eJournals Kodikas/Code 39/3-4

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2016
393-4

Narrative Kommunikation, Meta-Erscheinungen und ihre Formen in der Literatur der Frühen Moderne

121
2016
Magdolna Orosz
kod393-40273
K O D I K A S / C O D E Volume 39 (2016) · No. 3 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen Narrative Kommunikation, Meta-Erscheinungen und ihre Formen in der Literatur der Frühen Moderne Magdolna Orosz (Budapest) In narratological research, ‘ metanarration ’ , metafiction ’ , ‘ metalepse ’ function as terms for different types of self-reflexivity which are, in spite of their divergent definitions, closely related together. These phenomena are in effect different but related forms of selfreflexive narration as they connect elements and levels of a multi-layered narrative communication between author, narrator, character and recipient accentuating their borders as well as the possibilities and versions of their “ trespassings ” . The paper aims at a brief outline of the theoretical backgrounds of narrative self-reflexivity and tries to illustrate it through some examples from texts of authors of the literary historical period of Early Modernity. 1 Meta-Erscheinungen in narrativer Kommunikation Meta-Erscheinungen, verschiedene Formen und Arten der mit einem zusammenfassenden Terminus bezeichneten Metaisierung sind in der narratologischen Forschung in den letzten Jahren intensiv untersuchte Erscheinungen. 1 Michael Scheffel bestimmt - in Anlehnung an Werner Wolf - Metaisierung als ein Phänomen, zu dem neben einem bestimmten semiotischen System (verstanden als ein Werk, eine Gattung oder ein Medium) eine Metaebene gehört, von der aus Metareferenz erfolgt (verstanden als eine besondere Art von Selbstreferenz, bei der Aussagen über das System als solches oder auch Teilaspekte von ihm gemacht oder impliziert werden (Scheffel 2007: 155). ‘ Metaisierung ’ in literarischen Texten - so Scheffels Meinung - bezieht sich auf verschiedene Ausprägungen selbstreflexiven Erzählens; diese werden in narratologischen Untersuchungen mit Begriffen wie Metanarration, Metafiktion, Metalepse bezeichnet, und es wird verschiedentlich versucht, sie zu systematisieren und in einen gemeinsamen theoretischen Rahmen zu stellen. 2 1 Als zusammenfassende Übersicht über theoretische Probleme, Formen, Typologien wie auch über bestimmte historisch feststellbare Varianten der Metaisierung cf. Hauthal et al. 2007. 2 Cf. dazu außer Scheffels hier zitierter Arbeit Werner Wolfs Untersuchungen, so u. a. Wolf 1993, 2007. Wolf erweitert seine Untersuchungen allerdings auch auf transgenerische und transmediale Formen des Erzählens. Bei näherer Betrachtung handelt es sich bei den erwähnten Erscheinungen um unterschiedliche, aber miteinander zusammenhängende Formen narrativer Selbstreflexion, die verschiedene Elemente und Ebenen der mehrschichtigen narrativen Kommunikation zwischen Autor-Erzähler-Figur-Rezipient ins Spiel bringen und historisch auch wandelbare besondere Varianten selbstreflexiven Erzählens prägen. Literarische narrative Texte - im Weiteren geht es um solche - sind mehrschichtige komplexe Textstrukturen, die in einem Modell narrativer ‘ möglicher Welten ’ beschrieben werden können. Die Anwendung des Begriffs der ‘ möglichen Welt ’ in der Analyse literarischer narrativer Texte wird in den sogenannten “ neuen Narratologien ” 3 neuerdings mit einer erhöhten Aufmerksamkeit aufgenommen. 4 Diese Auffassung versucht, narrative Texte grundsätzlich - teilweise auch die Erkenntnisse anderer Auffassungen, so z. B. die wichtigsten Ansichten der klassischen Narratologie Todorovscher oder Genettescher Art integrierend - in einem integrierten Modell zu konzipieren: Als eine Deskription der erzählten Welt, ein Handlungsmodell, das sowohl die referentiellen Relationen (Fiktionalität) als auch die internen semantischen Bezüge der erzählten Welt beschreibt sowie als eine Deskription des Erzählens, des Erzählmodells/ der Erzählwelt, das heißt der Charakteristika des Erzähldiskurses, der spezifischen (text)pragmatischen Eigenschaften literarischer narrativer Texte (spezieller Kommunikationsakt, Präsentation durch einen fiktiven Erzähler). Das Konzept der ‘ möglichen Welt ’ erlaubt zugleich die Möglichkeit zur Öffnung der Textwelt, das heißt eine komplexe und systematische Beschreibung von intertextuellen Relationen 5 und vermag auch die Besonderheiten literarischer Kommunikation zu erfassen. Die Textwelt, die auf diese Weise in eine erzählte Welt und eine Erzählwelt gegliedert werden kann, 6 etabliert eine mehrschichtige Kommunikation, deren Ebenen miteinander in vielfältigen Beziehungen stehen können. Im Falle von literarischen narrativen Texten handelt es sich um eine mehrfach zusammengesetzte, “ sowohl [. . .] reale wie [. . .] imaginäre ” Kommunikation (Klein/ Martínez 2009: 2): Hier gibt es eine Kommunikationsebene zwischen einem den Text produzierenden Autor und einem Leser, die als reale Instanzen vielfach in die von vornhinein eigenartige literarische Kommunikation eingebunden sind. Diese wird durch die zeitliche und räumliche Getrenntheit von Autor und Leser, die Fiktionalität und die spezielle sprachliche Ausgestaltung der Nachricht (des literarischen Textes) charakterisiert. Innerhalb der Textwelt entwirft der Erzähler, der - aus dem fiktionalen Charakter folgend - ein fiktiver ist, einem fiktiven (oft nicht spezifizierten) Gegenüber/ einem Leser eine erzählte Geschichte/ erzählte Welt, in der die die Handlungen/ Ereignisse tragenden Figuren ebenfalls miteinander vielfach in kommunikative Beziehungen treten. 3 Cf. dazu u. a. die Arbeiten von Lubomir Dole ž el oder Marie-Laure Ryan Dole ž el; 1998 a, 1998 b, 2010; Ryan 1991. 4 Cf. Surkamp 2002. Für eine kurze Übersicht der Ergebnisse der ungarischen Theoriebildung in der sog. “ Szegeder Schule ” cf. Kerekes/ Orosz/ Teller 2004. 5 Für einen Ansatz zur Beschreibung von erzählter Welt und Erzähldiskurs sowie Intertextualität im Rahmen einer ‘ möglichen-Welt ’ -Theorie cf. Orosz 1996, 2003. Hier verzichte ich auf eine ausführliche Darstellung unterschiedlicher Auffassungen, die ich andernorts mehrmals diskutiert habe. 6 Die verschiedenen Ausprägungen der klassischen Narratologie verwenden dabei unterschiedliche Ebenengliederungen, die die narrative Struktur in unterschiedliche Ebenen einteilen, die aber grundsätzlich diese binäre Gliederung in Erzähltes und Erzählen gegebenenfalls weiter untergliedern; zu einer Übersicht der Konzeptionen cf. Martínez/ Scheffel 1999: 25 f. 274 Magdolna Orosz (Budapest) Die einzelnen Varianten dieser allgemeinen Struktur narrativer Kommunikation erlauben, je nach der Art des Erzählers, das heißt seiner Stellung im Verhältnis zur erzählten Welt als Außen- oder Innenstehender bzw. Beobachter/ Berichterstatter oder Teilnehmer/ Mitwirkender, 7 unterschiedliche Kombinationen, und sie können auch Grenzüberschreitungen zwischen Erzählwelt und erzählter Welt generieren. So kann eine Figur der erzählten Welt zum Erzähler seiner eigenen Geschichte oder der einer anderen Figur werden (homodiegetisches Erzählen mit extra- und intradiegetischer Variante) oder ein außerhalb der erzählten Welt befindlicher Erzähler (als Teil der Erzählwelt) kann auch unterschiedliche Beziehungen und Bezugnahmen zur von ihm erzählten Welt unterhalten, wodurch auch selbstreflexive Momente entstehen können. Diese selbstreflexiven Bezugnahmen können zusammenfassend - unabhängig von der Position des Erzählers als hetero- oder homodiegetischer Erzähler - als Erzählerinterventionen betrachtet werden. Die in den Erzählerinterventionen zustande kommende Reflexion/ Selbstreflexion unterliegt den unterschiedlichen Bezugnahmen auf Elemente der erzählten Welt und/ oder der Erzählwelt. Die grundlegenden Formen dieser Erzählerinterventionen können sich auf a) semantischreferentielle, b) formal-syntaktische sowie semantische und c) erzählpragmatische Elemente/ Momente beider Ebenen reflektieren. So kommen - in meiner eigenen Systematisierung 8 - drei Relationen zustande, die metafiktionale und metanarrative Selbstreflexion generieren. 1) Die erste Relation (R1) besteht in der Thematisierung einer potentiellen Beziehung der erzählten fiktiven Welt bzw. ihrer Figur zur außerfiktionalen Welt, die eine (scheinbare/ vorgetäuschte) Referenzrelation zwischen erzählter Welt und außertextueller realer Welt zustandebringt, wodurch das Problem der Fiktionalität hervorgekehrt werden kann. 2) Die zweite Relation (R2) kehrt die syntaktischen und semantischen Eigenschaften der erzählten Welt(segmente) explizit hervor, so werden die Identität(en) und die Eigenschaften der (fiktiven) Figur(en), die Einrichtung der erzählten Welt, die Anordnung und Verknüpfung der erzählten Ereignisse thematisiert, wodurch sowohl die Fiktionalität als auch die narrative Einrichtung durch den jeweiligen Erzähler verdeutlicht wird. 3) Die dritte Relation (R3) weist Bezugnahmen auf bestimmte, das Erzählen/ die Erzählwelt beeinflussende (literarische) Konventionen und Bezugnahmen auf den Prozess der Textproduktion sowie auf die erzählpragmatische Funktion des Erzählers auf. Die in den verschiedenen narratologischen Überlegungen vielfach diskutierten Begriffe von Metafiktion und Metanarration hängen mit diesen selbstreflexiven Relationen eng zusammen. Birgit Neumann und Ansgar Nünning bestimmen beide Bezeichnungen als “ umbrella terms designating self-reflexive utterances ” (Neumann/ Nünning 2009: 204) und betonen auch ihre enge - gegenseitige - Verbindung, denn “ they are related and often used 7 Cf. dazu den hetero- und homodiegetischen, bzw. extra- und intradiegetischen Erzähler in der Genetteschen Terminologie, die auch vielfach diskutiert, ergänzt oder modifiziert wird; cf. dazu u. a. Martínez/ Scheffel 1999: 80 ff.; Lahn/ Meister 2008: 67 ff.; Köppe/ Kindt 2014: 94 ff.; für einen Erweiterungsvorschlag mit einem peridiegetischen Erzähler cf. Lang 2014. 8 Cf. dazu als einen frühen Beitrag Orosz 1984; hier wird auch die Bezeichnung Erzählerintervention eingeführt. Für weitere Ausführungen dieser Systematisierung cf. auch Orosz 2001. Narrative Kommunikation, Meta-Erscheinungen und ihre Formen in der Literatur der Frühen Moderne 275 interchangeably ” (Neumann/ Nünning 2009: 204). Sie werden aber zugleich auch voneinander unterschieden: “ metanarration refers to the narrator ’ s reflections on the act or process of narration; metafiction concerns comments on the fictionality and/ or constructedness of the narrative. ” (Neumann/ Nünning 2009: 204). Die Metafiktion, die “ als Strategie der Bewusstmachung der Fiktionalität eines Textes aufgefasst wird ” (Köppe/ Kindt 2014: 254) 9 und somit auch Kommentare über die Fiktionalität und/ oder die Konstruktion der Textwelt beinhalten kann, könnte auf Grund dieser Überlegungen den beiden Relationen R1 und R2 zugeordnet werden, wobei hier sowohl referentielle Bezüge als auch semantische Beziehungen in der dargestellten Welt (also beide Aspekte semantischer Zeichenrelationen) sowie auch der Aufbau und die strukturellen Eigenarten der erzählten Welt in Betracht gezogen werden. Die Metanarration, die bei Neumann und Nünning die Kommentare des Erzählers über die Narration selbst bezeichnet, wäre dann mit Relation R3 in Verbindung zu bringen. Allerdings soll hier betont werden, daß alle drei Relationen und damit die Metafiktion und die Metanarration gleichermaßen mit der Narration einer Erzählinstanz zusammenhängen und eine solche voraussetzen, dadurch miteinander in der narrativen Kommunikation verbunden sind sowie vielfältige Abhängigkeiten und Übergänge ihrer Ebenen zwischen Autor-Erzähler-Figur-Rezipient etablieren, so dass sie auch nicht strikt zu trennen sind. 10 Weiterhin lassen sich enge Verbindungen zu Formen metaleptischer Grenzübertretungen behaupten, indem Metalepse innerhalb der narrativen Kommunikation als ein Ineinanderrücken ihrer möglichen einzelnen Ebenen verstanden wird 11 und metafiktionale sowie metanarrative Beziehungen stiften kann. Die hier aufgeführten Relationen, dieVarianten der sogenannten Erzählerinterventionen, das heißt Metafiktion und Metanarration und Selbstreflexion sind theoretisch betrachtet in allen Erzählungen möglich, ihr Vorkommen zeigt aber auch gattungsmäßige, erzählerabhängig-kommunikative wie historische Unterschiede auf. Die Untersuchung von Erzähltexten der Romantik - so u. a. von Tieck, Brentano und vor allem E.T. A. Hoffmann 12 - zeigt eine intensive Reflexion der Möglichkeiten des Erzählens selbst auf, was auch in den verschiedenen Ausprägungen metanarrativer, metafiktionaler und metaleptischer Bezüge solcher Texte nachgewiesen werden kann. In den romantischen Texten von Brentano und Hoffmann lässt sich eine intensive - oft ironische, selbstreflexive - Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Erzählens, mit den narrativen Instanzen und ihren Rollen, Funk- 9 Eine kurze Auseinandersetzung mit den Definitionen von Metafiktion(alität) liefert Köppe, um zu einer möglichen Bestimmung der Metafiktionalität zu gelangen, die er interpretationstheoretisch bestimmt, indem er behauptet, “ [w]er von einem Text sagt, er sei metafiktional, nimmt nicht nur auf eine (primäre) Eigenschaft des Textes [. . .] Bezug, sondern meint vielmehr, dass sich der Text plausibel im Hinblick auf Aspekte seiner Fiktionalitätsdimension interpretieren lässt ” (Köppe 2010: 121; Hervorh. in Original). Köppe legt sich auf keine strenge Definition fest und plädiert auch dafür, Metafiktionalität graduell einzuordnen, so “ dass die Metafiktionalitätsdimension des Textes mehr oder minder zentral/ wichtig für dessen Interpretation sein kann ” (Köppe 2010: 126). 10 Es wäre zu bedenken, ob Metafiktion und Metanarration nicht unter den zusammenfassenden Begriff von Selbstreflexivität zu subsumieren wären. So funktionierte Selbstreflexivität als ein umfassende(rer) Sammelbegriff; Scheffel gebraucht auch eine Terminologie, die auf Selbstreflexion gebaut wird; cf. dazu Scheffel 1997. 11 Zur Frage der Metalepse und ihrer theoretischen Bezügen cf. Nünnig 2001 sowie die Beiträge in: Pier/ Schaeffer 2005. 12 Cf. dazu die Analysen zu E.T. A. Hoffmann in Orosz 2001. 276 Magdolna Orosz (Budapest) tionen und Übergängen feststellen, die teilweise auch auf die romantische Ästhetik, ihre Konzeption vom Kunstwerk und vom Autor, der “ sich eine Autor(Künstler)Natur, aus [bildet] ” (Novalis 1968: 365, Hervorh. im Original), zurückzuführen ist. Mit der Transformation des Romans und des Erzählens im 18. Jahrhundert öffnet sich nämlich ein breites Experimentierfeld literarischen Erzählens. Der lange Ausdifferenzierungsprozess der Elemente der Narration wie des Autors und des Erzählers 13 kommt in eine Phase, die einen spielerischen Umgang ermöglicht. Dieser spielerische Umgang selbst wird zum Bestandteil einer Poetik gemacht, die den Akzent auf Originalität und Autonomie des Kunstwerks und damit des Autors legt, der seine Rolle vielfach thematisiert. Die Romantik “ gilt nicht nur als die Geburtsstunde des modernen Autors, sondern markiert zugleich den Höhepunkt auktorialer Selbstermächtigung ” (Heinen 2005: 8 f.). DieVarianten der Erzählerinterventionen als Formen metafiktionaler wie metanarrativer Bezugnahmen deuten im allgemeinen eine Typologie solcher Formen an, indem sie die referentiellen, die syntaktisch-semantischen und die literarisch-ästhetischen pragmatischen Relationen der erzählten Welt und der Erzählwelt thematisieren. 14 Solche Hervorkehrungen der Grenzen von Erzählwelt und erzählter Welt, das heißt ähnliche metanarrative Erzählerinterventionen, die metafiktionale und/ oder metaleptische Züge haben können, kommen auch bei anderen Autoren und in anderen literaturhistorischen Perioden vor. So kann eine Untersuchung der Metanarration bei bestimmten Autoren und in einzelnen Epochen sowie ihre jeweiligen Funktionalisierungen in Hinsicht auf literatur- und gattungsgeschichtliche Fragestellungen aufschlussreich sein. 15 Im Folgenden werden einige Beispiele für die Verwendung verschiedener selbstreflexiver Verfahren der narrativen Kommunikation aus der Literatur der Frühen Moderne 16 aufgeführt. 2 Narrative Selbstreflexion als poetologisches Prinzip Die Literatur der Frühen Moderne sieht sich mit verschiedenen Problemen konfrontiert, die sich auch in den literarischen Texten vielfältig artikulieren: unter dem Einfluss philosophischer Überlegungen (Nietzsche, Mach), der Psychoanalyse von Freud, der Sprachkritik (Mauthner) sowie künstlerisch-ästhetischer Innovationen (Impressionismus, Symbolismus) tauchen vielfältige Spuren einer Sprachkrise und Identitätskrise, somit einer Krise des Schreibens und Erzählens auf, die bei verschiedenen Autoren der Jahrhundert- 13 Die früheren Formen der Herausbildung von Erzähler und Autorschaft und somit der mehrschichtigen narrativen Kommunikation etwa im Mittelalter lassen auf solche Prozesse schließen, cf. Glauch 2009: 77 ff. Ansätze zu einer historischen Narratologie, die die historischen Ausprägungen möglicher narrativer Formen und Verfahren untersucht, sind in den letzten Jahren vermehrt zu finden; cf. dazu z. B. Haferland/ Meyer/ Stange 2010. 14 Nünning bemängelt das Fehlen einer Typologie der Formen metanarrativer Bezugnahmen: „ they [the few studies devoted to metanarration] neither attempt to define the phenomenon of metanarration or to differentiate between the different types, nor do they consider which functions such expressions could fulfil in individual cases ” (Nünning 2004: 14). Meine Unterscheidung von R1, R2, R3 stellt immerhin eine Typologie dar, die ich schon früher festgelegt hatte, cf. Orosz 1984, 2001. 15 Für eine kurze Diskussion einiger selbstreflexiven Formen in und nach der Romantik cf. z. B. Orosz 2014. 16 Zum Begriff der ‘ Frühen Moderne ’ cf. Wünsch 1991: 200 f.; Titzmann 1989; Titzmann 2002: 183. Narrative Kommunikation, Meta-Erscheinungen und ihre Formen in der Literatur der Frühen Moderne 277 wende/ der Frühen Moderne diagnostizierbar sind und auch zu Reflexionen möglicher Auswege führen können. Im Folgenden werden Texte von drei Autoren untersucht, deren Werke die Problematik des Erzählens in der Frühen Moderne sozusagen emblematisch aufzeigen: Dies geschieht in unterschiedlichen narrativen Formen, jedoch verbinden diese Texte ihre selbstreflexiven narrativen Bezugnahmen auch mit der Artikulierung poetologischer Fragen und Prinzipien. 17 2.1 Robert Musils Erzähler und die Suche nach dem verlorenen Faden Die Problematik von Erzählen, Identität und Geschichte erscheint in Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften als allgemeines Krisenbewusstsein, das sich als “ die Relativität und der Zerfall der Werte sowie eine komplexe, mehrdimensionale Identitätskrise: in individuelle-existentieller, geschlechtsspezifischer und ethnisch-nationaler Hinsicht ” (Goltschnigg 1996: 176) artikuliert. Der Roman gab und gibt zu verschiedenartigen Analysen Anlass, Magris spricht hier von einer “ alle Maße sprengenden, vielflächigen geistigen Enzyklopädie ” (Magris 2000 331), die - wie dies oft betont wird - auch das Problem des Erzählens in ein besonderes Licht zu stellen vermag. Der Roman verzichtet auf eine lineare narrative Zeitdarstellung, eine zusammenhängende Handlung (gewissermaßen auf “ Handlung ” überhaupt) sowie auf kohärentes Erzählen. 18 Musil schreibt selbst dazu: “ Erzählungstechnik. Der übliche Ablauf längs der Zeitreihe ist eigentlich ein Zwang ” (Musil 1976, 583). Bei all dieser Auflösungsphänomene traditionellen Erzählens bleibt in der Textwelt ein heterodiegetischer, kommentierender Erzähler erhalten, der sich immer wieder zu Wort meldet und die erzählte Welt deutet, Figuren einführt, Umstände erklärt, auf Widersprüche und Unzuverlässigkeiten hinweist, das heißt erzählerische Traditionen scheinbar weiterführt, sie aber auch ironisch konterkariert. Gleich am Anfang lässt sich dieser Erzähler nach der unpersönlichen meteorologischen Einleitung erkennen, indem er sich auf literarische Konventionen des Erzählanfangs ironisch beruft (R3): “ Mit einem Wort, das das Tatsächliche recht gut bezeichnet, wenn auch etwas altmodisch ist: Es war ein schöner Augusttag des Jahres 1913 ” (Musil 1990: 9). 19 Ähnlich verfährt der Erzähler bei der Beschreibung des Handlungsorts, den er nachdrücklich nennt und damit eine außerfiktionale Entität fiktionalisierend in die erzählteWelt einführt, ihre Funktion aber gleichzeitig relativiert (R1/ R2): An diesem Geräusch, ohne daß sich seine Besonderheit beschreiben ließe, würde ein Mensch nach jahrelanger Abwesenheit mit geschlossenen Augen erkannt haben, daß er sich in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien befinde. [. . .] Die Überschätzung der Frage, wo man sich befinde, stammt aus der Hordenzeit, wo man sich die Futterplätze merken mußte. [. . .] Es soll also auf den Namen der Stadt kein besonderer Wert gelegt werden (Musil 1990: 9 f.). 17 Da es mir hier vor allem um das Aufzeigen verschiedener Formen selbstreflexiven Erzählens geht, werden die analysierten Werke nicht in der Reihenfolge ihres Entstehens behandelt. 18 Jonsson betont auch diese Charakteristika: “ The laws of causality are suspended. The temporal structure is blurred. The absence of a subordinate narrative and temporal order creates the impression that everything happens more or less simultaneously: the narrative creates an achronic space ” ( Jonsson 2000: 124 f.). 19 Zur Frage der Bedeutung der Ironie im Roman cf. Hüsch 2002: 21 f. 278 Magdolna Orosz (Budapest) Scheinbar wird die auktoriale Tradition auch bei der Einführung der (fiktiven) Figuren fortgesetzt, indem der Erzähler zwei Personen genau vorstellt, deren Identität dann gleich verunsichert wird (R2): Die beiden Menschen, die darin eine breite, belebte Straße hinaufgingen, hatten natürlich gar nicht diesen Eindruck. Sie gehörten ersichtlich einer bevorzugten Gesellschaftsschicht an, waren vornehm in Kleidung, Haltung und in der Art, wie sie miteinander sprachen, trugen die Anfangsbuchstaben ihrer Namen bedeutsam auf ihre Wäsche gestickt, und ebenso, das heißt nicht nach außen gekehrt, wohl aber in der feinen Unterwäsche ihres Bewußtseins, wußten sie, wer sie seien und daß sie sich in einer Haupt- und Residenzstadt auf ihrem Platze befanden. Angenommen, sie würden Arnheim und Ermelinda Tuzzi heißen, was aber nicht stimmt, denn Frau Tuzzi befand sich im August in Begleitung ihres Gatten in Bad Aussee und Dr. Arnheim noch in Konstantinopel, so steht man vor dem Rätsel, wer sie seien (Musil 1990: 10). Der Erzähler spielt somit mit den Traditionen des auktorialen Erzählers, der sich in der erzählten Welt auskennt und sie sozusagen regiert; 20 gewissermaßen taucht hier auch der Erzählgestus des auktorialen heterodiegetischen Erzählers in Goethes Wahlverwandtschaften auf intertextuell verkehrte Weise auf, der seine Figuren mit einer selbstverständlichen Sicherheit als Regisseur der erzählten Welt einführt. 21 Damit entsteht bei Musil eine die eigene Erzähltätigkeit, aber auch die Möglichkeit des Erzählens selbst problematisierende Variante heterodiegetischer Selbstreflexion, die an entscheidender Stelle diese Problematik thematisiert, wobei hier die Reflexion in die Welt der Figur (in ihre Gedanken) delegiert wird. Es geht dabei um die Überlegungen Ulrichs zum “ Faden der Erzählung ” : Und als einer jener scheinbar abseitigen und abstrakten Gedanken, die in seinem Leben oft so unmittelbare Bedeutung gewannen, fiel ihm ein, daß das Gesetz dieses Lebens, nach dem man sich, überlastet und von Einfalt träumend, sehnt, kein anderes sei als das der erzählerischen Ordnung! Jener einfachen Ordnung, die darin besteht, daß man sagen kann: “ Als das geschehen war, hat sich jenes ereignet! ” Es ist die einfache Reihenfolge, die Abbildung der überwältigenden Mannigfaltigkeit des Lebens in einer eindimensionalen, wie ein Mathematiker sagen würde, was uns beruhigt; die Aufreihung alles dessen, was in Raum und Zeit geschehen ist, auf einen Faden, eben jenen berühmten “ Faden der Erzählung ” , aus dem nun also auch der Lebensfaden besteht. Wohl dem, der sagen kann “ als ” , “ ehe ” und “ nachdem ” ! Es mag ihm Schlechtes widerfahren sein, oder er mag sich in Schmerzen gewunden haben: sobald er imstande ist, die Ereignisse in der Reihenfolge ihres zeitlichen Ablaufes wiederzugeben, wird ihm so wohl, als schiene ihm die Sonne auf den Magen (Musil 1990: 650). Die Betrachtungen kreisen um die Frage der Strukturiertheit von literarischen Texten (R3, teilweise R2), indem auch kontrastive Verbindungen zur außertextuellen Welt (R1) angedeutet, diese aber gleich als poetologisches Problem interpretiert werden: 20 “ The Man Without Qualities is narrated by a disembodied and placeless voice whose irony cuts in all directions. [. . .] the narration refuses to give any authoritative accounts of events, objects, and characters ” ( Jonsson 2000: 124.). 21 “ Eduard - so nennen wir einen reichen Baron im besten Mannesalter - Eduard hatte in seiner Baumschule die schönste Stunde eines Aprilnachmittags zugebracht, um frisch erhaltene Pfropfreiser auf junge Stämme zu bringen. ” (Goethe 1998: 242). Es könnte hier bemerkt werden, daß die Selbstsicherheit des Erzählers auch auf die Figur übertragen wird, die seine Tätigkeit mit einer Sicherheit ausübt, die in der erzählten Welt erst später verunsichert wird. Narrative Kommunikation, Meta-Erscheinungen und ihre Formen in der Literatur der Frühen Moderne 279 Das ist es, was sich der Roman künstlich zunutze gemacht hat: der Wanderer mag bei strömendem Regen die Landstraße reiten oder bei zwanzig Grad Kälte mit den Füßen im Schnee knirschen, dem Leser wird behaglich zumute, und das wäre schwer zu begreifen, wenn dieser ewige Kunstgriff der Epik, mit dem schon die Kinderfrauen ihre Kleinen beruhigen, diese bewährteste “ perspektivische Verkürzung des Verstandes ” nicht schon zum Leben selbst gehörte. Die meisten Menschen sind im Grundverhältnis zu sich selbst Erzähler. Sie lieben nicht die Lyrik, oder nur für Augenblicke, und wenn in den Faden des Lebens auch ein wenig “ weil ” und “ damit ” hineingeknüpft wird, so verabscheuen sie doch alle Besinnung, die darüber hinausgreift: sie lieben das ordentliche Nacheinander von Tatsachen, weil es einer Notwendigkeit gleichsieht, und fühlen sich durch den Eindruck, daß ihr Leben einen “ Lauf ” habe, irgendwie im Chaos geborgen. Und Ulrich bemerkte nun, daß ihm dieses primitive Epische abhanden gekommen sei, woran das private Leben noch festhält, obgleich öffentlich alles schon unerzählerisch geworden ist und nicht einem “ Faden ” mehr folgt, sondern sich in einer unendlich verwobenen Fläche ausbreitet (Musil 1990: 650). Wichtig ist hier, daß die sich zum poetologischen Essay 22 erweiternde Überlegung zwar dem heterodiegetischen Erzähler zugeschrieben werden kann, sie aber an die fiktive Figur Ulrich delegiert wird, indem sie als sein Gedankengang erscheint. Somit changiert das Erzählen zwischen hetero- und homodiegetischen Momenten: Die Verknüpfung mit der Figur lässt die fiktive Lebenswirklichkeit hineinspielen, wogegen die betonte Literarisierung des Problems, die Hinweise auf Gattungskonventionen (R3) das Ganze als Literatur und die Frage des Erzählens sowohl im Leben als auch in der Literatur als poetologische Fragestellung postulieren. Dafür werden die Gegenpole ‘ Faden ’ vs. ‘ Fläche ’ als metaphorische Konstruktionsprinzipien traditionellen und modernen Erzählens implizit suggeriert. Die Textwelt des Romans Der Mann ohne Eigenschaften generiert somit selbstreflexiv ihr eigenes Strukturmodell. 2.2 Fragmentierung der Welt und die Suche nach dem Erzähler Der einzige Roman von Rainer Maria Rilke Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, der nach langjährigen Auseinandersetzungen des Autors mit der narrativen Gestaltung 1910 erschien, 23 geht zeitlich dem Musilschen Roman vor, artikuliert aber auch - auf eine als homodiegetischer Erzähler funktionierende Figur fokussierend - die Problematik des Erzählens, und bedeutet einen der ersten Versuche, den “ Bruch des traditionellen literarischen Genres und des klassischen Menschenbilds des 19. Jahrhunderts ” (Magris 2000: 331) herauszustellen. Die sich mehrere Jahre hinziehende Ausarbeitung des Textes und die von Rilke vorgenommenen Änderungen der Erzählinstanzen 24 zeugen auch von Übergängen und bewussten Akzentverschiebungen hinsichtlich der narrativen Möglichkeiten einer “ innovativen Erzähltechnik ” (Lauterbach 2004: 318). 22 Musils Roman wurden oft essayistische Eigenschaften zugeschrieben, cf. dazu z. B. Niefanger: “ In diesen Texten stellt der Essay in der Regel nicht [. . .] eine eigenständige Stimme im polyphonen Erzählkonzept dar, sondern wird strikt den Figuren zugeordnet. So erscheinen diese als paradigmatische Träger von Ideen und kulturellen Konzepten der Zeit ” (Niefanger 2007: 290). 23 Zur Entstehung des Werkes cf. den Kommentar von August Stahl (Rilke 1996: 866 - 882). 24 Cf. dazu den Kommentar über die Entstehung in Rilke 1996. Für die Frage der Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte und der Reihenfolge der Aufzeichnungen cf. die Anmerkungen von Engel (Rilke 1997). Die verschiedenen Textanfänge werden u. a. bei Wiele diskutiert, cf. Wiele 2010: 85 ff. 280 Magdolna Orosz (Budapest) Als Erzähler funktioniert hier die Figur Malte Laurids Brigge, “ der achtundzwanzig Jahre alt geworden ist und von dem niemand weiß ” (Rilke 1996: 468), der seine eigenen Eindrücke, Wahrnehmungen, Gedanken und Erinnerungen registrierend nach einer Möglichkeit sucht, dies alles zu einem Werk zusammenzufügen, zu erzählen. Daneben verschwindet eine nur in Ansätzen (in spärlichen Randbemerkungen und Anmerkungen) auftauchender Herausgeber (quasi als Reminiszenz der Suche des Autors Rilke nach einer entsprechenden Form) fast völlig, die Stimme der Figur als gleichzeitigen Erzählers seiner Geschichte wird dominierend. 25 Diese Erzähler-Figur beschwert sich immer wieder über die Unmöglichkeit seines Unternehmens, sich als Dichter durch die Konstruktion einer Erzählung zu behaupten. Die fragmentierte Wahrnehmung der Pariser Eindrücke und der Kindheitserinnerungen ist eine Herausforderung, der Malte einerseits durch das Sehenlernen zu entsprechen versucht: Ich lerne sehen. Ich weiß nicht, woran es liegt, es geht alles tiefer in mich ein und bleibt nicht an der Stelle stehen, wo es sonst immer zu Ende war. Ich habe ein Inneres, von dem ich nicht wußte. Alles geht jetzt dorthin. Ich weiß nicht, was dort geschieht. (Rilke 1996: 456) Das Gesehene sollte durch die neue Art von Sehen in einer anderen Perspektive erscheinen, wie z. B. die Frau, deren “ Gesicht in den zwei Händen blieb. Ich konnte es darin liegen sehen, seine hohle Form ” (Rilke 1996: 457), oder die Häuser, deren “ hohle Form ” an den abgerissenen Mauern sichtbar wird: Aber, um genau zu sein, es waren Häuser, die nicht mehr da waren. Häuser, die man abgebrochen hatte von oben bis unten. Was da war, das waren die anderen Häuser, die danebengestanden hatten, hohe Nachbarhäuser. [. . .] Man sah ihre Innenseite. Man sah in den verschiedenen Stockwerken Zimmerwände, an denen noch die Tapeten klebten, da und dort den Ansatz des Fußbodens oder der Decke. [. . .] Am unvergeßlichsten aber waren die Wände selbst. Das zähe Leben dieser Zimmer hatte sich nicht zertreten lassen. Es war noch da, es hielt sich an den Nägeln, die geblieben waren, es stand auf dem bandbreiten Rest der Fußböden [. . .]. Und aus diesen blau, grün und gelb gewesenen Wänden [. . .] stand die Luft dieser Leben heraus, die zähe, träge, stockige Luft, die kein Wind noch zerstreut hatte (Rilke 1996: 485 f.). Die so wahrgenommenen Bilder zeigen eine verkehrte Sicht der Welt, und die erzählende Figur wird durch die Angst, die sowohl die Pariser Gegenwart als auch die Kindheitserinnerungen bestimmt, 26 zugleich gelähmt: “ Nun von dieser Mauer spreche ich fortwährend. [. . .]. Denn das ist das Schreckliche, daß ich sie erkannt habe. Ich erkenne das alles hier, und darum geht es so ohne weiteres in mich ein: es ist zu Hause in mir ” (Rilke 1996: 487). Die andere (aber mit dem neuen Sehen verbundene) Perspektive sollte zur künstlerischen Sicht beitragen. Die Problematik von Kunst und vor allem von Erzählen wird durch die Figur ständig reflektiert: In Anlehnung an die intertextuell evozierten vorbildlichen Künstlerfiguren (Baudelaire, Francis Jammes, Ibsen) konturiert sich eine Vorstellung von Kunst und Schreiben, dem Malte, dem eigenen Ermessen nach, nicht gewachsen ist: 25 Wiele betont außerdem auch die Nähe des Autors Rilke zu seiner Figur: “ Die Künstlerfigur des Malte Laurids Brigge wird somit zu einer Kombination aus inszeniertem Autor-Ich und fiktiver Person ” (Wiele, 2010: 82). 26 Die Angst ist (mit weiteren wie Krankheit, Tod und Selbstverlust) eines der grundlegenden Motive in den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, cf. dazu u. a. Orosz 2013. Narrative Kommunikation, Meta-Erscheinungen und ihre Formen in der Literatur der Frühen Moderne 281 Ich glaube, ich müßte anfangen, etwas zu arbeiten, jetzt, da ich sehen lerne. Ich bin achtundzwanzig, und es ist so gut wie nichts geschehen. Wiederholen wir: ich habe eine Studie über Carpaccio geschrieben, die schlecht ist, ein Drama, das ‘ Ehe ’ heißt und etwas Falsches mit zweideutigen Mitteln beweisen will, und Verse (Rilke 1996: 466). Das bedingt auch die Suche nach literarischen Schreib- und Ausdrucksmöglichkeiten, die Malte in seiner Suche nach einem Erzähler und nach dem Erzählen unterschiedlich thematisiert. Einerseits versucht er seine Erinnerungen in kleinen Episoden erzählerisch zu fixieren und reflektiert dies gleichzeitig mit: “ Einmal, als es über dieser Erzählung fast dunkel geworden war war ich nahe daran, Maman von der ‘ Hand ’ zu erzählen: in diesem Augenblick hätte ich es gekonnt [. . .] ” (Rilke 1996: 518). Dabei stellt sich ein Bewusstsein der Unfähigkeit beim Malte der Kindheit ein, der die Unmöglichkeit, das Erlebte in Worte zu fassen, schon erkennt. Der sich erinnernde Malte fasst dies auf einer Reflexionsebene zusammen: Aber wie? Ich nahm mich unbeschreiblich zusammen, aber es war nicht auszudrücken, so daß es einer begriff. Gab es Worte für dieses Ereignis, so war ich zu klein, welche zu finden. Und plötzlich ergriff mich die Angst, sie könnten doch, über mein Alter hinaus, auf einmal da sein, diese Worte, und es schien mir fürchterlicher als alles, sie dann sagen zu müssen. Das Wirkliche da unten noch einmal durchzumachen, anders, abgewandelt, von Anfang an; zu hören, wie ich es zugebe, dazu hatte ich keine Kraft mehr (Rilke 1996: 520 f.). Die Situation, dass der sich künstlerisch behaupten wollende Malte nicht erzählen kann, wiederholt sich in seinen poetologisch gefärbten Reflexionen über das Erzählen: “ Damals, als Abelone mir von Mamans Jugend sprach, zeigte es sich, daß sie nicht erzählen könne. Der alte Graf Brahe soll es noch gekonnt haben. Ich will aufschreiben, was sie davon wußte ” (Rilke 1996: 557 f.). Das in die Erinnerungen projizierte Dilemma erfährt jedoch eine zumindest partielle Auflösung, indem Malte “ das kleine grüne Buch wieder eingefallen ” (ibid.: 585) ist, das ihm “ wichtig war ” , denn “ [e]s war durch und durch voller Bezug ” (ibid.). Die Bezüge, das heißt die erzählerischen Zusammenhänge tauchen in der Reproduktion mancher Geschichten aus dem Buch 27 zeitweilig auf: Das Buch funktioniert als Kristallisationspunkt, als eine Art Spiegelung - mise en abyme - der erzähltechnischen Probleme der Erzähler-Figur und kann als poetologisches Prinzip gedeutet werden: Das Erzählen bestünde somit in den - immerhin fragmentarischen - Nacherzählungen erinnerter Lektüren, die auch die Pariser Erfahrungen und die Kindheitserlebnisse bzw. ihre Momente und Probleme (Angst, Krankheit, Tod, Identitätsverlust) in einem narrativen Spiegel konzentriert reflektieren. Diese Reflexion vom Buch im Buch findet eine selbstreflexive Parallele im Bild, das Malte beim Besuch im Musée de Cluny evoziert. Hier werden durch das Anschauen der Teppiche einerseits die Modalitäten der Wahrnehmung und vor allem die Rolle des Sehens konzentriert aufgenommen. Andererseits kommt es zu einer Thematisierung des zentralen poetologischen Problems: Durch die Einbildung von Abelones Gegenwart im Museum 28 und ihres Begreifens 29 entsteht eine Projektionsfläche des Erzählens, deren metaphorische 27 “ Das Ende des Grischa Otrepjow und Karls des Kühnen Untergang ” (Rilke 1996: 586). 28 “ Ich bilde mir ein, du bist da, [. . .] komm, laß uns langsam vorübergehen ” (ibid.: 544). 29 “ Abelone, ich bilde mir ein, du bist da. Begreifst du, Abelone? Ich denke, du mußt begreifen ” (ibid.: 546). 282 Magdolna Orosz (Budapest) Qualitäten im Spiegel der Dame mit dem Einhorn die selbstreflektierenden Momente der erzählten Welt und der Erzählwelt in einer Ebenen überschreitenden mise an abyme verbinden: 30 Wir haben sie [die Frau] noch nie müde gesehen; ist sie müde? oder hat sie sich nur niedergelassen, weil sie etwas Schweres hält? Man könnte meinen, eine Monstranz. Aber sie neigt den andern Arm gegen das Einhorn hin, und das Tier bäumt sich geschmeichelt auf und steigt und stützt sich auf ihren Schoß. Es ist ein Spiegel, was sie hält. Siehst du: sie zeigt dem Einhorn sein Bild - (Rilke 1996: 546). Auf diese Weise entsteht ein hochkomplexes System metanarrativer (teilweise metafiktionaler) Erscheinungen, die die Momente der Textwelt, trotz ihrer dezidiert betonten Zerstückelung, vielfach vernetzen. 2.3 Verflechtung von Kunst und Leben in narrativer Reflexion Arthur Schnitzlers erst aus dem Nachlass herausgegebene Erzählung Der letzte Brief eines Literaten exemplifiziert andere Aspekte von Selbstreflexion (Metanarration) in einer Hetero- und Homodiegese verbindenden Form. Die Erzählung ist in einem längeren Schreibprozess entstanden: Nach ersten Einfällen von 1910 arbeitete Schnitzler 1916 und 1917 am Text und schloss ihn im Mai 1917 ab. Er wurde aber erst nach seinem Tod im Januar 1932 in der Neuen Rundschau veröffentlicht. 31 Die Textwelt zeigt typische Probleme der Frühen Moderne, die Gegensätze von Leben und Kunst, Krankheit und Tod, ethischmoralischer Einstellung und künstlerischer Durchsetzung und ihre verwickelten Übergänge auf. 32 Die Textwelt artikuliert thematisch wie auch reflexiv die Motive Krankheit und Tod und macht den Tod zum zentralen Moment der Selbstreflexion, indem hier der homodiegetische Erzähler als Literat mit dem eigenen Tod - das heißt auf der Handlungsebene der erzählten Welt (R2) - sowie auch mit dem ‘ Tod ’ als literarischem Diskurselement 33 - in der Erzählwelt/ Erzähldiskurs (R3) - auseinandersetzt und einen Tod des Autors (bzw. Erzählers) narrativ in Szene setzt. Der letzte Brief eines Literaten spielt mit der Gattung des (literarischen) Briefes: der Text besteht aus dem Abschiedsbrief eines nicht genannten Schriftstellers, dem am Ende eine Erklärung eines namenlosen Herausgebers folgt, der seinerseits die Zeilen eines Arztes, des 30 Eilert verbindet auch den Spiegel der Dame mit dem durch das Buch und die Bibel evozierten Erzählens, jedoch eher aus dem thematischen Aspekt der objektlosen Liebe, was hier nicht behandelt werden konnte: “ Das Spiegel-Bild, das die Dame des sechsten Wandteppichs dem Einhorn entgegenhält, entwirft Maltes Deutung zufolge zunächst ein gleichnishaftes ‘ Bild ’ Abelones [. . .]; es verweist darüber hinaus auf das zentrale, in der abschließenden Parabel vom verlorenen Sohn kulminierende Thema des ganzen Romans [. . .]; zugleich aber versinnlicht es Gestaltungsintentionen und Verfahrensweisen des Erzählers selbst [. . .] ” (Eilert 1991: 314). 31 Für die Angaben zur Entstehung cf. die Kommentare von Urbach (1974: 128) sowie die Ausführungen von Aurnhammer zur Textgenese (Aurnhammer 2013: 134 - 143). 32 Titzmann sieht im Text ein Beispiel für die typischen Veränderungen der Grenzziehungen innerhalb der Textwelt in Erzählungen der Frühen Moderne, indem hier “ [n]ur eine qualitativ-disjunkte Grenzziehung wird anerkannt: die Opposition von ‘ Leben ’ vs. ‘ Tod ’” (Titzmann, 2002: 191). 33 Matthias nennt dies “ [d]ie fraglos deutlichste Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von literarischer Produktion und Tod ” (Matthias 1999: 173). Narrative Kommunikation, Meta-Erscheinungen und ihre Formen in der Literatur der Frühen Moderne 283 ursprünglichen Adressaten des Abschiedsbriefes hinzufügt, in dessen Nachlass der Brief des Literaten gefunden wurde: Hier bricht der Brief ab. Der deutsche [. . .] Arzt, in dessen Nachlass er gefunden wurde, hat einige Zeilen beigefügt, die seinerAbsicht nach gewiss zugleich mit dem Manuskript der Veröffentlichung übergeben werden sollten. Hier sind sie: [. . .] (Schnitzler 1961: 228). Diese Rahmenkonstruktion erinnert auch an die der Weissagung, einer früheren Novelle Schnitzlers, in der es auch um Schreiben, inszenierten Tod und nichtexistierenden Nachruhm geht. Beim Letzten Brief eines Literaten entsteht ebenfalls eine mehrschichtige narrative Struktur, in der drei Erzählinstanzen einander ergänzen und auf eigentümliche Art konterkarieren - das Ganze dadurch unzuverlässig machen 34 : Der nicht genannte Literat als homodiegetischer Selbsterzähler, der Arzt Vollbringer mit dem symbolhaften Namen, der seinerseits zehn Jahre später ebenfalls homodiegetisch über den Tod des Literaten berichtet und der namenlose Herausgeber, der beide Briefe veröffentlicht und damit erst das Ganze (metanarrativ verfahrend) literarisiert. 35 In der erzählten Welt geht es um die Liebes- und Todesgeschichte des homodiegetischen Erzählers, eines zwar erfolgreichen, aber nicht richtig wertvolle, ihn aber “ über Nacht berühmt ” (Schnitzler 1961: 208) machende Werke produzierenden Dramatikers, der sich in eine todkranke junge Frau verliebt, die (teilweise wegen der Liebeserregung) an ihrer Herzkrankheit bald sterben soll. In dieser Thematik wird selbstreferenziell und intertextuell die frühe Erzählung Sterben evoziert, 36 deren Figurenkonstellation (sterbender Mann vs. überlebende Frau) hier umgekehrt und, den Topos der sterbenden femme fragile der Jahrhundertwende zum Äußersten treibend, 37 zugleich ironisch verkehrt wird. Die Krankheit und der Tod wären literarisch zu verwerten, die sterbende Frau und ihr Tod sollten den Literaten zu einem richtigen großen Werk inspirieren und ihn von seiner literarischen Mittelmäßigkeit befreien: Und dann erst, wenn ich diesen Schmerz durchfühle, werde ich der geworden sein, zu dem mich Gott geschaffen hat. [. . .] Daß ich den Schmerz bisher nicht gekannt habe, das ist die Schwäche meines Wesens, das Grundübel meiner Kunst. Darum fehlt allem, was ich bisher versucht, allem, was mir bisher bis zu einem gewissen Grad gelungen, Leidenschaft und Tiefe. Darum ist alles so kühl, so glatt - so leer, wie meine Feinde sagen. [. . .] Und weil ich, bei aller Leichtigkeit und Begabung, so kühl bleibe, daher entbehrt auch meine Laune, die man mir wohl zugestehen mag, jener Heiterkeit des Herzens, die nur aus dem Leid erblüht. Erst wenn ich mein Schicksal mit dem Marias verbunden haben werde, in unserer Liebe, in ihrem Tod, in meinem Schmerz, wird meine Sendung sich erfüllen können (Schnitzler 1961: 213). 34 Zur Unzuverlässigkeit der Erzählinstanzen in der Novelle cf. Aurnhammer 2013: 143 ff. 35 Diese Eigenschaft hebt auch Kuttenberg hervor, ohne die narrative Struktur genauer zu beschreiben: “ [. . .] the playwright blurs the boundary between narrative voice, narrator, and narrated event and seamlessly steps into and out of his narrative frame ” (Kuttenberg 2003: 341). 36 Cf. dazu Fliedl 2005: 223. 37 Das Motiv wird vom Literaten selbstreflexiv ebenfalls als potentielles Kunstwerk evoziert: “ Welch ein wunderbares Bild. Ich sehe es so deutlich, als wäre ich im Zimmer bei ihnen. Die blonde, schöne, ins Leben blühende Schwester regungslos auf dem Sessel zu Häupten des Betts, in dem die dunkelhaarige, blasse, dahinsterbende Frau ruht. Oh, was für ein Bild, und es ist am Ende noch ein Glück, daß ich nicht zudem noch ein Maler bin! ” (Schnitzler 1961: 214); cf. auch Fliedl 2005: 223 f. 284 Magdolna Orosz (Budapest) Die romantische Vorstellung von der Verbindung von Liebe, Tod und Künstlertum wird hier ebenfalls ironisch gebrochen, 38 indem die sich demaskierenden Beteuerungen des Literaten seinen Mangel am richtigen Talent bloßlegen und seinen romantisch anmutenden Entschluss, der Geliebten nachzusterben, bloßstellen: Ja, ich weiß es jetzt, und in diesem Augenblick gibt es keinen Irrtum, das Ungeheure würde, so wie ich es einst erwartet, wie ich es gewünscht, wie ich bereit gewesen, es auf mich zu nehmen, dieses Ungeheure würde mich zum Dichter machen und ich bliebe auf Erden, um meine Sendung zu erfüllen. Und das Werk ohnegleichen, das, mit dem ich gerechtfertigt wäre vor Gott, vor mir selbst und vor der Welt - ich würde es schaffen. Und das soll nicht sein. Das darf nicht sein. Maria ist ein Totenopfer wert, wie es noch keinem sterblichen Wesen dargebracht wurde. Ich lösche mich aus, eh ’ ich mich vollende. Darum habe ich mich entschlossen - - - (Schnitzler 1961: 228). Der Literat erweist sich durch seine Bemerkungen über das Verhältnis zum Jugendfreund als eifersüchtig auf seine menschlichen und beruflichen Qualitäten 39 und damit als ein unzuverlässiger Erzähler, 40 der sein eigenes Versagen zu verheimlichen sucht: Ich weiß nicht, ob gerade deine Person an dem neuen Entschluß, dem letzten, dem unumstößlichen, den ich faßte, irgendwie beteiligt ist. Unmöglich scheint es mir nicht, denn gerade von dem Augenblick an, da du zum ersten Male hier gewesen warst, mißtraute ich meinem Vorsatz, meinem Leben nach Marias Hinscheiden ein Ende zu machen (Schnitzler 1961: 228). Der Briefschreiber-Schriftsteller reflektiert mehrfach seine Motivation im Abschiedsbrief. Er unterstellt sich selbst moralisch korrekte Beweggründe gegenüber dem ihm mit “ unwillkürliche[m] Grauen ” (ibid.: 209) begegnenden Arzt: “ Ja, ich schreibe dir diesen Brief am Ende nur, um mit dem mir eigenen, durch die Nähe der großen Stunde wahrscheinlich gesteigerten Edelmut dir auch die geringfügigste peinliche Erregung zu ersparen ” (ibid.). Gleichzeitig ist er sich aber auch seiner aus dem sich selbst literarisierenden Gestus stammenden Unzuverlässigkeit bewusst, indem wiederum die Gattung des Abschiedsbriefs als Lebensbeichte und die literarisch-philosophische Tradition der confessiones thematisiert und deren Aufrichtigkeit in Frage gestellt wird: “ Ich habe meinen Brief abzufassen, eine Beichte abzulegen, vielleicht auch nur eine letzte Komödie zu spielen, was weiß ich ” 41 (ibid.). Dabei wird die Frage der narrativen Konstruktion der Konfessionen wiederholt betont, wodurch in der Figur der Autor in Erscheinung tritt, der seine Schrift als Werk konzipiert: Aber wo beginne ich? Als wäre es so leicht zu sagen, wo eine Geschichte anfängt. [. . .] Es hätte seine Schwierigkeit, so weit auszuholen, als man eigentlich müßte - besonders, wenn einem die Zeit so karg bemessen ist wie mir. Daher sei nach der Art gewiegter Novellisten bei der Stunde der Anfang 38 Zu den romantischen Bezügen dieses Motivs cf. auch Fliedl 2005: 223, außerdem Aurnhammers Hinweis auf E.T. A. Hoffmanns Rat Krespel als intertextuelle Vorlage (Aurnhammer 2013: 150 ff.). 39 Eine frühere Analyse des Textes weist schon darauf hin: “ This analysis reveals the Literat rationalization as masking a feeling of insurmountable inferiority toward the man Vollbringer, whose life he considers more worthwhile than his own ” (Reid 1972: 458). 40 Als homodiegetischer Erzähler wäre er bis zu einem gewissen Grad von vornherein unzuverlässig, hier können aber dem Erzähler-Literaten auch verdrängte Gefühle der Konkurrenz und Minderwertigkeit bzw. Einsichten in seine eigene Motivation zugeschrieben werden. 41 Mit dem ‘ Komödie spielen ’ wird gleichzeitig auch auf ein Motiv Schnitzlerschen Schreibens bzw. der Literatur der Jahrhundertwende intertextuell angespielt. Narrative Kommunikation, Meta-Erscheinungen und ihre Formen in der Literatur der Frühen Moderne 285 gemacht, in der wir beide einander begegneten, Maria und ich; vielmehr bei der, da wir einander Schicksal wurden, im Gewirr dahinschwebender Paare unter Flöten- und Geigenklang (ibid.: 209 f.). Diese Überlegungen konterkarieren den Beichtcharakter und die Spontaneität des Geschriebenen, sie weisen auf die Konstruiertheit und die Berechnungen des Briefschreibers hin, wodurch das Erleben mit der Reflexion verbunden wird, die das Erlebte ins Geschriebene transponiert: So und nicht anders dachte ich, während ich neben ihr saß, mit ihrem kleinen weißen Fächer spielte und mit den Blicken an ihren blassen, leise bebenden Lippen hing, wie ich niemals an volleren und glühenderen Lippen mit den meinen gehangen war. Ich liebte sie - sie war das erste Geschöpf, das ich liebte - und dachte an ihren, nein, ich rechnete mit ihrem Tod und liebte sie gerade darum noch tausendmal mehr (ibid.: 213). Die letzte verzichtende Geste auf “ das Werk ohnegleichen ” (ibid.: 228) und die Vollendung der schriftstellerischen Karriere erscheint schließlich ambivalent: Die verschiedenen Reflexionen auf der ersten Ebene der Homodiegese haben unzuverlässige Momente, sie wiedersprechen einander gerade in Hinsicht auf die Absichten des Erzählers. 42 Auf der Ebene des anderen homodiegetischen Erzählers, des Arztes, der kaum richtig Einsicht in die Hintergründe haben konnte, wird seine wahre Motivation gerade wegen seinerAntipathien gegenüber dem Literaten verunsichert: Indem er eine “ wahre Sittlichkeit ” als Voraussetzung für “ das versprochene Wunderwerk ” (Schnitzler 1961: 229) hinstellt und deren Mangel als Ursache für den Selbstmord des Literaten betont, stuft er potentielle unlautere Momente seinerseits - die Verabreichung einer “ zu starke[n] Injektion ” (ibid.), die Annahme eines “ ziemlich reichlich bemessene[n] Honorar[s] ” (ibid.) - ohne weiteres als bloße Anschuldigung ein und betont mit einer eindeutigen Genugtuung, daß “ sich keine der Komödien [des Literaten] auf den Bühnen zu erhalten vermocht ” (ibid.: 230) hat. Somit sind zwei homodiegetische Erzähler mit ihren einander widersprechenden Reflexionen gegenübergestellt (ganz symbolhaft der Schriftsteller, der das große Werk nicht vollbringt und der dem Literatentum fern stehende Arzt mit dem zeichenhaften Namen Vollbringer) - der Widerspruch löst sich durch den Eingriff einer allwissenden narrativen Instanz nicht auf, sondern er wird durch die nur aufs Technische bezogenen Kommentare des Herausgebers aufrechterhalten. Somit entsteht eine Textwelt, ein Werk, das die erzählten Widersprüche durch die narrative Konstruktion selbstreflexiv aufzeigt. 3 Funktionalisierung der Selbstreflexion in narrativen Texten der frühen Moderne Die drei analysierten Texte verwenden unterschiedliche Varianten metafiktionaler und metanarrativer Selbstreflexion: In Anbetracht des Problems der Erzählbarkeit von Erfahrungen, Wahrnehmungen, Erlebnissen und Ereignissen wird die Literatur der Frühen Moderne mit der Aushöhlung traditionellen Erzählens, mit dem Verschwinden von 42 Der gekünstelte/ künstliche Charakter stellt sich auch heraus: “ Since the symbolic act is ‘ eine Form, nicht mehr ’ and re-enacts a previously staged exit, the Literat ’ s final words, ‘ Ich lösche mich aus, eh ’ ich moch vollende. Darum habe ich mich entschlossen -’ are an empty gesture perfectly disguising the eloquence on would expect from a playwhright ” (Kuttenberg 2003: 340). 286 Magdolna Orosz (Budapest) erzählbarer, kontinuierlicher und kohärenter Geschichte in der erzählten Welt konfrontiert. 43 Das Verschwinden der erzählten Geschichte, dessen Ursache “ die neuen Probleme im Umgang des Subjekts mit sich selbst [. . .] ” sind, und die - nach Wünsch - “ notwendig annähernd nur in uneigentlich-tropischer Rede dargestellt werden können, [. . .] d. h. die Texte zu bestimmten Formen auf der Ebene des discours zwingen [. . .] ” (Wünsch 1989: 169), 44 lösen die erzählte Geschichte auf und metaphorisieren sie. Dies führt in den untersuchten Texten zu selbstreflexiven poetologischen Überlegungen über die Textwelt, über ihre Konstruktion als Text, als (literarisches) Werk: Musils heterodiegetischer Erzähler in Der Mann ohne Eigenschaften verbindet die Konstruktion der modernen Welt mit Prinzipien der Narration, die in die Welt der Figur projiziert werden. Da die heterodiegetische Erzählerstimme gleichzeitig beibehalten wird, fungieren diese Projektionen gleichzeitig als Reflexionen in der erzählten Welt wie in der Erzählwelt, die somit auf sich selbst bezogen thematisiert werden. In Rilkes Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge werden durch die Bemühungen des homodiegetischen Erzählers die Modalitäten der Wahrnehmung und der Erinnerung durchgespielt und in mehreren Anläufen im narrativ evozierten Bild der Teppiche, der Pariser Eindrücke, der Kindheitserinnerungen sowie in den nacherzählten Episoden des grünen Buchs auf das Erzählen bezogen im selbstreflexiven narrativen Diskurs fokussiert. In Schnitzlers Der letzte Brief eines Literaten wird die erzählte Geschichte als tragische Liebesgeschichte zwar scheinbar (romantischen narrativen Modellen folgend und sie aushöhlend) erhalten, das Aufeinanderprojizieren verschiedener Erzählinstanzen (der zwei homodiegetischen Erzähler und des heterodiegetischen Herausgebers) und ihrer Aussagen sowie die Unzuverlässigkeit beider homodiegetischer Erzähler lösen die erzählte Geschichte auf und machen sie zu einem narrativ, produktionswie genreästhetisch vielfach reflektierten Werk, dessen Entstehen in sich selbst aufgezeigt wird. Damit liefern die drei Texte von Musil, Rilke und Schnitzler Beispiele für die Möglichkeiten narrativer Selbstreflexion der Frühen Moderne. Bibliographie Aurnhammer, Achim 2013: Arthur Schnitzlers intertextuelles Erzählen, Berlin/ Boston: de Gruyter. Bareis, J. Alexander & Grub, Frank Thomas (ed.) 2010: Metafiktion. Analysen zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, Berlin: Kadmos. 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Narrative Kommunikation, Meta-Erscheinungen und ihre Formen in der Literatur der Frühen Moderne 287 Fliedl, Konstanze 2005: Arthur Schnitzler, Stuttgart: Reclam. Glauch, Sonja 2009: An der Schwelle zur Literatur. Elemente einer Poetik des höfischen Erzählens, Heidelberg: Winter. Goethe, Johann Wolfgang von 1998: Romane und Novellen (= Werke 6), I. Hamburger Ausgabe, München: Deutscher Taschenbuch Verlag. Goltschnigg, Dietmar 1996: “ Darstellung und Kritik der Moderne in der österreichischen Literatur (1880 - 1930) ” , in: Rudolf Haller (ed.) 1996: 157 - 197. Haferland, Harald & Meyer, Matthias & Stange, Carmen (ed.) 2010: Historische Narratologie - mediävistische Perspektiven, Berlin/ New York: Walter de Gruyter. Haller, Rudolf (ed.) 1996: Nach Kakanien. Annäherung an die Moderne, Wien/ Köln/ Weimar: Böhlau. Hárs, Endre & Horváth, Márta & Szabó, Erzsébet (ed.) 2014: Universalien? Über die Natur der Literatur, Trier: WVT. Hauthal, Janine et al. 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