eJournals Kodikas/Code 45/1-4

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
0303
2025
451-4

Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms

0303
2025
Joschka Briese
kod451-40289
Bevor im Folgenden einige Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms aufgezeigt werden können, ist es sinnvoll, hier kurz zu resümieren, an welcher theoretischen Position die entsprechenden Perspektiven angemessen sind. Die ersten Kapitel haben die zeichen- und sprachtheoretischen Grundlagen dargestellt und reflektiert, um sowohl Zeichen- und Sprachbegriff zu explizieren als auch Hinweise zur Interpretation der Theoriebildung zu geben. Die Reflexionen zu Intentionalität, insbesondere im Rahmen inferenzialistischer und semiotischer Theorien, ermöglichen dann die Etablierung einer Forschungsperspektive, die von intentionalen Verben auf die Analyse diskursiver Praktiken blickt. Das Grundlagenmodell intentionaler Verben, die Beschreibung sozialer, kooperativer und kollektiver intentionaler Relationen sowie deren inferenzielle Gliederung, eröffnen dann eine differenzierte Analyse von Verhalten und Handlungen in diskursiven Praktiken. Mithilfe von relationslogischer und verbpragmatischer Analyse kann außerdem diskursives Potenzial, das über das Verbereignis selbst hinausgeht, veranschaulicht werden. Mit Zuschreibung, Attribuierung, Inskription und Inauguration stehen zudem Praktiken bereit, die Intentionalität in diskursiven Praktiken etablieren können. Die bisherigen relationslogischen und verbpragmatischen Darstellungen und Analysen von intentionalen Verben haben jedoch einen selbstzwecklichen Charakter. Zwar dienen sie z. B. der signifikanzstrukturellen Begründung von Zuschreibung, Attribuierung, Inskription und Inauguration, doch reduziert sich die diskursive Signifikanz intentionaler Verben nicht auf diese Praktiken. Daher möchte ich im Folgenden zeigen, inwiefern eine verbpragmatische Perspektive auch Aspekte einer linguistischen Pragmatik beschreiben kann, die über Zuschreibung, Attribuierung, Inskription und Inauguration hinausgehen. Die Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms beschränke ich dabei im Folgenden auf drei Aspekte, die aber nicht notwendigerweise die Grenzen einer linguistischen Verbpragmatik aufzeigen müssen: (1) Linguistische Pragmatik ist seit jeher mit handlungstheoretischen Fragestellungen beschäftigt und insbesondere sprachliche Handlungen stehen dabei im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Auch eine verbpragmatische Perspektive kann zu Fragen der Handlungskonstitution Erkenntnisse beitragen, nämlich hinsichtlich der Frage, inwiefern Äußerungen in diskursiven Praktiken als sprachliche Handlungen behandelt werden. Eine linguistische Verbpragmatik untersucht anhand des Konzepts der pragmatischen Signifikanz das Verhältnis von Äußerung und intentionalen Verben, aus welchen sich Handlungskraft diskursiv konstituiert. (2) An eine Analyse der pragmatischen Signifikanz anschließend können mithilfe intentionaler Verben auch Diskursakteure (hier: Interlokutoren und Delokutoren) hinsichtlich ihrer Involviertheit in diskursive Praktiken betrachtet werden. Weil intentionale Verben durch ihre diskursiven Rollen auch Handlungspotenzial für ihre Relata bereitstellen, lässt sich durch Verben ein sozial-kommunikatives Geflecht analysieren. (3) Auch die Involviertheit diskursiver Normen, die im Rahmen des Grundlagenmodells intentionaler Verben eine konstitutive Funktion haben, kann aus Perspektive einer Verbpragmatik expliziert werden. Während viele pragmatische Theorien diskursive Normen (z. B. in Form von Prinzipien oder Maximen) als diskursive Voraussetzung betrachten, kann eine Verbpragmatik plausibilisieren, dass sich deren Effekte über intentionale Verben in der Semiose entfalten können. Diese drei Aspekte linguistischer Pragmatik, also sprachliche Handlungen, DiskursakteurInnen und diskursive Normen, werden anhand relationslogischer und verbprag- III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms 289 matischer Analysen veranschaulicht und anhand verschiedener Verben exemplifiziert. Entlang der Analysen entwickelt sich nicht nur die theoretische Deskription diskursiver Praktiken, sondern auch das Modell intentionaler Verben kann entsprechend erweitert werden. 290 III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms