eJournals Kodikas/Code 42/2-4

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
826
2024
422-4

Diskurse über Diversität in Fußballfanszenen

826
2024
Simon Meier-Vieracker
This paper deals with discourses on gender and diversity in current football fan scenes. On the one hand, these are shaped by archaic norms of masculinity, which are reflected in sexist and homophobic insulting practices in the stadiums as well as on social media. On the other hand, anti-discriminatory positioning and discourse interventions can be observed especially in the digital follow-up communication. From a discourse-linguistic perspective, the paper discusses the diversity-related fan discourse in its interconnection of analogue and digital communication and shows that diversity in football is discursively contested and thereby also politically charged.
kod422-40275
K O D I K A S / C O D E Volume 42 (2019) · No. 2 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen Diskurse über Diversität in Fußballfanszenen 1 Simon Meier-Vieracker (TU Dresden) Abstract: This paper deals with discourses on gender and diversity in current football fan scenes. On the one hand, these are shaped by archaic norms of masculinity, which are reflected in sexist and homophobic insulting practices in the stadiums as well as on social media. On the other hand, anti-discriminatory positioning and discourse interventions can be observed especially in the digital follow-up communication. From a discourselinguistic perspective, the paper discusses the diversity-related fan discourse in its interconnection of analogue and digital communication and shows that diversity in football is discursively contested and thereby also politically charged. Keywords: Football, fan communication, diversity, masculinity, homophobia Zusammenfassung: Thema des Beitrags sind Diskurse über geschlechts- und sexualitätsbezogene Diversität in aktuellen Fußballfanszenen. Diese sind einerseits durch archaische Männlichkeitsnormen geprägt, die sich etwa in sexistischen und homophoben Beschimpfungspraktiken in den Stadien ebenso wie in den Sozialen Medien niederschlagen. Andererseits sind gerade in der digitalen Begleit- und Anschlusskommunikation auch gezielt antidiskriminatorische Positionierungen und Diskursinterventionen zu beobachten. Der Beitrag diskutiert aus diskurslinguistischer Perspektive den diversitätsbezogenen Fandiskurs in seiner Verschränkung von analoger und digitaler Kommunikation und zeigt, dass Diversität im Fußball diskursiv umkämpft ist und dabei auch politisch aufgeladen wird. Schlüsselbegriffe: Fußball, Fankommunikation, Diversität, Männlichkeit, Homophobie 1 Einleitung Thema des vorliegenden Beitrags sind Diskurse über Diversität in aktuellen Fußballfanszenen mit einem besonderen Fokus auf geschlechts- und sexualitätsbezogene Diversität. Dass der Fußball im Allgemeinen und Fußballfans im Besonderen ein lohnenswerter Gegenstand der Gender Studies sind, ist in der Forschung schon oft gezeigt worden 1 Der Beitrag ist eine überarbeitete und ergänzte Fassung von: Meier-Vieracker, Simon (2022): Zwischen Gay Pride und archaischer Männlichkeit. Linguistische Perspektiven auf Diversität unter Fußballfans. In: Jahrbuch des Russischen Germanistenverbandes 19, S. 246 - 262. https: / / doi.org/ 10.47388/ 2782-2605/ lunn2022-19-246- 262. (Kreisky/ Spitaler 2006; Meuser 2008; Degele 2013). Linguistisch anschlussfähig sind diese Forschungsarbeiten, da sie den kommunikativen Performanzen und diskursiven Aushandlungen etwa von Geschlechternormen im Fußball besondere Aufmerksamkeit widmen, die auf ihre sprachlichen und multimodalen Charakteristika und das hier zum Einsatz kommende Zeichenrepertoire befragt werden können. Wie sehr gerade in jüngerer Zeit das Thema Diversität den Fußballdiskurs prägt, konnte man während der Fußball-Europameisterschaft im Sommer 2021 beobachten. Am Christopher Street Day am 10. Juli 2021 erstrahlte die Allianz Arena, Heimstadion des international erfolgreichen Clubs FC Bayern München, für einige Stunden in Regenbogenfarben, dem internationalen Erkennungszeichen der Queer Community. Damit, so hieß es in einer Pressemitteilung des Vereins, wolle man “ ein weltweit sichtbares Zeichen für Toleranz sowie gegen Homophobie und Diskriminierung jeder Art ” setzen und zeigen, dass man “ für Weltoffenheit und Vielfalt ” stehe. 2 Solche spektakulären, auf Visibilität und Symbolpolitik beruhenden Aktionen führt der Verein zwar seit vielen Jahren durch, doch in diesem Jahr waren die Voraussetzungen andere. Denn nur wenige Tage zuvor hätte das Stadion auf Antrag des Münchner Stadtrates auch beim Europameisterschaftsspiel Deutschland gegen Ungarn so beleuchtet werden sollen, doch der europäische Fußballverband UEFA hatte dies untersagt. Hintergrund war ein wenige Tage zuvor in Ungarn verabschiedetes, als LGBTQfeindlich eingestuftes Zensurgesetz. Mit dem Argument, dass die Regenbogenfarbenbeleuchtung als politische Protestaktion gegen Ungarn hätte wahrgenommen werden können, die UEFA aber “ aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale Organisation ” 3 sei, wurde die Aktion abgesagt. Während die ungarische Regierung dies wohlwollend zur Kenntnis nahm, zeigten sich viele öffentliche Akteur: innen und Institutionen in Deutschland solidarisch, so dass deutschlandweit andere Fußballstadien und weitere öffentliche Gebäude in Regenbogenfarben angestrahlt wurden. Auch verschiedene Wirtschaftsunternehmen präsentierten ihre Logos in den Sozialen Netzwerken in Regenbogenfarben. Diese Verquickung wirtschaftlicher Interessen mit politischer Symbolik, also eine öffentlichkeitswirksame Solidarisierung mit der LGBTQ-Bewegung zu PR-Zwecken, war insgesamt ein prägendes Merkmal der Bildpolitiken rund um die Europameisterschaft. Zahlreiche Sponsoren hatten ihre Bandenwerbungen in den Stadien in Regenbogenfarben präsentiert und im Finale wurde sogar der Ball von einem ferngesteuerten Regenbogenspielzeugauto ins Stadion gefahren. Dass ausgerechnet der Fußball im öffentlichen Diskurs um Homosexualität, Vielfalt und Toleranz eine Art Leuchtturmposition einnahm und entsprechende Positionierungen so selbstverständlich waren, dass sie sich sogar für Werbezwecke nutzbar machen ließen, ist erwartbar und überraschend zugleich. Im Fußball schmücken sich die Verbände und Sponsoren seit langem mit Toleranzbotschaften, und zwar besonders dann, wenn es wirtschaftlich lukrativ ist. Es wundert darum nicht, dass der Fußball das sogenannte Rainbow Washing betreibt (Paefgen-Laß 2021). Auf der anderen Seite ist der Fußball stärker 2 https: / / allianz-arena.com/ de/ news/ 2021/ 07/ regenbogen-sonderbeleuchtung-zum-christopher-street-day- 2021. 3 https: / / de.uefa.com/ insideuefa/ mediaservices/ mediareleases/ news/ 026a-129473252275-5e34333f5153-1 000- -uefa-schlagt-ausweichtermine-fur-regenbogen-illumination-im-mun/ . 276 Simon Meier-Vieracker noch als andere Bereiche der Populärkultur durch eine tief verankerte Heteronormativität geprägt, aus der oftmals Sexismus und Homophobie erwachsen (Schweer 2018). Bis heute hat sich in Deutschland kein aktiver Fußballballprofi als homosexuell geoutet, und noch immer sind homofeindliche Beschimpfungen in den Stadien allgegenwärtig. Tatsächlich zeigt sich gerade bei Fußballfans die ganze Paradoxie des Themas Diversität. Weithin geteilte, wenigstens geduldete und oft sogar gezielt geäußerte sexistische und homofeindliche Grundhaltungen treffen auf explizites antidiskriminatorisches Engagement (Dembowski/ Scheidle 2002; Endemann et al. 2015). Das lässt sich in den Stadien ebenso beobachten wie in der digitalen Anschluss- und Begleitkommunikation. Beides zusammen möchte ich im Folgenden als den Diversitätsdiskurs unter Fußballfans fassen und aus einer diskurslinguistischen Perspektive diskutieren. Dazu werde ich zunächst im Anschluss an soziologische Forschungen zeigen, wie Männlichkeitsnormen den Fußballfandiskurs prägen. Daran anschließend werde ich die Beschimpfungskultur in den Fußballstadien und den sie umgebenden Räumen in den Blick nehmen und sodann die Rolle der digitalen und Sozialen Medien als Resonanzraum diskutieren. In einem Fazit werde ich die Fäden zusammenführen und zeigen, dass Diversität im Fußball diskursiv umkämpft ist und politisch aufgeladen wird. Vorab ist noch eine Einschränkung notwendig: Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf den professionellen Männerfußball. 2 Männlichkeit als Norm Wie vor allem die soziologische Forschung zum Thema Fußball immer wieder gezeigt hat, ist der Fußball - zumindest in Europa - ein “ Männlichkeitsspiel par excellence ” (Meuser 2008). Dabei ist es nicht allein das Spiel, sondern auch die gesamte gesellschaftliche Praxis rund um den Fußball, die mit Männlichkeit assoziiert wird (Küppers 2018: 87). Bezogen auf die Sportler selbst gelten etwa körperliche Härte und Disziplin als besonders männliche und zugleich geforderte Spielweisen. So kann die eigentlich tautologische Äußerung “ Heute haben wir Männerfußball gespielt ” als (Selbst-)Lob dienen (Meier-Vieracker 2018). Aber auch das Begleitgeschehen ist auf Männlichkeitsnormen hin orientiert. Besonders deutlich zeigt sich das bei den Fußballfans auf den Rängen, wo “ die Männlichkeit des Fußballs in einer gesteigerten Form geradezu zelebriert ” (Meuser 2017: 180) wird. Schon in demographischer Hinsicht ist zu konstatieren, dass Fußballfanszenen überwiegend männlich und im Übrigen auch weiß sind (Degele/ Janz 2011). Doch auch die performativen Selbstinszenierungen der Fans, die im semiotischen Raum des Stadions (Burkhardt 2009) als Zeichen gesetzt werden, reproduzieren und verstärken die männliche Dominanz. Sichtbar wird dies etwa in der körpersemiotischen Praxis, sich als Zeichen von Support mit freiem Oberkörper zu zeigen. Exzessiver Alkoholgenuss und nicht selten eine Tendenz zu physischer Gewalt sind weitere Symptome einer im Fußball üblichen und gezielt ausgelebten archaischen Hypermaskulinität, die außerhalb des Stadions kaum mehr geduldet wird (Sülzle 2005) und in ihrer Abweichung von üblichen Umgangsnormen bewusst zur Provokation eingesetzt wird. Aus linguistischer Sicht ist interessant, dass auch die - sprachliche und multimodale - Fankommunikation von Männlichkeitsnormen geprägt ist und die Fußballfansprache einer Diskurse über Diversität in Fußballfanszenen 277 “ männlichen Grammatik ” (Sülzle 2005: 347) folgt, welche laufend “ die männliche Dominanz reproduziert und somit männliche Deutungsmacht erhält ” (Claus/ Gabler 2017: 381). Neben der typischen Betonung männlich gedachter Werte wie Stärke und Ehre etwa in den Selbstbeschreibungen von Ultra-Gruppierungen (Duttler/ Haigis 2016) zeigt sich dies besonders deutlich am breiten Phänomenbereich der Beschimpfungen des Gegners, der gegnerischen Fans, aber auch der Schiedsrichter: innen, der Verbände oder der Polizei. Ähnlich wie in der ebenfalls männlich dominierten HipHop-Kultur haben sich die Beschimpfungspraktiken zu einem breiten Repertoire an ritualisierten Beleidigungen (Meuser 2008: 123; Winands 2015: 226) verfestigt und formieren eine regelrechte “ Beschimpfungs- und Provokationskultur ” (Pilz et al. 2009: 85), die sich, wie ich im Folgenden zeigen möchte, in besonderem Maße aus Männlichkeitsnormen speist. 3 Zur Beschimpfungskultur von Fußballfans Wie bereits Labov (1997) in seiner wegweisenden Arbeit zu rituellen Beleidigungen zeigt, erfüllen ritualisierte Beleidigungen eine wichtige gruppenidentitätsstiftende Funktion. Dies gilt einerseits für die Fußballfanszenen insgesamt, welche die Beschimpfungskultur in ihrer Devianz von bürgerlichen Umgangsnormen als Tradition pflegen, anderseits aber auch für die einzelnen Fangruppierungen in ihrer Konkurrenz zu anderen. Wie Dembowski und Gabler (2015: 15) in ihrer Analyse von Aus- und Abgrenzungshandlungen von Fußballfans formulieren: “ Die Konstruktion der eigenen Gruppe erfolgt damit über die Abgrenzung vom Gegner und geht mit einer Aufwertung der Eigen- und einer Abgrenzung einer Fremdgruppe einher. ” Insbesondere in den Fußballstadien, wo sich die Fans in Fanblöcken zusammenfinden und gemeinsam das eigene Team supporten, lässt sich das beobachten, und hier hat die fantypische Beschimpfungskultur ihren eigentlichen Ort. Dabei gibt es verschiedene Gattungen im fankulturellen Repertoire, die für Beleidigungen genutzt werden können. Neben den Fangesängen und Sprechchören (Beljutin 2015; Brunner 2007) sind hier auch Fanbanner (Burkhardt 2009) und Choreographien (Hauser 2019) zu nennen, unter denen solche mit gezielt beleidigender und provokativer Funktion häufig anzutreffen sind. Insbesondere sexistische und homophobe Beschimpfungen sind hier regelmäßig zu beobachten. Als Beispiel kann der regelmäßig von Fans von Bayer Leverkusen angestimmte Fangesang (auf die Melodie von Guantanamera) gegen den rivalisierenden und lokal unmittelbar benachbarten Club 1. FC Köln genannt werden: Hauptstadt der Schwulen, ihr seid die Hauptstadt der Schwulen. Die Kölner Fans revanchieren sich mit folgendem Gesang: Ihr steht auf Schwänze, und nicht auf Busen, ihr seid die Fans von Bayer Leverkusen. Bei dem eingangs erwähnten Europameisterschaftsspiel Deutschland gegen Ungarn war aus dem Fanblock der ungarischen Fans folgender Gesang (auf die Melodie von Yellow Submarine) zu hören: Deutschland, Deutschland, homosexuell! Solche Fangesänge zielen offenbar darauf, dem Gegner - und hier vor allem den männlichen Fans - durch die Unterstellung von Homosexualität Männlichkeit abzusprechen und 278 Simon Meier-Vieracker dadurch herabzusetzen (Meuser 2017: 183), wodurch wiederum heteronormative Männlichkeitsvorstellungen reproduziert werden (Wagenknecht 2007). Neben solche Fangesänge, die gewiss aus einer kollektiven Emotionalität heraus gesungen werden, treten Spruchbänder und Fanbanner. Diese gehen auf enger begrenzte Produzentengruppen zurück und stellen im Gegensatz zu den Gesängen sorgsam geplante und koordiniert vollzogene Äußerungsakte dar. Außerdem sind sie als visuelle Zeichen zeitlich persistenter (auch wenn sie kaum je über die gesamten 90 Minuten gezeigt werden) und vor allem bildlich dokumentierbar. Dies verschafft ihnen eine potenziell größere Öffentlichkeit, und anders als über homophobe und sexistische Gesänge wird über entsprechende Spruchbänder und Banner auch eher im Anschlussdiskurs in redaktionellen und Sozialen Medien gesprochen. Einige aufsehenerregende Fälle seien hier angeführt. Fans von Dynamo Dresden präsentierten im Jahr 2018 beim Heimspiel gegen den FC St. Pauli ein Banner mit der Aufschrift: Ihr müsst heute Abend hungern, weil eure Fotzen mit euch im Block rumlungern. Hintergrund des Banners sind die zahlenstarken weiblichen Ultragruppierungen des Kontrahenten St. Pauli. Es wird also indirekt zu verstehen gegeben, dass Frauen, die hier kollektiv durch das Schimpfwort Fotze herabgesetzt werden, im Stadion fehl am Platz seien und stattdessen ihrer eigentlichen Aufgabe, die Männer mit Essen zu versorgen, nachkommen sollen. Meuser (2017: 184) beschreibt diese Form von Sexismus treffend als “ Platzanweisung ” . Den Männern soll es in dieser sozialen Ordnung vorbehalten sein zu bestimmen, wer legitimerweise Zugang zu den Stadien haben soll und wer nicht. Ein anderer Fall war ein Banner, das Fans des VfB Stuttgart beim Auswärtsspiel gegen den FC St. Pauli zeigten: Geizige Schwaben ficken eure Mütter zu fairen Preisen. Das Banner zielt zum einen auf den Stereotyp des geizigen Schwaben. Zum anderen bemüht es den - in vielen europäischen Kulturen verbreiteten - Mutterfluch, der die Mütter und auch die Söhne in ihrer Ehre angreift. Letztere werden nicht nur als Abkömmlinge sexuell ehrenloser Frauen, sondern auch als Schwächlinge attackiert, welche die sexuelle Unversehrtheit der eigenen Familie nicht zu schützen vermögen; eine Beleidigung also, die einen männlichen Ehrenkodex voraussetzt. Auch homophobe Plakate finden sich regelmäßig. Hier seien zwei Fälle von Fans von Borussia Dortmund berichtet. Während eines Lokalderbys gegen den verfeindeten Club FC Schalke 04 im Jahr 2019 wurde folgendes Banner gezeigt: Rock ’ n ’ roll Schalke? Ihr Schwuchteln singt zu Kay One! Der zugeschriebene Selbstanspruch auf Rock ’ n ’ Roll, offenbar eine Chiffre für eine gewisse Härte und Nonkonformität, wird zurückgewiesen durch eine Assoziierung mit dem populären Rapper Kay One und eine kollektive Adressierung als “ Schwuchtel ” . Bereits einige Jahre zuvor waren in einem Spiel gegen Werder Bremen, das für seine aktive antidiskriminatorische Fanszene bekannt ist, gleich zwei homophobe Banner gezeigt worden: Lieber ’ ne Gruppe in der Kritik als Lutschertum und Homofick Diskurse über Diversität in Fußballfanszenen 279 Hier finden wir eine - inzwischen auch in rechtsextremen Kreisen beobachtbare (Meier- Vieracker 2021a: 74 f.) - metadiskursive Figur, dass die eigenen Tabubrüche, die auf öffentliche Kritik stoßen, verteidigt und der Verzicht auf Provokationen als Verweichlichung dargestellt werden (Krøvel 2016); und zwar eine Verweichlichung, die hier direkt mit Homosexualität, codiert durch homosexuelle Praktiken, assoziiert wird. Das zweite homophobe Banner, das während desselben Spiels gezeigt wurde, trug die folgende Aufschrift: Gutmensch, Schwuchtel, Alerta-Aktivist, wir haben dir mit 20 vs. 100 gezeigt, was Fußball ist! Der Buchstabe w im Wort Schwuchtel wurde mit dem Wappen des Clubs Werder Bremen dargestellt. Das Banner spielte auf einen gewalttätigen Angriff von 20 Dortmund-Fans gegen überzählige Bremen-Fans auf einer Autobahnraststätte an. Die Schmach der Niederlage in der Auseinandersetzung soll also mit einer “ symbolischen bzw. sprachlichen Entmännlichung ” (Claus/ Gabler 2017: 382) noch gesteigert werden. Die homophobe Beschimpfung verbindet sich hier zudem ganz offen mit rechten Positionierungen. Der Ausdruck Alerta-Aktivist spielt auf die Antifa-Parole Alerta, Alerta, Antifascista! an, und in Übernahme des bekannten rechten Stigmawortes Gutmensch wird die antidiskriminatorische Haltung nicht nur zurückgewiesen, sondern auch als unmännlich gerahmt. Die Phrase zeigen, was Fußball ist verweist zudem deutlich auf die Aus- und Abgrenzungshandlungen der für das Banner verantwortlichen Fans, die die Zugänglichkeit der sozialen Domäne Fußball limitieren und an rigide Geschlechternormen, und zwar vor allem an archaische, mit Gewalt und Härte assoziierte Männlichkeitsnormen, zu koppeln versuchen. In jüngster Zeit ist die tradierte Homofeindlichkeit in den Stadien auch um offene Queer- und Transfeindlichkeit ergänzt worden. So zeigten Fans von Hansa Rostock bei einem Spiel gegen den FC St. Pauli, der wie Werder Bremen für das antidiskriminatorische Engagement seiner Fans bekannt ist, ein Banner mit der Aufschrift: Euer Gender-Scheiß interessiert in Wolgast keine Sau! Hier gibt es nur Jungs, Mädchen, Mann und Frau! Scheiß St. Pauli Flankiert wurde das Banner durch ein weiteres mit der Aufschrift “ Lichtenhagen ” mit einer Sonnenblume, eine Anspielung auf die rassistisch motivierten Brandanschläge auf das Wohnheim vietnamischer Vertragsarbeiter im sogenannten Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen im Sommer 1992. Der Fall zeigt, wie sich sexistische und queerfeindliche Beschimpfungen mit anderen Diskriminierungsformen verbinden und sogar mit rechtsextremen Haltungen einhergehen können. Aber nicht nur die Stadien selbst, sondern auch die sie direkt umgebenden Räume werden von Fußballfans als Arenen der Beschimpfung genutzt. In der Nähe des Dresdner Rudolf- Harbig-Stadions, Heimstätte der SG Dynamo Dresden, findet sich in einer Unterführung, durch die anreisende Fans gehen müssen, ein großflächiger, gegen den Lokalrivalen Erzgebirge Aue gerichteter Wandsticker (s. Abb. 1). Die verbale Beschimpfung des gegnerischen Clubs und seiner Fans als “ Hurensöhne ” wird begleitet durch die Darstellung eines Bergtrolls, die der Harry-Potter-Filmreihe entnommen ist. Bergtrolle gelten als besonders dumm und niederträchtig. Statt der eigentlichen Keule hält der auf dem Wandsticker abgebildete Bergtroll jedoch einen Dildo in der Hand, was als Unterstellung von Homosexualität zu deuten ist. Die Zuschreibung vermeintlicher sexueller Perversion 280 Simon Meier-Vieracker wird als Abwertungsressource genutzt, die ebenfalls als Versuch symbolischer Entmännlichung beschrieben werden kann (Meier-Vieracker 2023: 183 f.). Abb. 1: Wandsticker in Dresden (Foto: Simon Meier-Vieracker) Fußballstadien und die sie umgebenden Räume, das zeigen diese Beispiele, sind zum einen Sonderorte (Sülzle 2011), an denen gewissermaßen eigene Gesetze und eigene Angemessenheitsvorstellungen herrschen und mithin Kommunikationsweisen geduldet sind, die im öffentlichen Leben normalerweise sanktioniert würden (Brunner 2007: 43). Zugleich partizipieren jedoch die Formensprachen und Motive der dort üblichen Beschimpfungen an den Pejorisierungsressourcen der die Stadien umgebenden Gesellschaft (Schwenzer 2002), die hier gleichsam zugespitzt wirksam werden. Als Pejorisierungen sollen dabei mit Lann Hornscheidt (2011) Abwertungshandlungen verstanden werden, die auf gesellschaftliche Normalvorstellungen und Machtpositionen verweisen und alles von der vermeintlichen Normalität Abweichende als weniger achtungswürdig erscheinen lassen. Für die Domäne des Fußballs ist das Konzept der Pejorisierung auch deshalb so einschlägig, weil es eine wichtige Unterscheidung zwischen Beleidigungen und Diskriminierungen erlaubt. Die direkten und intendierten Adressat: innen der Banner und Gesänge, die gegnerischen Fans, sind mehrheitlich heterosexuelle Männer, die mit der Unterstellung der Homosexualität provoziert werden sollen. Zugleich werden damit aber Homosexuelle als Gruppe pauschal herabgesetzt und diskriminiert, auch wenn sie nicht direkt adressiert werden (Stefanowitsch 2015). Diskurse über Diversität in Fußballfanszenen 281 Gerade die sexistischen und homophoben Beschimpfungen sitzen also auf archaischen Männlichkeitsnormen auf, die sie damit auch reproduzieren. Sexismus und Homophobie sind mithin funktionale Äquivalente (Degele/ Janz 2011: 23). Indem das Absprechen von Männlichkeit als Abwertungsressource fungiert, wird diese Form dominanter Männlichkeit als hegemonialer Maßstab für Zugehörigkeit zur Fankultur etabliert, was all diejenigen ausgrenzt, die dieser Norm nicht genügen. 4 Soziale Medien als Resonanzraum In den bisherigen Ausführungen stand die Präsenzkommunikation in den Stadien im Fokus. In Zeiten digitaler Medien greift die Fankommunikation allerdings viel weiter aus und wird auch in den sozialen Netzwerken ausgetragen (Meier-Vieracker 2021b). Ein interessantes Format sind etwa Livetweets (Meier 2019; Michel 2018), also Tweets, die typischerweise im Sinne des Social TV bzw. des Second Screen während der Liveübertragung der Spiele und als Begleitkommunikation zum Medienkonsum verfasst werden. In den Livetweets, die meist hochemotional ausfallen, sind Beschimpfungen häufig zu beobachten, die ähnlich wie in den Stadien oft sexistisch und homophob grundiert sind. Typisch ist die Beschimpfung des Schiedsrichters als “ Schwuchtel ” , und aus diesem Topos lässt sich, wie im folgenden Beispiel, eine ganze fiktive Szenerie ableiten, die spielerklärend sein soll. Habt ihr die kleine Schiri-Schwuchtel da mit der gesamten Mannschaft durchgefickt vor dem Spiel oder wieso pfeift der so einen einseitigen Scheiß zusammen? (Twitter, 2019-02-18, 21: 23) Der bekannte Vorwurf der Parteilichkeit seitens des Schiedsrichters und der Schiedsrichterbeeinflussung wird hier an angebliche homosexuelle Praktiken gekoppelt, die den Schiedsrichter seines Urteilsvermögens beraubt haben sollen. Auch rassistische Beschimpfungen, die auf Bannern oder in Gesängen in Stadien nur noch selten vorkommen, sind in Livetweets regelmäßig zu beobachten: Was ein räudiger Affe dieser Amiri … niemals eine zweite gelbe Karte gegen Reus,führt diesen bekloppten Videobeweis ein-bin es leid! #TSGBVB (Twitter, 2016-12-16, 21: 13) Im folgenden Beleg wird schließlich in Zuspitzung der Rede von Männerfußball die mangelnde Leistungsbereitschaft kurzerhand als Unmännlichkeit gerahmt: Was für eine schwanzlose und eierlose Truppe ihr seid @FCBayern … Stolz, Ehre und Malochen kennt ihr nicht. #BVBFCB (Twitter, 2016-11-16, 23: 13) Die auch sonst virulente Vorstellung einer spezifisch männlichen Ehre greift auch hier und präsupponiert damit, dass Frauen prinzipiell des Fußballspiels nicht mächtig sein können. So sehr jedoch die Sozialen Medien für diskriminierende Beschimpfungen genutzt werden, so darf darüber nicht aus dem Blick geraten, dass eben hier auch kritische Diskurse über den Alltagssexismus in Fanszenen zu beobachten sind. Soziale Medien sind, metaphorisch gesprochen, nicht nur Tatort, sondern auch Dokumentationszentren und forensische Labore verbaler Gewalt. So werden etwa Fälle von Homophobie auf Twitter dokumentiert und angeprangert: 282 Simon Meier-Vieracker Meldet euren Verein ab @ FSV Pivitsheide. Sprüche wie Schiri du Schwuchtel Steh auf du Hurensohn brauch man nicht und sind auf ’ s schärfste zu verurteilen. Unterirdischer Verein. (Twitter, 2019-11-22, 22: 18) Auch die oben thematisierten sexistischen und homophoben Banner, die über bildliche Dokumentierungen den Weg in die sozialen Netzwerke finden, stießen hier auf Kritik, und in zahlreichen Fanblogs wie etwa schwatzgelb.de waren empörte Stellungnahmen zu lesen, in denen die Banner z. B. als Ausdruck “ [m]issverstandene[r] Männlichkeit ” 4 kritisiert wurden. Solche Belege zeigen, dass in den digitalen Medien das eigentlich flüchtige Geschehen in den Stadien dokumentiert und konserviert wird und so reflexive Bezugspunkte für kritische Anschlusskommunikation bereitstellt (Greschke 2020). Waren im vordigitalen Zeitalter die Stadien tatsächlich Sonderorte, sind die Grenzen der Fankommunikation im Stadion hin zum öffentlichen Diskurs längst durchlässiger geworden. Die Zugänglichkeiten und damit die Möglichkeiten kritischer Observation haben sich erhöht, so wie sich umgekehrt die Publika der Fankommunikation entgrenzt haben. Und gerade diversitätsbezogene Diskriminierungshandlungen stoßen in der digitalen Anschlusskommunikation oft auf vehementen Widerspruch (Winands 2015). Die Sozialen Medien haben ihrer nicht zu leugnenden Begünstigung von Hasskommunikation zum Trotz also auch eine wichtige diskurskritische Funktion, durch die begünstigt sich in den vergangenen Jahren vermehrt diversere Positionen und Akteursgruppen im Fußball Gehör verschaffen konnten. Tatsächlich hat etwa die Zahl der schwullesbischen Fanclubs in den letzten Jahren stetig zugenommen (Degele/ Janz 2011). Aber auch andere wichtige Akteursgruppen wie etwa die einflussreiche Ultra-Gruppierung des FC Bayern München, die Schickeria, positioniert sich ausdrücklich antisexistisch und antihomophob. Auf ihrer Homepage begründen sie dies ausführlich und mit reflektierten metasprachlichen Ausführungen, die sich unmittelbar an die sprachwissenschaftlichen Argumente etwa von Lann Hornscheidt (2011) anschließen lassen: Die umgangssprachliche Bezeichnung für Homosexuelle als Schimpfwort zu benutzen, wenn man jemanden niedermachen mag, ist aber gerade für diejenigen, die homosexuell sind (was ihr gutes Recht ist! ), schlichtweg äußerst verletzend. Und damit werden diese Beleidigungen, die sich zwar nicht direkt gegen sie richten, ihre sexuelle Orientierung aber zu etwas Negativem machen, mit dem man jemanden beleidigen kann, zu einem Baustein eines Klimas, das feindselig gegenüber homosexuellen Menschen ist. 5 Auch hat sich in der Schickeria mit den sogenannten Chicas eine ausdrücklich als solche benannte weibliche Subgruppierung institutionalisiert, die den eigentlich abwertenden Ausdruck Chicas in einer Art Reclaiming (Galinsky et al. 2003) positiv umdeutet. Solche im Netz dokumentierten diskursiven Positionierungen werden dann auch wieder in die Stadien zurückgetragen, wo gerade die Ultras häufig mit antidiskriminatorischen Aktionen in Erscheinung treten. So zeigte etwa die Münchner Ultra-Gruppierung Colegio im Januar 2019 während des Spiels gegen den VFb Stuttgart folgendes Banner: 4 https: / / www.schwatzgelb.de/ artikel/ 2019/ unsa-senf/ falsch-verstandene-maennlichkeit-homofeindlichesspruchband-auf-der-suedtribuene. 5 https: / / schickeria-muenchen.org/ pico/ fanpolitik/ ultras_gegen_rassismus/ gegen_sexismus_und_homophobie. Diskurse über Diversität in Fußballfanszenen 283 Jeder liebt wen er will und der Rest bleibt still. Fight Homophobia! Damit, so ließ die Gruppe im begleitenden Instagram-Post verlauten, sollte ein Zeichen gegen den “ im Fußball vorherrschende[n] Drang zur ‘ Männlichkeit ’ und Heteronormativität ” 6 gesetzt werden. Auch das oben geschilderte queer- und transfeindliche Banner der Rostock-Fans bot in der Folge Anlass für antidiskriminatorische Aktionen in den Stadien. Fans von Fortuna Düsseldorf zeigten bei einem Spiel gegen Rostock folgendes Banner: Wir begrüßen alle Rostocker*innen Durch die demonstrativ genderinklusive Anrede mit dem symbolträchtigen und sozialsemiotisch aufgeladenen Genderstern positionieren sich die Fans nicht nur für die Anerkennung non-binärer Personen, sondern schreiben auch den adressierten Rostockern genau jene Genderfluidität zu, die diese zuvor angeprangert hatten. Der Fall zeigt also, dass auch antidiskriminatorische Statements ihrerseits zur Provokation eingesetzt werden können. 5 Fazit und Ausblick: Der diskursive Kampf um Diversität In gegenwärtigen Fanszenen, so lassen sich die Ausführungen in den vorangegangenen Abschnitten zusammenfassen, ist eine auf die Dimensionen Geschlecht und Sexualität bezogene Diversität ein diskursiv umkämpftes Feld. Während auf der einen Seite homophobe und sexistische Beschimpfungen als Teil des Spiels geduldet und legitimiert werden, sind auf der anderen Seite vermehrt kritische Stimmen zu hören, die sich gegen eben diese Diskriminierungsformen in der eigenen Fankultur wehren und dadurch auch die eigene fankulturelle Praxis gezielt politisch aufladen. Vor diesem Hintergrund seien abschließend noch einmal die (immer auch marketinggetriebenen) Solidarisierungen mit der LGBTQ-Bewegung während der Europameisterschaft im Jahr 2021 und vor allem die Fanreaktionen in den Blick genommen. Denn gerade im digitalen Diskurs ließen sich hier ambivalente Haltungen und einander widerstreitende Positionierungen beobachten. Auf Twitter wurde scherzhaft darauf hingewiesen, dass mit der Türkei, Russland, Ungarn und Polen ausgerechnet jene Mannschaften, deren Länder durch eine homosexuellenfeindliche Politik aufgefallen waren, als Gruppenletzte nach der Vorrunde ausgeschieden waren. Dazu wurde eine entsprechend markierte Übersicht der Tabellenstände wie folgt kommentiert: Manchmal kriegen Leute das, was sie verdienen #EM2021 #EM2020 #pride #football #fussball (Twitter, 2021-06-24, 10: 19) Erst der Hashtag #pride stellt hier also die Verbindung zum Thema Homosexualität her, verleiht dem multimodalen Kommunikat seine Kohärenz und lässt sich mithin als antihomophobe Positionierung lesen. Auch die starke Präsenz von Regenbogenflaggen, welche die sonst für internationale Turniere üblichen Landesflaggen nahezu verdrängte und den Fußball insgesamt in den Hintergrund rückte, wurde auf Twitter durchaus begrüßt: 6 https: / / www.instagram.com/ p/ BtLeoXFgjQ8/ . 284 Simon Meier-Vieracker Regenbogen-Flaggen wurden vor dem Stadion in München verteilt. Von dem EM Fieber ist in nicht viel zu spüren. Vereinzelt sehe ich Fahnen an Autos und Häuser. Die EM gleicht hier eher einer Gay Pride! Fussball war GESTERN! (Twitter, 2021-06-26, 23: 26) Ein anderer User hingegen twitterte: Wenn ich mich an der Hand meines Mannes in einer S-Bahn mit einer Herde gröhlender Fußballfans mal genau so sicher und akzeptiert fühlen kann, wie mir Fußball-Deutschland jetzt durch demonstrative Regenbogen-Beflaggung gegen Orban suggeriert, wäre echt was gewonnen. #Pride (Twitter 2021-06-22, 17: 56) Hier kommt also eine deutliche Skepsis gegenüber der Nachhaltigkeit und Aufrichtigkeit der symbolischen Bildpolitiken rund um das Turnier zum Ausdruck, die letztlich nicht darüber hinwegtäuschen können, dass unter gewöhnlichen Fußballfans Homosexuelle nach wie vor um Akzeptanz kämpfen müssen. Die “ Beflaggung gegen Orban ” (Hervorhebung SMV), so könnte man dies explizieren, ist eben noch kein hinreichender Einsatz für die Sicherheit und Akzeptanz von Homosexuellen in einem heteronormativ geprägten Feld. Schließlich waren auch ausdrücklich kritisch-delegitimierende Stimmen gegenüber den antidiskriminatorischen Aktionen zu vernehmen. Johann Martel, ein Politiker der rechtspopulistischen Partei AfD, twitterte: Wenn du nach einem 2: 2-Unentschieden Gewinner wegen der Achtelfinalteilnahme, gleichzeitig aber wegen der Prioritätsverlagerung von Fußball auf #pride ein Verlierer bist, dann bist du die deutsche Schaft (ohne “ National ” und ohne “ Mann ” ). #GERHUN #HUNGER #EURO2020 #Pride2021 (Twitter, @martel_afd, 2021-06-23, 23: 58) Die symbolischen Solidaritätsbekundungen mit der LGBTQ-Bewegung werden hier als ‘ Prioritätsverlagerung ’ delegitimiert, welche den Fußball sowohl der Männlichkeit als auch der nationalen Dimension beraube. Nationalistische Selbstaufwertung und homophobe Fremdabwertung fallen hier ineinander. Solche Vereinnahmungsversuche führen deutlich vor Augen, wie sehr der Fußball und der Fußballdiskurs als Projektionsfläche für politische Positionierungen dienen. Gerade im Diskurs um Diversität, der in Zeiten digitaler Medien in der analogen wie auch digitalen Kommunikation in potenziell entgrenzten Öffentlichkeiten ausgetragen wird, lässt sich detailliert beobachten, wie Geschlechternormen nicht nur reproduziert, sondern auch in ihrer politischen Dimension verhandelt werden. Literatur Beljutin, Roman. (2015) Fankommunikation in Russland und in Deutschland: Gemeinsamkeiten und Unterschiede. In Born, Joachim, & Gloning, Thomas. (eds.) Sport, Sprache, Kommunikation, Medien. Interdisziplinäre Perspektiven. Gießen: Gießener Elektronische Bibliothek, 1 - 18. (Linguistische Untersuchungen; 8). Brunner, Georg. (2007) Ruhrpottkanaken - Fangesänge im Fußballstadion. Der Deutschunterricht, 5, 32 - 43. Burkhardt, Armin. (2009) Der zwölfte Mann: Fankommunikation im Fußballstadion. In Burkhardt, Armin, & Schlobinski, Peter. (eds.) Flickflack, Foul und Tsukahara: der Sport und seine Sprache. Mannheim: Dudenverlag, 175 - 193. 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