Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
826
2024
422-4
Technologieoffenheit! Machen, was machbar ist?
826
2024
Ernest W. B. Hess-Lüttich
Should we, technologically, always do what we can do? Does openness to technology always means to do whatever is feasible? This paper argues for discourse ethics within science and technology. The future of industrial societies depends not least on technical developments in science, technology, and engineering. However, the social and ethical responsibility that arises from this development is not always systematically reflected upon either within the disciplines or in the parties that constantly call for technological openness. Ethical questions are hardly ever raised, let alone answered, in engineering curricula or technical studies. Where will the development of what is technically feasible lead us if the responsible engineers lack a basic ethical understanding? Motivated by the remembrance of ethical misconduct of engineers in the Third Reich, the article seeks to underpin the need for an applied ethics for engineers, technicians and natural scientists with a historical and systematic explication of the ethics discourse in classical rhetoric and the history of philosophy. Under the impression of current developments in the digitalised media society and the connection between ethos (ἦθος) and language, the paper pleads for a discourse-ethical approach and seeks to make this fruitful for the fields of application mentioned. Against the background of current research on technology impact, the article ends with a look at some classical examples of the literary depiction of ethical dilemmas in technical solutions, hoping to stimulate further reading in the arts and sciences.
kod422-40304
K O D I K A S / C O D E Volume 42 (2019) · No. 2 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen Technologieoffenheit! Machen, was immer machbar ist? Zur Diskursethik in den Technikwissenschaften Ernest W. B. Hess-Lüttich Abstract: Should we, technologically, always do what we can do? Does openness to technology always means to do whatever is feasible? This paper argues for discourse ethics within science and technology. The future of industrial societies depends not least on technical developments in science, technology, and engineering. However, the social and ethical responsibility that arises from this development is not always systematically reflected upon either within the disciplines or in the parties that constantly call for technological openness. Ethical questions are hardly ever raised, let alone answered, in engineering curricula or technical studies. Where will the development of what is technically feasible lead us if the responsible engineers lack a basic ethical understanding? Motivated by the remembrance of ethical misconduct of engineers in the Third Reich, the article seeks to underpin the need for an applied ethics for engineers, technicians and natural scientists with a historical and systematic explication of the ethics discourse in classical rhetoric and the history of philosophy. Under the impression of current developments in the digitalised media society and the connection between ethos ( ἦθος ) and language, the paper pleads for a discourse-ethical approach and seeks to make this fruitful for the fields of application mentioned. Against the background of current research on technology impact, the article ends with a look at some classical examples of the literary depiction of ethical dilemmas in technical solutions, hoping to stimulate further reading in the arts and sciences. Keywords: Ethos, applied ethics, discourse ethics, engineering sciences, natural sciences, technical sciences, technological openness, technology assessment, climate change, literature and technology Zusammenfassung: Sollten wir technologisch machen, was immer machbar ist? Bedeutet “ Technologieoffenheit ” immer auch zu tun, was wir technisch tun können? Dieser Beitrag plädiert für eine Diskursethik der Ingenieur- und Technikwissenschaften, von deren Fortentwicklung nicht zuletzt die Zukunft der Industriegesellschaften abhängt. Die gesellschaftliche und ethische Verantwortung, die sich aus dieser Fortentwicklung ergibt, wird jedoch weder innerhalb der Disziplinen, noch in den Parteien, die ständig die Forderung nach “ Technologieoffenheit ” erheben, immer systematisch reflektiert. Ethische Fragen werden in den Lehrplänen der Ingenieurwissenschaften und der technischen Studiengänge kaum gestellt, geschweige denn beantwortet. Wohin wird die Entwicklung des technisch Machbaren führen, wenn den verantwortlichen Ingenieuren ein ethisches Grundverständnis fehlt? Motiviert durch die Erinnerung an ethisches Fehlverhalten von Ingenieuren im Dritten Reich, versucht der Beitrag, die Notwendigkeit einer angewandten Ethik für Ingenieure, Techniker und Naturwissenschaftler mit einer historischen und systematischen Explikation des Ethikdiskurses in der klassischen Rhetorik und der Philosophiegeschichte zu untermauern. Unter dem Eindruck aktueller Entwicklungen in der digitalisierten Mediengesellschaft und dem Zusammenhang von Ethos ( ἦθος ), Sprache und Zeichen plädiert der Beitrag für einen diskursethischen Ansatz und versucht, diesen für die genannten Anwendungsfelder fruchtbar zu machen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Technikfolgenforschung schließt der Beitrag mit einem Blick auf einige klassische Beispiele der literarischen Darstellung ethischer Dilemmata in technischen Lösungen und hofft, damit zur weiteren Lektüre anzuregen. Schlüsselbegriffe: Ethos, Diskursethik, Angewandte Ethik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Technikwissenschaften, Technologieoffenheit, Technikfolgenabschätzung, Klimawandel, Literatur und Technik Ich habe nie geglaubt, daß die Freiheit des Menschen darinn bestehe, daß er thun könne, was er wolle, sondern daß er nicht thun müsse, was er nicht wolle. Jean-Jacques Rousseau 1 1 Tödliche Technologie Aktuellen Vorschlägen zur ökologischen Transformation der Industriegesellschaften, um die Folgen der Erderwärmung abzumildern, wird oft das politische Mantra ‘ Technologieoffenheit ’ entgegengehalten, das sich die Bewältigung der Klimakrise von künftigen technischen Lösungen erhofft und die konkrete Zumutung von Verhaltensänderungen zu vermeiden erlaubt. Die politische Erwartung richtet sich an Ingenieure, die Probleme lösen und keine komplizierten moralphilosophischen Fragen stellen. 2 Für ‘ Ethik ’ seien sie gar 1 Der Satz fährt fort: “ [ … ] und auf diese Freiheit machte ich immer Anspruch, erhielt sie auch oft, und sie machte mich zum Aergerniß in den Augen meiner Zeitgenossen ” (Jean-Jacques Rousseau 1783: Einsame Spaziergaenge. Sein letztes nachgelassenes Werk, München: Johann Baptist Strobl, p 182 (frz. Orig.: Les Rêveries du promeneur solitaire [1776-78], Paris: Livre de Poche MDCCXXXII [1782]). 2 Nach dem altrömischen Rechtsgrundsatz “ Pronuntiatio sermonis in sexu masculino ad utrumque sexum plerumque porrigatur ” (Corpus Iuris Civilis Dig. 50, 16, 195) und im Einklang mit geltender Rechtsprechung (s. BVG-Personenstandsurteil 1 BvR 2019/ 16 vom 10. Oktober 2017 gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und BGH-Personenbezeichnungsurteil VI ZR 143/ 17 vom 13. März 2018) sowie den Empfehlungen des Deutschen Rechtschreibrates (vom 26. März 2021, 14. Juli 2023 et passim), benutze ich im Ausgang vom klassischen Epikoinon ( γένος ἐπίκοινον / génos epíkoinon, “ vermengtes Geschlecht ” ) für Personenbezeichnungen, wenn sie die Gattung betreffen, aus logischen, grammatischen, semantischen, stilistischen, semiotischen, pädagogischen (DaF), ökonomischen, juristischen, medizinischen (Braille) und queersensiblen Technologieoffenheit! Machen, was immer machbar ist? 305 nicht zuständig, sagen viele Ingenieure. Ethik: das sei etwas für Philosophen oder Theologen, vielleicht auch (soweit es Rendite verspricht) für Werbeleute und PR-Abteilungen, aber nicht für nüchterne Techniker, die mit Zahlen zu tun haben, mit Messungen, mit Daten und Fakten, mit Aufträgen und deren Erfüllung, mit Bedarfsnachfragen und wirtschaftlichen Zwängen. Der Ingenieur, so sieht er sich oft gern, will die Verbesserung des Lebens durch technischen Fortschritt. Das gelang und gelingt ihm auch immer wieder in beeindruckender Weise, auch in Deutschland, wo das Telefon erfunden (Johann Philipp Reis 1861) und das erste Auto mit Verbrennungsmotor gebaut wurde (Carl Benz 1886), das erste Motorrad (Gottlieb Daimler 1885), die erste praxistaugliche Elektro-Lokomotive (Werner Siemens 1879), das erste Gleitflugzeug (Otto Lilienthal 1891), die erste Farbbildröhre (Werner Flechsig 1938) - aber zum Beispiel auch der erste elektrisch beheizte Leichenverbrennungsofen (Topf & Söhne 1927). Von ihm wird noch die Rede sein. Das ist alles - und die Liste ließe sich noch lange fortsetzen - schon eine Weile her, aber trotzdem gilt nach wie vor: Nicht zuletzt dem Können der Ingenieure verdanken wir unseren heutigen Lebensstandard. Der Ruf hat in Deutschland ein wenig gelitten in jüngster Zeit. Deshalb widmete die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit ein Dossier der (nur auf den ersten Blick) schlichten Frage: “ Was kann der deutsche Ingenieur? ” (Jauer 2018). Nun, was er kann, wird auch gemacht. Dass mit dem technologischen Können womöglich auch eine moralische Verantwortung einhergeht, wird deutschen Ingenieuren in ihrer Ausbildung bis heute nicht intensiv und systematisch genug vermittelt, obwohl keine Woche vergeht, ohne dass die Zeitungen oder die Fernsehnachrichten im Zusammenhang mit vermeintlichen technologischen Errungenschaften irgendwo ein Versagen, einen Betrug, einen Skandal vermelden. Dass freilich ethisches Bewusstsein auch in der Alltagspraxis von Ingenieurbüros kaum eine Rolle spielt, scheint angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen praktisch alle ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen stehen, denn doch einigermaßen überraschend: Geotechniker prüfen gemäß politischen Vorgaben riskante Möglichkeiten der Endlagerung von Kernbrennstoffen für einige hunderttausend Jahre, Maschinenbauingenieure helfen, das Ausmaß von Schadstoffemissionen zu verschleiern und deren Messung zu manipulieren, Verkehrstechniker optimieren das ‘ autonome Fahren ’ ohne vorherige Beantwortung der Frage nach der Verantwortung der Technik für Unfälle, Bioingenieure entwickeln Gen-Scheren mit weitreichenden Selektionspotentialen, Hydrologen und Agraringenieure bieten bei der Versorgung der Weltbevölkerung mit Wasser und Nahrung Hand zu ökonomischen Verwertungsketten und Zugangsentscheidungen, Informatiker vernetzen ‘ intelligente ’ Sprachassistenzmaschinen zur ökonomischen Auswertung von Verhaltensprofilen, die chinesische Staats- und Parteileitung nutzt künstliche Intelligenz in Verbindung mit Big Data für ihre Vision des gläsernen Bürgers, eine chinesische Version von George Orwells Roman 1984 zur flächendeckenden Überwachung der ‘ Untertanen ’ - auch diese Liste ließe sich mühelos fortsetzen. Gründen das inklusiv-neutrale genus commune und vermeide damit eine heteronormativ-binäre Sexualisierung des Sprachgebrauchs (cf. Meineke 2023); substantivierte Partizipialkonstruktionen (Einwohnende, Bestattende, Rad Fahrende) vermeide ich, wenn sie als Tätigkeitsbeschreibung eine andere semantische Funktion haben als die gruppen- oder statusbezogene Bezeichnung (cf. Glück 2020). 306 Ernest W. B. Hess-Lüttich In ihrem einleitenden Beitrag zu dem Buch Ethik in den Ingenieurwissenschaften (Breuer & Genske eds. 2020) bietet die Autorin Annegret Schüle (unter Mitwirkung von Rebekka Schubert) anhand eines historischen Beispiels die akribische Rekonstruktion des abschüssigen Weges in die direkte Mitverantwortung für menschenverachtend unethisches Handeln durch vermeintlich rein technische Leistung (Schüle 2021). Der industriell betriebene Massenmord an Millionen Menschen mit Hilfe des Insektenvertilgungsmittels Zyklon B hatte die SS bekanntlich vor gewisse technische Probleme der Be- und Entlüftung der Gaskammern (zwecks schnellerer ‘ Nutzungsrotation ’ ) und der kostengünstigen, Brennstoff sparenden und möglichst spurlosen Entsorgung der in kurzer Zeit anfallenden großen Zahl von Leichen gestellt. Die Ingenieure der seinerzeit im Ofengeschäft marktführenden Erfurter Traditionsfirma Topf & Söhne konnten helfen, diese Probleme mit der Massenvernichtung von Menschen effizient zu lösen. Und sie wussten, was sie taten. Denn die Entwicklung des durch den leitenden Ingenieur Fritz Sander mit Schreiben vom 26. Oktober 1942 zum Patent angemeldeten “ Kontinuierlich arbeitenden Leichen-Verbrennungsofen für Massenbetrieb ” setzte ebenso wie die neuartige Entlüftungstechnik zur “ Optimierung der Erstickungsrate ” die genaue Beobachtung des Tötungsprozesses im Fließbandverfahren voraus. Seine Erfahrungen und die seiner Kollegen Kurt Prüfer oder Karl Schultze flossen in die Entwicklung der Anlagen ein und erlaubten deren weitere Perfektionierung. Sie handelten nicht unter Zwang oder auf Befehl, sondern dienten den Machthabern ihre ingenieurtechnische Expertise an. Sie wollten zeigen, dass sie es können. In ihren Öfen sollten rückstandslos Millionen Menschen brennen, als ‘ Schutzhäftlinge ’ gezeichnet und gekennzeichnet, Juden vor allem, aber auch Homosexuelle, Behinderte, Bibelforscher, Bettler, Ausländer, Sinti und Roma - penibel sortiert zuvor in bürokratischen Etikettierungslisten und zur Vernichtung freigegeben. Nach dem Krieg bekannten sich weder die Firmenleitung noch die Entwicklungsingenieure zu ihrer Verantwortung. In der DDR galt in dem nunmehr volkseigenen Betrieb dann die Sprachregelung, die kapitalistischen vormaligen Eigentümer seien schuld. Eine Aufarbeitung unterblieb. Erst seit 2018 dokumentiert ein umfangreicher Katalog zur von Annegret Schüle kuratierten Wanderausstellung über die Firma Topf & Söhne akribisch den Beitrag der Industrie zum Holocaust am Beispiel der “ Ofenbauer von Auschwitz ” (Schüle 2018). 2 Ethik, Rhetorik und Diskurs Nur am Rande wird dabei eine Frage aufgeworfen, die den Germanisten ebenfalls interessiert, nämlich die nach den Bedingungen der Möglichkeit des Sprechens über jenes Grauen, das den Durchschnittsmenschen mit einigermaßen intaktem Moralempfinden eigentlich verstummen lassen müsste. Wie verschleiert man als Mit-Täter das industriell organisierte Morden vor dem Bürger, welchen Ausweg bietet diesem die Sprache, nicht so genau hinsehen zu müssen? Welche zynisch camouflierenden Euphemismus-Strategien in den ‘ Sprachregelungen ’ der NSDAP und ihrer Untergliederungen erlaubten ihm, später zu sagen: Wir haben ja nichts gewusst? Was genau verband er mit Wörtern wie ‘ Arbeitsdienst ’ , ‘ Sonderbehandlung ’ , ‘ Endlösung ’ ? Indem die erwähnten Ingenieure der Firma Topf & Söhne, keineswegs glühende Anhänger des Nationalsozialismus oder sonstwie fanatische Technologieoffenheit! Machen, was immer machbar ist? 307 Ideologen, ihre Mitwirkung am Massenmord in geschäftsmäßigem Tone als ingenieurtechnische Herausforderung beschrieben, und indem sie, wie Schüle zu Recht resümiert, mit technizistischen Ausdrücken wie ‘ Leistungssteigerung ’ (der Verbrennungskapazitäten), ‘ Stückzahlerhöhung ’ (von Leichen) oder ‘ Einäscherungsobjekten ’ (Leichenteilen) “ davon abstrahierten, dass es sich um ermordete Menschen handelte, konnten sie die Auseinandersetzung auf der Ebene technischer Fragen führen ” (Schüle 2021: 30). Das schleichende Gift der Lingua tertii imperii hat der Romanist Victor Klemperer seinerzeit so präzise wie eindringlich in seinem gleichnamigen, erstmals 1947 erschienen Buch beschrieben (Klemperer 2018). Die beklemmende Aktualität dieses Notizbuchs eines Philologen, das eigentlich in den Unterricht einer jeden deutschen Schule gehörte, ermisst mit bangem Unbehagen, wer in diesen Tagen den Reden von manchen Rechtspopulisten lauscht. Die Sprachwissenschaftler Thomas Niehr und Jana Reissen-Kosch resümieren unter dem Titel Volkes Stimme? die Erträge ihrer Untersuchung der Sprache des Rechtspopulismus und liefern darin zahllose Beispiele dafür, wie Parlamentarier der AfD und ihrer Vorfeldorganisationen mit kalkulierten sprachlichen Tabuverletzungen Tag für Tag die Grenzen dessen verschieben, “ was man doch noch mal wird sagen dürfen ” (cf. Wolfgang Thierse in seinem Vorwort zu Niehr / Reissen-Kosch 2019: 7). Der Linguist Josef Klein, der seit Jahrzehnten das Zusammenwirken von Sprache und Politik erforscht, beschreibt im fünften Kapitel seines Buches über Politik und Rhetorik das Verhältnis von “ Ethik und politischer Rhetorik ” , dessen Bedeutung heute im öffentlichen Diskurs über komplexe technologische Entwicklungen eine neue Brisanz gewinnt (Klein 2019). Der Politikwissenschaftler Steffen Kailitz verdeutlicht dies im Dezember 2019 in seinem pointierten Spiegel- Essay über die Ähnlichkeiten in der Rhetorik rechtspopulistischer Funktionsträger mit den sprachlichen Tricks der Nazis sowie zwischen deren Parteiprogrammen und den Forderungen der AfD anhand einer Fülle von Beispielen (Kailitz 2019: 34 f.). Sie verstärken den Eindruck von kritischen Beobachtern unserer gesellschaftlichen Entwicklung in den Sozialwissenschaften, dass es Teilen der Bevölkerung wieder an historischer Verantwortung, ethischer Orientierung und sprachlicher Mäßigung gebricht. Dies belegen in erschreckendem Maße auch die empirischen Befunde der Antisemitismusforschung, die einen alarmierenden Anstieg antisemitisch motivierter Straftaten meldet, die von einer überlasteten Justiz nur unzureichend geahndet werden. Ihren sprachlichen Niederschlag findet diese Entwicklung in sozialen Netzen, in denen enthemmte Nutzer aller zivilen Schranken ledig ihre hasserfüllten Botschaften (hate speech) vomitieren (cf. Schwarz-Friesel 2019 zu deren linguistischer Analyse). Immer wenn die Maßstäbe sittlichen Verhaltens strittig sind oder in Frage gestellt werden, bedarf es einer neuen Vergewisserung der Normen und Richtwerte einer Zivilgesellschaft, die individuelles Handeln im Interesse des Gemeinwohls unter sich historisch verändernden Bedingungen leiten. Deshalb ist es weder trivial noch unzulässig, die Brücke zu schlagen vom Sprachgebrauch unter den Bedingungen der Diktatur, die ohne Mitläufer und Abnicker und Handlanger und Wegseher in kritischer Zahl kaum errichtet werden könnte, und dem Sprachgebrauch jener Verächter unserer Demokratie, die den Demos durch einen fiktiven Ethnos zu ersetzen streben. Weil damit der weitere Horizont unserer Fragestellung erkennbar wird, sei ihre theoretische Grundlage in hier gebotener Kürze begriffshistorisch und -systematisch hergeleitet. 308 Ernest W. B. Hess-Lüttich “ An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen ” , lautete der zum geflügelten Wort avancierte Titel eines Aufsatzes, den Hans Jacob 1938 in einer Exilzeitschrift veröffentlichen konnte (Jacob 1938). Es ist ein seit der Antike geläufiger Topos: Er geht wohl auf ein Fragment aus den Gnomai Monostichoi des Menander (cf. Steinmetz 2000: 133) zurück und ist in Anlehnung an Platon (Charmides 158e-159a, 160 d-e, [Platon 1922: 30; id. 1988: 133-134]) in kanonischer Form von Apuleius aus Madauros überliefert ( “ loquere, ut te videam ” / Sprich, damit ich dich sehe) 3 , wurde von Ben Jonson in einem berühmt gewordenen Diktum wieder aufgegriffen ( “ Language most shews a man: Speak that I may see thee ” 4 ) und hat in seinen ungezählten Varianten von Erasmus über Lichtenberg bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. Deshalb wird Diskursethik ihren Ausgang von der Sprache nehmen - zumal gerade unter dem Eindruck der gegenwärtig in den Internet-Foren nicht selten emotional überhitzten Debatten interessant ist, dass bereits in der Antike der Begriff des Ethos auch auf die Sprache übertragen wurde und in Gestalt des rhetorischen Ethos das affectus-Merkmal maßvollen Redens und Schreibens mit-meint. Wie ein roter Faden zieht sich die Verbindung von ‘ gutem Charakter ’ und glaubwürdiger Rede durch die Philosophiegeschichte ebenso wie die Geschichte der Rhetorik (cf. Robling et al. 1994). Bereits Aristoteles übernimmt (in Arist. Rhet. II, 1) die Trias von Weisheit, Tugend und gutem Willen als Bedingungen überzeugender Wirksamkeit argumentierenden Sprechens aus der Tradition (Aristoteles 2018; Wörner 1990), die unter anderem auch Quintilian in seiner Institutio oratoria wieder aufgreift und damit die weitere Entwicklung in der Renaissance und im Humanismus nachhaltig prägt. Noch Immanuel Kant setzt beim rhetorischen Ethos auf die Verbindung von Tugend, Klugheit und Mäßigung des Affektes und schlägt (womöglich unter dem Einfluss von Lessing) die Brücke zur Poetologie, die im 18. Jahrhundert das semantische Spektrum des Ethos (Charakter, Gesinnung, Affekt) ausschöpft und das römische vir bonus-Ideal mit dem aptum-Postulat angemessenen Sprachgebrauchs verknüpft (Ethopoeia), was uns zum Schluss noch kurz zu der Frage führen wird, ob (und wenn ja, wie) auch die Poesie und sogenannte Schöne Literatur (belles lettres) sich des Themas angenommen haben. Es ist hier natürlich nicht der Ort, diese mehr als zweitausendjährige Tradition mit allzu grobem Strich nachzuzeichnen (cf. dazu die knappe Übersicht von Robling et al. 1994), aber es fällt schon auf, dass sie in den populären Redelehren der Gegenwart kaum mehr gegenwärtig scheint (cf. Hess-Lüttich 1994), was abermals ein bezeichnendes Licht auf die 3 “ At non itidem maior meus Socrates, qui cum decorum adulescentem et diutule tacentem conspicatus foret, ‘ ut te videam, ’ inquit, ‘ aliquid et loquere. ’ Scilicet Socrates tacentem hominem non videbat; etenim arbitrabatur homines non oculorum, sed mentis acie et animi obtutu considerandos. ” [ “ Doch nicht so mein Meister Sokrates; als er einen schönen Jüngling sah, der ziemlich lange schwieg, sagte er: ‘ Damit ich dich sehen kann, rede auch etwas! ’ Das heißt: Sokrates sah einen schweigenden Menschen nicht; er war der Überzeugung, man müsse die Menschen nicht mit der Schärfe der Augen, sondern mit der des Verstandes und in geistigem Anschauen betrachten]. Apuleius, Verteidigungsrede. Blütenlese. Lateinisch und deutsch von Rudolf Helm, Berlin: Akademie-Verlag, 1977 (Schriften und Quellen der alten Welt 36), S. 167. 4 “ Language most shews a man: Speak that I may see thee. It springs out of the most retired and inmost parts of us, and is the image of the parent of it, the mind. No glass renders a man ’ s form or likeness so true as his speech ” (Ben Jonson [1641] 1838: Timber; or, Discoveries Made Upon Men and Matter, As They Have Flowed Out of His Daily Readings, or Had Their Reflux to his Peculiar Notion of the Times in The Works of Ben Jonson, ed. Barry Cornwall. London: Cassell & Co. 1838, p 795. Technologieoffenheit! Machen, was immer machbar ist? 309 verbreitete Beobachtung wirft, in den heftigsten Disputen der sogenannten sozialen Medien gehe oft ein Mangel an Anstand und Empathie mit sprachlicher Verrohung einher. Umso wichtiger, dass die Menschen als Personen, das heißt als soziale Subjekte und hypothetisch Handelnde, sich verständigen über die Regeln ihres Zusammenlebens und die Maximen ihres Handelns in Gesellschaften. Wenn ihr Handeln ein ethisches sein soll, muss es gegenüber dem/ den Anderen zu begründen und zu rechtfertigen sein. Im Unterschied zu den antiken Tugendlehren fragen die modernen Handlungsethiken nach den Kriterien ‘ guten Handelns ’ . Während der teleologische Ansatz das Kriterium guten Handelns in seinem Nutzen für die von diesem Handeln Betroffenen sucht, richtet der deontologische Ansatz sein Augenmerk auf die innere Einstellung des Handelnden selbst. Kants Kategorischer Imperativ ist der Prototyp dieses Ansatzes (KpV § 7): “ Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne ” (Kant [1788] 1975: 140; cf. hierzu ausführlich Höffe 2004: 173 - 207). Beiden Ansätzen wohnen eine Reihe von Problemen inne: Walter Schweidler diskutiert bei dem einen unter anderem Probleme der Folgenabschätzung, der Abgrenzung des Kreises der Betroffenen, der Kontingenz und Berechnung, bei dem anderen solche des Rigorismus, der Abstraktheit und der Definition handlungsorientierender Voraussetzungen (Schweidler 2018: 46 - 52). Unbeschadet dieser Probleme kann und darf die Verantwortung der Ingenieure für ihr Handeln nicht wirtschaftlichen Zwängen im Dienst des technisch Machbaren, ökonomisch Wünschbaren oder gar ökologisch Empfohlenen (wie zum Beispiel Atomkraftwerke, von deren Apologeten immer wieder als im Verhältnis zu Kohlekraftwerken vergleichsweise ‘ sauber ’ gepriesen) unterworfen werden, zumal (aber nicht nur) in den modernen Industriegesellschaften. Um dieser Verantwortung ein normatives Fundament zu verleihen und dafür ein diskursives Programm zu entwickeln, dürfte das Vertrauen Immanuel Kants (KpV, Beschluß, II 205) in die “ Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart ” (Kant [1788] 1975: 300) kaum ausreichen, wenn wir uns manche Persönlichkeiten in den Chefetagen der Industrie, Digital- und Finanzwirtschaft (Stichwort: Betrugssoftware, Cum-ex-Geschäfte, Kinderarbeit etc.) vergegenwärtigen. 3 Kritische oder Skeptische Diskursethik Deshalb beschränken sich neuere (sogenannte ‘ postkonventionelle ’ ) Ansätze lieber auf die Formulierung von Verfahrensregeln zur Aushandlung von Bedingungen gesellschaftlicher Verfasstheit als auf die Bestimmung von Konventionen. Nach der Systemethik (Niklas Luhmann) orientieren sich soziale Subjekte an Codierungen funktionalen Handelns, ohne jedoch die Bedingungen für Systemstabilität selbst erklären zu können (cf. Luhmann 2008). Nach der Vertragsethik (John Rawls) beruht diese auf einem Vertragsschluss zwischen freien und gleichen Partnern, ohne jedoch die Voraussetzungen dafür anders als utilitaristisch beziehungsweise ökonomisch bestimmen zu können (cf. Rawls 1979). In der Diskursethik nach Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas wird das ‘ rationale Gespräch ’ zum Medium der argumentativen Verständigung über Geltungsansprüche deskriptiver Wahrheit, normativer Richtigkeit und expressiver Wahrhaftigkeit, ohne freilich die Differenz zwischen idealem und realem Diskurs überwinden zu können (cf. Habermas 1983: 53 - 125; 310 Ernest W. B. Hess-Lüttich cf. Apel 1999). Habermas ’ Diskursethik transformiert Kants Pflichtethik gleichsam in einen dialogischen Prozess, wobei Habermas die Voraussetzung einer kontrafaktischen ‘ idealen Sprechsituation ’ , an der sich seinerzeit mancherlei Kritik entzündete (auch meine eigene, wenn auch aus empirisch-linguistischem, nicht moralphilosophischem Interesse; cf. Hess- Lüttich 1981, siehe dort auch zu Luhmann), inzwischen ebenso relativiert wie die konsenstheoretischen Prämissen der Wahrheitsfindung und stattdessen einem realistischeren Verständnis der Spannung von normativen Handlungsgründen und deren pragmatischer Rechtfertigung zuneigt (cf. Seel 2019: 35). Denn in der kontrafaktischen Unterstellung einer ‘ idealen Sprechsituation ’ für die Verständigung über Maximen des Handelns in der und für die Gesellschaft beschränkt sich die Problematisierung von Geltungsansprüchen zwar nicht nur auf die Wahrheit von Äußerungen, sondern auch auf deren Wahrhaftigkeit und an der Realität prüfbaren Richtigkeit. Aber die Richtigkeit von Handlungsnormen zu ratifizieren, setzt ein Verfahren voraus, mittels dessen sich die Diskursteilnehmer auf die Geltung von Normen verständigen können. Für Habermas ist das der argumentativ-rationale Dialog, für Apel das ‘ Apriori der Kommunikationsgemeinschaft ’ als Bedingung der Möglichkeit von Argumentation. Beiden ist durchaus bewusst, dass das dialektische Problem der doppelten Voraussetzung der idealen in der realen Kommunikationsgemeinschaft, von der man zugleich weiß, dass sie der idealen nicht entspricht, die Akzeptanz von Verfahrensregeln zur Prüfung vorgetragener Geltungsansprüche präsupponiert. Davon kann aber in Zeiten ‘ alternativer Fakten ’ und einander widersprechender oder gar ausschließender Wirklichkeitswahrnehmungen keineswegs mehr sicher ausgegangen werden. Hier stehen im ethnomethodologischen Sinne ‘ Basisregeln der Interaktion ’ zur Disposition und damit letztlich die Möglichkeit vernünftiger Verständigung überhaupt. In seiner Theorie des kommunikativen Handelns skizziert Habermas (1981) bereits die Bedingungen für die Formulierung von prozeduralen Regeln für die rationale Diskussion über strittige Geltungsansprüche mit dem Ziel des allseits akzeptierten Konsensus ’ über das in spezifischer Konstellation jeweils überzeugendste Argument, was freilich den gemeinsamen Willen konsensueller Entscheidungsfindung unterstellt. Die theoretisch komplexe Unterstellungsstruktur des Ansatzes ist zugleich seine empirische Schwäche: So wie es die ‘ ideale Sprechsituation ’ in der Praxis ebenso wenig gibt wie die unterstellte Symmetrie der ( ‘ freien und gleichen ’ ) Kontrahenten, so selten sind die ‘ reine ’ Verständigungsorientierung argumentativer Rechtfertigung (die frei ist von strategischen oder manipulativen Nebenzwecken) und die vorbehaltlose Einigung über die je geltenden Antecedens-Bedingungen des Arguments, die sich mit den sich wandelnden ‘ Umständen ’ mitunter sehr schnell ändern können, weshalb es einer Revisionsklausel bedarf, die festlegt, unter welchen Voraussetzungen bereits getroffene Entscheidungen revidiert werden können. Überdies wäre ein gestaffeltes Repräsentationssystem vorzusehen, wenn die Entscheidungen größere Kollektive (Interessengruppen, Gemeinden, Länder usw.) betreffen und nicht alle daran Beteiligten beziehungsweise davon Betroffenen zugleich Diskursteilnehmer sein können (cf. Porsché 2014: 105). Selbst das garantiert keineswegs, dass eine potentielle Kakophonie der Stimmen beteiligter beziehungsweise betroffener Akteure überhaupt zu einem konsensorientierten Dialog zusammengeführt werden kann, in dem über öffentliche und private Prämissen und Technologieoffenheit! Machen, was immer machbar ist? 311 Interessen, über soziale, technische, ökonomische Zielsetzungen annähernd rational zu verhandeln wäre. Ein solches kollaborativ orientiertes Dialogmanagement müsste - wie ich am Beispiel urbaner Planungsprozesse (in der anhaltenden Debatte über die umstrittene Randbebauung des Tempelhofer Feldes) zu zeigen versucht habe (cf. Hess-Lüttich 2017) - zudem jederzeit den Zusammenhang von Machtkonstellationen, Interessenlagen und Planungsdesideraten im Blick behalten, eben weil die vorausgesetzte Unterstellung einer Symmetriekonstellation der Diskurspartner in der Praxis nun mal Fiktion ist. Und was passiert, wenn die Diskurspartner nicht nur kontroverse Positionen zu gemeinsam definierten Sachverhalten zu verhandeln haben, sie also nicht nur unterschiedliche Interessen vertreten, sondern sie nicht einmal dieselben Wissensbestände und Wertorientierungen teilen, also ihre ‘ Weltsicht ’ , das heißt ihre Interpretation von Wirklichkeit differiert? Das führe dann nämlich nach Albrechts / Denayer (2001: 372; cf. Schiewer 2013) dazu, dass [ … ] public discourse suffers from the implicit divergence, because societies like ours have political mechanisms only for resolving conflicting interests, not for conflicting views of reality. Because the mechanisms for dealing with conflicting world-views, discourse communities are lacking (and because in discourse, we mainly stick to our own group and the language we ‘ understand ’ ), we only seldom notice that perceptions and not only interests in society differ markedly [Hervorhebungen EHL]. Wissenschaftlich optimal exakte Erhebung und Beschreibung von Daten und Fakten allein kann das zugrundeliegende Rechtfertigungsproblem also nicht lösen. Auch vermeintlich objektive Wirklichkeitswahrnehmung, auch naturwissenschaftliche Erkenntnis oder technische Problemlösung enthebt den jeweiligen Entscheidungsträger in konkreten Situationen oder konflikthaften Konstellationen nicht seiner subjektiven Verantwortung und Rechtfertigungspflicht. Der einstige Optimismus positivistischer Welterklärung ist längst einer skeptischen Pluralität der Sehweisen gewichen, aus der im Glücksfalle die Möglichkeit einer ‘ rationalen ’ Einigung über Sachverhalte erwachsen kann (cf. Stegmüller 1969; Jonas 1979; Schweidler 2018: 89 - 96). Aber wenn eine solche Einigkeit nicht einmal mehr über allgemein gültige Naturgesetze und empirisch exakte Messungen ohne weiteres herzustellen ist, weil ihre Wahrnehmung und Interpretation von emotionalen Befindlichkeiten oder religiösen Prämissensystemen oder politischen Ressentiments überlagert wird, die im argumentativen Diskurs der Öffentlichkeit ebenfalls Gehör beanspruchen, gerät der rational-konsensorientierte Dialog schnell an seine Grenzen. Wie kann ein Konsens gelingen, wenn zum Beispiel manche Windkraftgegner subjektiv ‘ Schwingungen ’ verspüren, die objektiv nicht zu messen sind, wenn sogenannte Klimaskeptiker die Zahlen des Weltklimarates bezweifeln, wenn Naturfreunde ihre Gesundheit durch ‘ Strahlungen ’ technischer Gerätschaften unterhalb der Nachweisbarkeitsgrenze beeinträchtigt sehen, wenn Patienten auf die Wirkung von erwiesenermaßen wirkungslosen ‘ Medikamenten ’ (Globuli) schwören? Dann bleibt vielleicht immer noch der Konsens über den Dissens. Und wenn Studierende der Universität von Kapstadt eine Kampagne mit dem Slogan “ Science must fall ” führen, in der fundamentale naturwissenschaftlich-technische Erkenntnisse (wie Newtons Gravitationsgesetz) in Zweifel gezogen und als kolonialistisches Erbe missverstanden werden, das durch die Erkundung der für den eigenen afrikanischen Kontinent spezifischen Natur- 312 Ernest W. B. Hess-Lüttich gesetze abgelöst werden müsse, dann besorgen sie unfreiwillig genau das unselige Geschäft ihrer politischen Gegner. 5 In dieser Lage taugt das kontrafaktisch-normative Modell der Diskursethik demnach allenfalls als regulative Idee, an der sich faktische Diskurse messen lassen; es bedarf jedoch der empirischen Begründung, in deren (hier jetzt nicht zu leistenden) Ausarbeitung ich mich möglicherweise in der Tradition von Wilhelm von Humboldt über Karl Bühler und Alfred Schütz bis zu Peter Berger und Thomas Luckmann an den Fragmenten der Kommunikationstheorie Gerold Ungeheuers orientieren würde. Dessen Ansatz, den ich vorläufig als ‘ Skeptische Kommunikationspragmatik ’ etikettiere, stellt die “ kruziale Fallibilität der Kommunikation ” (Ungeheuer 2017: 241; cf. id. 2020) ebenso in Rechnung wie die impliziten Wissensbestände der Diskursteilnehmer, die sich aus einer Pluralität soziobiographisch heterogener Voraussetzungen speisen. Der im Rahmen Kritischer Diskursanalyse geschärfte Blick für Asymmetrien und das aufgrund von Impulsen der Historischen Semantik vertiefte Bewusstsein disparater Interessenlagen könnte für einen solchen Ansatz soziosemiotisch ebenso fruchtbar gemacht werden wie die Anregungen aus der konfliktlinguistischen Beschreibung der psychosozialen Prämissen von Emotionshaushalten und Bedingungsgefügen von Gruppenidentitätskonstruktionen (cf. Kurilla 2020). Die Komplexität der dabei involvierten Interaktionsnetzwerke der beteiligten Akteure kann hier kaum angedeutet werden (aber zur Veranschaulichung am Beispiel einer Krise der Wasserversorgung von Kapstadt cf. Genske & Hess-Lüttich 2021). 4 Angewandte Diskursethik Nun geht es dem Techniker oder dem Ingenieur aber nicht in erster Linie um wissenschaftliche Erklärung eines Sachverhalts, sondern um dessen Nutzen in der Anwendung auf Bedarfsfälle. Deshalb muss die diskursethische Auseinandersetzung mit normativen Ansprüchen und Erwartungen im Hinblick auf deren Funktion in sozialen Verantwortungsstrukturen präzisiert werden, also im Hinblick auf das Berufsethos der Entscheidungsträger. Diese ‘ angewandte ’ Dimension der Diskursethik verlangt nicht nur die Begründung und Rechtfertigung des je spezifischen beruflichen Handelns, sondern auch dessen Folgen für Dritte beziehungsweise davon Betroffene in Rechnung zu stellen. Gegenstand des Diskurses ist dann nicht allein die technische Zwecksetzung, sondern auch deren Orientierung an Normen und sozialen Richtwerten. Schweidler (2018: 98 f.) nennt als “ Kriterien der ethischen Beurteilung technischer Produkte ” Wirtschaftlichkeit, Wohlstandssteigerung, Sozialverträglichkeit, Umweltverträglichkeit und Sicherheit. Der Ingenieur muss also prüfen, ob sein technisches Handeln das Verhältnis von Nutzen und Aufwand rechtfertigt, ob es der Verbesserung des Lebensstandards dient und das Bruttosozialprodukt mehrt, ob es nach Maßgabe geltender Werte und gesetzlicher Vorgaben (Normenwerk) gesellschaftlich akzeptiert wird oder Konfliktpotentiale birgt, ob es die natürlichen und kulturellen Ressourcen des Lebensraums zu beeinträchtigen droht und ob die Relation von Nutzen und Risiko plausibilisiert werden 5 Siehe hierzu das Video Science must fall mit dem Auszug aus einer öffentlichen Sitzung der Studierenden am 12. Oktober 2016: https: / / www.youtube.com/ watch? v=C9SiRNibD14 (letzter Zugriff: 14.01.2024). Technologieoffenheit! Machen, was immer machbar ist? 313 kann. Wenn etwa das Risiko eines technischen Systems als Produkt von Schadensumfang und Eintrittswahrscheinlichkeit (beziehungsweise Eintrittshäufigkeit) nicht mehr gegen Versagen, Missbrauch, Unfälle oder Angriffe versicherbar ist (wie bei Atomkraftwerken mit ihrem bislang ungelösten Problem der Endlagerung radioaktiver Abfälle oder dem durch Naturkatastrophen beziehungsweise terroristische Zerstörung potentiell eintretenden Schadensumfang), wäre es fahrlässig, es ohne vorherige wissenschaftlich gesicherte Technikfolgenabschätzung zu implementieren. Zu der qualitativen Bewertung eines technischen Systems tritt die quantitative hinzu, wenn dessen Risikopotential durch seine progrediente Verbreitung steigt (Stichwort: Entsorgungsproblem). Der Bewertungsmaßstab kann demnach in Abhängigkeit von solchen Kalkulationen variieren. In keinem Falle jedoch kann die individuelle Rechenschaftspflicht des Ingenieurs (an die Firma, den Chef, die Versicherung, die Gesellschaft) delegiert werden (cf. Hastedt 1994). Die Bedeutung dieser individuellen Pflicht ist aktueller denn je, wenn wir die jüngsten Debatten über Industrie- und Technik-Skandale in den Blick nehmen. Wenn sich Ingenieure von ihren Chefs, die vielleicht eher ihre Boni und Bilanzen im Blick haben als den oben zitierten Kriterienkatalog, zum Beispiel dazu verpflichten lassen, ihre Kunden bei einem der in der Welt am weitesten verbreiteten Industrieprodukte überhaupt, dem Automobil, mit falschen Angaben und betrügerischer Software zu sedieren (Stichwort: Dieselskandal), dann bedarf es einer kritischen Diskursethik, die sie daran erinnert, sich immer zu fragen, ob sie, was sie (technisch) machen können, auch (moralisch) machen sollten, das heißt dass sie jene zugleich technologische und ethische Verantwortung übernehmen, an der es ihren Vorgesetzten möglicherweise gebricht. Oder wenn bestimmte Abgeordnete mit Forderungen nach ‘ Technologieoffenheit ’ ihre Loyalität als Lobbyisten gegenüber Wirtschaftsinteressen zu kaschieren suchen und damit u. U. Maßnahmen gegen den Klimawandel zu verhindern und ihrer politischen Verantwortung gegenüber dem Interesse ihrer Wähler an erträglichen Lebensbedingungen auch nachfolgender Generationen zu missachten drohen. Damit wird die politische, ja demokratietheoretische Dimension des Desiderats erkennbar. Es geht “ im Zeitalter des Neofeudalismus ” , wie der Frankfurter Philosoph Rainer Forst in der Zeit mahnt, um nichts weniger als die “ Rückgewinnung demokratischer Kontrolle über wirtschaftliche Strukturen ” (Forst 2018: 48). Die alte Machtfrage der Foucault ’ schen Diskurstheorie stellt sich damit erneut und in neuer Weise, seit Künstliche Intelligenz und Digitalindustrie mit dem Versprechen vermeintlicher Effizienzsteigerung und Arbeitserleichterung qua Automatisierung zugleich globale Monopolansprüche verbinden. Insoweit hat die Münchner Philosophin Lisa Herzog recht, wenn sie in derselben Ausgabe der Zeit konstatiert, dass die nationale Politik daran zu scheitern im Begriff sei, die “ Märkte zum Wohle aller Gesellschaftsmitglieder zu gestalten ” (Herzog 2018: 48). Den wirtschaftshistorischen Untersuchungen des Pariser Ökonomen Thomas Piketty zufolge nähert sich die soziale Asymmetrie (also die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen) in den westlichen Industriegesellschaften bereits wieder dem Stand des 19. Jahrhunderts (cf. Piketty 2016). Auch wenn seine Datengrundlage nicht ganz unumstritten ist, scheint dennoch das ‘ Gefühl ’ verbreitet, es bedürfe einer Neujustierung der Balance zwischen Technologie, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, weil andernfalls der soziale Zusammenhalt 314 Ernest W. B. Hess-Lüttich brüchig zu werden drohe und die sich daraus wiederum ergebenden politischen Folgen (zumindest in den demokratischen Gesellschaften) schwer kalkulierbar würden. Dies leitet aber direkt wieder zurück zum diskursethischen Verlass auf das emanzipatorische Potential der Sprache, mit deren Struktur nach Habermas (1968 a) ‘ Mündigkeit ’ bereits gesetzt sei. Sie eröffne damit zugleich, als nicht nur semantisch denotative und pragmatisch geltungsorientierte, sondern eben auch ‘ welterschließend ’ kreative Kraft, die Möglichkeit des Entwurfs einer prinzipiell nicht abgrenzbaren “ Vielfalt von Perspektiven auf jeweilige Lebenswirklichkeiten ” , die sprachlich Handelnden “ den Spielraum einer kritischen Transformation ihrer Einstellungen und Überzeugungen ” freigebe, betont Martin Seel in seiner Würdigung des diskursethischen Ansatzes von Habermas anlässlich von dessen 90. Geburtstag in der Zeit, und folgert daraus, dass gerade “ der literarischen Rede und den anderen Künsten [ … ] hierbei eine unentbehrliche Rolle ” zukomme (Seel 2019: 35). Diese Gedankenfigur scheint an gleicher Stelle auch bei Manfred Frank auf, wenn er hervorhebt, dass es nicht ‘ die Sprache ’ sei, die Verständigung erlaube, sondern das Sprechen und mutuelle Verstehen von Individuen, die “ die Ordnung unserer Verständigungssysteme ” bedrohten, insofern sie “ die verinnerlichten Regeln einer gemeinschaftlich gewordenen sprachlichen Praxis nicht einfach identisch weitergeben, sondern unkontrollierbar - und im Falle der poetischen Rede innovativ - verändern (können) ” (Frank 2019: 36). Diese Gedankenfigur führt uns zurück zum rhetorischen Ausgangspunkt unserer begriffshistorischen Überlegungen, die im Sinne der Ethopoeia Kants diskursethisch eine Brücke von der Technik zur Poetik zu schlagen erlauben. Insofern wir vermöge der Vernunft die Möglichkeit haben, den Wirklichkeitsausschnitt des je nur Gegebenen zu transzendieren und als Möglichkeitsraum neu zu entwerfen, kann sich ein Blick auch in die literarischen und ästhetischen Entwürfe zur diskursethischen Reflexion technologischer Verantwortung und Kritik technizistischer Reduktionismen als lohnend, zumindest inspirierend erweisen. Deshalb seien zum Ausklang und als Anregung zur eigenen Lektüre hier exemplarisch nur einige wenige Werke aufgerufen, die ingenieurtechnisches Handeln im weiteren Sinne literarisch ‘ problematisieren ’ (im Sinne von Hess-Lüttich 1984). 5 Ausklang: Ethik, Ethopoeia und der Ingenieur als literarische Figur Im 19. Jahrhundert und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wurde ‘ der Ingenieur ’ sowohl in den noch jungen Sozialwissenschaften als auch in der Belletristik vergleichsweise unbefangen als Hoffnungsträger imaginiert, der beseelt von optimistischem Fortschrittsglauben beansprucht, “ gesellschaftliche Probleme auf der Grundlage des rationalisierten Denkens der Technikwissenschaften zu lösen ” (Leucht 2011: 288). Insbesondere im Genre der literarischen Utopie hatte der Ingenieur zunächst geradezu Konjunktur (cf. nach Leucht 2011 z. B. Josef André 1903: Nach dem Nordpol, Carl Grunert 1907: Im Fluge zum Frieden, Aleksandr Bogdanov 1912: Inzener Menni, Bernhard Kellermann 1913: Der Tunnel, Otfried von Hanstein 1928: Elektropolis. Die Stadt der technischen Wunder u. v. a.). Aber auch in differenzierteren Texten von Autoren wie Arnolt Bronnen, Ödön von Horváth, Georg Kaiser oder Ernst Toller gehört er umstandslos zum Ensemble der Figuren. Erste Risse bekommt das Bild bei dem ausgebildeten Ingenieur Robert Musil. In seinem zuerst 1930 erschienenen Roman Der Mann ohne Eigenschaften ist der Ingenieur Ulrich anfangs Technologieoffenheit! Machen, was immer machbar ist? 315 fasziniert von der Welt der Technik und fragt sich, wen “ das tausendjährige Gerede darüber, was gut und was böse sei, fesseln [solle], wenn sich herausgestellt hat, daß das gar keine ‘ Konstanten ’ sind, sondern ‘ Funktionswerte ’ , [ … ] eine kraftvolle Vorstellung vom Ingenieurswesen ” (Musil 1952: 37). Mit subtiler Ironie wird das Bild von in ihrer Disziplin gefesselten Fachidioten gezeichnet, die gelegentlich “ aus dem technischen Denken ” heraus Ratschläge erteilen “ für die Lenkung und Einrichtung der Welt ” und die zwar manche “ Sprüche formen ” , denen es aber schon nicht gelinge, “ die Kühnheit ihrer Gedanken statt auf ihre Maschinen auf sich selbst anzuwenden ” (Musil 1952: 37). Hier verkehrt sich die Apotheose des technischen Spezialisten (Prometheus! ), wie ihn der Ingenieur Ludwig Brinkmann noch zu Beginn des Jahrhunderts beschwor - “ Vorläufig ist technisches Denken ein Geschäft; je einseitiger die Fähigkeit, desto wertvoller der Mann, der durch die Atomisierung der Kenntnisse stets irgendwo irgendetwas leisten kann ” (Brinkmann 1908: 85) - in ihr Gegenteil. Als dann nach anfangs noch nationalistisch befeuerter Apologetik in den Weltkriegen das zerstörerische Potential der Rüstungstechnologie entfesselt wurde, kippte die Stimmung endgültig. Am öffentlich augenfälligsten wurde der Bedarf an einer Diskursethik für Techniker und Ingenieure spätestens nach dem Bau der Atombombe, ein Bedarf, der eben auch von den Dichtern als den sensiblen Seismographen gesellschaftlicher Kontroversen aufmerksam registriert und literarisch angemahnt wurde. Bertolt Brechts 1939 geschriebenes (und 1943 in Zürich uraufgeführtes) Theaterstück Leben des Galilei fragt, zumal in der 1945 unter dem Eindruck der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki zusammen mit Charles Laughton überarbeiteten Fassung, nach der Verwertbarkeit von Wissen und der Verantwortung des (Natur-)Wissenschaftlers. Der im sogenannten Manhattan-Projekt an der Entwicklung der Bombe 1942 beteiligte deutschstämmige Atomphysiker J. Robert Oppenheimer wurde sich dieser Verantwortung erst allmählich bewusst und verweigerte 1951 seine Mitwirkung am Bau der Wasserstoffbombe, was ihm den Vorwurf des Landesverrats und den Entzug sämtlicher Forschungsprojekte der Regierung eintrug. Heinar Kipphardts berühmtes daraus entstandenes dokumentarisches Theaterstück In Sachen J. Robert Oppenheimer, das 1964 als Fernsehspiel inszeniert und vom Hessischen Rundfunk uraufgeführt wurde, ist heute (immer noch) Schullektüre, die allenfalls ergänzt werden dürfte durch den biographischen Historienfilm Oppenheimer von Christopher Nolan nach der Oppenheimer-Biographie von Kai Bird und Martin J. Sherwin (Bird & Sherwin 2009), der am 11. Juni 2023 Weltpremiere hatte und sofort ein großer Publikumserfolg wurde. Das wäre auch anderen Autoren zu wünschen, die Naturwissenschaftler, Ingenieure oder Techniker als literarische Figuren zur ethopoetischen Kommentierung nutzten. Aufgeweckte Schüler dürften (und sollten) sich in einem gesellschaftlich sensibilisierten Deutschunterricht nach wie vor inspirieren lassen können von Figuren wie dem Ingenieur und überzeugten Technokraten Walter Faber in Max Frischs 1957 erschienenem Erfolgsroman Homo Faber, dessen technisch-naturwissenschaftliches Weltbild zusehends ins Wanken gerät. Oder von den Gesprächen der Protagonisten in der nicht minder erfolgreichen Tragikomödie Die Physiker, in der Friedrich Dürrenmatt 1961 auf dramatisch amüsant verwickelte Weise die Frage nach der Verantwortung der (Natur-)Wissenschaftler für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation thematisiert und Zweifel daran weckt, ob 316 Ernest W. B. Hess-Lüttich alles technisch Machbare auch umzusetzen sei, wenn die Folgen letztlich nicht zu kalkulieren sind. Bei allen Zeitbezügen zum Kalten Krieg mit seiner Doktrin der maximalen Abschreckung ( ‘ Gleichgewicht des Schreckens ’ ) legt er damit zugleich die Paradoxie frei zwischen der Forderung, eine Theorie nicht in jedem Falle bis zu ihrem Ende zu denken, und der Erfahrung, dass sie nicht mehr zurückzuholen ist, wenn sie denn einmal in der Welt ist. Solche Ausgangslagen könnte man heute etwa auch auf die aktuellen bioethischen Debatten übertragen. Der ‘ gefühlte ’ Mangel an ethischem Bewusstsein im Bezirk eines technologisch ermöglichten Fortschrittsglaubens ist also keine neue Erfindung unserer Zeit oder eine tagespolitisch ‘ grüne ’ Unterstellung. Er motivierte Jürgen Habermas bekanntlich bereits in den 1960er Jahren darüber nachzudenken, inwiefern und inwieweit “ neue Potentiale einer erweiterten technischen Verfügungsgewalt [ … ] das Mißverhältnis zwischen Ergebnissen angespanntester Rationalität und unreflektierten Zielen, erstarrten Wertsystemen, hinfälligen Ideologien offenbar ” werden ließen (Habermas 1968 b [Klappentext]). Aber auch heute könnte jeder einigermaßen belesene Zeitgenosse die Liste der literarischen ‘ Problematisierungen ’ ethischer Verantwortung in den Natur- und Technikwissenschaften mühelos fortführen zu zeitgenössischen Autoren wie Stephen Frayn, der in seinem (1998 in London am Tag der ersten Nuklearwaffentests in Pakistan uraufgeführten) Schauspiel Copenhagen die bis heute in ihrer Bewertung umstrittene Begegnung von Werner Heisenberg und Niels Bohr 1941 in der von den Deutschen besetzten Hauptstadt Dänemarks zum Ausgangspunkt von Fragen nach ihrer Rolle in der Vorbereitung der technischen Nutzung der Kernspaltung oder der Entwicklung einer deutschen Atombombe nimmt und damit zugleich die gesellschaftliche Verantwortung des (Natur-)Wissenschaftlers allgemein dramaturgisch exponiert. Heute wird die Atomkraft von manchen Ingenieuren wieder als umweltfreundliche und kostengünstige Brückentechnologie mit dem Slogan “ Transparenz und Sicherheit ” beworben, während zugleich die zahlreichen Stör- und Zwischenfälle zum Beispiel in den Reaktoren Doel 3 bei Antwerpen oder Tihange 2 an der belgisch-deutschen Grenze mit der Kontamination der eigenen Belegschaft von denselben Ingenieuren verheimlicht, verharmlost, verleugnet werden (cf. Dohmen 2018). Uns erinnert das manchmal an die gern zitierte (und unserem Thema hier entsprechend abzuwandelnde) Mahnung von Sir Peter Alexander Baron von Ustinov, der einmal bemerkte: “ Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt explodiert, wird die Stimme eines Ingenieurs [eines Experten] sein, der sagt: ‘ Das ist technisch unmöglich! ’” Daraus folgerte er: “ Wir können nicht alles den Technikern überlassen ” (Richard 1969: 119). Beim Blick in die derzeitige politische Arena mit ihrem Dauer-Mantra über die notwendigen Segnungen der Digitalisierung, die ihren Protagonisten der ersten Stunde wie dem Erfinder des World Wide Web Tim Berners-Lee, dem Begründer von Twitter (heute X) Evan Williams oder dem Chef von Google Sundar Pichai längst so unheimlich geworden sind, dass sie ihre Kinder im Silicon Valley auf Schulen schicken, an denen Handys und Tablets verboten sind, drängt sich natürlich sofort der Roman The Circle (2013) von Dave Eggers auf, dessen beklemmend aktuelles Portrait eines übermächtigen IT-Konzerns die literarische Reihe der Dystopien vom technisch ermöglichten totalitären Überwachungsstaat seit George Orwells 1984 fortsetzt. Technologieoffenheit! Machen, was immer machbar ist? 317 Auf die Frage von Mathias Kremp im Spiegel (Kremp 2018: 78), ob nicht die HiTech- Konzerne endlich “ verbindliche ethische Prinzipien ” brauchten, verweist der Apple-Boss Tim Cook auf die “ klaren Grundwerte ” des Konzerns, während dessen Ressourcenausbeutung und stellenweise menschenverachtenden Produktionsbedingungen zugleich immer mal wieder für negative Schlagzeilen sorgen. Der Internet-Pionier Jaron Lanier, Erfinder der data gloves und der virtual reality-Brillen, übrigens auch Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2014, liefert uns in seinem Bestseller Zehn Gründe warum Du Deine Social Media Accounts sofort löschen musst (Lanier 2018) und hat sich aus solchen selber längst abgemeldet. In die aktuelle Diskussion um die Künstliche Intelligenz am Beispiel der Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT (die auch zwischen den Chefs der Firma Open AI kontrovers geführt wird) hat sich inzwischen auch der Deutsche Ethikrat mit einer umfangreichen Stellungnahme eingeschaltet. 6 Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, warnt in seiner Rede zum Reformationstag Ende Oktober 2018 vor einer unreflektierten Apologie des technisch Möglichen: die digitale Welt sei in ethischer Hinsicht terra incognita (Bedford-Strohm 2018: 56). Eindringlich mahnt er eine Intensivierung des Ethik-Diskurses zur technologischen Entwicklung der Künstlichen Intelligenz an, wenn das gegenwärtige Geschäftsmodell der Netz-Ökonomie nicht vollends zu einem digitalen Tribalismus führen soll, der letztlich die demokratische Verfasstheit unserer westlichen Gesellschaften bedroht. Man muss nicht seine Hoffnung teilen, dass ausgerechnet die christliche Tradition für diese politische Gestaltungsaufgabe das nötige Orientierungswissen bereitstelle. Während in Brasilien, Australien, Indonesien die Wälder brennen, genügt vielleicht bereits die demütige, manche vielleicht demütigende, aber naturwissenschaftlich begründbare Einsicht in die Begrenztheit unseres kognitiven und perzeptiven Horizonts einerseits und der leider endlichen Ressourcen unseres Planeten andererseits, um die Frage, ob wir um des technischen Fortschritts und des daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Wachstums willen immer dürfen, was wir können, ob wir alles machen sollten, was immer machbar ist, mit einem so nachdrücklichen Nein zu beantworten wie der amerikanische Autor William T. Vollmann in seinem berühmten opus magnum Carbon Ideologies (2018), der sich nach dem Urteil von Markus Jauer lese “ wie ein 1200 Seiten langer Rechenschaftsbericht über die Selbstabschaffung einer Zivilisation, die glaubte, für ihr Dogma vom steten Wachstum den Planeten zerstören zu müssen, und die auch dann nicht damit aufhören konnte, als sie es besser wusste ” (Jauer 2018: 16). Literatur & Quellen Albrechts, Louis & William Denayer 2001: “ Communicative Planning, Emancipatory Politics and Postmodernism ” , in: Ronan Paddison (ed.) 2001: Handbook of Urban Studies, London etc.: Sage, 369- 384 Apel, Karl-Otto 1999: Transformation der Philosophie, vol. 2: Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft, Frankfurt/ Main: Suhrkamp Aristoteles [2001]: Nikomachische Ethik, Düsseldorf: Artemis & Winkler 6 https: / / www.ethikrat.org/ fileadmin/ Publikationen/ Stellungnahmen/ deutsch/ stellungnahme-mensch-undmaschine.pdf [Zugriff: 20.03.2023]. 318 Ernest W. B. Hess-Lüttich Aristoteles [2018]: Rhetorik, Griechisch/ Deutsch, übers. u. ed. Gernot Krapinger, Stuttgart: Reclam Bedford-Strohm, Heinrich 2018: “ Verteufelt nicht das Digitale! ” , in: Die Zeit 45 v. 31.10.2018: 56 Bendel Larcher, Sylvia 2015: Linguistische Diskursanalyse, Tübingen: Gunter Narr Bird, Kai & Martin J. Sherwin 2009: J. Robert Oppenheimer, Berlin: Propyläen (engl. Orig.: American Prometheus - The Triumph and Tragedy of J. 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