Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
0303
2025
451-4
Zwischenfazit: Diskursive Intentionalität, Signifikanz und intentionale Zeichen
0303
2025
Joschka Briese
Dieses Kapitel fasst die Diskussion zum Konzept der diskursiven Intentionalität unter inferenzialistischer und semiotischer Perspektive zusammen und vergleicht die verschiedenen Perspektiven, um theoretisches Potenzial aufzuzeigen. Daraus resultiert ein Begriffsapparat, der für die weitere Analyse diskursiver Intentionalität im Rahmen linguistischer Pragmatik relevant ist.
kod451-40189
K O D I K A S / C O D E Volume 45 (2022) · No. 1 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen 10 Zwischenfazit: Diskursive Intentionalität, Signifikanz und intentionale Zeichen Abstract: This chapter summarizes the discussion on the concept of discursive intentionality from inferentialist and semiotic perspectives and compares the different perspectives in order to demonstrate theoretical potential. This results in a conceptual apparatus that is relevant for the further analysis of discursive intentionality in the context of pragmatics. Zusammenfassung: Dieses Kapitel fasst die Diskussion zum Konzept der diskursiven Intentionalität unter inferenzialistischer und semiotischer Perspektive zusammen und vergleicht die verschiedenen Perspektiven, um theoretisches Potenzial aufzuzeigen. Daraus resultiert ein Begriffsapparat, der für die weitere Analyse diskursiver Intentionalität im Rahmen linguistischer Pragmatik relevant ist. Keywords: discursive intentionality, Robert B. Brandom, T. L. Short, Ruth Millikan Schlüsselbegriffe: diskursive Intentionalität, Robert B. Brandom, T. L. Short, Ruth Millikan Die Beschäftigung mit einer inferenzialistischen (Brandom) und semiotischen (Short und Millikan) Perspektive auf Intentionalität ermöglicht es nun, die Erfüllung des Desiderats der diskursiven Intentionalität insofern vorzubereiten, als dass die theoretischen Grundlagen und Erklärungen für eine Modellierung von diskursiver Intentionalität respektive intentionalen Verben nun offenliegen. Bevor nun aber auf Basis der theoretischen Annahmen spezifische Modellierungen vorgenommen werden können und sollen, möchte ich in einem Vergleich der verschiedenen Beschreibungsmodelle von Intentionalität ein Zwischenfazit ziehen, welche die unterschiedlichen Schwerpunkte der Ansätze beleuchtet und zeigt, inwiefern sie alle auf ihre Weise zur dann folgenden Modellierung beitragen. Hierzu sollen einige Elemente der eben vorgestellten Theorien, die in Hinsicht auf die weiteren Überlegungen zu Intentionalität relevant sind, zunächst wiederholt und dann miteinander in Beziehung gesetzt werden. Folgende Aspekte werden dabei berücksichtigt: Robert B. Brandom T. L. Short Ruth G. Millikan Definition der diskursiven Intentionalität Beschreibung von Intentionalität (A, B, C und O) Beschreibung der Funktion der Objektrelationen Intentionale Systeme* (IIS und EIS) (später dann diskursive Rollen) Verhältnis von Signifikanz und Intentionalität Definition und theoretische Merkmale von intentionalen Ikons Differenz von kognitiven und praktischen Festlegungen Konstitutive Funktion von intentionalen Verben Unterscheidung von genuin und synthetisch intentionalen Zeichen (auch signifikative Suffizienz) Differenz von Handlungen mit und aus Gründen Tab. 6: Aspekte zur Theorieintegration bei Brandom, Short und Millikan Robert B. Brandoms Analyse diskursiver Praktiken, diskursiver Intentionalität und intentionale Systeme* kann mithilfe des Konzepts der Signifikanz (Short) und der Beschreibung von intentionalen Ikons (Millikan) erweitert bzw. semiotisiert werden. Insbesondere Brandoms Definition der diskursiven Intentionalität, welche an der Semantik-Pragmatik-Schnittstelle changiert, ermöglicht eine Integration in ein semiotisches Verständnis diskursiver Praktiken. Hierzu werden kommunikative, sprachliche und diskursive Praktiken eben danach untersucht, ob sie kraft Signifikanz über entsprechende intentionale Relationen verfügen bzw. diese aufweisen. Ausgangspunkt der Betrachtung muss dabei ein spezifisches Zeichen sein, welches eine intentionale Relation signifiziert. Allerdings ist auch Brandoms Darstellung von intentionalen Systemen* sowie deren Binnendifferenzierung für eine semiotische Perspektive interessant. Betrachtet man nicht nur das Verhältnis von intentionalen Zeichen (bzw. intentionalen Verben) und Verhalten, sondern fragt zugleich nach den beteiligten intentionalen Systemen*, dann kann auch hier die konstitutive Funktion von intentionalen Verben (Short) in den Mittelpunkt rücken: Intentionale Verben konstituieren dann kraft ihrer Signifikanz nicht nur Verhalten als Handlung, sondern weisen auch Strukturen auf, die es ermöglichen, dass jemand bzw. etwas an der Handlung beteiligt ist, individuell oder kooperativ (diskursive Rollen, cf. Kapitel 12.3 und 12.4). Mithilfe einer Analyse der Signifikanz lässt sich also die konstitutive Kraft intentionaler Verben als erweitert veranschaulichen. Intentionale Verben stellen damit das signifikative Zentrum von diskursiven Zeichenpraktiken dar und lassen so einen anderen Blick auf die Analyse diskursiver Praktiken, intentionaler Systeme*, diskursiver Normen und sprachlicher Handlungen zu. Verben, insbesondere intentionalen, wird damit eine strukturelle Vorordnungsfunktion eingeräumt, die linguistisch zunächst nicht neu ist (cf. z. B. schon Tesnière 1980), doch hier über syntaktische und semantische Analysen hinaus auf Signifikanzen von diskursiven Praktiken ausgeweitet wird. Für intentionale Verben gilt daher auch das theoretische und praktische Vokabular, welches für die Analyse diskursiver Praktiken gilt: Sie können mithilfe von Festlegungen und Berechtigungen untersucht werden. Insofern wird auch die Differenz von kognitiven und praktischen Festlegungen auf intentionale Verben angewandt. Gleiches gilt auch für die 190 II Diskursive Intentionalität, intentionale Relationen und intentionale Verben Differenz von Handlungen mit Gründen und Handlungen aus Gründen, welche eine inferenzielle Struktur intentionaler Verben spezifizieren kann. Ruth G. Millikans Beschreibung der Objektrelationen dient dann der spezifischen Begründung intentionaler Verben als Element in diskursiven Praktiken und Signifikanzen. Die Darstellung von intentionalen Ikons lässt sich insofern auf intentionale Verben übertragen, als dass die entsprechenden theoretischen Merkmale leicht abgewandelt und in entsprechendes Vokabular übersetzt werden können und damit im Rahmen einer Analyse diskursiver Praktiken zugänglich werden: 1. Intentionale Verben stellen prädikative Relationen bereit, die über spezifische Funktionen verfügen. 2. Einige intentionale Verben können über eine kooperative Funktion verfügen, sodass die prädikative Relation kooperative und intentionale Relata evoziert. 3. Intentionale Verben wirken sich auf Verhalten, Umstände und Folgen der diskursiven Praxis sowie intentionale Systeme* aus. 4. Intentionale Verben können entweder a. praktische Festlegungen oder b. kognitive Festlegungen evozieren. 5. Intentionale Verben sind entweder a. genuin intentionale Zeichen und hinreichend zur Konstitution diskursiver Intentionalität oder b. synthetische intentionale Zeichen und erfordern weitere inferenzielle Relationen bzw. Signifikanzen, um diskursive Intentionalität zu signifizieren. Dieser Übertrag von Millikans Beschreibung intentionaler Ikons in ein theoretisches Vokabular Brandoms bzw. Shorts ermöglicht eine entsprechende Eingliederung in das gesamte theoretische Programm. Aus der Beschreibung intentionaler Ikons bzw. intentionaler Verben in den Eigenschaften 1. bis 4. bereichert insbesondere der Aspekt der signifikativen Suffizienz intentionaler Zeichen 5. die Analyse. Hiermit können intentionale Verben auf eine andere Weise erfasst werden, indem sie nämlich in ihrem phänomenalen Zugriff analysiert und hinsichtlich ihrer signifikativen Oberfläche befragt werden. Dieser Aspekt erfährt weder bei Brandom noch bei Short eine ausführliche Reflexion, ist aber notwendig, um die Vielfalt intentionaler Verben zu erfassen, wie sich zeigen wird (cf. Kapitel 12.5). 10 Zwischenfazit: Diskursive Intentionalität, Signifikanz und intentionale Zeichen 191
