Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2005
281-2
Karl Bühlers Ausdruckstheorie: zu einer Sematologie des Nichtsprachlichen
61
2005
Jens Loenhoff
kod281-20109
Karl Bühlers Ausdruckstheorie: zu einer Sematologie des Nichtsprachlichen Jens Loenhoff I. Als die Ausdruckstheorie 1933 in der ersten Auflage erscheint, sind in Deutschland bereits jene an der Macht, deren Verständnis des menschlichen Körpers und seiner Merkmale noch Millionen das Leben kosten sollte. Bühler selbst konnte diesem Morden nur durch seine Emigration entkommen. Neben der programmatischen Publikation Die Krise der Psychologie (1927) und der Sprachtheorie (1934) gehört die Ausdruckstheorie, obgleich bis heute wenig rezipiert, zu dessen wichtigsten Publikationen. Von der ein Jahr später erschienenen Sprachtheorie getrennt, mit der sie ursprünglich zu einer Publikation zusammengefaßt werden sollte, bildet die Ausdruckstheorie zusammen mit den beiden anderen Monographien diejenige Einheit, die schließlich Bühlers hinlänglich bekanntes “Organon-Modell” und seine dreistellige Relation von “Appell”, “Ausdruck” und “Darstellung” repräsentiert. 1 Wie schon Die Krise der Psychologie ist auch die Ausdruckstheorie durch den Versuch geleitet, Erlebnispsychologie, empirische Verhaltensforschung und geisteswissenschaftliche Ansätze des Sinnverstehens zusammenzuführen und aufeinander beziehbar zu machen. Dabei richtet sich Bühlers Kritik gegen eine Metaphysik des Ausdrucks, die er durch den Einsatz nüchterner, bereits durch moderne Technologien gestützter Verhaltensbeobachtung zu überwinden sucht. Gegenüber dem seit der Antike, dann aber über Humanismus und schließlich durch die Aufklärung forcierten Projekt wissenschaftlicher Menschenkenntnis verhält sich Bühler eher indifferent und ordnet seine Ansprüche unspektakulärer, zugleich aber präziser ein. Diese Präzisierung erfolgt durch eine vor allem für die Theoriebildung fundamentale Vorentscheidung, nämlich a) durch die Bestimmung der Erkenntnisinteressen bzw. einer genauen Problemstellung und b) die Besinnung auf eine entsprechende Erfahrungsbasis, an der die gestellten Fragen zu beantworten sind. Bühlers Problemstellung (a) lautet so einfach wie überzeugend: Was sind die Bedingungen, Formen und Funktionen menschlicher Ausdrucksbewegungen für die wechselseitige Koordination von Handeln und Verhalten? Und wie sind diese theoretisch zu bewältigen? Als Erfahrungsbasis (b) gelten Bühler dabei sowohl die extern beobachtbaren Handlungsvollzüge in ihren jeweiligen Kontexten als auch die Zwecksetzungen der Akteure, ohne die alle Ausdrucksbewegungen unverstanden bleiben müssen, da schließlich nur jene Ereignisse als “ausdruckshaltig” gelten sollen, die von Momenten der Innerlichkeit ihres Erzeugers mitbestimmt bzw. mitgestaltet sind. Das damit eingeführte Kriterium des Sinnverstehens bzw. die Frage nach der Sinnbündigkeit der Phänomene verdeutlicht denn auch, inwiefern Bühler sich von einem simplen Behaviorismus abgrenzt. K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 28 (2005) No. 1-2 Gunter Narr Verlag Tübingen Jens Loenhoff 110 Seit der Programmatik der Krise der Psychologie ist klar, daß Bühler sich die Bearbeitung dieser Problemstellung nur im Rahmen einer breit angelegten Lehre von Kommunikationsmitteln und ihrem Gebrauch, mithin von einer allgemeinen “Sematologie” vorstellen kann, deren spezifisches Erkenntnisinteresse hinsichtlich menschlicher Expressivität eine Axiomatik der Ausdruckslehre sein muß. II. Daß die kritische Musterung der Problemgeschichte der Ausdruckstheorie bei Physiognomik und Pathognomik beginnen muß, in der griechischen Antike also, und ihre z.T. noch metaphysisch gestimmten Vergleiche von Mensch und Tier, schließlich die ganze abendländische Philosophie- und Geistesgeschichte streift, über Goethe, Lavater, Carus, den großen Skeptiker und vehementen Kritiker der Physiognomik Lichtenberg, ist für Bühler selbstverständlich und doch nur von partiellem Interesse. Vielmehr gilt seine Aufmerksamkeit jenen Texten, in denen Systementwürfe, axiomatische Fundamente oder halbwegs gesicherte empirische Befunde angeboten werden. 2 So läßt Bühler die Geschichte der neueren Ausdruckstheorie mit dem Spätaufklärer Johann Jakob Engel beginnen, dessen Ideen zu einer Mimik (1785/ 86) “[…] den ersten modernen Systemversuch im Bereich der Pathognomik” (1933: 32) darstellen, enthalten sie bereits den Versuch einer Axiomatik der Ausdruckslehre. Noch unberührt von der sich erst später etablierenden naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise entwirft Engel eine “Aktionstheorie der Pantomimik” (1933: 36), die in Umrissen Mimik und Gestik als Kommunikationsmittel entdeckt. 3 Deren Funktion unbefangen im Blick, trennt Engel nüchtern-aufklärerisch alle morphologisch-physiognomischen Fragen ab und entwirft eine Axiomatik der Mimik, in deren Zentrum die Ausdruckshandlungen selbst stehen. Dabei diskutiert er das Verhältnis von verbaler und nonverbaler Kommunikation nicht (nur) unter dem Gesichtspunkt ihres Zusammenspiels, sondern kompetitiv nach potentiellen Überlegenheitsaspekten. Als “Aktionstheoretiker des Ausdrucks” sieht Engel nämlich Positionen des Körpers als Hinweise auf Motivationslagen, in denen die “[…] sichtbare Aktionsbereitschaft des körperlichen Vollzugsorgans” (1933: 43) zum Ausdruck kommt. Solchen affektiven Grundbezügen des Ausdrucks, etwa eine positive Hinwendung, eine negative Abwendung oder eine negative Hinwendung bzw. Aggression, für die Bühler den Terminus “Bezugswendungen” prägt (1933: 41), korrespondieren beobachtbare Anzeichen, sog. “Initien”, aus denen “[…] die kommende Handlung und das aktuelle Erlebnis des Handelnden erkannt werden [soll]. Das ist wie mir scheint, einer der Hauptsätze, welche in jeder Ausdruckslehre vorkommen und vom Theoretiker des Ausdrucks diskutiert werden müssen.” (1933: 43) 4 Erfahrungsbasis der Engelschen Überlegungen ist indessen das Theater und die Schauspielkunst, wobei es gerade hier darauf ankommt, Ausdruck darzustellen. So erwächst seinen Beschreibungen auch schnell die Erkenntnis, daß der Differenz vom “malenden” und “ausdrückenden Gebärden” für die kommunikative Funktion von Gestik und Mimik eine konstitutive Bedeutung zukommt. Nicht nur sieht Engel, daß hinweisende Gesten fundamentale Formen kommunikativer Handlungen sind, sondern daß Handlungsmomente ausdruckshaltig sind, weil ihnen eine Funktion als Kommunikationsmittel zukommt. Auch wenn der streng der externen Beobachtung verpflichtete Engel noch vor Unterscheidungsproblemen steht, wie z.B. der Schwierigkeit, verschiedene Motive aus denselben Ausdrucksgestalten zu differenzieren, bleibt es für Bühler weitgehend unverständlich, “[…] warum ein derart abgerundetes Lehr- Karl Bühlers Ausdruckstheorie: zu einer Sematologie des Nichtsprachlichen 111 gebäude in den Händen der medizinisch vorgebildeten Analytiker wieder zerfiel; warum das System der ENGELschen Ideen wieder abgetragen und in seine Bauelemente zerlegt wurde.” (1933: 51) Aus einer ganz anderen Perspektive, gleichwohl aber durch die Frage nach dem Verhältnis von Ausdruck und Affekt motiviert, behandeln die Arbeiten des Mediziners und Biologen Charles Bell (1774-1842) das Problem. Als vordarwinistischer Entwicklungstheoretiker, dessen vergleichende Anatomie des Nervensystems schon zu seiner Zeit ein hohes Ansehen genoß, entwickelt Bell in den Essays on the Anatomy and Philosophy of Expression (1806) einen Ansatz, den Bühler in seiner Rekonstruktion als “Respirationstheorie der Mimik” (1933: 53) bezeichnet, da Bells Interesse vorrangig der Struktur des emotionalen Reaktionssystems im Zusammenhang mit der Sauerstoffversorgung und den Atmungsorganen gilt. Einer modernen biologisch-medizinischen Betrachtungsweise verpflichtet, kommt Bell zu der Differenzierung dreier neuronaler Systeme, die sich nicht nur anatomisch, sondern auch funktional unterscheiden, nämlich a) einem Grundsystem neuronaler Verbindungen, die die sensorischen Systeme, die Bewegungsorgane und das Zentralorgan zusammenschließen, b) einem respiratorischen System, dem auch die Steuerung der Gesichtsmuskulatur (Mimik) und der Atmung zufällt und schließlich c) einem sympathetischen System, das die Steuerung organischer Funktionen und des Stoffwechsels übernimmt. Vor allem mit den unter b) zusammengefaßten Befunden, die die mit der Lautproduktion verbundene Mimik betreffen, lassen Bell die Bedeutung der Atmungsaktivität für den Kommunikationsprozeß erkennen. Die einmalige evolutionäre Herausbildung spezifischer Muskelgruppen zur ausschließlichen Ausdruckserzeugung - vor allem die wesentlich feineren Differenzierungen der Muskulatur um Mund und Augen - eröffnen dem Menschen spezifische Möglichkeiten der Expressivität, über die subhumane Organismen nicht verfügen. Bestimmte Bewegungen der Gesichtsmuskulatur, vor allem die typischen Geschmacksreaktionen (auf süß, sauer, bitter etc.) bilden die Anfänge von kommunikativ relevanten Ausdrucksbewegungen, die Bell in einen Zusammenhang mit der Herausbildung des aufrechten Gangs, dem Freiwerden der Hände und der damit verbundenen Entlastung der Mundregion für kommunikative Funktionen stellt. Seien Bells Erkenntnisse anatomisch mitunter etwas verworren, so ist seine funktional systemtragende Betrachtung für die Ausdruckstheorie ausgesprochen fruchtbar. Einen ersten Schritt in Richtung der für eine Ausdruckstheorie wesentlichen “Synsemantik” sieht Bühler allerdings erst in den Beiträgen des noch stark unter dem Einfluß Engels stehenden Arztes Theodor Piderit (1828-1912). Dessen 1858 erschienene Grundsätze der Mimik und Physiognomik beinhalten nämlich ein “Lexikon der fruchtbaren Momente mimischen Geschehens” (Bühler 1933: 72), das ganz bewußt nach dem formalen Vorbild des sprachlichen Lexikons konzipiert ist und Angaben über das semantische Umfeld der lexikalisch gefaßten Symptome enthält. Die darin beschriebenen “[…] pathognomische(n) Valenzen des menschlichen Blickes” (1933: 78) interpretiert Bühler als Modi visueller Aufmerksamkeit, die stets im Verhältnis zu einem bestimmten sozialen Kontext stehen. Gerade ein bestimmtes Blickverhalten, etwa spezifisch visuelle “Techniken des Sichentziehens” (1933: 212), bearbeiten ja das Problem, gegen die präsente Aufmerksamkeit eines anderen operieren zu müssen. Aufgrund deren hoher Situationsabhängigkeit müßten die betreffenden Ausdruckserscheinungen im Kontext gedeutet und nicht zum Zwecke ihrer Katalogisierung aus diesem herausgelöst werden: “Es wäre unsachlich, das wohlbekannte Faktum dieses Wechselspiels begrifflich stümperhaft auf dieser oder jener Stufe des technischen Raffinements fixieren zu wollen. Daß ein faux pas des meist flüchtigen Hinblickens auf einen Gegenstand mitten in einem Gesamtverhalten, in dem dieser Hinblick nicht gewachsen sein kann, vom Jens Loenhoff 112 detektivisch wachsamen Beobachter eben als faux pas erhascht und gedeutet wird, ist alles, was allgemein über den ‘versteckten’ Blick gesagt werden darf. So produziert ihn unter angebbaren Umständen das soziale Verhalten.” (1933: 85). Vor allem aber sind es die “Sukzessionsgestalten” (1933: 81) im Ausdruck, die in der konkreten sozialen Situation handlungsrelevant werden. Ihnen korrespondiert eine in den rekonstruierten Ansätzen jedoch fast vollständig vernachlässigte, auf Ausdrucksdeutung angelegte Wahrnehmung. Daß die Symptome überhaupt deutungsfähig sind, liegt in ihrer “diskreten Mannigfaltigkeit” und der “unerläßlichen Diakrise” (1933: 80), wobei Bühler scharfsinnig auf die bei Piderit noch nicht geschiedenen sematologischen Differenzen aufmerksam macht, die die synsemantischen Anzeichen des versteckten Blicks von den autosemantischen Anzeichen etwa senkrechten Stirnfalten, unterscheiden. 5 An Bühlers Auseinandersetzung mit Charles Darwin (1809-1882) und dessen Schrift The Expression of Emotions in Man and Animals aus dem Jahre 1872 zeigt sich besonders deutlich seine Skepsis hinsichtlich phylogenetischer Erklärungsansprüche. 6 Darwins Versuch, die Expressivität des Menschen im Rekurs auf dessen Gattungsgeschichte zu klären, ist für Bühler nämlich der ideale Anlaß, das zentrale Problem der ausschließlich naturwissenschaftlich verfahrenden Ausdrucksforschung aufzuzeigen: “Dem großen Naturforscher ist da eine wissenschaftstheoretisch interessante Verwechslung passiert. Seine allgemeinen Sätze sind keine Axiome der Ausdruckslehre in dem üblichen Sinne des Wortes, sondern etwas anderes. Denn sie sagen im Grunde genommen über die konstitutive Relation im Ausdruck - manifeste Symptome: Innerlichkeit des Ausdrückenden - überhaupt nichts oder jedenfalls nichts Direktes aus.” (1933: 96) 7 Dem Umstand, daß die Dezendenztheorie aufgrund ihres Naturalismus die “[…] Unterstreichung des sozialen, des Kontaktmomentes” (1933: 95) vernachlässigen muß, entspräche durchaus - so Bühler in einer produktiven Analogie - der Differenz zwischen Phonetik und Phonologie. Darwin liefere lediglich eine der Phonetik vergleichbare “Materialanalyse”, die nicht nur jene diakritischen Momente ausklammere, die dem Ausdruck Prägnanz und damit Funktion im Verhalten sicherten, sondern auch alle Funktionen des Ausdrucks als “soziale Appell- und Resonanzmittel” ignoriere. 8 Deshalb könne auch kein biologisches Trägheitsgesetz die Persistenz spezifischer Ausdrucksgestalten erklären, sondern nur ihr Funktionswechsel: “Der vermittelnde Begriff heißt dann Aktion; denn Handlung ist das eine Ganze (Schutzreaktion) ebenso wie das andere (die Ausdrucksbewegung).” (1933: 104) So wie die Phoneme als elementare Diakritika in der Lautsprache fungierten, bedürften Ausdrucksbewegungen einer ebensolchen Diakrise und Prägnanz. Berücksichtige man dies, so seien Darwins Überlegungen trotz ihrer beeindruckenden phänomenalen Deskription eine eher “magere Ernte” (1933: 94). Inwiefern und mit welcher Genauigkeit bereits lange vor einer modernen nonverbalen Kommunikationsforschung der Bezug von Ausdrucksbewegungen zu funktionalen Momenten des Kontaktgeschehens hergestellt und klassifiziert worden sind, zeigt Bühler noch anhand eines anderen Entwurfes. Pierre Gratiolet (1815-1865), ein Zeitgenosse Darwins, hatte in seiner Publikation Conférence sur la physionomie en général et en particulier sur la théorie des mouvements d’expressions (1865) unterschiedliche Typen potentiell ausdruckshaltiger Körperbewegungen zu differenzieren und diese in der von ihm so benannten “Cinéséologie” in vier Klassen zusammenzufassen versucht (die zudem eine fortschreitende Rangfolge bilden), nämlich a) prosbolische: Körperbewegungen, die mit der die Sinnesorgane betreffenden Aufmerksamkeitssteuerung zusammenhängen, b) sympathische: Körperbewegungen, die durch das Zusammenspiel verschiedener Partien (vor allem bei Lust- oder Angstzuständen) konstituiert werden, c) symbolische: Körperbewegungen, die bestimmten Karl Bühlers Ausdruckstheorie: zu einer Sematologie des Nichtsprachlichen 113 inneren Erlebnisprozessen, vor allem Phantasieren, Erinnern etc., korrespondieren und diese nach außen hin erkennbar machen und schließlich d) metaphorische: Körperbewegungen, an denen rationale Denk- und Urteilsprozesse, tiefere Einsichten etc. ablesbar sind (bzw. sein sollen). Im Gegensatz zu den assoziationspsychologischen Ansätzen von Darwin und später Wundt wird bei Gratiolet im Ansatz schon berücksichtigt, was Bühler den “[…] Verkehrswert einzelner Ausdrucksbewegungen” (1933: 102) nennt. Mit Wilhelm Wundt (1832-1920) diskutiert Bühler einen Autor, der schon in seinen früheren Publikationen Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen war. So verdankt etwa Die Krise der Psychologie ihre argumentative Grundarchitektur einer umfangreichen Wundt- Kritik, durch die Bühler dessen Erlebnispsychologie endgültig zu überwinden versucht. So bilden die Einlassungen gewissermaßen die Fortsetzung dieser Diskussion, freilich nicht ohne die Kritik an den ausdruckstheoretischen Überlegungen der Wundtschen Völkerspsychologie (1900) zu verschärfen. Erneut kritisiert Bühler an Wundt dessen sensualistisch gesinnte und monadologisch konzipierte Erlebnisanalyse, die lediglich eine “Psychophysik des Ausdrucks” erlaube, “[…] einer Idee vom Verhältnis des Erlebens zu den ‚körperlichen Begleitvorgängen’, die ursprünglich nicht für den ‚Ausdruck’, sondern ‚für den Eindruck’ (kurz gesagt) ersonnen war und dann erst spiegelbildlich sozusagen auch dem Ausdruck übergeworfen worden ist.” (1933: 10) Demgegenüber ist nach Bühlers Überzeugung die “[…] psychische Atmosphäre sozusagen in jeder Situation sozialen Kontaktes und sozialen Geschehens […] an ein subtiles (oder manchmal auch recht grobklotziges) Spiel wechselseitigen Ansprechens und Antwortens der mimischen und pantomimischen Organe der Kontaktpartner gebunden […] Wundt sieht an all dem so vollständig vorbei” (1933: 136). Zwar konzediert Bühler, daß Wundt offenbar über rein physiologische Erörterungen und rein erlebnistheoretische Analysen zu einer Aktionstheorie des Ausdruck gelangen wollte, doch sei Wundts Ausdruckstheorie aufgrund ihres psychophysischen Parallelismus nicht mehr als “[…] ein Selbstgespräch des Diogenes im Faß mit seinen eigenen Gedanken” (1933: 137). Und von diesem führe kein Weg in die unhintergehbar gesellschaftliche Genese aller Kommunikationsmittel, einerlei ob es sich dabei um sprachliche oder nichtsprachliche Zeichenprozesse handele. 9 Mit Ludwig Klages (1872-1956) schließlich, seinem einzigen Zeitgenossen unter den diskutierten Autoren, weiß sich Bühler hinsichtlich der gemeinsamen Kritik am darwinistischen Erbe in der Ausdruckstheorie verbunden. Vor allem in seiner Arbeit Ausdrucksbewegung und Gestaltungskraft (1913) bemühe sich Klages um die Substitution eines bloß dynamischen, naturwissenschaftlichen Bewegungsbegriffs durch einen teleologischen, der Ausdruck stets in Relation zur Handlung bestimmt. Begrüßt Bühler diese Überlegung als richtiges methodisches Prinzip, so stellt er dennoch Klages romantisch gesinnte “Gleichnistheorie des Ausdrucks” (1933: 13), die ihre Verwandtschaft mit den Ideen Herders kaum verleugnet, unter einen generellen Metaphysikverdacht. Einerseits würdigt Bühler im typischen Stil seiner Wissenschaftsprosa die Leistungen Klages als “[…] umsichtig, korrekt und klar gewähltes Hochlager eines Gipfelstürmers” (1933: 169), beurteilt andererseits aber dessen Strukturschema von Ausdruck, Willkürbewegung und Darstellung insgesamt als zu arm an Faktoren und dessen Ausdruckstheorie eher als “[…] reich an halben Wahrheiten” (ibid.). Seine Kritik an “logischen Entgleisungen” und semiotischen Verwechslungen beziehen sich denn auch auf das begrifflich nicht hinreichend durchgearbeitete Problem der Darstellung als Zuordnungsrelation, die ja auch die Darstellung von Ausdruck umfaßt. Mithin stelle sich ein Begriffsproblem, das nur abstraktiv gelöst werden könne, wie Bühler unter Verweis auf seine als gestalttheoretisch-sematologisch verstandenes Basistheorem zu Jens Loenhoff 114 zeigen versucht, das er als Prinzip der abstraktiven Relevanz bezeichnet. Dieses sei nämlich dadurch bestimmt, daß es an den Ausdrucksbewegungen nicht weniger erwiesen werden könne als an der Lautsprache (1933: 155). Richtig sei zwar, “[…] daß im aktuellen Sprechen die Steuerung im Hinblick auf den Ausdruckswert dem Willen weitgehend entzogen ist. Allein das ist doch nur eine grobstatistische Regel und nicht mehr. Wo bliebe die ganze Kunst des Schauspielers und des Redners, wenn man nicht genau so fein wie die Darstellung auch den Ausdruck willentlich und wissentlich abzuwägen und zu gestalten vermöchte? ” (1933: 179) Klages überdeutliche Scheidung von Ausdruck und Darstellung und die damit verbundene These, daß alles, was den Weg über das Bewußtsein und über die reflektierte Mittelwahl zur Erreichung von Handlungszielen genommen hat, nicht als Ausdruck zu behandeln sei (einschließlich konventionalisierter Gesten), übersieht indessen, daß mit jeder Willkürbewegung eine persönliche Ausdrucksform einhergeht, die mit dieser notwendig zusammenfällt, weshalb das damit aufgeworfene sematologische Begriffsproblem besser unter Bezug auf das Prinzip der abstraktiven Relevanz gelöst werden könne. 10 III. Der Rückblick auf diese Problemgeschichte und die Bewertung ihrer Empirie ergibt für Bühler eindeutig, “[…] daß ein gut Teil der Ausdruckserscheinungen Handlungsinitien sind” (1933: 196), woraus sich für die zeitgenössische Forschung die Teilaufgabe ergibt, aus solchen Initien Prognosen zu stellen, die aus dem Einsatz einer Handlung die Vorhersage ihres Gesamtverlaufs erlaubt. Genau diese Perspektive bildet den logischen Ort des von Bühler favorisierten gestalttheoretischen, zugleich aber (in seinem Sinne) auch “behavioristischen” Ausdrucksbegriffs: “Wer Handlung nicht nur sagt, sondern auch denkt, meint bestimmte Geschehenseinheiten. Das und das einer Aktionstheorie des Ausdrucks sind Fragen und Antworten über den Ganzheitscharakter der Handlung. Der Beobachter muß sich klar werden darüber und Rechenschaft ablegen, wie und warum er imstande ist, aus dem Fluß des sichtbaren Geschehens dies und das als Ganzheit aufzufassen; das ist das (methodische) . Und zu guter Letzt werden Antworten verlangt auf die Frage nach dem Realgrund der Einheitlichkeit eines Geschehens, das wir als Handlung bezeichnen; das ist das (sachliche) . Und dazwischen gibt es noch allerhand anderes zu erwägen.” (1933: 197) Daß und warum Bühler sich mit dem, was er unter “behavioristischer Analyse” versteht, deutlich von einem Black-box-Behaviorismus Skinnerscher Prägung abgrenzt, hat er bereits in der Krise der Psychologie verdeutlicht. Schon bei der Frage nämlich nach der unter a angesprochenen Handlungseinheit ist ohne ein Minimum an Sinnverstehen, ohne ein Verstehen von Absichten und Zwecken der Leistungswert einer Bewegung überhaupt nicht zu begreifen. Aber dort, wo die Frage auftaucht, “[…] ob ein gegebenes (wahrnehmbares) Phänomen faktisch als Kommunikationsmittel fungiert im sozialen Kontakte, da sind Beobachtungen im Stile der Behavioristen am Platze und das einzige, was zu Entscheidungen führt” (1933: 198). So kommt das theoretische und methodologische Credo der Ausdruckstheorie, mithin Bühlers Verständnis eines empirisch brauchbaren sematologischen Ausdrucksbegriffs in folgender Textpassage besonders prägnant zum Ausdruck: “Der Kontaktpartner B spricht auf etwas an, was am Partner A geschieht. Allein es gehört nur die empirisch kontrollierbare Zwischenannahme dazu, daß das produzierende psychophysische System A die Daten der gegebenen Situation ebenso für sich (in eigener Regie sozusagen) wie in Hinsicht auf die Gemeinschaftsbelange sinnvoll, d.h. lebensangepaßt verarbeitet. Dann drückt die appellierende Karl Bühlers Ausdruckstheorie: zu einer Sematologie des Nichtsprachlichen 115 Sendung gleichzeitig aus. Sie drückt kurz und anthropomorph gesprochen aus, wie der Sender die Lage sieht. Und soweit das psychophysische System des Empfängers B ebenso lebensangepaßt anspricht und reagiert, können Schlüsse auf den Gehalt des Ausdrucks aus den festgestellten, gesetzmäßigen Reaktionen gezogen werden; bei erforderlicher Umsicht und Sachkenntnis, wie sich von selbst versteht. Noch einmal: Die Resonanz des Empfängers auf den Sender ist bei dieser Art von Ausdrucksforschung das Faktum, welches der Beobachtung direkt zugänglich ist, welches wissenschaftlich am Ausgang steht. Es soll niemand wundern, daß man von da aus im Fortgang des Denkens nicht exakt auf denselben Ausdrucksbegriff gelangt wie von der Erlebnisanalyse her.” (1933: 198f.) Im Gegensatz zum “Erlebnisanalytiker” und zum reinen Phänomenologen, der zu keiner Analyse solcher Bezugswendungen gelangen kann, begreift der “Aktionstheoretiker” das Ausdrucksgeschehen vom “Zweckstreben” bzw. von den praktischen Handlungserfordernissen her, gewissermaßen als eine Pragmatik menschlicher Expressivität, deren Situationsgebundenheit die “[…] Präzisierung der Valenzen durch die konkreten Lebenssituationen” (1933: 210) erfordert, zumal die “[…] Momente des mimischen Geschehens […], wo immer sie das Leben erzeugt, in einem semantischen Umfeld [stehen]; ihre pathognomische und physiognomische Valenz ist kontextgetragen.” (1933: 214) Durch die skeptische Musterung der sog. geisteswissenschaftlichen Ausdrucksforschung zieht sich als roter Faden nicht nur die Kritik an der Unsicherheit der Rückschlüsse auf innere Zustände, auch erlaubt die in zahlreichen Untersuchungen notorische Ablösung der Ausdrucksgestalten von der Situation und ihrer Funktion kaum zuverlässige Aussagen über deren Handlungssinn. 11 Als valides Differenz- oder Bezugsschema, anhand dessen die Semiotisierung des Expressiven zu bewältigen ist, favorisiert Bühler aus guten Gründen weder das Begriffspaar Zeichen/ Bezeichnetes noch die Unterscheidung von Innen/ Außen, sondern ein Sender-Empfänger-System bzw. die kommunikativen Rollen von Sprecher und Hörer. Alle Erklärungen werden deshalb im Kontext eines kommunikationstheoretischen Bezugsrahmens entfaltet, insbesondere in dem in der Krise der Psychologie und ihrer Axiomatik herausgearbeiteten Steuerungsparadigma, das sämtliche Erscheinungen im Zusammenhang einer “Kontaktsituation” als mögliche Funktionen für die wechselseitige Steuerung von Handeln, Verhalten und Erleben behandelt. 12 Die hier konsequent verfolgte Rezipientenorientierung, die stets nach der “Resonanz des Empfängers auf den Sender” (1933: 198) fragt, ermöglicht schließlich erst die Einsicht in interaktionsrelevante “Initialsymptome”, “Verlaufsmomente” und Funktionszusammenhänge, wie sie allein durch die Rekonstruktion von Abstammungsverhältnissen, externer Beobachtung anatomisch-physiologischer Mechanismen oder dem verstehenden Nachvollzug individueller Befindlichkeiten, von denen man unterstellt, sie kämen am Körper zum Ausdruck, überhaupt nicht erschlossen und begriffen werden können. Weil Bühler weniger eine abgekoppelte bzw. eigenständige Theorie nichtsprachlichen Handelns im Auge hat, sondern vielmehr die nichtsprachlichen Dimensionen der wechselseitigen Handlungssteuerung, deren spezifische Semantizität mit eben jener der sprachlichen Kommunikationsmittel die Einheit dieses Prozeßgeschehens bildet, erweist sich auch jedes noch so sorgfältig erstellte Lexikon isolierter Ausdrucksformen allein als vollkommen insuffizient, wenn die Berücksichtigung der Valenz des semantischen Umfeldes der Ausdruckssymptome unterbleibt. Bühlers erkenntnisleitendes Motiv bleibt der semantologischen Grundeinsicht in die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Erfassens der Ausdrucksphänomene verpflichtet (Eschbach 1981; Camhy 1984). 13 Die zu entwickelnde “Synsemantik” als eine konsequent kommunikative, also auf funktionale Aspekte des Geschehens zwischen Sprecher und Hörer ausgerichtete Betrachtungsweise, stünde indessen ganz in der Nähe einer soziolo- Jens Loenhoff 116 gischen Handlungstheorie: “[…] systematisch aufgreifen müßte die Dinge der Soziologe und Ernst machen mit der Aufgabe einer umsichtigen wissenschaftlichen Analyse des menschlichen Kontaktgeschehens.” (1933: 213) Andererseits zeigt Bühler ebenso deutlich, was im Bezugsrahmen soziologischer Theoriebildung kaum Interesse finden kann, daß nämlich zu einer brauchbaren Ausdruckstheorie die Einsicht in ihre neurologischen, anatomischen und psychophysischen Fundamente gehört, weshalb in seiner Darstellung auch die Rezeption der Arbeiten von Bell, Duchenne und Gratiolet Berücksichtigung findet, die Bühler vor allem auch als studierter Mediziner sachkundig zu erfassen und zu beurteilen versteht. IV. Als historiographische Arbeit und als Rekonstruktion des ausdruckstheoretischen Diskurses seit seinen Anfängen in der griechischen Antike ist die Ausdruckstheorie mehr als ein Stück deskriptiver Wissenschaftsgeschichte, sie ist im besten Sinne das, was man “Problemgeschichte in systematischer Absicht” nennen kann. Bühlers hier exemplarisch in Anschlag gebrachte Methode, an “[…] gescheiterten großen Systemversuchen nachzuweisen, woran sie letzten Endes gescheitert sind” (1933: 11), ermöglicht mehr als enzyklopädische Wissenschaftsgeschichtsschreibung, denn sie versteht sich als Beitrag zur aktuellen Theoriebildung ihrer Zeit. Bühlers Ausdruckstheorie erweist sich am ehesten als “kritische Historiographie”, wie sie Nietzsche einmal unter Ablehnung einer monumentalischen und einer antiquarischen Geschichtsschreibung und ihrer “[…] blinden Sammelwuth, eines rastlosen Zusammenscharrens alles einmal Dagewesenen” (1988: 268) im Auge hatte. 14 Zu einer solchen kritischen Historiographie gehört auch und gerade, den ausdruckstheoretischen Diskurs nicht ohne Bezug zu sozialen Strukturen und gesellschaftlichem Wandel zu rekonstruieren. Denn wenn Diskurse Sinnbewirtschaftung leisten, indem sie auf sozial produzierte Kontingenzen reagieren, dann ist ganz jenseits wissenschaftsinterner Wandlungs- und Lernprozesse die Frage aufschlußreich, auf welche gesellschaftlich-historischen Zustände derartige Diskurse eine Antwort zu geben versuchen. Eine solche Frage beträfe etwa die von Bühler geäußerte Vermutung, im Verhältnis zur mimischen und gestischen Praxis vergangener Zeiten sei eine zunehmende Subtilisierung im Ausdruck, ein Vermeiden des spezifisch Pathetischen im kommunikativen Alltag wie auch in der Schauspielkunst zu beobachten, welche wiederum erhöhte Anforderungen an die Deutungskompetenzen von Sprechern und Hörern stelle (1933: 50). Ob Bühler selbst diesen Befund als Effekt sozialer Differenzierung deutet oder ob man ihn als Indikator für die grundsätzliche Historizität von Interaktionssystemen interpretiert, bleibt noch offen. Insgesamt aber überwiegen in der Argumentation internalistische Motive, interpretiert sie doch den ausdruckstheoretischen Diskurs fast ausschließlich aus der Dynamik der aufeinanderfolgenden Entwürfe selbst und nicht externalistisch aus gesellschaftlich-historischen Bedingungen, unter denen jede Wissenschaftsgeschichte zwangsläufig steht. Dieses Verfahren ermöglicht Bühler andererseits aber jenen systematischen Ertrag, der durch externalistische, primär auf gesellschaftliche und kulturelle Rahmenbedingungen setzende Erklärungen, kaum zu leisten gewesen wäre. Die alltägliche Suche nach Rückhalt an den Merkmalen des Körpers und die Hoffnung auf den Leib als Evidenzquelle zur Erschließung fremden Bewußtseins stehen oft quer zum Projekt einer wissenschaftlich begründeten Ausdruckstheorie, und erst recht zu einer historischen Anthropologie und den von ihr identifizierten epochetypischen Menschen- und Körperbildern. Andererseits bildet sie genau jene Erfahrungsbasis, auf der eine allgemeine Karl Bühlers Ausdruckstheorie: zu einer Sematologie des Nichtsprachlichen 117 Sematologie, will sie das Ganze kommunikativer Sinnverarbeitung in den Blick nehmen, aufbauen muß. Wie weit man damit kommt, trifft man nur die richtigen Vorentscheidungen, hat Bühler mit seiner Ausdruckstheorie gezeigt. Seine Überzeugung, man könne dieser, “[…] gestützt auf gute Gründe, eine günstige Prognose” (1933: 14) stellen, erweist sich heute als kontrafaktisch, hat doch die Kategorie “Ausdruck” in den meisten handlungswissenschaftlichen Ansätzen ihre epistemologische Ortlosigkeit offenbar nicht überwinden können. Der von Bühler beklagte Abriß der Kontinuität zwischen der Geschichte der physiognomischen Systeme seit der Antike und der zeitgenössischen Kommunikationsforschung hat mit nur wenigen Ausnahmen keinen erneuten Anschluß gefunden. Literatur Argyle, Michael; Ingham, R. / Alkena, F. / McCallin, M., 1981: The Different Functions of Gaze, in: Adam Kendon (ed.): Nonverbal Communication, Interaction, and Gesture. Selections from Semiotica, The Hague: Mouton Publishers, S. 283-296. Bell, Charles, [1833] 1979: The Hand. Its Mechanism and Vital Endowments as Evincing Design, Brentwood: Pilgrims Press. Bell, Charles, 1806: Essays on the Anatomy and Philosophy of Expression, London: John Murray. Bühler, Karl, [1927] 2000: Die Krise der Psychologie, Werke, Bd. 4, hg. von Achim Eschbach und Jens Kapitzky, Frankfurt a.M.: Velbrück. Bühler, Karl, 1930: Phonetik und Phonologie, in: Travaux du Cercle Linguistique de Prague 4, S. 22-53. Bühler, Karl,1933: Ausdruckstheorie. Das System an der Geschichte aufgezeigt, Stuttgart: S. Fischer. Bühler, Karl, [1934] 1965: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache, Stuttgart: S. Fischer. Camhy, Daniela G., 1984: Sematologie als Grundlagenwissenschaft, in: Achim Eschbach (Hg.): Bühler-Studien, Bd. 1, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 98-114. Duncan, Starkey D. jr. / Niederehe, George, 1974: On Signalling That it´s Your Turn to Speak, in: Journal of Experimental Social Psychology 10, S. 234-247. Ekman, Paul, 1980: The Face of Man. Expressions of Universal Emotions in an New Guinea Village, New York: Garland STPM Press. Ekman, Paul / Rosenberg, Erika, 1997: What a Face Reveals. Basic and Applied Studies of Spontaneous Expression Using the Facial Action Coding System (FACS), Oxford / New York: Oxford University Press. Erb-Sommer, Mathias / Schmitz, H. Walter, 1989: Wegblicken in verbaler Interaktion. Zur Funktion und Determination nonverbalen Verhaltens, in: Clemens Knobloch (Hg.): Kognition und Kommunikation. Beiträge zur Psychologie der Zeichenverwendung. Münster: Nodus, S. 101-136. Eschbach, Achim, 1981: Wahrnehmung und Zeichen. Die sematologischen Grundlagen der Wahrnehmungstheorie Karl Bühlers, in: ars semeiotica 4: 219-235. Eschbach, Achim (Hg.), 1984: Bühler-Studien, 2. Bd., Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Engel, Johann Jakob, 1971: Schriften, Berlin 1801-1806, Nachdruck, Frankfurt a.M. Gessinger, Joachim, 1994: Auge und Ohr. Studien zur Erforschung der Sprache am Menschen 1700-1850, Berlin: Walter de Gruyter. Gratiolet, Pierre, 1865: De la physionomie et des mouvements d’expressions, Paris: Hetzel. Kamp, Rudolf, 1984: Bibliographie der Veröffentlichungen von und über Karl Bühler, in: Achim Eschbach (Hg.): Bühler-Studien, Bd. 2, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 273-289. Kendon, Adam, 1967: “Some Functions of Gaze Direction in Social Interaction”. In: Acta Psychologica, 26. 22-63. Klages, Ludwig, 1913: Ausdrucksbewegung und Gestaltungskraft: Grundlegung der Wissenschaft vom Ausdruck, Leipzig: Engelmann. Käuser, Andreas, 1989: Physiognomik und Roman im 18. Jahrhundert, Frankfurt a.M. u.a.: Peter Lang. Loenhoff, Jens, 2000a: “Innen” und “Außen” - Eine problematische Leitdifferenz in Kommunikationstheorien 1. und 2. Grades, in: Wirklichkeit und Welterzeugung. In memoriam Nelson Goodman, hg. von Rudi Fischer u. Siegfried J. Schmidt, Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag, S. 278-298. Loenhoff, Jens, 2000b: Überlegungen zum Begriff der Suggestion. Ein Beitrag zum Verhältnis von Kommunikation und Bewußtsein, in: Kodikas/ Code. Ars Semeiotica, Vol. 23, No. 1-2, Tübingen: Narr, S. 55-67. Jens Loenhoff 118 Loenhoff, Jens, 2001: Die kommunikative Funktion der Sinne. Theoretische Studien zum Verhältnis von Kommunikation, Wahrnehmung und Bewegung, Konstanz: Universitätsverlag Konstanz. Loenhoff, Jens, 2003: Kommunikationstheorie und die Fundierungsrelationen im interpersonellen Kommunikationsprozess, in: Kommunikation - ein Schlüsselbegriff der Humanwissenschaften, hg. von Helmut Richter u. H. Walter Schmitz, Münster: Nodus Publikationen, S. 179-195. Meyer-Kalkus, Reinhart, 2001: Stimme und Sprechkünste im 20. Jahrhundert, Berlin: Akademie Verlag. Nietzsche, Friedrich, 1988: Unzeitgemäße Betrachtungen. 2. Stück: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben, in: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, Bd. 1, hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin: de Gruyter, S. 245-334. Piderit, Theodor, [1858] 1886: Wissenschaftliches System der Mimik und Physiognomik, Detmold: Klingenberg. Schmitz, Herrmann, 1995: Ausdruck als Eindruck in leiblicher Kommunikation, in: Synthesis Philosophica 19/ 20, S. 9-20. Schmitz, H. Walter, 1994: Kommunikation: Ausdruck oder Eindruck? in: (Hrsg.) Clemens Knobloch (Hg.): Sprache und Bewußtsein. Themenheft von: Der Deutschunterricht 46: 4, 9-19. Schmitz, H. Walter (Hg.), 1998: Vom Sprecher zum Hörer. Kommunikationswissenschaftliche Beiträge zur Gesprächsanalyse, Münster: Nodus. Schmitter, Peter, 1990: Historiographie und Metahistoriographie, in: Werner Hüllen (Ed.): Understanding the Historiography of Linguistics. Münster: Nodus Publikationen, S. 35-48. Schmölders, Claudia, 1997: Das Vorurteil im Leibe. Eine Einführung in die Physiognomik, Berlin: Akademie Verlag. Ungeheuer, Gerold, 1987: Kommunikationstheoretische Schriften I: Sprechen, Mitteilen, Verstehen, hg. und eingeleitet von Johann G. Juchem. Mit einem Nachwort von Hans-Georg Soeffner und Thomas Luckmann, Aachen: Raader. Ungeheuer, Gerold, 1984: Bühler und Wundt, in: Achim Eschbach (Hg.): Bühler-Studien, Bd. 2, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 9-67. Anmerkungen 1 Wurde die Ausdruckstheorie nach ihrem Erscheinen noch in den einschlägigen Fachzeitschriften besprochen (Kamp 1984: 285f.), so berühren in den von Eschbach herausgegebenen Bühler-Studien (1984) lediglich einige verstreute Bemerkungen die Thematik, da das Interesse der Autoren eher der spezifischen Semantizität sprachlicher Kommunikationsmittel gilt. Eine Ausnahme bilden lediglich die Einlassungen Ungeheuers (1984), der die Ausdruckstheorie im Zusammenhang mit Bühlers Verhältnis zu Wundt erwähnt. 2 Dabei ist ein nicht unerheblicher Teil der Auswahl der eher assoziativen Erwähnung in Wundts erstem Band seiner Völkerpsychologie (1900) geschuldet, wie Ungeheuer (1984: 22) anmerkt. 3 Gerät die “körperliche Beredsamkeit” des Schauspielers erstmals in der Barockzeit ins Blickfeld, so ist die darauf folgende Krise des Theaters und des mit ihr verbundenen Wandels der Rolle des Schauspielers, die z.B. Lessing in seinen Theaterschriften zu bewältigen versucht, für den weiteren Gang des ausdruckstheoretischen Diskurses symptomatisch. Bühler sieht, wie er insbesondere am Beispiel von Engels Mimik zeigt, das seit dem 18. Jahrhundert gesteigerte Interesse am Ausdruck als Suche nach diesbezüglich neuen Formen und als “Quellpunkt” einer fruchtbaren theoretischen Bewegung, die das Schauspiel als epistemologisches Modell zur Bestimmung menschlicher Expressivität favorisiert. Siehe dazu auch die Darstellung von Käuser (1989). 4 Welche Funktion dies insbesondere für die Gesprächsorganisation hat, ist im Kontext gesprächsanalytischer Forschung herausgearbeitet worden (Argyle et al. 1981, Duncan/ Niederehe 1974, Erb-Sommer/ Schmitz 1989, Kendon 1967 und Schmitz 1998). Zur Reflexivität des Wahrnehmens und seiner Funktion für den Kommunikationsprozeß siehe auch Loenhoff (2001, 2003). 5 Zur Darstellung der Pideritschen Physiognomik und deren Deutung durch Bühler siehe auch Braungart (1995: 156ff.). 6 In dieser Tradition stehen z.T. immer noch die Arbeiten von Ekman (1980) und Ekman/ Rosenberg (1997). 7 Bühler hat diesen Irrtum an anderen Stellen (1965: 46f., 2000: 192ff.) treffend als “Stoffdenken” oder “Stoffentgleisung” bezeichnet. 8 Siehe dazu auch Bühler (1930, 1965). Obgleich die Differenzierung zwischen Ausdruck und Darstellung im Bereich der gesprochenen Sprache deutlich schärfer als im Bereich der Mimik und der Gestik hervortritt, ist die Karl Bühlers Ausdruckstheorie: zu einer Sematologie des Nichtsprachlichen 119 Geschichte der Ausdruckstheorie im wesentlichen eine Geschichte der Bestimmung visuell wahrnehmbarer Ausdrucksphänomene. Die symptomatische Dimension von Schall- und Klanggestalten und die “physiognomischen Valenzen der Sprechstimme” (1933: 35), die Bühler in seinem Wiener Institut an zahlreichen Experimenten mit z.T. modernen Aufzeichnungsverfahren zu ermitteln versucht hat, sind in der Wissenschaftsgeschichte entweder randständig oder nur wenig beachtet worden (wie z.B. auch die Arbeiten von Rutz oder Sievers). Siehe dazu etwa Gessinger (1994) und Meyer-Kalkus (2001). 9 Zu Bühlers Argumentation siehe vor allem die Ausführungen in der Krise der Psychologie (Bühler 2000: 71f. u. 117ff.). Für das grundsätzliche Verhältnis von Bühler und Wundt aufschlußreich sind darüber hinaus die Überlegungen von Ungeheuer (1984). 10 In welcher Weise sich Ausdruck nicht nur am Körper zeigt, sondern auch an der Handschrift als dessen unmittelbarer Spur, hat Klages als routinierter Graphologe in zahlreichen Publikationen zu plausibilisieren versucht. Obgleich Manuskripte relativ einfache und quantitativ erfaßbare Momente im Ausdrucksgeschehen anzeigen, führt die Zuordnung je unterschiedlicher innerer Zustände zu denselben Symptomen allerdings zu diversen semiotischen Verwechslungen, die umgehend Bühlers Mißbilligung finden. Darüber hinaus kann das alles entscheidende Problem der “Bezugswendungen”, die als “dynamische Bewegungscharaktere” (Klages) am Körper des Erlebenden manifest werden, nicht aber ohne weiteres auch an dessen Handschrift. Bühler sieht dieses Problem in der Graphologie Klages’ als nur unzureichend gelöst an. 11 Ganz ungeachtet dessen besteht das Problem, solche Innerlichkeit zu erschließen, auch deshalb, weil etwa Gebilde, deren Schaffung durch innere Handlungen motiviert ist, wiederum auf diese Innerlichkeit selbst zurückwirken: “Wer weiß, was es auszudrücken übrig bliebe, wenn man den Menschen der Fiktion, der Maske und des Rollenspiels in jeder Form entwöhnen könnte.” (Bühler 1933: 203) 12 Die sich u.a. in der Bühler-Tradition wissenden Überlegungen von Ungeheuer (1987) und Schmitz (1994) haben diesen Ansatz als “Eindrucksmodell” gekennzeichnet und ihn von einem sprecherorientierten “Ausdrucksmodell” abgegrenzt. Zu Bühlers diesbezüglicher Argumentation siehe auch Loenhoff (2000b). 13 Dies könnte man auch heute noch einer nicht unerheblichen Zahl von Studien zu nonverbalem Verhalten ins Stammbuch schreiben. Der auch heute noch gängige Isolationismus in der psychologischen Forschung, die stereotypen und unzulässigen Verallgemeinerungen von Merkmalen und Bedeutung menschlicher Körperhaltung, Gestik und Mimik, der in Kommunikationstrainings bis in die Kolumnen der Boulevardpresse kursierende und von dort wieder ins Alltagswissen einsickernde Unsinn über die sichere Erkennung von Emotionen, mentalen Zuständen und anderem mehr - all diese vorsätzlichen oder bedenkenlosen Behauptungen würden durch die Lektüre der Ausdruckstheorie eines besseren belehrt. 14 Daß eine so verstandene Wissenschaftsgeschichte im Zeitalter eines Aktualitätsfetischismus, der jeden beliebigen gesellschaftlichen Trend sofort mit “neuen” Theorien meint überholen zu müssen, unter einen totalen Sinnlosigkeitsverdacht gerät, wird übrigens gerade dort, wo man die internationale Wissenschaftselite vermutet, am wenigsten verstanden.
