eJournals Kodikas/Code 31/3-4

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2008
313-4

Michel Bréal - Grenzüberschreitende Signaturen. Herausgegeben von Hans W. Giessen, Heinz-Helmut Lüger & Günther Volz. Landau: Verlag Empirische Pädagogik 2007. 412 S., ISBN 978-3-937333-63-2

121
2008
Ignace Djama Allaba
kod313-40356
Reviews 356 viele Tatsachen haben wir bislang gar keine Erklärungen. Wir kennen keine physikalischen Gründe für den Urknall, wissen nichts über die “dunkle Energie”, welche die Ausdehnung des Weltalls beschleunigt, und haben keine Ahnung, warum die Zeit nur in einer Richtung verläuft. Unter dem Titel “Der Zeitpfeil und die Entropie” erklärt T HOMAS R ICHTER , “Warum der Kaffee kalt und der Schreibtisch unordentlich wird”. Dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zufolge nimmt die Entropie in einem geschlossenen System nie ab. Der Terminus “Entropie” wurde unabhängig voneinander in Wärmelehre und Informationstheorie definiert, und erst Ludwig Boltzmann führte die beiden Ansätze zusammen. Während sich auf der Ebene der klassischen Mechanik die Richtung von Prozessen widerspruchsfrei umkehren lässt, ist es in der Thermodynamik nicht mehr sinnvoll, über einzelne Teilchen zu sprechen. Durch ein virtuelles Experiment lässt sich belegen, dass bereits minimale Änderungen einer Konstellation dazu führen, dass bei einem “Rückwärtslauf” nie mehr die Anfangslage erreicht wird. Da die Anzahl von Konstellationen endlich ist, entsteht zwar theoretisch irgendwann auch wieder der Anfangszustand (“Wiedereinkehreinwand”), faktisch ist aber die Zahl der Möglichkeiten so hoch, dass die benötigte Zeit die geschätzte Dauer des Weltalls überstiege. Lebewesen können nur deshalb lokal die Entropie verringern (also Kaffee kochen oder ihren Schreibtisch aufräumen), weil die Erde kein isoliertes System ist. Wir nutzen die Entropiedifferenz der Sonne gegenüber dem Weltall, letztlich also den Entropievorrat, der beim Urknall entstanden ist. “Tradierung von Wissen setzt Haltbarkeit von Information voraus” ist die Kernthese von K LAUS K ORNWACHS . Unser Wissen über frühere Kulturen stammt überwiegend aus schriftlichen Zeugnissen. Umgekehrt müssen wir künftigen Generationen nicht nur die Kontexte für Dokumente überliefern, sondern sie auch über bleibende Gefahren informieren, etwa Lagerstätten von radioaktivem Abfall, Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen, Landminen und Weltraumschrott. Soll Wissen über viele Generationen tradiert werden, so wird die Lebensdauer der Datenträger zum entscheidenden Aspekt. Zumindest langlebige Wissensarten wie Erklärungs- und Grundlagenwissen erfordern eine Tradierung des heutigen Wissens und somit brauchbare Kopiermöglichkeiten vom Abschreiben bis zur digitalen Kopie. Die Tabellen zeigen, dass die Dokumente im Laufe der Geschichte zugleich immer zahlreicher als auch immer kurzlebiger wurden. Während Steintafeln (bis 10.000 Jahre) und Papyri (etwa 2.000 Jahre) zwar mühsam herzustellen aber sehr dauerhaft sind, bleiben heutige Datenträger wie Papier, CD und Chip nur wenige Jahrzehnte lang haltbar bzw. lesbar - lediglich die Stahlplatte der Voyager-Sonde soll im Vakuum eine Million Jahre überdauern und das Wissen über uns in die Tiefen des Weltalls tragen. R EINHARD K RÜGER untersucht “Unendlichkeit und Kosmos in Spätantike und Mittelalter. Die Grundlagen des mittelalterlichen Zeitbegriffs und der Zeitvorstellung”. Vor allem Alexandre Koyré prägte die Vorstellung, das Mittelalter habe die Kugelgestalt der Erde nicht gekannt und das Weltall als begrenzt aufgefasst, so dass Giordano Brunos Behauptung eines unendlichen Alls eine echte Denkwende der Renaissance ausgelöst hätte. Krügers Quellenanalysen zufolge lassen sich jedoch Beschreibungen eines unendlichen sphärischen Alls bis in die Antike zurückverfolgen. Schon in der aus dem zweiten Jahrhundert stammenden Textsammlung Corpus Hermeticum wird ein grenzenloser Flug durch kosmische Sphären beschrieben, wie ihn Bruno sehr viel später als eigene originelle Leistung darstellt. Man kann nachzeichnen, dass die vermeintlich erst neuzeitliche Kosmologie - also ein grenzenloser Kosmos und eine im Vergleich dazu winzige Erde - zu Brunos Zeit bereits eine lange Denktradition hatte, so dass sie keineswegs eine tiefe Bestürzung auslösen konnte. Auch Freuds spätere Behauptung, die Kopernikanische Wende sei eine der drei großen narzisstischen Kränkungen des Menschen, spiegelt darum kaum das Erleben von Brunos Zeitgenossen wider. Unter dem Titel “Zeitempfinden” bieten S TE - FAN G LASAUER und E RICH S CHNEIDER eine kompakte Übersicht über die experimentellen und theoretischen Forschungen in einem bestimmten Bereich der Zeitwahrnehmung, nämlich dem von Sekunden bis Minuten. Im Alltag müssen wir sehr häufig die Dauer bis zum Eintreten eines Ereignisses abschätzen, etwa wenn wir ein Ei kochen oder auf den Bus warten (= prospektive Reviews 357 Zeitschätzung). Hingegen ist es außerhalb von Laborsituationen selten wichtig, die gerade verstrichene Zeit genau anzugeben (= retrospektive Zeitschätzung). Experimente belegen, dass unsere Zeitwahrnehmung nicht auf einem einfachen Taktgeber beruht, der wie ein Metronom funktioniert. Vielmehr sind mehrere Taktgeber und Gehirnareale beteiligt, etwa das Kleinhirn für die Unterscheidung von Intervallen unter einer Sekunde und der Hippocampus für längere Intervalle. Bei jeder Fortbewegung sind Geschwindigkeit und zurückgelegte Strecke eng verwoben, was sich in Ausdrücken wie “Flugstunde” und “Lichtjahr” niederschlägt. Man postuliert daher einen Mechanismus der “Wegintegration”, der aus Geschwindigkeit und verstrichener Zeit die Wegstrecke berechnet. Folglich scheint die Annahme eines integrierten Raumzeitempfindens den experimentellen Befunden am besten zu entsprechen. S TEPHANIE K ELTER s Untersuchung “Zur mentalen Repräsentation von Geschehen” vergleicht die kognitiven Prozesse bei wahrgenommenem und sprachlich geschildertem Geschehen. Jede Wahrnehmung von Geschehnissen wird automatisch in die Zukunft “hochgerechnet”, entweder aufgrund einer beobachteten Gleichförmigkeit (“Extrapolation”) oder anhand gespeicherten Wissens (“wissensbasierte Antizipation”). Wahrnehmung beinhaltet Prozesse, die den kontinuierlichen Strom des Geschehens sowohl räumlich als auch zeitlich in sinntragende Einheiten gliedern. Dabei wird eine möglichst hohe Ebene angestrebt, so dass wir eine Handlung eher als “Kaffee trinken” beschreiben als durch eine Kette von Einzelhandlungen wie “Tasse ergreifen - zum Mund führen - leicht kippen …”. Wenn wir Beschreibungen von Geschehnissen lesen, treten ganz ähnliche mentale Prozesse auf. Auch hier setzen wir voraus, dass ein “Jetzt” stetig in der Zeit voranrückt und die Reihenfolge der Beschreibungen die Reihenfolge der Ereignisse abbildet. Voraus- und Rückblenden werden relativ zur Erzählzeit interpretiert und bedürfen ebenso wie Sprünge ausdrücklicher Hinweise wie “zwei Tage davor” oder “etwas später”. Ein linguistisch und kognitionswissenschaftlich besonders interessantes Thema sind die sehr unterschiedlichen Weisen, wie die verschiedenen Sprachfamilien mit den Kategorien Raum und Zeit umgehen. H ANS -F RIEDEMANN R ICHTER beginnt seinen Beitrag “Zeit in der althebräischen Sprache” mit einem Vergleich zwischen indogermanischen und semitischen Sprachen. Englisch verwandelt sich derzeit zügig von einer flektierenden zu einer isolierenden Sprache, in der die Lesart einer Äußerung durch Modalverben und Wortstellung festgelegt wird. Der Wechsel des Vokals bei gleichem Stamm wird im Deutschen immer seltener benutzt (vgl. etwa “backte” und “buk”), während er im Hebräischen weiterhin wichtig ist. Biblische Aussagen können nur dann angemessen in heutige indogermanische Sprachen übersetzt werden, wenn man sowohl den damaligen Sprachgebrauch als auch die unterschiedlichen Entwicklungen der beiden Sprachfamilien berücksichtigt. Im Gegensatz zu unseren eigenen kulturspezifischen Intuitionen kann man etwa im biblischen Hebräisch auch in der Zukunft das Perfekt gebrauchen, insofern das Eintreten eines Ereignisses jenseits aller Zweifel feststeht. Folglich werden Weissagungen über künftige Handlungen Gottes vorzugsweise in diesem “perfectum propheticum” ausgedrückt. A RNOLD G ROH analysiert “Kulturspezifische Zeitstrukturen” auf der Basis von Feldforschungen in Südostasien und Westafrika. Die zunehmende Globalisierung bewirkt für große Teile der Menschheit einen kulturellen Umbruch, der traditionelle Lebensformen auflöst. Insbesondere die Zeiteinteilung ändert sich grundlegend, denn an die Stelle natürlicher Rhythmen wie dem Einbringen reifer Feldfrüchte tritt der von der Uhrzeit bestimmte Tagesablauf der industriellen Kultur. In indigenen Kulturen nehmen die zum Lebensunterhalt nötigen Arbeiten oft nur vier Stunden täglich ein. Während pflanzliche Nahrung täglich gesammelt wird, dauern Jagdzüge länger und werden nur bei Bedarf unternommen. In jedem Fall ist der Einzelne eingebunden in eine soziale Gruppe gleichwertiger Mitglieder. In elaborierteren Gesellschaften hingegen arbeitet der Einzelne oft alleine und die Entscheidungen werden innerhalb einer Hierarchiestruktur gefällt. Schätzungen zufolge werden von den derzeit rund 7.000 Kulturen rund 90% in den nächsten 100 Jahren aussterben. Um zumindest deren kulturelles Wissen zu bewahren, sind längerfristige Reviews 358 Feldforschungen unverzichtbar. Diese sollten teilnehmend und minimal invasiv sein, es also vermeiden, dass durch “mitgebrachte” Kulturelemente wie industriell erzeugte Kleidung der Zerfall von Sozialstrukturen weiter beschleunigt wird. S WANTJE E HLERS bringt dem Leser “Zeitzeichen in der modernen Phantastik” nahe. Die phantastische Literatur hatte ihre Blütezeit in der Romantik und arbeitet mit Motiven, die der Alltagsvernunft widersprechen und daher existentiell bedrohlich sind, etwa Verwandlungen, Spaltungen, Doppelgänger und die Wiederkehr von Toten. Auch Raum, Zeit und Kausalität als Ordnungskategorien der erzählenden Literatur werden durchbrochen, nämlich durch Zeitsprünge, Zeitreisen und andere Anomalien. Das Zwei- Welten-Konzept von Solov’ev und Todorov erlaubt es, solche kognitiven Brüche genauer zu beschreiben. Detailanalysen von zwei Romanen illustrieren, welche Probleme beim Leben in zwei Zeiträumen und insbesondere bei den Grenzüberschreitungen auftreten können. Die Heldin von Stephanie und das vorige Leben (Herbert Rosendorfer) wird für mehrere Monate in das Jahr 1761 rückversetzt, nimmt aber ihr gegenwärtiges Wissen dorthin mit. In Hannelore Valencaks Das Fenster zum Sommer wird die Protagonistin Ursula nur wenige Wochen rückversetzt, ihr neues Leben nimmt aber einen anderen Verlauf, weil Ursula die Zukunft ein Stück weit kennt, zu wiederholen versucht und gerade dadurch verändert. M ADELEINE C OHEN leitet ihre “Zeitbilder in den letzten Liedern Itzik Mangers” mit der Gedichtzeile “Ich singe den Gesang vom Sonnenuntergang” ein und vergleicht zwei Gedichte, die fast 40 Jahre auseinander liegen. Der jiddische Dichter Manger (1901-1969) veröffentlichte sein frühes Gedicht “Lid” 1929 in der Sammlung Stern afn Dach (Sterne auf dem Dach). Es setzt Sonnenuntergang und Einbruch der Nacht parallel zum Ausbruch des Krieges, wobei sich die Hoffnungslosigkeit und das Entsetzen durch die Strophen immer mehr steigern. Zwar wollte Manger, dass alle Gedichte Lieder sind, aber da hier der schreckliche Inhalt in die Form eingeht, kann auch sie nur ungeordnet und fragmentarisch bleiben. Die 1967 erschienene Gedichtsammlung Stern in stoib (Sterne im Staub) stellt schon durch den parallelen Titel klar, dass sie als schließende Klammer eines Lebenswerkes gemeint ist. Mittlerweile aber fanden der Holocaust und der Untergang des osteuropäischen Judentums statt und die Sterne sind aus der Höhe in den Staub gefallen. Das Gedicht “Owntlid” (Abendlied) ist auch formal ein wirkliches Lied, das in stillen Bildern einen Abend festzuhalten versucht. Winzige Zeitfragmente wie das Murmeln eines Gebets und das Flügelzittern eines Schmetterlings werden für die Zukunft aufbewahrt und können so in jedem neuen Vortrag des Textes erinnert werden. Abschließend untersucht G ALILI S HAHAR den Zusammenhang von “ Zeit und Wunden”. Wunden und spätere Narben dienen in der Weltliteratur häufig als Zeichen für zeitliche Phänomene. Als Odysseus in Verkleidung heimkehrt, erkennt ihn nur seine Amme anhand einer Narbe am Fuß wieder, und während er mit ihr spricht, öffnet sich die Wunde erneut. Die Rückblende in der Erzählung spiegelt sich also im Wiederaufflackern eines früheren körperlichen Zustandes. Die jüdische Beschneidung, von Freud psychoanalytisch als “symbolischer Ersatz der Kastration” gedeutet, stellt absichtlich eine Wunde her, die den Menschen aus der Welt der Triebe herausführen soll und einen Bund mit Gott begründet. Folgerichtig erhält der Säugling bei diesem Ritual seinen Namen. Während alltägliche Wunden oft heilen, ihre Narben verblassen und sie schließlich vergessen werden, vermögen dauerhafte Stigmata die Erinnerung lebendig zu halten. Die Wundmale Christi wurden zu Zeichen des Heiligen und beeinflussten zahlreiche spätere Darstellungen. Zum Beispiel ist die unheilbare Wunde des Königs Amfortas im Parsifal-Mythos ebenso ein Zeichen heiligen Leidens wie die Wunde in Kafkas Erzählung Der Landarzt. Der Leser des Sammelbandes gewinnt einen sehr aufschlussreichen Überblick über viele Facetten der Zeit, wobei sich der Bogen von physikalischen Grundlagen über neuronale Verarbeitungsprozesse und die Kniffe der Zeitmanipulation in Romanen bis zu theologischen Aspekten spannt. Der Vergleich der Beiträge illustriert einprägsam, wie unterschiedlich stark Wissenschaftler darauf abzielen, sich gebildeten Laien ver- Reviews 359 ständlich zu machen. Aus Lesersicht wäre die durchgehende Beherzigung von zwei einfachen Regeln wünschenswert, nämlich - Je komplexer die Sachverhalte, desto einfacher die beschreibende Sprache. - Je mehr unverzichtbare Fachausdrücke, desto weniger überflüssige Fremdwörter. Vorbildlich gelingt es etwa Gumlich und Richter, sehr abstrakte physikalische Zusammenhänge amüsant und in griffigen Vergleichen zu beschreiben. In einigen anderen Artikeln hingegen ist der Satzbau mitunter unnötig verwickelt und dem Leser wird eine Menge Fachterminologie zugemutet. Ein recht ärgerliches Zeitzeichen ist leider das Wirken des Trennungsprogramms, das durchaus originell mit Fremdwörtern umgeht, etwa “mik-roskopisch” (51), “Ent-ropie” (53, 60, 64), “rep-räsentiert” (132), “Ext-rapolation” (137), “Kast-ration” (207) und “Portrait”. Dagmar Schmauks Ulrich Namislow: Reizwörterbuch. Für Wortschatzsucher. Mit einem Nachwort von Elke Donalies. Obernburg a.M.: Logo-Verlag 2008, 104 Seiten, ISBN 978-3-939462-07-1 In der Zeit als das Denken noch geholfen hat und die Menschen keine Handys, Fernseher und Computer hatten, spielten sie an Regentagen und langen dunklen Abenden vielerlei Spiele, für die man gar keine Elektrizität brauchte. Eines hieß “Wortkette” und hatte ganz einfache Regeln: - der erste Spieler sagt ein zusammengesetztes Wort, etwa “Zitroneneis”, - der nächste nimmt den zweiten Teil des genannten Wortes als ersten Teil eines neuen Wortes, etwa “Eiskeller” und - der dritte macht genauso weiter, etwa mit “Kellerfenster”. Dieses Spiel beruht darauf, dass man im Deutschen auf vielerlei Arten zusammengesetzte Wörter bilden kann. Beispiele wie “Kellerfenster” sind die einfachsten, denn hier werden die Teile - “Fenster im Keller” - nur aneinander gefügt. Die Werbung bevorzugt raffiniertere Zusammensetzungen, die den Blick des Betrachters fesseln und sich gut einprägen; man denke an <Kurlaub = Kur + Urlaub> und <Grusical = Gruseln + Musical>. In solchen Beispielen werden also die doppelt vorhandenen Buchstabenfolgen getilgt. Demgegenüber ist das süffisante Schimpfwort “Akadämliker” nur ein Kalauer, denn “Akademiker” und “dämlich” wurden in ihm recht willkürlich verschraubt - was aber die Wirkung nicht abschwächt. Für die Linguistik sind korrekte Verschmelzungen eine Spielart der sog. “Kofferwörter”: So wie ein Koffer verschiedene Gegenstände enthält, werden hier verschiedene Wörter zusammengepackt. Fachausdrücke sind etwa “Kontaminate”, “Amalgamierung”, “Portmanteau-Wörter” oder “haplologische Wortüberschneidung”. Elke Donalies stellt in ihrem Nachwort an griffigen Beispielen dar, wie man Kofferwörter bilden und feiner gliedern kann. Manchmal werden sie mit anderen Neuschöpfungen verwechselt, vor allem mit Akronymen wie <Milka = Milch + Kakao> sowie mit Verballhornungen vorhandener Wendungen - etwa die Bezeichnung des Papstes als “Global Prayer”. Kofferwörter im engeren Sinn bestehen aus zwei Wörtern, die sich “zusammenschieben” lassen, weil das Ende des ersten und der Anfang des zweiten identisch sind. Eine Werbekampagne der Post kombinierte vor Jahren Ortsnamen, um die verbindende Wirkung von Briefen sprachlich abzubilden. Innerdeutsche Beispiele wären “Wiesbadenweiler” und “Offenburghausen”, internationale “Amsterdamaskus” und “Bamakoblenz”. In den interessantesten Fällen sind die beiden Teile eines Kofferwortes inhaltlich auf vertrackte Weise verbunden. So bietet Michael Lohde in seinem Lehrbuch Wortbildung des modernen Deutsch dem Leser durch “Formularifari” (2006: 44) einen treffenden Ausdruck, um den dumpfen Groll bei der Steuererklärung auszudrücken. Der Wörterbuchverlag Pons vergibt jährlich den Medienpreis PonsPons für kreative Wortschöpfungen von Journalisten, darunter 2004 <Charismakler = Charisma + Makler> und <Powerpointillismus = Powerpoint + Pointillismus>.