eJournals Kodikas/Code 39/1-2

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2016
391-2

Semiotik des Stils

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2016
Ernest W. B. Hess-Lüttich
Wer heute über 'Stil' in (stil-)theoretischer Absicht nachzudenken sich vornimmt, reiht sich ein in eine sehr lange Tradition. Sie beginnt (allein in Europa) spätestens mit den Überlegungen Platons zur Redeweise als Äußerung des inneren Menschen ('Politeia': "Wie Gesinnung der Seele?") und der Lektüre Menanders durch die römischen Rhetoriker (Cicero, Seneca, Quintilian). Sie lässt sich nahezu durchgehend über die Renaissance (in der das Wort 'Stil' seine moderne Bedeutung erhält), über Barock, Klassizismus und Romantik bis ins 19. und 20. Jahrhundert verfolgen. Noch heute nehmen psychologisch-individualstilistisch orientierte Stilkonzeptionen (etwa in der Literaturtheorie oder der Sprachpsychologie) auf sie Bezug.
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K O D I K A S / C O D E Volume 39 (2016) · No. 1 - 2 Gunter Narr Verlag Tübingen Review Article Semiotik des Stils Ernest W. B. Hess-Lüttich (Bern/ Berlin/ Kapstadt) Wer heute über ‘ Stil ’ in (stil-)theoretischer Absicht nachzudenken sich vornimmt, reiht sich ein in eine sehr lange Tradition. Sie beginnt (allein in Europa) spätestens mit den Überlegungen Platons zur Redeweise als Äußerung des inneren Menschen (Politeia: "Wie aber, sprach ich, die Art und Weise des Vortrages und der Rede? Folgt diese nicht der Gesinnung der Seele? ") und der Lektüre Menanders durch die römischen Rhetoriker (Cicero, Seneca, Quintilian). Sie lässt sich nahezu durchgehend über die Renaissance (in der das Wort ‘ Stil ’ seine moderne Bedeutung erhält), über Barock, Klassizismus und Romantik bis ins 19. und 20. Jahrhundert verfolgen. Noch heute nehmen psychologischindividualstilistisch orientierte Stilkonzeptionen (etwa in der Literaturtheorie oder der Sprachpsychologie) auf sie Bezug. Wer heute ‘ Stil ’ zeichentheoretisch zu fundieren strebt, setzt sich beherzt zwischen alle Stühle je disziplinspezifischer Bemühungen. Sie gelten dem Verständnis von Ausdrucksformen in fast allen Bereichen der Kultur und des menschlichen Verhaltens. Stile werden beschrieben in den Kunst- und Musikwissenschaften ebenso wie in der Architektur- oder Textilgeschichte ( ‘ Modestile ’ ), in den Text- und Sozialwissenschaften ( ‘ Lebensstile ’ ), in den Sprach-, Literatur-, Theater- und Filmwissenschaften. In allen diesen Bereichen wurden nicht selten anspruchsvolle Stiltheorien entwickelt. Ein Unterfangen wie das mit der hier vorgelegten Arbeit unternommene zeugt also entweder von argloser Unbekümmertheit oder von hohem Anspruch. M ARTIN S IEFKES (im folgenden: Verf.) will nichts weniger als eine allgemeine Stiltheorie auf semiotischer Grundlage entwickeln, die nicht nur der Tradition Respekt zollt und die zahlreichen einzeldisziplinären Stilkonzeptionen integriert, sondern auch noch mühelos anwendbar sein soll auf bislang noch kaum systematisch untersuchte Bereiche alltäglicher Verhaltensweisen (beim Gehen oder Autofahren, beim Kochen oder Tennisspielen) oder mehr oder weniger metaphorische Ausweitungen des Begriffs, dessen theoretische Explikation dort bislang weit weniger Aufmerksamkeit erfahren hat als sein praktischer Gebrauchswert etwa in bestimmten Sportarten, im optimierten Bewerbungstraining oder in Zirkeln computertechnisch Eingeweihter ( ‘ Programmierstile ’ ). 1 1 Martin Siefkes 2012: Stil als Zeichenprozess. Wie Variation bei Verhalten, Artefakten und Texten Information erzeugt, Würzburg: Königshausen & Neumann, 502 pp, geb. 49,80 € , 978 - 3826046957 (Zitate im Text beziehen sich auf diese Ausgabe). Eine Stiltheorie, die allen bekannten Stilbereichen gleichermaßen gerecht würde, gibt es m.W. bislang nicht. Der Verf. stellt sich dieser anspruchsvollen Aufgabe. Seine Theorie verzichte, wie er schreibt, bewusst auf bereichsspezifische Phänomene, die aber auf ihrer Basis beschrieben werden können sollen, was er gewissenhaft überprüft anhand der Gültigkeit ihrer Aussagen für klassische Beispiele wie Architektur- oder Literaturstile, Epochen- und musikalische Stile, auch bislang stiltheoretisch weniger beachtete Anwendungsfälle wie Bewegungsstile oder Spielstile (Kap. 7). Stil wurde schon häufiger als Auswahl aus Möglichkeiten ( ‘ style as choice ’ ) beschrieben (z. B. Halliday, Sanders); Stil wurde auch schon häufiger zeichenthoretisch konzeptualisiert (z. B. von Hess-Lüttich, Nöth, Spillner, Thoma, Trabant u. a.). Aber der Verf. sucht in origineller Weise beide Ansätze systematisch zu kombinieren, indem er "Stil als Zeichen analysiert, [. . .] das bei Auswahl entsteht" (S. 52) und aufzeigt, wie Regelmäßigkeiten der Auswahl zeichenhaft werden, wie stilistische Information in Realisierungen erzeugt und aus ihnen wieder entnommen werden kann (Kap. 2.9 sqq.). Um die Vielfalt der Bereiche, in denen Stil vorkommt, angemessen beschreiben zu können, entwickelt der Verf. eine allgemeine Darstellung dafür, was in jeder Auswahlsituation festgelegt ist und welche wählbaren Alternativen verbleiben: Schemata, die realisiert werden, die (unter Berücksichtigung der Bedingungen, die sich durch den Kontext, Funktion und Inhalt der Realisierung ergeben) den Rahmen für Auswahlmöglichkeiten festlegen. (Dies erinnert an Helmut Richters hier freilich nicht herangezogene kommunikationssoziologische Konzeption von limitativen Regeln, die das Medium betreffen, und figurativen Regeln, die den Stil betreffen: hier wäre eine möglicherweise fruchtbare Anschlussstelle zu markieren: cf. Hess-Lüttich 1980). Aus dem Strukturalismus übernimmt der Verf. die klassische Unterscheidung zwischen Syntagma und Paradigma und verallgemeinert sie zur Unterscheidung von Realisierung und Alternativenklasse (Kap. 2.4). Er modelliert Auswahlsituationen als Alternativenklassen, aus denen durch Auswahl je eines Elements eine Realisierung gebildet wird. Die Schemabedingungen sowie kontextuelle, funktionale und inhaltliche Bedingungen legen die für mögliche Alternativen fest. Regelmäßigkeiten, die bei den Auswahlprozessen zu beobachten sind, können mit Hilfe von Merkmalsregeln beschrieben werden. Solche Merkmalsregeln werden bei der Erzeugung einer Realisierung angewandt und erzeugen dabei stilistische Merkmale, also Regelmäßigkeiten in der Realisierung, aus denen wiederum bei der Wahrnehmung eines Stils auf die angewandten Merkmalsregeln geschlossen wird. Stilmerkmale werden damit als Anzeichen (Indices) für Auswahlprozeduren bestimmt. In diesem Zeichenprozess werden Spuren der Regelanwendung zum Zeichen für die Regeln, deren Anwendung sie erzeugt hat. Der Verf. definiert spezielle Begriffe für diesen Vorgang (Kap. 2.13): Entstehen durch die Anwendung von Merkmalsregeln Merkmale in der erzeugten Realisierung, spricht er vom Einschreiben der Merkmalsregeln in die Realisierung; wird aus den Merkmalen auf die Merkmalsregeln geschlossen, spricht er vom Auslesen der Merkmalsregeln; beide Vorgänge werden (in Kap. 5) durch Algorithmen modelliert. Merkmalsregeln dienen zur Darstellung aller Arten von Regelmäßigkeiten der Auswahl, die bei der Erzeugung einer Realisierung gelten. Die Ursachen für diese Regelmäßigkeiten können sehr unterschiedlich sein (bewusste Stilentscheidungen, Einflüsse des sozialen Umfelds, der Tradition oder der Ausbildung, physiologische Faktoren wie bei Bewegungs- 170 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Bern/ Berlin/ Kapstadt) stilen). Die Besonderheit des Modells scheint mir darin zu liegen, dass es diese Ursachen der feststellbaren Regelmäßigkeiten nicht direkt in die Beschreibung einbezieht: sie sind dem Stilempfänger bei der Betrachtung einer Realisierung nicht direkt zugänglich, können aber im Interpretationsprozess (Kap. 6 u. 7) aus den Regelmäßigkeiten der Auswahl erschlossen werden. Der Ansatz erhebt zwar einen sehr generalisierenden Anspruch, leugnet aber nicht die Bedeutung der einzelwissenschaftlichen Forschung, für die er vielmehr eine gemeinsame Grundlage bieten will. Dies wird durch zahlreiche (freilich meist konstruierte, d. h. nicht empirisch erhobene) Beispiele bekräftigt, die zeigen sollen, wie einzelne Merkmalsregeln für entsprechende Stile angewandt werden und wie sich daraus in einer Interpretation weiterführende Erkenntnisse ergeben. Die Verbindung zwischen verschiedenen tradierten Stilkonzeptionen (Kap. 3) wird gewährleistet durch die Beschreibung von Merkmalen als Regeln, die bei der Schemaausführung die Auswahl bestimmen, selbst aber wiederum zum Ausgangspunkt von Zeichenprozessen der Interpretation werden. Ein wichtiges Ergebnis der Arbeit sehe ich in der Erkenntnis, dass Stil aus zwei interagierenden Prozessen besteht, die der Verf. als Merkmalsprozess und Interpretationsprozess dargestellt. Der Strukturalismus bietet eine solide Grundlage der Beschreibung der Auswahlvorgänge, die im Merkmalsprozess beschrieben werden: aus Alternativenklassen (= Paradigma) werden die Elemente ausgewählt, die eine Realisierung (= Syntagma) bilden. Dabei auftretende Regelmäßigkeiten werden als Merkmalsregeln dargestellt. Dieser Prozess wird detailliert modelliert, was eine präzise Darstellung der Kohärenzphänomene (aber auch der Brüche und Widersprüche innerhalb von Stilen) im Interpretationsprozess ermöglichen und einfache Relationen (etwa Widersprüchlichkeit stilistischer Merkmale) oder komplexe Zeichenrelationen und Bezüge zu historischen Epochen erklären können soll (Kap. 7). Schließlich werden beide Prozesse zusammengefasst zu den Vorgängen des Anwendens und Wahrnehmens eines Stils: beim Wahrnehmen eines Stils wird zuerst der Merkmalsprozess aufgerufen, der eine Menge von Merkmalsregeln aus der Realisierung ausliest, und dann der Interpretationsprozess, der diese Menge als Input erhält und aus ihr eine Menge von Interpretationsergebnissen erzeugt; beim Anwenden eines Stils kann zunächst eine Interpretation (probeweise) erzeugt werden, um die Wirkung eines Stils zu überprüfen; gegebenenfalls wird der Stil angepasst, bevor er durch Aufruf des Merkmalsprozesses in eine Realisierung eingeschrieben wird. Die Modellierung der doppelten Reduktion, durch die verschiedene Arten von Information in eine Realisierung gelangen, scheint mir ein weiterer wichtiger Ertrag der Arbeit. Ein Stil wird dabei definiert als eine bestimmte Art, eine Realisierung auszuführen. Diese wird als Menge von Merkmalsregeln dargestellt, wobei der interessanteste Aspekt oft in den weitergehenden Erkenntnissen, Bedeutungen und Eindrücken besteht, zu denen diese Anlass geben. Da nur eine Realisierung als Medium der Informationsübermittlung vorhanden ist, können diese Informationen nur aus den Regelmäßigkeiten bei deren Erzeugung (eben den Merkmalsregeln) im Interpretationsprozess erschlossen werden. Aber die Merkmalsregeln können nicht direkt übermittelt werden, da dem Stilwahrnehmenden die Auswahlvorgänge meist nicht zugänglich sind; vielmehr können sie nur aus den ‘ Spuren ’ erschlossen werden, die sie in der Realisierung hinterlassen; stilistische Merkmale Semiotik des Stils 171 sollen als durch Regelanwendung erzeugte Regelmäßigkeiten in Realisierungen beschrieben werden können. Durch diese zweifache Reduktion des Stils im Prozess seiner Übermittlung - zunächst auf eine Menge von Merkmalsregeln und dann auf die Anwendungsspuren dieser Merkmalsregeln in einer Realisierung - wird erklärbar, wie Stil als Zeichenprozess funktioniert. In der Einleitung stellt der Verf. die Frage, wie es überhaupt sein kann, dass eine Realisierung jene Art von Information enthält, die wir ‘ Stil ’ nennen. Die doppelte Reduktion soll ermöglichen, dies formal exakt zu zeigen: ein Stil werde in Form einer Menge von Merkmalsregeln, die bei der Erzeugung einer Realisierung angewandt wird, in eine Realisierung eingeschrieben; beim Wahrnehmen des Stils müsse zunächst aus den Merkmalen (worunter der Verf. die ‘ Spuren ’ der Anwendung von Merkmalsregeln versteht) der Stil erschlossen werden, bevor aus den Relationen zwischen den Merkmalsregeln im Prozess der Interpretation weitere Bedeutungen gewonnen werden. Aus den Reduktionsvorgängen beim Verwenden resultiere also beim Wahrnehmen eines Stils die Notwendigkeit der Rekonstruktion. Dies erkläre, warum stets Abweichungen zwischen verwendetem und wahrgenommenem Stil sowie zwischen der Stilwahrnehmung verschiedener Empfänger auftreten, insbesondere weil Hintergrundwissen bei der Interpretation eine große Rolle spiele. Hervorzuheben ist auch die Modellierung der Stilinterpretation (Kap. 6 u. 7), die man als ‘ pluralistisch ’ bezeichnen könnte, da die unterschiedlichsten Erzeugungsweisen von Ergebnissen (logische Deduktion, Abduktion, konventionelle Bedeutungen, Gefühlsreaktion) und Arten von Ergebnissen (Propositionsannahmen, Eindrücke, Gefühle) berücksichtigt werden. Das Modell ist zudem offen für weitere Operationen bzw. Ergebnissorten. Der allgemeine Prozess der Interpretation, der diese verschiedenen Operationen kombiniert, wird algorithmisch dargestellt. Diese Formalisierung ist indes nur möglich, weil eine Funktion ‘ Interesse ’ den ‘ Interpretationsweg ’ bestimmt. Es ist daher zu fragen, ob der ‘ praktisch ’ nicht anwendbare Ausgabe-Algorithmus nötig ist, wenn er nur die ‘ prinzipielle ’ Verbindung zwischen der Formalisierung des Prozesses und den Beispielen erlaube. Ist nicht eher anzunehmen, dass menschliche Entscheidungen, die unter so wenig vorhersagbaren Einflüssen ablaufen wie diejenigen bei einer Interpretation, auf einer allgemeinen Ebene kaum modelliert, sondern nur bei einer konkreten Interpretation untersucht werden können? Das vorgestellte Modell soll präzise Aussagen (z. B. über Hintergrundwissen) ermöglichen und die Grenzen des Sagbaren anerkennen, indem es aus dem Sprachbzw. Logikzentrismus ausbricht und auch nicht-propositionale kognitive Reaktionen und sogar Gefühle als legitime Interpretationsbestandteile einbezieht. Aus semiotischer Sicht handelt es sich beim Merkmalsprozess um einen indexikalischen Zeichenprozess, da die Anwendung der Regeln (Ursache) zu bestimmten Regelanwendungsspuren (Wirkung) führt, die für den Empfänger den Rückschluss auf die Ursache erlauben. Insofern leistet die Arbeit nicht nur einen Beitrag zur Stiltheorie, sondern auch zur Zeichentheorie, indem sie einen (freilich recht speziellen) indexikalischen Zeichenprozess erklärt und formal darstellt. Es ist allerdings fraglich, ob sich dies ohne weiteres für andere indexikalische (oder sonstige) Zeichenprozesse wiederholen lässt. Die vorgeschlagenen Begriffe ‘ Einschreiben ’ und ‘ Auslesen ’ für diesen spezifischen Zeichenprozess (also den Übergang von Regeln zu Regelanwendungsspuren und von diesen Spuren zurück zu den 172 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Bern/ Berlin/ Kapstadt) angewandten Regeln) muten eher informationstheoretisch an und müssten einer empirischen Prüfung unterzogen werden. Als weitere theoretische Leistung kann die Entwicklung einer einfachen Schematheorie betrachtet werden, auch wenn sie hier nur im Blick auf die Stiltheorie ausgearbeitet wird; ob sie als Ausgangspunkt für eine allgemeine Theorie denkbar wäre, wäre ebenfalls zu prüfen. Die Frage, ob die Stilinterpretation zu einer allgemeinen Interpretationstheorie erweitert werden kann, übersteigt den Horizont des im übrigen beeindruckenden Vorhabens, das zweifellos ein wichtiger Baustein stiltheoretischer Überlegungen auf semiotischer Grundlage ist, auch wenn es nicht frei von Redundanzen ist und gelegentlich der Versuchung nicht widersteht, in der Darstellung auf Nebenwege zu geraten, die für das zentrale Interesse am Stil auf den ersten Blick nicht direkt und zwingend zielführend scheinen. Die Unterscheidung zwischen ‘ Theorie ’ und ‘ Modell ’ scheint mir nicht immer konsequent durchgeführt und die Verwendung des ‘ Code ’ -Begriffs vor dem Hintergrund der dazu mittlerweile geführten Diskussion noch genauer absicherungsfähig. Inwieweit die Formalisierung für eine Bewährung in der Praxis der Stilanalyse taugt, bliebe abzuwarten. Aber das wäre eine Aufgabe weiterer Studien. Wir haben es in diesem (aus einer von Roland Posner betreuten und an der Technischen Universität Berlin eingereichten Dissertation hervorgegangenen) Buch mit einer ungewöhnlich anspruchsvollen und durchweg sehr sorgfältig gearbeiteten Untersuchung zu tun, die m. E. ohne weiteres die Anforderungen an eine Habilitationsschrift erfüllen würde und die traditionsreiche Diskussion über Stiltheorie neu beleben und gewiss beeinflussen wird. Das umfangreiche Literaturverzeichnis (pp 463 - 492) zeugt von der umfassenden einschlägigen Belesenheit des Verf., der seinem Werk außerdem noch dankenswerterweise einen Sach- und Namensindex beigibt. Hinter das Niveau der hier geleisteten Verbindung variationstheoretischer und zeichentheoretischer Stilbestimmungen sollten künftige Untersuchungen zu diesem Thema jedenfalls möglichst nicht zurückfallen, wenn sie die einschlägige Forschung zu bereichern beanspruchen. Selbst wer den Formalisierungsanstrengungen wenig abgewinnen kann, wird durch die Erörterung zahlreicher Beispiele aus Literatur und Architektur, Kunst und Musik mehr als entschädigt. Man wird nach diesem Buch über Stil in anderer Weise sprechen als bisher, man wird ihn nicht nur in belletristischen Texten oder in den Künsten suchen, sondern auch in Phänomenen, die bislang eher alltagssprachlich mit dem Ausdruck ‘ Stil ’ beschrieben wurden (Laufstile von Sportlern, Stile der Problemlösung, Stile von Bankräubern etc.) und über die hier dennoch in einem einheitlichen theoretischen Rahmen gesprochen werden kann. Literatur Anderegg, Johannes 1977: Literaturwissenschaftliche Stiltheorie, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Fix, Ulla, Andreas Gardt & Joachim Knape (eds.) 2008 - 2009: Rhetorik und Stilistik/ Rhetoric and Stylistics. Ein internationales Handbuch historischer und systematischer Forschung, 2 vols., Berlin/ New York, de Gruyter Mouton Gumbrecht, Hans Ulrich & K. Ludwig Pfeiffer (eds.) 1986: Stil. Geschichten und Funktionen eines kulturwissenschaftlichen Diskurselements, Frankfurt/ Main: Suhrkamp Semiotik des Stils 173 Halliday, Michael A. K. 1980: “ Sprachfunktion und literarischer Stil: Eine Untersuchung über die Sprache von William Goldings The Inheritors ” , in: Hess-Lüttich (ed.) 1980: 311 - 340 Hess-Lüttich, Ernest W. B. 1980: “ Stiltheorie. Zur Verständigung über Stil in der Angewandten Linguistik ” , in: Wolfgang Kühlwein & Albert Raasch (eds.) 1980: Angewandte Linguistik. Positionen - Wege - Perspektiven, Tübingen: Gunter Narr, 91 - 112 Hess-Lüttich, Ernest W. B. (ed.) 1980: Literatur und Konversation. Sprachsoziologie und Pragmatik in der Literaturwissenschaft, Wiesbaden: Athenaion Hess-Lüttich, Ernest W. B. & Karin Wenz (eds.) 2006: Stile des Intermedialen. Zur Semiotik des Übergangs (= Kodikas/ Code. An International Journal of Semiotics 29.1 - 3), Tübingen: Gunter Narr Nöth, Winfried 2009: “ Stil als Zeichen ” , in: Fix et al. (eds.) 2008 - 2009, vol. 2: 1178 - 1196 Richter, Helmut 1978: “ Zum kommunikationssoziologischen Inhalt des Medienbegriffs ” , in: Ernest W. B. Hess-Lüttich et al. (eds.) 1978: Stilforschung und Rhetorik (= Kongressberichte der 8. Jahrestagung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik, vol. VI), Stuttgart: HochschulVerlag, 37 - 43 Sanders, Willy 1973: Linguistische Stiltheorie. Probleme, Prinzipien und moderne Perspektiven des Sprachstils, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Sanders, Willy 1977: Linguistische Stilistik. Grundzüge der Stilanalyse sprachlicher Kommunikation, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Sanders, Willy 1995: Stil und Stilistik, Heidelberg: Groos Sandig, Barbara (ed.) 1983: Stilistik, 2 vols. (= Germanistische Linguistik 3 - 6/ 1981), Hildesheim/ Zürich/ New York: Olms Sandig, Barbara 2006: Textstilistik des Deutschen, Berlin/ New York: de Gruyter Spillner, Bernd (ed.) 1984: Methoden der Stilanalyse, Tübingen: Gunter Narr Spillner, Bernd 1995: “ Stilsemiotik ” , in: Gerhard Stickel (ed.) 1995: Stilfragen, Berlin/ New York: de Gruyter, 62 - 93 Spillner, Bernd 2009: “ Verfahren stilistischer Textanalyse ” , in: Fix et al. (eds.) 2008 - 2009, vol. 2: 1739 - 1782 Thoma, Werner 1976: Stilistik (= LiLi 22), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Trabant, Jürgen 1974: “ Poetische Abweichung ” , in: Linguistische Berichte 32 (1974): 45 - 59 Wales, Katie 2 2001: A Dictionary of Stylistics, Harlow: Pearson ( 1 1990: London: Longman) 174 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Bern/ Berlin/ Kapstadt)