragen auch nicht so sehr. Ihm geht es augenscheinlich weniger um präzise Bestimmung des Begriffs als um eine Anschauung der Mediatisierung als eines Prozesses der Vermittlung und der damit einhergehenden Transformationen. Damit läuft der Mediologe jedoch Gefahr, nur die Veränderung als ganzheitlichen Prozess zu sehen und weniger auf die Bedeutung einzelner Zwischenschritte zu achten. Der Funktionswandel des Briefes etwa bedeutet deshalb noch lange nicht das Ende der Schriftlichkeit. Oder: vieles von dem, was heute unter dem Stichwort der ‘performativen Kultur’ subsumiert wird (S. 114ff.), konnte sich erst durch neue Technologien entfalten, die (im Sinne von Meyerowitz 1998 oder Tomlinson 1999) neue Raum/ Zeit-Dimensionen etabliert haben. So gewinnt der kritische Leser den Eindruck einer deutlichen Schlagseite in der Balance zwischen Kultur und Technik: das soziale Subjekt, also der Produzent und Rezipient der Symbolsysteme als der eigentliche Träger der Kultur, gerät zunehmend aus dem Blick - was den Anspruch einer Medientheorie als einer Theorie der Kultur doch erheblich relativiert. Anmerkung 1 Frank Hartmann 2004: “Was ist Mediologie? ”, in: http: / / mailbox.univie.ac.at/ Frank.Hartmann/ docs/ mediologie.pdf [22.11.2005: 3] Literaturhinweise Debray, Régis 1994: Manifestes Médiologiques, Paris: Gallimard Meyrowitz, Joshua 1998: “Das generalisierte Anderswo”, in: Ulrich Beck (ed.), Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt/ Main: Suhrkamp, 176-191 Tomlinson, John 1999: Globalization and Culture, Cambridge: Polity Press Ernest W.B. Hess-Lüttich (Universität Bern) Eckhard Hauenherm: Pragmalinguistische Aspekte des dramatischen Dialogs. Dialoganalytische Untersuchungen zu Gottscheds Sterbender Cato, Lessings Emilia Galotti und Schillers Die Räuber, Frankfurt/ M. etc.: Peter Lang 2003, viii + 384 S., ISBN 3-631-38985-X Die Arbeit basiert auf einer Münsteraner Dissertation, die im Umfeld des dialoggrammatischen Ansatzes von Franz Hundsnurscher entstanden ist. Sie wendet diesen Ansatz exemplarisch auf die drei im Titel genannten Dramen an, weil sich in ihrer Zeit “ein deutlicher Wandel in der Beurteilung des Dialogs” abzeichne (S. 1). Hauenherm (= Verf.) möchte damit einerseits die Stilisierungsarbeit der Autoren an alltagssprachlichen Dialogmustern aufzeigen, andererseits der Frage nachgehen, wie sich dialogisches Handeln in den drei Dramen als Mittel zwischenmenschlicher und gesellschaftlicher Verständigung darstelle. Dazu entwickelt er zunächst ein dialoganalytisches Modell und beschreibt dann die Werke vornehmlich unter dem Aspekt, wie sich darin die dialogische Handlung jeweils aus den einzelnen Sprechakten konstituiere. Aus dem Umgang mit dem dialogischen Material leitet er schließlich so etwas wie ein dialogisches Ideal der Autoren ab, das er auch in deren eigenen einschlägigen Schriften aufzuspüren strebt. In einem kurzen Forschungsüberblick resümiert der Verf. zwar verschiedene andere Ansätze, bleibt aber dann bei seiner Entscheidung für den musterorientierten Ansatz der Dialoggrammatik à la Hundsnurscher, mit dem Phänomene des externen und internen Kommunikationssystems auf der Basis der Handlungsmuster erklärt werden sollen. Deshalb hebt er die