Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
0303
2025
451-4
Diskursive Intentionalität aus semiotischer Perspektive
0303
2025
Joschka Briese
Dem Konzept der diskursiven Intentionalität wird sich in diesem Kapitel aus semiotischer Perspektive genähert. Dabei wird das Verhältnis von Zeichen und Intentionalität auf Basis des semiotischen Pragmatismus reflektiert, wobei insbesondere die Theorien T. L. Shorts und Ruth Millikans vorgestellt werden. Im Mittelpunkt stehen dabei einerseits die Begriffe Signifikanz und Signifikation, die einen pragmatistischen Zeichenbegriff begleiten, den kontinuierlichen Übergang zwischen Verhalten, Handlungsinterpretation und Handlungskonstitution erklären und eine flexible Modellierung ermöglichen. Andererseits erlaubt eine kritische Diskussion des Konzepts des intentionalen Ikons Millikans, das Verhältnis von Signifikanz und Intentionalität als sozial und inferenziell gegliedert zu verstehen.
kod451-40175
K O D I K A S / C O D E Volume 45 (2022) · No. 1 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen 9 Diskursive Intentionalität aus semiotischer Perspektive Abstract: The concept of discursive intentionality is approached in this chapter from a semiotic perspective. The relationship between signs and intentionality is reflected on the basis of semiotic pragmatism, with a particular focus on the theories of T. L. Short and Ruth Millikan. On the one hand, the focus is on the concepts of significance and signification, which accompany a pragmatist concept of signs, explain the continuous transition between behavior, interpretation of action and constitution of action and enable flexible modeling. On the other hand, a critical discussion of Millikan's concept of the intentional icon allows us to understand the relationship between significance and intentionality as socially and inferentially structured. Zusammenfassung: Dem Konzept der diskursiven Intentionalität wird sich in diesem Kapitel aus semiotischer Perspektive genähert. Dabei wird das Verhältnis von Zeichen und Intentionalität auf Basis des semiotischen Pragmatismus reflektiert, wobei insbesondere die Theorien T. L. Shorts und Ruth Millikans vorgestellt werden. Im Mittelpunkt stehen dabei einerseits die Begriffe Signifikanz und Signifikation, die einen pragmatistischen Zeichenbegriff begleiten, den kontinuierlichen Übergang zwischen Verhalten, Handlungsinterpretation und Handlungskonstitution erklären und eine flexible Modellierung ermöglichen. Andererseits erlaubt eine kritische Diskussion des Konzepts des intentionalen Ikons Millikans, das Verhältnis von Signifikanz und Intentionalität als sozial und inferenziell gegliedert zu verstehen. Keywords: T. L. Short, Charles S. Peirce, significance, signification, Ruth Millikan, intentional icons, significant sufficiency Schlüsselbegriffe: T. L. Short, Charles S. Peirce, Signifikanz, Signifikation, Ruth Millikan, Intentionale Ikons, signifikative Suffizienz Die bisherigen Beschreibungen zur diskursiven Intentionalität aus inferenzialistischer Perspektive erklären zwar, dass Intentionalität ein Emergenzphänomen diskursiver Praktiken ist, legen sich aber noch nicht auf spezifisch semiotische Aspekte von Intentionalität fest. Brandom, der die Zuschreibungen von propositionalen Einstellungen selbst untersucht hat (cf. EV: 689 f.), verbleibt bei seiner Analyse der Strukturen und Prozesse in einem formalanalytischen Vokabular (cf. insbesondere BSD), ohne dabei eine Spezifik des Zeichens zu entwickeln. Die formallogische Erfassung der propositionalen Einstellungen und Gehalte mithilfe der Darstellung von singulären Termini und Prädikaten, so wie Brandom es vorschlägt, ist analytisch möglich und für eine analytische Philosophie durchaus gewinnbringend. Doch verdeckt diese Darstellung auch Spezifika sprachlicher Zeichen, die sich nicht in singulären Termini und Prädikaten erschöpfen. Daher beschäftigt sich die zeitgenössische linguistische Forschung nicht (nur) mit singulären Termini und Prädikaten, sondern entwickelt eine komplexe Grammatik sprachlicher Zeichen. Was für sprachliche Zeichen im Allgemeinen gilt, soll hier auch für Emergenz von diskursiver Intentionalität gelten. Daher analysiere ich diskursive Intentionalität im Folgenden semiotisch, um eine Analyse mithilfe linguistischen Vokabulars vorzubereiten. Wie bereits die Darstellung der zeichen- und sprachtheoretischen Grundlagen dieser Arbeit gezeigt hat, bietet sich der Zeichenbegriff Charles S. Peirces als integratives Element für Brandoms Inferenzialismus und dessen Analyse diskursiver Praktiken an, da Brandom und Peirce eine Vielzahl an theoretischen Prämissen teilen (cf. Kapitel 4). Diese theoretische Äquivalenz gilt für die Beschreibung von diskursiver Intentionalität insoweit, als dass sich ein semiotischer Intentionalitätsbegriff in die Analyse von diskursiven Praktiken integrieren lässt. Im Rahmen eines semiosischen und von Peirce inspirierten Intentionalitätsbegriffs bieten sich dabei insbesondere T. L. Shorts Analyse intentionaler Zeichen und Ruth G. Millikans Analyse intentionaler Ikons an, sodass diese im Folgenden skizziert und nach Integrationsmöglichkeiten abgetastet werden: T. L. Short entwickelt einen Intentionalitätsbegriff, der Intentionalität anhand der Signifikanz spezifischer Zeichen erfasst. Insbesondere die theoretische Nähe Shorts zum semiotischen Pragmatismus ermöglicht es dann, dass seine Begriffe der Intentionalität und Signifikanz in ein normatives Vokabular der Analyse diskursiver Praktiken übersetzt werden. Ruth G. Millikans theoretische Entwicklung von intentionalen Ikons, die anschließend vorgestellt wird, beruft sich explizit auf Charles S. Peirce. Gleichzeitig distanziert sie sich aber in relevanten Aspekten von theoretischen Prämissen Brandoms. Diese Diskrepanz, die eine Interpretation des teleosemantischen Denken Millikans für diese Arbeit zunächst auszuschließen scheint, ist allerdings insofern fruchtbar, als dass argumentative Fragmente nicht nur als Spezifikation des intentionalen Zeichens T. L. Shorts, sondern auch als Erweiterungen des theoretischen Vokabulars Brandoms verstanden werden können. Insbesondere Millikans Begriff des intentionalen Ikons (mit kooperativen Funktionen), aber auch ihre Unterscheidung von genuinen [pure] und synthetischen [impure] intentionalen Zeichen können im Folgenden dann Brandoms und Shorts Perspektive auf Intentionalität erweitern. Diese Unterscheidung der intentionalen Zeichen Millikans wird im Folgenden unter dem Begriff der signifikativen Suffizienz behandelt und untersucht. Die beiden Reflexionen zur semiotischen Perspektive auf Intentionalität spezifizieren nicht nur das Vokabular für die Analyse diskursiver Intentionalität, sondern bereiten auch die linguistische Betrachtung diskursiver Intentionalität vor, indem intentionale Verben und ihre Signifikanz in den Mittelpunkt rücken. Dieses Kapitel soll also Folgendes erreichen: Der Begriff der Intentionalität wird mithilfe des Begriffs der Signifikanz genauer erläutert und anhand intentionaler Zeichen bzw. Verben analysierbar gemacht. Gleichzeitig werden sowohl aus T. L. Shorts als auch Ruth Millikans Schriften Theorieelemente destilliert, die dann zur Analyse und Differenzierung von intentionalen Zeichen bzw. Verben in diskursiven Praktiken genutzt werden können. 176 II Diskursive Intentionalität, intentionale Relationen und intentionale Verben 9.1 Intentionalität und Signifikanz T. L. Short untersucht in seinem Werk Peirce's Theory of Signs die Peirce'sche Zeichentheorie und widmet sich auch dessen Begriff der Intentionalität. Anstatt aber Peirce nur wiederzugeben, legt er eine Interpretation vor, die sich in das bisher hier vorgestellte theoretische Programm integrieren lässt. T. L. Shorts frühe Peirce-Exegese sowie dessen Beschäftigung mit Intentionalität (cf. insb. 1981) zeichnen sich noch durch teleologisches Denken aus, welches zwischen Kausalität und Finalität changiert, wie Stefan Kappner (2004: insb. 235 f.) gezeigt hat. Dieser teleologischen Perspektive widmet sich Short in seinem Hauptwerk nur peripher, sodass sich Peirce's Theory of Signs für eine Integration in das hier vorzulegende Vokabular zur Analyse diskursiver Praktiken besser eignet. Im Folgenden sollen Shorts Gedankengänge und Argumentationen skizziert werden. T. L. Short beginnt seine Argumentation zur Intentionalität mit Franz Brentanos grundlegenden Erklärungen zur intentionalen Inexistenz (cf. Kapitel 6.1): Brentanos traditionelle Definition der Intentionalität muss laut Short (2007: 7) hinsichtlich dreier Aspekte hinterfragt werden: (1) Inwiefern überschneidet sich intentionale Inexistenz mit dem Begriff der Kognition? (2) Inwiefern erfordert intentionale Inexistenz ein inexistentes Objekt? Und (3) inwiefern ist ein inexistentes Objekt in der intentionalen Inexistenz enthalten? Insbesondere das Verhältnis von intentionaler Inexistenz und inexistentem Objekt ist für Short Ausgangspunkt seiner Analyse von Intentionalität. Laut Short akzeptiert Brentano nicht nur, dass intentionale Inexistenz ein inexistentes Objekt erfordert, sondern steht dieser theoretische Aspekt auch im Widerspruch zu den anderen Prämissen (der Deckungsgleichheit von intentionaler Inexistenz und Kognition und dem Enthaltensein des inexistenten Objekts in der intentionalen Inexistenz): Der Objektbegriff Brentanos beziehe sich zwar nicht nur auf physische, sondern auch auf mentale Objekte, dennoch bleibe die Relation zwischen intentionaler Inexistenz bzw. Intentionalität und inexistentem bzw. intentionalem Objekt schemenhaft. Wenn sich Intentionalität nun auf ein Objekt beziehe, dann könne kraft der Bezugnahme auf dieses Objekt die intentionale Inexistenz nicht deckungsgleich mit kognitiven Prozessen sein und auch das intentionale Objekt könne (im engeren Sinne) nicht Inhalt des Denkens werden. Brentano postuliere hier also ein hermetisches Denken (intentionale Inexistenz), welches aber ein Objekt erfordere, welches sich nicht allein aus diesem Denken ergeben könne. Aus diesem Widerspruch in der Beschreibung Brentanos lasse sich nun eine erste Präzisierung des Begriffs der Intentionalität vornehmen: Etwas verfüge über ein intentionales Objekt, wenn es nicht vollständig beschrieben werden könne, ohne dass dieses Objekt spezifiziert würde (cf. Short 2007: 7). Demnach könne Intentionalität kein rein mentales bzw. kognitives Phänomen sein, da die Erklärung und Explikation jeweils ein intentionales Objekt reklamiere, auf welches sich Intentionalität beziehe. Shorts Kritik deckt sich damit in vielen Aspekten mit Husserls antipsychologischem Programm, doch geht er über dessen Kritik an Brentano hinaus: Anstatt seine Kritik der Intentionalität allein auf der objektrelationalen und strukturellen Offenheit der Intentionalität beruhen zu lassen, hält Short aber auch eine zweiwertige Relation (Erkennt- 9 Diskursive Intentionalität aus semiotischer Perspektive 177 nissubjekt und intentionales Objekt) nicht für erklärungsadäquat. Vielmehr müsse dieses Verhältnis selbst genuin triadisch organisiert sein: This explanation of the intentionality of signs does not consist in deriving it from the intentionality of interpretants. For although B [an action, J. B.] is done as a means of achieving C [a goal, J. B.], and although B will be an effective means to C only if O [an object, J. B.] obtains, still, B cannot be said to be intentionally related to O except through its having been elicited by A [a stimulus/ sign, J. B.]. If this were not so, then we would be unable to explain why B did not occur until A occured. [ … ] Only because it is elicited by a definite sign, A, is an action, B, a response to some definite object, O. But O can be real or unreal. Therefore, this goal-directed action is intentionally related to the object, O. My point in this paragraph is that goal-directed action is intentionally related to an object only if it is also the interpretant of a sign of that object. One and the same analysis accounts for the intentionality both of signs and of their interpretants. (Short 1981: 208, Hervorh. im Original) Aus Shorts Erklärung von Intentionalität geht hervor, dass weder das Verhältnis zwischen B und C (Brentanos Erklärung) noch zwischen B/ C und O (Husserls Erklärung) hinreichend ist, um Intentionalität zu analysieren. Erst die Involviertheit eines Zeichens (hier: A), welches die konstitutive Kraft der intentionalen Relation trägt, führe zu einem Verhältnis zwischen Verhalten und Objekt. Kurz: Die intentionale Relation besteht kraft des intentionalen Zeichens. Damit verfolgt Short mit seiner Erklärungsstrategie kein phänomenologisches, sondern ein genuin semiotisches Ziel Kraft intentionaler Zeichen kann also das Verhältnis zwischen Erkenntnissubjekt und intentionalem Objekt als Handlung erklärt werden, wie sich an folgenden Äußerungen exemplifizieren lässt: (1) I 1 : “ Hiermit bitte ich dich, das Fester zu schließen. ” (2) I 1 : “ Es ist kalt! ” Die hier interaktiv signifizierte Handlung kann nur gelingen bzw. misslingen, wenn es ein entsprechendes Zeichen gibt, welches das Verhältnis von Handlung und Objekt für Interlokutoren herstellt. Während die formelhafte Äußerung (1) ein Hinweis auf eine Handlung sein kann, 1 weist (2) eine Deklarativsatz-Form auf. Bei kontextueller Anreicherung kann (2) dennoch als dieselbe sprachliche Handlung verstanden werden wie der Hinweis von (1), was sich über implizite Signifikanz erklären lässt: (1) expliziert eine Handlungsdeskription, die für eine explizite Signifikanz sorgt bzw. sorgen kann. (2) kann kraft eines intentionalen Zeichens als Aufforderung interpretiert werden, weil dieses im Interpretations- und Verstehensprozess inferenziell hinzugefügt wird bzw. werden kann. (1) und (2) unterscheiden sich damit zunächst nur hinsichtlich ihrer impliziten bzw. expliziten Signifikanz. Daraus ergibt sich, dass sowohl für eine Analyse der Interpretation von Verhalten als auch von sprachlichen Handlungen und anderen Performanzen ein gemeinsames Konzept von Signifikation und Signifikanz notwendig ist, weil diese den genuinen Zeichencharakter dieser Prozesse nicht nur zeigen, sondern auch analytisch zugänglich machen können. 1 Obwohl (1) vermeintlich eine explizite Sprachhandlung darstellen könnte, weist die formelhaft-performative Äußerung Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer Signifikanz auf. Denn die explizite Nennung des performativen Verbs sowie die explizite Markierung eines vermeintlich unmittelbaren Ichs führen dazu, dass die Äußerung eher eine Handlungsdeskription als eine Handlung ist (cf. ausführlich Derrida 2001). Dennoch kann eine solche Äußerung als Hinweis zur Handlungsbefolgung dienen und ist daher als Beispiel für die folgende Argumentation hinreichend. 178 II Diskursive Intentionalität, intentionale Relationen und intentionale Verben Signifikation erklärt hier, inwiefern etwas (Verhalten, Ereignis, Objekt etc.) eine spezifische Relevanz (semantisch, pragmatisch, diskursiv etc.) erlangt: [S]ignification is a triadic relation: it is never a relation just between a sign and what the sign signifies (its object). A sign signifies only what it is capable of being interpreted as signifying; hence, that in which a sign is or would be interpreted (its interpretant) is the third relatum of signification. (Short 1981: 199) Die hier von Short beschriebene Zeichenwerdung (Signifikation) steht am Beginn einer Analyse von Verhalten als Handlung, denn sie stellt dar, warum Verhalten überhaupt als Zeichen für eine Handlung interpretiert werden kann. Shorts Definition der Zeichenwerdung als Relation ist allerdings insofern missverständlich, als dass man sich Zeichenwerdung vielmehr als einen Prozess oder eine Bewegung hin zum dann signifizierten Objekt vorstellen sollte. In diesem Prozess der Funktionswerdung von signifikativen Elementen bewegt sich die Einheit von signifikantem Zeichenmittel und Interpretant zum Objekt hin, sodass erst die prototypische semiotische Relation (aliquid stat pro aliquo) entsteht und das Objekt signifiziert wird. Die Ausformung des sich in Zeichenwerdung befindenden Zeichens (als triadische Relation) lässt sich dann als Signifikanz definieren. Dabei handelt es sich um die strukturellen Eigenschaften des Zeichens in der Zeichenwerdung, die nicht nur für eine abstrakte Zeichenhaftigkeit sorgen, sondern die spezifischen Elemente bereitstellen, die die konkrete Interpretation von etwas (als Zeichen) ermöglichen. Mit der Analyse und Modellierung der signifikativen Struktur eines spezifischen Zeichens können also verschiedene sich in Beziehung befindende Zeichenelemente dargestellt werden, die im Prozess zum Zeichen werden können. Zeichen sind dann die Ergebnisse der Zeichenwerdung, wobei diese weiterhin nicht als statische Produkte, sondern als abstrahierte Elemente einer Semiose analysiert werden sollten. Sie weisen signifikative Strukturen auf, die analytisch zugänglich gemacht werden können. Über die Ebene der Signifikanz bzw. signifikativen Struktur des Zeichens können Elemente veranschaulicht werden, die selbst keine Zeichen sind, aber zur gesamten Einheit des Zeichens beitragen. Das Verhältnis von Zeichen, Signifikanz und Zeichenwerdung kann daher auch darstellen, warum (2) als direktive sprachliche Handlung interpretiert werden kann: Die Zeichenemission kann kraft eines intentionalen Zeichens in der Zeichenwerdung ergänzt werden, sodass die Äußerung als sprachliche Handlung interpretiert wird. Short zeigt nun außerdem, dass sich Signifikanz und Zeichenwerdung entlang einer normativen Dimension entfaltet: Whether semeiotical or not, the relation that justifies an actual interpretant, R, is logically prior to R. We may therefore speak of it as a ‘ prior relation ’ . It is a relation that X 2 has to the object, O, independently of R. This talk of X's relation to O will be understood to include cases where the relation is between X's type and O's type. As Peirce pointed out, we frequently speak of meaning or significance in a variety of related ways: for example, what Jones meant by what he said, what his words mean to Smith, their ultimate significance ( ‘ This means war! ’ ), and so on. But we shall give 2 Das erläutert Short (2007: 160) so: “ X is a sign, S, of O, if and only if X has such a relation to O, or things of X's type have such a relation to things of O's type, that, for a possible purpose, P, X justifiably be interpreted on that basis as being a sign of O. ” 9 Diskursive Intentionalität aus semiotischer Perspektive 179 pride of place to the significance of the sign itself, for example, to what Jones' words mean even if that is not quite what he had meant to say when he uttered them or what the oversensitive Smith took them to mean. Significance in that sense is what makes a sign a sign; moreover, it makes the sign to be the sign that it is, a sign of O and not of something else. To say that X has that significance is to say that X is S, that is, that it does signify O. Now, this significance consists in X's being justifiably interpretable as a sign of O. And what justifies such an interpretation, assuming some relevant purpose, is the prior relation of X to O. We may therefore refer to a prior relation as the ‘ ground ’ of a sign's significance, and we may define significance as grounded interpretability. (Short 2007: 162) Short erläutert hier nicht nur die relationalen Elemente der Signifikanz in der Zeichenwerdung, sondern betont auch, dass das Zeichen berechtigterweise als Zeichen des Objekts interpretiert wird [X's being justifiably interpretable as a sign of O]. Damit erfasst er nicht nur die basale Ebene der Signifikanz, die in der Zeichenwerdung unterschiedliche signifikative Strukturen annehmen kann. Das Verhältnis von Zeichen und Objekt kann nach dieser Prämisse auch kein kausales sein, denn es basiert auf einer vorausgehenden Relation [prior relation], die die Signifikanz des Zeichens erst konstituiert. Und im Rahmen einer Analyse von Zeichen und Signifikanz in diskursiven Praktiken kann diese vorausgehende und konstituierende Relation von diskursiven Normen (als drittheitlichem Element) bereitgestellt werden. Anstatt es allerdings bei der Signifikanz von Zeichen und deren Einfluss auf Interpretationen zu belassen, wendet sich Short spezifischen Zeichen zu, um deren Relevanz in der Konstitution von Intentionalität zu erläutern. Sein Verhältnis von Zeichen, Handlung, Handlungsziel bzw. -zweck und Objekt (A, B, C und O) aufgreifend, beschreibt er spezifische Zeichen, die Intentionalität signifizieren: X possesses intentionality if it cannot be fully described without implying a grammatically simple affirmation about it which cannot be expressed without employing one or another intentional verb (or gerund, etc., derived from that verb). [ … ] 3 [A]ny interpretative act is purposeful and purposeful behavior cannot fully be described except in language employing intentional idioms (as defined here) or implying propositions only expressible by intentional idioms. (Short 2007: 174) Short betont hier das Verhältnis von Intentionalität, intentionalen Verben (bzw. deverbalen Derivationen) und dem korrespondierenden Verhalten (sowie Ereignissen und Objekten): Im Akt der Signifikation wird kraft eines intentionalen Verbs (und dessen signifikativer Struktur) ein entsprechendes Verhalten zu einer intentionalen Handlung. Wie sich gezeigt hat, geht Short mit seiner Analyse der Intentionalität einen wesentlichen Schritt über traditionelle Handlungsbeschreibungen hinaus, die die Verbindung von Intentionalität und Verhalten mit Interpretation erklären (cf. Kapitel 6.2): Anstatt explanatorisch beim Konzept der Interpretation zu verweilen, erklärt er nicht nur, dass Interpretation mithilfe von Signifikanz und Signifikation analysiert und damit spezifiziert werden kann. Er hebt auch spezifische Zeichen hervor, die diese Signifikanz aufweisen (intentionale Zeichen), und wendet sich außerdem intentionalen Verben zu. Handlungsbeschreibungen sind in diesem Verständnis dann Spuren von bestimmten Handlungs- 3 Short (ebd.) erhebt anschließend Transitivität zum genuinen Merkmal intentionaler Verben. Allerdings zeigt sich, dass Transitivität (zumindest im engeren Sinne) grade kein genuines Merkmal von diskursiver Intentionalität ist (cf. Kapitel 12.2.2). 180 II Diskursive Intentionalität, intentionale Relationen und intentionale Verben interpretationen, sodass sich beide eher hinsichtlich Explizitheit (Handlungsdeskription) und Implizitheit (Handlungsinterpretation) unterscheiden. Hiermit ist ein Grundstein gelegt für eine Analyse diskursiver Praktiken, die auf Signifikanz intentionaler Verben fußt. Aus den Ausführungen T. L. Shorts zu Intentionalität und intentionalen Verben lassen sich nun Konsequenzen für eine später folgende Modellierung von intentionalen Verben ziehen, die sich in einer verbpragmatischen Analyse niederschlagen können: 1. Etwas (X) verfügt über Intentionalität, wenn es sich kraft eines intentionalen Verbs (bzw. seiner Derivationen) beschreiben lässt. 2. Intentionale Handlungen können ausschließlich kraft intentionaler Verben (und deren implizierten propositionalen Gehalten) beschrieben werden. 3. Die Signifikanz intentionaler Verben beruht auf vorausgehenden Relationen, z. B. diskursiven Normen. Entlang der Signifikanz intentionaler Verben lässt sich damit eine sozial-normative Struktur aufzeigen, welche von diesen Verben konstituiert wird. Insbesondere der Aspekt der vorausgehenden Relationen respektive diskursiven Normen zeigt, dass hier ein Anschlusspunkt für die Integration in Brandoms normativen Sprachpragmatismus besteht. Denn diese sozial-normative Struktur der vorausgehenden Relationen kann z. B. mithilfe von Handlungsgründen im Sinne Brandoms (cf. Kapitel 8.3) expliziert werden. 9.2 Intentionale Ikons, kooperative Funktion und signifikative Suffizienz Ruth G. Millikan erklärt Intentionalität biologistisch (cf. Millikan 2001: 85 f.) und steht dabei in einer teleosemantischen Tradition. 4 Ansätze, die sich als teleosemantisch bezeichnen bzw. bezeichnet werden, untersuchen, inwiefern zweckgebundenes Verhalten durch bestimmte Funktionen [proper functions] erklärt werden kann. Sie findet dabei nicht nur ihre Anwendung in biologischen Prozessen - und steht damit z. B. der Biosemiotik nahe - , sondern versucht zudem, menschliche Kommunikationsprozesse zu ergründen. Sich an dieser Stelle ausführlicher mit Ruth Millikans Intentionalitätstheorie zu beschäftigen, mag insofern überraschend sein, als dass nicht nur Short, sondern auch Brandom eine biologistische Erklärung von Intentionalität ablehnen und die Integration von Millikans Erkenntnissen zunächst unvereinbar mit den theoretischen Prämissen Shorts und Brandoms zu sein scheinen. Was für die theoretischen Prämissen gilt, gilt aber nicht notwendigerweise für theoretische Argumente und Erkenntnisse. Im Sinne der Theoriebildung für eine linguistische Pragmatik lassen sich daher folgende Hinweise ergänzen, die eine Beschäftigung mit Millikans Theorie für die Modellierung von Intentionalität, intentionalen Relationen und intentionalen Zeichen bzw. Verben sinnvoll machen und rechtfertigen: Millikan ist eine profunde Peirce-Kennerin, sodass sich ihre Darstellungen mit entsprechender Lesart auf einen semiotischen Pragmatismus anwenden lassen können. Für eine hier verfolgte linguistische Pragmatik sind Millikans Teleosemantik und deren Intentionalitätsbegriff deshalb untersuchungswürdig, weil sie nicht nur explizit semiotisch 4 Eine ausführliche Einführung in den teleosemantischen Intentionalitätsbegriff findet sich bei Stefan Kappner (2004: 278 f.) 9 Diskursive Intentionalität aus semiotischer Perspektive 181 orientiert sind, sondern auch entlang eines Peirce'schen Zeichenbegriffs entwickelt werden. Während Brandoms Sprachphilosophie ihren semiotischen Bezugsrahmen offenlässt (cf. aber Harendarski 2016), verweist Millikan explizit auf die Semiotik Peirces, wenn sie Intentionalität erklärt (cf. z. B. 2001: 95). Ganz im Sinne ihrer teleosemantischen und biologistischen Tradition beschreibt Ruth Millikan aber zunächst Intentionalität folgendermaßen: [I]ntentionality is grounded in external natural relations, Normal [sic] and/ or proper relations, between representations and representeds, the notions ‘ Normal ’ [sic] and ‘ proper ’ being defined in terms of evolutionary history - of either the species or the evolving individual or both. (Millikan 2001: 93, Hervorh. im Original) Intentionalität (von Verhalten) lasse sich entsprechend der in der evolutionären Geschichte entwickelten natürlichen Relationen bzw. Funktionen erfassen. Ein entsprechendes Konzept von Intentionalität ist mit dem Begriff der diskursiven Intentionalität (und deren semiotischer Interpretation im Sinne T. L. Shorts) zunächst inkompatibel, da dieser keine Perspektive auf biologische, natürliche und evolutionäre Relationen und Prozesse entwickelt, sondern allein an der Analyse diskursiver Praktiken interessiert ist. Berücksichtigt man aber auch hier die Peirce-Kenntnis Millikans und setzt eine Peirce'sche Zeichenperspektive an, dann können Millikans Darstellungen von Intentionalität in sprachlichen Prozessen schon eher der hier vorgelegten Theorie einer linguistischen Pragmatik zuträglich sein: Thus the intentionality of a public-language sentence is not derived from the intentionality of the inner representations that is Normally [sic] produced or expressed. Sentences are basic intentional items. And they are intentional for reasons that can be described without raising or answering any questions about what the mental is as such. (Millikan 2001: 90, Hervorh. im Original) Anstatt Intentionalität aus mentalen Strukturen abzuleiten, erklärt Millikan Intentionalität auch anhand sprachlicher Zeichen. Intentionalität sprachlicher Zeichen ist dabei weder ein Derivat noch muss dabei auf Erklärungen von Mentalem zurückgegriffen werden. Inwiefern die Einheit des Satzes als grundlegende intentionale Struktur semiotisch erfasst werden kann, erklärt sich aber erst über die Erfassung des Zeichenbegriffs Millikans: Zeichen sind Dinge, die für den Gebrauch durch Zeichennutzer geeignet sind. Intentionale Zeichen sind Zeichen, die zielgerichtet für den Gebrauch durch Zeichennutzer erzeugt werden. (Millikan 2008: 111) Zwar verweist Millikan auf eine gebrauchsfunktionale Zeichendimension und reduziert Zeichen nicht auf ihren Nutzwert, doch suggeriert die Formulierung nicht nur, dass Zeichennutzer dem Zeichen vorgeordnet sind, sondern auch, dass Zielgerichtetheit Element des Zeichens selbst sei. Insofern vertritt Millikan sowohl einen instrumentalistischen, als auch einen intentionalistischen Zeichenbegriff, welcher die Ziele des Zeichengebrauchs dem Zeichen grundlegend vorordnet (cf. z. B. auch Millikan 2012: 36), und widerspricht damit den Grundlagen des semiotischen Pragmatismus und normativen Sprachpragmatismus, welche von einer irreduziblen Vorgeordnetheit der Semiose (und nicht Zeichennutzern oder Telos) ausgehen (cf. Kapitel 3.1.1). Millikans Perspektive lässt sich aber insofern nachvollziehen, als dass sie nicht diskursive Praktiken, sondern auch andere kommunikative Prozesse untersucht. 182 II Diskursive Intentionalität, intentionale Relationen und intentionale Verben Trotz dieser Differenz zur Analyse diskursiver Praktiken und ihrer Intentionalität ist aber die Spezifizierung Millikans interessant, die es nicht bei der Beschreibung intentionaler Zeichen bzw. Sätze belässt, sondern ihr theoretisches Vokabular präzisiert, indem sie den Begriff des intentionalen Ikons [intentional icons] einführt, welcher über eine Struktur verfügt, die als Signifikanz der Intentionalität erfasst werden kann. Für diese gelten nach Millikan (2001: 97 f., Hervorh. im Original) folgende theoretische Merkmale: 1. “ An intentional icon is a member of a reproductively established family having direct proper functions. [ … ] 2. An intentional icon Normally [sic] stands midway between cooperating devices, a producer device and an interpreting device, which are designed or standardized to fit one another, the presence and cooperation of each being a Normal [sic] condition for the proper performance of the other. [ … ] 3. Normally an intentional icon serves to adapt the cooperating interpreter device to conditions such that proper functions of that device can performed under those conditions. [ … ] 4. (4.a.) In the case of imperative intentional icons, it is a proper function of the interpreter device, as adapted to the icon, to produce something onto which the icon will map in accordance with a specific mapping function of a kind to be described below. (4.b.) In the case of indicative intentional icons, the Normal [sic] explanation of how the icon adapts the interpreter device such that it can perform its proper functions makes reference to the fact the icon maps onto something else in accordance with a specific mapping function of a kind to be described below. ” Eine solch naturalistische Beschreibung intentionaler Zeichen lässt sich nun mithilfe von theoretischen Modifikationen in eine kognitiv-pragmatistische Intentionalitätstheorie integrieren. Hierzu sollen nach einigen allgemeinen Anmerkungen die verschiedenen Merkmale 1., 2., 3., 4.a. und 4.b. aus der Perspektive eines semiotischen Pragmatismus bzw. normativen Sprachpragmatismus betrachtet werden, um sie anschließend auf eine Analyse intentionaler Verben zu übertragen. Dass Millikan als grundlegende intentionale Einheiten Sätze annimmt und sie mithilfe ikonischer Zeichen erfasst, scheint zunächst dafür zu sprechen, dass diese auf einem genuinen Ähnlichkeitsverhältnis beruhen. Sätze würden demnach in einem ikonischen Verhältnis zu ihren korrespondierenden Objekten, Ereignissen bzw. Sachverhalten stehen. Doch Millikan vertritt keinesfalls ein solches Repräsentationsverhältnis: [T]he Normal [sic] explanation [ … ] makes reference at some point to the same mapping rules as for every other comprehending hearer. These are rules in accordance with which a critical mass of sentences have mapped onto affairs in the world in the past, thus producing correlation patterns between certain kinds of configurations of sentence elements and certain kinds of configurations in the world, to which correlation patterns Normally [sic] functioning hearer interpreter devices are adapted, this adaption explaining their successes. (Millikan 2001: 99, Hervorh. im Original) Anstatt also eine genuine Analogie der korrelativen Muster von Sätzen und Objekten, Ereignissen bzw. Sachverhalten anzunehmen, ist die Ikonizität von Sätzen von den entsprechenden Regeln abgeleitet, welche sich in Selektions- und Adaptionsprozessen als erfolgreich erwiesen haben. Erfolgreiche korrelative Muster setzen sich demnach als ikonische Verhältnisse in kommunikativen Praktiken durch. Zwar ist dieses teleosemantische Ikonizitätsverständnis nur bedingt in die Analyse diskursiver Praktiken überführbar, doch zeigt sich, dass Regeln, Konventionen und diskursive Normen De- und Rekonfigurationsprozessen unterworfen sind, die sich zwar einerseits historisch sedimentiert 9 Diskursive Intentionalität aus semiotischer Perspektive 183 haben können, jedoch andererseits die Möglichkeit bieten, unter entsprechenden Umständen im Gebrauch transformiert zu werden. Im Sinne Millikans, aber auch im Sinne eines semiotischen Pragmatismus lässt sich dieses Verhältnis als ein ikonischer Effekt bezeichnen, der auf konventioneller bzw. abgeleiteter Ikonizität basiert. Dabei geht es um semiotische Relationen, die auf der Ähnlichkeit von signifikantem Zeichenmittel und Objekt beruhen, aber dennoch auf Konventionen fußen. Dies gilt z. B. auch für konzeptuelle Metaphern, deren metaphorische Relationen ebenfalls auf vermeintlicher Ähnlichkeit von Quell- und Zieldomäne beruhen, wobei sich diese Ikonizität aus gesellschaftlichen Normen speist. Auch Sätze weisen in Teilen ikonische Effekte auf, die ebenfalls auf Konventionen beruhen. Einige Elemente von Sätzen bzw. den von ihnen ausgedrückten propositionalen Gehalten übernehmen einen Ähnlichkeitseffekt in ihrer Relation zu den Objekten. In Rückbesinnung auf die Darstellung von Propositionen bei Peirce lassen sich Sätze aber nicht auf ikonische Objektrelationen reduzieren, weil sie (neben den involvierten Regeln, Konventionen und diskursiven Normen) auch spezifische zeitlich-räumliche Situierungen aufweisen, zumindest in sozial-kommunikativen Prozessen. Diese Zeichenqualität lässt sich unter dem Begriff der Indexikalität fassen. Zur Erinnerung: Prädikate haben ikonische Objektrelationen, während singuläre Termini insbesondere indexikalische Funktionen übernehmen (cf. Kapitel 2.1.3.3). Diese indexikalische Funktion findet bei Millikan kaum Beachtung. Eben weil Indexikalität bei Millikan kaum berücksichtigt wird bzw. konventionelle Ikonizität oftmals die Erklärungslast trägt, schlägt Stefan Kappner vor, die “ diagrammatische Ähnlichkeit zwischen Zeichen und Objekt von Millikan auf der Erklärungsebene ” (2004: 307, Hervorh. im Original) und somit als ein Verhältnis innerhalb des Modells und nicht als ein ontologisches Verhältnis zu verstehen. Solch eine Erklärung ermöglicht es, intentionale Ikons als Erklärungseinheiten von dahinterliegenden relationalen Prozessen zu verstehen und aus diesem Erklärungsmodell die semiosischen Implikationen zu entwickeln. Diese Perspektive auf ikonische Effekte im Rahmen des Erklärungsmodells führt zu einer Interpretation des theoretischen Vokabulars, welches die Terminologie theoretisch wie strukturell hinsichtlich des Explanans verschiebt, ohne dabei die theoretischen Grundlagen der Darstellung von Propositionen im Sinne Peirces zu verkennen. Es geht also darum, das theoretische Vokabular Millikans für das Modell zu nutzen, ohne dabei einen Anspruch auf ein ontologisches Verhältnis zu stellen. Es geht allein darum, zu betrachten, welchen funktionalen und theoretischen Beitrag ikonische Zeichen im Modell zur Konstitution diskursiver Intentionalität leisten. Die theoretische und strukturelle Verschiebung soll also eine Suche nach den ikonischen Zeichen in Propositions- und Satzstrukturen (später auch in Äußerungen und sprachlichen Handlungen) ermöglichen, wobei sich die Antwort bereits aus der Semiose propositionaler Gehalte im Sinne Peirces explizieren lässt: Prädikate bzw. prädikative Relationen und Prozesse dienen der Veranschaulichung ikonischer Objektrelationen. Insofern fokussiert die folgende Betrachtung der theoretischen Merkmale intentionaler Ikons 1., 2., 3., 4.a. und 4.b. stets die Ebene von Prädikaten und prädikativen Relationen und Prozessen und widmet sich nicht mehr der vollständigen Einheit des Satzes. 184 II Diskursive Intentionalität, intentionale Relationen und intentionale Verben Das theoretische Merkmal 1. des intentionalen Ikons informiert über die Genealogie (der Gehalte und Funktionen) des Ikons. Die funktionalen Eigenschaften intentionaler Ikons sind demnach von der Familiengeschichte abhängig, die konstant reproduziert wird. Millikan verweist hier auf die evolutionären Adaptions- und Selektionsprozesse, die dem intentionalen Ikon ihre Zweckmäßigkeit zuweisen und damit ihre Funktion bestimmen. Was Millikan mit Familiengeschichten in evolutionären Adaptions- und Selektionsprozessen erfasst, ist ein Prozess, der sich mithilfe der bisher eingeführten theoretischen Prämissen, Grundlagen und Konzepte auch für die Analyse diskursiver Praktiken interpretieren lässt: Eine Konstitution und Reproduktion von diskursiven, normativen und pragmatischen Signifikanzen kann auf ähnliche Weise modelliert werden. Nimmt man an, dass sich die Funktion von intentionalen Ikons auch in diskursiven Praktiken verändert bzw. verändern kann, dann kann dies über kommunikative Formen von Adaptions- und Selektionsprozessen erklärt werden. Denn Bedeutung und Funktion von Zeichen werden im Rahmen dieser Arbeit nicht als etwas Festgeschriebenes, sondern als dynamisch verstanden, was sich später auch über eine Beschreibung des hier vertretenen Kommunikationsmodells zeigen wird (cf. Kapitel 14.1). In diesem sich an Brandoms deontischer Kontoführung anlehnenden Modell sind sowohl semantische Gehalte als auch normative und pragmatische Signifikanzen von inferenziellen Relationen abhängig, die sich im Rahmen kommunikativer Prozesse (in diskursiven Praktiken und nicht nur dem unmittelbaren Gespräch der Interlokutoren) etabliert haben. Diese inferenziellen Relationen, die implizit auch kommunikativ zur Disposition stehen, markieren einen prozessualen Aspekt von Zeichen, der, wenn man diesen Annahmen folgt, auch für intentionale Ikons gilt. Diese prozessuale Dimension der Konstitution der Zeichen- und Sprachpraktiken lässt sich als Genealogie erfassen, in welcher sich diese Zeichen hinsichtlich der zugewiesenen Funktion erproben. Welche Signifikanz sprachliche Zeichen aufweisen, ist dann von den stets mitverhandelten Gebrauchsbedingungen ( “ Umstände und Folgen ” ) abhängig. Das theoretische Merkmal 2. intentionaler Ikons verweist auf einen kooperativen Aspekt dieser. Intentionale Ikons haben nach Millikan eine mediale Funktion zwischen einem producer device und einem interpreting device, welche in einer kooperativen Relation stehen. Die kooperative Funktion intentionaler Ikons ergänzt sich um einen weiteren Aspekt, welcher besagt, dass die kooperativen Organismen bzw. Apparaturen [devices] füreinander gestaltet [designed] bzw. standardisiert sind, wobei Millikans Passivkonstruktion offenlässt, wer oder was diese Standardisierung vornimmt. In Die Vielfalt der Bedeutung (2008) erläutert Millikan anhand eines Beispiels, was sie unter der kooperativen Funktion von intentionalen Zeichen versteht: Angenommen, ich verscheuche zweck- und absichtsvoll Fliegen mit einem Schlenker meiner Hand. Die Schlenker meiner Hand verursachen das Wegfliegen der Insekten, weil sie den Fliegen als natürliches Zeichen für Gefahr dienen - und das ist meine Absicht. Sind die Schlenker meiner Hand darum intentionale Zeichen? Wir können dieses Problem recht einfach lösen, indem wir sagen, daß sie zwar intentionale Zeichen sein mögen, aber keine intentionalen Zeichen mit kooperativen Funktionen sind, und daß Menschen üblicherweise Zeichen mit solchen Funktionen im Sinne haben, wenn sie von intentionalen Zeichen sprechen. Kooperative intentionale Zeichen werden von Systemen erzeugt, die dazu bestimmt sind, natürliche Zeichen für den Gebrauch durch kooperierende Interpretationssysteme herzustellen. Das heißt, das System der Zeichenerzeugung und das System zum Zeichengebrauch müssen auf dem Weg der Evolution oder der absichtsvollen 9 Diskursive Intentionalität aus semiotischer Perspektive 185 Gestaltung die Eigenschaft erworben haben, symbiotisch zu funktionieren. Die Erzeuger kooperativ funktionierender intentionaler Zeichen müssen so gestaltet sein, daß sie mit interpretierenden Systemen kooperieren, die wiederum so gestaltet sind, daß sie mit ersteren kooperieren. Ein kooperatives intentionales Zeichen wird stets auf halbem Weg zwischen zwei Systemen situiert, die zur Kooperation miteinander bestimmt sind. (Millikan 2008: 111) Das entsprechende Verhalten (Schlenker der Hand) werde kraft der Absicht zur Handlung, zeichne sich damit zwar als intentionales Zeichen aus, aber verfüge nicht über eine kooperative Funktion. Eine kooperative Funktion habe dieses erst, wenn der erzeugende Apparat [producer device] mit einem interpretierenden Apparat [interpreting device] hinsichtlich eines bestimmten (kommunikativen) Zwecks kooperiere. Zwar beruhe diese Kooperation weiterhin auf einer kommunikativen bzw. kooperativen Absicht, doch seien kooperative intentionale Zeichen eher zwischen dem erzeugenden und interpretierenden Apparat angeordnet. Und hier liegt die Krux der Millikan'schen Theorie: Während andere zeitgenössische Theorien die Entstehung von Intentionalität durchaus an Zeichenpraktiken (z. B. Zeigegesten) binden (cf. z. B. Tomasello 2002, 2011), analysiert Millikan die Funktion der Kooperation anhand spezifischer Zeichen. Damit schafft sie die Möglichkeit, die Emergenz von Kooperativität in diskursiven Praktiken anhand spezifischer Zeichen zu analysieren. Mithilfe einer zeichenzentrierten Perspektive, die auf Signifikanz beruht, kann die kooperative Funktion intentionaler Zeichen auch ohne Rekurs auf eine kommunikative bzw. kooperative Absicht erklärt werden. Stattdessen wird die entsprechende kooperative Struktur aus der Signifikanz des Zeichens bzw. der intentionalen Verben rekonstruiert (cf. Kapitel 12). Dass Apparate (im Sinne Millikans) Zeichen emittieren, wird dabei weder angezweifelt noch abgelehnt. Allein die kommunikative Vorordnung der Apparate in ihrer diskursiven Funktion steht zur Disposition. Wie bereits die Kritik am Intentionalismus und das Desiderat der diskursiven Intentionalität gezeigt haben (cf. Kapitel 7), wird nicht den beteiligten Instanzen die konstitutive Funktion von intentionalen Zeichen zugewiesen. Stattdessen steht die Signifikanz des Zeichens selbst im Mittelpunkt: Erst kraft eines entsprechenden Zeichens bzw. dessen Signifikanz entsteht eine spezifische Relation in diskursiven Praktiken. Mithilfe dieser Erkenntnisse lässt sich annehmen, dass auch intentionale Zeichen über diskursive Signifikanz verfügen, welche im Gebrauch auch ihre angegliederten Instanzen (später: diskursive Rollen) entsprechend ihrer Signifikanz mitkonstituiert: Intentionalität und deren Kooperativität sind in diskursiven Praktiken damit Produkte und Effekte von (kooperativen) intentionalen Zeichen. Mithilfe der Modifikation durch das theoretische Merkmal 1. kann 2. außerdem das Verhältnis zwischen kooperierenden Entitäten, intentionalen Zeichen und deren zeichensystematischen Eigenschaften präzisieren: Nicht kommunikative Instanzen (Sprecher, Hörer etc.), sondern Zeichenbzw. Sprachsystematiken (und deren genealogische Familienähnlichkeiten) konstituieren zunächst intentionale Zeichen. Damit wird die These, dass die kooperative Funktion von intentionalen Zeichen eine zeichensystematische Eigenschaft ist, gestützt: Explizite wie implizite intentionale Zeichen sind dann nicht nur die Bedingung dafür, dass Interlokutoren in eine sozial-kommunikative bzw. diskursive Relation zueinander treten können, sondern intentionale Zeichen evozieren etwas, das die Konstitution dieser konkreten, hier kooperativen, Relation ermöglicht und was später als 186 II Diskursive Intentionalität, intentionale Relationen und intentionale Verben diskursive Rollen (als strukturelle Äquivalenz zu semantischen Rollen, die aber auf normativer und pragmatischer Signifikanz beruht) eingeführt werden wird (cf. Kapitel 12.3). Diese zeichensystematischen Aspekte intentionaler Zeichen mit kooperativen Funktionen lassen bereits erahnen, dass hier eine Differenzierung zwischen Zeichen vorgenommen werden kann, die auf Strukturrelationen von Kooperativität in diskursiven Praktiken abzielt (cf. Kapitel 12.4). Das theoretische Merkmal 3. des intentionalen Ikons greift die Bedingungen und Umstände [conditions], die unter 1. und 2. bereits genannt werden, auf und führt diese aus. Am Beispiel des Bienentanzes erklärt Millikan (2001: 98 f.), was sie unter der Adaption und Selektion von Bedingungen und Umständen versteht: Agiert eine Biene nach Wahrnehmung des Bienentanzes entsprechend, indem sie Richtung Nektar fliegt, handelt es sich um eine gelungene Kooperation zwischen den Bienen. Bedingung dieser Kooperation ist der Ort des Nektars, der über den Bienentanz vermittelt wird. Das anschließende Verhalten ist die Funktion, die sich über den Adaptions- und Selektionsprozess etabliert hat. Dieses theoretische Merkmal lässt sich auch für intentionale Zeichen in diskursiven Praktiken übernehmen, wenn es in entsprechendes Vokabular übersetzt wird: Die theoretische Entwicklung der Bedingungen und Umstände lässt sich (ebenso wie Brandoms Umstände und Folgen) nicht einfach in den Begriff des Kontexts überführen. Vielmehr muss die prozesshafte Dimension der Bedingungen und Umstände berücksichtigt werden. Die verschiedenen intentionalen Zeichen der diskursiven Praxis verändern nicht nur die diskursiven Umstände und Folgen und transformieren damit das, was Robert Stalnaker Common Ground nennt (cf. z. B. 2002, 2014). Wichtiger ist vielmehr, dass Bedingungen und Umstände auch Konsequenzen für Verhalten und Handlungen in diskursiven Praktiken sowie die Selbst- und Fremdbeschreibung von Interlokutoren und Handelnden haben. Das theoretische Merkmal 4. gliedert sich entlang der Unterscheidung von imperative 4.a. und indicative intentional icons 4.b. auf. Imperative intentionale Ikons haben einen illokutiven Effekt hinsichtlich der Bedingungen und Umstände. Indikative intentionale Ikons hingegen verweisen auf Bedingungen und Umstände und korrespondieren mit den entsprechenden Strukturen (z. B. hinsichtlich Korrektbzw. Inkorrektheitsbestimmungen). Imperative bzw. indikative intentionale Ikons interagieren also unterschiedlich mit Umständen und Bedingungen der eigenen Struktur: Imperative intentionale Ikons werden von den Umständen und Bedingungen angereichert, indem ihr Ereignis Konsequenzen für den entsprechenden Sachverhalt hat. Indikative intentionale Ikons hingegen fügen den bestehenden Umständen und Bedingungen neue Elemente hinzu bzw. konstituieren und/ oder aktualisieren diese. Für die Signifikanz von intentionalen Zeichen bietet diese Differenz außerdem eine weitere Äquivalenzformulierung an, die im theoretischen Vokabular Brandoms bereits getroffen wurde: Imperative und indikative intentionale Ikons stellen das Äquivalent zu praktischen und kognitiven Festlegung dar, welche deontische Überzeugungs- und Intentionsstrukturen erklären. Im Folgenden wird dieses Vokabular synonym verwendet. Die Beschreibung des Konzepts des intentionalen Ikons von Millikan lässt sich also mit den sprach- und zeichentheoretischen Prämissen des semiotischen Pragmatismus und des normativen Sprachpragmatismus in Einklang bringen, wenn es mit den Erkenntnissen der theoretischen Prämissen Peirces, Brandoms und Shorts in Verbindung gebracht wird. 9 Diskursive Intentionalität aus semiotischer Perspektive 187 Insbesondere Familienähnlichkeit, kooperative Funktion, die Wechselverhältnisse zu Bedingungen und Umständen sowie der Unterschied von imperativen (praktische Festlegung) und indikativen (kognitive Festlegung) intentionalen Zeichen stehen dabei im Mittelpunkt. Für die folgenden Analysen von intentionalen Zeichen, Relationen und Verben sollen diese Erkenntnisse berücksichtigt werden. Neben den theoretischen Merkmalen des intentionalen Ikons 1., 2., 3. 4.a. und 4.b. führt Millikan in Beyond Concepts eine weitere Differenz für intentionale Zeichen ein, welche diese hinsichtlich ihrer signifikativen Suffizienz spezifiziert: What began as a nonintentional infosign 5 useful to fawns may thus have become, in part, an intentional sign, but older mechanisms continue to be involved in continuing the infosign-signified correlation on which it rests. Call it an ‘ impure intentional sign ’ and call its REF [reproductively established family, J. B.] an ‘ impure ’ or ‘ mixed ’ REF. A ‘ purely intentional sign ’ on the other hand is entirely self-sufficient or self-supporting in reproducting its infosign-signified pairs. The signsignified pair continues to reproduce for no other reason than its very own history as an intentional sign. It has no function other than beyond that of communication. ” (Millikan 2017: 160 f.) Die Differenz zwischen genuin [pure intentional signs] und synthetisch intentionalen Zeichen [impure intentional signs] entfaltet sich auf einer anderen Achse als die Differenz von intentionalen Zeichen mit und ohne kooperativer Funktion. Millikans Verweis auf Familienähnlichkeiten [REF] von genuin und synthetisch intentionalen Zeichen zeigt, dass es sich zwar bei beiden um intentionale Zeichen handelt, sie sich aber im Grad der signifikativen Suffizienz unterscheiden. Kurz: Signifikanz von genuin intentionalen Zeichen ist hinreichend, um Intentionalität zuzuschreiben. Die Funktionen, die sich entlang ihrer Struktur entfalten, lassen sich - das ist eine wesentliche Annahme dieser Arbeit - allein aus deren Struktur in Zeichenbzw. Sprachsystematiken ermitteln. Die Signifikanz von synthetischen intentionalen Zeichen hingegen lässt sich nicht auf ein spezifisches Zeichen im Gebrauch reduzieren. Dieses ist zwar notwendig für Signifikanz von Intentionalität, doch muss zumindest ein weiteres Zeichen oder Zeichenelement hinzukommen, damit Intentionalität signifiziert werden kann. Millikans Differenzierung ist insofern bereichernd, als dass sie zeigt, dass eine binäre Unterscheidung zwischen intentionalen und nichtintentionalen Zeichen im Rahmen der Analyse nicht angemessen ist. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll diese Differenz mithilfe von inferenziellem Vokabular modelliert und für die Analyse von intentionalen Verben aufgegriffen werden (cf. Kapitel 11 und 12.5). Zusammenfassend zeigt die Beschäftigung mit Ruth Millikans teleosemantischer Intentionalitätstheorie, dass sie trotz anderer theoretischer Prämissen eine tiefgehende Perspektive auf Intentionalität entwickelt. Diese ist für eine Analyse diskursiver Praktiken im Rahmen einer linguistischen Pragmatik insofern reizvoll, als dass sie sowohl die Frage nach der Kooperativität von z. B. Interlokutoren als auch die Frage nach der signifikativen Suffizienz stellt, welche von Brandom und Short nicht explizit vorgenommen werden. 5 “ An infosign is, first and foremost, a member of an infosign-infosigned pair that exemplifies a non-accidental correlation between signs and states of affairs, the signs all corresponding to the infosignified states of affairs according to the same projection rules. ” (Millikan 2017: 110)
