eJournals Kodikas/Code 41/3-4

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2018
413-4

Jens Loenhoff & H. Walter Schmitz (eds.) 2015: Telekommunikation gegen Isolation. Kommunikationswissenschaftliche Studien aus einem Modellprojekt in einer Klinik, Wiesbaden: Springer, 392 pp., 69,99 €, ISBN 978-3-658-10645-4

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2018
Ernest W. B. Hess-Lüttich
kod413-40375
Grammatikographie, die sich aus der Textlinguistik, Pragmatik, Rhetorik oder Diskurstheorie haben anregen lassen (cf. z. B. Weinrich 2005; Müller 2018; Bücker 2021). Literatur Bücker, Jörg 2021: “ Gesprächsgrammatik: Entwicklung - Konzepte - Methoden ” , in: Hess-Lüttich (ed.) 2021: 173 - 193 Eschbach, Achim (ed.) 1981: Zeichen über Zeichen über Zeichen. 15 Studien über Charles W. Morris, Tübingen: Gunter Narr Götze, Lutz & Ernest W. Hess-Lüttich 4 2002: Grammatik der deutschen Sprache, Gütersloh: Bertelsmann Hess-Lüttich, Ernest W. (ed.) 2021: Handbuch Gesprächsrhetorik, Berlin/ Boston: Walter de Gruyter Müller, Marcus 2018: “ Diskursgrammatik ” , in: Ingo Warnke (ed.) 2018: Handbuch Diskurs, Berlin/ Boston: Walter de Gruyter, 75 - 103 Weinrich, Harald 3 2005: Textgrammatik der deutschen Sprache (unter Mitarbeit von Maria Thurmair, Eva Breindl & Eva-Maria Willkopp), Hildesheim/ Zürich/ New York: Olms Jens Loenhoff & H. Walter Schmitz (eds.) 2015: Telekommunikation gegen Isolation. Kommunikationswissenschaftliche Studien aus einem Modellprojekt in einer Klinik, Wiesbaden: Springer, 392 pp., 69,99 € , ISBN 978-3-658-10645-4 Als die Essener Kommunikationswissenschaftler ihren Sammelband unter dem Titel Telekommunikation gegen Isolation herausbrachten, konnten sie nicht ahnen, welche Assoziationen das Thema in den Jahren der Corona-Pandemie auslösen sollte, in denen Videokonferenzen täglich durchlittene Praxis und soziale Isolation vielfach geteilte Erfahrung werden sollten. Mit ihren interaktionsanalytischen Projekten zur Untersuchung der Videokonferenz als eigenständiger Kommunikationsform, mit denen sich die Essener Forscher seit der Jahrhundertwende in Büchern und Beiträgen zu Wort melden, sind sie nicht nur im Hinblick auf Fragestellungen und Erkenntnisinteressen ihrer Zeit voraus, sondern setzen in kritischer Auseinandersetzung mit anderen (etwa konversations- und gesprächsanalytischen) Ansätzen auch in begrifflicher und methodischer Hinsicht Maßstäbe. In dem nun vorgelegten Band geht es um die Erträge eines kommunikationswissenschaftlich-medizinischen Modellprojekts, das der Analyse von Videokonferenzen krebskranker Kinder gewidmet ist, die wegen der Gefahr von Infektionen monatelang auf der Isolierstation verbringen müssen und mit dem Medium versuchen, Kontakt zu ihren Eltern, Freunden und Familien zu halten. Den acht Kapiteln von Thomas Bliesener, Tino Minas, Daniela Rudzinski und Angelika Wirtz stellen die Herausgeber Jens Loenhoff und H. Walter Schmitz eine unbedingt zur Lektüre empfohlene Einleitung voran, in der sie nicht nur einen überaus gut informierten Überblick über den Forschungsstand der Videokonferenzforschung geben, in die sie ihre Projekte zugleich einbetten und sie durch eigene Akzente bereichern, sondern auch eine wissenschaftshistorisch fundierte Kritik an dem seit einiger Zeit erhobenen Anspruch der linguistischen Gesprächsforschung formulieren, die Multimodalität direkter und technisch vermittelter Kommunikation entdeckt und in ihr methodisches Instrumentarium integriert zu haben. Zu Recht erinnern die Autoren an die bis in die Antike zurückreichende Tradition Recent Readings - Reviews 375 des Nachdenkens über die Komplexität der in kommunikativen Prozessen ineinander verschränkten Zeichenmodalitäten (die übrigens auch der Rezensent einst zu beachten empfahl, damals leider zur Unzeit: Hess-Lüttich 1978; id. 1982). Der vereinfachenden Vorstellung mehrkanaliger Codes setzen Loenhoff und Schmitz einen holistischen Kommunikationsbegriff entgegen, der Multimodalität als das Insgesamt der in Prozessen menschlicher Verständigung involvierten sensomotorischen Systeme semiotisch integriert. Ihre Analysen und Überlegungen zur Videokonferenzforschung verstehen die Projektleiter deshalb auch umfassender als “ Beiträge zur Theorie und zur methodischen Erforschung technisch vermittelter (multimedialer) interpersonaler Kommunikation und ihrer oft multiplen Multimodalität ” (S. 2). Daraus folgt zugleich die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit den in der empirischen Konversations- und Gesprächsanalyse üblichen Transkriptionssystemen, die non- und paraverbalen Phänomenen allenfalls als concomitanten Handlungen (und etwa in Partitur- Notationen parallelisierten Zeichenketten) Aufmerksamkeit zuteil werden ließen. Thomas Bliesener stellt sodann in seinem 120 Seiten umfassenden Einführungskapitel das Modellprojekt vor, das der Untersuchung von “ Telekonferenzen für Patienten in Isolation ” gewidmet ist. Er schildert die schwierige Lage der Beteiligten - also vor allem der Patienten, aber auch ihrer Angehörigen und Freunde - und die Möglichkeiten, deren (psychische) Belastung durch die medizinisch notwendige mehrmonatige Isolation mit der Aufrechterhaltung des Kontaktes zur Außenwelt qua Telekonferenzen zu lindern. Dann skizziert er die empirischen und methodischen Grundlagen der Untersuchung, die filmisch dokumentierten räumlichen Verhältnisse, die Aufnahme von Gesprächen mit dem Betreuungspersonal, mit Angehörigen und Besuchern, die umfangreichen audiovisuellen Materialien und deren kommunikationswissenschaftliche Auswertung. Die beiden anschließenden Abschnitte sind den personellen und technischen Besonderheiten des Settings und der Stichproben gewidmet, aber auch der Frage nach den Bedürfnissen der Beteiligten. Es folgen fünf Abschnitte mit detaillierten Ausführungen über die kommunikativen Leistungen und technischen Voraussetzungen, die medialen Bedingungen, die Auswirkungen auf Patienten und Angehörige und medizinischen Potentiale der Telekommunikation und manches mehr, bevor aus den Befunden konkrete Empfehlungen für die Praxis abgeleitet werden. Dieses sympathische Interesse an der gesellschaftlichen Relevanz noch der empirisch-methodisch anspruchvollsten ethnographischen Forschung ist dem Rezensenten schon bei der Lektüre der frühesten Bücher des Autors aufgefallen, etwa seiner kritischen Beobachtung der strukturellen Verzerrungen asymmetrischer Kommunikation in Institutionen des Gesundheitswesens am Beispiel der ärztlichen Visite (Bliesener 1982), die zu einigen Verbesserungen in der medizinischen Ausbildung und Gesprächsschulung geführt hat. Ein solches kritisches Interesse an der kommunikativ extrem restriktiven Konstellation in einer stationären Isoliereinheit motiviert auch Angelika Wirtz in ihrer genauen Schilderung der “ Etappen auf dem Weg zum Patienten ” auf einer Intensivstation für Knochenmarktransplantationen. Allein schon der Weg durch die notwendigen Schleusen kann zu Konflikten führen, wie Tino Minas beobachtet hat, wenn Ärzte, Pfleger, Angehörige, Freunde, Lehrer oder Reinigungskräfte sich gegenseitig proxemisch ins Gehege kommen und dabei ständig auf die Sterilitätsbedingungen achthaben müssen. 376 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Kapstadt) Von überwiegend methodisch-praktischem Interesse ist dann Thomas Blieseners Überblick über die Transkriptionsverfahren und - konventionen, die in dem Essener Projekt zum Einsatz kamen. Was die Herausgeber in ihrer Einleitung theoretisch begründet haben, wird hier am Beispiel anschaulich demonstriert. Die in Deutschland aus der Gesprächsanalyse bekannten Verfahren finden allerdings keine Gnade vor den Ansprüchen des Autors, deshalb empfiehlt er eine Orientierung an dem ursprünglich aus der Sozialpsychologie stammenden ‘ Berner System ’ der Notation multimedialer bzw. multimodaler Kommunikation, das in der Linguistik freilich leider kaum rezipiert wurde (Frey et al. 1981 u. 1982; cf. Hess-Lüttich 1982). Hier wäre man neugierig auf des Verfassers Bewertung der neueren semiotik-affinen Ansätze, wie sie etwa im Handbuch Body - language - communication vorgestellt werden (Müller et al. eds. 2013). Im Anschluss daran untersucht Daniela Rudzinski anhand einer kurzen Fallanalyse im Detail, wie zwei Schwestern per Skype miteinander spielen und dabei ihr Verhalten über die räumliche Distanz hinweg wechselseitig koordinieren, um sich einen gemeinsamen Spielraum zu schaffen. Stärker theoretisch abgesichert ist dann der zweite Beitrag von Angelika Wirtz zur multimodalen Kommunikation im Interaktionsverbund, in dem sie wichtige Hinweise auf neuere Analyseansätze angelsächsischer Provenienz bietet (Multimodal Interaction Analysis, Multimodal Discourse Analysis, Social Semiotic Multimodal Analysis) und die Brücke zur Essener Prämisse schlägt, die Gesprächspartner nicht als Sender und Empfänger mehrkanaliger Codes missversteht, sondern die Einheit des Kommunikationsereignisses insgesamt in den Blick nimmt. Die beiden letzten Kapitel stammen wieder von Thomas Bliesener, der zunächst die Telesupport-Settings und deren Auswirkungen auf die Handlungskoordination über räumliche Distanzen hinweg beschreibt. Den krönenden Abschluss des Bandes bildet dann sein Kapitel mit dem schönen Titel “ Ein Nacht im Leben von Kevin Kaminsky. Kommunikation über Complience, Schmerz und Todesangst ” , in dem er einfühlsam die Todesangst des 9-jährigen Krebspatienten schildert. Dabei arbeitet er anhand der Analyse eines Gesprächs der besorgten Mutter mit der Krankenschwester subtil die darin gebrauchten Argumentationsstrategien der beiden heraus und beschreibt die vermeintlich beruhigenden und Zuversicht vermittelnden Reaktionen des Pflegepersonals auf die vom kranken Kinde geäußerten Sorgen und Ängste. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass es in solchen existentiellen Situationen dem klinischen Personal immer noch an Zuwendung und Anteilnahme gebricht, was den Rezensenten an des Verfassers eingangs erwähnte Befunde zur ärztlichen Visite gemahnt (Bliesener 1982). Die hier vorgelegte Studie ist nicht nur ein wichtiger Baustein der interdisziplinär, theoretisch, empirisch und methodisch avancierten Untersuchung kommunikativer Praxis im institutionellen Setting einer Klinik, sondern verspricht dem an medizinischer Interaktion interessierten Leser auch eine ebenso anspruchsvolle wie inspirierende Lektüre (cf. Hess-Lüttich ed. 2018). Genauere Hinweise bieten die ausführlichen Besprechungen von Ulrike Schröder (2016) und Simon Meier (2016). Literatur Bliesener, Thomas 1982: Die Visite - ein verhinderter Dialog. Initiativen von Patienten und Abweisungen durch das Personal (= Kommunikation und Institution 6), Tübingen: Gunter Narr Recent Readings - Reviews 377 Frey, Siegfried, Hans-Peter Hirsbrunner, Jonathan Pool & Walid Daw 1981: “ Das Berner System zur Untersuchung nonverbaler Interaktion ” , in: Peter Winkler (ed.) 1981: Methoden der Analyse von Face-to-Face-Situationen, Stuttgart: Metzler, 203 - 268 Frey, Siegfried, Hans-Peter Hirsbrunner & Ulrich Jorns 1982: “ Time-Series-Notation: A Coding Principle for the Unified Assessment of Speech and Movement in Communication Research ” , in: Hess-Lüttich (ed.) 1982: 30 - 58 Hess-Lüttich, Ernest W. B. 1978: “ Semiotik der multimedialen Kommunikation ” , in: Tasso Borbé & Martin Krampen (eds.), Angewandte Semiotik, Wien: Egermann, 21 - 48 Hess-Lüttich, Ernest W. B. 1982: “ Medial Transformation and Semiotic Structure: Problems of Corpus Analysis ” , in: Hess-Lüttich (ed.) 1982: 263 - 286 Hess-Lüttich, Ernest W. B. (ed.) 1982: Multimedial Communication 1: Semiotic Problems of its Notation, Tübingen: Gunter Narr Hess-Lüttich, Ernest W. B. (ed.) 2018: Rhetorik und Medizin (= Rhetorik - Ein internationales Jahrbuch 37), Berlin/ Boston: de Gruyter Meier, Simon 2016: “ Rezension zu: Jens Loenhoff/ H. Walter Schmitz (Hg.) (2015): Telekommunikation gegen Isolation. Kommunikationswissenschaftliche Studien aus einem Modellprojekt in einer Klinik ” , in: Gesprächsforschung 17: 47 - 54 [im Internet: http: / / www.gespraechsforschung-online.de/ fileadmin/ dateien/ heft2016/ rz-meier.pdf] [25. 12. 2020] Cornelia Müller, Alan Cienki, Ellen Fricke, Silva H. Ladewig, David McNeill & Sedinha Teßendorf (eds.) 2013: Body - language - communication. An international handbook on multimodality in human interaction, Berlin: De Gruyter Mouton Schröder, Ulrike 2016: “ Rezension: Jens Loenhoff & H. Walter Schmitz (Hrsg.) (2015). Telekommunikation gegen Isolation. Kommunikationswissenschaftliche Studien aus einem Modellprojekt in einer Klinik ” , in: Forum Qualitative Sozialforschung/ Forum: Qualitative Social Research 17.2, Art. 19, [im Internet: https: / / www.qualitative-research.net/ index.php/ fqs/ article/ view/ 2562/ 3964] [1. 1. 2021] Carolin Eckardt 2016: Diskursschranken im interkulturellen Gespräch. Die Arbeit an kulturellen Grenzen in deutsch-ägyptischen Gruppendiskussionen zum “ Karikaturenstreit ” , Tübingen: Stauffenburg, 525 pp., 78,00 € , ISBN 978-3-95809-508-3 Junge Leser erinnern sich vielleicht kaum noch: 2005 lösten zwölf Karikaturen des Propheten Mohammed in der dänischen Tageszeitung Jyllands Posten eine internationale diplomatische Krise aus. Das erfährt der Leser allerdings erst beiläufig auf S. 19 in einer kleinen Fußnote. Dann kommt zunächst viel Theorie, bevor ab S. 30 nähere Hinweise zu diesem Streit folgen. Sein Gegenstand, eben die Karikaturen selbst, werden sicherheitshalber auch auf den folgenden 500 Seiten nicht abgedruckt. Mittlerweile dürfte der durch sie ausgelöste islamistische Terror und die jahrelang anhaltende Protestwelle im islamischen Raum sie aber weltweit allgemein bekannt gemacht haben. Karikaturen des Propheten und kein Ende des Konflikts: Erneute Aktualität gewinnt die 2016 aus einer von Franz Januschek in Oldenburg betreuten Dissertation hervorgegangene Untersuchung durch den Anschlag auf die Redaktion der französischen Karikaturenzeitschrift Charlie Hebdo 2015 und den Jahrestag des Anschlags 2020 einschließlich des Abschlusses seiner juristischen Aufarbeitung. Deshalb sei noch einmal auf diese für die aktuelle Erforschung interkultureller Diskurse exemplarische und auch in methodischer Hinsicht gründliche Studie hingewiesen, 378 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Kapstadt)