eJournals Kodikas/Code 38/3-4

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2015
383-4

Berührungstabus

121
2015
Ulrike Lynn
kod383-40227
K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 38 (2015) · No. 3-4 Gunter Narr Verlag Tübingen Berührungstabus Der Körper als Medium für ritualisierte Handlungen Ulrike Lynn (Chemnitz) In order to focus on the body as a medium for symbolic actions, in this case ritualized physical contact, it is important to examine both the symbolism of rituals and the function of the body as a ritualized medium in general. At the level of expression, every body exhibits a symbolic function. Each body becomes a carrier of signs and an intermediary for the messages being sent. According to Posner (2002), rituals are actions in concert with others that follow strict rules and simultaneously highlight the symbolic character of the behaviour in question. Ritualized actions are specific to a culture and shaped by conventionalized movements. Examples of such actions are simple greeting gestures or institutionalized procedures with legally binding effects. Owing to their conventionality, some ritualized actions can be considered emblematic gestures among which conventionalized contact plays an important role in physical communication. The symbolic nature of the contact can not only be observed in everyday use but also, or even especially, in the forms of contact considered taboo. Not only the physical contact gestures themselves are conventionalized but also their absence can occasionally be understood as a ritualized action. That means that not only the contact in its gestural function is of interest, but also the physical contact taboos of a culture or society because they possess a strong communicative character both in their conventionalized existence and their possibility of breaking taboos. “Es ist, als ob es in der vielschichtigen Sprache der Liebe ein Wort gäbe, das nur von Lippen ausgedrückt werden kann, die von anderen Lippen berührt werden, ein stillschweigender Vertrag, der mit einem Kuss besiegelt wird.” (Ackermann 1991: 142) 1 Einleitung Der Körper als soziales Gebilde steuert die Art und Weise, wie der Körper als physisches Gebilde wahrgenommen wird; und andererseits wird in der (durch soziale Kategorien modifizierten) physischen Wahrnehmung des Körpers eine bestimmte Gesellschaftsauffassung manifest. (Douglas 1974: 99) Die Auswirkung und Bedeutung von Berührungen und physischem Körperkontakt sind für viele Fachbereiche, besonders aber auch für die Sprachwissenschaft zur Analyse kommunikativer Strukturen und Inhalte von großer Bedeutung. Dieser Artikel widmet sich der zwischenmenschlichen Berührung und den kommunikativen Aspekten von Körperkontakt. Hierbei sollen Gesten untersucht werden, die sich durch die Berührung zwischen zwei oder mehr Menschen definieren und kulturspezifisch auf eine solche Art konventionalisiert sind, dass sie als Embleme fungieren. Solche emblematischen Berührungsgesten wurden von Lynn (2011) in einem Lexikon der Fremdberührung gesammelt und dokumentiert, wobei sich diese ritualisierten Handlungsabläufe auf den Mittelatlantikraum der USA beziehen. Das Ziel des Artikels ist es, davon ausgehend Berührungstabus zu thematisieren und zu diskutieren, ob solche Berührungstabus, ebenso wie emblematische Berührungsgesten, klar beschrieben und abgegrenzt werden können. Um von Gesten als ritualisierten Handlungen sprechen zu können, muss die Bezeichnung des Rituals definiert und für den Zweck einer Untersuchung kommunikativen Berührverhaltens im Sinne der Tabuforschung umrissen werden. Von einem allgemeinen Tabubegriff ausgehend, kann auf das ebenso konventionalisierte ‘Berührverbot’ näher eingegangen werden, um es am Ende anhand einiger aufkommenden Fragen zur Diskussion zu stellen. 2 Berührungen im Kontext der Kommunikationsforschung Was die Rolle von Berührungen im zwischenmenschlichen Alltagsgeschehen betrifft, gibt es bereits verschiedene psychologische und medizinische Untersuchungen, die sich dabei auf wichtige Themenschwerpunkte beziehen. Die Sozialpsychologie beleuchtet beispielsweise kulturspezifische Berührungen im Alltag, aber auch Berührungen in unterschiedlichen Kulturen, geschlechtsspezifische Unterschiede, Arten und Wirkungen von Berührungen in zwischenmenschlichen (Liebes-)Beziehungen 1 . Im Bereich der Persönlichkeitspsychologie wird unter anderem den Fragen nachgegangen, wie sich Menschen in ihrem Körperkontakt- oder Berührungsverhalten unterscheiden, welche Eigenschaften Menschen zeigen, die nicht oder sehr gerne berührt werden wollen, und wie Berührungen individuell erlebt werden 2 . Entwicklungspsychologen untersuchen, welche Bedeutung Berührungen innerhalb einer Eltern-Kind-Beziehung haben oder wie sich (mangelnder) Körperkontakt auf die emotionale, geistige und körperliche Entwicklung eines Kindes auswirkt 3 . In der klinischen Psychologie und in der Medizin liegt der Fokus auf den körperlichen Auswirkungen von Berührungen, beispielsweise von Massagen, und es wird untersucht, welche Bedeutungen Berührungen haben können in Kontexten von (Schmerz-)Behandlungen und (Psycho-) Therapien 4 . Und nicht zuletzt werden im Bereich der Kognitionspsychologie Fragen beleuchtet, in denen es darum geht, wie Menschen Berührungen wahrnehmen und verarbeiten und wie sie sich auf die Entwicklung von Denk-, Gedächtnis- und Erkenntnisfunktionen auswirken 5 . Diese verschiedenen Disziplinen sind natürlich nicht immer klar voneinander abzugrenzen und es gibt unter anderem diverse andere Fachbereiche, wie zum Beispiel die Ethnologie oder Geschichte oder auch die Pädagogik, die damit einhergehen und Berührungen unter anderen Auswertungskriterien analysieren. 1 Siehe hierzu Henley (1988), Herold (1992), Thayer (1988), Jourard (1966), Morris (1972). 2 Siehe hierzu Thayer (1988), Montagu (1974). 3 Siehe hierzu Bowlby (1975), Harlow (1958), Montagu (1974), Herold (1992), Thayer (1988). 4 Siehe hierzu Crenshaw (1997), Herold (1992), Montagu (1974). 5 Siehe hierzu Johnson (1987), Piaget und Inhelder (1986). 228 Ulrike Lynn (Chemnitz) Semiotische oder sprachwissenschaftliche Betrachtungen über den zwischenmenschlichen Körperkontakt als intentionales Kommunikationsmittel sind noch nicht hinreichend publiziert worden, obwohl Berührungen gerade für die Gestenforschung sehr relevant sind. Möchte man Berührung im Kontext zwischenmenschlicher Kommunikationsstrukturen analysieren, ist es wichtig, dass man unterscheidet zwischen Berührungen, die unbeabsichtigt und ohne kommunikativen Inhalt geschehen (wie beispielsweise ein versehentliches Streifen am Arm) und jenen, die bewußt eingesetzt wurden, um eine bestimmte Botschaft zu vermitteln. Im Folgenden soll nur von den Berührungen die Rede sein, die als Gesten klassifiziert werden können. Somit fällt jegliche Art des versehentlichen oder zufälligen Körperkontaktes aus der Betrachtung heraus, ebenso wie all jene Berührungen, die einer Gebrauchsbewegung unterliegen, d. h. die angewendet werden, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen, welcher nicht ausschließlich kommunikativ ist. Als Beispiele für berührende Gebrauchsbewegungen seien hier das Haareschneiden, eine ärztliche Untersuchung oder eine Wiederbelebung aufgeführt. Des Weiteren sollen in diesem Artikel nur die Berührungen ausschlaggebend sein, die zwischenmenschlich stattfinden, also in der Kommunikation von zwei oder mehr Menschen. Ekman und Friesen (1969) unterteilen nonverbales Verhalten in fünf Kategorien: Emblems, Illustrators, Regulators, Affect Displays und Adaptors. Letzteres sind erlernte Bewegungen, um eigene und körperliche Bedürfnisse zu befriedigen, und sie werden noch einmal unterteilt in Self-adaptors (Berührungen, die an den eigenen Körper gerichtet sind), Alter-adaptors (Berührungen, die einer anderen Person gelten) und Object-adaptors (Berührungen, die sich auf ein Objekt richten). Man könnte also meinen, die in diesem Artikel untersuchten Berührungen seien Alter-adaptors, aber dies stimmt nur in Bezug auf die Gerichtetheit der Berührung, nicht aber in Bezug auf die Intention. Nach Ekman und Friesen werden Adaptoren typischerweise unbewußt angewendet und daher kaum zum Kommunizieren eingesetzt: “[. . .] adaptors, when emitted by the adult are habitual, not intended to transmit a message, and usually without awareness” (Ekman und Friesen 1969: 85). Da Gesten aber unter anderem durch eine kommunikative Absicht definiert sind, werden im Folgenden ausschließlich Embleme beleuchtet, denn sie zeichnen sich durch einen bewussten und intentionalen Gebrauch aus, sind erlernt, meist kulturspezifisch und stark konventionalisiert. Emblematische Gesten können sprachbegleitend oder sprachersetzend gebraucht werden und sie unterliegen einem gesellschaftlichen Kodex, der ihren Gebrauch und ihre Anwendung vorgibt. Ekman und Friesen schreiben Emblemen folgende Eigenschaften zu: Emblems are those nonverbal acts (a) which have a direct verbal translation usually consisting of a word or two, or a phrase, (b) for which this precise meaning is known by most or all members of a group, class, subculture or culture, (c) which are most often deliberately used with the conscious intent to send a particular message to other person, (d) for which the persons who sees the emblem usually not only knows the emblem’s message, but also knows that it was deliberately sent to him, and (e) for which the sender usually takes responsibility for having made that communication. A further touchstone of an emblem is whether it can be replaced by a word or two, its message verbalized without substantially modifying the conversation. (Ekman, Friesen und Johnson 1975: 405) Obwohl emblematische Gesten nicht unbedingt mit zwischenmenschlichem Körperkontakt einhergehen müssen, gibt es doch eine Vielzahl an Berührungen mit emblematischem Berührungstabus 229 Charakter; Berührungsgesten also, die auf andere Menschen gerichtet sind, unabhängig von Sprache existieren können und kulturspezifisch so konventionalisiert sind, dass ihre kommunikative Botschaft, trotz ihrer Polysemie, situationsgebunden eindeutig ist. Man kann also die Ausführung einer solchen emblematischen Berührungsgeste als ritualisierte Handlung verstehen, bei welcher der kommunikative Aspekt im Mittelpunkt steht. In diesem Zusammenhang scheint auch der Aspekt der Grenzziehung von großer Relevanz zu sein. Anders als bei verbalen Kommunikationssituationen, finden Berührungen auf der Haut und damit an der körperlichen Grenze des Menschen statt. Auf verschiedenen Ebenen wird in der Berührung die Grenze zum Thema: Die Haut umhüllt unseren Körper und grenzt uns als Lebewesen gegenüber allem, was uns umgibt, ab: ob das die unsichtbare Luft ist, Sonnenstrahlen oder Regentropfen, ob Teppich oder Holzdielen unter unseren Füßen, die Decke, die wir im Bett über unsere Schultern hochziehen, oder all die vielen Dinge, die wir mit den Händen anfassen und benutzen. Das Spüren dieses ‘Anderen’ erst vermittelt uns das Gefühl, dass es das Ich und das Nicht-Ich gibt, nämlich einen fest umschlossenen Bereich unseres Körpers als ureigenen Sitz und Ausgangspunkt aller Empfindungen, der grundlegend und selbstverständlich mit unserem inneren Selbst untrennbar verbunden ist, und ein ‘Außerhalb’, in dem alle anderen Menschen und Dinge existieren (Herold 1992: 243 f.). In der Berührung nehmen wir unsere eigene Grenze und damit unseren Körper insgesamt wahr. In unserer Wahrnehmung sind sowohl die eigenen Grenzen als auch die Grenzen von anderen Menschen spürbar; es geht um die tatsächlichen körperlichen Grenzen, es gibt aber auch Entsprechungen zu den emotionalen und psychischen Grenzen, die wir spüren, anderen setzen oder die wir gesetzt bekommen. 3 Ritualisierte Handlungen Wenn von zwischenmenschlichen Berührungsgesten die Rede ist, muss in erster Linie auch der Körper als Medium für symbolische Handlungen, in diesem Fall ritualisierte Berührungen, beleuchtet werden. Aus dem Grund soll an dieser Stelle genauer auf die Symbolhaftigkeit von Ritualen eingegangen werden. Birnbaum beispielsweise definiert symbolische Handlungen als [. . .] stets institutionell anerkannte Handlungen, welche dazu dienen, den Bestand der jeweiligen Institutionen (z. B. Gruppe, Familie, Paar) durch die Aufrechterhaltung bestimmter Ordnungsstrukturen zu sichern. Sie erleichtern die Abläufe im Zusammenleben von Menschen, da sie in den jeweiligen Situationen verbindliche Handlungsmuster bereitstellen und auf diese Art und Weise die Handlungsoptionen einschränken. Die am Ritual beteiligten Personen kennen die bestimmten Abläufe und können potentielle Wirkungen des Rituals einschätzen. (Birnbaum 2012: 135) Posner dagegen formuliert die Definition für Rituale etwas differenzierter, indem er zwei besondere Merkmale in den Vordergrund stellt: Maßgeblich dafür, dass es sich um ein Ritual handelt, ist einerseits die Tatsache, dass die Handlung in Gemeinschaft mit anderen und unter Einhaltung strenger Regeln erfolgt, andererseits der Zeichencharakter des betreffenden Verhaltens. (Posner 2002: 6) 230 Ulrike Lynn (Chemnitz) Der kommunikative Aspekt ist bei Leach (1968) der bestimmende Faktor eines Rituals, “wobei die kommunikative Funktion darin besteht, den Status der Interagierenden auszudrücken oder zu verändern” (Werlen 1984: 28). Als Beispiele für Letzteres seien hier Amtseinsetzungen, Taufen oder Hochzeiten erwähnt. Die Symbolhaftigkeit der Rituale drückt sich aber nicht nur in den sie definierenden Attributen aus, sondern auch in den kognitiven Prozessen, welche in Gang gesetzt werden, wenn es um die Erlernung von ritualisierten Handlungen geht, denn das Gelingen von Ritualen setzt ein dieses Handeln ermöglichendes rituelles Wissen voraus. Dieses Wissen ist nach Wulf (2001 b) ein praktisches Wissen, das in mimetischen Prozessen erworben wird. Tomasello (2002) postuliert, dass dieser mimetische Charakter kultureller Lernprozesse sicherstellt, dass in ihnen nicht nur eine bloße Kopie ritueller Handlungen erzeugt wird, sondern dass es sich stets auch um die kreative Wiedererzeugung ritueller Interaktionen handelt. Tomasello nennt diesen Vorgang “ontogenetische Ritualisierung” (Tomasello 2002: 43) und setzt diesen Prozeß dem Imitationslernen entgegen. Diese Praxis hat nach Wulf einen historischen und kulturellen Charakter und ist somit auch für zukünftige Veränderungen offen: Rituale enthalten insofern immer auch eine innovative Komponente, die dazu beiträgt, dass das rituell Erlernte nicht nur auf soziale Dynamiken und Transformationen angemessen reagieren kann, sondern es kann selbst weitere kontingente soziale Formen und Gemeinschaften erzeugen. (Audehm/ Wulf/ Zirfas 2007: 427) 3.1 Die Funktion des Körpers als Zeichen Nicht weniger wichtig für die Betrachtung von bestimmten Handlungen als ritualisierte Berührungen - und hier ist die von Posner vorausgesetzte Gemeinschaft bereits in der zwischenmenschlichen Berührung integriert - ist die Funktion des Körpers als Zeichen, sowohl durch sein Verhalten, als auch durch seine Möglichkeit, als rituelles Medium zu dienen. So kann die rituelle Organisation des Körpers z. B. durch Kleidung und Mode erfolgen, aber auch durch Bemalung und Maskierung, Piercing und Tattoo, Stimme und Sprechform, Sprechen und Singen, durch Atemtechnik und Körpersprache, durch Musik, Rhythmus, Tanz und Ekstase, die Aufhebung von Affektkontrolle und Disziplinierung der Bewegungen. (Dücker 2007: 60) Körper können darüberhinaus auch im Ruhezustand inszeniert werden (beispielsweise im meditativen Gestus oder für die Aufbahrung eines Verstorbenen), oder sie können miteinander interagieren und taktile Praktiken anwenden. Die Auffassung vom menschlichen Körper hat sich analog zu den Veränderungen der Gesellschaft und Kultur entwickelt. Wie Symbolsysteme sind auch Menschen einem stetigen Wandlungsprozeß unterworfen. Körper und Körpererfahrung des Menschen sind integrierter Teil eines umfassenden dynamischen Prozesses. Aber nicht nur der Körper als Medium und seine Positionierung im gesellschaftlichen Kontext unterliegt zeitlichen Veränderungen, sondern auch der Umgang der Körper miteinander, die soziale Interaktion. Mit dem jeweiligen Körperverständnis einer Kultur gehen auch verschiedene Berührungsweisen einher. Hall (1966) unterscheidet zwischen Kontaktkulturen (Araber, Lateinamerikaner und Südeuropäer) und Nicht-Kontaktkulturen (Asiaten, Nordeuropäer, Amerikaner, Australier, Inder und Pakistani). Beide Kultur-Kategorien unterscheiden sich in der Intensität Berührungstabus 231 von Blickkontakt, Berührungen und Körperorientierung während der sozialen Interaktion. So sind für die ersteren Berührungen als Kommunikationsmittel deutlich präsenter als für die Kulturen mit weniger Körperkontakt und weisen sich nicht zuletzt auch durch geringere Distanzzonen aus. Nach Hall (1966: 126 f) gelten beispielsweise für US-Amerikaner folgende Konventionen: l Intime Distanz (nah 0-15 cm, weit 15-45 cm) l Persönliche Distanz (nah 45-75 cm, weit 75-120 cm) l Soziale Distanz (nah 120-200 cm, weit 200-360 cm) l Öffentliche Distanz (nah 360-700 cm, weit über 700 cm) Hall postuliert, dass diese von ihm beschriebenen vier Distanzzonen zwar für alle Kulturen gültig sind, aber die Distanzzonen kulturspezifisch unterschiedliche Abmessungen aufweisen. Tab. 1: Tabelle der Distanzzonen und deren Kommunikationsbedingungen (nach Hall 1966: 126 f.) 4 Symbolträchtige Berührungen Abb. 1: Die Erschaffung Adams, Michelangelo Abb. 2: Detail aus Die Erschaffung Adams 232 Ulrike Lynn (Chemnitz) Ein Ausschnitt aus dem großen Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan zu Rom zeigt die von Michelangelo zwischen 1508 und 1512 gemalte Darstellung des biblischen Geschehens “Die Erschaffung Adams” “Die Magie einer Berührung teilt sich uns so selbstverständlich mit, dass man meint, den Lebensfunken förmlich die Kluft zwischen zwei ausgestreckten Händen überspringen zu sehen”. (Henley 1988: 141) 4.1 Allgemeine Betrachtungen über Berührung Berührungen und Körperkontakt sind Aspekte des alltäglichen Lebens, die uns mehr oder weniger regelmäßig begegnen und auf die wir in unterschiedlichem Maße sowohl emotional als auch physisch reagieren. Nach Riedel (2008) werden Berührungen und Körperkontakt traditionellerweise als Leistungen des menschlichen Tastsinnes aufgefasst, was ein weites Feld von Definitionen eröffnet, welches vom antiken philosophischen Diskurs über die Sinne bis hin zur aktuellen Medizin, Psychologie, Physiologie, Hirnforschung etc. reicht. (Riedel 2008: 148) 6 Der semiotischen Intention des vorliegenden Beitrags entsprechend, kann sich die begriffliche Präzisierung von Berührungen in diesem Artikel auf Merkmale konzentrieren, die den gesell-schaftlichen bzw. gemeinschaftsstiftenden und kulturspezifischen Gebrauch des Tastsinnes betreffen. Hierbei muss nach Gibson (1962: 477) in aktives und passives Tasten unterschieden werden, was sich gleichzeitig mit den Termini haptisch und taktil in Verbindung bringen läßt: “Die haptische Wahrnehmung (das aktive Tasten) ist dabei gleichbedeutend mit berühren und die taktile Wahrnehmung (das passive Tasten) mit dem berührt werden.” (Riedel 2008: 24) In diesem Zusammenhang weist Wagener (2000) darauf hin, dass die analytische Unterscheidung von aktiv berühren und passiv berührt werden auf zwei Handlungsbzw. Wahrnehmungstypen referiert: Bei aktiver Berührung ist zwar die Wahnehmung des Ertasteten im Zentrum der Aufmerksamkeit, wohingegen bei passiver Berührung, beispielsweise bei einer Massage, das eigene Körperempfinden im Vordergrund steht, aber dennoch wird immer das ‘Eigene’ und das ‘Andere’ wahrgenommen (Wagener 2000: 87). Diese Eigenschaft unterscheidet den Tastsinn in besonderer Weise von den anderen menschlichen Sinnen, denn wenn man beispielsweise etwas mit den Augen wahrnimmt, nimmt man visuell nicht gleichzeitig auch die eigenen Augen als aufnehmende Sinnesorgane wahr, dasselbe gilt für die Nase oder die Ohren, es sei denn, man steht vor einem Spiegel. Bei der Ausführung von Berührungsgesten, die emblematischen Charakter haben, ist diese Unterscheidung besonders interessant, da sowohl das haptische als auch das taktile Körperempfinden stimuliert wird und somit aktives Berühren und passives Berührtwerden gleichzeitig wahrgenommen werden können. So steht bei einem Handschlag beispielsweise nicht unmittelbar die haptische Erfahrung der anderen Hand im Vordergrund, genauso wenig allerdings kommt es auf das eigene taktile Empfinden der anderen Hand an. Dies trifft auf alle fremdberührenden Gesten zu, die simultan und symmetrisch ausgeführt werden. 6 Siehe Grunwald (2008) für einen ausführlicheren Überblick. Berührungstabus 233 4.2 Konventionen und Kontexte Viele Aspekte von Berührung sind durch Konventionen geregelt. Durch die Anwendung gelernter Regeln erkennen wir, welche Bedeutung eine Berührung hat und was sie als Geste kommuniziert. Es gibt gesellschaftliche Regeln für verschiedene Kontexte von Berührungen und für verschiedene Beziehungen, in denen es zu Berührungen kommen kann. In manchen Situationen sind Berührungen erlaubt, geboten, vorgeschrieben, in anderen unerwünscht, verboten, tabu. So gelten beispielsweise bestimmte Normen für den Körperkontakt zwischen Eltern und Kindern, welche sich, je älter die Kinder werden, wieder verändern. Es gibt Konventionen für freundschaftliche Berührungen und für solche unter Kolleginnen und Kollegen oder gegenüber Vorgesetzten. Diese “Berührungsregeln” sind nur in Ausnahmefällen schriftlich fixiert (beispielsweise im Pflege- oder Therapiebereich) und dennoch haben die meisten Menschen ein feines Gespür dafür, was in bestimmten Situaltionen angemessen ist. Konventionen sind in verschiedenen Kulturen, Subkulturen und Gruppen unterschiedlich, also gesellschaftspezifisch, und lassen selbst innerhalb der kulturellen Kontexte immer einen gewissen individuellen Handlungs- oder Berührungsspielraum. Die geltenden Konventionen sind nicht nur abhängig von der Beziehung der Berührenden, sondern auch von der Situation, in der die Berührung stattfindet. Die gleiche Berührung kann in der einen Situation freundlich und aufmunternd sein, zum Beispiel ein leichtes Schubsen mit dem Arm, der Schulter oder sogar der Hüfte beim Sport, und in einer anderen Situation wäre sie sehr unpassend, zum Beispiel bei einem romantischen Essen zu zweit oder während eines Einstellungsgespräches. Vor allem im Bereich des Sports werden Verhaltensweisen möglich, die sonst tabuisiert sind. Denn gerade die Berührungen in der Öffentlichkeit sind stark reglementiert: Die “Gesellschaft”, also die gesellschaftliche Welt, umfasst Regeln über Nähe und Distanz zu den anderen Angehörigen derselben Kultur oder Gesellschaft. Dabei ist der Körperkontakt, die körperliche Berührung, kulturell normiert. Die Normen, die unsere körperlichen Berührungen - in der Öffentlichkeit, im Privaten - regeln, können weit gefasst sein und dabei eine gewisse Toleranz für Individualität erlauben. Oder diese Normen können relativ streng vorgeben, was erlaubt oder verboten ist. Die Spielbreite und die Strenge der entsprechenden Normen kann sich zudem im Laufe der Zeit wandeln. (Gerhardt 2007: 198) Das Handlungspotential für Berührungen ist also gewissermaßen beschränkt. Manche Berührungen, beispielsweise jene mit sexueller Motivation, unterliegen nicht selten einem Berührtabu, während andere Situationen regelrechten Erwartungshaltungen zu bestimmten Berührungen unterliegen. Konventionalisierten Körperkontakt gibt es in den west-europäischen Ländern bei Begrüßungen, Gratulationen oder Kondolenzbekundungen, die durchaus kulturspezifische Unterschiede aufweisen. 7 Gleichzeitig kann ein und dieselbe Berührung in verschiedenen Kontexten unterschiedliche Funktionen erfüllen. So kann beispielsweise ein aufmunternd gemeinter Schulterstups in einem anderen Kontext als aggressiv interpretiert werden. Dass ein und dieselbe emblematische Geste verschiedene Bedeutungsvarianten haben kann wird auch im Lexikon der Fremdberührung (Lynn 2011) deutlich. Da die Gesten meist 7 Zu den kulturellen Varianten von Begrüßungssituationen siehe auch Argyle (1979: 81) und Eibl-Eibesfeld (1976: 193 ff.). 234 Ulrike Lynn (Chemnitz) polysem und kontextabhängig sind, gibt es nicht wenige Einträge, in denen eine Berührung je nach Situation und Interpretation verschiedene Botschaften kommuniziert. Diese Ambivalenz von Berührungen und die Doppeldeutigkeit der Gesten zeigt sich in ihrer extremsten Form, wenn Berührungen in affiliativen Zusammenhängen mit Berührungen in aggressiven Zusammenhängen verglichen werden. Berührungen maximaler Intensität sind sowohl entscheidender Faktor von Liebesbeziehungen als auch von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Form und die Intensität des Körperkontakts ist also in hohem Maße abhängig sowohl vom Verhältnis der Agierenden zueinander als auch vom situativen Kontext, in dem die Berührung stattfindet. So wird beispielsweise das kulturspezifische Ritual des ‘Brüderschaft-Trinkens’ mit besonderen Berührungen, nämlich dem Verketten der Arme als Zeichen von Untrennbarkeit und einem anschließenden Lippenkuss, eingeleitet. Ebenso gibt der Kontext des Miteinander-Tanzens eigene Regeln vor bzw. hebt die Alltagskonventionen auf und ermöglicht somit Menschen, die unter anderen Umständen viel distanzierter miteinander umgehen würden, eine intime Nähe, die - gerade beim argentinischen Tango - stark von Berührungen geprägt ist. Es kann hier, nach Posner 2002, von einem ritualisierten Tabubruch gesprochen werden. 4.3 Die Zeichenhaftigkeit von Berührungen Komplexität und Ambivalenz von Berührungen zeigen sich deutlich in den verschiedenen Verwendungskontexten. Im Mittelalter hatten Berührungen vorwiegend rechtskonstitutiven Charakter, beispielsweise bei der Besiegelung von Verträgen oder Amtseinsetzungen. Die symbolische Verdeutlichung rechtlicher Tatbestände ist ein konstitutives Element mittelalterlicher Rechtsauffassung. Der Grundsatz der Offenkundigkeit verlangte nach Sichtbarmachung von Rechtsverhältnissen mit Hilfe von Zeichen, über deren Bedeutung Konsens bestand. (Schreiner 1990: 114) Berührungen mit rechtskonstitutiver Funktion traten in der Regel in den Formen Handschlag, Handauflegung, Kuß oder Salbung auf und finden sich auch heute noch sowohl in weltlichen 8 als auch in kirchlichen Zusammenhängen. 9 Politiker schütteln sich beispielsweise in aller Öffentlichkeit die Hände, um ihr gutes Verhältnis oder den Abschluss eines Vertrages zu demonstrieren und auch das Handauflegen beispielsweise ist noch immer ein für verschiedene Zwecke eingesetztes religiöses Ritual. Die aus dem Neuen Testament übernommene Handlung ist eine zentrale Geste in sakramentalen Feiern, beispielsweise bei der Taufe, dem Bußsakrament, der Firmung und bei der Ordination. Berührungen spielen also auch im heutigen Gottesdienst eine wichtige Rolle, wobei die Häufigkeit ihres Einsatzes von der liturgischen Ordnung abhängig ist. Im katholischen Gottesdienst hat sich unter anderem der Friedensgruß erhalten, bei dem sich die Gemeindemitglieder während des Gottesdienstes die Hände schütteln und sich gegenseitig Frieden wünschen 10 . In der Bibel werden Berührungen meist als Übertragung von Kräften geschildert, wobei sowohl das Böse als auch das Gute durch eine Berührung übertragen werden kann. Einen Toten zu berühren führt beispielsweise zu Unreinheit (4 Mo 19,16) “und alles, was der 8 Siehe beispielsweise Leupold-Kirschneck 1981. 9 Siehe beispielsweise Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) 2015. 10 Zu Berührungen im Gottesdienst siehe insbesondere Reifenberg (1985) und Wenz (1995). Berührungstabus 235 Unreine berührt, wird unrein werden” (4 Mo 19,21; Hag 2,13). Gott selbst berührt Menschen, entweder um ihr Inneres zu wandeln (1 Sam 10,26) oder um sie mit Krankheit (2 Kön 15,5) oder Elend (Hi 19,21) zu schlagen. Auf der anderen Seite aber überträgt die Berührung das göttliche Heil. Die Serafim berühren die Lippen Jesajas (Jes 6,7), um die Sünde von ihm zu nehmen. Durch Berührung wird jemand lebendig (2 Kö 13,21; Mk 5, 41, 42), Jesus heilt Kranke bereits, wenn allein seine Kleidung berührt wird (Mk 5, 27). Diese Zeichenhaftigkeit der Berührung scheint bis in die heutige Zeit symbolträchtig. Für manche Menschen mag eine segnende Berührung des Papstes eine ähnlich große Bedeutung haben, wie für andere die Berührung des T-Shirts eines Prominenten. Solche spirituell oder religiös bedeutsamen Berührungen können den Berührten segnen, heilen, sie können aber auch verunreinigen und von Übel sein. 4.4 Berührungskategorien Um die kommunikative Botschaft einer bestimmten Art des Körperkontaktes erfassen zu können, sollte man die verschiedenen Arten von Berührungen in ihren Bedeutungsebenen differenzieren. Heslin unterteilt Berührungen in fünf Gruppen (nach Thayer 1988: 21): 1 Funktionale professionelle Berührungen 2 Soziale höfliche Berührungen 3 Freundschaftliche Berührungen 4 Liebes- und Intimitätsberührungen 5 Sexuelle und erregende Berührungen Seiner Meinung nach können alle zwischenmenschlichen Berührungen mindestens einer der fünf Kategorien zugeordnet werden. Wenn wir in diesem Artikel aber konventionalisierte Berührungen in Form von emblematischen Gesten in den Vordergrund stellen, können nur institutionell verankerte Berührungsgesten (wie beispielsweise jemandem die Hand auflegen oder eine jemandem ein Kreuz auf die Stirn zeichnen) in die erste Kategorie der funktionalen professionellen Berührungen eingeordnet werden, denn andere professionelle Berührungen (wie zum Beispiel jemanden waschen oder jemandem die Haare schneiden) werden als Gebrauchshandlungen definiert, da sie keinen intentional kommunikativen Charakter haben und mit der Berührung selbst keine Botschaft senden wollen. Es fällt außerdem auf, dass in Heslins Schema eine Kategorie fehlt, welche Berührungen in hierarchischen Kontexten, sogenannte fremdberührende Machtgesten, einschließt, ebenso wie auch aggressive Berührungen (beispielsweise jemanden ohrfeigen oder jemanden treten) in keine dieser Kategorien eingeordnet werden können. Während mit dieser Kategorisierung überwiegend die Intention von Berührungen innerhalb einer spezifischen sozialen Austauschbeziehung beschrieben wird, kategorisiert auch Argyle (1979) fünf verschiedene Arten von Berührungen und ordnet sie bestimmten Kommuni-kationshandlungen zu: 1 Schlagen des anderen und Aggressionshandlungen 2 Streicheln, Liebkosen und Festhalten als a) elterliches oder allgemein fürsorgliches Verhalten b) sexuelle Handlung 3 Berührungen in Zusammenhang mit Begrüßungs- oder Abschiedszeremonien 236 Ulrike Lynn (Chemnitz) 4 Festhalten als kameradschaftlicher Ausdruck (Dies kann nach Argyle durch unterschiedlich starken Druck und verschiedene Berührungsstellen auch unterschiedliche kommunikative Funktionen erfüllen.) 5 Berührungen, die dazu dienen, die Bewegung des anderen zu beeinflussen, z. B. jemanden an der Hand oder am Arm führen, oder jemandem helfen, schwierige Bewegungen auszuführen. Obwohl einerseits etwas ausführlicher als die Kategorisierung von Heslin, sind Argyles Berührungsbeschreibungen doch noch sehr undifferenziert und allgemeingültig. Im bereits erwähnten Lexikon der Fremdberührung (Lynn 2011) werden die emblematischen Berührungsgesten sowohl auf ihrer Ausdrucksebene als auch auf ihrer Bedeutungsebene klassifiziert. Für letzteres wurden folgende Kategorien erstellt: Begrüßungsgesten, Aufmerksamkeitsgesten, Bestätigungsgesten, Institutionelle Gesten, Trostgesten, Aufforderungsgesten, Zuneigungsgesten, Zärtlichkeitsgesten, Sexuelle Gesten, Unterstützungsgesten, Aggressive Gesten, Spielerische Machtgesten und Indirekte Kontaktgesten. In die letzte Kategorie können Berührungen eingeordnet werden, die keinen direkten zwischenmenschlichen Kontakt bekunden, aber dennoch durch eine Berührung als kommunikative Aussage definiert sind. Beispiele hierfür wären jemandem in die Jacke helfen, jemandem einen Ring anstecken oder mit jemandem anstoßen. Nicht jede Bedeutungsebene ist grundsätzlich zugänglich in jeder alltäglichen zwischenmenschlichen Kommunikationssituation. Wie schon beschrieben spielen sowohl der Kontext als auch die gesellschaftliche vorgegebenen Konventionen eine große Rolle. Des Weiteren sind aber mit Bezug auf individuelles oder gemeinschaftliches Berührverhalten selbst innerhalb eines bestimmten Kontextes und mit Bezugnahme auf die jeweiligen Konventionen bestimmte Regelfestlegungen zu beobachten, welche emblematische Berührungsgesten insofern beeinflussen, als dass einige von ihnen zwar konventionalsisiert und ihr Gebrauch allgemein bekannt ist, ihre Verwendung sich aber auf ganz bestimmte Empfängergruppen richtet. 4.5 Reglementierungen Die Reglementierung von taktilem Verhalten betrifft unterschiedliche Gruppen unserer Gesellschaft in unterschiedlicher Art und Weise. In Bezug auf alltägliche zwischenmenschliche Berührungen scheint sich, gerade in unserer modernen Gesellschaft, eine hierarchische Struktur etabliert zu haben: Ein Chef fasst seiner Sekretärin lobend oder bittend auf die Schulter, die Lehrerin berührt den Schüler, um ihn zu ermutigen oder zu tadeln, Polizisten gehen dominant mit einem Verdächtigen um, der Priester legt segnend seine Hand auf den Kopf der Gläubigen aber kein Fußballer darf - so der Deutsche Fußballbund - den Schiedsrichter berühren. Auch Kindern, Behinderten und Kranken wird ein anderes Berührverhalten zugestanden als gesunden, erwachsenen Menschen mit demselben kulturellen Hintergrund. Andersherum wird auch gesunden, erwachsenen Menschen in bestimmten Kontexten ein anderer Berührungs-kodex bereitgestellt, der es erlaubt, Kinder, Behinderte, Kranke und Sterbende auf andere Weisen zu berühren als für gewöhnlich akzeptabel. So ist es beispielsweise selbstverständlicher, einem Kind über den Kopf zu streicheln, eine behinderte Person an die Hand zu nehmen, einen kranken Menschen an- und auszuziehen oder jemandem in seiner Todesstunde mit Körperkontakt und Berührungen zur Seite zu stehen. Berührungstabus 237 Morris (1972) führt in seinen Untersuchungen zum menschlichen Sozial- und Intimverhalten die zunehmenden Tabus und Reglementierungen im zwischenmenschlichen Berührungs-verhalten unter anderem auf die Überbevölkerung in heutigen Großstädten zurück. Da es in städtischen Alltagssituationen unmöglich sei, mit allen Menschen, die uns begegnen, in Kontakt zu treten, hätten wir gelernt, diesen Kontakt zu vermeiden. Morris geht davon aus, dass es in unserem Jahrhundert noch schwieriger ist als früher, andere erwachsene Menschen zu berühren, ohne dass sexuelle Motive unterstellt werden. Je älter wir werden, desto mehr verkümmert das ungehemmte Intimverhalten der Kindheit. Was davon noch erhalten bleibt, verfestigt sich zu stilisierten, unzweideutigen Ausdruckshaltungen (Morris 1972: 95). Wie oben bereits erwähnt, können diese Regeln und Formalisierungen, so Morris, in extremen und stark emotionalen Situationen aufgehoben werden, so dass das ursprüngliche Ausdrucksverhalten zu Tage tritt. Bei starker Angst und Bedrohung, bei Freude und Triumph, bei Trauer, Schmerz und Krankheit werden einige Berührungsregeln und -tabus unwichtig, und impulsive, intime Berührungen sind möglich und erlaubt. Im Kontext extremer Gefühle werden diese dann nicht gleich auf sexuelle Motive zurückgeführt. Auch bei Berührungen von Kindern und durch Kinder verwischen sich die Grenzen zwischen sexuellen und nichtsexuellen Berührungen, das Tabu für bestimmte Körperregionen greift hier nicht stringent. 5 Tabu Tabus sind unbewusste soziale Wirkungsmechanismen, die sich im Bewusstsein als das, was man nicht tun, denken oder sagen darf, manifestieren (Webster 1973: 1). Sie stellen sich als Meidungsgebote dar und unterscheiden sich von Verboten, die im Gegensatz zu Tabus explizit formuliert sind. Tabus sind zeit- und ortsspezifisch und damit wandelbar. Sie spielen eine wichtige Rolle im Sozialsystem einer jeden Gesellschaft. Sie stecken Grenzen ab und geben so eine Orientierung, wie weit ein Individuum im sozialen Gefüge gehen darf. Tabus dienen folglich der Verhaltensregulierung und sind ein Mittel der sozialen Kontrolle, da durch institutionalisierte bzw. gesellschaftliche Tabubereiche individuelles Abweichen von vornherein gehemmt werden soll. Obwohl das Wort tabu bereits seit dem 18. Jahrhundert in Europa Verbreitung fand, war seine Bedeutung doch lange auf den magischen und religiösen Kontext beschränkt. In den letzten Jahren erlebte die Tabuforschung jedoch eine deutliche Spezialisierung. Das Wort tabu stammt ursprünglich aus dem Polynesischen und wurde 1777 von James Cook in England verbreitet. Das Wort setzt sich zusammen aus ta ‘kennzeichnen’, ‘markieren’ und pu ‘kräftig’, ‘intensiv’, bedeutete also zunächst “etwas stark Markiertes” (Betz 1978: 141) und diente dann der Beschreibung von etwas Unberührbarem und Heiligem. Das Tabu wirkte als ein Meidungsgebot, z. B. bestimmte, meist geheiligte Gegenstände, Personen oder Orte zu berühren oder zu betreten. Die Verletzung dieser Grenze führt zum Tabubruch. Reimann (1989: 421) definiert Tabus als ein “besonders wirksames Mittel sozialer Kontrolle” die als “Axiome der Kommunikation” verstanden werden können. In modernen Gesell-schaften werden einerseits bestimmte Personen oder Örtlichkeiten sowie andererseits Bereiche wie Sexualität, Sucht, Korruption, Gewalt, Tod und bestimmte Erkrankungen tabuisiert (Reimann 1989: 421). 238 Ulrike Lynn (Chemnitz) Nach Schröder (2002) unterscheidet man auf der Ebene eines deskriptiven Tabubegriffs zwischen nonverbalen und verbalen Tabus. Nonverbale Tabus werden dabei als Teil des sozialen Kodex einer Gemeinschaft verstanden, der festschreibt, welche Handlungen und Verhaltensweisen nicht ausgeführt werden sollen. Verbale Tabus hingegen werden verstanden als Themen bzw. Konzeptualisierungen von Sachverhalten, über die nicht oder nur in etikettierter Form kommuniziert werden soll sowie als sprachliche Ausdrücke, die vermieden werden sollen. Reimann (1989) differenziert Tabus noch etwas detaillierter und teilt sie ein in ‘Objekttabus’ (tabuisierte Gegenstände, Institutionen und Personen) und ‘Tattabus’. Zu den Objekttabus zählen tabuisierte Gegenstände, Instituationen und Personen, während Tattabus tabuisierte Handlungen manifestieren. Diese beiden Tabutypen werden darüber hinaus durch ‘Kommunikationstabus’ (tabuisierte Themen), ‘Worttabus’ (tabuisierter Wortschatz) und ‘Bildtabus’ (tabuisierte Abbildungen) begleitet und abgesichert, die ihrerseits wiederum durch Gedankentabus (tabuisierte Vorstellungen) und ‘Emotionstabus’ (tabuisierte Gefühle) gestützt werden. Es kann also von einem Prozeß der Verinnerlichung gesprochen werden, der notwendig ist, damit ein Tabu Bestand hat. Laut Betz beziehen sich Tabus immer auf die zentralen Werte einer Gesellschaft und sind somit kulturspezifisch. Sie regulieren das soziale Handeln und stecken Extreme ab (Betz 1978: 146). Das Tabu ist demnach eine Konvention, die das soziale Zusammenleben ermöglicht. Es gehört von frühester Kindheit an zum Sozialisationsprozeß, zu lernen, was in der jeweiligen Kultur mit einem Tabu belegt ist, damit es später selbstverständlich wird, etwas nicht zu benennen, zu berühren, zu tun oder darüber zu sprechen (Hofstätter 1963: 57 ff.). Ein Tabu dient also dem Schutz von Dingen und Sachverhalten, die für eine Gesellschaft lebenswichtig sind. 5.1 Tabubruch Wird ein Tabu nicht beachtet, so spricht man von einem Tabubruch oder einer Tabuverletzung. Ein Tabubruch verstößt gegen die Grundregeln einer Gesellschaft. Diese sind nicht immer gesetzlich festgelegt, da sie nur latent präsent sind und nicht einmal sprachlichen Ausdruck finden. Rammstedt bemerkt: “Da die Tabus per Definition Selbstverständlichkeiten sind, die man einhält, aber nicht genau kennt, ist es im Grunde unmöglich, sie zu formulieren” (Rammstedt 1964: 40). Während das Tabu in der Gemeinschaft verankert ist, stellt sich der Tabubruch als individuell motiviert dar. Tabubrüche sind ambivalent. Einerseits bedrohen sie die Gesellschaft, andererseits ermöglichen sie sozialen Wandel. Hartmut Kraft bezeichnet Tabubrüche als “Indikatoren für Identitätsveränderungen” (Kraft 2004: 177). In Bezug auf emblematische Berührungsgesten kann sich ein Tabubruch entweder in einer kontextuell absolut unangebrachten Berührung manifestieren, oder aber gerade im Ausbleiben einer Geste, die konventionell erwartet wird. Diese These soll am Ende des Artikels noch einmal zur Diskussion gestellt werden. 5.2 Berührungstabus In verschiedenen Kontexten gibt es Berührungsverbote, zum Teil aktuell in einer bestimmten Situation entstanden, zum Teil als tradierte Regeln und Bräuche. Die Unberührbaren Indiens dürfen Mitglieder einer höheren Kaste nicht berühren, da diese dadurch ‘verunreinigt’ Berührungstabus 239 werden. Bei dieser religiösen Regel ist es wichtig, wer die Berührung initiiert, wer aktiv berührt und wer berührt wird. Eine Person aus einer höheren Kaste darf eine Unberührbare berühren, aber nicht von ihr berührt werden. In vielen Kulturen gibt es heilige Gegenstände oder Orte, die nur nach entsprechender Vorbereitung und Reinigung berührt oder betreten (und damit auch berührt) werden dürfen. Ebenso galt eine menstruierende Frau dem Heiligen Hieronymus als so unrein, dass alles, was diese berührte, dadurch auch verunreinigt war (Walker 1993: 707). Reste solcher Haltungen finden ihren Niederschlag auch heute noch in abergläubischen Überzeugungen, nach denen eine menstruierende Frau beispielsweise keine Sahne schlagen dürfe, da diese sonst schlecht würde, kein Obst und Gemüse einkochen, nicht beim Schlachten helfen, nur mit Haushaltshandschuhen putzen und sich auch keine Wasser- oder Dauerwelle machen lassen. Auch wenn bereits eine persönliche Beziehung besteht, die normalerweise eine Berührung ermöglicht und erlaubt, so kann mitunter die konkrete emotionale und soziale Situation eine Berührung schwierig oder unmöglich machen. Abhängig von gesellschaftlichen Konventionen sind bestimmte Körperteile eher von einem Berührungstabu betroffen als andere. Jedoch scheint es schier unmöglich zu sein, diese Körperteile zu benennen, da die Tabuisierung, sie zu berühren, sehr kontextabhängig ist. Im “Online-Kompaktlexikon Biologie” (1999) findet man unter dem Eintrag Körperkontakt 11 eine Darstellung der Häufigkeit von Körperberührungen gegengeschlechtlicher Personen in der Öffentlichkeit: Körperkontakt Abb. 3: Körperzonen gegengeschlechtlicher Berührungen 11 http: / / www.spektrum.de/ lexikon/ biologie/ koerperkontakt/ 37144 240 Ulrike Lynn (Chemnitz) Was auf den ersten Blick wie ein Körperatlas mit eingezeichneten konventionalisierten Körperzonen scheint, ist bei genauerer Betrachtung jedoch irreführend, da die Abbildung nur körperliche Tabuzonen in der Öffentlichkeit widerspiegelt, und selbst das ohne Angaben zum Hintergrund einer Studie, ohne die in den Kontext mit einzubeziehenden Berührungen von Kindern und ohne Angaben von bestimmten Situationen, in denen die Berührung der angege-benen Körperzonen gesellschaftlich akzeptabel ist. 6 Diskussion Zusammenfassend ist deutlich geworden, dass allgemeines zwischenmenschliches Berührverhalten nicht immer auch Kommunikation intendiert und daher für eine linguistischsemiotische Analyse abzugrenzen ist von intentionalen Berührungen mit konventionalisierten Botschaftsinhalten. Eine Verallgemeinerung der “Tabuzonen” im Hinblick auf zwischenmenschliche Berührung ist darum wohl, wenn überhaupt, nur sehr schwer möglich. In Bezug zu emblematischen Berührungsgesten könnte ein solcher “Körperatlas” vielleicht durchaus erstellt werden, gerade weil die ritualisierten Handlungen einer emblematischen Geste so konventionalisiert sind. Hierbei müssten allerdings die verschiedenen Kontexte und kommunikativen Inhalte der Berührungen an den jeweiligen Körperstellen mit angegeben werden, da der Körperkontakt an manchen Stellen in einer bestimmten Situation vielleicht durchaus angebracht ist, in einem anderen Kontext kann die Berührung desselben Körperteils allerdings tabu sein. Neben Berührungsverboten gibt es auch Berührungsgebote, also Situationen in denen es Regel und Konvention ist, zu berühren und in denen eine Weigerung, dies zu tun, eine Verletzung gesellschaftlicher Regeln darstellt. Um noch einmal die Frage nach der Tabuisierung von Berührungen aufzuwerfen, gibt es meines Erachtens zwei verschiedene Arten von Berührungstabus: Berührungen, die unangebrachterweise vollzogen werden (als übersteigertes Beispiel sei hier das Anfassen des Hinterns einer fremden Person in der Öffentlichkeit genannt), und Berührungen, die gerade dann nicht vollzogen werden, wenn sie in einem ritualisierten Kontext (beispielsweise einer Begrüßungssituation) erwartet werden. Vielleicht wäre es an dieser Stelle angebracht, zwischen “Berührungstabus” und “Nicht-Berührungstabus” zu unterscheiden? Wenn dies nun speziell auf emblematische Berührungsgesten bezogen wird, stellt sich die Frage: Ist das Ausbleiben einer Geste auch eine Geste? Ist es tabu, eine zur Begrüßung ausgestreckte Hand nicht entgegenzunehmen? Ist also die symbolische Handlung, einen Handschlag nicht zu erwidern, zu den Berührungstabus zu zählen, oder ist es eine eigenständige Geste des Widerwillens und hat mit Berührung gar nichts mehr zu tun? Und ein weiterer Aspekt gestaltet sich in diesen Überlegungen als noch nicht eindeutig: Auch wenn Berührungsgebote in Form von emblematischen Gesten festgehalten werden können, wäre es tatsächlich möglich, von diesen auf Berührungstabus zu schließen? Wie könnte man denn solche Tabus überhaupt beschreiben und dokumentieren, wenn sie sich innerhalb der verschiedenen sozialen, gesellschaftlichen und privaten Kontexte so unterschiedlich mani-festieren? Berührungstabus 241 7 Schluss Diese und mehr Fragen kommen auf, wenn man emblematische Berührungsgesten genauer untersucht und analysiert. Fest steht, dass Menschen sich aus verschiedenen Gründen gegenseitig berühren, was manchmal unbeabsichtigt und unbewußt geschieht, manchmal aus einer bestimmten funktionalen Handlung heraus und manchmal aber auch als ein Akt der Kommunikation, um eine intendierte nonverbale Botschaft zu übermitteln. Berührungen können ein starkes gestisches Potential haben und sind nicht nur für die Bereiche der Psychologie, Neurologie und Biologie interessant, sondern besonders relevant auch für die Sprachwissenschaft und Semiotik und öffnen der Gestenforschung ein weiteres weites Feld der Analyse. Bibliographie Argyle, Michael 1979: Körpersprache und Kommunikation, Paderborn: Junfermann Verlag Audehm, Kathrin, Christoph Wulf und Jörg Zirfas 2007: “Rituale”, in: Ecarius (ed.) 2007: 424-440 Austin, John ²1971: How to Do Things with Words, London: Havard University Press Balle, Christel 1990: Tabus in der Sprache, Frankfurt am Main: Peter Lang Bautier, Robert-H. et al. 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