eJournals Kodikas/Code 28/3-4

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2005
283-4

Zsuzsanna Iványi & András Kertész (eds.) 2001: Gesprächsforschung. Tendenzen und Perspektiven, (= Metalinguistica 10), Frankfurt/Main / Berlin / Bern etc.: Lang, 260 S., ISBN 3-631-37627-8

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2005
Ernest W. B. Hess-Lüttich
kod283-40424
424 Reviews Es folgt sodann eine knappe Vorstellung der Beiträge, die aus einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Symposion an der Universität Konstanz hervorgegangen sind, das die Co-Editorin Helga Kotthoff gemeinsam mit Elizabeth Couper-Kuhlen und Thomas Luckmann organisiert hat. Sie können im Rahmen einer Kurzrezension nicht referiert und kritisiert werden, aber sie seien mit Nachdruck zur Lektüre empfohlen. Sie repräsentieren im besten Sinne trans- und interdisziplinärer Kooperation ein weites Spektrum von Ansätzen, Fächern und Kulturen, insofern die Autoren wissenschaftlich unterschiedlichster Herkunft aus Ethnologie und Anthropologie, Soziologie, Linguistik und Volkskunde sich anhand unterschiedlichsten Objektmaterials deutscher, amerikanischer, afrikanischer, britischer, chinesischer, irischer, georgischer, brasilianischer und ozeanischer Provenienz zum Gespräch über den gemeinsam interessierenden Gegenstand gefunden haben. Die zwölf einzelnen Beiträge sind in drei Kapitel gruppiert unter den in der Einführung anspruchsvoll begründeten Leitthemen (i) Communication, Genres and Culture, (ii) Aesthetics in Everyday Life, (iii) Proto-Aesthetic Forms of Communication. Im ersten eher theoretisch orientierten Kapitel entwickeln Ruth Finnegan, Judith Irvine und Richard Bauman auf ihre je eigene Art Überlegungen zu einem reicheren Konzept des Kommunikationsbegriffs als unter Linguisten gemeinhin üblich und institutionell zugelassen; das zweite Kapitel versammelt eher empirisch gegründete Studien von Neil Roughley, Volker Heeschen, Helga Kotthoff und Hubert Knoblauch (mit Jürgen Raab) zu Variationen des Performativen (mit Material vom georgischen Trauerritual über Werbespots im deutschen Fernsehen bis zum Konfliktmanagement bei den Mek und den Eipo in den Bergen des westlichen Neuguinea); im dritten Kapitel widmen sich Greg Urban, Ruth Ayaß, Susanne Günthner, Michael Richter sowie das Autorenteam Dirk vom Lehn, Christian Heath und Hubert Knoblauch verschiedenen (als protoästhetisch markierten) Formen sprachlicher Verständigung (etwa in Imperativen, in Sprichwörtern, in mittelalterlicher Oralkultur, in der Gedächtniskultur von Museen und Galerien als Orten kommunikativer Erfahrungsproduktion im kulturbegründenden Gemeinschaftshandeln). Ein in seiner thematischen Vielfalt und in seinem theoretischen Anspruch wie transdisziplinären Horizont inspirierender Band, der trotz seines Publikationsortes Linguisten nicht entgehen sollte und der sich übrigens auch trefflich für den Seminargebrauch eignet, zumal für fächerübergreifend konzipierte Lehrveranstaltungen, die im semiotischen Focus des Materials und der Methoden seiner Analyse ihren gemeinsamen Gegenstand finden. Ernest W.B. Hess-Lüttich (Universität Bern) Zsuzsanna Iványi & András Kertész (eds.) 2001: Gesprächsforschung. Tendenzen und Perspektiven, (= Metalinguistica 10), Frankfurt/ Main / Berlin / Bern etc.: Lang, 260 S., ISBN 3-631-37627-8 In jüngerer Zeit gewinnt die ungarische Germanistik auch international wieder an Kontur, auf deren semiotisch, ästhetisch und linguistisch relevante Erträge an dieser Stelle gelegentlich aufmerksam gemacht werden soll, weil ihre Stimme in der Kakophonie der Buchmessen- Aktualitäten und Kongreßzirzensik leicht überhört zu werden droht, solange in westlicheren Breiten das Ungarische als Wissenschaftssprache noch weniger geläufig ist. Umso willkommener sind Germanisten Buchreihen in deutscher Sprache und Linguisten englisch und deutsch publizierte Arbeiten wie die z.B. aus Debrecen. Dort lehrt und forscht der rührige Germanist und Sprachphilosoph András Kertész, der die Reihe Metalinguistica herausgibt, die sich als wichtiges zweisprachiges Forum für Untersuchungen zu theoretischen, methodologischen und philosophischen Problemen der aktuellen linguistischen Forschung etabliert hat. Der zehnte Band dieser Reihe ist nun neueren Tendenzen und sich abzeichnenden Perspektiven der Gesprächsforschung gewidmet und damit einem der fruchtbarsten Felder linguistischer Pragmatik. Er versammelt (mit der Einleitung der beiden Herausgeber Zsuzsanna Iványi und András Kertész) rund ein Dutzend Beiträge von Reviews 425 jungen und z.T. bereits etablierten Gesprächsforschern, die sich im Rahmen einer Tagung der deutschen Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL) in Frankfurt am Main in verschiedenen Sektionen (neben der Gesprächslinguistik auch solchen zur Mündlichkeitskultur, zur Medienkommunikation, zur Rhetorik und Sprecherziehung) und von den unterschiedlichsten theoretischen Positionen aus über den gemeinsam interessierenden Gegenstand dialogförmiger Verständigung austauschten und beschlossen, ihre Diskussionsbeiträge zu einem Band zu verbinden, der eine gelungene Momentaufnahme gegenwärtiger einschlägiger Forschung im deutschsprachigen Raum zu bieten vermag. Das so entstandene Bild ist in der Tat facettenreich. Die thematische Vielfalt der Beiträge und der darin repräsentierten Ansätze und Methoden wird balanciert durch das ihnen gemeinsame theoretische Interesse, das die vermeintliche oder unterstellte Theoriefeindlichkeit der ‘klassischen’ Konversationsanalyse zu überwinden trachtet, durch die Gemeinsamkeit der fachübergreifenden Orientierung und durch die von allen geteilte Absicht der empirischen Untermauerung der Untersuchungen in anschaulichen Fallstudien. Die Autoren widmen sich Themen, in denen sie sich auskennen, wie man aus andern Zusammenhängen weiß, und bewegen sich dabei auf sicherem Grund. Ulrich Dausendschön-Gay untersucht “Rituale und Höflichkeit”, Arnulf Deppermann plädiert für eine “reflexive ethnomethodologische Konversationsanalyse”, Wilhelm Grießhaber erklärt am Beispiel von Speiserestaurant und Cybercafé “Verfahren und Tendenzen der funktional-pragmatischen Diskursanalyse”, Heiko Hausendorf nimmt die grammatischen Mittel der ‘Hervorhebung’ im Gespräch genauer unter die Lupe, Zsuzsanna Iványi steuert “Bemerkungen zur Möglichkeit von Warum- Fragen in der Gesprächsanalyse” bei, Inken Keim analysiert die Interaktionsmodalität des Klatsches bei Mannheimer Arbeitern, András Kertész prüft, inwieweit die kognitive Metapherntheorie sich auch für die Lösung erkenntnistheoretischer Probleme eignet, Walther Kindt fordert die Integration der Argumentationsanalyse in die Diskursforschung, Sven F. Sager entwirft das Programm einer Gesprächsethologie, Reinhold Schmitt entdeckt die Tafel als Statusrequisit in Situationen institutionell-hierarchischer Gruppenkommunikation, Carmen Spiegel und Thomas Spranz-Fogasy erörtern am Beispiel des Interaktionstyps ‘Schlichtung’ die Frage, wie der Handlungscharakter von Gesprächen beschrieben werden kann und greifen dafür auf die bewährte Handlungsschemaanalyse von Kallmeyer & Schütze zurück. Aufgrund der Qualität der Beiträge und des zuverlässigen Niveaus der Autoren ist dem Band die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu wünschen und den Herausgebern für dessen Aufnahme in eine Reihe zu danken, die den Dialog zwischen Theoretischer und Angewandter Linguistik zu befördern unternimmt. Ernest W.B. Hess-Lüttich (Universität Bern) Margrith Lin-Huber 2001: Chinesen verstehen lernen, Bern / Göttingen / Toronto / Seattle: Huber, 245 S., 19,95 € / 34,80 CHF, ISBN 3-456-83630-9 Natürlich sind die Chinesen den Europäern fremd, fast so fremd wie die Schweizer den Deutschen. Bei vielem, was ich über Kommunikation in China lese, kommt einem Deutschen, der seit etlichen Jahren in der Schweiz lebt, seine neue Umgebung in den Sinn, die zu verstehen kaum weniger Anstrengung kostet als die fernöstliche Fremde zu begreifen. Offenbar kommt dieses Gefühl nicht ganz von ungefähr. Der helvetische Schriftsteller Peter Bichsel hat einmal einen klugen kleinen Text geschrieben über “Die Deutschen” und darüber, wie sehr sie sich doch unterschieden von seinen Landsleuten (Bichsel 1985). Seine Bemerkungen über das unterschiedliche Kommunikationsverhalten sind von besonderem Interesse, wenn man den schmalen Band von Margrith A. Lin-Huber zur Hand nimmt, die sich als Schweizerin bemüht hat, Chinesen verstehen zu lernen. Dafür hatte sie Einblick aus der Nähe. Sie ist mit einem Chinesen verheiratet und hat ihr Buch ihrem Schwiegervater Lin Song gewidmet. So neige man, schreibt Bichsel, in Deutschland etwa dazu, Kontroverses ausführlich zu erörtern, worüber man in der Schweiz lieber schweige.