eJournals Kodikas/Code 40/3-4

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2017
403-4

Konflikt in der Wüste

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2017
Ernest W. B. Hess-Lüttich
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K O D I K A S / C O D E Volume 40 (2017) · No. 3 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen Review Article Konflikt in der Wüste Die malischen Tuareg-Aufstände und ihr Bild in der Presse Ernest W. B. Hess-Lüttich (Bern/ Berlin/ Kapstadt) Vor einigen Jahren organisierte die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung für einige ausgewählte Mitglieder des Ausschusses zur Auswahl hochbegabter Doktoranden eine Studienreise durch Westafrika. Gespräche mit Repräsentanten aller Stufen der jeweiligen Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen standen auf dem Programm. Für Mali waren Stationen u. a. in Bamako, Goa und Timbuktu vorgesehen. In letzter Minute wurde die Route geändert und unsere Delegation von Bamako aus nach Mopti und Djenné umgeleitet. Das Auswärtige Amt hatte die Reise in den Norden aufgrund von Meldungen über Tuareg- Aufstände und islamistische Übergriffe untersagt. Zurück in Europa lasen wir in den Medien die erschütternden Berichte über Geiselnahmen und Zerstörungen uralter Kulturstätten durch fanatische ‘ Glaubenskrieger ’ . Seither ist die Situation in dem zerrissenen Land Gegenstand kontinuierlicher Berichterstattung in den Medien: die Aufstände der Tuareg, der islamistische Terror, die Intervention der französischen Streitkräfte, das anhaltende Engagement Deutschlands für die Entwicklung des Landes, die Verurteilung des Dschihadisten Ahmad al-Faqi al-Mahdi durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag im August 2016 (das erste Urteil seiner Art wertet die Zerstörung von Weltkulturerbe als Kriegsverbrechen). Kriegsverbrechen begehen freilich nicht nur die Terroristen unter den Tuareg. Ende Juni 2018 legten die Vereinten Nationen, die im Norden Malis die Friedensmission Minusma mit über 13000 Soldaten unterhalten, ihren Bericht über das jüngste Massaker der von Mali, Burkina Faso, Niger, Tschad und Mauretanien gestellten G5-Sahel-Truppe an Zivilisten in Boulikessy vor (Ladurner 2018). 1 Die Truppe aus diesen Ländern, die allesamt auf je unterschiedliche Weise von dem islamistischen Terror betroffen sind, wird u. a. von der Europäischen Union finanziert: seit 2004 hat der EU-Entwicklungsfonds mehr als 2,7 Milliarden Euro auf die Konten der African Peace Facility überwiesen, die das fragile Gleichgewicht (mehr ist es nicht) zwischen der Zentralregierung in Bamako und den radikalen Tuareg, die 2012 im Norden ihren eigenen Staat Azawad ausgerufen hatten, wahren helfen soll. Deutschland stellt in Mali (mit bis zu 1100 Mann) nach Afghanistan das größte Kontingent deutscher Soldaten im Auslandseinsatz. Die deutschen Ausbilder sollten 1 Ulrich Ladurner 2018: “ Killer im Auftrag Europas. Wie Geld der EU für den Antiterrorkampf in Mali an Kriegsverbrecher floss ” , in: Die Zeit 47 v. 15. 11. 2018: 11. eigentlich die malischen Soldaten nicht nur im Kriegshandwerk, sondern auch in der Einhaltung von Menschenrechtsstandards und von Regeln des humanitären Völkerrechts schulen. Aber die G5-Sahel-Truppe gefährdet mit ihren wiederholten Menschenrechtsverletzungen die heikle Mission und diskreditiert die europäischen Anstrengungen zur nachhaltigen Entwicklung der Region, durch die auch die Routen der afrikanischen Migration nach Europa verlaufen. Deshalb gerät der schwelende Konflikt, der sich auch auf die anderen G5-Länder im Sub-Sahel auszuweiten droht, immer wieder auf den Radarschirm der Medien. Einen definierten Ausschnitt aus dieser Berichterstattung in ausgewählten Printmedien hat sich der aus Mali stammende Germanist und Linguist D JOUROUKORO D IALLO (im Folgenden: Verf.) der hier vorgelegten umfangreichen Dissertation für eine ausgreifende text- und diskurslinguistische Untersuchung vorgenommen. 2 Er konzentriert sich dabei auf die Rolle der Tuareg in der krisenhaften Entwicklung der letzten Jahre und vergleicht dafür malische und deutschsprachige Berichte und Kommentare, deren semantische, syntaktische und lexikalische Eigenschaften er ebenso untersucht wie die darin verwendeten rhetorischen und argumentativen Strategien. Bei der Sichtung der bisherigen Forschung zum Thema sowie bei der Zusammenstellung des Corpus kommt dem Verf. (der auch zur Mehrsprachigkeit in Afrika gearbeitet hat) seine Kenntnis eines halben Dutzends afrikanischer und europäischer Sprachen zugute. 3 Die Gliederung seines Forschungsberichtes entspricht der Zweiteilung seiner Untersuchung in einen (diskurs-)theoretischen und einen (diskurs-)analytisch-empirischen Teil. Der interdisziplinären Fragestellung entsprechend beschränkt sich der Verf. dabei keineswegs nur auf die Durchsicht einschlägiger Literatur zur Diskurslinguistik, die in den letzten Jahren international erheblich an Umfang und Bedeutung gewonnen hat, sondern nimmt auch auf den Kontext seines Themas bezogene historische, ethnologische, anthropologische, soziologische sowie soziolinguistisch-interkulturelle Arbeiten zur Kenntnis. Methodisch profitiert die Arbeit von den Ansätzen der sog. Kritischen Diskursanalyse (KDA) und ihrer besonderen Wiener Ausprägung der Historischen Diskurssemiotik, wie sie heute von international renommierten Forschern wie der Wittgenstein-Preisträgerin Ruth Wodak repräsentiert und von Martin Reisigl u. a. fortentwickelt wird. Ausgehend von der These, dass die deutschsprachige Berichterstattung über die Tuareg- Rebellionen unzureichend informiert sei über die komplexen regionalen und historischen Bedingungen im Norden Malis und daher zu ethnisierenden und stereotypisierenden Interpretationen von Konflikten neige, deren soziokulturelle, ökologische, politische, territoriale Ursachen weitgehend unberücksichtigt blieben, formuliert der Verf. seine forschungsleitenden Ausgangsfragen nach den spezifischen Merkmalen der Repräsentation von Tuareg-Rebellionen und den Mechanismen der diesbezüglich typischen Diskurskonstruktion in den von ihm für seine Analyse ausgewählten deutschsprachigen Zeitungen. Indem er diachrone und synchrone Perspektiven verbindet, kann er sowohl den Kontext als 2 Djouroukoro Diallo 2018: Darstellung der Tuareg-Rebellionen in Mali in deutschsprachigen Massenmedien. Eine text- und diskurslinguistische Medienanalyse anhand ausgewählter Zeitungsartikel (= Cross Cultural Communication 33), Berlin [etc.]: Peter Lang, ISBN 978 - 3-631 - 74628 - 8, 451 pp. 3 Thomas Bearth & Djouroukoro Diallo (eds.) (2018): African multilingualism and the Agenda 2030 / Multilinguisme africain et l ’ Agenda 2030, Münster / Berlin: LIT. 408 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Bern/ Berlin/ Kapstadt) auch die Entwicklung des Diskurses und die jeweiligen Unterschiede in dessen medialer Repräsentation herausarbeiten. Nachdem der Verf. in den ersten sechs Kapiteln (S. 15 - 65) das Thema in all seinen Facetten präsentiert und den Forschungsstand dazu referiert, die Methoden des Vorgehens erläutert, das begriffliche Rüstzeug entwickelt und die wichtigsten theoretischen Konzepte (wie Repräsentation, Sozialkonstruktivismus, Feindbild, Irredentismus, Territorialität etc.) vorgestellt hat, rekonstruiert er im ersten Hauptteil in drei Unterkapiteln (Kap. 7 - 9, S. 67 - 164) ausführlich den historischen Kontext der Tuareg-Rebellionen. Dazu stellt er das komplexe Beziehungsgeflecht der verschiedenen - teils (semi-)nomadischen, teils agrarisch-sesshaften - Bevölkerungsgruppen im Sahel-Sahara-Gebiet zwischen dem Norden Malis und dem Süden Algeriens und Libyens, zwischen Niger und Burkina Faso vor, seit Jahrhunderten eine Kontaktzone fluktuierender Begegnungen von Menschen mit den verschiedensten kulturellen, sozialen, ethnischen, religiösen, ökonomischen, ökologischen, wissenschaftlichen, militärischen, geopolitischen, prä- und postkolonialen Prämissensystemen, deren unübersichtliche Realität jeder Form von primordialen territorialen Legitimationsversuchen widerspreche. Angesichts des in der einschlägigen Berichterstattung vermuteten Mangels an diesbezüglichem Problembewusstsein im deutschsprachigen Journalismus plädiert der Verf. daher für einen holistischen bzw. (sozial-)konstruktivistischen Zugang zum Verständnis des extrem aspektheterogenen Bedingungsgefüges der anhaltenden Konflikte in der Region diesseits voreiliger ethnisierender oder somatisierender Rubrizierungen und spricht lieber neutral von einem “ problème du Nord ” statt vom Aufstand der Berber und Terror der Tuareg. Dass diese Konflikte nicht erst eine neue Erscheinung der jüngsten Zeit sind, belegt eindrucksvoll ein kursorischer Überblick über die Entwicklung der letzten hundert Jahre in dieser Region, den das achte Kapitel bietet, das sich nicht mit der Schilderung der Aufstände von 1916 (Kel Ullemmeden gegen die Kolonialmacht Frankreich) bis heute begnügt, sondern sich auch mit deren Beweggründen auseinandersetzt. Zu diesem historischen Hintergrund gehört unzweifelhaft auch die Rolle der Kolonialmacht Frankreich im malischen Norden und deren Folgen für die Region. Das neunte Kapitel ist der kritischen Aufarbeitung der dazu vorliegenden Literatur gewidmet, deren teilweise essentialistische und ethnizistische Interpretation der kolonialen Praxis (mit ihrer administrativ oft unbekümmerten Polarisierung zwischen ‘ Schwarzen ’ und ‘ Weißen ’ , ‘ Bauern ’ und ‘ Nomaden ’ , saharischen und sub-saharischen Ethnien, aber auch mit ihren traditionell stammesbezogene Territorialitätsansprüche arglos ignorierenden Grenzziehungen) überzeugend seziert wird. Konsequenterweise schließt sich daher ein Abschnitt an, der “ Alterität und Ethnizität ” im malischen Kontext problematisiert, indem der Wandel von Stereotypisierungen ethnisch basierter Identitätszuschreibungen und von exotisierenden Toponymien ( ‘ Wüste ’ , ‘ flimmerndeWeite ’ ) nachgezeichnet wird. Ein Seitenblick gilt der Entwicklung der Ikonographie der Tuareg-Repräsentationen im Film ( ‘ kühne Reiter, Stahl im Blick ’ ), die auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Tuareg-Kultur zurückgewirkt hat. Damit ist ein sowohl historisch wie begrifflich und theoretisch ausreichend gesichertes Fundament gelegt für den zweiten Forschungsteil der Arbeit (S. 165 - 397), die qualitative Diskursanalyse ausgewählter Daten aus einem Corpus von deutschsprachigen Zeitungsartikeln. Zunächst bestimmt der Verf. im zehnten Kapitel im Anschluss an die ausgreifende Konflikt in der Wüste 409 Diskussion dazu jenen sprachwissenschaftlich präzisierten Diskursbegriff, der seiner Untersuchung zugrunde liegt und der eine im engeren Sinne linguistische und interlingual vergleichende Analyse von ‘ Fundstellen für Argumente ’ , von ‘ Topoi ’ und/ oder ‘ Aussagen ’ , aber auch ‘ usuellen Wortverbindungen ’ (oder Diskursfragmenten), in einem mehrsprachigen Corpus ermöglichen soll. Im Einklang mit dem vor allem von Wodak und Reisigl geprägten Diskurshistorischen Ansatz (DHA) konzentriert sich der Verf. vornehmlich auf Kategorien wie Nomination, Prädikation, Argumentation, Perspektivierung, Modalisierung und verbindet dabei die semantische Analyse (z. B. von evaluativen Attribuierungen in Ethnonymen, Nationymen, Origonymen, Toponymen) mit der Analyse expliziter und impliziter Argumentationsmuster (z. B. in der Konstruktion von ‘ Feindbildern ’ durch nach Reisigl differenzierte rhetorische Verfahren wie das argumentum ad numerum, argumentum ad verecundiam, argumentum ad baculum, argumentum ad consequentiam, argumentum ad hominem etc.) einerseits und tropischer Figuren und Stilmittel wie Synekdochen, Metonymien, Metaphern, Hyperbeln, Antithesen, Antonomasien, Allegorien andererseits. Gleichsam zur Erprobung dieses anspruchsvollen Programms versucht der Verf. im elften Kapitel, die Applikabilität des Instrumentariums zunächst in einer Pilotstudie anhand eines einzelnen Zeitungsartikels (aus der tageszeitung) exemplarisch zu erweisen. Darin will er herausfinden, durch welche sprachlichen Merkmale die jeweiligen Konfliktparteien vorzugsweise charakterisiert werden. Diese sehr detaillierte Analyse ist nach dem zuvor entwickelten Kategorienraster tabellarisch systematisiert und vermag in einer Strukturanalyse der Themenentfaltung, der Nominationen, der Semantik der Anthroponyme, der syntaktischen und prädikativen Konstruktion von Verbal- und Präpositionalphrasen etc. die verschiedenen Militarisierungs-, Politisierungs-, Kollektivierungs-, Institutionalisierungs-, Professionalisierungs-, Toponymisierungs-, Ethnisierungs-, Metonymisierungsstrategien zur sprachlichen Repräsentation der Kontrahenten im Text übersichtlich auszuweisen. Damit ist der Blick geschärft für die eigentliche linguistische Diskursanalyse, die sich im zwölften und dreizehnten Kapitel nach den avancierten Vorgaben der diskursanalytischen Methoden-Triangulation und unter Verwendung der einschlägig bewährten Software M AXQDA der Auswertung von Daten aus dem Mannheimer C OSMAS -Corpus widmet. Das umfangreiche Material der ausgewählten Texte zu der Tuareg-Rebellion der 90er Jahre wird im ersten Teil u. a. auf die Verwendungsweisen des (für die Auswertung entsprechend codierten) Ethnonyms ‘ Tuareg ’ zur Bezeichnung eines Kollektivs durchforstet, das der Konstruktion einer bestimmten sozialen Realität und der gezielten Askription von Rollenkomplementaritäten (z. B. ‘ Täter ’ vs. ‘ Opfer ’ ) dient. Damit sucht der Ansatz zugleich dem (von Norman Fairclough, Ruth Wodak, Siegfried Jäger, Ingo Warnke, Martin Reisigl, Jürgen Spitzmüller und manchen anderen formulierten) gesellschaftskritischen Anspruch der KDA gerecht zu werden, die subtilen Mittel der sprachlichen Repräsentation sozialer Diskriminierung als solche zu entlarven. Die bereits in der Pilotstudie erprobten Kategorien erweisen sich in der Anwendung auf ein größeres Corpus als geeignet, typische Muster in der Darstellung der Akteure im Mediendiskurs zu den Tuareg-Rebellionen herauszuarbeiten. Natürlich fragt sich der Leser streckenweise, ob die referierten Ergebnisse - die historische Kontextualisierung des Konflikts und dessen ökologische Bedingungen (Ressourcen, Dürre etc.), dieViktimisierung 410 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Bern/ Berlin/ Kapstadt) der Tuareg ( ‘ bedrohtes Nomadenvolk ’ ), die Feindbildkonstruktion ( ‘ Mali ’ vs. ‘ Azawad ’ , ‘ Norden ’ vs. ‘ Süden ’ ), die Minderheitenproblematik ( ‘ Bauern ’ vs. ‘ Viehhändler ’ , ‘ Salzkarawanen ’ ), die topischen Argumente und Stilisierungen der Protagonisten ( ‘ stolze Kämpfer ’ , ‘ blaue Kamelreiter ’ ) und ihres Kampfes ( ‘ Revolte ’ , ‘ Aufstand ’ , ‘ Rebellion ’ , ‘ Guerilla ’ ) um ihren Lebensraum (auf den semantisch ‘ geladene ’ Toponyme ‘ Wüste ’ , ‘ Sahara ’ , ‘ Sahelzone ’ referieren) - den methodisch immensen Aufwand rechtfertigen und sie in einem narrativen Modus nicht ebenso überzeugend hätten ausgewiesen werden können; andererseits liegt der Reiz des Verfahrens gerade darin, die aus den textlichen Befunden gezogenen Schlussfolgerungen linguistisch exakt belegen zu können. Dem dient auch der zweite Teil der Corpusanalyse, die im Sinne der erwähnten Methodentriangulation qualitative und quantitative Verfahren im Rahmen einer Kookkurrenzanalyse zu verknüpfen strebt, mittels derer signifikante Regelmäßigkeiten der Verwendung von Wortverbindungen innerhalb eines gegebenen Textcorpus ermittelt werden können, hier das C OSMAS II genannte Corpus, das am Institut für deutsche Sprache in Mannheim entwickelt wurde. Auf diese Volltextdatenbank hatte der Verf. Zugriff und damit auf einen Teil des Deutschen Referenzkorpus (DeReKo), das auch Zeitungstexte aus den Jahren 2000 - 2014 umfasst und dessen Auswertung den Vergleich mit den auf das Corpus des ersten Teils aus den 90er Jahren bezogenen Ergebnissen erlaubt. Damit wird zugleich eine diachrone Dimension eröffnet, die einen Wandel in der Berichterstattung über die Tuareg in den letzten 25 Jahren erweisen könnte. Das zeigt sich besonders deutlich im Umfeld sog. ‘ Medienereignisse ’ , die verstärkt öffentliche Aufmerksamkeit heischen, etwa die Entführung deutschsprachiger Geiseln im Stammesgebiet der Tuareg 2003 (bei der diese auch als Vermittler wirkten) oder der erneute Aufstand der MNLA-Bewegung (mouvement national de libération de l ’ Azawad) 2012 - 14 mit seinen radikalislamistischen Begleiterscheinungen, die in der deutschen Berichterstattung unter dem Stichwort ‘ Terror ’ subsumiert zu werden pflegen (s. o.). Die Schlussfolgerungen aus der methodisch avancierten und überaus detailreich belegten syntaktischen Analyse ausgewählter Kookkurrenzpartner (mit Blick insbesondere auf Erweiterungen mit Genitivbildungen oder auf Nominalphrasen mit Attributsätzen, Infinitivkonstruktionen, Präpositionalphrasen, Verbalphrasen, Konjunktionen) sowie aus der lexikalischen Untersuchung ausgewählter in Verbindung mit ‘ Tuareg ’ auftretenden Wortformen und Wortbildungstypen werden in den Schlussbetrachtungen der Arbeit (Kap. 14) gemeinsam mit den Resultaten des empirischen Forschungsteils, also der historischen Kontextualisierung und der linguistischen Diskursanalyse nach dem M AXQDA -Verfahren, zusammengefasst. Interessant ist zunächst, dass die Untersuchungen die Ausgangsvermutung, die Berichterstattung über die Situation in Mali ermangele in den deutschsprachigen Medien ausreichender historischer Kontextualisierung, nicht bestätigt werden konnte. Demgegenüber hat sich die zweite Hauptthese, die deutschsprachigen Zeitungen neigten zu einer polarisierenden Vereinfachung der in vielerlei Hinsicht extrem komplizierten Verhältnisse im francophonen Westafrika, eher bestätigt, wenn etwa ‘ der Norden ’ Malis dem ‘ Süden ’ gegenübergestellt werde, die Nomaden den Bauern, die Regierung den Rebellen, die Schwarzafrikaner den Arabern und Berbern usw. Konflikt in der Wüste 411 Der Untersuchung ist abschließend, nach einem umfassenden Literaturverzeichnis, in einem Anhang (S. 415 - 448) zudem die Belegliste der Zeitungsartikel aus dem Corpus (NZZ, Standard, Kurier, TAZ, Süddeutsche, FAZ), der für die Pilotstudie ausgewählte Text aus der TAZ, das Codebuch und die Dokumentenliste der M AXQDA -Analyse, eine Liste der diskursiven Themenschwerpunkte, der Anthroponyme, Toponyme, Argumente und Sprachmittel, der Nachweis der Kontexte des Lexems ‘ Azawad ’ im Corpus sowie ein Tabellenverzeichnis beigegeben. Das Verdienst dieser Studie liegt m. E. nicht nur in der umfassenden Einbettung ihres Gegenstands in die Hierarchie der historischen Kontexte und in den (system-)linguistisch präzisen Detailanalysen, sondern auch in der methodologisch konsequenten Anwendung eines avancierten Arsenals diskurslinguistischer Analyseinstrumente und in der methodisch sorgfältigen Durchführung eines schon vom Material her umfangreichen Programms qualitativ-quantitativer Corpusanalyse. Betrachtet man den Ausgangspunkt und Werdegang des afrikanischen Studenten, kann man diese Leistung nur bewundern. Andererseits kann es bei einer so umfangreichen Arbeit in einer Sprache, die nicht die Muttersprache, auch nicht die Zweit- oder Drittsprache des Verf. ist, nicht ausbleiben, dass der Fluss der Lektüre an manchen Stellen durch Interferenzeinflüsse besonders aus dem Französischen gehemmt wird und die eine oder Redundanz vermeidbar erscheint. Auch die Gliederung mit der Staffelung verschiedener Kapitel-Zählungen mag anfangs etwas verwirrend erscheinen. Insgesamt jedoch ein wichtiger (und gewichtiger) Forschungsbeitrag zu einem sehr aktuellen Thema, das gerade in Zeiten kontroverser Migrations- und Islamdebatten von hoher Brisanz ist, hier aber mit der gebotenen wissenschaftlichen Nüchternheit und Faktengenauigkeit behandelt wird. Literatur Bearth, Thomas & Djouroukoro Diallo (eds.) 2018: African multilingualism and the Agenda 2030 / Multilinguisme africain et l ’ Agenda 2030, Münster / Berlin: LIT Diallo, Djouroukoro 2018: Darstellung der Tuareg-Rebellionen in Mali in deutschsprachigen Massenmedien. Eine text- und diskurslinguistische Medienanalyse anhand ausgewählter Zeitungsartikel (= Cross Cultural Communication 33), Berlin [etc.]: Peter Lang Ladurner, Ulrich 2018: “ Killer im Auftrag Europas. Wie Geld der EU für den Antiterrorkampf in Mali an Kriegsverbrecher floss ” , in: Die Zeit 47 v. 15. 11. 2018 412 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Bern/ Berlin/ Kapstadt)