Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2018
413-4
Wenn alles Interpretation und Zeichen ist. Wirklichkeit, Möglichkeit und Sprache
121
2018
Joschka Briese
Ulf Harendarski
kod413-40349
K O D I K A S / C O D E Volume 41 (2018) · No. 3 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen Review Article Wenn alles Interpretation und Zeichen ist. Wirklichkeit, Möglichkeit und Sprache / When All is Interpretation and Sign. Reality, Possibility and Language Joschka Briese & Ulf Harendarski (Flensburg) Nicht zuletzt auch angesichts der sprachphilosophisch diskursdominanten ‘ Analytischen Philosophie ’ , formaler Semantik oder angewandter Linguistik kann in jüngster Zeit der subjektive Eindruck entstanden sein, dass Gegenwartstendenzen solcher Denkrahmen wie Philosophie, Sprachtheorie oder -wissenschaft das Zeichen auf unterschiedlichen formalen Größenordnungen anders als GünterAbel und andere nicht mehr als ausgezeichneten Begriff der theoretischen Reflexion betrachten. Das kann seinen Grund darin haben, dass man ihn für eher überholt hält oder ihn als (erkenntnis-)gesichert ansieht und mit dieser Gewissheit im Gepäck zu anderen Zielen unterwegs ist oder ihn gar gleich unterhalb der propositionalen Größe als wenig hilfreich erachtet. Die Diskussion von Zeichenphilosophien oder überhaupt die Arbeit daran ist in den letzten Jahren offenbar entweder rar geworden oder aus dem so genannten mainstream verschwunden, was womöglich für den Aspekt der Interpretation nicht in gleicher Weise gilt. Er scheint ungleich diskurs-prominenter geblieben zu sein, was Przylebski in seinem Beitrag zum Sammelband Abel im Dialog. Perspektiven der Zeichen- und Interpretationsphilosophie 1 bestätigt, wenn er schreibt: Eines scheint klar zu sein: Günter Abel hat mit seiner präzise ausgedrückten und sorgfältig durchdachten Konzeption einen großen Beitrag zum Erfolg des hermeneutischen Paradigmas des Philosophierens geleistet und damit zur hermeneutischen Wende der Gegenwartsphilosophie. Einer Wende, die sich auch als interpretationistische Wende bezeichnen lässt (Przylebski: 160). Mit dieser groben Beobachtung im Rücken mutet es bezogen aufs Zeichen zunächst fast schon widerständig an, dass Abel im Dialog sich ausdrücklich und tiefgreifend auf die zeichenphilosophische Tradition bezieht. Die beiden Herausgeber des sorgfältig lektorierten Doppelbandes, der Günter Abel zu Ehren entstand, Ulrich Dirks und Astrid Wagner, markieren gleichwohl Interpretation und Zeichen als “ Grundwörter zeitgenössischen Philosophierens ” (Dirks & Wagner: XI) und so zeigt der Sammelband nachdrücklich, dass die (kritische) Zeichen- und Interpretationsphilosophie (ZuI) nicht nur großen Einfluss auf die aktuelle (deutschsprachige) Philosophie hat bzw. in andere Traditionen eingeflossen 1 Ulrich Dirks & Astrid Wagner (eds.) 2018: Abel im Dialog. Perspektiven der Zeichen- und Interpretationsphilosophie. Berlin/ Boston: de Gruyter, 1455 pp., geb. 199,99 € , ISBN: 978-3-11-045427-7 (Zitate im Text beziehen sich auf die Artikel in dieser Ausgabe). ist, sondern auch eine lebhafte Diskussion. Auf insgesamt gut 1400 Seiten mit erstveröffentlichten Texten dreht sich alles um philosophische und interdisziplinäre Perspektiven des Zeichens und der Interpretation. ZuI bleibt als eigenständige Rahmung wichtig, weil sie einen hohen Grad an begriffsfokussierter Reflexion rund um die Beschreibung und das Verständnis kognitiver Prozesse innerhalb semiotischer Tradition leisten kann und dabei die Kulturbezogenheit solcher Prozesse integriert. Der Rahmen reicht von Erfahrung und Phänomenologie über Wahrheitsfragen bis hin zu Textinterpretation und Kommunikation, Ethik und Recht, Kunst und Architektur mit einer starken Tendenz zu Interdisziplinarität und bedenkt viele der Aspekte ineinander verschachtelt und zueinander in Relation. Viele der Beiträge “ herausragende[r] Vertreterinnen und Vertreter gegenwärtiger Philosophie und Wissenschaften [im] Dialog mit Günter Abel ” (Dirks/ Wagner: 8) zeigen eindrücklich, dass es hier bis heute eine belastbare Kontinuität eines Denkens gibt, welches im Kern zwar weiterhin semiotisch ist, dies aber nicht ohne massive partielle oder ausgreifende Zurückweisungen einzelner Beiträger. Tilman Borsche (Borsche: 227 - 243) beispielsweise glaubt ganz im Sinne der oben genannten Vermutung, dass der klassische Zeichenbegriff überholt sei und durch einen “ entgrenzten ” der Sprache ( “ alles ist Sprache ” ) ersetzt werden müsse, zumal das Zeichen noch immer die seit derAntike bestehende Last der Trennung von res und signum mit sich trage, während doch letztlich nichts ohne Sprache (also alles durch sie) verständlich sei und erst Worte uns die Welt zu einer vertrauten und verstehbaren machen, ganz ohne die besagte Art der Differenz kraft Referenz. Borsche bemerkt selbstverständlich, dass seine Allaussage “ Alles ist Sprache ” problematisch ist, z. B. wenn sie ontologisch verstanden wird. Im Rahmen des Sammelbandes aber ist sie als Dialogbeitrag formuliert, sie ist an Abel gerichtet. Borsches Zeichenbegriff ist u. E. zwar nicht zeitgemäß, und vielfach sogar selbstwidersprüchlich. In seiner Replik darauf kann Abel allerdings seine Zeichenauffassung gegenüber jener der Sprache und in Relation dazu auf eine Weise sorgfältig schärfen, dass dem Buch insgesamt beides zugutekommt. Der Sammelband besteht aus 37 Artikeln, auf die Günter Abel also jeweils antwortet. Die Artikel sind dafür in 17 Kapitel untergliedert. Die Repliken Abels würdigen dabei nicht nur die Beiträge argumentativ aufmerksam, sondern perspektivieren deren Inhalte aus zeichen- und interpretationsphilosophischer Sicht. Die beiden Bände sind eingeleitet durch eine sehr detaillierte und für die spätere Lektüre nützliche Einführung in Abels Denken durch die Herausgeber Dirks und Wagner. Indem sie sich der ZuI Abels darstellend widmen, können Leser sogar dann, wenn sie dessen Hauptwerke (siehe 1993, 1999, 2004) nicht gelesen bzw. präsent haben, den Artikeln und Repliken solide vorinformiert folgen. Dafür geben sie einen wirksamen Einblick in die Begrifflichkeit wie etwa die Differenzierung in jeweils drei prozessorientierte, relationale, gegenseitig abhängige Begriffe der Interpretation 1 − 3 und des Zeichens 1 − 3 . Außerdem flankieren ein Sach- und Personenverzeichnis sowie eines der Publikationen Abels den Sammelband. Für ein solches Projekt gibt es zwar Vorbilder, doch Umfang, Erkenntnisbreite und Ausführlichkeit dessen, was schließlich auch Abel selbst in dialogischer Reaktion auf jeden einzelnen der mit seiner Philosophie befassten, eigenständigen und thematisch sortierten Aufsätze bringt, ist herausragend. Es muss enorm viel Zeit und Aufmerksamkeit beansprucht haben. Im Folgenden kann hingegen lediglich ein Schwerpunkten folgender Überblick gegeben werden. Die Konzentration gilt Interpretation, Zeichen und Sprache. 350 Joschka Briese & Ulf Harendarski (Flensburg) Mit offenkundig profunder Kenntnis seines Werks geben Ulrich Dirks und Astrid Wagner, die beiden Herausgeber, eine detaillierte und argumentative Einführung in Günter Abels Philosophieren, die den direkten Einstieg in die Lektüre der beiden Bände erleichtert, ohne zuvor seine ZuI tiefer gehend studiert oder wieder aufgearbeitet zu haben, zumal beides dank der zahlreichen, in Abels Repliken enthaltenen Erläuterungen selbst erfolgen kann. Diese sind laut Einschätzung der Herausgeber durchaus “ Weiterentwicklungen ” angesichts einiger “ kritischer Herausforderungen ” , was nicht verwundert, da der abgebildete Dialog für Abel wohl Jahre dauerte. Stets bleibt Abel seiner Philosophie nicht nur inhaltlich treu, sondern interpretiert ihr gemäß aufmerksam und um Verstehen bemüht, während die Waffen des argumentativen Kampfes wie die Bezichtigung des Gegenübers des Missverständnisses und dergleichen wohlbekannte Diskurshemmer im Schrank bleiben. Nicht zuletzt dank der Einführung funktioniert Abel im Dialog als eigenständige, hochaktuelle und interessante Lektüre verschiedener Felder der Debatte. Die Einführung schließt ab mit einem prägnanten Überblick, welche Verwandtschaften, Vorläufer, Diskurspartner Abels Philosophie prägen, nämlich in der Hauptsache Kant, Nietzsche, Wittgenstein und Zeitgenossen wie Goodman, Lenk, Simon oder Borsche. Nietzsche verdanke Abel einige Vorgaben zu seinem weit reichenden Interpretationsbegriff: ‘ Interpretativ ’ bezeichnet in Abels oben angeführter These [. . .] in abkürzender Weise den perspektivischen, kreativ-konstruktionalen, schematisierenden, individuierenden, identifizierenden, ein- und auslegenden, konjekturalen, klassifizierenden, formierenden, umgrenzenden, projizierenden Charakter unserer Verhältnisse zu Welt und Wirklichkeit, anderen Personen und uns selbst (Dirks & Wagner: 9). Die Herausgeber zielen zunächst darauf ab, die im Kern der ZuI stehende Einsicht zu vermitteln, dass Zeichen und Interpretation Grundoperationen des wahrnehmenden Denkens, Sprechens und Handelns oder insgesamt der Bezogenheit auf die Welt sind. Für uns ist alles Zeichen bzw. “ zeichenverfasst ” und insofern auch alles Interpretation (vgl. Dirks & Wagner: 13), epistemisch kulturbezogen, doch daraus resultiere in Abels Denken weder ein Absolutheitsanspruch noch Relativismus oder eine Art radikaler Konstruktivismus. Es heißt zunächst lediglich, dass alles das, was für uns die Welt ist, zeichen- und interpretationsvermittelt ist. Seinen umfassenden, ja fast entgrenzten Interpretationsbegriff habe Abel anhand der Prominenz der Interpretation in Nietzsches Philosophie entwickelt. Bei Abel stehen Zeichen und Interpretation in einem direkten relationalen Verhältnis ablaufender Verarbeitungsprozesse des phänomenalen Erlebens, in Operationen des Diskriminierens, Identifizierens, Re-Identifizierens und Zuschreibens von Eigenschaften usw. (vgl. Dirks & Wagner: 9). Andererseits kennzeichnet er selbst auch wahrnehmende Operationen anderer Art mit einer gewissen Dringlichkeit, wenn er in seiner Replik auf Stekeler-Weithofer schreibt: In Bezug auf die nicht-sprachliche Wahrnehmung (die im Rahmen unserer Erfahrungswirklichkeit eine zentrale Rolle spielt) ist mir die Unterscheidung wichtig zwischen sinnlichen Aktivitäten wie etwa dem (noch nicht epistemischen) Sehen und der (ausdrücklichen) Wahrnehmung im Sinne einer bereits auch begrifflich imprägnierten Aktivität. Das Sehen ist noch relativ unschuldigerer Natur als die Wahrnehmung (Abel: 297). Wenn alles Interpretation und Zeichen ist. Wirklichkeit, Möglichkeit und Sprache 351 Phänomene oder gar Hyperphänomene (siehe Waldenfels 2012) werden somit also keineswegs als kognitive Momente negiert oder ignoriert, sondern erhalten ihren Ort in Bezug auf jeweils mit dreistufigen prozessbeschreibenden Begriffen erfasste geistige Prozesse. Damit sind die ausschlaggebenden Begriffe gleich ins Zentrum gerückt: Zeichen und Interpretation eben, die jeweils mit den Ziffern 1 - 3 annotiert werden. Erst wenn wir nach Bedeutungen fragen, sie rational interpretieren, erklären, beschreiben, Theorien bilden (u. a. m.), sind uns die Zeichen nicht ungefragt oder unbemerkt selbstverständlich, dann interpretieren wir gemäß Abel auf der Ebene Interpretation 3 . Doch Abels Interpretationsbegriff ist breiter, denn im Geflecht von Weltbezug, Kommunikation und Handlungszusammenhang ist diese dritte, hermeneutische, auslegende, rational-argumentative, epistemischen Zwecken (usw.) folgende Ebene stufig aufgesattelt. Die darunterliegende zweite Ebene oder Stufe umfasst habitualisierte Gewohnheits- und Gleichförmigkeitsmuster des Interpretierens und auch Stereotype gehören hier hinein. Diese Ebene Interpretation 2 hat einerseits begriffliche Überschneidungen damit, was andernorts mit weit stärkerem Fokus auf Kommunikation und weniger als hier auf das Subjekt der Zeichenverarbeitung als common ground verhandelt wird (siehe Stalnaker 2002). Doch die Grenzen der stufigen Interpretationsebenen sind etwas anders, so dass Abels Ansatz in jedem Fall als eigener zur Kenntnis zu nehmen ist. Der Bereich von präsuppositionaler Basis, propositionalen Einstellungen und der Verständigung dürfte auf die Ebene Interpretation 2 gehören. Dadurch wird eine nur partielle Analogie zum schwer eingrenzbaren common ground erkennbar. Im Umfeld der aus pragmatischer Sicht für die sprachliche Verständigung inferentiell wirksamen, sprechhandlungsbezogenen mutual context beliefs (vgl. Bach & Harnish 1979) und dem der unmittelbar funktionalen Kontextfaktoren der mutual-knowledge hypothethis (vgl. Sperber & Wilson 1994) dürfte wiederum allenfalls eine partielle Analogie zu den Stufen zwischen Interpretation 1 und Interpretation 2 bestehen oder für manche Aspekte auch dazwischen. Denn Abels Interpretation 1 bezeichne die basale Erfahrungsebene z. B. des Lokalisierens von Gegenständen, den Gebrauch logischer Grundbegriffe, sortale Prädikation sowie normative und ästhetische Präferenzierung, in den Formen der Anschauung zur Gestalthaftigkeit der Wirklichkeit führenden Sinnestätigkeiten und die subdoxastischen Zustände wie Emotionen, existentielle Gestimmtheiten und unsere Leiblichkeit (Dirks & Wagner: 10). Hier zeigt sich exemplarisch die allgemeinere zeichenphilosophische Perspektive gegenüber einer einzelwissenschaftlichen wie der linguistischen Pragmatik. Für Abel ist es stets notwendig, alle drei Ebenen in Bezug zu setzen, zumal Interpretationen, wie bereits erwähnt, wechselseitig über Zeichen funktionieren. Denn bei der ZuI handele “ es sich ihrer Form nach um internes Philosophieren ” (Dirks & Wagner: 17). Transzendentale Draufsicht ( “ Gottesperspektive ” ) wird aus gutem Grund abgelehnt, für solche wie uns ist Interpretation als Modus des In-Bezug-Setzens zur Welt unabdingbar. Demzufolge ist die Frage nach dem Subjekt stets virulent und wird von Emil Angehrn und anderen im ersten Kapitel sowie in Abels Repliken diskutiert. Abels Unterscheidung von Interpretation 1 , Interpretation 2 und Interpretation 3 scheint mit einer reduzierten Auswahl der Interpretanten Charles S. Peirces auszukommen, dessen Typologie in der Hinsicht nicht nur differenzierter ist, sondern der das entsprechende 352 Joschka Briese & Ulf Harendarski (Flensburg) Vokabular auch immer wieder verschoben hat, was die Darstellung der Peirceschen Terminologie mitunter sehr erschwert (siehe z. B. Short 2007: 178 - 206). Insgesamt ist Abels Verhältnis zu Philosophie Peirces nicht ganz leicht zu durchschauen. Abel würdigt ihn sowohl in seinen Hauptwerken als auch in seinen Repliken als Vorläufer der ZuI, übernimmt aber nur einige theoretische Elemente aus der Semiotik Peirces. Insbesondere das semiosische Kontinuum sowie die Unmöglichkeit, ohne Zeichen zu interpretieren, denken oder zu handeln, sind auf Peirce zurückzuführen. Explizite Bezüge auf Peirces Interpretantenbegriff sind sowohl in Abels Hauptwerken als auch in den Repliken dünn gesät. Wenn Abel sich auf Interpretanten bezieht, dann insbesondere als logische (im Rahmen Vernunft- und rationalen Kommunikation- und Interpretationsprozessen) oder als energetische Interpretanten (im Rahmen von Verhalten, Tätigkeiten und Handlungen, die auf logische folgen, und in Abels Interpretation daher finale Interpretanten bildeten (vgl. Abel: 1302). Auch basale Formen interpretativer Prozesse (Interpretation 1 ) sind von menschlichen oder diskursfähigen Wesen aufgeführte Operationen. So würde Abel einigen Interpretanten wohl ihre zeichenkonstitutive Funktion nicht absprechen, ihre Involviertheit in Interpretationsprozesse aber doch (z. B. in Zoo- oder Biosemiosen). Daher wendet er sich eher solchen Interpretanten zu, die jeweils den logischen folgen. Gleichzeitig scheint Abel an einigen Stellen (vgl. z. B. Abel: 560) Interpretanten und Interpreten gleichzusetzen, was Peirce strikt ablehnen würde. Die Grenzen der Interpretation setzt Abel mit der Fokussierung auf logische Interpretanten im Reich einer diskursiven oder kommunikativen Vernunft und Rationalität, deren höchste Ebene sich in Interpretation 3 verwirklicht. Zeichen sind zur Markierung des relationalen Aspekts ihrerseits wiederum - und zwar heuristisch, wie Dirks und Wagner betonen - dreigeteilt (vgl. Dirks & Wagner: 11): Zeichen 1, 2, 3 . Die formal-materiale Ebene des Zeichens interessiert hier bestenfalls wenig, weil die allgemeine Theorie des Zeichens selbstverständlich ganz wie die Semiotik alles als Zeichen und mithin alles hinsichtlich seines Kulturbezugs erfassen kann. Es muss eben nur Bedeutung tragen, Prozesse des Verstehens auslösen und nach seiner Bedeutung befragt werden können. Die Ebene der Zeichen 3 betrifft die dem einzelnen Zeichengebrauch oder dem einzelnen Zeichenverstehen voraus liegende Konventionalität, während auf der Ebene Zeichen 2 der Gebrauch der Zeichen liegt und auf Zeichen 1 wiederum analog zu den Interpretationsebenen Lokalisierung und Individuation. Letzteres erzeugt einen nicht unwichtigen Anklang an Vorstellungen der vorsemiotischen Welt als Kontinuum. Peirce schrieb 1908 zum Kontinuum ausdrücklich nur “ vorläufig ” : Es geht darum, daß alles, was immer über augenblickliche Zustände gesagt wird, außer über den Augenblick des Endes oder Beginns einer Veränderung, als, wie die Scholastiker gesagt haben würden, exponibel zu verstehen ist. Das bedeutet, daß es nicht gemäß den allgemeinen Regeln der Sprache interpretiert werden kann, sondern nur auf besondere Weise. Denn ein Augenblick der Zeit, der weder durch den Beginn noch durch das Ende eines Prozesses markiert ist, ist eine Fiktion: Es gibt kein solches Element der Zeit. Aber bis ich die vollständige Darstellung der Natur des Kontinuums vorlegen kann, ist es das beste, wenn der Leser sich vorstellt, daß die Zeit aus einer Abfolge von Augenblicken besteht, wenn er dabei im Gedächtnis behält, daß diese Vorstellung künftig korrigiert werden muß (Peirce 2002: 321). Wenn alles Interpretation und Zeichen ist. Wirklichkeit, Möglichkeit und Sprache 353 Dass etwas als Einzelnes, Bedeutungstragendes diskriminiert werden kann, geht nicht ohne Erfahrung und/ oder kulturelle Konventionen vor sich und so kann der abgezirkelte Ausschnitt des Kontinuums als Zeichen in Funktion kommen. Offenbar leicht anders als für Abel sind für Peirce Prozesse etwa kausaler Art durchaus Natur. Für die ZuI sei das Desiderat, nicht “ objektive Relationen zu leugnen und die Weltverhältnisse in bloß noch subjektiv-beliebige Relationen aufzulösen ” , sondern eine Reformulierung in einem “ neuen Sinn der Rede von ‘ objektiv ’ und ‘ Objektivität ’ nicht mehr in den älteren Bahnen ontologischer und aprioristischer Vorannahmen (im Falle der Kausalität etwa der Annahmen: ‘ es gibt Kausalität ’ und ‘ Kausalität ist apriorisch ’ ) ” (301). Gelingende Verhältnisse “ endlicher, perspektivischer und finitisierender Geister ” bilde für Abel die philosophisch primäre, erklärungsbedürftige Tatsache (Dirks & Wagner: 17). Diese Sicht besagt im Grunde, dass die fraglichen Prozesse stets relationaler Art sind, Verwandtschaft zum systemtheoretischen Emergenz-Begriff wird demzufolge auch gern eingeräumt (vgl. Dirks & Wagner: 32). Für sie hat die Reichweite des Konstruktionsaspektes Grenzen. Auf der gegenüberliegenden Seite ist aber auch “ terminaler ” Skeptizismus (Dirks & Wagner: 35) kein Aspekt der Theorie. Die Artikel des Sammelbandes lassen sich nicht nur gemäß der jeweiligen thematischen Ausrichtung, sondern hinsichtlich der Involviertheit in Abels ZuI aufgliedern. Zeitgenossen und theoretische Gefährten wieTilman Borsche, Josef Simon und Hans Lenk, deren Ansätze in den zeichenphilosophischen Debatten der 1990er und 2000er mit Abel verglichen wurden, kommen nicht nur zu Wort, sondern entwickeln ihre eigenen Ansätze nochmals in Kontrast zu ihrem oftmals trennscharfen Anderen, der Zeichen- und Interpretationsphilosophie Abels. Den Beiträgen ist oftmals anzumerken, wenn sich hier vertraute Dialogpartner gegenüberstehen, wobei etwaige diskursive Konflikte mit Abel beide Seiten inspirieren. Die bisweilen strengen theoretischen Grenzziehungen sind genau das, was Nuancen der verschiedenen Zeichen- und Interpretationsbegriffe und deren Feingliedrigkeit für Eingeweihte offenlegt. Autoren wie Georg W. Bertram, Pirmin Stekeler-Weithofer oder Hans-Jörg Rheinberger hingegen konfrontieren ihre eigenen Ansätze mit der Zeichen- und Interpretationsphilosophie, ohne deren verschiedenen Differenzierung zu explizieren. Anstatt einen zeichen- und interpretationsphilosophischen Beitrag zu leisten, fällt der ZuI die Aufgabe des In- Beziehung-Setzens zu. Oft bemerkenswerte Erkenntnisse, die aus dieser Interaktion erwachsen, dienen dabei insbesondere der Auffrischung der jeweiligen Position, berühren aber die Grundprinzipien der ZuI kaum. Gleichwohl werden so erhellende Einblicke in die verschiedenen Ansätze gegeben und sie werden als Gegenmodelle der je eigenen Zeichen- und Interpretationsbegriffe erprobt. Nicht alle Autoren zielen punktgenau auf Abels Philosophie oder kritisieren direkt, sondern markieren Ähnlichkeiten oder Differenzen. Wir kommen zur Illustration noch einmal auf die oben schon erwähnte, vordergründig gegen das Zeichen gerichtete Idee Tilman Borsches zurück. Der “ terminus intermin(at)us ” (Borsche: 237) “ alles ist Sprache ” steht für ihn zwar am Beginn des Erkenntniswegs, sollte aber um verschiedene Facetten ergänzt werden. Wir nehmen an, dass es sich funktional weniger um einen Satz als vielmehr um eine Äußerung handelt, die eine spezifische kommunikative Funktion übernimmt und daher weniger logisch-formalen Ansprüchen genügen muss als vielmehr modalen. Würden 354 Joschka Briese & Ulf Harendarski (Flensburg) allein logische Aspekte im Vordergrund stehen, wäre das Kopulaverb ohne Tempusmarkierung zu lesen. Eine Interpretation als Äußerung hingegen könnte dazu führen, sich womöglich zunächst einmal mit den Tempusvarianten des Kopulaverbs befassen zu müssen, welches zentral für die Entgrenzung ist. Die Präsensmarkierung gibt Auskunft über die zeitliche Gültigkeit dieser Äußerung: Es war nicht alles Sprache, sondern kommunikative Wesen müssen erst in diese Praktiken hineinwachsen, dann ist Sprache aber doch alles. Somit bliebe eine phylo- und ontogenetische Differenz von Kulturalität und Sprache (vgl. z. B. Tomasello 2011, Donald 1993) erhalten, denn als “ sprachlich sozialisierte Wesen können wir hinter diese sprachliche Überformung unserer Sinneseindrücke durch Wahr-Nehmung, wenn sie einmal geschehen ist, d. h. gelernt wurde, nicht wieder zurückgehen; wir können sie nicht mehr abschütteln ” (Borsche: 242), wie Borsche es formuliert. Er scheint hier zwar auch andere Zeichensysteme und -praktiken im Sinn zu haben. Alles andere aber wird nur in Bezug auf Sprache bedeutsam. Eine dermaßen generalisierende Verwendung eines Substantivs wie in der Festlegung “ alles ist Sprache ” schließt alles andere aus. Was ist, das ist Sprache, was nicht Sprache ist, ist erst gar nicht. Eine Kritik an der Universalität der Sprache formuliert übrigens auch Josef Simon im Sammelband (vgl. Simon 341 - 356). Aber insbesondere Borsche verwendet für die Äußerung nicht das Adjektiv sprachlich, was gegenstandsbezogen vielleicht angemessener und kommunikativ versöhnlicher wäre. Es würde bedeuten: jeder Zeichenprozess diskursiver Wesen müsste demnach als auch sprachbezogen betrachtet werden. Der von Borsche geäußerte Satz könnte demnach folgendermaßen komplementiert werden: Für uns ist alles sprachlich überformt. Bestimmt spielt Borsche mit seiner Äußerung auf semiotisch gängige Überzeugungen an, wonach (für solche wie uns) alles Zeichen sei. Werden nur die Folgen der Borsche-Äußerung für eine ZuI betrachtet, dann würde sie konsequenterweise bedeuten, dass nicht-sprachliche Aspekte von Zeichen und Interpretation entweder unbeachtet bleiben oder gleich in Gänze keine Rolle spielen. Da es sich aber offenbar nicht zuletzt um eine Aufforderung an Abel, ja eine Herausforderung handelt, die der auch tatsächlich zum Anlass einer soliden Verteidigung seines Ansatzes nutzt, gelingt diesem mit seiner Replik zugleich eine akribische Zurückweisung der Entgrenzung des Sprachbegriffs. Andere Artikel demgegenüber (hier exemplarisch der von Joseph Margolis) erfassen wenig mehr als die Fassade der ZuI. Margolis (305) bekennt selbst, dass er vor der Publikationsanfrage mit Abels ZuI nicht vertraut war. Zwar zeigt sich dadurch, dass eine umfassende Kenntnis der ZuI keineswegs en passant erlangt werden kann (schließlich gab es die beiden hier rezensierten Bände da noch nicht), daraus erwächst aber auch ein Wert, den der Dialog hervorholt. In der Diskussion von Margolis und Abel scheinen nicht nur zwei versierte Philosophen aufeinanderzutreffen, sondern auch zwei unterschiedliche philosophische Traditionen, die trotz ausführlichem Austausch weiterhin passagenweise durch gegenseitiges Unverständnis geprägt sind. Margolis ’ Kritik, dass Günter Abel existente bzw. kausale Weltverhältnisse für das Zustandekommen von Interpretationen (Margolis unterscheidet zwischen konstitutiver und ampliativer Interpretation) kaum berücksichtigt, findet sich in anderer Form auch in weiteren Beiträgen des Sammelbandes wieder und ist durchaus gerechtfertigt. Margolis kritisiert darüber hinaus den Zeichenbegriff der Zeichentheorie und -philosophie, sieht in Zeichenprozessen keine außerordentliche Relevanz für intelligentes und rationales Wenn alles Interpretation und Zeichen ist. Wirklichkeit, Möglichkeit und Sprache 355 Leben (vgl. Margolis: 309), setzt Semiotik und Metaphysik gleich (vgl. Margolis: 310) und ist vom Nutzen der Semiotik für die Philosophie im Allgemeinen nicht überzeugt (vgl. Margolis: 316), was bemerkenswert ist, denn er arbeitet über den Pragmatismus Charles S. Peirces. Diese Perspektive auf den Zeichenbegriff könnte als paradigmatisch für eine Vielzahl analytischer Philosophen gesehen werden, auch diejenigen, die sich auf die Kontinentalphilosophie eingelassen haben. Abels Replik weist trotz höflicher Obduktion der Argumente Margolis ’ stets darauf hin, dieser verkenne die Tragweite des Zeichenbegriffs. Es ist interessant genug, dass viele anglo-amerikanische Philosophien trotz ihres pragmatistischen Ursprungs verstärkt auf deren formale Aspekte eingehen und damit ganz in der Tradition Gottlob Freges, Bertrand Russells, des Berliner und Wiener Kreises verbleiben. So steht die “ Renaissance des Pragmatismus ” (vgl. die Beiträge in Sandbothe (2000), insbesondere Margolis (2000)) weiterhin in analytischer Tradition, ohne aber die Möglichkeit eines semiotischen Pragmatismus (vgl. die Beiträge in Wirth (2000)) in Betracht zu ziehen. Eine Explikation und Reflexion des Zeichenbegriffs, dies zeigen sowohl die Replik Abels sowie der Sammelband, könnte für die analytische Tradition ebenso interessant sein, wie für aktuelle philosophische Programme, die an der Grenze von analytischer und kontinentaler Philosophie arbeiten wie z. B. Robert B. Brandom (2019) und Relationen und Prozesse mithilfe von formalen Prinzipien, anstatt die semiosischen Kategorien zu erläutern suchen. Formulierungen wie “ immer schon ” stehen bei Abel hoch im Kurs, sie tauchen häufig auf. Simon beschreibt Abels interpretationsphilosophischen Kern so: Die Interpretationsphilosophie GünterAbels geht, ebenso wie die Philosophie des Zeichens (Simon 1989), davon aus, dass wir ‘ immer schon ’ in Verhältnissen der Welt-, Fremd- und Selbstbezüglichkeit leben und uns in besonderen Interpretationsverhältnissen befinden, die unser Erkennen bestimmen, ohne dass wir dies in einer relevanten Weise mitbestimmen können. Interpretieren ist, allgemein gesagt, die Tätigkeit des Denkens, mit den Antworten auf die Frage nach der Bedeutung von Zeichen in einem gegebenen Zusammenhang zu einem befriedigenden Ende zu kommen. Die Frage nach der Bedeutung kommt aus dem Nichtverstehen. Die Antwort sind wiederum Zeichen (Simon: 341). Abels gewählte Perspektive scheint einen blinden Fleck zu haben, den einige der Autoren auch benennen. Gleichwohl die ZuI nicht beim Subjekt beginnt, sondern von diesem abstrahiert und auch sonst das Subjekt eher im zeitlichen Prozess aktiver und passiver Zeichen- und Interpretationsbezüge verankert, denn als herrschaftliche Meisterung der Wirklichkeitskonstruktion akzeptiert, spielt sich fast das gesamte Programm aber doch “ im Triangel Ich-Wir-Welt ” (z. B. Abel: 295) ab, wie eine andere häufige Formel lautet. Damit wird keine reine Erkenntnisperspektive gewählt, dennoch geht es auch um eine anthropologische Grundoperation des wahrnehmenden, denkenden, kommunizierenden und vor allem auch zeitlich endlichen Weltbezugs, bei dem die Handlungsorientierung alles andere als eine Nebenrolle spielt. Wie aber kommen wir dazu? Wie lernen wir das in den ersten Lebensmonaten und Jahren, wie entwickeln wir Begriffe, wie entwickeln wir in kommunikativen Prozessen noch ohne Kenntnisse und viele der späteren Fähigkeiten überhaupt kommunizierbare Welt- und Fremdbezüge? Tod, Endlichkeit, all dies wird als anthropologische Voraussetzung in Abels Repliken immer wieder neu bedacht, der Anfang, die Anfangsphase aber offenbar weit weniger, jedenfalls dort, wo es um die Herausbildung 356 Joschka Briese & Ulf Harendarski (Flensburg) und Entwicklung der begrifflich wahrnehmenden, der begrifflich (und anders) Handelnden geht. Wenn auch nicht ganz offen, markiert Stekeler-Weithofer genau diesen Aspekt, sobald er ein zirkuläres Element anspricht: Eine kooperationstheoretische Fundierung des gemeinsamen praktischen Weltbezugs und der sprachlichen Bezugnahme auf präsentische Sachen und Dinge der Gegenwart erscheint jetzt als hoffnungslos. Denn jede Gemeinsamkeit scheint das begriffliche Denken vorauszusetzen (Stekeler-Weithofer: 281). Zuvor hat er die Perspektive um den Möglichkeitsraum erweitert. Kurz gesagt zielt er darauf, dass wir als über Zeichen und Interpretation mit der Umwelt Verbundene in einem Möglichkeitsraum existieren und nicht bloß in der Dialektik von Zeichen und Welt. Wenn er von alternativen oder pluralen Wirklichkeiten in expliziter Zurückweisung eher “ figurativ ” möblierter “ möglicher Welten ” spricht, zielt er u. E. darauf, die semantische Dimension dessen zu charakterisieren, was man vielleicht näherungsweise Erwartbarkeitsrahmen nennen könnte. Damit wäre etwa eine Ereigniswahrnehmung oder -deskription flankiert durch ein Set an Erwartbarem, welches es ermöglicht, das Gegebene material als Besonderes in Bezug auf die nicht eingetretenen Alternativen zu erkennen. Das “ volle Wahr-Nehmen von präsentischer Wirklichkeit ist am Ende also eher eine Bewertung einer symbolisch vorentworfenen Möglichkeit als bestehend ” (Stekeler-Weithofer: 267). Aspekte der präsumtiven Erwartungen, begrifflicher Möglichkeiten und ihrer möglichen material Strukturen sind es, um die in diesem Verständnis Stekeler-Weithofers die ZuI erweitert wird, um pragmatistische Ansichten also: Erst die Überlegungen von Wilfrid Sellars zu den ‘ materialen Inferenzen ’ und deren Auslegungen durch Robert Brandom öffnen hier neue Perspektiven. Dabei bleibt bei Sellars und Brandom aber noch unklar, was materiale Inferenzen eigentlich sind oder sein sollen. Es ist nämlich unklar, ob sie bloß kontingente Übergänge sind bzw. welche Art der Notwendigkeit, Allgemeinheit oder normativen Richtigkeit sie im Schließen, Urteilen, Erwarten und Sich-Orientieren unterstützen (Stekeler-Weithofer: 283). Im Grunde bricht Stekeler-Weithofer das Immer-Schon Abels auf. Es lässt sich auf Teilaspekte des Spracherwerbs übertragen. Wie kann sich das Verfügen über Sprechhandlungskompetenzen ohne begriffliches Wissen-Wie im kommunikativ-sozialen Zusammenspiel mit Intentionalitätszuschreibungen und alledem einerseits und Handlung andererseits entwickeln? Stekeler-Weithofer markiert nun genau dies drohende Zirkuläre aus allgemein philosophischer Perspektive. Aber auch das lässt sich wiederum mit Blick auf Spracherwerb verdeutlichen, wenn es um Erklärungen dafür geht, wie kommunikatives Lernen per Kommunikation von der Pike auf überhaupt vor sich geht: Die Differenz der Form oder Struktur von Verhaltenskoordination und kooperativem Gemeinschaftshandeln ist nicht einfach zu erläutern. Das wird noch schwieriger, wo es um die methodischen Stufungen beim Spracherwerb des Menschen geht. Denn einerseits ist das menschliche Handeln überhaupt von der Fähigkeit zum Sprechhandeln abhängig. Andererseits ist das Sprechhandeln ein Handeln. Daraus folgt, dass die Erklärungslinie zirkulär zu werden droht, wenn wir nicht einfach einem behavioralen Ansatz folgen (Stekeler-Weithofer: 279 f.). Aus unserer Sicht geht Abel in seiner Replik an diesem wesentlichen Punkt vorbei, wenn er schreibt, dass der “ Vektor ” bei ihm anders sei, nämlich von “ den Wirklichkeiten auf Wenn alles Interpretation und Zeichen ist. Wirklichkeit, Möglichkeit und Sprache 357 Möglichkeiten. ” Das Zusammenspiel von präsumtiven Erwartungen als Möglichkeitsspektrum zeichnet sich im eben skizzierten Bild aber genau dadurch aus, dass - wenn überhaupt - die Vektoren zugleich in beide Richtungen gehen. Möglichkeiten seien nicht einfach vorgefertigt da. “ Vielmehr werden sie, so die These, im Verwenden und Verstehen der Zeichen und Interpretationen erst eröffnet und in diesem drehtürartigen Sinne erst geschaffen ” , schreibt Abel (296). Andernfalls wären sie nur leblose Möglichkeiten. Vielleicht kann das endliche, aber gebildete Subjekt so lernen, ein Kind aber vermutlich nicht. Dass wir die beiden Bücher als ausgesprochen wertvolle, umsichtige und thematisch differenzierte Fortführungen verschiedener Diskurse halten, haben wir erkennen lassen. Ein weiteres Fazit scheint unnötig. Literaturverzeichnis Abel, Günter 1993: Interpretationswelten: Gegenwartsphilosophie jenseits von Essentialismus und Relativismus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Abel, Günter 1999: Sprache, Zeichen, Interpretation. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Abel, Günter 2004: Zeichen der Wirklichkeit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Bach, Kent/ Harnish, Robert M. 1979: Linguistic Communication and Speech Acts. Cambridge: MIT Press Brandom, Robert 2019: A Spirit of Trust: A Reading of Hegel ’ s Phenomenology. Cambridge: Harvard University Press Donald, Merlin 1993: Origins of the Modern Mind: Three Stages in the Evolution of Culture and Cognition. Cambridge: Harvard University Press Margolis, Joseph 2000: “ Der cartesianische Realismus und die Wiedergeburt des Pragmatismus ” , in: Mike Sandbothe (ed.): Die Renaissance des Pragmatismus: Aktuelle Verflechtungen zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie. Weilerswrist: Velbrück Wissenschaft, 292 - 323 Peirce, Charles S. 2002: Semiotische Schriften. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Sandbothe, Mike (ed.) 2000: Die Renaissance des Pragmatismus: Aktuelle Verflechtungen zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie. Weilerswrist: Velbrück Wissenschaft Simon, Josef 1989: Philosophie des Zeichens. Berlin/ New York: de Gruyter Short, T. L. 2007: Peirce ’ s Theory of Signs. Cambridge: Cambridge University Press Sperber, Dan/ Wilson, Deirdre 1994: Relevance: Communication and Cognition. Oxford: Blackwell Stalnaker, Robert 2002: “ Common Ground ” , in: Linguistics and Philosophy 25 (5/ 6), 701 - 721 Tomasello, Michael 2011: Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens: Zur Evolution der Kognition. 1. Auflage. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Waldenfels, Bernhard 2012: Hyperphänomene: Modi hyperbolischer Erfahrung. Berlin: Suhrkamp Wirth, Uwe (ed.) 2000: Die Welt als Zeichen und Hypothese: Perspektiven des semiotischen Pragmatismus von Charles Sanders Peirce. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 358 Joschka Briese & Ulf Harendarski (Flensburg)