Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/91
2006
291-3
Zur Intermedialität in den neuen Medien
91
2006
Franc Wagner
Der Medien- und der Intermedialitätsbegriff werden im Hinblick auf die Klassifikation neuer Medien präzisiert. Zentrale Konzeptionen werden diskutiert und zu einem eigenen Ansatz integriert. Beispiele von Übergängen zwischen alten und neuen Medien werden aufgezeigt. Die zunehmende Durchlässigkeit der alten Medien für Information aus den neuen Medien führt zu der Frage, ob sich bei den intermedialen Übergängen die Inhalte verändern oder die Rezeption und ob die neuen Medien zum Zentrum des medialen Diskurses werden.
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Zur Intermedialität in den neuen Medien Franc Wagner Der Medien- und der Intermedialitätsbegriff werden im Hinblick auf die Klassifikation neuer Medien präzisiert. Zentrale Konzeptionen werden diskutiert und zu einem eigenen Ansatz integriert. Beispiele von Übergängen zwischen alten und neuen Medien werden aufgezeigt. Die zunehmende Durchlässigkeit der alten Medien für Information aus den neuen Medien führt zu der Frage, ob sich bei den intermedialen Übergängen die Inhalte verändern oder die Rezeption und ob die neuen Medien zum Zentrum des medialen Diskurses werden. The notions of media and intermediality will be precised concerning the classification of new media. Main conceptions will be discussed and integrated to a new approach. Examples of transitions between old and new media are shown. The increasing transitions of information from new into old media imposes the question whether the media transitions will be changing the media contents or its reception and whether the new media will become itself the center of the media discourse. 1. Neue Medien Was als “neues Medium” bezeichnet wird, ist offensichtlich abhängig vom Zeitpunkt der Publikation. Lange Zeit waren die als “elektronisch” bezeichneten Medien Radio, Fernsehen sowie Radio- und Videotext der Inbegriff der Modernität, dann folgten die Privatsender und das Kabelfernsehen. Es erscheinen heute noch Publikationen mit dem Begriff neue Medien im Titel, die sich ausschließlich mit den angeführten Medien befassen und die den Videorekorder als neueste technische Errungenschaft berücksichtigen. Die Welt der Alltagsmedien hat sich aber grundlegend verändert: Digitalradio (DAB), Digitalfernsehen (DVB) und die elektronische Programmzeitschrift (EPG) sind dabei, eine flächendeckende Verbreitung zu erlangen. Funkbasierte Datendienste wie das Short Message System (SMS) und dessen multimediale Variante (MMS) sind zu Publikumslieblingen avanciert. Eine wahre Revolution im Medienbereich hat die schnell fortschreitende Verbreitung des Internets ausgelöst. Die Anwendungen E-Mail und WWW sind inzwischen bereits Klassiker und aus dem privaten und betrieblichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Weitere Dienste wie z.B. Chat-Rooms, Newsgroups, Diskussionsforen und Pinboards erfreuen sich größter Beliebtheit. Auch die in den letzten Jahren neu entstandenen Internetdienste wie z.B. Weblogs, Wikis, Instant-Messaging, Podcasting gewinnen zunehmend an Popularität. Weblogs - eine Art Tagebücher im Web - waren bereits 2004 in den USA 3,5 Millionen und in Deutschland über 7’500 online (c’t 6.7.2004). Bei den Weblogs haben sich inzwischen Varianten mit Fotos, sog. Fotologs, und solche, die mit mobilen Geräten wie Foto-Handys produziert werden, sog. Moblog, herausgebildet. Als prominentestes Wiki - ein kollaboratives Schreibprojekt im Netz - gelangte die Online-Enzyklopädie Wikipedia zu weltweiter Bekanntheit. Unterdessen gibt es Wikipedia in mehr als 100 Sprachen, darunter Friesisch, K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 29 (2006) No. 1 - 3 Gunter Narr Verlag Tübingen Franc Wagner 48 Esperanto und Alemannisch. Die englische Version ist mit derzeit mehr als 600 000 Artikeln die größte, mit Abstand gefolgt von der deutschen als zweitgrößten. Instant-Messaging- Dienste wie z.B. ICQ, MSN-Messenger usw. sind auf vielen Computern installiert. Sie funktionieren nach dem “Buddy-Prinzip”: Sobald jemand aus der Liste der eingetragenen Freunde online geht oder eine Mitteilung schickt, wird die ComputerbenutzerIn automatisch davon benachrichtigt. Dies ermöglicht eine persönliche Kommunikation und Vernetzung, die noch unmittelbarer ist, als z.B. E-Mails, da die benachrichtigte Person die Mitteilungen quasi sofort lesen und beantworten kann. Das Internet hat somit nicht nur neue technische Kommunikationsträger hervorgebracht, sondern auch die kommunikativen Prozesse und das Kommunikationsverhalten im Alltag grundlegend verändert. 2. Medienklassifikation Noch schwieriger zu beantworten als die Frage, was neue Medien sind, ist die viel grundlegendere, wie Medien überhaupt definiert und klassifiziert werden können. Die Definition von Medium ist von entscheidender Bedeutung für die Untersuchung von Intermedialität. In der alltagssprachlichen Verwendung, aber auch in der Linguistik wird Medium - intuitiv oder systematisch - mehrdeutig verwendet. Für die empirische Arbeit ist hingegen eine differenzierte und möglichst eindeutige Terminologie notwendig. Faulstich (2002: 10) spricht davon, dass eine “große Verwirrung um den Medienbegriff” herrscht. Als Ursprung dieser Konfusion macht er u.a. pseudowissenschaftliche Abhandlungen über die Medien aus, wie z.B. die heute noch zitierte von Marshall McLuhan (1964), für die Faulstich mehr als zwanzig divergierende Medienbegriffe nachgewiesen hat. Auch Wilke (2003: 151) moniert, dass der Medienbegriff und der Erstreckungsbereich der Mediengeschichte beinahe uferlos ausgedehnt wurde und begründet damit, warum die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft - zur Vermeidung solcher Auswüchse - weitgehend an einem technisch-institutionellen Medienbegriff festhält. Hier können die zahlreichen Mediendefinitionen nicht alle angeführt und diskutiert werden. Zudem soll diesen auch nicht ohne Not eine weitere hinzugefügt werden. Dennoch wollen wir hier den Medienbegriff zumindest soweit klären, dass deutlich wird, welche Aspekte des Begriffs Medium gemeint sind, wenn von Intermedialität die Rede ist. Hierzu ist eine Medienklassifikation, die auf unsere Zwecke zugeschnitten ist, wohl der geeignetste Ansatz. Am wenigsten problematisch erscheint die Unterscheidung von Medien nach ihrer historischen Entstehung. Da die historische Entwicklung im Wesentlichen der technischen Entwicklung und den dadurch entstandenen neuen medialen Möglichkeiten folgte, ist eine historische in der Regel eine Klassifizierung nach dem “technischen Träger”. Faulstich (2002: 25) unterscheidet folgende vier historische Medien-Gruppen: 1. Die Primärmedien resp. die Menschmedien wie z.B. ErzählerInnen, VorleserInnen und das Theater. 2. Die Sekundärmedien resp. Schreib- und Druckmedien wie z.B. Kalender, Zeitung, Zeitschrift, Brief, Flugblatt, Buch, Plakat. 3. Die Tertiärmedien resp. elektronischen Medien wie z.B. Radio, Tonträger, Foto, Film, Video, Fernsehen, Telefon, Fax, Handy. 4. Quartärmedien oder digitale Medien wie z.B. Computer, E-Mail, Chat, WWW. Zur Intermedialität in den neuen Medien 49 Diese Unterscheidung in vier Gruppen würde es erlauben, die oben genannten neuen Medien als digitale Medien zu klassifizieren, ist aber dennoch mit Problemen verbunden. Zunächst ist die Unterscheidung von elektronischen und digitalen Medien alles andere als trennscharf. So wären digitale Medien immer auch elektronische, insofern die Digitalisierung technisch auf der elektronischen Verarbeitung basiert. Auch die Strukturierung der einzelnen Gruppen ist nicht konsistent. Was für die ersten drei Gruppen noch einigermaßen gelingt - die Unterscheidung verschiedener Einzelmedien auf derselben Ebene - misslingt bei der vierten Gruppe: Zu den digitalen Medien werden in der Regel sowohl der Computer als auch Internetdienste wie z.B. das WWW gerechnet. Dies birgt aber den Widerspruch in sich, dass nicht zugleich das technische Gerät als auch die darauf laufenden Programme und Dienste als Medien aufgefasst werden können. Dies entspräche in etwa der gleichzeitigen Nennung von Druckerwalze und Zeitung als Beispiele für Sekundärmedien. Insgesamt gelingt es auch nicht, die vierte Gruppe eindeutig von den anderen abzugrenzen. So kann mit dem Computer auch ein Brief geschrieben und ein Flugblatt, ein Poster oder ein ganzes Buch gedruckt werden. Im Internet finden sich neben Audio-Dateien, Fotos und Videos zum Leidwesen der entsprechenden Industrie auch komplette Musik-CDs und Kino-Filme. Übers Internet kann auch telefoniert werden, bei entsprechender Bandbreite sogar mit nahezu simultanem Echtzeitbild. Da das Internet alle diese unterschiedlichen Dienste vereint, wird es auch als “Hybridmedium” bezeichnet. Die Klassifizierung der Medien nach ihrem technischen Träger hat - abgesehen von den genannten Definitionsproblemen - auch den Nachteil, dass sie weder die Besonderheiten der so gruppierten Einzelmedien noch deren Funktion im Alltag deutlich werden lässt. So weist u.a. Jarren (2003: 15) darauf hin, dass Medien nicht nur als technische Mittel gesehen werden können, sondern auch sozialen Bedingungen unterliegen. Er folgert daraus, dass der Medienbegriff nicht zu trennen ist von “technischen u n d sozialen Bedingungen und somit von Organisationsformen, denn sie bestimmen die soziale Kommunikationspraxis” (ebd.). Er verweist dabei auf die Klassifikation von Saxer (1999), die zwischen dem “kommunikationstechnischen” und dem “sozialen Potential” von Medien unterscheidet. Als Beispiele für das kommunikationstechnische Potential beim Buch nennt er “Materialität, Druck, Schrift, Schreib- und Lesefähigkeit” und für das soziale Potential “Autoren, Autoren-Organisationen, Verlage, Lesezirkel” (ebd.). Bei dieser Zusammenstellung befremdet die Zuordnung der “Schreib- und Lesefähigkeit” zum kommunikationstechnischen statt zum sozialen Potential, zumal diese Fähigkeiten wenig mit den anderen genannten technischen Aspekten gemeinsam haben. Jarren gibt Saxers Medienklassifikation etwas verkürzt wie folgt wieder: • Medien als Kommunikationskanäle (Transportsysteme für bestimmte Zeichensysteme) • Medien als (komplexe) Organisationen (arbeitsteilig organisierte Produktions- und Distributionsstätten) • Medien als Institutionen (Normen- und Regelsystem zur Stabilisierung moderner Gesellschaften) (Jarren 2003: 15). Die Charakterisierung von Medien als Transportsysteme entspricht in etwa der bereits diskutierten Sicht des Mediums als technischem Träger. Die Betrachtung von Medien als komplexe Organisationen ist diejenige, die Jarren besonders interessiert und die er weiterverfolgt. Die Institutionalisierung von Medien und die damit einhergehende Normierung der Medienkommunikation ist für unsere Belange - die Analyse von Intermedialität in neuen Franc Wagner 50 Medien - zu abstrakt und zu unergiebig. Abgesehen davon tritt dieser Aspekt bei neuen Medien in der Regel erst ein, wenn diese bereits etabliert und damit nicht mehr neu sind. Interessanter für uns ist die Auffassung von Medien als Organisationen im Sinne von Produktions- und Distributionsstätten. Eine Organisation definiert Jarren (2003: 16) abstrakt als “soziale Gebilde oder Systeme, die sich beschreiben lassen und für die bestimmte Regeln auszumachen sind”. Etwas konkreter ist seine Unterscheidung von drei unterschiedlichen Organisationstypen: “a) Betriebe bzw. Unternehmen, b) Verbände und gesellschaftliche Akteure und c) staatliche Akteure” (ebd.: 19). Die Beschränkung von Produktions- und Distributionsaktivitäten auf Organisationen macht eine Schwachstelle dieser Medienklassifikation deutlich: Privatpersonen und informelle soziale Netzwerke sind als Akteure nicht vorgesehen. Diese geht von den bisher typischen Produktions- und Distributionsbedingungen aus, die die Möglichkeiten einer Privatperson überstiegen und eine Organisation als Akteurin erforderten. In den neuen Medien haben sich die Produktions- und Distributionsbedingungen aber erheblich verändert. Im Internet sind die technischen und finanziellen Hürden für die Produktion von Inhalten und für deren weltweite Distribution soweit gesunken, dass es erstmals auch Privatpersonen möglich ist, eigene Medieninhalte anzubieten (vgl. Endres 2005). Weblogs basieren z.B. fast ausschließlich aus Beiträgen von Privatpersonen und die Distribution von deren Inhalten darauf, dass das Weblog innerhalb eines informellen sozialen Netzwerks bekannt ist und regelmäßig gelesen und zitiert wird. Die kurze Diskussion von zwei bekannten Medienklassifizierungen hat gezeigt, dass es schwierig ist, einfach eine bestehende Klassifikation zu übernehmen, da jede Klassifikation unter bestimmten theoretischen Prämissen und für bestimmte Analysezwecke erstellt wurde. In der linguistischen Literatur hat sich bislang ebenfalls keine eindeutige und universelle Terminologie herausgebildet. Die Verwendung des Terminus Medium erfolgt hier nicht wesentlich differenzierter als in der Alltagssprache. Mit der Erweiterung des Medienbegriffs durch die neuen Medien haben sich in der germanistischen Linguistik u.a. Holly (1997), Holly & Biere (1998), Burger (2005) und einige Beiträge des Sammelbands “Neue Medien - neue Kompetenzen” (Kleinberger Günther & Wagner 2004) befasst. Auch Habscheid (2000) setzt sich kritisch mit der Verwendung des Begriffs Medium in der Linguistik auseinander. Dabei zeigt sich allerdings, dass eine einzige Definition, die versucht, alle Aspekte des Medienbegriffs zu vereinen, hoffnungslos überfrachtet ist. Praktikabler erscheint es, den Phänomenbereich in Subkategorien aufzuteilen und für diese jeweils eigene Definitionen zu formulieren. Entsprechend gilt es, die für unsere Zwecke relevanten Aspekte des Medienbegriffs zu nennen und daraus eine eigene Klassifikation zu erstellen. Die für unsere Zwecke wichtigsten Aspekte des Terminus Medium können grob in drei Subkategorien differenziert werden: 1. Medium als technologischer Informationsträger 2. Medium als Publikationsform resp. Kommunikationsform 3. Medium als Kodesystem Die grundlegendste Auffassung ist die von Medium als technologischem Informationsträger zur Bezeichnung des physikalisch-organisatorischen Informationsträgers. Diese Auffassung findet sich nicht nur in rein technischen Bezeichnungen wie z.B. in Speichermedium, sondern auch in der Klassifizierung von Medien nach dem jeweiligen technischen Träger, wie in der diskutierten Klassifizierung nach historischen Medien-Gruppen. Wie gesehen, ist diese Zur Intermedialität in den neuen Medien 51 Klassifizierung bei neuen Medien nicht ganz unproblematisch. Zudem sind Informationsträger nicht nur physikalischer Natur. Auch technologische Organisationsformen wie z.B. Datenformate oder Kommunikationsprotokolle spielen eine wichtige Rolle. Die im Alltag wohl gebräuchlichste Auffassung ist diejenige von Medium als Publikationsform. Holly (1997) betont ebenfalls die Nützlichkeit dieses auf Brinker (1985) resp. Ermert (1979) zurückgehenden Terminus. Im Unterschied zur hier vertretenen Ansicht subsumiert Brinker die Publikationsform nicht unter den Medienbegriff, sondern grenzt sie von diesem ab. Er versteht unter Publikationsform aber ebenfalls mediale Publikationsgefäße wie z.B. Fernsehsendungen, Kulturzeitschriften und Werbeprospekte. In den neuen Medien finden sich auch neue Publikationsformen wie z.B. E-Mails, Websites und Weblogs. Dabei sind aber Typen konkreter Medienprodukte wie z.B. E-Mails vs. SMS-Messages gemeint und nicht die gleichnamigen Internetdienste, die für die Produktion und Distribution der Medienprodukte verwendet werden. Es ist zwar üblich, die Publikationsform zunächst nach ihrem technisch-organisatorischen Träger zu benennen. Mit der Zeit etablieren sich für denselben Träger aber mehrere Publikationsformen. So basieren z.B. sowohl Websites als auch Weblogs im Wesentlichen auf dem Internetdienst WWW. Beim Medium als Publikationsform handelt es sich somit nicht primär um ein technologisches, sondern um ein für den gesellschaftlichen Diskurs bedeutsames sozioökonomisches Phänomen. Bei der abstrakteren Betrachtung der Einzelmedien als Beitrag zur medialen Kommunikation kann statt von Publikationsform auch von Kommunikationsform gesprochen werden. Da der Terminus Publikationsform medienspezifischer ausgerichtet ist, soll dieser hier verwendet werden. Die dritte Auffassung ist diejenige von Medium als Kodesystem, wie z.B. bei Schrift, Bild, Audio und Video. Medien im dritten Sinne etablieren eine eigene Zeichensprache, eigene Informationsformen, eigene Verwendungs-Konventionen, kurz: eigene Kodes. Als Kodes sollen hier konventionelle Verbindungen von Zeichen und Inhalten verstanden werden, die einem steten Wandel unterliegen. Bei Betrachtung der Textsorte Werbung wird z.B. deutlich, wie stark zeitgebunden die Zeichen sind, mit denen die (relativ gleich bleibenden) Botschaften formuliert werden. Der verwendete Kode ist zudem auch an das technische Medium gebunden, das ebenfalls einem Wandel unterliegt. Die Verbindung von Medium und Kode betrachtet etwa Eicher (1994: 17) als so eng, dass er den Kode als Bestandteil des Mediums versteht. Für Medien im dritten Sinne spielt der technische Träger zwar eine wichtige Rolle, insofern er den Rahmen für die Realisierung der Zeichen bildet. So können z.B. in einer Radiosendung zwar Töne, aber keine Bilder verwendet werden. Der technische Träger determiniert aber den Kode nicht. Einerseits etablieren sich ohne Veränderung der technischen Rahmenbedingungen neue Zeichen wie z.B. die Emoticons in der E-Mail-Korrespondenz. Andererseits entwickeln sich unabhängig von den technischen Rahmenbedingungen neue Inhalte. Die Fahne der italienischen Bürgerrechtsbewegung “I Girotondi” z.B. wurde durch Hinzufügen des Schriftzugs pace während des zweiten Irakkriegs zur europäischen Friedensflagge. Welche Zeichen sich etablieren und mit welchen Bedeutungen diese verbunden werden, lässt sich nicht aus dem technischen Träger erklären, sondern es handelt sich um ein soziokulturelles Phänomen. Die aufgezählten Aspekte des Medienbegriffs sind natürlich nicht vollständig. So fehlt z.B. die Auffassung von Medium als Institution, da diese - wie bei der Diskussion der Klassifikation von Saxer (1999) bereits erwähnt - für die Analyse der Intermedialität keine Rolle spielt. Die Unterscheidung in drei verschiedene Medienauffassungen soll vielmehr Franc Wagner 52 darauf aufmerksam machen, dass wir es in Abhängigkeit vom verwendeten Medienbegriff mit ganz verschiedenen Arten von Intermedialität zu tun haben. So erfordert z.B. die Untersuchung von Bezügen zwischen Fernsehsendungen und Zeitungsartikeln ein anderes Instrumentarium, als die Analyse von Bezügen zwischen Zeitschriften- und Zeitungsartikeln oder zwischen Schrift und Bild im selben Dokument. Die Unterscheidung der drei Medienauffassungen ist dazu geeignet, den Untersuchungsgegenstand besser einzugrenzen, die Analyseinstrumente gezielter auszuwählen und die Analyse insgesamt zu schärfen. 3. Intermedialitätsbegriff Erst Mitte der 90er Jahre setzte sich in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen Intermedialität als Forschungsperspektive durch. Die Intermedialitätsforschung hat entsprechend noch mit theoretischen und methodischen Problemen zu kämpfen. Verschiedene Konzepte und Ansätze aus unterschiedlichen Disziplinen eröffnen heterogene Perspektiven auf das Phänomen, lassen aber - im Unterschied etwa zur Intertextualität - klare Definitionen und eine eigenständige Theoriebildung vermissen. Nebst dem Bedarf an Präzisierung in einzelnen Bereichen, mangelt es auch an der Klärung des Intermedialitätsbegriffs selbst. Die Mehrzahl der Publikationen zur Intermedialität findet sich in der Literaturwissenschaft und in der Analyse von Film oder Video-Kunst. Linguistische Untersuchungen zur Intermedialität in den neuen Medien sind zurzeit noch selten. Einige der wichtigsten linguistischen Publikationen zum Thema Intermedialität sollen daher kurz vorgestellt werden. Eicher (1994) versteht Intermedialität als das Zusammenspiel verschiedener Medien, die er als “kulturell kodierte Kommunikationssysteme” betrachtet, die sich gegenseitig beeinflussen, oder auch “zu einer neuen Einheit verbinden können” (ebd.: 11). Eicher betrachtet Intermedialität unter textlinguistischen Gesichtspunkten und weist darauf hin, dass die Konzeption von Intermedialität stark von der verwendeten Text-Definition abhängt. Er reflektiert auch den zugrunde gelegten Medienbegriff und plädiert für eine unabhängige Definition von Intermedialität und Intertextualität. Hess-Lüttich (2001) spricht in Zusammenhang mit Intermedialität von einem “historischen Umbruch” (ebd.: 18) in der Medienlandschaft. Als übergreifenden “Klammerbegriff” für die Herausforderungen moderner Medienwissenschaft betrachtet er die “multimediale Kommunikation” (ebd. 18). Multimedia will er dabei nicht auf die Kombination technischer Medien wie z.B. die Verschmelzung von Fernsehen und Computer reduzieren. Vielmehr beleuchtet er auch die historisch-kulturellen Aspekte des Medienbegriffs, z.B. bei der multimedialen Verwertung ästhetischer Produkte. Er analysiert intermediale Relationen aus der Perspektive der angewandten Mediensemiotik. Hess-Lüttich formuliert auch die interessante Frage, ob sich linguistische Verfahren überhaupt dazu eignen, “Vorgänge multimedialer Informationsvermittlung” zu erfassen, oder ob “radikal neue Wege” gesucht werden müssen (ebd. 20). Sandig (2000) gibt einen Überblick über die potentiellen linguistischen Analyse-Kriterien des Verhältnisses von Text und Bild. Sie diskutiert dieses Verhältnis anhand folgender sieben Textmerkmale: Textfunktion, Unikalität, Kohäsion, Kohärenz, Thema, Situationalität und Materialität. Die Textfunktion betrachtet sie als das zentrale Textmerkmal, die Kohäsion als prototypisches aber nicht obligatorisches Textmerkmal. Inhaltliche Kohärenz sieht sie als Voraussetzung für die Interpretation des Textthemas. Für die Kombination von Schrift und Bild zu einem Text prägt Sandig den Terminus “Sprache-Bild-Text”. Der Schwerpunkt des Zur Intermedialität in den neuen Medien 53 Aufsatzes liegt auf der exemplarischen Darstellung der vielfältigen Arten von Bezügen, die zwischen Bild und Text möglich sind. Rajewsky (2002) ist ein “Beitrag sowohl zu einer allgemeinen Intermedialitätstheorie als auch zur Theorie und Methodik eines spezifischen Teilbereichs dieses Forschungsgebietes, des Bereichs der ›intermedialen Bezüge‹” (ebd.: 4). Der Band enthält einen Überblick über die historische Entwicklung der Intermedialität und diskutiert die terminologische Abgrenzung von Intermedialität, Intertextualität sowie Transmedialität. Da diese Abgrenzung einiges zur terminologischen Klärung beiträgt, soll sie kurz vorgestellt werden. Als Intermedialität bezeichnet Rajewsky “Medien übergreifende Phänomene”, als Intramedialität “Phänomene, die nur ein Medium involvieren” und als Transmedialität “medienunspezifische Phänomene” (2002: 19; 157), die zwar medientypisch realisiert werden, für die aber kein Ursprungsmedium spezifiziert werden kann. Intermedialität versteht Rajewsky in einem sehr weiten Sinne als “Hyperonym für die Gesamtheit aller Mediengrenzen überschreitenden Phänomene, die […] in irgendeiner Weise zwischen Medien angesiedelt sind” (ebd.: 12). Sie differenziert Intermedialität weiter in drei Unterkategorien: intermediale Bezüge, Medienwechsel und Medienkombination. Als wichtigste Form von Intermedialität definiert sie intermediale Bezüge als “Verfahren der Bedeutungskonstitution eines medialen Produkts durch Bezugnahme auf ein Produkt […] oder semiotisches System” (ebd.: 19) eines fremden Mediums. Als Beispiel nennt sie u.a. Bezüge eines literarischen Werkes auf einen Film. Den Medienwechsel bestimmt sie als “Transformation eines medienspezifisch fixierten Produkts […] in ein anderes […] Medium” (ebd.), wie z.B. eine Literaturverfilmung. Als Medienkombination bezeichnet sie die Kombination verschiedener Medien zu einem neuen Produkt, wie z.B. im Fotoroman. Von der Intermedialität unterscheidet die Autorin die Intramedialität als “Terminus zur Bezeichnung jener Phänomene, die, dem Präfix entsprechend, innerhalb eines Mediums bestehen, mit denen also eine Überschreitung der Mediengrenzen nicht einhergeht” (ebd.: 12). So einleuchtend diese Abgrenzung erscheinen mag, sie steht und fällt mit dem zugehörigen Medienbegriff. Innerhalb ein und desselben Textes finden sich z.B. Bezüge zwischen den semiotischen Systemen Schrift und Bild. Dabei handelt es sich um Bezüge zwischen zwei unterschiedlichen Medien im Sinne von Kodesystemen. Intertextualität definiert die Autorin als “eine von vielen Manifestationsformen des Intramedialen” (ebd.: 12). Als Beispiele nennt sie Bezugnahmen eines Films auf einen andern. In dieser Bestimmung wird Text eindeutig als monomediales Phänomen verstanden. Das ist nur nachvollziehbar, wenn hier von Medium im Sinne von Publikationsmedium die Rede ist. Im Gegensatz dazu bestimmt Rajewsky aber das Medium als “Kommunikationsdispositiv”, das es erlaubt, “sowohl z.B. die Literatur, die nur ein semiotisches System verwendet, als auch den Film, der mehrere semiotische Systeme verwendet, die ihrerseits wiederum anderen Medien zuzuordnen sind, jeweils als ›(Einzel-)Medien‹ zu definieren” (ebd.: 7). Diese Bestimmung lässt mehrere unterschiedliche Medienauffassungen unkommentiert nebeneinander stehen und trägt entsprechend wenig zur terminologischen Klärung bei. Die Definition von Intertextualität als Sonderfall intramedialer Bezugnahme greift jedenfalls zu kurz, da sie den Phänomenbereich zu sehr einschränkt. Den Terminus Transmedialität definiert Rajewsky als “medienunspezifische Wanderphänomene […] wie z.B. das Auftreten desselben Stoffes […] in verschiedenen Medien, ohne dass hierbei die Annahme eines kontaktgebundenen Ursprungsmediums wichtig oder möglich ist oder für die Bedeutungskonstitution des jeweiligen Medienprodukts relevant würde” (ebd.: 13). Als Beispiel nennt sie die Parodie, deren Regeln nicht medienspezifisch Franc Wagner 54 sind. Es wird nicht notwendigerweise auf Texte, sondern auf Stoffe Bezug genommen, die “unabhängig vom Ursprungsmedium im kollektiven Gedächtnis einer Zeit verankert sind” (ebd.). Sie bezeichnet damit Phänomene, “die sich jenseits von Mediengrenzen bzw. über Mediengrenzen hinweg manifestieren” (ebd.). So sehr die mediale Entgrenzung von Phänomenen ein interessanter Gedanke ist, scheint doch die “Entmaterialisierung” und Lokalisierung derselben im “kollektiven Gedächtnis” eine etwas zu vage Bestimmung des Gegenstandsbereichs, da dadurch sämtliche Bezüge auf das geteilte Wissen einer Sprach- und Kulturgemeinschaft zum transmedialen Ereignis würden. Rajewsky (2002) enthält interessante Ansätze zu einer terminologischen Klärung der Grundbegriffe der Intermedialität, erreicht aber durch teilweise widersprüchliche und etwas zu vage Definitionen nicht die für die empirische Arbeit notwendige terminologische Klarheit. Die theoretische und systematische Ausrichtung ist eine literaturwissenschaftliche, die analysierten “Referenzmedien” sind Film und Fernsehen. Rajewsky geht aber davon aus, dass sich die gewonnenen Erkenntnisse auch auf andere “Objektmedien” übertragen lassen. Zusammenfassend finden sich in der Literatur viele Absichtserklärungen bezüglich einer terminologisch fundierten Behandlung von Intermedialität, aber leider keine einheitliche Definition von Intermedialität. Entsprechend sind die Abgrenzungsversuche zu benachbarten Phänomenen wie z.B. der Intertextualität z.T. sehr widersprüchlich. Die meisten AutorInnen verfolgen eine literaturwissenschaftliche Ausrichtung und Analysen aus linguistischer Perspektive existieren erst wenige. Es fehlen weiter einheitliche Analysekriterien und eine breitere empirische Basis, die erst verallgemeinerbare Ergebnisse ermöglichen wird. 4. Intermedialität und Intertextualität Intertextualität und Intermedialität sollen hier als zwei voneinander unabhängige Textmerkmale verstanden werden. Intertextualität bezeichnet Bezüge über die Textgrenze hinweg zwischen getrennten Texten. Der Terminus wurde von Julia Kristeva Ende der 60er Jahre in die Diskussion eingebracht (vgl. Kristeva 1969) und fand hauptsächlich in der Literaturwissenschaft Anwendung. Holthuis (1993) definierte Intertextualität aus linguistischer Perspektive als Relation zwischen Texten und betonte bereits die Bedeutung des zugrunde gelegten Textbegriffs. Bezüge zwischen Texten (z.B. Zitate) werden in der Regel intertextuelle Bezüge genannt, Bezüge innerhalb eines Textes (z.B. Kohärenz) hingegen intratextuelle Bezüge. Eine davon unabhängige Frage ist diejenige nach den medialen Systemen, zwischen denen die Bezüge realisiert sind. Intermedialität bezeichnet Bezüge zwischen unterschiedlichen Medien, wie z.B. das Zusammenspiel unterschiedlicher Kodesysteme. Als Medienbegriff kann jeder der drei oben diskutierten Anwendungen finden. Wir haben es somit nicht mit einer einzigen Intermedialität, sondern mit mindestens drei verschiedenen Intermedialitäten zu tun: mit der Intermedialität zwischen technologischen Medien, mit derjenigen zwischen Publikationsformen und mit derjenigen zwischen Kodesystemen. Bei den Bezügen gilt es, sowohl Bezüge innerhalb eines Mediums, sog. intramediale Bezüge (z.B. Schrift bezieht sich auf Schrift), als auch Bezüge zwischen Medien, sog. intermediale Bezüge (z.B. Schrift bezieht sich auf Bild) zu unterscheiden. Eicher (1994: 18f.) hat darauf hingewiesen, dass das Konzept der Intermedialität, zumindest bei textlinguistischer Betrachtung, stark von der Textdefinition abhängig ist. Bei Verwendung eines traditionellen Textbegriffs, der Text auf Sprache beschränkt, können ausschließlich Bezie- Zur Intermedialität in den neuen Medien 55 hungen zwischen sprachlichen Zeichen untersucht werden. Diese Beziehungen sind dann per Definition intramedialer Natur. Abhängig davon, ob sie die Textgrenze überschreiten oder nicht, können intramediale Bezüge intertextueller oder intratextueller Natur sein. Bei der Analyse von neuen Medien empfiehlt es sich, einen erweiterten Textbegriff zu verwenden, der den Terminus Text nicht auf Sprache beschränkt, sondern der z.B. auch Bilder und grafische Gestaltungselemente berücksichtigt. Bei dieser Art von Textauffassung können Bezüge zwischen unterschiedlichen medialen Systemen auch innerhalb eines Textes auftreten. Dabei handelt es sich um zugleich intermediale und intratextuelle Bezüge. Bei der Untersuchung von Beziehungen zwischen Texten im erweiterten Sinne, von intertextuellen Bezügen also, können sowohl intramediale als auch intermediale Bezüge auftreten. Auf diese Tatsache hat bereits Hoesterey (1988: 191) hingewiesen, als Sie von “intermedialer Intertextualität” sprach. Die Klärung der Grundbegriffe lässt den Untersuchungsgegenstand klarer hervortreten. Intermedialität handelt von Bezügen zwischen Medienfragmenten, Mediendokumenten, Publikationsformen und technologischen Medien, sowie von den Veränderungen von Information beim Übergang von einem Medium in ein anderes. Intertextualität hingegen betont die textlinguistische Perspektive und handelt von Bezügen und Übergängen zwischen verschiedenen Texten. Die Texte selbst können dabei mono- oder multimedial kodiert sein. Eine wichtige Frage bei der Analyse sowohl von Intermedialität als auch von Intertextualität ist, was sich beim Übergang zwischen den Texten und Medien verändert: die Inhalte und deren Bedeutung, oder die Rahmung und die damit verbundene Rezeption. 5. Mediale Übergänge Als Beispiele für Intermedialität sollen hier einige Übergänge von Texten aus Printmedien ins Internet und umgekehrt vom Internet in Printmedien besprochen werden. Dabei handelt es sich einerseits um Übergänge zwischen zwei verschiedenen technischen Informationsträgern (Papier und Internet-Dienste) und andererseits um einen Wechsel der Publikationsform (Zeitung / Zeitschrift und Online-Zeitung im WWW). Die meisten Beispiele von Übertragungen von Information aus herkömmlichen Medien ins Internet finden sich auf den Websites von Medienverlagen. Diese existieren größtenteils schon seit mehreren Jahren und werden kontinuierlich ausgebaut. Die überwiegende Zahl der Beispiele sind Angebote, die für ein anderes Publikationsmedium als das Web erarbeitet werden, und die nur zusätzlich ins Internet gestellt werden. Einige Anbieter haben hingegen das Potential des Internets erkannt und realisieren speziell dafür attraktive Zusatzangebote oder passen die Präsentation der Inhalte dem neuen Medium an. Viele deutschsprachige Radiosender bieten ihre Sendungen parallel zur Ausstrahlung auch live im Internet an oder nutzen die Internetseiten zum Präsentieren von Zusatzinformationen zu ihrem Programm. Die großen Fernsehsender nutzen das Internet als Präsentationsplattform ihrer wichtigsten Nachrichtensendungen. Der Sender “ARD” z.B. stellt die aktuellen Beiträge der Sendungen “Tagesschau” und “Tagesthemen” nach der Ausstrahlung ins Netz. Dabei wird die Präsentation an das neue Medium angepasst: Die Sendung wird nicht als monolithischer Block präsentiert, sondern die einzelnen Beiträge der Sendung sind getrennt in schriftlicher Form oder als kleinformatiges Video abrufbar. Die Fernsehstationen nutzen das Internet ebenfalls zur Distribution von Zusatzinformationen zu ihren Sendungen. Franc Wagner 56 Alle größeren Printmedien-Verlage bieten Teile ihrer Zeitungen und Zeitschriften im Internet an. Sie gehörten zu den ersten kommerziellen Unternehmen, die ihr Angebot auch im Internet publizierten (vgl. Wagner 1996). Der Zweck des Internetauftritts war ursprünglich, neue Leserkreise zu erschließen und die eigene Bekanntheit zu vergrößern. Heute kann es sich kein Printmedien-Verlag mehr leisten, kein Onlineangebot anzubieten. Die Onlineausgaben sind nicht mit den Printausgaben identisch (vgl. Wagner 1998). Der Satzspiegel der Printausgabe wird nicht übernommen. Die Anzeigenteile sind in der Onlineausgabe nicht enthalten oder in extra Anzeigenbereiche eingestellt. Die Seitengestaltung der Onlineausgaben ist eigenständig und passt sich den jeweils geltenden Designrichtlinien für das Medium Internet an. Der Umfang der online publizierten Beiträge der Printausgabe beträgt je nach Medientitel zwischen ca. 30% und 100%. Die Onlineausgaben bieten nebst den Texten aus den Printausgaben damit verbundene zusätzliche Angebote, die meist erst durch das Medium Internet möglich werden. Beispielsweise bieten die meisten Verlage im Internet Druckversionen ihrer Artikel an, d.h. Versionen ohne Bilder und mit druckgerechtem Layout. Weiter befinden sich am Ende eines Artikels meist Links zu thematisch verwandten Artikeln oder auf weiterführende Informationsangebote im Internet. Als Form der Rückmeldung wird häufig die Möglichkeit geboten, direkt zum Artikel einen Leserbrief zu schreiben. Zunehmend finden sich auf den Seiten der Medienverlage auch Diskussionsforen und Weblogs zu aktuellen Themen. Beispiele für die umgekehrte Richtung von Intermedialität - für den Übergang von Inhalten aus dem Internet in herkömmliche Medien - sind noch selten, nehmen aber ständig zu. Nach den Anschlägen am 11. September 2001 in den USA veröffentlichten Laien und JournalistInnen in Weblogs Augenzeugenberichte im Stile von Leitartikeln, die internationale Beachtung fanden. Bei den Warblogs zum Irak-Krieg konnten erstmals Beispiele solcher Übergänge aufgezeigt werden (vgl. Endres 2005). Fürs Web verfasste Berichte von Augenzeugen des Krieges fanden ein weltweites Publikum. Die Reputation der Warblogs als Quellen für authentische und interessante Berichte aus dem Kriegsalltag verbreitete sich rasch im informellen Netzwerk der Netizens (passionierte Internet-NutzerInnen). JournalistInnen, die regelmäßig das Internet nach Informationen durchsuchen, stießen auf die Warblogs und zitierten diese in ihren Zeitungsberichten. In kürzester Zeit wurden die Warblogs nicht nur in Printmedien sondern auch in Radio- und Fernsehsendungen besprochen. Einige JournalistInnen begannen damit, eigene Warblogs zu verfassen und darin täglich ihre persönlichen Eindrücken vom Kriegsgeschehen zu notieren. Ursprünglich in internetspezifischen Publikationsformen wie Mailinglisten, Newsgroups und Weblogs verfasste Berichte gelangten so in die klassischen Massenmedien Radio, Fernsehen und Zeitung. Auch bei anderen Ereignissen von großem öffentlichem Interesse, wie z.B. den Anschlägen auf das Londoner Bus- und U-Bahn-System 2005, waren es Weblogs, die als erste Bilder und Informationen dazu veröffentlichten (vgl. z.B. Mayor of London Blog 7.7.2005). Die Informationen aus diesen Weblogs wurden wiederum von den Massenmedien aufgegriffen und weltweit publiziert. 6. Medialer Diskurs im Internet Die diskutierten Beispiele von Übergängen vom Internet in klassische Massenmedien sind kein Einzelfall. Das Internet gewinnt als Informationsmedium immer mehr an Bedeutung. Für die Meinungsbildung von Jüngeren ist das Internet bereits wichtigstes Medium, wichtiger Zur Intermedialität in den neuen Medien 57 als bspw. das Fernsehen. Gemäß einer repräsentativen Umfrage von IBM Business Consulting und der Universität Bonn unter 14bis 39-Jährigen (Netzeitung 19.8.2005) hat das Internet bei den Befragten das Fernsehen als Meinungsbildungsmedium bereits überholt. 55 Prozent der Befragten sahen im Internet eine “wertvolle Hilfe für die individuelle Meinungsbildung”, nur 39 Prozent billigten diese Funktion dem Fernsehen zu. Das Fernsehen ist dabei, zum “Nebenmedium” zu werden. Allerdings ergänzen sich für 30 Prozent Internet und Fernsehen im Sinne einer “crossmedialen” Nutzung. Sie suchen nach Zusatzinformationen oder weiterführenden Links zu Fernseh-Sendungen und durchsuchen Online-Ausgaben von Printmedien nach weiterführenden Informationen. Das Internet ist längst Bestandteil des öffentlichen Diskurses geworden (vgl. Fraas 2005) und steht immer öfter im Zentrum des medialen Interesses. Das bedeutet, dass vermehrt im Internet publizierte Inhalte in die klassischen Massenmedien gelangen. Dadurch wechselt Information nicht nur das Medium, resp. die Publikationsform, sondern stößt auch in völlig neue Dimensionen der Distribution vor: Das Internet beginnt, massenmedial zu funktionieren. Welche Auswirkungen diese quantitativ und qualitativ neue Form von Intermedialität auf die Inhalte selbst und auf deren Rezeption haben wird, ist ungewiss. Werden Beiträge im Internet künftig vermehrt für ein größeres Publikum geschrieben oder bleiben die Beiträge so subjektiv und persönlich wie bisher und verändern ihrerseits die Norm der distanziert neutralen Berichterstattung in den bisherigen Massenmedien? Werden sich die Beiträge in den neuen Medien den Interessen der Medienverlage anpassen oder werden die neuen Medien selbst zum Zentrum des medialen Diskurses werden? Literatur Brinker, Klaus 1985: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methode, Berlin: E. 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