eJournals Kodikas/Code 43/1-2

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
92
2024
431-2

Konsumstrukturen in der Hip-Hop-Szene

92
2024
Marco Krause
This article is dedicated to the topic of scene-specific product consumption. The essence of the text is the structural characterization of scene-specific product consumption in the context of the hip-hop scene, based on an ethnographic study conducted. Subsequently, the connection between the consumption of scene-specific products and the formation of internal structures of the hip-hop scene is shown.
kod431-20124
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Zum Transfer zwischen Text- und Bildtheorie ” , in: Andriopoulos et al. (eds.) 2001: 136 - 157 letztes Zugriffsdatum für alle Abbildungen 19.08.2022 Abb. 1: https: / / www.instagram.com/ p/ BskBqhiBFtJ/ [19.08.2022] Abb. 2: https: / / www.instagram.com/ p/ CYx3WoFIU2C/ [19.08.2022] Abb. 3: https: / / www.instagram.com/ p/ CAbzQBgJ-Kp/ [19.08.2022] Abb. 4: https: / / www.instagram.com/ p/ Cekq2NzDdQt/ [19.08.2022] Abb. 5: https: / / www.instagram.com/ p/ CaT1YC6sM1j/ [19.08.2022] Abb. 6: https: / / www.instagram.com/ p/ B_9JXTnJ-QZ/ [19.08.2022] Abb. 7: https: / / www.instagram.com/ p/ CgFXf9UM4cS/ [19.08.2022] Das Analoge im Digitalen / Das Vergangene im Gegenwärtigen 123 K O D I K A S / C O D E Volume 43 (2020) · No. 1 - 2 Gunter Narr Verlag Tübingen Konsumstrukturen in der Hip-Hop-Szene Produkt- und Konsum-Differenzierungen als Ausdruck und Mittel einer szeneinternen Pluralisierungstendenz Marco Krause (Dresden) Abstract: This article is dedicated to the topic of scene-specific product consumption. The essence of the text is the structural characterization of scene-specific product consumption in the context of the hip-hop scene, based on an ethnographic study conducted. Subsequently, the connection between the consumption of scene-specific products and the formation of internal structures of the hip-hop scene is shown. Keywords: Konsum, Mode, Konsumstile, Szenen, Hip-Hop, Ethnographie, reflexive Grounded Theory 1 Einführung Die Hip-Hop-Szene weist eine große interne Heterogenität hinsichtlich ihrer Struktur auf. Neben den in der Literatur oft benannten vier Säulen des Hip-Hop (Rap, DJing, Breakdance und Graffiti) bilden diese Grundströmungen in sich nochmals tiefergehende Subströmungen und Rollenmuster mit je eigenen Relevanzen, Authentizitätsansprüchen, Relationen und Dynamiken des Szene-Handelns aus (cf. Hitzler und Niederbacher 2010: 29, 84; Klein 2006: 28; Schröer 2013: 11; Güngör und Loh 2003: 55). Begleitet werden diese szeneinternen Differenzierungen mitunter durch je verschieden geartete Konsummuster. Diese Konsummuster basieren dabei auf funktionalen oder ästhetischen Gesichtspunkten, die die szenespezifischen Relevanzstrukturen und Authentizitätsansprüche des jeweiligen Mitglieds abbilden und moderieren. So sind es beispielsweise Szene-Künstler*innen, die Konsummuster vorgeben und eigene Produkte mit künstler*innenspezifischen Nuancierungen hervorbringen und in der Szene vertreiben. Gerade die Gruppe der Szene- Künstler*innen ist dabei durch verschiedene szenespezifische Medien mit der Ebene der Szene-Konsument*innen verknüpft und bringt eine szeneinterne Struktur- und Gemeinschaftsbildung auf einer Ebene höherer Granularität hervor. Die Rede ist von einzelnen Fan- Gemeinden, welche sich durch einen spezifischen, durch den Szene-Künstler*innen geprägten Konsumstil kennzeichnen, der zusätzlich mit etwaigen lokalen oder individuellen Überformungen verbunden ist (cf. Güngör und Loh 2003: 55). Aufgrund solcher und anderer interner Differenzierungslinien kommt es zur Ausbildung von subgruppenspezifischen Konsumstilen mit einer je eigenen Dynamik, Bedeutung und Relevanz (cf. Hitzler und Niederbacher 2010: 29). Eben diese Pluralisierung des Konsums vollzieht sich dabei entlang der internen Struktur der Hip-Hop-Szene mittels verschiedener Differenzierungskategorien, die den Inhalt eines szenespezifischen Produkts subgruppenspezifisch aufbereiten und so jeweils differenzierte Ausprägungen hervorbringen. Das Ziel des folgenden Beitrags ist es, die Charakteristika und Elemente, die eine solche interne Strukturierung der Hip-Hop-Szene hervorbringen, aufzugreifen und in Relation zueinander darzustellen. Zu diesem Zweck wurde in einer dreijährigen ethnographischen Studie (cf. Krause 2019) ein exploratives Forschungsdesign entworfen und im Feld der Hip-Hop-Szene angewandt (cf. einführend Hitzler 2000; Hitzler und Eisewicht 2016). Hierbei wurden unterschiedliche Methoden der Datenerhebung und Datenanalyse kombiniert. Zum Zweck der Datenerhebung wurden die Methoden (i) der teilnehmenden Beobachtung, (ii) der beobachtenden Teilnahme sowie (iii) leitfadengestützte Interviews genutzt. Darüber hinaus wurden ebenso aus den Feldaufenthalten generierte Dokumente sowie szenespezifische Medien wie etwa Magazine oder soziale Medien als Datenquellen hinzugezogen. Als Felder der Datenerhebung dienten szenespezifische (Kleidungs-)Geschäfte und Veranstaltungen wie etwa Konzerte, Jams und Conventions. Die sich aus den Feldaufenthalten ergebenden Daten wurden in Form von Feldprotokollen festgehalten. Hingegen wurden die Interview-Daten in Form von Transkripten abgebildet (cf. Honer 2011a; Honer 2011b; Hitzler und Eisewicht 2016; Hitzler 2000: 25 - 26; Hitzler und Honer 1994b: 393; Hitzler 2002; Krause 2019: 39 f.). Als übergreifende Methode der Datenanalyse wurde (iv) die reflexive Grounded Theory hinzugezogen (cf. Breuer 2009). Dieses Hauptverfahren der Datenanalyse wurde zusätzlich um zwei weitere Kodier-Modi erweitert, die bei vorliegender Relevanz Anwendung fanden. So fungierte (v) eine an die Hermeneutik angelehnte Form der Feinkodierung als nachgelagerte Tiefenanalyse von identifizierten Schlüsselstellen des textbasierten Datenmaterials (cf. Hitzler und Eisewicht 2016: 62; Breuer 2009: 44 f., 81; Kurt 2004: 243 f.; Krause 2019: 39 f.). Hingegen wurde für die Analyse des vorliegenden Bildmaterials (vi) auf die visuelle Grounded Theory als Instrument der Datenanalyse zurückgegriffen (cf. Mey und Dietrich 2016; Dietrich und Mey 2018; Krause 2019: 39 f.). Insgesamt kam der reflexiven Grounded Theory so nicht nur die Funktion zu, die vorliegenden Feldprotokolle, Bilder und Interviewtranskripte zu analysieren und dort Stellen für eine tiefer gehende Analyse zu identifizieren und diese dann auch anzuleiten, sondern im Weiteren auch die Teilergebnisse fall- und datenübergreifend in einem zentralen Kategorienkonzept abzubilden, um so ein umfängliches Verständnis in Bezug auf die Relation der internen Strukturen der Hip-Hop- Szene und deren Interdependenzen zu vorliegenden Konsumtendenzen zu erhalten (cf. Breuer 2009: 39, 52, 70; Hitzler und Eisewicht 2016: 70). 2 Strukturen der Hip-Hop-Szene Szenen können als eine “ Form von lockerem sozialem Netzwerk ” (Hitzler 2008: 56) definiert werden, “ einem Netzwerk, in dem sich unbestimmt viele beteiligte Personen und Personengruppen vergemeinschaften ” (Hitzler und Niederbacher 2010: 15). Ein wesentliches Merkmal von Szenen ist dabei ihr zugrundliegendes Thema. Ein solches Szene-Thema bildet einen zentralen Ausgangspunkt für die Gestaltung des szenespezifischen Handelns. So werden die Sprache, die Auswahl und die Gestaltung der szenespezifischen Treffpunkte, die Rituale, die Events, die Formen der sozialen Interaktionen sowie die Erscheinungsbilder Konsumstrukturen in der Hip-Hop-Szene 125 der Szene-Mitglieder durch das Szene-Thema beeinflusst (cf. Hitzler 2008: 64). Rein strukturell kann die Hip-Hop-Szene in vier übergreifende Kernthemen unterteilt werden. Diese Kernthemen sind Rap, DJing, Graffiti und Breakdance (cf. Klein 2006: 28; Hitzler und Niederbacher 2010: 84; Schröer 2013: 11). Bei dieser thematischen Unterteilung der Szene handelt es sich jedoch nicht um trennscharfe Grenzen innerhalb der Szene. Vielmehr weisen diese thematischen Felder der Hip-Hop-Szene diffuse Grenzen und auch Schnittmengen zueinander auf, die Raum für die Entwicklung von themenübergreifendem, szenespezifischem Handeln erlauben. Auf diese Weise können sich auch unterschiedliche Typen von Szene-Mitgliedern herausbilden, die eine Zugehörigkeit zu mehreren Kernthemen der Szene aufweisen. So kann sich beispielweise ein Szene-Mitglied sowohl im Rap als auch im Bereich Graffiti engagieren (cf. Krause 2019: 88). Neben dieser rein thematischen Unterteilung der Hip-Hop-Szene bildet das Einnehmen einer oder mehrerer szenespezifischen Rollen durch das Szene-Mitglied die nächste zentrale Strukturkategorie der Hip-Hop-Szene. Unterschieden werden hierbei Szene-Künstler*innen, Szene-Organisator*innen und Szene-Konsument*innen. Die Rolle der Szene-Künstler*innen kennzeichnet sich durch ein ausführendes Handeln in mindestens einem der Kernthemen der Szene, also beispielsweise das produzieren szenespezifischer Musik, das Gestalten von Graffitis oder aber das aktive Teilnehmen im Bereich Breakdance. Ein wesentlicher Parameter zur Einordnung der Szene-Künstler*innen bildet dabei ihr Bekanntheits- und Professionalisierungsgrad. So können Szene-Künstler*innen beispielsweise lediglich in ihrem lokalen Umfeld bekannt und tätig sein oder aber auch auf überregionaler, nationaler oder internationaler Ebene. Ebenso können Szene- Künstler*innen das szenespezifische Handeln nur als Hobby oder aber auch als einen den Lebensunterhalt generierenden Beruf ausüben (cf. Krause 2019: 89). Szene-Organisator*innen weisen im Unterschied zu den Szene-Künstler*innen ein Aufgabenfeld auf, das auf die Moderation und Bewältigung organisatorischer Aspekte zielt, die dem szenespezifischen Handeln zugrunde liegen. Dies kann sich beispielsweise auf das Vermarkten und Gestalten von Künstler*innenauftritten bei Konzerten, Jams oder anderen szenespezifischen Events belaufen. Hierunter ist jedoch auch die Moderation des szenespezifischen Austauschs z. B. in Online-Communitys oder Ähnlichem zu verstehen (cf. Krause 2019: 91). Die dritte Kategorie der Szene-Rollen bilden die Szene-Konsument*innen. Eben diese kennzeichnen sich durch eine Passivität hinsichtlich des Ausübens szenespezifischer Aktivitäten. Im Vordergrund steht hingegen die Konsumtion der Ergebnisse des szenespezifischen Handelns der Szene-Künstler*innen und Szene-Organisator*innen. Dies meint zum Beispiel das Lesen eines szenespezifischen Beitrags oder Magazins, das Betrachten des Entstehens eines Graffitis oder das Besuchen eines Konzertes. Auf der anderen Seite meint dies natürlich auch den Konsum von szenespezifischen Kleidungsprodukten zur Konstruktion eines für die Szene komplementären Erscheinungsbildes. Somit bilden sich zwei Ebenen des szenespezifischen Konsums an dieser Stelle heraus. Auf der einen Seite stellt (i) das Betrachten szenespezifischer Aktivitäten den Konsum auf der Handlungs-Ebene dar, während auf der anderen Seite (ii) der Konsum szenespezifischer Güter die Produkt-Ebene des szenespezifischen Konsums bildet. Auch innerhalb dieser Kategorie der Mitglieder der Hip-Hop-Szene kann entlang der Intensität des szenespezi- 126 Marco Krause fischen Konsums eine Differenzierung stattfinden. Das heißt, die Masse und die Frequenz des szenespezifischen Konsums kann als Indikator der Intensität des szenespezifischen Interesses gelten und zur internen Strukturierung der Gruppe der Szene-Konsument*innen herangezogen werden. Hierbei gilt es hinsichtlich der Grenzen dieser drei Rollen zu betonen, dass diese nicht als trennscharf zu betrachten sind. Vielmehr unterliegen auch diese Rollenkonzepte einer spezifischen Dynamik, die es den Szene-Mitgliedern ermöglicht, mehrere Rollen auszufüllen oder auch zwischen den verschiedenen Rollen alternieren zu können (cf. Krause 2019: 90-92). Eine weitere wesentliche Strukturierungskategorie der Hip-Hop-Szene bilden neben den szenespezifischen Rollen die Akteurs-Ebenen, auf denen sich die Mitglieder der Szene positionieren. Unterschieden wird hierbei zwischen der lokalen, der nationalen und der internationalen Ebene der Hip-Hop-Szene. Die lokale Hip-Hop-Szene umfasst meist eine Stadt oder eine kleinere Region. So weisen lokale Hip-Hop-Szenen je eigene Nuancierungen ihres szenespezifischen Handelns auf. Diese Einflüsse reichen von der Verwendung eines Sets unterschiedlicher Begriffe, der Entwicklung spezifischer Praktiken zur Ausübung des szenespezifischen Handelns bis hin zur Konstruktion eines dort geltenden, üblichen Erscheinungsbildes. Das heißt, das dort jeweils ansässige Verständnis von dem, was als szenespezifisches Handeln gilt, unterliegt einem je spezifischen Toleranzbereich. So können beispielsweise Rap-Songs oder auch Graffitis lokale Themen oder auch szeneexterne Einflüsse aufgreifen und in das szenespezifische Handeln integrieren. Diese Einflüsse müssen dabei nicht an andere lokale Szenen oder gar an die nationale oder internationale Hip-Hop-Szene anschlussfähig sein. Während die Akteur*innen auf der lokalen Szene-Ebene durch eine gewisse Ambivalenz hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer szenespezifischen Rollen gekennzeichnet sind, agieren auf der nationalen und internationalen Ebene allen voran Szene-Organisator*innen und Szene-Künstler*innen, welche mit ihrem Handeln das Ziel verfolgen, möglichst großen monetären Erfolg zu generieren. So weisen z. B. Szene-Künstler*innen auf diesen Ebenen eine entsprechend hohe Reichweite auf, sodass diese auch auf überregionalen Veranstaltungen wie Konzerten oder Festivals in unterschiedlichen Regionen eine entsprechend hohe Anzahl an Szene-Mitgliedern anziehen. Aufgrund dieser höheren Reichweite kennzeichnet sich das szenespezifische Handeln auf dieser Ebene durch die Notwendigkeit einer höher ausgeprägten Anschlussfähigkeit, um komplementär zu den Relevanzstrukturen einer großen Anzahl von Szene- Mitgliedern zu sein. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass die szenespezifischen Inhalte und Produkte der Akteur*innen der nationalen und internationalen Hip-Hop-Szene die vorliegenden subkulturellen Variationen und Relevanzen der lokalen Hip-Hop-Szenen überwinden müssen, um Zugang zu diesen zu finden und als Bestandteil der Szene dort adaptiert und konsumiert zu werden (cf. Krause 2019: 95-97). Ähnlich wie die verschiedenen Akteurs-Ebenen der Hip-Hop-Szene miteinander unterschiedlich gearteten Relationen unterliegen, weist die Hip-Hop-Szene zusätzlich auch Interdependenzen zu szeneexternen Subgruppen auf, die unterschiedlich ausgeprägte Einflüsse auf sie ausüben. Hierunter ist z. B. die Integration szenefremder Inhalte in die Gestaltung des szenespezifischen Handelns oder szenespezifischer Produkte gemeint. Auf diese Weise zeigt die Hip-Hop-Szene eine gewisse Durchlässigkeit hinsichtlich ihrer Grenzen zu anderen Szenen, Organisationen oder sonstigen gesellschaftlichen Subgruppen. Konsumstrukturen in der Hip-Hop-Szene 127 Eine Möglichkeit einer solchen Interdependenz bildet zum Beispiel der Einfluss der Kleidungs-Industrie. So können mitunter szenefremde Inhalte (wie zum Beispiel Comic- Themen) auf den szenespezifischen Produkten (wie zum Beispiel Caps) aufgegriffen und abgebildet werden. Solche thematischen oder stilistischen Adaptionen szenefremder Inhalte bilden wiederum den Ausgangspunkt für die Erweiterung des szenespezifischen Themenspektrums, welches durch die Mitglieder aufgegriffen und in den Szene-Kontext überführt wird. Die hier dargelegten Struktur-Spezifika der Hip-Hop-Szene haben eine wesentliche Bedeutung bei der Herausbildung von szenespezifischen Konsumstrukturen. Hierbei handelt es sich um eine der wesentlichen Kernkategorien bei der Herausbildung etwaiger Konsumströmungen, die nämlich das strukturelle Feld bereitstellt, auf denen sich diese vollziehen. Eben dieser Zusammenhang wird im Folgenden detailliert aufgegriffen und dargestellt (cf. Krause 2019: 102-103, 213). 3 Produktkonsum in der Hip-Hop-Szene Unter dem Begriff “ Konsum ” soll in diesem Kontext der Ge- und Verbrauch von erworbenen Konsumgütern verstanden werden (cf. Hellmann 2005: 10-11). Insgesamt weist die Hip- Hop-Szene eine sehr konsumaffine Ausrichtung auf. Der Konsum von szenespezifischen Produkten wie zum Beispiel Kleidung und Accessoires gilt hier als wesentlicher Aspekt zur Wahrnehmung der Szenezugehörigkeit und ebenso der Abbildung der thematischen Szene- Verortung und ist damit von großer Bedeutung. So kann der Konsum von Produkten, die das äußere Erscheinungsbild eine*r Konsument*in formen (cf. Goffman 1969: 25), dazu dienen, einen für die Szene anschlussfähigen Stil darzustellen und zu etablieren. Eben dieser Aspekt ist dabei nicht nur auf der Ebene der medial präsenten Szene-Künstler*innen wichtig, sondern spielt auch bei den Szene-Konsument*innen auf lokaler Ebene eine wichtige Rolle, um z. B. als ein kompetentes Mitglied der Hip-Hop-Szene wahrgenommen zu werden. Somit kann ein anschlussfähiger, szenespezifischer Produktkonsum mitunter die Funktion erfüllen, Einlass in die Hip-Hop-Szene zu finden, da die Produkte die Szene-Zugehörigkeit moderieren und visuell herstellen. Auf diese Weise wird das Vorhandensein einer zur Hip- Hop-Szene komplementären Interessenstruktur mithilfe der konsumierten szenespezifischen Produkte (zumindest) visuell demonstriert. Jedoch ist die Wirkung des Produktkonsums nur begrenzt als Indikator anwendbar, da dies mit den Aspekten eines szenespezifischen Wissensbestandes und dem Interesse und der Teilnahme an relevanten Szene- Aktivitäten einhergehen muss. Diese Faktoren sind zentral und nicht durch ein szenespezifisches Konsummuster zu ersetzen (cf. Hitzler 2008: 64; Hitzler und Niederbacher 2010: 29, 87, 192; Eisewicht, 2016: 113; Krause 2019: 105 f.). Grundsätzlich kann bei der Konstruktion eines szenespezifischen Erscheinungsbildes auf verschiedene Produktklassen zurückgegriffen werden. Unter dem Begriff der “ Produktklasse ” sollen Jacken, Oberteile, Kopfbedeckungen, Beinkleider, Schuhe, Taschen und Accessoires verstanden werden. Diese Produktklassen weisen in sich wiederum verschiedenen Produkte auf, die an dieser Stelle als Produktkategorie bezeichnet werden (cf. Krause 2019: 106 f.). 128 Marco Krause Tabelle 1 zeigt diese Relation anhand ausgewählter Beispiele von Produktkategorien in der jeweiligen Produktklasse auf. Tabelle 1: “ Übersicht Produktklassen und deren beispielhafte Ausprägungen ” (Krause 2019: 106) Produktklasse Ausgewählte Produktkategorien Kopfbedeckungen Caps, Beanies (Baumwollmütze), Bandanas (Kopftuch) Jacken Parka, Lederjacken, College-Jacken Oberteile T-Shirts, Hoodies, Longsleeves, Tank Tops Beinkleider Jeans, Sweatpants Schuhe Sneakers Accessoires Ketten, Dog-Tags, Uhren, Sonnenbrillen Taschen Gym Bags (Turnbeutel), Brusttaschen Die hier abgebildeten Produktklassen sind grundsätzlich auch in den spezifischen Produktspektren anderer Szenen vertreten. Die Unterscheidung und die Ausprägung szenespezifischer Merkmale findet hier erst durch die Mechanismen der szenespezifischen Produktdifferenzierung auf der Ebene der jeweiligen Produktkategorie statt. Diese Mechanismen bilden wiederum feingranulare Muster und Differenzierungslinien, die breite Räume für die Ausgestaltung eines szenespezifischen Produktkonsums schaffen (cf. Krause 2019: 142). Diese Mechanismen der Produktdifferenzierung sind die Produktnuancierung, die Produktkombination und die Produktausrichtung. Unter dem Begriff der Produktnuancierung werden alle Produktmerkmale verstanden, die die äußere Erscheinung des Produkts bestimmen. Somit zählen hierzu die Produktfarbe, die Produktbreite, die Produktlänge, sowie die Integration von Marken oder auch bestimmten szene-externen oder -internen Themen (z. B. Serien, Comics oder szenespezifische Künstler*innen) durch Aufdrucke oder Schriftzüge. Hierbei eröffnet vor allem der Mechanismus der Integration szeneexterner Themen in jeweils szenespezifische Produkte die Möglichkeiten, das szenespezifische Produktspektrum in zwei Richtungen zu beeinflussen. Auf der einen Seite können so szenefremde Themen in szenespezifische Produkte integriert werden (z. B. durch Aufdrucke auf Caps oder Oversize-T-Shirts) und so eine Anschlussfähigkeit an die Hip-Hop-Szene entwickeln, was wiederum das thematische Spektrum dieser Szene erweitert. Auf der anderen Seite können aber auch szenefremde Produkte durch die Integration szenespezifischer Themen wiederum eine Anschlussfähigkeit an den szenespezifischen Produktkonsum entwickeln und so in der Hip-Hop-Szene etabliert werden (cf. Krause 2019: 107 f., 140, 181, 206). Die Produktkombination meint die Produktauswahl der Szene-Konsument*in bei der Erstellung seines szenespezifischen Erscheinungsbildes. Hier können beispielsweise durch die jeweiligen Nuancierungen der einzelnen Produkte etwaige Kontraste in das produktspezifische Erscheinungsbild integriert werden. Ein Beispiel hierfür wäre die Kombination einer eng sitzenden Skinny-Jeans mit einem Oversize-T-Shirt (cf. Krause 2019: 118 f., 181, 206). Konsumstrukturen in der Hip-Hop-Szene 129 Die Produktausrichtung meint die Art und Weise, wie ein Produkt in das Erscheinungsbild einer Szene-Konsument*in durch diesen integriert wird. Hierunter kann unter anderem die Ausrichtung eines Caps auf dem Kopf oder die Höhe verstanden werden, auf der ein*e Szene-Konsument*in die Hose an ihrer Hüfte platziert (cf. Krause 2019: 181, 189 f., 206). Die Aufnahmen der Abbildung 1 (cf. Abb. 1) illustrieren die beschrieben Aspekte der Produktdifferenzierung. Auf Abbildung 1a ist ein augenscheinlich männliches Szene-Mitglied abgebildet. Dieses kennzeichnet sich durch den Konsum einer schwarzen Hose, eines weißen Oversize- T-Shirts, einer silbernen Halskette und einer weißen Cap. Diese Produktauswahl bildet hierbei die Produktkombination des Szene-Mitglieds. Der Faktor der Produktnuancierung wird in diesem Beispiel am Produkt des Oversize-T-Shirts am deutlichsten. Dieses weist in der Eigenschaft der Produktlänge eine deutlich größere Ausprägung auf. Daneben ist auf dem Produkt noch ein Aufdruck mit dem Bild und dem Namen des Szene-Künstlers Tupac Shakur angebracht. Auf diese Weise kann das Produkt beispielsweise die Sympathie der Szene-Konsument*innen hinsichtlich dieses Szene-Künstlers akzentuieren. Das Cap des Szene-Mitglieds weist hier ebenfalls Nuancierungselemente auf. So ist auf diesem Produkt die Aufschrift der Marke CARHARTT zu erkennen. Auch durch den Konsum solch markenspezifischer Kleidung kann eine bestimmte, auf den szenespezifischen Produktkonsum ausgerichtete Haltung des Szene-Mitglieds signalisiert werden. Abbildung 1b zeigt hingegen eine weibliche Szene-Konsumentin. Diese kennzeichnet sich durch den Konsum von Sneakers und eines Oversize -T-Shirt. Dieses T-Shirt weist jedoch die Besonderheit auf, dass es sich um ein speziell für weibliche Konsumentinnen entworfenes Produkt handelt. In seinen Grundzügen ist dieses Produkt an den Typus des Oversize-T- Shirts angelehnt, welches von männlichen Konsumenten getragen wird. Jedoch wird dieser Produkttypus im vorliegenden Beispiel in den Kontext des Konsums weiblicher Szene- Konsumentinnen übersetzt. Auf diese Weise wird die Anschlussfähigkeit des Konsums dieser szenespezifischen Produktkategorie auch in dieser Teilgruppe der Szene ermöglicht. Abb. 1: Oversize T-Shirts 1 1 Abbildung 1a Quelle [Stand: 10.03.2022]: https: / / www.boohooman.com/ de/ oversized-tupac-bandana-t-shirt/ MZZ43241-173-34.html; Abbildung 1b Quelle [Stand: 10.03.2022]: https: / / www.asos.com/ de/ asos-design/ asos-design-oversized-t-shirt-kleid-in-hafermehl/ prd/ 13665455. 130 Marco Krause Insgesamt ergeben sich aus dem Zusammenspiel dieser drei Differenzierungsdimensionen breite Räume für die Ausprägung fein differenzierter, szenespezifischer Konsummuster. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die initialen Ausgangspunkte für die Ausprägung der produktbasierten Differenzierungsmuster Produktkategorien sind, welche bereits in der Hip-Hop-Szene etabliert und somit von den Szene-Mitgliedern als legitim angesehen werden. Das heißt, die verschiedenen Formen der Produktdifferenzierungen produzieren hier zwar Räume der Ausbildung heterogener Konsummuster, jedoch sind die geschaffenen Abweichungen nicht so tiefgreifend, dass das konsumierte Produkt nicht nicht mehr der ursprünglichen Produktkategorie zugeordnet werden kann. Somit werden diese trotz der vorliegenden Abweichungen noch stets als szenespezifisch erkannt. Dieser Umstand eröffnet den Szene-Konsument*innen im Weiteren die Möglichkeit aus einem heterogenen und teils nur an Substrukturen oder gar Einzelelementen der Hip-Hop-Szene angelehnten Produktspektrum ihren eigenen individuellen und szenespezifischen Stil zu konstruieren und in ihr Erscheinungsbild zu integrieren. Auf diese Weise wird das in der Hip-Hop-Szene bedeutsame Element der Kreation eines eigenen Stils befriedigt und dies mit der Gewissheit, sich mit diesem individuellen Stil auf legitimen und in der Szene anschlussfähigen Bahnen zu bewegen (cf. Schröer 2013: 126; Kimminich 2007: 58, 60; Krause 2019: 37, 142). Neben den bereits beschriebenen Struktur-Charakteristika der Hip-Hop-Szene weisen die hier dargelegten Spezifika der Produkt-Ebene eine wesentliche Bedeutung für die Ausbildung szenespezifischer Konsumtendenzen auf. So liefert die hier beschriebene Produkt-Ebene die Inhalte, die entlang der szeneinternen Subgruppen konsumiert werden und im Anschluss feingranulare Muster produktbasierter Konsumtendenzen hervorbringen (cf. Krause 2019: 213). 4 Authentizität und die Ausbildung eines individuellen Stils als Rahmenbedingung des Produktkonsums in der Hip-Hop-Szene Die Hip-Hop-Szene weist in ihrer Ausrichtung verschiedene Werte auf, die nicht nur das soziale Handeln beeinflussen, sondern sich zudem auch auf den szenespezifischen Produktkonsum auswirken. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei der Faktor der Authentizität. Authentizität kann mit dem Begriff der ‘ Echtheit ’ gleichgesetzt werden. Grundsätzlich umfasst dieser Aspekt die Komplementarität der Grundeinstellung eines Szene- Mitglieds mit seinen szenespezifischen Handlungen. Eben dieser Aspekt ist in der Folge auch von wesentlicher Bedeutung bei Interaktionen zwischen Szene-Mitgliedern und ihrer gegenseitigen Wahrnehmung. Hintergrund ist, dass eine entsprechende Bewertung bei der Wahrnehmung des szenespezifischen Handelns durch andere Szene-Mitglieder erfolgt. Hierbei kann ein Akteur in der Folge als authentisch oder auch nicht authentisch etikettiert werden. Diese Wahrnehmung unterliegt jedoch keinerlei Generalisierung, sondern kann unter subgruppenspezifischen Aspekten innerhalb der Szene erfolgen. So kann z. B. ein*e Szene-Künstler*in in gewissen Teilen der Szene als authentisch wahrgenommen werden, während andere Subgruppen ihm diesen Status nicht zuerkennen. Dabei können sich solche Subgruppen und ihre Anerkennungspraktiken durch unterschiedliche Spezifika definieren wie z. B. (i) durch die geographische Verortung einer ortsgebundenen lokalen Szene oder (ii) die vorliegenden Interessenstrukturen einer künstler*innenspezifischen Fangemeinde oder Konsumstrukturen in der Hip-Hop-Szene 131 sie kann sich (iii) auch entlang soziodemographischer Faktoren wie dem Alter oder dem Geschlecht bilden. So kann ein*e Szene-Künstler*in etwa in der Gruppe jüngerer Szene- Mitglieder als authentisch anerkannt werden, während langjährige Szene-Mitglieder diesen als “ fake ” stigmatisieren. Eine solche Wahrnehmungsdifferenz rekurriert mitunter auf unterschiedlich ausgeprägte, szenespezifische Wertmaßstäbe, die unterschiedliche Parameter hinsichtlich der Ausprägung und Anschlussfähigkeit eines szenespezifischen Handels aufweisen (cf. Krause 2019: 75-76). Mit diesem Aspekt der Authentizität geht darüber hinaus auch der Umstand zur Ausprägung eines eigenen individuellen, szenespezifischen Stils einher. Damit ein solcher Stil jedoch als authentisch wahrgenommen wird, darf er nicht als bloße Adaption beziehungsweise Kopie eines bereits von einem anderem Szene- Mitglied innehabenden Stils gelten. Eine solche Adaption allein stellt somit nicht die Konstruktion eines eigenen Stils dar und wird dementsprechend nicht als solcher von anderen Szene-Mitgliedern wahrgenommen. Zwar ist eine Orientierung an den Stilen anderer Szene-Mitglieder durchaus möglich und wird auch weitläufig praktiziert, jedoch ist bei einer solchen Aneignung einzelner Stilelemente eines Szene-Mitglieds der jeweilige Umfang wesentlich, in dem die Elemente in den eigenen Stil integriert werden. Das heißt, hier ist der Umstand von Bedeutung, ob die Elemente lediglich kopiert oder eher als Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung genutzt werden. Darüber hinaus ist auch die jeweilige Relation von dem kopierenden und dem kopierten Akteur von wesentlicher Bedeutung, die diese zueinander innehaben. Hierunter ist der Umstand zu verstehen, dass das Kopieren eines Szene-Mitglieds im eigenen lokalen Umfeld negativer behaftet ist als das Kopieren eines Akteurs einer anderen Szene-Ebene. So kann das Aufgreifen von Stilelementen eine*r Szene-Künstler*in der nationalen oder internationalen Szene-Ebene hingegen durchaus als legitim und als anschlussfähig an die Szene betrachtet werden. Hintergrund dieses Umstands bildet die Distanz, die zu diesen verschiedenen Vertretern der Szene vorliegt. Zudem dienen Akteur*innen wie Szene- Künstler*innen, die mit ihrem Szene-Handeln auf kommerzieller Ebene agieren, durchaus als Vorgänger hinsichtlich der Ausprägung verschiedener Szene-Elemente, die auf den lokalen Szene-Ebenen aufgegriffen und adaptiert werden (cf. Krause 2019: 76, 192, 193). Die eben beschriebenen Aspekte eines authentischen und individuellen Stils sind dabei nicht nur auf das szenespezifische Handeln im Umfeld anderer Szene-Mitglieder beschränkt, sondern rekurrieren ebenso auf den szenespezifischen Produktkonsum. So bildet beispielweise die quantitative Menge von szenespezifischen Produkten, die in das Erscheinungsbild eines Szene-Mitglieds integriert werden, einen wichtigen Faktor für die Ausprägung eines authentischen und individuellen Erscheinungsbilds. Dies meint, dass das Ausmaß, in dem das Mitglied szenespezifische Produkte konsumiert, von anderen Szene-Mitgliedern nur dann als authentisch empfunden wird, wenn das sich aus den Produkten ergebende Erscheinungsbild auch komplementär zu den szenespezifischen Einstellungen und Handlungen de*r jeweiligen Konsument*in ist. Ein bloßes Konsumieren von zahlreichen szenespezifischen Produkten reicht hierbei also nicht aus, um innerhalb der Szene als authentisch wahrgenommen zu werden. Auf diese Weise kommt dem Konsum szenespezifischer Produkte die Funktion der Akzentuierung und Moderation der Haltung eine*r Konsument*in gegenüber der Hip-Hop-Szene zu und bildet nicht den zentral konstruierenden Faktor zur szene-internen Positionierung. Einzig die subjektiven Inte- 132 Marco Krause ressenstrukturen sowie das Ausüben szenespezifischer Aktivitäten sind die wesentlichsten Elemente bei der Herstellung einer szenespezifischen Identität. Diese können nicht durch den Konsum etwaiger Produkte kompensiert werden. Ein solcher Umstand eines “ künstlich ” übertriebenen szenespezifischen Produktkonsums wird dementsprechend schnell durch andere Szene-Mitglieder wahrgenommen und als nicht authentisch kategorisiert. Somit kann hier ein Zusammenhang bezüglich der szeneinternen Verortung und dem Vorhandensein eines als authentisch wahrgenommenen szenespezifischen Produktkonsums festgemacht werden (cf. Krause 2019: 117-118). Neben der thematischen szeneinternen Verortung weist auch die lokale Positionierung eines Szene-Mitglieds einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Ausprägung authentischer und anschlussfähiger Konsummuster auf. So bringen auch lokale Szenen eigene und als legitim geltende Produktspektren hervor. Das heißt, die Intensität der szenespezifischen Konsumtion und auch die Kombination bestimmter Produkte unterliegt unterschiedlichen Legitimitäts- und Authentizitätsgrenzen und kann lokalen Schwankungen unterliegen. In der Folge kann ein Konsumstil in der einen lokalen Szene als mehr und in anderen lokalen Szenen als weniger authentisch und anschlussfähig wahrgenommen werden. Diese Spektren des legitimen, szenespezifischen Produktkonsums bilden wiederum den Ausgangspunkt für die Ausbildung der individuellen Konsumstile der Szene-Konsument*innen. So gilt auch bei der Ausgestaltung eines eigenen, individuellen Konsumstils die Prämisse, dass dieser komplementär bezüglich der internen Positionierung eines Szene-Mitglieds sein soll. Das heißt, dass die Szene-Konsument*in sich hier einerseits auf den vorgegebenen Bahnen eines szenespezifischen Produktkonsums bewegt, diese jedoch entlang seiner eigenen szenespezifischen Relevanzstrukturen abwandelt und adaptiert. Dies kann beispielsweise durch einen eigenen Prozess der Produktnuancierung erfolgen, in dem das Szene-Mitglied auf einem Kleidungsstück etwaige szenespezifische Aufnäher anbringt, die dem Produkt eine zusätzliche Ebene liefern, die die szenespezifischen Relevanzstrukturen und die interne Positionierung der Konsument*innen abbilden und nach außen tragen. Das Ergebnis dieses produktbasierten Konstruktionsprozesses ist ein für die jeweiligen Szene- Konsument*innen individueller Stil des produktbasierten Erscheinungsbilds, der andererseits eine Legitimität hinsichtlich der vorgegebenen Konsummuster aufweist und zeitgleich die szeneinterne Position der Konsument*innen moderiert und akzentuiert und so ein an die Szene anschlussfähiges und authentisches Erscheinungsbild formt. Die in diesem Prozess enthaltene Balance zwischen der Intensität der Integration szenespezifischer Produkte und dem Maß der Nachahmung bestehender Konsummuster und ihrer individuellen Umdeutung entlang der jeweils szeneinternen Positionierung der Konsument*innen bilden somit die grundlegende Basis zur Herstellung der szeneinternen Anschlussfähigkeit und damit die Grundlage der Bildung von Authentizität innerhalb des szenespezifischen Produktkonsums (cf. Krause 2019: 119 f., 204). In diesem Prozess der Konstruktion des szenespezifischen Erscheinungsbildes werden so die drei bereits beschriebenen, grundlegenden Differenzierungsdimensionen, also die Produktnuancierungen, die Produktkombinationen und die Produktausrichtungen, durch die Szene-Konsument*innen miteinander verschränkt. Konsumstrukturen in der Hip-Hop-Szene 133 5 Produktkonsum und Strukturbildung der Hip-Hop-Szene Die bereits dargelegten Spezifika des szenespezifischen Produktkonsums im Kontext der Hip-Hop-Szene bilden insgesamt die Grundlage für die Ausbildung von produkt- und konsumbasierten Strukturen. Hierzu wurde bereits der Umstand beschrieben, dass es hinsichtlich der Ausbildung eines individuellen und authentischen szenespezifischen Stils von Bedeutung ist, in welcher strukturellen Relation das kopierende und das kopierte Szene-Mitglied zueinander stehen und wie sich die Intensität der Nachahmung im Konsumstil des kopierenden Szene-Mitglieds ausgestaltet. Besonders zum Tragen kommt dieser Aspekt bei der sozialen Figuration, die sich aus dem Verhältnis von Szene- Künstler*innen und Szene-Konsument*innen ergibt. Diese soziale Figuration ist hinsichtlich der Kategorie des Produktkonsums durch eine Vorgänger-Nachfolger-Tendenz gekennzeichnet. Das heißt, aufgrund der Komplementarität zwischen der szenespezifischen Bedürfnisstruktur der Szene-Konsument*innen auf der einen Seite und dem szenespezifischen Handeln der Szene-Künstler*innen auf der anderen Seite ergibt sich eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass etwaige Produkte, die die entsprechenden Szene- Künstler*innen konsumieren, auch auf der Ebene der Szene-Konsument*innen Anschluss finden und in die Konsumstile der Akteur*innen auf dieser Ebene integriert werden. Hintergrund dieser Nachahmungstendenz bilden dabei Identifikationsprozesse der Szene- Konsument*innen, die sich entlang ihrer szenespezifischen Relevanzstrukturen positionieren und die Szene-Künstler*innen hierzu als Referenzpunkte nutzen. Das heißt, durch diese Formen der Identifikation der Szene-Konsument*innen sollen latente, szenespezifische Relevanz- und Interessenstrukturen sichtbar nach außen getragen werden, was wiederum anderen Szene-Mitgliedern die Möglichkeit liefert die entsprechende Akteur*in innerhalb der Hip-Hop-Szene zu verorten. Dies kann beispielsweise schon auf rudimentärer Ebene erfolgen, wenn beispielsweise ein*e Szene-Konsument*in ein T-Shirt trägt, auf dem die Tour-Daten eine*r Szene-Künstler*in abgebildet sind. Durch das Tragen dieses Produkts ist es anderen Szene-Mitgliedern möglich, die Szene-Konsument*in hinsichtlich ihres szenespezifischen Musik-Konsums als “ Fan ” eine*r bestimmten Szene-Künstler*in zuzuordnen (cf. Krause 2019: 148 f.). Diesen Aspekt der Nachahmung von Szene-Künstler*innen durch Szene-Konsument*innen beschrieb der Rapper Shindy in einem Interview wie folgt: [Frage: ] Shindy, findest du es manchmal befremdlich, wenn du Doppelgänger von dir auf der Straße oder auf Konzerten siehst? SHINDY: Am Anfang hat es mich gefreut, dann fand ich ’ s zum Kotzen. Mittlerweile freut es mich aber noch mehr als am Anfang. [Frage: ] Was hat dich daran angekotzt? SHINDY: Damals wollte ich, dass mich alle Leute in Ruhe lassen. Ich habe einfach nicht verstanden, warum die mich kopieren. Irgendwann ist mir aber bewusst geworden, dass das bloß eine andere Form von Bestätigung ist, indem die Leute mir zeigen, dass sie gerne so wären wie ich. Ein größeres Kompliment kann man kaum bekommen. [Frage: ] Sind das vorwiegend Teenager? SHINDY: Nein, und das freut mich am meisten! Das sind auch Leute, die so alt sind wie ich; Leute, die sich eigentlich längst gefunden haben sollten. Haben sie vielleicht auch, aber offensichtlich merken sie dann: Shindy ist doch noch ein bisschen cooler. (grins) (JUICE Nr. 171 Nov/ Dez 2015: 26-27) 134 Marco Krause Die hier dargelegte Nachahmungstendenz der Szene-Konsument*innen bildet wiederum den Ausgangspunkt für die Ausbildung verschieden gearteter künstler*innenspezifischer Produkte und ist damit auch aus ökonomischer Sicht von wesentlicher Bedeutung. Das zentralste Kennzeichen dieser Produkte bildet dabei die Nuancierung durch das Referenzieren auf eine bestimmte Szene-Künstler*in. So weisen z. B. verschiedene szenespezifische oder auch szeneexterne Marken etwaige Kooperationen auf, da es für diese relevant ist, mit entsprechenden Szene-Künstler*innen in Verbindung gebracht zu werden, um auf der Ebene der Szene-Konsument*innen als anschlussfähige und szenespezifische Konsumalternative etabliert zu werden und so eine entsprechende szeneinterne Positionierung aufzubauen. Darüber hinaus bilden Szene-Künstler*innen oftmals auch ihre eigene Marke aus, um unter dieser szenespezifische Produkte zu entwerfen und zu vertreiben. Dadurch, dass in diesem Fall die Marke auf die entsprechenden Szene-Künstler*innen rekurriert, weisen solche Produkte in der Gruppe der Szene-Konsument*innen eine tendenziell höhere Anschlussfähigkeit auf, sodass die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung von Konsumtendenzen in dieser Gruppe entsprechend höher ist (cf. Krause 2019: 151). Nicht nur zwischen den Szene-Künstler*innen und den Szene-Konsument*innen besteht eine derart gelagerte Form der Ausbildung einer Vorgänger-Nachfolger-Tendenz. Auch Szene-Künstler*innen orientieren sich bei der Gestaltung ihres szenespezifischen Handelns an Strömungen aus anderen Ebenen der Hip-Hop-Szene. So bestehen hier Wechselwirkungen zwischen Szene-Künstler*innen unterschiedlicher Szene-Ebenen. Dies geht damit einher, dass Szene-Künstler*innen beispielweise einzelne Elemente des Konsumstils anderer Szene-Künstler*innen aus anderen lokalen oder nationalen Szene-Ebenen adaptieren. Dabei werden die nachgeahmten Elemente aufbereitet und umgearbeitet, um eine Anschlussfähigkeit an den Konsumstil der jeweiligen Szene-Künstler*in herzustellen. Ebenso können sich auch ähnlich gelagerte Nachahmungstendenzen zwischen Künstler*innen auf der nationalen Szene-Ebene und verschiedenen lokalen Szene-Ebenen herausbilden, wobei hier nicht von einer einseitigen Abhängigkeit zwischen den Szene- Künstler*innen der verschiedenen Ebenen ausgegangen werden kann. So ist es z. B. auch möglich, dass eine Szene-Künstler*in der nationalen Szene-Ebene Elemente eine*r lokalen Szene-Künstler*in aufgreift und diese in seinen Konsumstil integriert. Somit kann hier von einem wechselseitigen Aufgreifen und Umsetzen verschiedener szenespezifischer Konsumelemente gesprochen werden. Jedoch sind diese Nachahmungstendenzen auf der Ebene der Szene-Künstler*innen stets rückgekoppelt an die Gruppe der Szene-Konsument*innen. Dieser Umstand ergibt sich aufgrund der Integration des kopierten Elements in den Konsumstils eine*r Szene- Künstler*in. Aus diesem Grund wird das entsprechende Element beziehungsweise Produkt in der Folge auch anschlussfähig für den Konsum durch den Kreis der Szene-Konsument*innen. Auf diese Weise können etwaige Konsumtendenzen auch zwischen verschiedenen nationalen und lokalen Ebenen der Hip-Hop-Szene hindurch diffundieren. Hierbei ist es jedoch auf der Ebene der Szene-Konsument*innen von Bedeutung, dass das Wissen um die Nachahmungstendenz einer favorisierten Szene-Künstler*in nicht vorliegt. Das heißt, dass die Ursprungs-Version des kopierten Elements dem Großteil der Szene- Konsument*innen weitestgehend unbekannt ist und der jeweilige Konsumstil der Szene- Künstler*in zugeschrieben und damit als authentisch angesehen wird, was in der Folge die Konsumstrukturen in der Hip-Hop-Szene 135 Tendenz der Ausbildung eines Vorgänger-Nachfolger-Schemas zwischen der Szene- Künstler*in und den Szene-Konsument*innen erhöht (cf. Krause 2019: 97 f., 188 - 189). Für die Ausbildung und Etablierung eines solchen Vorgänger-Nachfolger-Schemas bilden die szenespezifischen Medien einen wesentlichen Aspekt. Allen voran digitale Medien wie Social-Media-Plattformen oder Online-Magazine beschäftigen sich mit den aktuellen Entwicklungen und schaffen so eine hohe Reichweite, Vernetzung und Zugänglichkeit in und zur Hip-Hop-Szene. So weisen solche und ähnliche szenespezifischen Medien aufgrund ihrer Funktion der Informationsvermittlung einen wirklichkeitskonstruierenden Aspekt auf, der als Referenzpunkt für die Szene-Konsument*innen fungieren kann. Eben diese Funktion der szenespezifischen Medien dient vielen Szene-Konsument*innen als Ausgangspunkt für die Ausgestaltung und Weiterentwicklung ihres eigenen szenespezifischen Handelns. Dies umschließt dabei auch die Orientierung bei der Auswahl und Gestaltung des szenespezifischen Produktkonsums. Auf diese Weise strukturieren die szenespezifischen Medien die Aufmerksamkeit der Szene-Konsument*innen und stellen zugleich die Verbindung zwischen den verschiedenen Szene-Ebenen und -Rollen her. So können Szene-Künstler*innen diese Medien nutzen, um die Gruppe der Szene-Konsument*innen zu erreichen und entsprechende kommerzielle Impulse zu setzen. Für die Szene-Konsument*innen hingegen dienen solche Medien aufgrund ihrer leichten Zugänglichkeit als stets abrufbare und legitime Orientierungsquellen für die Ausgestaltung des szenespezifischen Produktkonsums. Auf diese Weise stellen die szenespezifischen Medien nicht nur die Verbindung zwischen den Szene-Akteur*innen der verschiedenen Szene- Ebenen her, sondern sie verbinden auch die Struktur-Ebene mit der Produkt-Ebene der Hip- Hop-Szene, welche als Kernelemente für die Ausbildung konsumbasierter Strukturen notwendig sind. Dieser Sachverhalt ergibt sich daraus, dass innerhalb solcher Medien etwaige szenespezifische Konsumtendenzen aus der Ebene der Szene-Künstler*innen präsentiert werden, welche anschließend wiederum durch die Szene-Konsument*innen adaptiert und somit in andere strukturelle (lokale) Ebenen der Hip-Hop-Szene überführt werden (cf. Krause 2019: 86-87). Dadurch schließt sich an die mediale Verbreitung einer Konsumtendenz durch die szenespezifischen Medien ein Durchdringungsprozess eben dieser entlang der szene-internen Strukturen an. Das heißt, das jeweilige Konsummuster findet in verschiedenen lokalen Ebenen der Szene Anschluss, wird dort konsumiert und dabei auf spezifische Weise in die dort jeweils vorherrschenden Konsumstile integriert. In der Folge ergeben sich subgruppenspezifische Ausformungen der entsprechenden Konsumtendenz, welche jeweils eigene Dynamiken und szenespezifische Bedeutungen und Authentizitätsmuster ausbilden (cf. Krause 2019: 213). Aus dieser beschriebenen Dynamik ergeben sich wiederum szenespezifische Wirkbereiche, in denen sich solche Konsumtendenzen ausbreiten. Grundsätzlich kann hierbei zwischen drei grundlegenden Wirkbereichen unterschieden werden: Zuerst ist dies die übergreifende Szene-Ebene. Diese umfasst, die strukturelle Unterscheidung der Hip-Hop- Szene in ihre Kernthemen Graffiti, Breakdance, Rap und DJing. Die zweite Ebene der szenespezifischen Wirkbereiche ist die der szene-internen Subgruppen. Hierunter sind beispielsweise lokale oder thematisch orientiere Subgruppen zu verstehen. Eine Form der thematisch orientierten Subgruppen können beispielsweise Fangemeinden bestimmter szenespezifischer Künstler*innen sein. Die dritte und letzte Ebene der szenespezifischen 136 Marco Krause Wirkbereiche umfasst die individuelle Ebene des einzelnen Szene-Akteurs. Entlang dieser Wirkbereiche entwickeln sich dabei feingranulare Strukturen hinsichtlich der Ausprägung eines szenespezifischen Konsumstils. Dabei beherbergen die übergreifenden, thematischen Wirkbereiche grundlegende Strömungen des szenespezifischen Produktkonsums, an denen Abb. 2: subgruppenspezifischer Konsummuster in der Hip-Hop-Szene (eigene Darstellung, übernommen und angepasst (cf. Krause 2019: 206)) Konsumstrukturen in der Hip-Hop-Szene 137 sich die Szene-Konsument*innen bei der Ausformung ihrer Konsumstile orientieren. Das kann beispielsweise die eher funktionale Orientierung für die Ausübung szenespezifischer Aktivitäten wie Breakdance oder Graffiti sein. In diesen thematischen Strömungen liegt der Schwerpunkt bei der Erstellung eines produktbasierten Erscheinungsbildes darauf, dass dieses die Ausübung der jeweiligen Aktivität unterstützt. Das kann im Beispiel von Breakdance der Konsum von Kleidung sein, die die Bewegungsfreiheit eine*r Tänzer*in gewährleistet. Im Bereich Graffiti kann dies hingegen Kleidung meinen, die die Anonymität und die Fluchtmöglichkeiten beim illegalen Sprühen unterstützt (Sneaker zum schnellen Rennen, Sonnenbrille und Hoodie zur Wahrung der Anonymität). Hingegen weist die thematische Strömung des Rap eher eine ästhetische statt einer funktionalen Motivation zur Ausprägung eines szenespezifischen Konsumstils auf. Dieser muss hierbei lediglich in der Hinsicht funktional sein, dass die Authentizität und damit die szene-interne Positionierung des Szene-Konsument*innen widergespiegelt wird. Diese thematisch übergreifend vorherrschenden, konsumbezogenen Relevanzstrukturen werden auf der nächsten Ebene von den verschiedenen Subgruppen und anschließend von den einzelnen Szene-Konsument*innen adaptiert, überformt und in feingranulare Konsumstile übersetzt (cf. Krause 2019: 172 f., 198, 214). In der Abbildung 2 (cf. Abb. 2) sollen die hier erläuterten strukturellen Zusammenhänge bezüglich der Ausbildung subgruppenspezifischer Konsummuster entlang der internen Strukturen der Hip-Hip-Szene aufgezeigt werden. Auf dieser Abbildung ist zu erkennen, wie die Grundelemente der szeneinternen Struktur- und Produkt-Ebene durch die Szene-Medien miteinander verbunden werden und so die Entstehung von konsumbasierten Vorgänger-Nachfolger-Schemata ermöglichen. Diese Vorgänger-Nachfolger-Schemata vollziehen sich anschließend entlang der szene-internen Substrukturen und werden dort in den jeweiligen Subgruppen und letztendlich durch die einzelnen Akteur*innen in den Konsumstil integriert und dabei spezifisch überformt. Das heißt, dass sich hierbei verschiedene szene-interne Räume mit jeweils eigenen Substrukturen des Produktkonsums ergeben. Auf diese Weise kann eine Konsumtendenz in unterschiedlichen Substrukturen der Hip-Hop-Szene unterschiedlich ausgeformt werden und ist dort differenzierten Legitimitäts- und Bedeutungsansprüchen ausgesetzt. Daran anknüpfend bildet sich eine szeneinterne Pluralisierung des Produktkonsums heraus, die in unterschiedlichen Substrukturen beziehungsweise szeneinternen Wirkbereichen eigene Dynamiken entwickelt und Ausdruck für eine szeneinterne Pluralisierungstendenz hinsichtlich der Konstruktion eines szenespezifischen Konsumstils ist. Solche Dynamiken entsprechen dabei dem Rhythmus einer Konsumtendenz, der ihre Legitimitätsdauer und den Zeitpunkt umfasst, bis diese durch neue produktbasierte Impulse überformt wird (cf. Krause 2019: 195 f.). 6 Abschluss Der Produktkonsum zur Erstellung eines szenespezifischen Erscheinungsbildes in der Hip- Hop-Szene steht im Zusammenhang mit verschiedenen strukturellen Aspekten. Aufgrund der Strukturierung der Hip-Hop-Szene in verschiedene thematische und lokale Substrukturen und Fangemeinden, die jeweils bestimmte Szene-Aktivitäten, -Künstler*innen und -Akteur*innen favorisieren und als Referenzpunkte heranziehen, entstehen wiederum 138 Marco Krause