Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2018
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Boris Roman Gibhardt 2018: Nachtseite des Sinnbilds. Die Romantische Allegorie (= Ästhetik um 1800 vol. 13), Göttingen: Wallstein, 224 pp., 24,90 €, ISBN 978-3-8353-3272-0
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2018
Ernest W. B. Hess-Lüttich
kod413-40383
bedeutet, veranschaulichen Antje und Werner Pfab in ihrem Beitrag, der Anlässe, Motive, Bedingungen, Fragen als Schlüsselmomente und aktuelle Entwicklungen des Coachings als eines kommunikativen Prozesses erläutert, wobei der Akzent auf zwei aktuelle Entwicklungen gelegt wird, nämlich das interkulturelle Coaching aufgrund internationaler Arbeitsbeziehungen bzw. ethnisch heterogener Belegschaften und das virtuelle Coaching für Medienauftritte, online-Konferenzen, home-office Arbeitsplätze und dergleichen. Eva- Maria Jakobs zeigt in ihrem Beitrag zur Sprache im Kontext der Wertschöpfung unter anderem, wie sich die Arbeitskommunikation im Übergang zur Web-Gesellschaft entwickelt und welchen Einfluss das auf die schriftlichen Arbeitsanteile in produzierenden Unternehmen hat. Monika Dannerer spürt dem Begriff und der je unterschiedlichen Konzeption von Effizienz bzw. Effektivität in mehreren Disziplinen nach - in der Sprachwissenschaft, in den Wirtschaftswissenschaften, in der Sprachdidaktik, in der Unternehmenskommunikation, in der Mehrsprachigkeits- und Interkulturalitätsforschung - und wirft die Frage auf, wie sie fachtypisch ‘ effizient ’ zu quantifizieren und schlüssig zu bewerten sei. Zur Abrundung des Bandes wirft Cornelia Hegele-Raih vor dem Hintergrund einer Pluralität theoretischer Ansätze (der Postmoderne, Systemtheorie, Narratologie, Wissenssoziologie, des Poststrukturalismus) einen linguistisch informierten Blick auf den Wandel von Organisationen und den sich darin verändernden Stellenwert von Sprache und zeigt positive Ansatzpunkte für ein kundenbezogenes ‘ Change-Management ’ auf. Insgesamt bietet der Band einen guten Überblick über den Forschungsstand in einem noch relativ jungen Gebiet der Angewandten Linguistik, nämlich der Analyse der Verständigungspraktiken in Behörden, Institutionen, Unternehmen. Der im Klappentext formulierte Anspruch einer “ umfänglichen Bereitstellung relevanter Erkenntnisse aus der internationalen Forschung ” im Hinblick auf “ wichtige Stränge, methodologische Perspektiven und einen Querschnitt von Untersuchungen zu den verschiedenen Bereichen sprachlicher und kommunikativer Praxis in Organisationen ” wird nach meinem Eindruck überzeugend eingelöst. Natürlich kann man immer Aspekte finden, die ein Rezensent vermisst, weil sie ihm besonders am Herzen liegen; so hätte man sich vielleicht eine stärkere Akzentuierung semiotischer Reflexion multimodaler Interaktion oder eine kritischere Konturierung diskursanalytischer Zugänge zu strukturell asymmetrischen Dialogkonstellationen und deren Ursachen wünschen können, aber hier und da werden immerhin entsprechende Anschlussstellen markiert, die das beigefügte Sachregister schnell aufzufinden hilft. Personenregister oder Autorenverzeichnisse sind in den Bänden der Handbücher Sprachwissen nicht vorgesehen. Boris Roman Gibhardt 2018: Nachtseite des Sinnbilds. Die Romantische Allegorie (= Ästhetik um 1800 vol. 13), Göttingen: Wallstein, 224 pp., 24,90 € , ISBN 978-3- 8353-3272-0 Der Berliner Privatdozent Boris Roman Gibhardt, geboren 1980 in Kassel, ist - nach einem Studium der Komparatistik, Kunst- und Musikwissenschaft in Berlin, Mainz und Paris, einer Promotion über Ornament und Lineatur bei Marcel Proust, nach Stationen als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Forum für Kunstgeschichte in Paris, Fellow an der Recent Readings - Reviews 383 Stanford University und Feodor-Lynen-Stipendiat an der Havard University, seit kurzem Kurator am Goethe-Nationalmuseum zu Weimar - bestens ausgewiesen, seine wissenschaftlichen Interessen über traditionelle Disziplingrenzen hinweg zu verfolgen. So hat er sich bereits früh mit einer Reihe von Monographien, Editionen, Textsammlungen und zahlreichen Aufsätzen in namhaften Zeitschriften in der Zunft einen Namen gemacht. Auf sein viel beachtetes Buch über Die Romantische Allegorie möchte ich an dieser Stelle nicht nur deshalb hinweisen, weil es sich enggezirkelter disziplinsystematischer Rubrizierung entzieht, sondern weil es von genuin semiotischem Interesse ist, wie der Autor hier die intermedialen Bezüge zwischen Bildender Kunst, Literatur und Musik am Beispiel der Allegorie als einer rhetorischen Figur, eines poetischen Verfahrens und literarisch-künstlerischen Genres freizulegen bestrebt ist. Allerdings geht es ihm weniger um begriffshistorische und -systematische Festlegungen als um die je spezifische Medialität und Mehrdimensionalität des Genres in mehreren Künsten und dessen Stellenwert in der sog. Epoche der Romantik. Die Problematik des Epochenbegriffs tritt dabei in den Hintergrund gegenüber dem Interesse an der für die medienspezifischen Ausprägungen des Genres konstitutiven semiotischen Signatur einzelner Werke. Das Spektrum fasst Mirta Devidi in ihrer Besprechung des Buches, die in der online-Zeitschrift Philologie im Netz (87/ 2019: 70 - 76, hier 70 f.) erschien, bündig zusammen: Entsprechend ausführlich wird dies in Passagen zu Runges und Novalis ’ Allegorie-Verständnis, zu Görres ’ , Creuzers und Gotthilf Heinrich Schuberts Abhandlungen, zu Brentanos, Achim von Arnims und Kleists Gemäldediskussionen, zur Fresko-Beschreibung Wackenroders und Tiecks, zu August Wilhelm Schlegels, Runges und Novalis ’ Verständnis des Rhythmus- und Spielcharakters, zu Friedrich Schlegels Ironie- und Arabeske-Paradigmen sowie seiner Fragment- und Bildtheorie, zu Schellings Symbolbestimmung, zur Gemäldebeschreibung Wackenroders und Tiecks, zur Rolle der Musik bei Wackenroder, Tieck, Runge und Schleiermacher, zu Carus ’ Landschaftsästhetik, zu Caspar David Friedrichs Landschaftsmalerei sowie zur Runge-Rezeption bei seinen Zeitgenossen entwickelt. Aus den zahlreichen Einzelanalysen wird dem Leser die Vielfalt der Ausprägungen des Genres ersichtlich, die der Autor durch Bezüge auf eine entsprechende Fülle theoretischer Konzepte zu ordnen versucht. Ausgehend von einfühlsamen Text-Bild-Vergleichen arbeitet der Verfasser die daran anknüpfenden Diskurse heraus und illustriert sie am Beispiel von Runges Der kleine Morgen und das Fragment über Die Christenheit oder Europa von Novalis, von Caspar David Friedrichs Mönch am Meer und Kleists Empfindungen, Schlegels Lucinde und Tiecks Franz Sternbald. Die konkrete Werkanalyse soll das “ historische Spezifikum romantischer Zeichentheorie ” erhellen (S. 13): “ Die Zeichenhaftigkeit der Zeichen ” sei “ ein Sinn in sich; die intrinsische Mitteilsamkeit ” stehe “ über der sinnzentrierten Mitteilung ” , deshalb könne man “ von einer positiven Unverfügbarkeit des Bezeichneten im Zeichen ” sprechen (S. 16). “ Das Zeichen, das seine Funktion aufkündigt, verlangt seinerseits nach einem Zeichen, das dieses Auskündigen bezeichnet, aber in der Suspension der gesicherten Transition vom Zeichen zur Bedeutung nicht mehr von sich aus bezeichnen kann, so dass sich dieser Prozess in einer Suchbewegung verstetigt ” (S. 23). Es ist überhaupt viel von Zeichen die Rede in diesem Buch, aber die zuweilen metaphorische und streckenweise erkennbar von Derrida, Lacan und Deleuze inspirierte Art des etwas opaken Redens über Zeichen wird einen eher analytisch-nüchtern denkenden 384 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Kapstadt) Semiotiker in der angelsächsisch-pragmatischen Tradition von Peirce und Morris möglicherweise verwirren, deshalb halte er sich mit mehr Gewinn an die Interpretation der Werke, die den Darstellungsmodus des Allegorischen in der Romantik plastischer hervortreten lassen, ein Modus, der den Akt des Bedeutens aus der Differenz von Signifikant und Signifikat ableitet und in Beziehung setzt zum Umgang mit Zeichenhaftigkeit z. B. bei den sprachlichen bzw. bildlichen Versionen der Arion-Legende bei Novalis (im Heinrich von Ofterdingen) und Runge (Arions Mondfahrt): “ Die paradoxale Verbindung von semiotischem Anspruch mit sinnfreiem Ornament ” lasse “ sich integrieren in die durch die Allegorie initiierte Temporalisierung ” (cf. Ronzheimer 2019: 2). Den Zusammenhang zwischen Allegorie und Apokalypse erläutert Gibhardt anhand der Auseinandersetzung Clemens Brentanos, Achim von Arnims, Heinrich von Kleists mit Caspar David Friedrichs Bild Mönch am Meer oder der Parallel-Lektüre von Wilhelm Heinrich Wackenroders und Ludwig Tiecks Beschreibung von Michelangelos Fresko Das Jüngste Gericht. Das Verhältnis von Allegorie und Zeit (entwickelt am Beispiel von Runges Bilderzyklus Die Zeiten) interpretiert der Autor - auch unter Hinweis auf Runges Nachtigallengebüsch und dessen Verarbeitung bei Schelling, Novalis und den Schlegels - als Erfahrungsmodus des Rhythmus, dessen Potential in den Künsten er in einem weiteren Buch über die Denkfigur Rhythmus auslotet, zu dem er namhafte Spezialisten ihrer Zunft als Beiträger gewonnen hat (Gibhardt ed. 2020). DerAnsatz wird (nicht zuletzt unter Rückgriff auf Paul de Mans “ Rhetorik der Zeitlichkeit ” : cf. de Man 1993: 83 - 130) in den folgenden Kapiteln am Beispiel des Verhältnisses von Spiel und Märchen ( “ Unendliches Kartenspiel ” ), von Bild und Schrift ( “ Romantisches hieroglyphe scribere ” ), von Text und Musik ( “ Entzifferungsmusik ” ) in der Romantik noch differenzierter ausgebaut, wobei er weitgehend ohne den Bezug auf die modernen intermedialitätstheoretischen Ansätze und Konzepte auskommt (cf. Hess- Lüttich ed. 1987; id. ed. 2006). Im letzten Kapitel ( “ Melancholia ” ) schlägt Gibhardt den Bogen zurück auf die barocke Allegorie, über die Klassik dazwischen hinweg sozusagen, um zu illustrieren, in welch “ problematischem Diskursfeld ” sie sich bewege, insofern sie die “ metaphysische Verpflichtung der Kunst auf Einholung des Absoluten ” nicht einlöse, sondern eine “ Befragung der Grundlagen historischer, poetischer und logischer Zeichenrelationen ” in Gang setze (S. 162): mit dem “ Anspruch an ihre Rezipienten, diese unendliche Bewegung von Zeichen zu Zeichen konsequent und aktiv zu vollziehen, statt das Unendliche als solches, als ‘ Seelenmysterium der Kunst und des Glaubens, nur zu verehren, stellt die Allegorie [. . .] das romantische Schönheitsgefühl auf eine harte Probe ” (S. 164). Auch den Leser stellt der Autor zuweilen auf eine harte Probe, wenn er sich in dem Buch ohne die leitenden Hinweise durch nicht-metaphorische Kapitelüberschriften und übersichtliche Strukturen der Gliederung, ohne Sachregister und Zusammenfassungen zurechtfinden will. Der im Buch zitierte Michael Titzmann hat oft darauf hingewiesen, dass der Literaturwissenschaftler gut beraten ist, nicht mit dem Literaten zu wetteifern, sondern bei seinem Leisten zu bleiben und für seine Interpretation, gestützt auf den textlichen Befund, plausible Argumente zu formulieren. Wer sich aber durch den sublimen und, ja, manchmal auch fachtypisch hermetisierenden Sprachgebrauch nicht abschrecken lässt, wird mit diesem durch den Verlag schön gestalteten Band (wenn auch die Abbildungen leider nur in Grautönen und die zahllosen Anmerkungen erst im Anhang zu haben sind) durch die Recent Readings - Reviews 385 eindrucksvolle Belesenheit des Autors und seine klug verweisenden Querbezüge in einem überaus komplexen Forschungsfeld reich belohnt. Literatur de Man, Paul 1993: Die Ideologie des Ästhetischen, ed. Christoph Menke, Frankfurt am Main: Suhrkamp Devidi, Mirta 2019: “ Boris Roman Gibhardt 2018: Nachtseite des Sinnbilds. Die Romantische Allegorie ” , Rezension in: Philologie im Netz PhiN 87/ 2019: 70 - 76, im Internet abrufbar unter: http: / / web.fu-berlin.de/ phin/ phin87/ p87t4.htm [29. 03. 2021] Gibhardt, Boris Roman (ed.) 2020: Denkfigur Rhythmus. Probleme und Potenziale des Rhythmusbegriffs, Hannover: Wehrhahn Hess-Lüttich, Ernest W. B. (ed.) 1987: Text Transfers. Probleme intermedialer Übersetzung, Münster: Nodus Publikationen Hess-Lüttich, Ernest W. B. (ed.) 2006: Stile des Intermedialen. Zur Semiotik des Übergangs, Tübingen: Gunter Narr Ronzheimer, Elisa 2019: “ Das Nachleben der Allegorie in der Romantik ” , in: KulturPoetik. Journal for Cultural Poetics 2/ 2019, im Internet abrufbar unter: http: / / kulturpoetik.germanistik.uni-saarland. de/ manageartikel.php? action=show&id=537&resume=rezensionen [29. 03. 2021] Titzmann, Michael 2003: “ Semiotische Aspekte der Literaturwissenschaft: Literatursemiotik ” , in: Roland Posner, Klaus Robering & Thomas Sebeok (Hrsg.): Semiotik/ Semiotics. Ein Handbuch zu den zeichentheoretischen Grundlagen von Natur und Kultur (= HSK 13.3), Berlin/ New York: de Gruyter, 3028 - 3103 Boris Roman Gibhardt 2019: Vorgriffe auf das schöne Leben .Weimarer Klassik und Pariser Mode um 1800 (= Ästhetik um 1800 vol. 14), Göttingen: Wallstein, 583 pp., 49,00 € , ISBN 978-3-8353-3372-5 Kaum eine Periode der deutschen Literaturgeschichte gilt dem Laien als so gründlich erforscht wie die Weimarer Klassik um 1800. Wer außerhalb der Expertengemeinde meint, hier gebe nicht mehr viel Neues zu entdecken, dem sei das neue Buch des Berliner Komparatisten Boris Roman Gibhardt über das Verhältnis zwischen Weimarer Klassik und Pariser Mode zu jener Zeit empfohlen. Bis in alle Verästelungen des kulturellen Lebens und der ästhetischen Diskurse der Zeit hinein spürt der Autor diesem komplexen und nicht selten widersprüchlichen Verhältnis zwischen thüringischer Kleinstadt und französischer Metropole nach. Es entfaltet sich ein faszinierendes Panorama der Szenen und Zirkel und Netzwerke, in denen die maßgebenden Akteure sich inszenieren, zitieren und befehden. Das Buch will entgegen dem verbreiteten Eindruck von der elitären Abgrenzung der kanonischen Kunst vom lebensweltlich Schönen zeigen, “ dass in Weimar um 1800 gerade dem widerstrebenden Schönen diesseits der klassisch-überzeitlichen Schriftkultur ein besonderes Augenmerk galt ” (S. 11). Der scheinbar unversöhnliche Widerspruch zwischen deutscher ‘ Autonomieästhetik ’ und französischer ‘ Warenästhetik ’ wird elegant aufgelöst durch die Entzifferung des Beziehungsgeflechts zwischen Kultur und Alltag, zwischen humanistischem Ideal und lebenspraktischer Aneignung von Literatur (etwa am Beispiel der Leiden des jungen Werther und der durch dessen Lektüren ausgelösten Modewelle). Die Mode steht hier exemplarisch für die Erschließung neuer ästhetischer Erfahrungsmöglichkeiten durch die interessierte Öffentlichkeit, die ihr Schönheitsideal nicht mehr nur 386 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Kapstadt)