eJournals Kodikas/Code 45/1-4

Kodikas/Code
kod
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
0303
2025
451-4

Diskursive Normen – Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken

0303
2025
Joschka Briese
Diskursive Praktiken als pragmatisch-signifikativ und sozial sind im Sinne der linguistischen Verbpragmatik irreduzibel normativ. Eine Analyse der inferenziellen Gliederung intentionaler Verben kann zeigen, inwiefern diskursive Normen bei der Konstitution und Beurteilung von Verhalten als soziale Handlung angewandt werden. Hierzu unterscheidet das Kapitel zwischen diskursspezifischen und diskursuniversalen Normen, wobei letztere anhand der Signifikanz der Maximen H. P. Grices veranschaulicht und über die Konzepte der Präsumtionsregeln und Präsumtionsregelerwartungen diskutiert werden. Eine inferenzielle Analyse intentionaler Verben demonstriert anschließend, inwiefern über das Verfahren der Substitution diskursive Normen als konstitutiv für diskursive Praktiken verstanden werden können.
kod451-40346
K O D I K A S / C O D E Volume 45 (2022) · No. 1 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken Abstract: In verb pragmatics, discursive practices as pragmatic-signifying and social are irreducibly normative. An analysis of the inferential structure of intentional verbs can show to what extent discursive norms are applied in the constitution and evaluation of behavior as social action. To this end, the chapter distinguishes between discoursespecific and discourse-universal norms, the latter being illustrated by the significance of H. P. Grice's maxims and discussed via the concepts of presumption rules and presumption rule expectations. An inferential analysis of intentional verbs then demonstrates the extent to which discursive norms can be understood as constitutive of discursive practices via the method of substitution. Zusammenfassung: Diskursive Praktiken als pragmatisch-signifikativ und sozial sind im Sinne der linguistischen Verbpragmatik irreduzibel normativ. Eine Analyse der inferenziellen Gliederung intentionaler Verben kann zeigen, inwiefern diskursive Normen bei der Konstitution und Beurteilung von Verhalten als soziale Handlung angewandt werden. Hierzu unterscheidet das Kapitel zwischen diskursspezifischen und diskursuniversalen Normen, wobei letztere anhand der Signifikanz der Maximen H. P. Grices veranschaulicht und über die Konzepte der Präsumtionsregeln und Präsumtionsregelerwartungen diskutiert werden. Eine inferenzielle Analyse intentionaler Verben demonstriert anschließend, inwiefern über das Verfahren der Substitution diskursive Normen als konstitutiv für diskursive Praktiken verstanden werden können. Keywords: discursive norms, normativity, presumption rules, presumption rule expectations, substitution Schlüsselbegriffe: diskursive Normen, Normativität, Präsumtionsregeln, Präsumtionsregelerwartungen, Substitution Diskursive Normen sind diejenigen Normen, welche kognitive, sprachliche und performative Aspekte des sozialen Miteinanders prägen (cf. Kapitel 3.1.2, Beiträge in Townsend/ Stovall/ Schmid 2021). Dass sie auch für eine Analyse von Intentionalität relevant sind, zeigen nicht nur aktuelle philosophische Debatten (cf. die Beiträge in Kore ň et al. 2020), sondern sowohl die Grundlagen des normativen Sprachpragmatismus als auch die Darstellungskategorie der diskursiven Normen im Grundlagenmodell intentionaler Verben. Bisher habe ich die Analyse diskursiver Normen allerdings vernachlässigt, was angesichts der bisherigen Modellierung möglicherweise verwunderlich ist. Denn diskursive Normen nehmen in der Deskription und Konstitution von Handlungen stets einen prominenten Platz ein und bilden auch im Grundlagenmodell das konstitutive Element der Signifikanzstrukturen. Anstatt nun aber diskursive Normen allein zur a-priori-Voraussetzung in diskursiven Praktiken zu erheben, soll im Folgenden eine verbpragmatische Perspektive auf diskursive Normen entwickelt werden. Diese Perspektive unterscheidet sich insofern von anderen Handlungsnormbeschreibungen, als dass die Involviertheit von Normen in diskursiven Praktiken ausgehend von intentionalen Verben inferiert werden soll. In der verbpragmatischen Analyse diskursiver Normen werden diese Normnen damit nicht mehr als sozial-kommunikative Voraussetzungen konzeptualisiert, sondern sollen an das unmittelbare Zeichenereignis (Verb) theoretisch zurückgebunden werden. Exemplarisch dient im Folgenden eine Analyse von diskursuniversalen Normen der Illustration dieser These. Es geht bei diskursuniversalen Normen um diejenigen diskursiven Normen, die für sozial-kommunikatives Handelns derart konstitutiv sind, dass sie als universal bzw. zumindest als epistemisch robust angenommen werden können. Dies unterscheidet diskursuniversale Normen von diskursspezifischen Normen, die nicht entsprechend lexikalisiert sind, sondern in verschiedenen historischen und institutionellen Zusammenhängen unterschiedlich sein können. Im Folgenden werde ich diejenigen diskursuniversalen Normen verbpragmatisch analysieren, die im Rahmen der linguistischen Pragmatik einen hohen Stellenwert genießen: Kooperationsprinzip und Konversationsmaximen. Allerdings erweisen sich Kooperationsprinzip und Konversationsmaximen nicht als unmittelbar übertragbar in ein verbpragmatisches Vokabular. Denn Grice versteht Kooperationsprinzip und Konversationsmaximen als kommunikative Voraussetzungen, die auch bei kommunikativer Verletzung ihre Gültigkeit bewahren. Die Frage, inwiefern sie überhaupt in jeder sozial-kommunikativen Situation gültig beanspruchen, stellt sich bei der Perspektive Grices nicht. Diesem vorgeordneten Prinzipienstatus von Kooperationsprinzip und seinen Konversationsmaximen folgt diese Arbeit nicht, insofern, als dass die Frage beantwortet werden soll, wann für Interlokutoren und Delokutoren überhaupt entsprechende Prinzipien, Maximen bzw. diskursive Normen gelten. Über eine verbpragmatische Analyse soll eben jener sozial-kommunikativer Moment zugänglich gemacht werden, in dem diskursuniversale Normen Geltung für Interlokutoren und Delokutoren erlangen. Daher werden Kooperationsprinzip und Konversationsmaximen mit Donald Davidsons Prinzip der wohlwollenden Interpretation flankiert. Aufgrund ihrer Sprecherzentrierung werden sie außerdem mithilfe von Oliver R. Scholz' Konzept der Präsumtionsregel umformuliert und auf Zeichenereignisse gemünzt. Anschließend wird die Gültigkeit diskursuniversaler Normen über die Kategorie der Interlokutoren hinaus auch auf Delokutoren ausgeweitet, sodass sich auch hier ein Bezug zu den vorherigen Analysen herstellen lässt. Diese zeichenbasierte Etablierung von diskursuniversalen Normen in Praktiken dient dann einer exemplarischen verbpragmatischen Normanalyse anhand des Verbs behaupten. Auf diesem Weg, der die Involviertheit diskursiver Normen in der Handlungskonstitution plausibilisieren soll, kann nicht nur an die Analysen der pragmatischen Signifikanz, Interlokutoren und Delokutoren angeschlossen, sondern auch das Modell intentionaler Verben erweitert werden. 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken 347 16.1 Diskursuniversale Normen als Präsumtionsregelerwartungen Dass diskursive Praktiken normativ strukturiert sind, ist Grundlage des normativen Sprachpragmatismus (cf. Kapitel 3). Eine verbpragmatische Perspektive geht zudem davon aus, dass intentionale Verben auch auf die diskursiven Normen hinweisen, die zur Beurteilung von Verhalten als Handlung herangezogen werden. Dies betrifft nicht nur diskursspezifische Normen, die sich je nach Praxis oder Institution unterscheiden, sondern auch diskursuniversale Normen, also jene Normen, die über spezifische Praktiken hinaus Anspruch erheben. Im Folgenden werde ich solche diskursuniversalen Normen vorstellen, insbesondere das Kooperationsprinzip Grices und Davidsons Prinzip der wohlwollenden Interpretation, um sie anschließend für eine Verbpragmatik zu diskutieren. Unter Voraussetzung eines Regelbegriffs Wittgensteins (cf. Kapitel 3.1.2) werden diskursuniversale Normen als Präsumtionsregelerwartungen definiert. Dieses Konzept trägt der Annahme Rechnung, dass nicht die Frage relevant ist, ob eine Regel besteht, sondern ob Regeln, Konventionen und Normen in den jeweiligen Praktiken dadurch Anwendung finden, dass sie erwartet werden. Über ein solches Verständnis lassen sich dann auch intentionale Verben als Spuren diskursiver Normen analysieren. Im Folgenden möchte ich damit einen analytischen Zugang zur Wirksamkeit diskursiver Normen ermöglichen, der sich verbpragmatisch in die bisherige Analyse diskursiver Praktiken integrieren lässt. Ziel ist es, diesen Zugang über die tiefenstrukturellen Signifikanzen des Verbs herzustellen. Zu Beginn stelle ich kurz das Grice'sche Kooperationsprinzip und deren Konversationsmaximen vor, um diese dann unter Bedingung der bisher eingeführten Annahmen von Semiose der Behauptung und deontischer Kontoführung zu kritisieren. Dabei wird weniger die Gültigkeit der Prinzipien angezweifelt, als deren Formulierung und Sprecherzentrierung hinterfragt. Als Ergänzung dient dann Donald Davidsons Prinzip der wohlwollenden Interpretation als sozial-interpretative Variante des Kooperationsprinzips. Dieses kann zeigen, wie soziale Relationen und diskursuniversale Normen aus der Perspektive einer Interpretationsgemeinschaft betrachtet werden können. Mithilfe von Oliver R. Scholz' Präsumtionsregeln, die später von mir zu Präsumtionsregelerwartungen erweitert werden, soll dann ein zeichenbasiertes Verständnis von Normverfügen etabliert werden, da dieses sowohl mit Semiose der Behauptung, deontischer Kontoführung als auch linguistischer Verbpragmatik vereinbar ist. Dazu stelle ich die Grundlagen von Präsumtionen, Präsumtionsformeln und Präsumtionsregeln vor und wende sie auf die zuvor eingeführten Prinzipien bzw. Maximen Grices und Davidsons an. Daraus resultiert ein zeichenkonstitutives Verständnis diskursuniversaler Normen. Die Frage nach Gültigkeit diskursuniversaler Normen wende ich nicht nur auf Interlokutoren, sondern auch auf Delokutoren an. Weil Delokutoren sich durch ihre zeitlich-räumliche Absenz und diskursive Präsenz von Interlokutoren unterscheiden (cf. Kapitel 15.2), gelten diskursuniversale Normen auf eine andere Weise für sie: Während diskursive Normen für Interlokutoren tatsächlich handlungsleitend sind, werden Delokutoren über Äußerungen positioniert. Daher werden sie lediglich nach Normen handelnd 348 III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms beschrieben, sodass es eine Diskrepanz zwischen der wechselseitigen normativen Handlundinterpretation der Interlokutoren und der Handlungsdeskription der Delokutoren gibt. Für eine Modellierung der Effekte diskursuniversaler Normen im Rahmen einer verbpragmatischen Analyse, die kraft intentionaler, hier insbesondere sozial-kommunikativer Handlungsverben, aktiviert werden, bietet sich eine Transformation des Kooperationsprinzips und der Konversationsmaximen H. P. Grices an. Denn das Kooperationsprinzip bietet nicht nur eine Grundlage vieler linguistisch-pragmatischer Betrachtungen und dient dabei als normative Voraussetzung kommunikativen Handelns. Die linguistische Verbpragmatik zeigt auch, inwiefern sich Effekte des Kooperationsprinzips, die bei Grice als Konversationsmaximen formuliert sind, auch ohne starke epistemische Annahme und Transzendentalstatus entfalten können. Ausgangspunkt der Analyse dieser diskursuniversalen Normen ist auch hier eine Äußerung, insbesondere Behauptung, die ein intentionales Verb enthält und entsprechend Delokutoren konstituiert. Für die Äußerung gelten dann die gleichen theoretischen Grundannahmen der deontischen Kontoführung und Semiose der Behauptung, wie sie in vorherigen Kapiteln formuliert wurden. Die diskursiven Normen, die durch die Setzung einer Äußerung in Anspruch genommen werden, gelten dann auch für die markierten Diskursakteure, sodass diskursuniversale Normen z. B. auch soziale Relationen konstituieren können. Als Ausgangspunkt einer Skizze des Grice'schen Programms und der Entwicklung einer Analyse der diskursuniversalen Normen dient das Kooperationsprinzip zunächst als theoretisches Substrat: Make your conversational contribution such as is required, at the stage at which it occurs, by the accepted purpose or direction of the talk exchange in which you are engaged. (Grice 1989: 26) Anstatt das Kooperationsprinzip als kommunikativen Imperativ für Kommunikationspartner zu verstehen und es entsprechend im Rahmen einer linguistischen Pragmatik zu etablieren, lässt es sich mithilfe der Semiose der Behauptung auch entlang der Okkurrenz eines konversationellen oder textuellen Beitrags (als Zeichenereignis) darauf übertragen. Stellvertretend für Kommunikationspartner, die bei Grice einen konversationellen Beitrag leisten und dem Kooperationsprinzip unterworfen sind, können Zweck und Ausrichtung diskursiver Praktiken anahnd mithilfe der Okkurrenz von Sprachhandlungen (im Sinne der Semiose) analysiert werden. Das Kooperationsprinzip gilt dabei zwar weiterhin als sozialkommunikatives Grundprinzip (und eben als diskursuniversale Norm), doch muss theoretisch nicht von kompetenten Sprecher-Hörer-Adjazenzen ausgegangen werden. Vielmehr wird ein sozial-kommunikativer Normstandard, welcher innerhalb diskursiver Praktiken nicht nur befolgt, sondern auch verletzt werden kann, kraft Behauptungen und anderer sprachlicher Handlungen in der Interaktion bzw. Handlungsdeskription hergestellt. Entlang des Kooperationsprinzips müssen sich daher auch die Konversationsmaximen entsprechend der deontischen Kontoführung und der Semiose der Behauptung umformulieren und umstrukturieren und als diskursuniversale Normen erfassen lassen: 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken 349 Maxim of Quantity 1.1. Make your contribution as informative as is required (for the current purposes of the exchange). 1.2. Do not make your contribution more informative that is required. Maxim of Quality 2.1. (Supermaxim) Try to make your contribution on that is true. 2.1.1. (Specific Maxim) Do not say what you believe to be false. 2.1.2. (Specific Maxim) Do not say that for which you lack of adequate evidence. Maxim of Relation 3.1. Be relevant. Maxim of Modality 4.1. (Supermaxim) Be perspicuous. 4.1.1. (Specific Maxim) Avoid obscurity of expression. 4.1.2. (Specific Maxim) Avoid ambiguity. 4.1.3. (Specific Maxim) Be brief (avoid unnecessary prolixity). 4.1.4. (Specific Maxim) Be orderly. (cf. Grice 1989: 26 f.) Im Folgenden suche ich nach der Kompatibilität der Konversationsmaximen mit deontischer Kontoführung und Semiose der Behauptung. Obwohl insbesondere das Relevanzprinzip immer wieder als eine dominierende Maxime interpretiert wird (cf. traditionell Sperber/ Wilson 1995), suchen unterschiedliche neo- und postgrice'sche Sprachtheorien weiterhin nach einer Konnexion der verschiedenen Maximen (für einen Überblick: Liedtke 2016, Rolf 2013). Einigkeit besteht jedoch darin, dass Konversationsmaximen für sozialkommunikative Praktiken notwendig sind und Äußerungen und Interpretationen beeinflussen. Die Tatsache, dass kommunikative Prozesse Kooperationen sind, ist auf gewisse Weise eine Herausforderung für Konversationsmaximen. Denn die Konversationsmaximen sind aus einer imperativen Erste-Personbzw. Sprecherperspektive formuliert. Somit perspektivieren sowohl Kooperationsprinzip als auch Konversationsmaximen weder die Sprecher- Hörer-Adjazenz geschweige denn eine Pluralität an Diskursakteuren, sondern zentrieren die Sprecherposition derart, dass anderen kommunikativen Instanzen allenfalls periphere diskursive Verantwortlichkeiten und Autoritäten zugewiesen werden. Wenn diskursive Normen aber sozial, kommunikativ und diskursiv geteilt werden und damit nicht auf Individuen reduziert werden können, sollten auch die Formulierungen der Konversationsmaximen entsprechend angepasst werden. Donald Davidson, dessen Interpretationsbegriff ebenfalls auf kommunikativen Prinzipien beruht, transformiert das Kooperationsprinzip sozial-interpretativ und schlägt eher einen sozial-kommunikativen Weg ein, indem er die interpretativen Prozesse untersucht. Sein Konzept der radikalen Interpretation, welches sich am Konzept der radikalen Übersetzung (cf. Quine 1980) orientiert, gründet dabei ebenfalls auf einem Leitprinzip, welches er das Prinzip der wohlwollenden Interpretation [principle of charity] nennt. Radikale Inter- 350 III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms pretation setzt dabei an den Verstehens- und Verständigungsprinzipien an, die erfüllt sein müssen, damit Äußerungen angemessen interpretiert werden können. Zwar gehen, so Donald Davidson, Sprecher derselben Sprache von gewissen Voraussetzungen aus, doch sei die Frage nach der Rechtfertigung dieser damit noch nicht beantwortet (cf. Davidson 1990 a: 183). In seiner Analyse der radikalen Interpretation folgert Davidson, dass Interpretationen nachsichtig sein müssten. Wenn eine tendenzielle Nachsichtigkeit nicht erfüllt werde, dann würde die Interpretationsinstanz letztlich nicht das Kommunikat verstehen, sondern lediglich imaginierte Geltungsansprüche annehmen. Davidson ergänzt außerdem, dass Sprecher vornehmlich wahre, wahrhaftige bzw. gültige Überzeugungen zugeschrieben werden müssten, um überhaupt zu Interpretationen zu gelangen, was Irrtümer oder Meinungsverschiedenheiten aber nicht ausschließe (cf. Davidson 1990 a: 280). Die Nachsichtigkeit der Interpretation ist die Grundlage für das Prinzip der wohlwollenden Interpretation, welches - um es im Vokabular H. P. Grices zu formulieren - sich in zwei Interpretationsmaximen untergliedert, welche Donald Davidson Kohärenz- und Korrespondenzprinzip nennt: Durch das Kohärenzprinzip wird der Interpret dazu veranlaßt, im Denken des Sprechers einen gewissen Grad an logischer Konsistenz ausfindig zu machen, während er durch das Korrespondenzprinzip veranlaßt wird, den Sprecher so aufzufassen, als reagiere er auf die gleichen Merkmale der Welt, auf die auch er selbst (also der Interpret) unter ähnlichen Umständen reagieren würde. Beide Prinzipien können als Prinzip der Nachsichtigkeit oder der wohlwollenden Interpretation bezeichnet werden (und sind tatsächlich als solche bezeichnet worden): Das eine Prinzip unterstellt dem Sprecher ein Quentchen Logik, während ihn das andere mit einem gewissen Grad an wahren Meinungen über die Welt ausstattet. Eine erfolgreiche Interpretation kann gar nicht umhin, auf seiten des Interpretierten eine gewisse Basisrationalität vorauszusetzen. (Davidson 2004: 349) Kohärenz- und Korrespondenzprinzip sind interdependente Prinzipien und stehen in einem Verhältnis zueinander: Während das Kohärenzprinzip eine referenzweltliche Korrespondenz erfordert, um keine willkürlichen Überzeugungen bzw. Überzeugungsnetzwerke zu ermöglichen, vermittelt das Korrespondenzprinzip eine kohärente logische Gliederung der Korrespondenzerfahrungen. Davidson verwendet die Begriffe Kohärenz und Rationalität dabei weitestgehend synonym. Beachtenswert ist außerdem das hierarchische Verhältnis von Kohärenzprinzip und Korrespondenzprinzip. Das Korrespondenzprinzip besagt nicht, dass Sprecher in der Interpretationspraxis ausschließlich wahre Überzeugungen zugeschrieben werden, sondern dass eine Distanzierung von der Einstellung des Für-Wahr-Haltens der Interpretationsinstanz mittelfristig kaum zu einer Praxis führt, die interpretativ genannt werden kann. Somit ist das Korrespondenzprinzip dem Kohärenzprinzip hierarchisch untergeordnet. Selbst wenn in einer Interpretationspraxis allein ungültige, falsche, also der Korrespondenzwelt widersprechende Überzeugungen zugeschrieben werden, die nicht dem Für-Wahr-Halten der Interpretationsinstanz entsprechen, können diese Überzeugungen immer noch kohärent sein und einer spezifischen Logik folgen. Mit Grices Konversationsmaximen und Davidsons Prinzip der wohlwollenden Interpretation beschäftigt sich auch Oliver R. Scholz (2016). Er fasst diese unter dem Begriff der hermeneutischen Präsumtionsregeln zusammen, die nicht nur wesentlich differenzierter 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken 351 sind als das Kooperationsprinzip und das Prinzip der wohlwollenden Interpretation, sondern außerdem sprachtheoretische Anschlüsse im Rahmen linguistischer Pragmatik, Semiose der Behauptung und deontischer Kontoführung herstellen und eine verbpragmatische Analyse diskursuniversaler Normen ermöglichen. Oliver R. Scholz unterscheidet zwischen Präsumtionen, Präsumtionsformeln und Präsumtionsregeln. Präsumtionen besitzen nicht nur eine logisch-semantische Form, sondern artikulieren sich auch sprachlich. Das grundlegende Schema zur Beschreibung und Darstellung einer Präsumtion ist folgendes: (Pr) Es gibt eine Präsumtion, daß Q. (Scholz 2016: 150) 1 (Pr) beschreibt, dass es einen propositionalen Gehalt Q gibt, der angenommen wird. Unklar bleibt in diesem Schema allerdings, wie Präsumtion Q entsteht bzw. auf welcher inferenziellen Grundlage sie stattfindet. Entsprechend erfordert das Ereignis einer Präsumtion eine Begründung. Als vollständige Präsumtionsformel, welche die strukturelle Begründung der Präsumtion übernimmt, schlägt Scholz deshalb folgende Formulierung vor: (Pr-F) Aufgrund von P wird Q präsumiert. (Scholz 2016: 151) Die hier formulierte Begründungsrelation zwischen P und Q kann zunächst auf dreierlei Weise beschrieben werden. Sie ist normativ, weil die begründete Relation zwischen P und Q von den jeweiligen diskursiven Normen der Praktiken, in denen P auftritt, nahegelegt wird. Sie ist semiotisch, weil das Zeichenereignis P eine propositionalen Gehalt Q signifizieren kann. Sie ist aber auch inferenziell, weil Q auf Basis von P angenommen wird. Die inferenzielle Relation der Präsumtion unterscheidet sich von Präsuppositionen, weil Präsumtionen revidierbar sind, ohne dass die Gültigkeit des propositionalen Gehalts P getilgt wird. Während Präsuppositionen in einer beständigen inferenziellen Relation zu den propositionalen Gehalten der Behauptungsstruktur stehen (Konstanz unter Negation), ist die Gültigkeit der Präsumtionen von der prinzipiellen Struktur der diskursiven Praxis abhängig. Die Gültigkeit der Präsumtionsformel lässt sich mithilfe von Präsumtionsregeln erklären, die auch dann gelten, wenn der konkrete Anwendungsfall der Präsumtionsformel in der diskursiven Praxis ungültig bzw. unangemessen ist. Präsumtionsregeln lassen sich folgendermaßen formulieren: (Pr-R) Gegeben p ist der Fall, verfahre so, als sei q der Fall, bis Du zureichende Gründe hast, zu glauben, daß q nicht der Fall ist. (Scholz 2016: 151) Nicht nur die Revidierbarkeit von Präsumtionen ist in der Präsumtionsregel enthalten, sondern die Präsumtionsregel ist auch in spezifischen diskursiven Praktiken aufhebbar. So kann die Präsumtionsregel in diskursiven Praktiken, in denen das Befolgen der Präsumtionsregel zu sozial-normativen Sanktionen führt, annulliert werden (cf. Scholz 2016: 152). Die Präsumtionsregel kann sowohl auf das Prinzip der wohlwollenden Interpretation als auch auf das Kooperationsprinzip angewandt werden und bietet die Möglichkeit, es im 1 Scholz verwendet Majuskel (P, Q) für konkrete Anwendungsfälle und Minuskel (p, q) für generische Positionen in der Präsumtionsregel. 352 III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms Folgenden auch auf die Semiose der Behauptung und die deontische Kontoführung anzuwenden. Das Kohärenzprinzip der wohlwollenden Interpretation lässt sich demnach folgendermaßen formulieren (für die Rationalitätsannahme cf. Scholz 2016: 117): (PC-RAT-Pr-R) Interpretiere die fremde Person so, dass sie als eine rationale Person beschrieben wird, bis du zureichende Gründe hast, zu glauben, dass sie keine rationale Person ist. Die Rationalitätspräsumtionsregel (PC-RAT-Pr-R) ermöglicht nicht nur Interpretations- und Verstehensprozesse, sondern gliedert diese zugleich in eine normative und inferenzielle Praxis ein. Zugleich stehen Interlokutoren und nicht nur Sprecher im Zentrum der diskursiven Praxis. Auch das Korrespondenzprinzip, welches dem Kohärenzprinzip hierarchisch untergeordnet ist, lässt sich als Präsumtionsregel formulieren: (PC-KORRES-Pr-R) Interpretiere die fremde Person so, dass sie sich so verhält, wie du dich unter ähnlichen Umständen verhalten würdest, bis du zureichende Gründe hast, zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. Die Korrespondenzpräsumtionsregel (PC-KORRES-Pr-R) ist hinsichtlich ihrer prinzipiellen Gültigkeit der Rationalitätspräsumtionsregel nachgeordnet. Interlokutoren und Delokutoren können hinsichtlich ihrer Behauptungen die Korrespondenzpräsumtionen annullieren, wenn sich z. B. I 1 aus der Perspektive von I 2 irrational bzw. nicht den diskursiven Normen entsprechend verhält. Dennoch bleibt die inferenzielle Gliederung von I 1 hinsichtlich der Korrespondenzwelt vornehmlich kohärent, sodass die Tilgung von (PC-KORRES- Pr-R) innerhalb von diskursiven Praktiken ungewöhnlich ist. Scholz wendet die Methode der Präsumtionsregel außerdem auf Kooperationsprinzip und Konversationsmaximen an, sodass das Kooperationsprinzip sich folgendermaßen als Präsumtionsformel formuliert: (INT-KOOP-Pr-F) Der Umstand, daß dein Mitunterredner 2 einen Satz (oder eine Folge von Sätzen) in einem gemeinsamen geführten Gespräch geäußert hat, erzeugt die Präsumtion, daß dieser Satz ein geeigneter Beitrag zum dem wechselseitig akzeptierten Zweck oder der wechselseitig akzeptieren Richtung des Gesprächs ist. (Scholz 2016: 167) Ganz im Sinne des Kooperationsprinzips tritt (INT-KOOP-Pr-F) in kommunikativen Praktiken nicht unmittelbar auf, sondern muss (über inferenzielle Relationen, bei Grice: Implikaturen) erst hergestellt werden. Entsprechend kann eine Präsumtionsformel in der diskursiven Praxis verletzt, wobei die entsprechende Präsumtionsregel erhalten bleibt: 2 Bartelborth/ Scholz (2002: 179) sprechen in der englischsprachigen Fassung der Präsumtionsformel vom “ interlocutor ” , dessen Übersetzung als Interlokutor angemessener ist als Mitunterredner oder Gesprächspartner, weil damit die kommunikative Reziprozität der sozialen Relation markiert werden kann. 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken 353 (INT-KOOP-Pr-R) Wenn dein Gesprächspartner eine Äußerung in einem gemeinsamen Gespräch getan hat, dann interpretiere sie als einen in Hinblick auf den wechselseitig akzeptierten Zweck oder die wechselseitig akzeptierte Richtung des Gesprächs angemessenen Beitrag zu diesem Gespräch, solange bis du zureichende Gründe für die gegenteilige Annahme hast. (Scholz 2016: 167, cf. auch Ullman-Margalit 1983: 454 f.) Der Unterschied von (INT-KOOP-Pr-R) zum Kooperationsprinzip besteht hier in zwei wesentlichen Punkten: Zunächst wendet sich Scholz hier einer interpretativen Praxis zu, sodass die Sprecherposition nicht im Zentrum des Prinzips steht, sondern wechselseitige Interpretation. Außerdem interpretieren Interlokutoren hier nicht andere Interlokutoren, sondern ein Kommunikat, welches im Rahmen der diskursiven Praxis gesetzt wurde, sodass der Zugang zu diskursuniversalen Normen nur vermittelt über ein Zeichenereignis möglich ist. Auch wenn die Kooperationspräsumtionsregel mithilfe der interpretativen Praxis erklärt wird, bedeutet dies nicht, dass eine Sprecherzentrierung für eine einseitige Interpretationszentrierung aufgegeben wird. Im Sinne deontischer Kontoführung und Semiose der Behauptung ist die Affirmation und Ko-Konstruktion von sprachlichen Handlungen sowie deren normativen und inferenziellen Konsequenzen einer stetigen Ver- und Aushandlungspraxis unterworfen, sodass Kooperationspräsumtionsregeln vielmehr eine interpretative Kontaktstelle der Interlokutoren als eine immanente Kompetenz oder Eigenschaft darstellen. Dennoch muss der heuristische Charakter der Kooperationspräsumtionsregel betont werden, denn die spezifischen Zeichenereignisse (Kooperationspräsumtionen), die auf Kooperationspräsumtionsregeln verweisen, haben einen vielfältigen Charakter. Für die analytische Praxis hingegen bieten sie eine Möglichkeit der Darstellung der diskursiven Autoritäten, die sich entlang der assertiven Praxis entfalten. Da sich das Kooperationsprinzip als modellhafte Kooperationspräsumtionsregel formulieren lässt, können auch die Konversationsmaximen dementsprechend transformiert werden: 3 1. (QUAN-Pr-R) 1.1. Wenn Interlokutoren eine Äußerung zur diskursiven Praxis beitragen, dann interpretiere sie als so informativ wie für die diskursive Praxis erforderlich, solange du nicht hinreichende Gründe dafür hast zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 1.2. Wenn Interlokutoren eine Äußerung zur diskursiven Praxis beitragen, dann interpretiere sie als nicht weniger informativ als für die diskursive Praxis nötig, solange du nicht hinreichende Gründe dafür hast zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 3 Oliver R. Scholz formuliert allein die Qualitätsmaxime als Präsumtionsregel (cf. 2016: 168). Ich halte es nicht nur aus formalen Gründen, sondern auch für eine zukünftige Bezugnahme für sinnvoll, alle Konversationsmaximen einmal als Präsumtionsregeln zu formulieren. Auch die Qualitätsmaxime, die sich an der Formulierung von Oliver R. Scholz orientiert, übersetze ich in das theoretische Vokabular der deontischen Kontoführung sowie der Semiose der Behauptung. 354 III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms 2. (QUAL-Pr-R) 2.1. Wenn Interlokutoren eine Äußerung zur diskursiven Praxis beitragen, dann interpretiere sie als für die diskursive Praxis wahre Äußerung, solange du nicht hinreichende Gründe dafür hast zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 1.1.1 Wenn Interlokutoren eine Äußerung zur diskursiven Praxis beitragen, dann interpretiere sie nicht als für die diskursive Praxis falsch, solange du nicht hinreichende Gründe dafür hast, zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 1.1.2 Wenn Interlokutoren eine Äußerung zur diskursiven Praxis beitragen, dann interpretiere sie als für die diskursive Praxis hinreichend begründet, solange du nicht hinreichende Gründe dafür hast zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 3. (RELA-Pr-R) 3.1. Wenn Interlokutoren eine Äußerung zur diskursiven Praxis beitragen, dann interpretiere sie als für die diskursive Praxis relevant, solange du nicht hinreichende Gründe dafür hast zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 4. (MODAL-Pr-R) 4.1. Wenn Interlokutoren eine Äußerung zur diskursiven Praxis beitragen, dann interpretiere sie als für die diskursive Praxis nachvollziehbar, solange du nicht hinreichende Gründe dafür hast zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 1.1.3 Wenn Interlokutoren eine Äußerung zur diskursiven Praxis beitragen, dann interpretiere sie nicht als für die diskursive Praxis unklar, solange du nicht hinreichende Gründe dafür hast zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 1.1.4 Wenn Interlokutoren eine Äußerung zur diskursiven Praxis beitragen, dann interpretiere sie nicht als für die diskursive Praxis mehrdeutig, solange du nicht hinreichende Gründe dafür hast zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 1.1.5 Wenn Interlokutoren eine Äußerung zur diskursiven Praxis beitragen, dann interpretiere sie als für die diskursive Praxis angemessen ausführlich, solange du nicht hinreichende Gründe dafür hast zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 1.1.6 Wenn Interlokutoren eine Äußerung zur diskursiven Praxis beitragen, dann interpretiere sie als für die diskursive Praxis geordnet, solange du nicht hinreichende Gründe dafür hast zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. Diese Formulierung der Konversationsmaximen als Präsumtionsregeln ermöglicht, die interlokutiven und delokutiven Relationen in den Blick zu nehmen und eine sozialnormative Reziprozität von Interlokutoren zu modellieren. Zugleich bleibt der zeichentheoretische Aspekt der Präsumtionen erhalten: Im Mittelpunkt stehen weiterhin Äußerungen und nicht Sprecher oder Hörern. Dennoch müssen die Präsumtionsregeln in Sinne der deontischen Kontoführung, der Semiose der Behauptung und der linguistischen Verbpragmatik angeglichen werden, sodass sowohl assertiver Aspekt als auch normativ-inferenzielle Struktur und ihre diskursiven Rollen exponiert werden. Auch wenn für diskursive Praktiken auch andere sprachliche Handlungen relevant sind, bilden Behauptungen doch einen zentralen kommunikativen Akt (cf. Kapitel 14.2). Daher ist es sinnvoll, anstatt die Präsumtionsregel der 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken 355 Konversationsmaximen auf alle sprachlichen Handlungen auszuweiten, sich zunächst auf die Signifikanzstruktur der Behauptung zu konzentrieren. Ausgehend von (Pr-F) setzt eine Behauptung eine Präsumtion (Präsumtionsformel), welche mittels Präsumtionsregel (hier: Prinzip der wohlwollenden Interpretation und Kooperationsprinzip sowie deren Folgeprinzipien und -maximen) erklärt werden kann. Kraft des Ereignisses der Behauptung kann die Gültigkeit der Präsumtionsregeln auf die beteiligten Interlokutoren transponiert werden, sodass es wirkt, als würden Interlokutoren über diese Präsumtionsregeln selbst verfügen. Das würde wiederum eine Erste-Person-Formulierung der Konversationsmaximen rechtfertigen. Dass Interlokutoren Präsumtionsregeln befolgen, ist aber vielmehr ein Transpositionseffekt der Behauptung: Erst ausgehend von der Behauptung kann gefolgert werden, dass auch die Interlokutoren entsprechend einer Normerwartung handeln. Dieser inferenzielle Schritt kündigt sich bereits in der Analyse der Semiose der Behauptung an (cf. Kapitel 14.2), kann hier aber für diskursuniversale Normen expliziert werden. Kurz: Aus Behauptungen und nicht aus Interlokutoren wird die Involviert diskursiver Normen in Praktiken geschlussfolgert. Dieser Transpositionseffekt der Behauptung problematisiert außerdem den Ausdruck der Präsumtionsregel. Anstatt die Regelhaftigkeit der Präsumtionen in den hierarchischen Strukturen der diskursiven Praxis zu verorten, lässt sich eine Instanziierung der Regel mithilfe der Semiose der Behauptung spezifizieren. Präsumtionsregeln sollten weder als explizite Regelanweisungen noch konkrete Regelmäßigkeiten der diskursiven Praxis gelten (cf. Kapitel 3.1.2). Vielmehr evoziert das Zeichenereignis der Behauptung spezifische Präsumtionsregelerwartungen, welche im Rahmen der diskursiven Praxis (z. B. über Ko- Konstruktionen) zunächst latent und erst in der Folgehandlung signifikant werden können. 4 Präsumtionsregelerwartungen stellen somit einerseits die Relation zwischen den semantischen Gehalten und den diskursiven Signifikanzen der ko-konstruierten sprachlichen Handlungen her und transponieren diese dann andererseits auf ihre diskursiven Rollen. Aufgrund der inferenziellen Struktur, die sich anhand der Instanziierung der Präsumtionsregelerwartung kraft der Präsumtionsformel ergibt, stellen diese außerdem normative Rahmen bereit, welche die Erwartung von spezifischem Folgeverhalten ermöglichen. Präsumtionsregelerwartungen lassen sich deshalb auch im Sinne der Semiose der Behauptung als eine Vorschuss-und-Anfechtungsheuristik verstehen. Interlokutoren erwarten kraft des Behauptungsereignisses, dass sich die beteiligten Instanzen hinsichtlich der Behauptung entsprechend der Präsumtionsregelerwartungen verhalten, wobei die Verletzung der erwarteten Präsumtionsregel zur Inferenzbildung (z. B. Implikaturen) und zu Folgesprachhandlungen (z. B. Nachfragen) beiträgt. Die kraft der Behauptung evozierte Präsumtionsregel ist zumeist derart robust, dass sie auch unter Verletzung der Regel konstant bleibt. Dass Präsumtionsregelerwartungen nicht nur für Interlokutoren, sondern auch für die Konstitution von Delokutoren wichtig sind, ergibt sich bereits implizit aus der schema- 4 Insbesondere das Conjoint Co-constituting Model of Communicating (cf. z. B. Arundale 1999, 2008, 2020, Grunzig 2019, Haugh 2008, 2014) hat hier in den letzten Jahren im Rahmen der interaktionalen Pragmatik Fortschritte gemacht und die Konstitution von semantischen Gehalten kraft Implikaturen um eine interaktionale Dimension ergänzt. 356 III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms tischen Ausrichtung der Semiose der Behauptung (P1-P2-P3, cf. Kapitel 15.1). Was Francis Jacques bereits als “ place within a communicational universe ” (Jacques 1991: 242, cf. Kapitel 15.2) bezeichnet hat, erfüllt sich auch hinsichtlich der Gültigkeit diskursiver Normen. Während die Gültigkeit der Präsumtionsregelerwartung des Kooperationsprinzips bei Interlokutoren aber an deren zeitlich-räumliche Präsenz gebunden ist, kann dies für Delokutoren, die sich durch diskursive Präsenz, aber zeitlich-räumliche Absenz auszeichnen, nicht gelten. Dennoch lässt sich normative Signifikanz, die im Rahmen des Kooperationsprinzips auch für Delokutoren gilt, als eine Form von sozialer Kommunikabilität erfassen: Während Interlokutoren entsprechend Präsumtionsregelerwartungen kommunizieren, behandeln Interlokutoren Delokutoren so, als ob sie kommunizieren könnten. Diese Als-Ob-Kategorie der sozialen Kommunikabilität ermöglicht damit eine Eingliederung von Delokutoren in diskursive Praktiken unter Geltung diskursuniversaler Normen. Neben diesen netzwerkartigen Verflechtungen von Delokutoren in sozial-kommunikative Relationen gilt für sie außerdem eine gewisse Rationalitätsannahme, welches mit Donald Davidsons Kohärenz- und Korrespondenzprinzip gut darstellbar ist. Dieses Rationalitätsprinzip bzw. die Rationalitätspräsumtionsregelerwartung gliedert dann zugeschriebene bzw. attribuierte propositionale Einstellungen und Gehalte in eine kohärente und korrespondierende Struktur. Dies deckt sich mit den bereits modellierten Handlungsgründen und -folgen, welche diskursiven Rollen als signifikative Struktur inhärent sind (cf. Kapitel 12.3 und 12.4). Zur sozialen Kommunikabilität und Rationalitätsannahme gesellt sich außerdem ein Prinzip der Normsensibilität und normativen Bewertbarkeit. Denn Rationalität bedeutet in diesem Rahmen nicht nur, dass über ein kohärentes Set an propositionalen Einstellungen und Gehalten verfügt wird, sondern auch, dass die entsprechenden diskursspezifischen Normen gelten. Insofern gilt hier, dass Delokutoren auch ein bestimmtes Normverständnis und -verhältnis zugewiesen wird. Soziale Kommunikabilität, Rationalität und Normsensibilität dienen als Heuristiken zur Erklärung und Deskription des Verhaltens von Delokutoren und können daher auch als Präsumtionsregelerwartungen formuliert werden. Da Delokutoren nicht unmittelbar an diskursiven Praktiken teilnehmen, sondern in der Semiose der Behauptung konstituiert werden, gelten für sie weder das Kooperationsprinzip noch seine Konversationsmaximen im engeren Sinne, sodass eine diskursive Unterscheidung zwischen Kooperationsprinzip und seinen Konversationsmaximen einerseits und den Prinzipien der sozialen Kommunikabilität, Rationalität und Normsensibilität andererseits sinnvoll ist: Während Delokutoren potenziell nach Prinzipien der sozialen Kommunikabilität, Rationalität und Normsensibilität beurteilt werden, gelten signifikative Formen des Kooperationsprinzips und des Prinzips der wohlwollenden Interpretation wohl eher für Interlokutoren. 5 5 Bartelborth/ Scholz sprechen ebenfalls von hierarchischen interpretativen Präsumtionen und stellen Rationalitätsbzw. Kohärenzpräsumtion, Kooperationspräsumtion und Konversationspräsumtionen (Konversationenmaximen) hierarchisch hintereinander (cf. 2002: 180), wollen sich aber nicht auf eine eindeutige Ordnung festlegen (cf. 2002: 184). Eine Analyse der Personalität in der diskursiven Praxis könnte hingegen zeigen, dass Rationalitätsbzw. Kohärenzpräsumtionen wirklich diskursiv robuster und Kooperationspräsumtion sowie Konversationspräsumtionen hierarchisch untergeordnet sind. 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken 357 Für eine Analyse von Delokutoren in der Semiose der Behauptung und dann auch im Rahmen linguistischer Verbpragmatik können daher folgende Präsumtionsregelerwartungen formuliert werden: 1. Präsumtionsregelerwartung der sozialen Kommunikabilität (Möglichkeit der Kommunikation, Als-ob-Kommunikation), aber nicht der kommunikativen Kooperation Bezeichne Delokutoren so, als könnten sie sozial kommunizieren, solange du nicht hinreichende Gründe hast, zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 2. Präsumtionsregelerwartung der kohärenten und korrespondierenden Rationalität Bezeichne Delokutoren so, als seien sie rational, solange du nicht hinreichende Gründe hast, zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. 3. Präsumtionsregelerwartung der Normsensibilität (sowie der normativen Bewertbarkeit und Normativität der Rechtfertigungs- und Begründungstruktur) Bezeichne Delokutoren so, als seien sie hinsichtlich der diskursspezifischen Normen sensibel, normativ bewertbar und würden über eine Rechtfertigungs- und Begründungstruktur verfügen, solange du nicht hinreichende Gründe hast, zu glauben, dass dies nicht der Fall ist. Diese Normformulierungen, die für die diskursive Konstitution von Delokutoren in diskursiven Praktiken gelten dürften, fassen alternative diskursuniversale Normen zusammen, die mit einer Zuschreibung bzw. Attribuierung von diskursiver Intentionalität einhergehen. Die Folge von Zuschreibungen bzw. Attribuierungen ist also auch, dass ein Triangulationsobjekt, was dann als Delokutor konstituiert wird, hinsichtlich diskursiver Normen beurteilbar wird. Und zwar in dem Sinne, dass es als Handlungsakteur konstituiert wird, was eben auch soziale Kommunikabilität, Rationalität und Normsensibilität umfasst. Zusammenfassend bildet das Konzept der Präsumtionsregelerwartung eine epistemisch mildere Voraussetzung für die Involviertheit von Normen in diskursiven Praktiken. Dieses Verständnis ist nicht nur mit Brandoms Konzept der diskursiven Normativität verträglich, weil es ebenfalls von einer flexiblen Anwendungbarkeit diskursiver Normen ausgeht (cf. Kapitel 3.1.2). Es fusst auch auf Peirces Inferenzbegriff: Präsumtionsregelerwartungen funktionieren inferenziell letztlich abduktiv (cf. Kapitel 2.1.3.3). Die Anwendung diskursiver Normen hängt von der Erwartung des Eintretens des Falls ab. Das Ergebnis, also z. B. das stattgefundene Verhalten, wird also unter einer erklärenden Hypothese normativ eingebettet. Die Umformulierungen von Kooperationsprinzip und Prinzip der wohlwollenden Interpretation als Präsumtionsregelerwartungen sowie deren Anbindung an die Instanziierung sprachlicher Handlungen bieten eine neue Perspektive auf die Involviertheit diskursiver Normen. Nicht nur hat sich gezeigt, dass unterschiedliche diskursuniversale Normen für Interlokutoren und Delokutoren angenommen werden müssen, sondern auch, dass diskursive Normen als Strukturelementw verstanden werden sollten, die in Zeichenereignissen stattfinden. Die hier vorgestellten Grundlagen von Kooperationsprinzip und Prinzip der wohlwollenden Interpretation, die mithilfe des Konzepts der Präsumtionsregelerwartung in einen zeichenbasierten Normbegriff transformiert wurden, können nun 358 III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms als Grundlage in eine verbpragmatische Analyse diskursiver Normen implementiert werden. 16.2 Verbpragmatik und diskursive Normen Diskursive Normen lassen sich auch verbpragmatisch analysieren. Diese These wird im Folgenden Kapitel eingelöst. Hierzu greife ich auf die relationslogischen und signifikanztheoretischen Beschreibungen zurück (cf. Kapitel 12). Weil diskursive Normen einen zentralen Status in der Konstitution von Verhalten als Handlung haben, werden in dieser Analyse die verschiedenen Aspekte noch einaml zusammengeführt und um eine Elaboration von diskursiven Normen aus verbpragmatischer Perspektive ergänzt. Es geht dabei darum zu zeigen, wie diskursive Normen (als Präsumtionsregelerwartungen) nicht nur Teil diskursiver Praktiken nicht, sondern inwiefern sich ihre Spuren in Handlungsdeskriptionen wiederfinden und analysen lassen. Am Beispiel des Verbs behaupten wird dessen triangulative Struktur (cf. Kapitel 15.4) um die Komponente der diskursiven Norm ergänzt, um die zeigen, welche Einfluss diskursive Normen auf Handlung und Handlungsakteure haben. Unter Rückgriff auf die Peirce'sche Relationslogik (cf. Kapitel 12.2) kann dieses triangulative Verhältnis als irreduzible Drittheit beschrieben werden. Dass (und auch welche) Normen bei der Konstitution dieser Relation eine relevante Rolle spielen, lann anschließend über einen Substitutionstest veranschaulicht werden, der sich der inferenzielle Gliederung intentionaler Verben bedient (cf. Kapitel 12.5). Über die Differenz verschiedener, aber inferenziell verknüpfter Signifikanzstrukturen, die über Handlungsdeskriptionen signifiziert werden können, lässt sich veranschaulichen, welche Beschreibung Handlungsnormen involvieren und welche nicht. Dass Intentionalität etwas mit diskursiven Normen zu tun hat, hat nicht nur das Grundlagenmodell intentionaler Verben gezeigt, sondern auch die Analyse der verschiedenen Praktiken, die zur Konstitution diskursiver Intentionalität führen (Zuschreibung, Attribuierung, Inskription, Inauguration). Inwiefern aber über eine verbpragmatische Analyse auch die Involviertheit diskursiver Normen an bestimmten diskursiven Positionen erklärt werden kann, soll im Folgenden veranschaulicht werden. Die Erklärung und Darstellung setzt dabei wieder beim Grundlagenmodell und dessen Relationslogik an, ist aber gleichzeitig mit anderen Bereichen der linguistischen Verbpragmatik verknüpft, insbesondere mit pragmatischer Signifikanz und diskursiven Rollen bzw. Diskursakteuren. Exemplarisch dient im Folgenden abermals das intentionale Verb behaupten zur Analyse. Es bietet sich hier nicht nur an, weil es ein sozial-kommunikatives Handlungsverb ist. Die vorgeführte Analyse der Involviertheit diskursiver Normen kann auch an die signifikanzstrukturellen und relationslogischen Analysen des Verbs behaupten der vorherigen Kapitel anschließen und sie entsprechend erweitern. Dazu werden einige der Ergebnisse der vorherigen Kapitel kurz resümiert, um die Erweiterung der Analyse vorzubereiten. Die Verbindung zwischen intentionalen Verben und diskursiven Normen möchte ich nun demonstrieren. Mithilfe einer erneuten Reflexion des Grundlagenmodells unter den Erkenntnissen der pragmatischen Signifikanz und der Explikation relationslogischer und universalkategorialer Aspekte kann die Signifikanzstruktur intentionaler Verben, insbesondere jener, die soziale, kooperative oder kollektive intentionale Relationen 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken 359 signifizieren, spezifiziert werden. Dass diskursive Normen dabei eine prominente Funktion einnehmen, die sich nicht auf eine einzige intentionale Relation reduzieren lässt, ist dem triangulativen Potenzial dieser Verben zu verdanken (cf. Kapitel 14.3). Mithilfe der erneuten Exposition von genuin triadischen Relationen und der indirekten Transitivität intentionaler Verben kann dann eine inferenzielle Tiefenstruktur dieser Verben exemplifiziert werden, die ich nutze, um die Involviertheit diskursiver Normen nicht nur in der Konstitution, sondern auch hinsichtlich kommunikativer Prinzipien und Maximen zu demonstrieren. Insbesondere über den Prozess der Substitution lässt sich dann plausibilisieren, warum trotz strukturähnlicher Deskriptionen von Verhalten manches als normfolgende Handlung interpretiert wird, während anderes keinen entsprechenden diskursuniversalen Normen unterworfen ist. Das Verb behaupten stellt für diese verbpragmatische Analyse der Involviertheit diskursiver Normen den Ausgangspunkt dar. Im Folgenden zeige ich an verschiedenen bisher eingeführten Analysemöglichkeiten, welche signifikativen Strukturen das Verb aufweist und wie diese gemeinsam eine Analyse der Involviertheit diskursiver Normen ermöglichen. Dabei beziehe ich mich auf das 1. Grundlagenmodell intentionaler Verben (cf. Abb. 6), die 2. Analyse von sozialen, kooperativen und kollektiven intentionalen Relationen (cf. Kapitel 12.4) sowie die 3. zeichenrelationale Triangulation (cf. Abb. 15). 1. Weil behaupten ein intentionales Verb ist, gelten für es diejenigen Elemente, die im Grundlagenmodell intentionaler Verben (cf. Abb. 6) dargestellt sind: Behaupten signifiziert eine intentionale Relation, die eine propositionale Einstellung (z. B. Kommunikationsabsicht), HandlungsakteurIn und intentionales Objekt umfasst. Der Unterschied zu anderen Verben, die eine phänomenale Beziehung zwischen Person und Objekt signifizieren (z. B. zusehen), ist, dass die vermeintlich unmittelbare Relation zwischen HandlungsakteurIn und intentionalem Objekt durch diskursive Normen konstituiert wird. Im Sinne Peirces handelt es sich also um eine genuin triadische Relation, weil sie nicht auf mehrere dyadische Relationen reduziert werden kann (cf. Kapitel 12.2). Im Grundlagenmodell intentionaler Verben bilden diskursive Normen, X (als diskursive Rolle) und Y (als intentionales Objekt) damit eine irreduzible Triade, sodass behaupten eine [[X]INTENTIONAL → [Y]]-Relation signifiziert. 2. Dieses irreduzible Verhältnis der verschiedenen Elemente von behaupten gilt nicht nur für die [[X DRausG ]INTENTIONAL EMSIF → [Y iO ]]-Relation, also die Beziehung zwischen X und Y. Die Analyse der sozialen, kooperativen und kollektiven intentionalen Relationen hat gezeigt, dass intentionale Verben über eine komplexe Signifikanzstruktur verfügen und oftmals nicht auf eine intentionale Relation reduziert werden können. Behaupten als sozialkommunikatives Handlungsverb weist ebenfalls mehr als eine intentionale Relation auf. Es signifiziert eine soziale intentionale Relation zwischen zwei Personen, die als [[X DRausG ] ← SOZ INTENTIONAL EMSIF → [Z DRmitG ]] notiert werden kann. Behaupten umfasst als Handlungsdeskription also mehr als eine Person. Außerdem signifiziert behaupten auch ein latentes Handlungspotenzial (und eine mögliche Folgehandlung), die als [[Z DRmitG ] INTENTIONAL EMSIF → [Y iO ]] formalisiert wird. Wie z. B. die Analyse des Verhältnisses von behaupten und anfechten gezeigt hat, kann anfechten als eine Folgehandlung verstanden werden, die bereits latent von behaupten signifiziert wird (cf. Abb. 16). 360 III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms Für die verbpragmatische Analyse der Involviertheit diskursiver Normen ist insbesondere interessant, dass die Elemente der Struktur des Grundlagenmodells intentionaler Verben nicht nur für [[X DRausG ]INTENTIONAL EMSIF → [Y iO ]], sondern auch für [[X DRausG ] ← SOZ INTENTIONAL EMSIF → [Z DRmitG ]] und [[Z DRmitG ]INTENTIONAL EMSIF → [Y iO ]] gelten. Das heißt: Nicht nur das Verhältnis von X und Y, sondern auch die Verhältnisse zwischen X und Z sowie Z und Y müssen als von diskursiven Normen konstituiert verstanden werden. Da es sich ebenfalls um intentionale Relationen handelt, gilt die genuine Drittheit auch für diese beiden Relationen. 3. Während das Grundlagenmodell intentionaler Verben sowie die Relationslogik zeigt, dass intentionale Relationen genuin triadische Relationen sind, demonstriert die Analyse der sozialen, kooperativen und kollektiven intentionalen Relation, dass intentionale Verben nicht nur mehrere intentionale Relationen umfassen. Für alle diese intentionalen Relationen gilt, dass sie genuin triadische Relationen sind, die kraft diskursiver Normen konstituiert werden. Dass das Verb behaupten nicht drei voneinander unabhängige intentionale Relationen signifiziert, sondern diese miteinander in Beziehung stehen, hat die zeichenrelationale Triangulation veranschaulicht. Jede intentionale Relation, die über die Elemente des Grundlagenmodells intentionaler Verben verfügt, steht über seine Relata im Verhältnis zu den anderen intentionalen Relationen. So steht z. B. das Relatum X DRausG sowohl mit Y iO als auch mit Z DRmitG in Relation. Aus diesen Verhältnissen bildet sich damit eine weitere irreduzible Triade wie Abb. 15 demonstriert. Ein Verb wie behaupten signifiziert also nicht nur unterschiedliche intentionale Relationen, sondern auch unterschiedliche Typen von triadischen Relationen: Die einen entsprechen dem Modell intentionaler Verben (cf. Abb. 6), die anderen der zeichenrelationalen Triangulation (cf. Abb. 15). Diese signifikativen Elemente des Verbs behaupten lassen sich für eine verbpragmatische Analyse der Involviertheit diskursiver Normen nutzen, indem diskursive Normen als Element des Grundlagenmodells intentionaler Verben in die zeichenrelationale Triangulation integriert werden. Im Verhältnis der verschiedenen intentionalen Relation zueinander bildet sich daraus ein Tetraeder, der die Involviertheit diskursiver Normen demonstriert. 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken 361 Abb. 19: Darstellung intentionaler Verben als Tetraeder am Beispiel von behaupten Diese Darstellung umfasst die drei intentionalen Relationen, die behaupten signifiziert und deren zeichenrelationale Triangulation, wobei die Darstellung den Aspekt der diskursiven Normen fokussiert. Die drei Seitenflächen des Tetraeders stellen jeweils Variationen der intentionalen Relation dar, die mit dem Grundlagenmodell intentionaler Verben analysiert worden ist. An den Ecken finden sich jeweils die Relata der intentionalen Relation, also X DRausG , Y iO und Z DRmitG . Wie im Grundlagenmodell demonstriert, werden diese Relationen zwischen den Relata von diskursiven Normen konstituiert, was sie zu genuin triadischen Relationen macht. Daher taucht in der Darstellung nicht nur ein Platzhalter für diskursspezifische bzw. diskursuniversale Normen an der oberen Ecke auf, sondern auch die jeweilige Kategorienbezeichnung an den Kanten markiert die Drittheit der intentionalen Relationen. Die Grundfläche des Tetraeders stellt die zeichenrelationale Triangulation der intentionalen Relationen von behaupten dar. An den jeweiligen Kanten finden sich die Bezeichnungen der intentionalen Relationen, die Teil der zeichenrelationalen Triangulation sind. 362 III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms Die tetraedrische Darstellung, die das Grundlagenmodell intentionaler Verben und die zeichenrelationale Triangulation kombiniert, zeigt die Relevanz diskursiver Normen in der Konstitution intentionaler Relationen noch einmal auf. Während das Grundlagenmodell aber demonstriert hat, dass diskursive Normen einzelne intentionale Relationen konstituiert, zeigt die tetraedrische Darstellung, dass diskursive Normen für alle beteiligten intentionale Relationen relevant sind. Wenn man die Darstellung, ähnlich wie das Modell intentionaler Verben, aus Perspektive der Position der diskursiven Normen interpretiert, dann lässt sich veranschaulichen, wie diskursive Normen auf gewisse Weise für alle beteiligten Personen der signifizierten Handlungssituation gelten. Dies möchte ich nun mithilfe eines Substitutionstest des Verbs behaupten anhand der Präsumtionsregelerwartung der Kooperation demonstrieren. Die verbpragmatische Analyse der Involviertheit diskursiver Normen nutzt dabei die inferenziellen Tiefenstrukturen des intentionalen Verbs, hier behaupten. Dabei geht es einerseits darum, die synchronen Relationen der Handlungsdeskription bzw. -interpretation mithilfe von behaupten für die Analyse zu verwenden (cf. Kapitel 12.6). Es sollen diejenigen Deskriptionselemente untersucht werden, die zum selben Zeitpunkt hätten gebraucht werden können, um Verhalten als Handlung (oder nicht) zu konstituieren. Die hier analysierten Relationen stehen außerdem in inferenziellen Relationen zu behaupten. Über dieses inferenzielle Verhältnis lässt sich damit etwas über das diskursive Verhältnis von intentionalen und realen Relationen sagen (cf. Kapitel 12.2). Denn für die Deskription, so möchte ich zeigen, gibt es Alternativen, die nicht den diskursiven Handlungsnormen unterworfen, aber doch angemesse Beschreibungen wären. In der inferenziellen Tiefenstruktur intentionaler Verben wie behaupten gibt es so etwas wie einen Punkt, an denen das gewählte Verb (z. B. als Substitut) keine intentionale, sondern eine reale Relation erfasst und damit eine andere signifikative Struktur aufweist, die nicht über Handlungsnormen erfassbar ist. Relationslogisch handelt es sich dann nicht mehr um genuin triadische, sondern um dyadische Relationen. Kurz: Statt Handlungsdeskriptionen handelt es sich dann um Tätigkeitsbeschreibungen. Im Folgenden kann anhand der inferenzielle Tiefenstruktur des intentionalen Verbs behaupten gezeigt werden, inwiefern alternative, aber inferenziell verbundene Handlungsbzw. Tätigkeitsdeskriptionen unterschiedliche Normen zur Geltung bringen. Ausgangspunkt ist nun die tetraedrische Darstellung des Verbs behaupten (cf. Abb. 19), wobei im Folgenden angenommen werden soll, dass sich auch andere Verben, die Verhalten als Handlung oder Tätigkeit konstituieren, entsprechend dargestellt werden können. Um die Involviertheit diskursiver Normen in der Signifikanzstruktur von behaupten und das Verhältnis von inferenzieller Tiefenstruktur und Substitution zu veranschaulichen, verwende ich die Verben sagen und artikulieren. Beide signifizieren synchrone Relationen des Verbs behaupten. Sie erfassen das von behaupten beschriebene Verhalten zwar auf alternative Weise, stellen aber gleichzeitig mögliche Teilelemente der Handlungsdeskription durch behaupten dar. 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken 363 Abb. 20: Inferenzielle Tiefenstruktur und Substitute von behaupten Diese Darstellung von Aspekten der inferenziellen Tiefenstruktur von behaupten ist der erste Schritt in der verbpragmatischen Analyse der involvierten diskursiven Normen. Ausgehend von den intentionalen Relationen, die behaupten signifiziert, lassen sich subsentenziale inferenzielle Relationen zu anderen Handlungsdeskriptionen respektive deren intentionalen (und realen) Relationen herstellen. Die hier dargestellte inferenzielle Gliederung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Behaupten (als Handlungsdeskription oder -interpretation) steht in inferenzieller Relation zu sagen und artikulieren, sodass sagen und artikulieren das Verb behaupten substituieren können. Oder: Wer ein Verhalten als Behauptung interpretiert bzw. beschreibt (und sich damit darauf festlegt), der legt sich gleichzeitig darauf fest, dass diese Handlung auch etwas impliziert, was man als sagen und artikulieren interpretieren bzw. beschreiben kann. Um des Arguments willen sollten sich die von den drei Verben behaupten, sagen und artikulieren signifizierten Relationen entsprechend der tetraedrischen Darstellung vorgestellt werden. Die Verben signifizieren mehrere Relationen, die auch in zeichenrelationaler Triangulation zueinanderstehen. Entsprechend steht Abb. 20 weniger für mehrere einzelne intentionale Relationen, die in inferenzieller Relation stehen, als vielmehr für mehrere tetraedrische Gebilde, die über Inferenzen miteinander verbunden sind. Betrachtet man nun diese Konstellationen an intentionalen Relationen über die inferenziellen Relationen (von behaupten über sagen zu artikulieren) hinweg, dann fällt auf, dass sich nur behaupten und sagen als intentionale Verben analysieren lassen: Sie beschreiben Handlungssituationen, die mehrere Personen involvieren, die in einer sozialen Beziehung stehen und auch das intentionale Objekt (die Behauptung bzw. Aussage sowie deren Gehalt) kann als inferenziell gegliedert verstanden werden. Diese Analyse des Verbs als intentionale Relation gelingt bei artikulieren nicht, zumindest dann nicht, wenn es im Sinne phonetischer Emission interpretiert wird. Artikulieren signifiziert weder eine intentionale Relation noch involviert es genuin mehrere Personen. Auch die phonetische Emission kann trotz syntaktischer oder grammatischer Wohlgeformtheit nicht als inferenziell gegliedert verstanden werden. 6 Vielmehr steht artiku- 6 Der mögliche Einwand, dass ja auch phonetische Emission als Sprache, Äußerung oder sogar Behauptung verstanden werden könnten, zeigt die Relevanz dieser verbpragmatischen Analyse. Denn in dem Moment, in 364 III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms lieren für eine Tätigkeit, in der eine Person bzw. ein Artikulationsorgan eine Zeichenemission erzeugt. Zwischen Artikulationsorgan und Zeichenemission besteht dabei durchaus eine Relation, die sich auch relationslogisch analysieren lässt, doch handelt es sich dabei nicht um eine intentionale, sondern um eine reale Relation: Die Beziehung zwischen Artikulationsorgan und Zeichenemission ist unmittelbar, sodass auch das Verb artikulieren als transitives Verb beschrieben werden kann (cf. extrinsische Transitivität in Kapitel 12.2.2). Der Unterschied der verschiedenen Handlungen und Tätigkeiten, die mit behaupten und sagen einerseits und artikulieren andererseits beschrieben werden können, liegt nun weniger in deren physischer Beschaffenheit. Vielmehr gelten für Verhaltensweisen, welche als behaupten bzw. sagen interpretiert bzw. beschrieben werden, spezifische sozialkommunikative Handlungsnormen. Wird dasselbe Verhalten als artikulieren interpretiert oder beschrieben, werden diese Normen nicht beansprucht. Die Differenz von behaupten bzw. sagen und artikulieren ist also kein ontologischer, sondern ein normativer. Dieser Umstand, dass sich behaupten und sagen einerseits und artikulieren andererseits hinsichtlich der Möglichkeit der Beurteilung auf Basis sozial-kommunikativer Handlungsnormen unterscheiden, lässt sich nun auf die Analyse der Involviertheit diskursiver Normen anwenden. Denn über die inferenzielle Tiefenstruktur und Substitution der drei Verben lässt sich zeigen, inwiefern diskursive Handlungsnormen hier Anwendung finden. In Anschluss an die vorherigen Kapitel lässt sich diese Involviertheit insbesondere anhand diskursuniversaler Normen veranschaulichen, da sich diskursspezifische Normen aus den jeweiligen charakteristischen historischen und institutionellen Praktiken ergeben und damit eine signifikante kontextuelle Anbindung erfordern. Für die linguistische Pragmatik kann eine verbpragmatische Analyse aber bei der Involviertheit diskursuniversaler Normen ansetzen, hier exemplarisch an (INT-KOOP-Pr-R), also der Präsumtionsregelerwartung der Kooperation (cf. Kapitel 16.1). Für inferenzielle Gliederung und Substitution kann so demonstriert werden, warum diese diskursuniversalen Normen für Handlungsituationen gelten, die als behaupten oder sagen interpretiert bzw. beschrieben werden, aber nicht für artikulieren. Dass behaupten diskursive Normen involviert, veranschaulicht bereits das Grundlagenmodell intentionaler Verben respektive die tetraedrische Darstellung. Allerdings fungiert das Relatum der diskursiven Normen sowohl im Grundlagenmodell als auch in der tetraedrischen Darstellung noch als Platzhalter. Zwar demonstriert der Platzhalter, warum intentionale Verben genuin triadische Relationen signifizieren, doch werden dabei keine konkreten diskursiven Normen genannt, die intentionale Relationen konstituieren bzw. in diesen involviert sind. Dass die Präsumtionsregelerwartung der Kooperation bei Handlungssituationen Anwendung findet, die als behaupten signifiziert werden, lässt sich plausibilisieren, wenn für den Platzhalter die diskursuniversale Norm (INT-KOOP-Pr-R) eingefügt wird. Der tetraedrischen Darstellung folgend gilt die Präsumtionsregelerwartung der Kooperation dann für X DRausG , Z DRmitG und Y iO , wobei sich der Schwerpunkt der normativen Signifikanz jeweils verändert. In der Normformulierung von (INT-KOOPdem eine phonetische Emission als Behauptung interpretiert wird, wäre nicht mehr artikulieren, sondern eben behaupten die angemessene Deskription. 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken 365 Pr-R) (cf. Kapitel 16.1) finden sich bereits diejenigen Elemente, die behaupten signifiziert: Gesprächspartner (X DRausG und Z DRmitG ), die Äußerung und deren Gehalt (Y iO ) und den wechselseitigen Zweck und die wechselseitig akzeptierte Richtung des Gesprächs, die als Aspekte der sozialen intentionalen Relation von behaupten verstanden werden können. Für die normsensiblen Wesen, die mit X DRausG und Z DRmitG signifiziert werden, gilt damit (in der jeweiligen Handlungssituation) die Präsumtionsregelerwartung der Kooperation: Die Äußerung von X DRausG kann von Z DRmitG als angemessener Beitrag zum Gespräch akzeptiert werden, wenn es sich um eine Behauptung handelt. Gleichzeitig wird auch Z DRmitG ein gewisser Grad an Rationalität und damit die Möglichkeit der sozial-kommunikativen Erwiderung (z. B. in Form von Anfechtungen) zugewiesen. Auch wenn Z DRmitG durch behaupten nicht als handelnde Person signifiziert wird, impliziert die signifikative Struktur des intentionalen Verbs doch signifizierte Anschlusshandlungen, die Z DRmitG vollführen kann (cf. Kapitel 14.3). Inwiefern die Präsumtionsregelerwartung der Kooperation tatsächlich für von intentionalen Verben signifizierten Handlungsituationen Geltung beansprucht und nicht für alle Tätigkeitsdeskriptionen, kann ein Substitutionstest veranschaulichen. Wenn artikulieren das Verb behaupten (in Texten, Gesprächen oder Inteprretationen) substituiert, dann findet (INT-KOOP-Pr-R) keine Anwendung mehr. Sowohl die inferenzielle Tiefenstruktur von behaupten als auch die tetraedrische Darstellung legen dies nahe, da artikulieren keine diskursiven Handlungsnormen involviert. Auch lassen sich die Elemente der Normformulierung (Gesprächspartner, Äußerung und wechselseitige Gesprächsbeziehung) nicht in der Signifikanzstruktur von artikulieren wiederfinden: Die artikulierende Person muss weder Teil einer Gesprächssituation und damit Gesprächspartner sein, noch gilt die Zeichenemission notwendigerweise als vollwertige Äußerung bzw. Gesprächsbeitrag im Sinne der Präsumtionsregelerwartung der Kooperation. Die Differenz von behaupten und artikulieren besteht also auch darin, dass für die von behaupten signifizierte Handlungssituation die Präsumtionsregelerwartung der Kooperation gilt, während für artikulieren diese diskursuniversale Norm nicht in Anspruch genommen wird, auch deshalb, weil artikulieren keine Handlung, sondern eine Tätigkeit ist. Diskursive Normen als Teil der signifikativen Struktur intentionaler Verben zu analysieren, kann über diese Substitution ermöglicht werden. Ausgehend von einer tetraedrischen Darstellung intentionaler Verben, die sich aus Grundlagenmodell und zeichenrelationaler Triangulation herstellen lässt, kann der Aspekt der diskursiven Norm prominent gemacht werden. Über die inferenzielle Tiefenstruktur intentionaler Verben, die gleichzeitig als inferenzielle Relationen für Substitutionen dienen, lässt sich die Involviertheit diskursiver Normen dann erproben. Wenn konkrete diskursive Normen als Element der signifikativen Struktur analysiert werden sollen, kann die relationslogische Analyse und die tetraedrische Darstellung als Hilfsmittel dienen. Dies habe ich exemplarisch an der Präsumtionsregelerwartung der Kooperation gezeigt. Zusammenfassend zeigt die verbpragmatische Perspektive auf diskursuniversale Normen, wie sich die Involviertheit diskursiver Normen in Praktiken analysieren lässt. Während dies zwar keine handlungstheoretische Beschreibung diskursiver Normen ersetzen kann bzw. soll, so lassen sich doch an einzelnen Verben verschiedene Normbefolgungen veranschaulichen. Anstatt diskursive Normen als Voraussetzung von Praktiken 366 III Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms zu verstehen, kommt eine verbpragmatische Analyse nicht nur ohne starke epistemische Annahmen aus, sondern hebt hervor, dass sich die Involviertheit diskursiver Normen nur in Praktiken selbst nachweisen lassen kann, und ist damit grundlegend gebrauchsbasiert. Diese Analyse diskursiver Normen schließt damit die Reflexionen zur relationslogischen und verbpragmatischen Anwendung intentionaler Verben in Kernbereichen linguistischer Pragmatik ab. Ausgangspunkt war es, Perspektiven eines verbpragmatischen Forschungsprogramms zu entwickeln und damit die grundlegenden Prämissen der linguistischen Verbpragmatik (cf. Kapitel 12) anwendungsbezogen zu demonstrieren. Die Anwendung hat dabei in drei Bereichen stattgefunden, die der linguistischen Pragmatik zuzuordnen sind: Sprachliches Handeln, Diskursakteure und diskursive Normen. Der Übertrag und die darauf resultierende Weiterentwicklung der theoretischen Grundlagen intentionaler Verben führt die einer verbpragmatische Analyse in diesen Kernbereichen der Pragmatik: Sprachliches Handeln lässt sich demnach mithilfe der pragmatischen Signifikanz intentionaler Verben analysieren. Im Sinne der deontischen Kontoführung stellen die von Verben beschriebenen Handlungen Züge im Sprachspiel dar. Intentionale Verben bieten daher Verkettungsmöglichkeiten an, die inferenziell gegliedert sind. Diskursakteure lassen sich wiederum über diskursive Rollen rekonstruieren. Dass sozial-kommunikative Praktiken nur selten Sprecher-Hörer-Adjazenzen sind und häufig Delokutoren involvieren, kann auch auf die triangulative Struktur intentionaler Verben zurückgeführt werden. Interlokutoren und Delokutoren ordnen sich entlang der Signifikanzstruktur dieser Verben. Auch diskursive Normen können verbpragmatisch als Element von deren Signifikanz analysiert werden. Wenn diese als Präsumtionsregelerwartungen analysiert werden, dann zeigt sich deren Anwendung in der Konstitution von Verhalten als Handlung, was über Substitution veranschaulicht werden kann. Die linguistische Verbpragmatik zeigt damit nicht nur, wie aus einer Verbperspektive verschiedene pragmatische Relationen und Prozesse analysieren werden können. Auch hat sich das Modell intentionaler Verben während der Analysen weiterentwickelt, sodass eine breitere Anwendung auf diskursive Praktiken möglich zu sein scheint. 16 Diskursive Normen - Analyse von Normativität in diskursiven Praktiken 367