Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/91
2006
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Zeichenprozesse digitaler Filmbilder
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2006
Angela Krewani
Vorliegender Text versucht eine Bestimmung des digitalen Zeichens innerhalb der Filmproduktion. Ausgehend von dem dynamischen Zeichenverständnis von Julia Kristeva, die im Zeichen eine prozessuale Bewegung zwischen symbolischer Struktur und präödipaler Materialität (semiotische Chora) annimmt, wird das digitale Filmzeichen als Dynamik zwischen diesen beiden Polen begriffen. Ausgangspunkt hierfür ist die Überlegung, dass sich das digitale Zeichen gegenüber dem traditionellen filmischen Zeichen durch eine verminderte Materialität auszeichnet. Die verminderte Materialität bewirkt einen Überschuss an semiotischer Chora, der sich auf der visuellen Ebene als Auflösung von Figuren und Körpern niederschlägt. Die Dynamik zwischen Symbolischem und Chora kann innerhalb des Zeichens als intermedialer Prozess verstanden werden.
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Zeichenprozesse digitaler Filmbilder Angela Krewani Vorliegender Text versucht eine Bestimmung des digitalen Zeichens innerhalb der Filmproduktion. Ausgehend von dem dynamischen Zeichenverständnis von Julia Kristeva, die im Zeichen eine prozessuale Bewegung zwischen symbolischer Struktur und präödipaler Materialität (semiotische Chora) annimmt, wird das digitale Filmzeichen als Dynamik zwischen diesen beiden Polen begriffen. Ausgangspunkt hierfür ist die Überlegung, dass sich das digitale Zeichen gegenüber dem traditionellen filmischen Zeichen durch eine verminderte Materialität auszeichnet. Die verminderte Materialität bewirkt einen Überschuss an semiotischer Chora, der sich auf der visuellen Ebene als Auflösung von Figuren und Körpern niederschlägt. Die Dynamik zwischen Symbolischem und chora kann innerhalb des Zeichens als intermedialer Prozess verstanden werden. This essay traces the semiotic processes of the digital sign in film. The filmic sign is analysed with reference to Julia Kristeva’s concept of the symbolic and the semiotic within the sign. For Kristeva the sign consists of these two opposing elements, which dominate the inner structure. Thus the sign itself becomes processual, fluctuating between the stable symbolic and the energetic semiotic chora. Applied to digital film production, the filmic sign is thought of as displaying the same mechanism. Since it lacks the basic materiality of the sign within analogue film production, the digital sign cannot hold the referential image needed in film. This process of fluctuating between different edges within the sign can be described as intermedial. Digitale Bildproduktion hat nicht nur Bereiche von Fotografie und Medienkunst erobert, sondern ist auch in der zeitgenössischen Filmproduktion mehr als präsent. Auch seitens der Medientheorie hat diese Form der Bildgestaltung einige Überlegungen angestoßen, die sich allerdings oft auf die technischen Gegebenheiten oder den ästhetischen Stellenwert der Bilder beziehen (cf. die gesamte Ausgabe von Wide Angle 21.1 (Jan 1999), Bolter & Grusin 1999 und Pirr 2005). Ziel dieses Beitrags ist es, die Unterschiede zwischen analoger filmischer Gestaltung und digitaler Bildproduktion aus einer zeichentheoretischen Perspektive her zu beleuchten. Dabei stehen sich beide Bildverfahren diametral gegenüber: Bei dem analogen Filmbild handelt es sich um mit einer Filmkamera aufgenommenes Bildmaterial. Beim digitalen Bild geht es um computergestützte Verfahren, anhand derer die Bilder mit Hilfe von binären Codes errechnet werden. Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen ist in diesem Kontext, dass der analoge wie auch der digitale Film auf Zeichensystemen basieren, die in übergeordnete Diskurse eingebunden sind, deren Codes so stabil erscheinen, dass gerne die Verwechslung von Zeichen und “Realität” vorgenommen wird. In diesem Sinne können sowohl der analoge als auch der digitale Film an Zeichensystemen partizipieren, die entweder auf Referentialität bzw. “Authentizität” ausgerichtet sind oder die - im Gegensatz hierzu - die Abbildfunktion von Welt verweigern, wie es zum Beispiel der Experimentalfilm vorführt. Um die jeweiligen kulturellen Implikationen der Bildgestaltung beschreiben zu können, wird statt einer dichoto- K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 29 (2006) No. 1 - 3 Gunter Narr Verlag Tübingen Angela Krewani 230 mischen Gegenüberstellung der Bildgebungsverfahren von einem Modell intermedialen Austauschs von Gestaltungs- und Bildelementen ausgegangen. Aus filmhistorischer Perspektive ergibt sich das mimetische Anliegen des Films aus seiner Nähe zur Fotografie, deren abbildhaftes Verhältnis zur Welt der Film in seinen Anfängen übernahm, oft zu dem Zweck, ein Ereignis möglichst realitätsgetreu zum Vergnügen oder Schreck des Publikums festzuhalten. Demgemäss behauptete Andre Bazin, das Kino würde aufgefasst als die “reconstruction of a perfect illusion of the outside world” (Bazin 1964: 66). Timothy Murray zufolge hat die Filmtheorie in der Nachfolge Bazins den Aspekt der semiotischen Ausprägung des filmischen Zeichens zunehmend vernachlässigt und semiotische Aspekte des filmischen Zeichens als Einschreibung von Realität ausgewiesen. (cf. Murray 1999: 6). Unter Verweis auf Metz verweist Murray nochmals auf den grundsätzlich semiotischen Stellenwert des filmischen Bildes. 1 Perfektioniert wurde die Illusion von Realität vor allem im klassischen Hollywoodfilm, welcher - zum größeren Teil auch heute noch - darauf ausgerichtet ist, die Machart des jeweiligen Spielfilms, also Kameraführung, Schnitt, Beleuchtung im Dienste der filmischen Fiktion verschwinden zu lassen, so dass die Illusion einer konsekutiven Handlung und die Identifikation der Zuschauer mit dem filmischen Geschehen entstehen. 2 Im Gegensatz zum Dokumentarfilmtheorie, innerhalb derer sich eine lebhafte Debatte um die Authentizität der Bilder herauskristallisierte (cf. Hattendorf 1994), wurde der ontologische Stellenwert des filmischen Bildes bis zur Einführung digitaler Bildproduktion selten verhandelt. Erst die rasante Entwicklung digitaler Bildproduktion erschütterte das Vertrauen in die dokumentarische Seriösität sowohl der Fotografie als auch filmischer Bilder erheblich, als sich zeigte, dass Bilder mit digitalen Mitteln vollständig produziert oder modifiziert werden konnten: der Glaube an die dokumentarische Verlässlichkeit des Bildes war damit endgültig verschwunden. Im Spielfilm konzentrierte sich die Reaktion auf das digitale Bild aufgrund seiner traditionellen Verankerung in illusionistische Verfahren in erster Linie auf Filmästhetik und die Qualität der technischen Bildgestaltung. Die hohen Kosten digitaler Bildgestaltung erlaubten den Einsatz zuerst in Hollywood Produktionen. Seitens der Filmkritik wird oft moniert, dass gerade die teuren Hollywoodproduktionen dem Vergleich mit dem europäischen Autorenfilm hinsichtlich der Komplexität oft nicht standhalten können. Somit hat digitale Bildbearbeitung gerade von dieser Seite den Ruf fehlender inhaltlicher und ästhetischer Differenziertheit bekommen. Besonders hervorgetreten durch die Brillianz der digitalen Bildgestaltung sind in den letzten Jahren die Filme Jurassic Park (1993) (durch real erscheinende, digital animierte Saurier), Titanic (1997) wie auch The Matrix (1999) durch rasante Kamerabewegungen, die durch digitale Animation zustande kamen. Steven Spielbergs Minority Report (2002) und Peter Jacksons Lord of the Rings (2003) stellen ebenfalls Beispiele für eine Mischform aus analog und digital produzierten Bildern dar. Neben diesen analog-digitalen Mischformen sind auch digital produzierte Filme entstanden, wie z.B. Disneys Toy Story (1995) oder Shrek (2001), deren Bildgestaltung sich jedoch an den Konventionen klassischer Zeichentrickfilme orientiert. Zunehmende Aufmerksamkeit erfuhr in den letzten Jahren das mediale Cross-Over von Film und Computerspiel. Lange Zeit in aller Munde wie auch auf vielen Titelseiten war die Figur der Lara Croft, die ihre Existenz als unbesiegbare Kämpferin im Computerspiel Tomb Raider begann und daraufhin von der Schauspielerin Angelina Jolie verkörpert im traditionell hergestellten Spielfilm weiterlebte (cf. Gunzenhäuser 2005). 3 Zeichenprozesse digitaler Filmbilder 231 Etwas weniger prominent als Lara Croft ist Aki, Protagonistin des digital produzierten Films Final Fantasy (2001), die aus einem japanischen Konsolenspiel ebenfalls in den Film überwechselte: Im Gegensatz zu Lara Croft allerdings nicht mittels einer Schauspielerin, sondern als ausschließlich digitales Geschöpf. Fassen wir diese Beispiele zusammen, wird deutlich, dass wir es mit drei unterschiedlichen Formen der digitalen Filmproduktion zu tun haben, die jede für sich an speziell ausgeprägten Zeichensystemen bzw. Diskursen partizipieren: Die erste und größte Gruppe der intermedial fungierenden, analog-digitalen Hybride setzt digitale Bildbearbeitung partiell im Rahmen traditioneller filmischer Fiktion ein. Zumeist perfektioniert die digitale Bildgestaltung hier das Illusionsprinzip des Hollywoodfilms, sei es in der immer realistischeren Ausgestaltung von Dinosauriern und ähnlichen Monstern oder dem - weniger spektakulären - Auffüllen von Kevin Kostners real sich lichtendem Haupthaar. Theoretisch gesprochen zielt die digitale Bildgestaltung in diesen Fällen auf eine möglichst realistische Wirkung und damit auf die Referentialität des filmischen Zeichens, in die sie unausweichlich eingebunden ist. Die zweite Gruppe besteht aus Animationsfilmen, die die Trickfilmgestaltung auf eine digitale Grundlage stellen: Gleich dem klassischen Zeichentrickfilm verweisen die digital animierten Filme auf Comic-Strip Figuren und auf die Bildwelten der Popkultur. Im Fall von Shrek liegt der besondere Reiz der Geschichte auf dem postmodernen Spiel von Pastiche und Parodie von Märchenwelten. Dieser Umstand macht den Film dann auch nicht nur für Kinder interessant. Im Gegensatz zum filmischen Realismus des mainstream-Films besteht hier eine Referentialität, die an Stelle von Mimesis deutlich intertextuelle und intermediale Artefakte setzt. Innerhalb der dritten Gruppe ergibt sich ein komplexeres Referenzverhältnis, da die digitalen Bildwelten die Referentialität eines analog produzierten Films zu imitieren suchen. Das prominenteste Beispiel hierfür ist Final Fantasy, ein ausschließlich digital gestalteter Film. Vorläufer und narrative Grundlage für Final Fantasy stellt ein japanisches Konsolenspiel dar, dessen 10. Fassung inzwischen auch online abrufbar ist. Der Film Final Fantasy kam mit ungeheurem Werbeaufwand als erster animierter realistisch wirkender Film auf den Markt, floppte aber. Final Fantasy gehört sicherlich zu den digital animierten Filmen, auf die Georg Seeßlens Diktum der kalten, seelenlosen Bilder und das von ihnen verursachte “Unwohlseins der Zuschauer” zutrifft. Dieses diffuse Unbehagen angesichts der digitalen Bildgestaltung möchte ich im folgenden filmtheoretisch untersuchen: Im Rahmen der Apparatustheorie von Jean Louis Baudry entsteht die Faszination der Zuschauer durch den Film ebenso wie die Identifikation mit Figuren und Handlung durch die apparative Anordnung: Projektionsmaschinerie, Sitzanordnung, die Verdunkelung des Zuschauerraums und vor allem durch die Projektion der Bilder auf die Leinwand. All dies bewirkt das Erlebnis “Kino” (cf. Baudry 1986): In Baudrys Setting spielen die Unterschiede zwischen analoger und digitaler Filmgestaltung keine Rolle, die Verfahren der Bildproduktion bleiben der Theorie äußerlich. Dieses theoretische Monitum ist jedoch nicht Jean Louis Baudry anzulasten, der seine Apparatustheorie lange vor den Möglichkeiten digitaler Bildgestaltung formulierte. Zentrale Aspekte von Baudrys Überlegungen beziehen sich auf die Konstruktion des zuschauenden Subjekts, welche er analog zu Jacques Lacans Spiegelststadium verortet: In gleicher Weise, wie sich das Kleinkind Lacan zufolge im Spiegel erkennt und sich dadurch als abgetrennt von der Mutter mithilfe des Spiegelbildes als eigene Identität konstituiert, erschafft sich der Zuschauer als schauendes Subjekt angesichts der Leinwand. Angela Krewani 232 Er erkennt sich auf der Leinwand wieder und leistet damit die Identifikation mit den filmischen Figuren. Wie bereits erwähnt, enthält dieses Theoriemodell keine Annahmen hinsichtlich einer möglichen intermedialen Differenz analoger und digitaler Bilder, leistet jedoch in der Beschreibung der apparativen Anordnung ein Modell kinematographischer Wahrnehmung, das auch in zeitgenössischeren Ansätzen übernommen wird. So versucht auf dieser Basis Vivian Sobchack eine detaillierte Reflexion der Differenz zwischen analogem und digitalem Bild aus phänomenologischer Perspektive. Demzufolge strukturiere das analoge Filmbild im Kino das Verhältnis von Zuschauer und Film, wobei das schauende Subjekt in Relation zur Beschaffenheit des Filmbildes erzeugt wird. Der Film mache nicht nur eine objektive Welt sichtbar, sondern generiere den Prozess des Sehens im Verhältnis zum Körper (cf. Sobchak 1988). Obwohl phänomenologisch argumentiert, findet sich hier ein von der Apparatustheorie nicht sehr verschiedenes Verhältnis von Subjekt und Kino behauptet: Sowohl im eigenen Körpererleben als auch in der Kino-Rezeption wird durch visuelle Erfahrung und die Ausrichtung des Blicks auf ein fiktives Gegenüber das Selbst konstruiert und in ein Wechselverhältnis zum Körper gesetzt. Ihre Betrachtungen über das kinematographische Subjekt fasst Sobchack in einer anthropomorphisierenden Metapher zusammen, die meines Erachtens weniger über das angesprochene Verhältnis aussagt, als eher die beständig zunehmende Verschmelzung von Körper- und Mediendiskursen zu demonstrieren. Der Film macht also nicht allein die objektive Welt sichtbar, sondern darüber hinaus die Struktur und den Prozeß subjektiven Sehens durch einen Körper - wie zuvor es nur jedem Menschen in für andere nicht zugänglicher Weise als ‘seine eigene Erfahrung’ gegeben war. Doch der Film ersetzt nicht einfach das menschliche Sehen durch mechanisches Sehen, er stattet vielmehr das Sichtbarwerden mit der ‘Umkehrstruktur’ menschlichen Sehens aus (das eben gesehen und gesagt werden kann). Daraus ergibt sich neben dem welthaltigen Objekt immer auch ein körperliches Subjekt der Wahrnehmung (Sobchack 1988: 422). Dem solcherart durch das Kino konstruierten Subjekt stellt Sobchack das Subjekt des digitalen Bildes gegenüber, das sich angeblich von dem kinematographischen grundlegend unterscheidet. Dabei verweist sie auf Wiedergabetechnologien wie den Videorekorder und Videokassetten, Personal Computer und Videospiele sowie schließlich das Medium Fernsehen mit unterschiedlichen Dispositiven und andersgearteten institutionellen, apparativen und semiotischen Strukturen. Diese alle schlössen sich zu einem Interface zusammen und verkörperten für den Zuschauer einen externen Raum, der ihm äußerlich bliebe und sie generierten keine raumzeitliche Einbezogenheit von Welt. Damit entstünde ein Simulationssystem ohne Referentialität, dessen Referenzcharakter einer des intertextuellen Verhältnisses sei. Mit der fehlenden Materialität des Bildes sowie dem fehlenden Einbezug des Körpers würden Sinn, Geschichte und Körpererleben ausgeschaltet (cf. Sobchack 1988: 425f.). Als sei die traditionelle Filmproduktion und -rezeption ein für allemal an das Kino gebunden und die digitale an Video, Fernsehen und Computer. Eine idealtypische Fixierung, die außer Acht lässt, dass Filme schon seit Jahrzehnten nicht mehr ausschließlich für das Kino, sondern auch für das Fernsehen und den Video/ DVD Markt produziert werden, um eine optimale ökonomische Verwendung zu ermöglichen. Außerdem berücksichtigt Sobchack nicht, dass Digitaltechnologien zunehmend auch in traditionell filmischen Verfahren eingesetzt sind und damit in einem grundsätzlich intermedialen Austauschverhältnis stehen. Zeichenprozesse digitaler Filmbilder 233 Abgesehen von der Disparität der Vergleichskategorien lässt sich Sobchacks Argument dahingehend zusammenfassen, dass sie die fehlende Materialität digitaler Bildgestaltung moniert und hieraus erhebliche Schlüsse für die Rezeption digitaler Bilder zieht: Diese können ihrer Ansicht nach das komplexe Austauschverhältnis von Subjekt und Erfahrung nicht mehr gewährleisten. Ähnlich apodiktisch äußert sich Gilles Deleuze in seiner ebenfalls phänomenologisch konzipierten Filmtheorie, die er an der Genese der Bilder in Bezug auf Bewegung und Zeit ausrichtet. Fast beiläufig merkt Deleuze an, die digitalen Bilder seien der Tod des Kinos, da diese Bilder kein Äußeres mehr hätten und in kein Ganzes mehr eingingen. Sie seien lediglich Teil einer fortlaufenden Reproduktion, bei der ein neues Bild aus einem beliebigen Punkt des vorhergehenden Bildes entstehen könne (cf. Deleuze 1991). Offensichtlich moniert Deleuze in seiner kurzen Bemerkung das Fehlen der Zeitstruktur digitaler Bilder ebenso wie das Ausbleiben von Materialität. Das sind Aspekte, die sich auf die aus dem Filmbild generierte Wahrnehmung beziehen. Drücken die komplexen, phänomenologisch gefärbten Reflexionen damit einen Sachverhalt aus, den Seeßlen knapp mit “Unbehagen” (Seeßlen 1998: 104) an digitalen Bildern umschreibt? Die Phänomenologie kann hinsichtlich der Beschaffenheit des digitalen Bildes keine Antwort geben, da sie Begriffe wie Wahrnehmung, Subjekt, Raum und Zeit an materiale Eigenschaften knüpft, ohne die Vorbedingungen der Verküpfungsverhältnisse weiter zu untersuchen. Zusätzlich findet sich keine Reflexion auf das digitale Bild in gleichbleibender apparativer Anordnung. Ein Beispiel für die oben angesprochene Verwechslung cinematographischer Kodes mit Referentialität bzw. “Wirklichkeitsbezug” stellt der japanisch produzierte Film Final Fantasy dar. Er fand seinen Weg aus einem japanischen Konsolenspiel in die Kinos, wobei im Rahmen der Filmproduktion auf die besondere “Natürlichkeit” der Figuren Wert gelegt wurde. Meines Erachtens kann Final Fantasy den seitens phänomenologischer Ansätze formulierten Ansprüchen von Referentialität bzw. Authentizität der Zeichen nicht erfüllen, da die filmischen Zeichen auf ein unterschiedliches diskursives Umfeld verweisen, in dem Elemente wie Zeit und Raum divergent verhandelt werden. Final Fantasy partizipiert vehement an Manga Traditionen, die innerhalb der japanischen Kultur so nachhaltig verankert sind, dass deren Darstellungskonventionen teilweise bis in den japanischen Holzschnitt und die japanischen Tuschezeichnungen zurückgeführt werden können. Im zeitgenössischen Japan finden Mangas als Comiczeichnungen und Animes als deren bewegte Realisierungen einen großen Zulauf. Und anscheinend kommt es den Japanern nicht in den Sinn, fehlende “Authentizität” oder fehlenden Realismus der Bilder zu beklagen. Da es leider methodisch nicht möglich ist, Aussagen über den referentiellen Stellenwert japanischer Bilder zu machen muss zu einer Spekulation über eine dem Westen divergiernde symbolische kulturelle Organisation gegriffen werden. Roland Barthes Essaysammlung Das Reich der Zeichen (Barthes 1981) unternimmt den Versuch, angeregt von der Kultur Japans über einen - in Bezug auf seine Referentialität - unterschiedlichen Stellenwert des Zeichens zu sprechen: Am Beispiel des japanischen Theaters unternimmt Barthes ausgedehnte Reflexionen über den andersgearteten Stellenwert des japanischen Zeichens. Im Gegensatz zum europäischen Theater dessen Funktion Barthes in der Manifestationen von Affekten sieht, steht für ihn das japanische Theater in einer Tradition der Leere: Es sei dahingehend angelegt, die Leere hinter den Zeichen an deren Oberfläche zu transportieren und damit jegliche Form der Innerlichkeit und Metaphysik zu vermeiden. Angela Krewani 234 Verbannt wird von der Bühne die Hysterie, das heißt, das Theater schlechthin; an deren Stelle tritt die Handlung, die zur Produktion des Schauspiels notwendig ist: die Arbeit tritt an die Stelle der Innerlichkeit (Barthes 1981: 48). Im Rahmen einer medientheoretischen Reflexion digitaler Filmbilder ließen sich an Barthes Beobachtungen die allgemeineren Bemerkungen Georg Seeßlens über das Unwohlsein der Zuschauer angesichts der digitalen Bilder spezifizieren in der Frage nach den inneren Strukturen des visuellen Zeichens. Impliziert werden Zeichen mit andersgeartetem Innenleben, auf die Projektionen wie Innerlichkeit, Realität oder Authentizität nicht mehr vorgenommen werden können. Zur weiteren Konturierung der inneren Struktur visueller Zeichen soll im folgenden zurückgegriffen werden auf Julia Kristevas Theorie der poetischen Sprache, innerhalb derer sie einen differenzierenden Blick auf die strukturellen Eigenschaften des sprachlichen Zeichens und dessen Stellenwert in der Subjektkonstituierung legt (cf. Kristeva 1978). Die Übertragung eines Konzepts, das sich auf das sprachliche Zeichen bezieht, scheint mir angesichts filmtheoretischer Traditionen, die den Zeichencharakter des filmischen Bildes betonen und von daher schon die Transformation geleistet haben, fürs erste unproblematisch. Denn es handelt sich hier nicht um literaturwissenschaftliche Verfahrensweisen, die unreflektiert auf filmisches Erzählen übertragen werden, sondern es geht um eine Analyse des Zustandekommens textueller und visueller Zeichen vor ihrer Einbindung in mediale Strukturen: Geklärt werden soll, sozusagen vor seinem pragmatischen Gebrauch, der Stellenwert des Zeichens im Wechselspiel von Bedeutung und psychischer Struktur. In diesem Kontext bietet Julia Kristevas Theorie der poetischen Sprache ein Modell für das Verhältnis von innerer, intermedialer Struktur des digitalen Bilds und subjektiver Rezeption an. Kristevas Ausgangsbasis ist ähnlich wie in der Apparatustheorie und einer Vielzahl weiterer filmtheoretischer Diskurse der von Jacques Lacan formulierte Prozess des menschlichen Spracherwerbs. Nachfolgend auf das Spiegelstadium, in dem das Kleinkind sich als eine von der Mutter abgetrennte Identität begreift, kann das Kind nicht mehr in die ersehnte Einheit mit der Mutter zurückkehren, da sich im Rahmen des Ödipuskomplexes der verbietende Vater zwischen Mutter und Kind schiebt. Innerhalb dieses Modells wird das Kind, welches für sein Begehren nach der Einheit mit der Mutter einen Ausdruck finden muss, an die Sprache verwiesen, die für nun an Statthalter seines Begehrens wird. Kristeva greift auf dieses von Lacan entwickelte Modell der Subjektwerdung und dessen Verknüpfung von Psychoanalyse und Linguistik zurück: Gerade die von Lacan vorgenommene Koppelung von Subjektwerdung und Spracherwerb ermöglicht eine differenzierte Betrachtung der diesen Prozess strukturierenden Charakteristika des sprachlichen Zeichens. Das sprachliche Zeichen tritt genau an dem Bruch auf, an welchem das Subjekt nicht zurück kann in die Einheit mit der Mutter, sondern sich eines Symbols für sein Begehren bemächtigen muss, das außerhalb seiner selbst liegt: des Symbols der Sprache. In der von Kristeva geprägten Begrifflichkeit steht die semiotische Chora für die präödipalen Affekte des Subjekts vor seinem Eintritt in das Spiegelstadium. Der verwirrend gewählte Begriff semiotische Chora bezeichnet demnach die körperlichen bzw. materialen Aspekte des Zeichens wie z.B. Lautlichkeit oder Intonation, die in einem intermedialen Spannungsverhältnis stehen. Sie sind Ausdruck der energetischen Einheit mit der Mutter vor der Subjektwerdung. Demgegenüber steht die symbolische Ordnung (die auch eine soziale ist) als strukturierende Instanz außerhalb des Subjekts, die sich das Subjekt jedoch aneignen muss - um sprechendes, reflektierendes Subjekt zu werden und nicht in einer schizophrenen Imaginationswelt zu verharren. Der Sprache fällt in diesem Prozess die Rolle zu, die vorsprachlichen Zeichenprozesse digitaler Filmbilder 235 Energien der semiotischen Chora an die ordnende Kraft des Symbolischen zu überweisen. Dieser Transfer wird von dem Thetischen geleistet, das Bahnungen in die Chora schlägt, um solcherart die unstrukturierten Energien an das Symbolische zu binden. Damit besteht das Symbolische, also das sprachliche Zeichen, nicht ausschließlich aus Abstraktionen, sondern die vorsymbolische Chora ist dem sprachliche Zeichen inhärent und erscheint als “materialer” Aspekt des Zeichens in Form von Lauten, Brüchen, Schwingungen, Ausrufen und Lautzeichen. In Bezug auf Spielarten der Intermedialität könnte diese inneren Prozesse des Zeichens schon als intermedialer Austausch unterschiedlicher Materialitäten aufgefasst werden. Übertragen wir diese Annahmen auf das analoge filmische Zeichen, wird deutlich, dass diesem ebenfalls materiale Eigenschaften anhaften. Als Materialität des filmischen Zeichens, welche sich auf die Seite des Symbolischen retten konnte, erscheinen in erster Linie Aspekte der traditionellen Verarbeitung von Film, wie die Arbeit der Cutter mit dem Filmmaterial, es sind die Kleb, Such-, Einsortier-, Umsortier- und Aussortierarbeiten am Zelluloid. Weitere materiale Aspekte finden sich in den Pausen, Verzögerungen, Stockungen, den Verfahren des Umkopierens. Hinzu kommt die Körperlichkeit der Schauspieler, die Belichtung auf das Filmmaterial, die visuelle Lichtgestaltung sowie die Kameraarbeit. Solcherarten gestützt kann das filmische Zeichen seine Arbeit im Symbolischen leisten und Charakteristika wie Referentialität, Authentizität oder Realität vermitteln. Die Stabilität des filmischen Zeichens ergibt sich aus der starken thetischen Bindung der semiotischen Chora an die symbolische Funktion. Demgegenüber lässt sich nicht genau sagen, worin die materialen Aspekte des filmischen Zeichens bestehen, da es ausschließlich errechnet ist. In Bezug auf die digitale Filmproduktion kann festgestellt werden, dass eine Vielzahl digitaler Filme aus einer Mischform von analogen und digitalen Filmbildern besteht. Hier liegt demnach ein intermediales Spannungsverhältnis vor, das auf die Transformationsinstanzen zwischen analogen und digitalen Bildern hin befragt werden muss. Ausgehend von Überlegungen zur Intermedialität möchte ich diese als transformative Energie innerhalb hybrider Medienformen definieren. Intermedialität in diesem Sinne leitet sich ab von dem von Kristeva eingeführten Begriff der ‘Intertextualität’, welcher ebenfalls die innere Dynamik von Zeichenprozessen benennt. Der Terminus Intertextualität bezeichnet eine solche Transposition eines Zeichensystems (oder mehrerer) in ein anderes; doch wurde der Terminus häufig in dem banalen Sinne von “Quellenkritik” verstanden, weswegen wir ihm den der Transposition vorziehen; er hat den Vorteil, daß er die Dringlichkeit einer Neuartikulation des Thetischen beim Übergang von einem Zeichensystem zu einem anderen unterstreicht. Wenn man einmal davon ausgeht, daß jede signifikante Praxis das Transpositionsfeld verschiedener Zeichensysteme ist (Intertextualität), dann versteht man auch, daß ihr Aussage’ort’ und ihr denotierter Gegenstand nie einzig, erfüllt und identisch mit sich selbst sind, sondern pluralisch, aufgesplittert […] (Kristeva 1978: 69). Angesichts dieser Überlegungen kann deutlich werden, dass wir es bei den hybriden filmischen Mischformen mit einer Vielfalt von Zeichensystemen zu tun haben, die in einem gegenseitigen intermedialen Verhältnis stehen: In bezug auf das digitale Zeichen würde ich gerne den Prozeß näher beleuchten, den Kristeva als “Neurartikulation des Thetischen” bezeichnet. Kristeva zufolge organisiert das Thetische die symbolische Ordnung, deren Schichtungen und deren Modalitäten. Das Thetische kann demnach als Transformationsinstanz von ungeordneter semiotischer chora in die Ordnungen des Symbolischen verstanden werden: Angela Krewani 236 Allerdings ist das Thetische Kristeva zufolge gefährdet durch die Anstürme der semiotischen Chora, insbesondere bei der poetischen Sprache. Ausgegangen werden kann von dem Umstand, dass das Thetische aufgrund seiner labilen Position zwischen der semiotischen Chora und dem Symbolischen nicht immer den Anstürmen der Chora gewachsen ist. Das filmische Zeichen im analog produzierten Film kann aufgrund seiner vom Thetischen her gesteuerten Materialität seine semiotischen Anteile ins Symbolische überführen und deshalb Referentialität aufrechterhalten. Im Grunde ist hier ein Vorgang angesprochen, der seitens der phänomenologisch ausgerichteten Filmtheorie als Performanz der Wahrnehmungs- und Aussdrucksstruktur des Körpers formuliert wird und der davon ausgeht, wie es gerade bei Vivian Sobchack deutlich wird, dass sich durch den analogen Film und das damit einhergehende Dispositiv eine Wechselwirkung von Rezeption und körperlicher Affinität einstellt. 4 Da das digitale Zeichen meines Erachtens einen geringern materialen Bestandteil besitzt, der sich durch das Thetische aus der semiotischen Chora heraus an das Symbolische überführen ließe, fällt die Übertragung ins Symbolische deutlich instabil aus, da das Thetische aufgrund fehlender Materialitäten keine Bahnen der Übertragung ausbilden kann. Wir haben es also mit einem höchst instabilen filmischen Zeichen zu tun, dessen Halt im Symbolischen sehr schwach ist. Diese Schwäche im Symbolische manifestiert sich im Film auf der Bildebene. Mit Kristeva gesprochen unterwandert die semiotische Chora die visuell organisierte Rückbindung des Subjekts an sein Spiegelbild: Analog dazu demontiert das wenig stabile digitale Zeichen den Bezug auf Referentialität und dekonstruiert die Mimesis zugunsten eines Einstiegs in das “Fantastische”. Es entstehen Figurationen, die gerade die Einheit des Subjekts vor dem Spiegel, d.h. das Subjekt als eigenständiger, in seinen Grenzen definierter und distanzierter Körper mit klarer Materialität, zutiefst konterkarieren. Die instabile Position des digitalen Zeichens kann - muss nicht - innerhalb der filmischen Erzählung integriert werden. Ein Beispiel hierfür ist die Figur des T 1000 im Terminator II, der einen digital animierten Cyborg aus Flüssigkristallen darstellt. Die Herstellung des T 1000 verdankt sich einem Verfahren, das sich Morphing nennt und die stufenlose Veränderung von Gestalten und Objekten ermöglicht. Im Verlauf des Films unterliegt der T 1000 seinem Widersacher und löst sich, ausführlich von Schnitt und Kamera inszeniert, auf. Ich lese die Auflösung der Figur innerhalb einer traditionellen Narration als intermediale Unmöglichkeit der Verarbeitung digitaler Bilder in traditionellen filmischen Kontexten. Angesichts dieser Beispiele kristallisiert sich die These heraus, dass das Thetische im digitalen Zeichen den Angriffen der semiotische Chora nicht standhalten kann und dass von daher die Instabilität des Subjekts und dessen äußerer Formen auf mimetischer Ebene verhandelt werden. Positiv formuliert: Das digitale Bild ist nicht auf Abbildung programmiert wie das analoge Bild und verweigert damit die Mimesis, ähnlich wie die poetische Sprache. Meines Erachtens wird an vorgeführten Beispielen deutlich, dass die digitalen Zeichen im Rahmen eines auf “Authentizität” bzw. “Realismus” ausgerichteten filmischen Diskurses den mimetischen Anspruch der Zeichen nicht aufrechterhalten können. Auf der visuellen Ebene manifestiert sich die Schwäche des Symbolischen an Figurationen, die eine einheitliche Körperlichkeit entweder ablehnen wie es bei Final Fantasy der Fall ist oder die wie der T 1000 im Terminator Körperlichkeit aufgrund ihres kristallinen Zustands von vorneweg dementieren. Kristeva konzipiert den Zeichencharakter der “poetischen” Sprache folgendermaßen: Zeichenprozesse digitaler Filmbilder 237 Der Einbruch des Semiotischen in das Symbolische im Rahmen der sogenannten poetischen Praxis hängt vermutlich mit der labilen Position des Thetischen zusammen, das sich in den Grenzen seiner Labilität dennoch zu behaupten weiß (Kristeva 1978: 71). Hier wird ein eindeutiges Wechselverhältnis von symbolischer Stärke des Zeichens bei dessen gleichzeitiger Dekonstruktion beschrieben: Die poetische Sprache zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie die semiotische Chora ins Symbolische derart überführen kann, dass die Energien der semiotischen Chora im Symbolischen erfahrbar bleiben und auf der Oberfläche des Zeichens wieder zu finden sind. Was im Kontext von Julia Kristevas Theorie der poetischen Sprache und angesichts des kurz anskizzierten Beispiels deutlich wird ist ein Zeichenverhältnis, dessen Referentialität zugunsten der Materialität der Sprache zurückgedrängt ist und uns demnach als asyntaktische, agrammatikalische Sprache erscheint: Aufgefangen wird dieser Eindruck allerding durch das Eintreten eines Affekts, der die fehlende Logik der Sprachstruktur mehr als kompensiert. Analog zu den Eigenschaften der poetischen Sprache möchte ich nun in Bezug auf den Film die These wagen, dass das digitale filmische Zeichen aufgrund seiner inneren Struktur dazu angelegt ist, das ästhetische formale Filmexperiment jenseits von Referentialität und kohärenter Narration zu befördern. In Bezug auf die traditionell produzierten Filme kann festgestellt werden, dass auch die eingefügten digitalen Bilder nicht von dem Realismusdiskurs der Filme kontrolliert werden können, und sie diesen durch Verweigerung von deutlich definierter Körperlichkeit und Mimesis aufsprengen. Demgegenüber streben die digitalen Bilder zu einer Experimentalität des Films, die sowohl Mimesis als auch eindeutige Identitäten verweigert. In experimentellen Kontexten wird die symbolische Instabilität des digitalen Zeichens nicht durch Referentialität und narrative Kontinuität zu stabilisieren gesucht, sondern als abstrakte Einheit in die lange Tradition des Experimentalfilms eingebunden. Meines Erachtens ist die digitale Bildgestaltung für den Experimentalfilm prädestiniert, da sie - ähnlich wie die poetische Sprache - in ihrer Ausrichtung auf das Symbolische höchst instabil ist und zur Verweigerung von Identität und Mimesis tendiert, also zu künstlerischen Verfahren einlädt, die unter die Oberfläche mimetischer Diskurse dringen. Und damit steht eine neuerliche Überprüfung filmischer Ästhetiken an. Verglichen mit den benachbarten Künsten wie Malerei, Literatur und Musik wird offensichtlich, wie stark der Film noch in eine darstellende Ästhetik des 19. Jahrhunderts eingebunden ist und bis jetzt noch die Moderne verweigert. Denn seit dem Kubismus hatte die Malerei die illusionistische Abbildung und die Perspektive, die Wiedergabe der Figuren einer Szenen von einem festen Blickwinkel aus, zugunsten der Erforschung von Oberfläche und Material aufgegeben. Der Film dagegen produziert immer noch Bilder und erzählt seine Geschichten aus dem ‘Blickwinkel eines allgegenwärtigen Gottes’. Mit fortschreitender Perfektionierung digitaler Bildgestaltung stehen plötzlich nicht nur Technologien, sondern auch ein Zeichenreservoir zur Verfügung, das Abbildfunktion und Authentizität dementiert und zur Experimentalität drängt. Es bleibt zu erwarten, ob der Film sich angesichts der rasanten Technologien zu einer Erneuerung seiner Beziehung zum Abbild gezwungen sieht - die dekonstruktivistischen Tendenzen im traditionellen Blockbuster sprechen für diese These. Warten wir’s ab. Angela Krewani 238 Literaturangaben Barthes, Roland 1981: Das Reich der Zeichen, Frankfurt am Main: Suhrkamp Baudry, Jean Louis 1986: “Ideological Effects of the Basic Cinematographic Apparatus”, in: Rosen (ed.) 1986: 286-289 Bazin, André 1964: “The Myth of Total Cinema”, in: Bazin 1964: 17-22 Bazin, André 1964: What is Cinema, Berkeley: University of California Press Bolter, Jay David & Richard Grusin 1999: Remediation. Understanding New Media, Cambridge Mass.: The MIT Press Coy, Wolfgang & Martin Warnke & Georg Christoph Tholen (eds.) 2005: Hyperkult II. Zur Ortsbestimmung analoger und Digitaler Medien, Bielefeld: Transcript Cubitt, Sean 1999: “Phalke, Melies, and Special Effecs Today”, in: Wide Angle 21.1 (Jan 1999): 115-130 Deleuze, Gilles 1991: Das Zeit-Bild. 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Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main: Suhrkamp Anmerkungen 1 “We’ve come to appreciate, for example, how many classical Hollywood films were coded through cinematic form […] What’s crucial, as I’ve argued more extensively in Like a Film, is how Metz’s distinction seems to open up the probability that the specialized codes of cinema have themselves become, or always already were, ‘naturalized’ or ‘cultural’. [….] One can recall the futile attempts of Godard’s male protagonist in Breathless to model himself after Bogard (something that had to be accomplished by naturalized procedures of acting, not by digitized programs of morphing” (Murray 1999: 11). 2 Unter Verweis auf David Bordwell “Long lenses for picturesque landscapes, for traffic and urban crowds, for stunts, for chases, for point-of-view shots of distant events, for inserted close-ups of hands and other details; wide angle lenses or interior dialogue scenes, staged in moderate depth and often with racking focus; camera movements that plunge into crowds and arc around central elements to establish depth; everything held together by rapid cutting - if there is a current professional norm of 35mm commercial film style around the world, this synthesis is probably it” (Cubitt 1999: 129) kritisiert Jean Cubitt die Konzentration kritischer und theoretischer Aufmerksamkeit auf einen kanonischen Standard des zeitgenössischen Hollywoodfilms. Zeichenprozesse digitaler Filmbilder 239 3 Mary Flanagan zufolge stellt die digitale Generation von Filmfiguren eine Perfektion des Starsystems dar, da jetzt ohne Rücksicht auf “reale” Person reine personale Projektionsflächen erstellt werden können (Flanagan 1999). 4 Zum Begriff der Performanz cf. Krämer, Sybille 2002: “Sprache - Stimme - Schrift: Sieben Gedanken über Performativität als Medialität”.