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Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
0201
2020
91 Technische Akademie Esslingen
Laut Kraftfahrt-Bundesamt waren im Januar 2019 in Deutschland 47,1 Mio. Personenkraftwagen zugelassen. Insbesondere in deutschen Großstädten ist das Parken dieser Fahrzeuge ein vorrangiges Thema der Kommunen sowie Betreiber, Investoren und Nutzer von Parkbauten. Die bestehenden Parkhäuser und Tiefgaragen reichen in Stoßzeiten häufig nicht aus. Der Neubau spielt daher bei Städten und Gemeinden, aber auch in der Privatwirtschaft eine herausragende Rolle. Gleichzeitig gewinnt die regel- und planmäßige Instandhaltung und Instandsetzung der Parkhäuser und Tiefgaragen an Bedeutung. Zudem wandeln sich die Anforderungen der Betreiber und Nutzer. Die Digitalisierung hat Einzug in die Fachbereiche rund um das Parken gefunden. Planung, Gestaltung, Bau und Erhalt von Parkbauten müssen hier mithalten. Neben dem Finden eines Parkplatzes erwartet der Nutzer Annehmlichkeiten und zusätzliche Funktionen wie E-Tankstellen, komfortable Parkplatzbreiten, gute Ausleuchtung, barrierefreie Zugänge, ansprechende Farbgestaltung, gute Orientierung und Sicherheit. Auf diese neuen Ansprüche und Spannungsfelder bei Neubau, Umbau und Modernisierung von Parkbauten haben sich die Verantwortlichen der Branche mit großem Erfolg gestellt. Parkhäuser und Tiefgaragen sind nutzungsfreundlicher, heller, sicherer und ansprechender geworden. In den nächsten Jahren sind weitere Veränderungen zu erwarten - insbesondere im Zuge der Digitalisierung. Darauf müssen sich alle im Bereich Parkhäuser und Tiefgaragen tätigen Personen einstellen. Hierzu leistet das bereits in 9. Auflage stattfindende Kolloquium Parkbauten mit rund 60 Plenar- und Fachvorträgen in fünf parallelen Sessions einen wesentlichen Beitrag. Der Inhalt Elektromobilität Konstruktion Gestaltung und Architektur Projektentwicklung Neubau und Betrieb Instandhaltung und Wartung Schutzmaßnahmen Prüfverfahren Fugen Gussasphalt Rechtsfragen, Regelwerke Sachkundiger Planer (SKP) Forschung und Entwicklung Das vorliegende Tagungshandbuch enthält die vorab eingereichten Beiträge zu den Vorträgen und gibt einen Überblick über neueste Erkenntnisse zur Planung, Gestaltung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung, Betrieb von Parkhäusern und Tiefgaragen. Die Zielgruppe Städte und Gemeinden Bau- und Verkehrsbehörden Betreiber und Investoren von Parkbauten Facility-Management-Firmen öffentliche Einrichtungen wie Kliniken, Bahnhöfe, Flughäfen Sachkundige Planer, Bauingenieure, Architekten, Sachverständige Spezialunternehmen für Parkbauten Bauunternehmen Unternehmen für Bautenschutz, Betoninstandsetzung, Bauwerksabdichtung, Oberflächenbeschichtung Unternehmen im Bereich Bauchemie, Beton, Zement, Zusatzstoffe und Zusatzmittel Gebäudeausrüster Werkstoffwissenschaftler, Chemiker Hochschulen ISBN 978-3-8169-3497-4 www.tae.de 9. Kolloquium Parkbauten Tagungshandbuch 2020 Herausgegeben von Susanne Gieler-Breßmer 9. Kolloquium Parkbauten Planung, Gestaltung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung, Betrieb von Parkhäusern und Tiefgaragen Tagungshandbuch 2020 Kolloquium_09_Umschlag_05.indd 1,3 Kolloquium_09_Umschlag_05.indd 1,3 17.01.2020 12: 25: 12 17.01.2020 12: 25: 12 0.0 Titelei.indd 2 13.01.20 18: 52 Herausgegeben von Dipl.-Ing. Susanne Gieler-Breßmer 9. Kolloquium Parkbauten Planung, Gestaltung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung, Betrieb von Parkhäusern und Tiefgaragen Tagungshandbuch 2020 0.0 Titelei.indd 3 13.01.20 18: 52 Das vorliegende Werk wurde mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Haftung für die Fehlerfreiheit, Aktualität und Vollständigkeit des Werkes und seiner elektronischen Bestandteile. © 2020. Alle Rechte vorbehalten. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb. dnb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. expert verlag GmbH Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen E-Mail: info@verlag.expert Internet: www.expertverlag.de Printed in Germany ISBN 978-3-8169-3497-4 (Print) ISBN 978-3-8169-8497-9 (ePDF) Technische Akademie Esslingen e. V. An der Akademie 5 · 73760 Ostfildern E-Mail: bauwesen@tae.de Internet: www.tae.de 0.0 Titelei.indd 4 13.01.20 18: 52 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorwort Laut Kraftfahrt-Bundesamt waren im Januar 2019 in Deutschland 47,1 Mio. Personenkraftwagen zugelassen. Insbesondere in deutschen Großstädten ist das Parken dieser Fahrzeuge ein vorrangiges Thema der Kommunen sowie Betreiber, Investoren und Nutzer von Parkbauten. Die bestehenden Parkhäuser und Tiefgaragen reichen in Stoßzeiten häufig nicht aus. Der Neubau spielt daher bei Städten und Gemeinden, aber auch in der Privatwirtschaft eine herausragende Rolle. Gleichzeitig gewinnt die regel- und planmäßige Instandhaltung und Instandsetzung der Parkhäuser und Tiefgaragen an Bedeutung. Zudem wandeln sich die Anforderungen der Betreiber und Nutzer. Die Digitalisierung hat Einzug in die Fachbereiche rund um das Parken gefunden. Planung, Gestaltung, Bau und Erhalt von Parkbauten müssen hier mithalten. Neben dem Finden eines Parkplatzes erwartet der Nutzer Annehmlichkeiten und zusätzliche Funktionen wie E-Tankstellen, komfortable Parkplatzbreiten, gute Ausleuchtung, barrierefreie Zugänge, ansprechende Farbgestaltung, gute Orientierung und Sicherheit. Auf diese neuen Ansprüche und Spannungsfelder bei Neubau, Umbau und Modernisierung von Parkbauten haben sich die Verantwortlichen der Branche mit großem Erfolg gestellt. Parkhäuser und Tiefgaragen sind nutzungsfreundlicher, heller, sicherer und ansprechender geworden. In den nächsten Jahren sind weitere Veränderungen zu erwarten - insbesondere im Zuge der Digitalisierung. Darauf müssen sich alle im Bereich Parkhäuser und Tiefgaragen tätigen Personen einstellen. Hierzu leistet das bereits in 9. Auflage stattfindende Kolloquium Parkbauten einen wesentlichen Beitrag. In rund 60 Fachvorträgen in fünf parallelen Sessions werden die neuesten Erkenntnisse über Planung, Gestaltung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung, Betrieb von Parkhäusern und Tiefgaragen zu folgenden Themenschwerpunkten präsentiert: • Elektromobilität • Konstruktion • Gestaltung und Architektur • Projektentwicklung • Neubau und Betrieb • Instandhaltung und Wartung • Schutzmaßnahmen • Prüfverfahren • Fugen • Gussasphalt • Rechtsfragen, Regelwerke • Sachkundiger Planer (SKP) • Forschung und Entwicklung Das vorliegende Tagungshandbuch enthält die vorab eingereichten Beiträge zu den Vorträgen und gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik sowie neueste Entwicklungen und Trends in Konzeption, Technik und Management von Parkbauten. Weitere Informationen unter: www.tae.de/ go/ parkbauten. 0.0a Vorwort.indd 5 13.01.20 18: 57 0.0a Vorwort.indd 6 13.01.20 18: 57 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Inhaltsverzeichnis 0. Plenarvorträge 1 0.1 Experimentelle Methoden - ein alternativer Weg zum Tragsicherheitsnachweis von Parkbauten 3 Prof. Dr.-Ing. Marc Gutermann, Werner Malgut 0.2 Schöner Parken ** Carina Kunert 1. Instandhaltung 11 1.1 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten 13 Dipl.-Ing. Werner Noebel, Thorsten Fienz 1.2 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben 25 Jürgen Feix, Johannes Lechner 1.3 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus 33 Susanne Gieler-Breßmer, Björn Krocker 1.4 Parkhaus P3, Saas Fee - Moderne Untersuchungsmethoden und ein innovativer Ansatz bei der Instandsetzung eines chloridverseuchten Bauwerks 55 Philipp Truffer 1.5 Objektbericht PH Karstadt Bielefeld 65 Detlef Koch, Björn Neuberger 1.6 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen für Bauherr, Planer und Ausführende 71 Dipl.-Ing. (FH) Christoph Köchling 1.7 Ganzheitliche Instandhaltungsplanung für Parkhäuser/ Tiefgaragen 91 Bernd Blohm 1.8 Korrosionsschutz für das City Parking, Zürich 95 Daniel Oberhänsli 1.9 Bauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking 99 Prof. Richard Heierli 1.10 Anwendung von BIM bei der Sanierung von Garagen 105 Mathis Münzner 1.11 Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit und Standsicherheit von Bauwerken in der Praxis 109 Dr.-Ing. K. Schöppel, Dr.-Ing. G. Stenzel 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 2. Elektromobilität 119 2.1 Das Parkhaus für die Energie- und Verkehrswende: Herausforderungen und Lösungen für den Bestand und Neubauten 121 Tim Schember, Daniel Borrmann 2.2 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen 125 Dennis Huschenhöfer, Jann Binder, Johannes Mieser, Joel Wenske 2.3 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus 137 Dipl.-Ing. Rainer Wenke 2.4 Einheitliche Ladeinfrastruktur in Garagen und Parkplätzen Die Garage: Mobilitätsknotenpunkt & Servicecenter 167 Michael Elbl 2.5 Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektro-Parkräume 169 Matthias Bohnert 3. Schutzmaßnahmen 175 3.1 Untersuchungen zur Druckwasserbeständigkeit rissüberbückender Beschichtungssysteme für Tiefgaragenbodenplatten im Grundwasser 177 Christoph Dauberschmidt, Felix Becker 3.2 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern 183 Christoph Dauberschmidt, Felix Becker, Andreas Fraundorfer 3.3 Nachhaltiger Brandschutz für Parkbauten durch moderne Epoxid-Brandschutztechnologie * Andreas Hoyer 3.4 Einflussfaktoren für hoch verschleißfeste Parkhausbeschichtungen 191 Dr. Thomas Pusel, Dr. Stefan Kühner, Sandro La Spina 3.5 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter 195 S ebastian Lücke M.Eng. 4. Neubau 207 4.1 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? 209 Christoph Gehlen, Frank Fingerloos 4.2 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten 221 Dr. Angelika Schießl-Pecka, Christian Linden, Anne Rausch, Dr. Marc Zintel 4.3 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten 233 Dr.-Ing. Gerhard Stenzel, Dr.-Ing. Klaus Schöppel 4.4 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien 241 Alexander Biffl 4.5 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? 255 Ilja Irmscher 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 5. Prüfverfahren 275 5.1 Zerstörungsfreie Untersuchung von Parkbauten, um Kenngrößen für Statik und Prüfstatik zu erlangen * Andreas Hasenstab, K. Zorzi 5.2 Automatisierte Erfassung von Rissen in Betonflächen 277 Dipl.- Ing. Hans-Joachim Ebers, Cher Sze Tan, M.Eng. 5.3 Korrosionsdetektion an Parkbauten: konventionell und innovativ 279 Alberto A. Sagüés, Leonidas Emmenegger, Sylvia Keßler 5.4 Wie lässt sich die Rautiefe gemäß WU-Richtlinie an Elementwandinnenoberflächen überprüfen? 281 Rolf-Rainer Schulz 5.5 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen 287 Dr.- Ing. Udo Antons, Dipl.-Ing. Helena Eisenkrein-Kreksch, Dr. rer. nat. Florian Jonietz, Dr. rer. nat. Rainer Krankenhagen 5.6 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) 295 Steven Millar, Cassian Gottlieb, Tobias Günther, Tobias Völker, Gerd Wilsch 5.7 Wie lange noch? - Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkdecks mit Chlorideinwirkung mittels Einbezug von LIBS-Untersuchungen 311 Dr. Matthias Lierenfeld, Nathan Metthez, Philipp Truffer 6. Konstruktion 321 6.1 Hybridbeam - mehr als die Summe eines Stahlträgers und Beton 323 Matthias Kintscher 6.2 Betonfertigteile für die Umkehrdachbauweise - Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Herstellers 329 Dipl. Ing. (FH) Dirk-Uwe Spengler 6.3 Praxisorientierte Lösungsmöglichkeiten für eine fachgerechte Parkdeckentwässerung 337 Werner Art, Mathias Johr 6.4 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details 339 Dipl.- Ing. Martin Mossau 6.5 Abdichtungen beim Bau von Tiefgaragen insbesondere zum Schutz von Heil- und Mineralquellen 359 Dipl. Ing (FH) Ralf Ziegler, Fridolin Sturm, B.Sc. 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 7. Forschung und Entwicklung 365 7.1 Chloridbeständigkeit eines hochlegierten Bewehrungsstahls im Trennrissbereich von Stahlbetonbauteilen 367 Christoph Dauberschmidt, Andreas Fraundorfer 7.2 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen 375 Dr. Marc Zintel, Christian Linden 8. Regelwerke 383 8.1 Planung trifft Ausführung - wechselseitige Herausforderungen 385 Dr.-Ing. Jörg Dietz 8.2 Die DBV-Beispielsammlung - DBV-Heft 42 zu Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten 387 Frank Fingerloos, Serdar Bilgin 9. Fugen 395 9.1 Dauerhafte Abdichtung von Fugen in Betonbauwerken mit Kompressions-Dichtprofilen 397 Gerhard Gebhards, Lutz Schröder 9.2 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise 401 Stefan Trichlin 9.3 Wassermanagement in Parkbauten - Fugensysteme und Rinnen - Planung und Ausführung 433 Dipl.-Ing. Stephan Sinz 10. Sachkundiger Planer 439 10.1 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen unter Beachtung der bauaufsichtlichen Bestimmungen - Erfahrungsbericht über Betoninstandsetzungsmaßnahmen 441 Dr.-Ing. Michael Fiebrich 10.2 Der Sachkundige Planer in der Instandhaltung - Aufgaben und Ausbildung 455 Dr.-Ing. Udo Wiens, Dr.-Ing. Martin Mangold, Dipl.-Ing. Momcilo Vidackovic 10.3 Instandsetzung von Parkbauten - Chancen und Grenzen des sachkundigen Planers mit Bezug zur Restnutzungszeit 459 Prof. Dr.-Ing. Stefan Linsel, Fachplaner Dieter Neff 11. Betrieb 461 11.1 Aktuelle Herausforderungen beim Betrieb von Parkhäusern und Tiefgaragen * Rainer Schneider 11.2 Betrieb und Wartung von Parkierungsanlagen 463 Dipl.-Ing. (FH) Ralph Dall’Osteria 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 12. Gussasphalt 473 12.1 Rampen/ Spindeln aus Gussasphalt - Notwendige Vorleistungen - Wie werden sie gebaut - Variationen in der Oberflächengestaltung - Beheizt ider unbeheizt * Konrad Ulbricht 12.2 Fehlerquellen bei der Abdichtung unter Gussasphalt mit Bitumenbahnen und ihre Vermeidung 475 Ansgar Tölle 12.3 Oberflächengestaltung einer Parkflächenabdichtung mit Gussasphalt * Ralf Hofmeister 13. Recht 479 13.1 Neues Bauvertragsrecht: 1 x 1 der Änderungsleistungen und deren Vergütung - Diskussion über einen AG-freundlichen Klauselvorschlag für Bauverträge * Hubert Bauriedl 13.2 Gutachten, Planung und Ausführung bei Parkbauten aus Stahlbeton - Technische Regelwerke und die gesetzliche Neuregelung des Architekten-/ Ingenieurvertrags mit Auswirkungen auf Neubauten und Erhaltungsmaßnahmen 481 Prof. Dr. Gerd Motzke 14. Wartung 491 14.1 Inspektion und Wartung von Parkbauten aus Sicht des Eigentümers und des Sachkundigen Planers 493 Dr. rer. nat. Diana Holzwarth, Volker Buchholz 14.3 Facetten der Inspektion und Wartung von Parkbauten - Chancen, Schnittstellen und Beteiligte 499 Thomas Laukemper, Lucas Falter, Daniel Kolthoff 15. Projektentwicklung 491 15.1 Design & Build - Das neue Parkhaus der Kölnmesse 505 Sascha Kukulka 15.2 Aufstockung des Parkhauses Moorenstraße im Universitätsklinikum Düsseldorf während des laufenden Betriebs * Ilja Irmscher 15.3 Planung von Parkhäusern für Umnutzungsoptionen in der Zukunft 511 Matthias Millow ** Manuskript lag bei Redaktionsschluss nicht vor. ** Manuskript ist nicht zur Veröffentlichung freigegeben. Anhang Programmausschuss 523 Beitragsverzeichnis nach Autorennamen 525 Plenarvorträge buch2.indb 1 13.01.20 15: 39 buch2.indb 2 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 3 Experimentelle Methoden - ein alternativer Weg zum Tragsicherheitsnachweis von Parkbauten Prof. Dr.-Ing. Marc Gutermann, Werner Malgut Hochschule Bremen Zusammenfassung Die Tragsicherheit bestehender Bauten wird vorrangig durch rechnerische Verfahren nachgewiesen. Die computergestützte Analyse von Tragstrukturen lässt es zu, die Ergebnisse vieler unterschiedlicher Einwirkungskombinationen und Randbedingungen in kurzer Zeit auszuwerten. Den Erfolg setzt voraus, dass alle wesentlichen Parameter bekannt sind. Fehlen Angaben über die Konstruktion (Geometrie, Lagerung, Werkstoffeigenschaften) oder mindern Bauwerksmängel die Tragfähigkeit ab, ist eine rein rechnerische Beurteilung mit vielen Unsicherheiten verbunden und führt meist zu negativen Ergebnissen. Dieser Beitrag erläutert wie der Nachweis ausreichender Tragsicherheit dennoch durch Einsatz experimentell gestützter Verfahren gelingen kann. 1. Einführung Mehr als 60% der Bauaufträge werden heute im Bestand umgesetzt. Eine wesentliche Voraussetzung für Nutzungs- und Investitionsentscheidungen für Parkbauten ist der Nachweis ausreichender Tragsicherheit für die gewünschten Lastansätze. Oftmals eine Herausforderung für den Tragwerksplaner, wenn zuverlässige Daten über Baustoffe und -konstruktion fehlen oder Bauwerkmängel die Tragfähigkeit abmindern. Wenn der rechnerische Nachweis nicht gelingt, wird meist konventionell verstärkt oder abgerissen und neu gebaut. Das sind jedoch nicht immer wirtschaftliche Varianten. Eine alternative Vorgehensweise ist der experimentell gestützte Nachweis, bei dem entweder wesentliche Parameter für einen rechnerischen Nachweis durch Versuche ermittelt werden, oder Belastungstests direkt nach Beendigung Planungssicherheit für den Baufortschritt bringen (Abb. 1). Abb. 1: Lösungsstrategien zum Tragsicherheitsnachweis für Bestandsbauten 2. Erfahrungen, Voraussetzungen und Bedingungen Die letzten Jahrzehnte waren gekennzeichnet durch einen eindrucksvollen Einzug der elektronischen Datenverarbeitung in alle Bereiche des Bauwesens. In der Statik ließ sich jedes Problem in immer besseren und umfangreicheren Rechenprogrammen modellieren und lösen. Umso detaillierter die Software, umso mehr Parameter müssen jedoch eingegeben und damit Annahmen getroffen werden. Oftmals führt gerade beim Bauen im Bestand ein rechnerischer Nachweis zu einem unbefriedigenden Ergebnis, da wesentliche Informationen fehlen oder Schäden eine zuverlässige Bewertung erschweren. Als alternativen Lösungsansatz bieten sich experimentell gestützte Verfahren an (Abb. 1), wenn alle anderen Ansätze zuvor nicht erfolgreich waren. Grundsätzlich empfiehlt sich ein abgestuftes Verfahren: 1. Abschätzung der Tragsicherheit, z. B. aufgrund vorhandener Unterlagen 2. Überschlägige Berechnung der Tragsicherheit, z. B. mit einfachen Berechnungsmodellen 3. Genaue Berechnung der Tragsicherheit, z. B. mit komplexen FE-Berechnungsansätzen und -modellen 4. Messwertgestützte Ermittlung der Tragsicherheit Die Bandbreite der möglichen Einsatzgebiete experimenteller Methoden ist schier unbegrenzt (Tabelle 1). Einige Fallbeispiele von Parkbauten werden im Kapitel 4 exemplarisch vorgestellt. Planungs- und Ausführungsdetails anderer Projekte können der Fachliteratur entnommen werden ([2], [3] und [4]). buch2.indb 3 13.01.20 15: 39 4 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Experimentelle Methoden - ein alternativer Weg zum Tragsicherheitsnachweis von Parkbauten Belastungsversuche Hybride Statik Überwachung Gebäude Decken, Unterzüge, Stützen, Fassaden, Treppen, Balkone, Dächer Austausch eines Kämpfersteines Erschütterungen (aus Zugverkehr) Ingenieurbau Abwassersysteme, Gründungen, Spundwände, Durchlässe Faltwerke, Fundamente von Windenergieanlagen Hubbrücke, Karussell Wasserbau Haltekreuze in Schleusen, Anker von Spundwänden Kragstützwand Segmentwehr, Tordichtung Brücken Gewölbe, Steinbogen, Stahlbeton, (Straße u. Schiene) Gewölbe Stahlfachwerk (Schiene) Koppelfugen, Seilschwingungen, Freischneidetechnik Tabelle 1: Anwendungsbreite und Beispiele erfolgreicher experimenteller Untersuchungen 3. Legalisierung Die experimentelle Tragsicherheitsbewertung ersetzt den rechnerischen Nachweis der Standsicherheit und wird nach unserer Erfahrung sowohl von den Prüfingenieuren als auch der Bauaufsicht der Länder akzeptiert. In Einzelfällen wurde eine Zulassung im Einzelfall verlangt, es ist daher sinnvoll alle Beteiligten schon im Planungsprozess zu involvieren. Die grundsätzliche Eignung und Zulässigkeit des die Rechnung begleitenden experimentellen Tragfähigkeitsnachweises auf der Grundlage der Regelungen der DAfStb-Richtlinie [1] wurde auch von der Fachkommission „Bautechnik“ der ARGEBAU bestätigt [5]. Die versuchsgestützte Bemessung ist auch im aktuellen Normenwerk enthalten: - Eurocode 0 - Grundlagen der Tragwerksplanung DIN EN 1990 (2010-12), Anhang D (informativ) - Eurocode 2 - Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken DIN EN 1992-1-1 (01.2011), Kapitel 2.5 4. Belastungstests Das grundsätzliche Prinzip ist einfach und bewährt: es wird ein Bauteil belastet und seine Reaktionen gemessen. Abb. 2 zeigt vereinfachend das Potenzial von Belastungsversuchen: die gemessenen Reaktionen sind kleiner als die rechnerisch prognostizierten, und die Versuchsziellast wird ohne überschreiten eines Grenzkriteriums erreicht. Als Konsequenz kann empfohlen werden, den nachgewiesenen Zuwachs ΔQd z.B. für eine Nutzlasterhöhung zu verwenden. Aus unserer langjährigen Erfahrungen betragen die Zuwächse meist 30-50% und können in Ausnahmefällen auch über 100% betragen (Abb. 3). Das Ergebnis liegt direkt nach Beendigung der Versuche vor und ist so lange gültig, bis wiederkehrende Bauwerksprüfungen Anlass für weitere Untersuchungen geben wie bei einem Neubau auch. Abb. 2: Sicherheitskonzept (idealisiert! ); ΔQ: nutzbarer Zuwachs der Verkehrslast Die historische Methode, Versuchslasten durch Ballast zu erzeugen ist der modernen und regelbaren Technik gewichen, Lasten hydraulisch im Kräftekreislauf zu erzeugen. So werden selbstsichernd die Beanspruchungen im Tragwerk simuliert, denen es nach Normung widerstehen muss. Dazu werden im Hochbau mobile Belastungsvorrichtungen genutzt, die kleinteilig transportiert und individuell an jede Aufgabe anpasst werden können (vgl. Abb. 9, 13 und 15). Die Technologie ermöglicht eine variable Anpassung an unterschiedliche Bauwerksgeometrien und Versuchslasten (F ≤ 750 kN). Ein Tragwerk ist in der Regel in ca. 3 Tagen untersucht, wovon jeweils 1 Tag für Installation der Belastungs- und Messtechnik, für die Messungen und den Abbau benötigt wird. Für Brücken kommen besondere Fahrzeuge zum Einsatz (Straßenbrücken: Belastungsfahrzeug BELFA; Eisenbahnbrücken: Belastungswaggon BELFA-DB), die an der Hochschule Bremen in kooperativen Forschungsprojekten mit der TU Dresden, der HTWK Leipzig und der BU Weimar entwickelt wurden [2]. Die charakteristischen Daten eines Versuchsablaufs, wie z.B. Lastgrößen, Verformungen, Dehnungen etc., werden durch die Nutzung elektrischer Messsysteme zeitgleich auf einem Monitor als Grafik angezeigt und zum Beispiel nach den folgenden Abbruchkriterien analysiert: - Grenzwerte (Einzelmesswerte der Durchbiegungen und Dehnungen) buch2.indb 4 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 5 Experimentelle Methoden - ein alternativer Weg zum Tragsicherheitsnachweis von Parkbauten - Reproduzierbarkeit (gleiche Bauwerksreaktion bei wiederholter Belastung keine nichtlinearen Verformungen in Abhängigkeit der Beanspruchungszunahme) - Reversibilität (keine bzw. geringe bleibende Verformung nach der Entlastung) Gängige Sensoren zur Zustandsbewertung von Bauwerken sind: - Kraftmessdosen zur Anzeige der eingeleiteten Kraft - Wegaufnehmer zur Analyse von Durchbiegungen, Verschiebungen, Rissweiten oder Dehnungen, die integral über die Beziehung ε = Δl/ l bestimmt werden. - Dehnungsmessstreifen zur örtlichen Kontrolle von Beanspruchungen. - Neigungssensoren zur örtlichen Analyse von Verdrehungen, z.B. um den Einspanngrad bei Auflagern oder Bauteilverbindungen zu bestimmen. - Schallsensoren zur Analyse besonderer Ereignisse, die Schall freisetzen, wie z.B. Rissbildung oder Rissuferreibung. Der aktuelle Bauteilzustand kann besser eingeschätzt werden, so dass Belastungen oberhalb des Gebrauchslastniveaus bei sprödem Materialverhalten zusätzlich abgesichert werden. - Lufttemperatur [°C] oder Windgeschwindigkeit [m/ s], um bei jeder Messung im Besonderen im Freien die Umwelteinflüsse auf die Messung zu dokumentieren. Dabei ist bei der Planung Vorsicht geboten. „Wer viel misst, misst Mist“ ist ein geflügeltes Sprichwort und umschreibt zutreffend den Umstand, dass die gewonnenen Daten zeitgleich auf Plausibilität geprüft sowie analysiert werden müssen. Denn der Belastungsversuch darf sich weder negativ auf die Gebrauchstauglichkeit noch auf die Dauerhaftigkeit des Bauteils auswirken. Bedingung für die Durchführung ist daher, die Aufgabe umfassend zu analysieren, erwartete Reaktionen zu berechnen und die Versuchsplanung auf die Ergebnisse abzustimmen. Dies setzt eine gewisse Erfahrung voraus, denn auch die „Richtlinie für Belastungsversuche an Betonbauwerken“ des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton [1] enthält keine detaillierten Hinweise zur Versuchsdurchführung. Dort werden lediglich die grundsätzlichen Vorgehensweisen sowie die Formeln aufgezeigt, mit denen z.B. die Versuchsziellasten oder Grenzwertkriterien zu ermitteln sind. Abb. 3: Steigerungspotenzial der Nutzlast durch Belastungsversuche (Torte = Gesamttragfähigkeit einer Massivdecke) Beim Belastungsversuch wird der Tragwerkszustand inklusive aller realen Randbedingungen getestet, sodass Unsicherheiten wegfallen und die Lasten deutlich über das rechnerisch nachgewiesene Lastniveau gesteigert werden können (Abb. 3). Denn ein Rechenmodell bleibt immer ein Modell und kann die physikalische Wirklichkeit nur so gut beschreiben wie zutreffend seine Annahmen waren. Und letztere sollten selbstverständlich immer auf der sicheren Seite liegen. 5. Anwendungsbeispiele 5.1 Autoterminal Bremerhaven Das Autoregal K II im Kaiserhafen von Bremerhaven ist zu Beginn der 1990er Jahre errichtet und in Betrieb genommen worden (Abb. 4). Abb. 4: Autoregal KII Die Geschossdecken bestehen aus schlaff bewehrten Stahlbeton-Trogplatten, die als punktgelagerte Fertigteile ausgebildet worden sind. Es handelt sich um eine 4 feldrige Stahlbetonplatte mit 5 Nebenunterzügen in Querrichtung und 2 Hauptunterzügen in Längsrichtung (Abb. 5). Abb. 5: Untersicht Trogplatte (l = 13,6 m, b = 4,65 m) Aufgrund immer größerer und damit schwerer werdender Fahrzeuge sollte die tragende Konstruktion erneut statisch nachgewiesen werden. Eine Nachrechnung ergab, dass bei den Trogplatten sowohl die Stützmomente der Deckenspiegel als auch die Quer- und Längsunterzüge unkritisch waren. Die Feldmomente der Platten waren rechnerisch jedoch nicht nachweisbar, da sich die Biegung in den einzelnen Feldern mit der Biegung des buch2.indb 5 13.01.20 15: 39 6 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Experimentelle Methoden - ein alternativer Weg zum Tragsicherheitsnachweis von Parkbauten Gesamtsystems überlagern. Zudem war die Feldbewehrung über den Nebenunterzügen gestoßen und damit die Endverankerung nicht nachweisbar. Der Nachweis sollte mit Belastungsversuchen im Betrieb erbracht werden. Das Versuchskonzept wurde in Abstimmung mit den beteiligten Ingenieurbüros entwickelt und mit dem Prüfingenieur abgestimmt. Zur Auswahl einer Stichprobe wurden von der Ingenieurgesellschaft Nordwest mbH alle Felder einer Bauwerksprüfung unterzogen und ihr Zustand bewertet. Für die Belastungsversuche wurden 10 Platten ausgesucht (2 Messorte mit jeweils 5 übereinanderliegenden Trogplatten). Die ausgesuchten Bereiche wurden bei der Bauwerksprüfung als „Durchschnittsplatten“ bewertet (Zustand: ,o‘, bzw. ,o (-)‘). Alle Platten mit einer schlechteren Bewertung (,-‘ oder ,--‘) sollten konventionell saniert werden und waren daher nicht Bestandteil der experimentellen Untersuchungen. Alle weiteren Bauteile (z.B. Konsolen, Stützen, Gründung, etc.) waren vom Tragwerksplaner im Bedarfsfall konventionell nachzuweisen. Die nachzuweisenden Verkehrslasten waren je nach Bauteil gestaffelt: Hauptunterzüge (l = 13,20 m) p = 1,50 kN/ m² Nebenunterzüge (l = 4,25 m) p = 2,00 kN/ m² Deckenplatte (d = 10 cm) p = 3,50 kN/ m² Schneelast - nur Decke über 4. OG s = 0,75 kN/ m² Die Versuchslasten von bis zu FZiel ≤ 115 kN wurden pro Trogplatte an bis zu 64 Teilflächen (ca. 20 x20 cm) eingeleitet (Abb. 6). Abb. 6: Lastverteilungstraversen und Messbasis zur Durchbiegungsmessung Als Gegenkraft dienten Betonblöcke, die im Erdgeschoss abgestellt und über Zugstangen mit der Lastverteilung auf den Deckenplatten verbunden waren (Abb. 7). Hydraulische Pressen mit Kraftmessdosen sorgten dafür, dass die Versuchslast regelbar eingeleitet werden konnte. Abb. 7: Gegengewichte (55,2 t) mit Hydraulikpressen und Zugstangen Die Versuchslasten wurden bis zur Versuchsziellast kontrolliert gesteigert, während die maßgebenden Bauteilreaktionen (z.B. Durchbiegungen und Dehnungen) zeitgleich am Computer analysiert werden konnten. Dabei wurden die Verformungen sowohl absolut (relativ zu den unbelasteten Trogplatten) als auch relativ (Differenzenbildung mit den Verformungen der angrenzenden Bauteile) angezeigt (Abb. 8). Abb. 8: Absolute Vertikalverschiebung der Nebenunterzüge Alle Versuchsziellasten wurden ohne Verletzen eines Grenzwertkriteriums erreicht, so dass die Tragsicherheit der Stahlbeton-Trogplatten, bestehend aus den Tragelementen Deckenfelder, Neben- und Hauptunterzüge, für die gewünschten Verkehrslasten p = 1,5 - 3,5 kN/ m² experimentell nachgewiesen werden konnten. Durch die umfangreiche Voruntersuchungen zum bauwerkszustand der einzelnen Trogplatten konnten die Ergebnisse ohne weitere Berechnungen oder Nachweise buch2.indb 6 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 7 Experimentelle Methoden - ein alternativer Weg zum Tragsicherheitsnachweis von Parkbauten auf alle weiteren (ungestesteten) Decken des Autoregals KII direkt übertragen werden, sofern ihre Zustandsbewertung ,o (-)‘ oder besser ist. Voraussetzungen für die dauerhafte Einstufung in die Lastenklasse im Restnutzungszeitraum sind: - Einhaltung der Lastansätze - Erhaltung des baulichen Zustands für den Restnutzungszeitraum (keine tragsicherheitsrelevante Veränderung oder Schädigung des Tragwerks); wiederkehrende Bauwerksprüfung Es wurde im Sinne der Restnutzungszeit des Tragwerks empfohlen (Dauerhaftigkeit), die Abdichtung der obersten Etage zu erneuern. 5.2 Tiefgarage Hamburg Das Gebäude mit integrierter Tiefgarage wurde 1967 geplant und gebaut. Eine Betonsanierung und die Erneuerung des Belags erfolgten im Jahr 2015. Die Tiefgarage hat eine Grundfläche von ca. 25 x 30 m. Bei dem Tragwerk handelt es sich um einachsig gespannte Decken, die auf Unterzügen (40/ 46 cm) im Achsabstand von 4,68 m auflagern (Abb. 9). Abb. 9: Grundriss der Tiefgaragendecke (Ausschnitt) Die ursprünglich geplante Nutzlast lag bei 5,0 kN/ m² bzw. einem 12 t-LKW. Die Nutzung setzte jedoch eine Befahrbarkeit mit Fahrzeugen voraus, deren Beanspruchungen der Brückenklasse 16/ 16 inkl. Schwingbeiwert ϕ entsprechen (Abb. 10). Abb. 10: Tiefgaragendecke mit Belastungsvorrichtung Aufgrund des frisch sanierten und gedichteten Belages konnte in diesem Fall die Decke zur Versuchslasteinleitung nicht durchbohrt werden. Die Lösung war, eine Stahlträgerkonstruktion auf der Decke aufzubauen, die außerhalb des Einflussbereiches auf Unterzügen gelagert ist und mit Ballast beschwert wird (Abb. 10). Die Unterzüge wurden für die Belastungsversuche hilfsweise mit Schwerlaststützen abgefangen (Abb. 12). Gegen die ballastierten Stahlträger konnten nun in einem Teilbereich der Decke die Lasten hydraulisch und regelbar (FZiel ≤ 650 kN) eingeleitet werden (Abb. 11). Abb. 11: Hydraulische Belastungserzeugung gegen Ballast auf Stahlträger-Konstruktion Die messtechnische Ausstattung der Bauteile erfolgte von der Unterseite, um z.B. Dehnungen, Durchbiegung und Rissweitenveränderung zu erfassen (Abb. 12). Um eine beginnende Schädigung (Entstehen von Mikrorissen) im Schubbereich zu erkennen, wurde zusätzlich eine Schallemissionsanalyse eingesetzt. Abb. 12: Stative mit Messbasen - Durchbiegungsmessung an der Deckenunterseite Die Bauteilreaktionen von 2 Plattenfeldern und einem Unterzug zeigten ein annähernd lineares Last-Durchbiegungsverhalten bis zur Gebrauchslast (Abb. 13). Die begleitende Schallemissionsanalyse bestätigte, dass wähbuch2.indb 7 13.01.20 15: 39 8 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Experimentelle Methoden - ein alternativer Weg zum Tragsicherheitsnachweis von Parkbauten rend der Versuche keine (Schub-)Mikrorisse entstanden sind. Die gewünschte Nutzlast (Brückenklasse 16/ 16, ϕ = 1,10) konnte erfolgreich nachgewiesen werden Abb. 13: Vertikalverschiebungen im Feld bei Nachweis des maximalen Biegemomentes 5.3 Parkdeck Riga Im Rahmen einer Baubegutachtung wurde an dem Parkhaus mit 4 Ebenen erhebliche Rissbildung in den tragenden Konstruktionen (Stahlbetonplatten, -balken und -stützen) festgestellt. Das Parkhaus wurde nach der russischen Norm SNiP konstruiert und bemessen. Eine Nachrechnung auf Basis des Eurocodes 2 ergab, dass die Konstruktion nicht tragsicher ist. Es wurde vereinbart, in Musterbereichen Belastungsversuche durchzuführen. Durch eine Vorberechnung wurden die Bauteile identifiziert, die die ungünstigsten Verhältnisse aufwiesen (Ausnutzungsgrad, Bauteilzustand). Das Versuchsprogramm umfasste sowohl Plattenbereiche (Abb. 14) als auch mehrere Rahmensysteme (Abb. 15 und 16). Abb. 14: Lasteinleitung und Messbasis (Nachweis Kragplatte) Abb. 15: Querschnitt des Parkhauses (Dreifeld-Rahmensystem) Um aufwändige Versuchsaufbauten zu vermeiden, wurde bei diesem Projekt die Belastung so organisiert, dass die oberste Decke mit dem schlechtesten Erhaltungszustand getestet und das Gegengewicht aus dem Eigengewicht der darunterliegenden Stockwerke aktiviert wurde (Abb. 16). Abb. 16: Lasteinleitung und Rückverankerung (Längsschnitt: Einfeld-Rahmensystem) Abb. 17: Schubdehnungs- und Rissweitenmessung an hochbelasteten Rahmenecken buch2.indb 8 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 9 Experimentelle Methoden - ein alternativer Weg zum Tragsicherheitsnachweis von Parkbauten Je nach Bauteilzustand variierte der messtechnische Aufwand, da neben globalen Reaktionen wie Durchbiegungen oder Biegedehnungen zusätzlich örtliche Problemstellen ausgestattet wurden, um Schubdehnungen, Rissweiten oder Rissbildung (Schallemissionsanalyse) zu überwachen (Abb. 17). Die Belastungsversuche offenbarten ein deutlich nichtlineares Verformungsverhalten oberhalb der Gebrauchslast. Insbesondere hochbeanspruchte Schubfelder (Abb. 17 und 18) und Rissweiten zeigten kritische Werte bei Erreichen der Versuchsziellasten. Die Schallemissionsmessung zeichnete jedoch vorwiegend Ereignisse mit langer Signaldauer aus, die sich einer Rissuferreibung zuordnen ließen (Abb. 19). Ursachen waren wahrscheinlich bereits vorhandene Risse oder der teilweise abgelöste Fahrbahnbelag. Abb. 18: Schubdehnung der Rahmenecke (vgl. Abb.17) Abb. 19: Ergebnisse Schallemissionsmessung Innerhalb einer Woche konnten die Nachweise an einer Kragplatte und 3 Rahmensysteme erfolgreich abgeschlossen werden, so dass das Parkhaus für die aktuellen Lastansätze (Verkehrslast p = 2,5 kN/ m² und Ausbaulast g2 = 0,5 kN/ m²) freigegeben werden konnte. Partiell wurden während der Belastung größere Rissweiten bis w ≤ 1,0 mm erreicht, die anschließend saniert wurden. Zur Wiederherstellung der Dauerhaftigkeit wurden eine Erneuerung der Fahrbahnabdichtung und eine Beschichtung der gerissenen Oberflächen empfohlen. 6. Ausblick Experimentelle Methoden loten die Tragwerksreserven bestehender Bauwerke aus und können selbst dann ein erfolgsversprechender Lösungsansatz sein, wenn umfangreiche rechnerische Analysen unbefriedigende Ergebnisse erzielt haben. Voranschreitender Computerhörigkeit trotzend bieten sie eine wirtschaftlich attraktive Alternative zu Abriss und Neubau und leisten einen wichtigen Beitrag, um Baukultur zu bewahren. Literatur Eine ausführliche Dokumentation einzelner Anwendungsbeispiele wurde veröffentlich in: [1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb, Hrsg.): Richtlinie für Belastungsversuche an Betonbauwerken. Berlin: Beuth, 9/ 2000. [2] Gutermann, M., Schröder, C.: 10 Jahre Belastungsfahrzeug BELFA. Entstehung, Erfahrungen und Ausblick. In: Bautechnik, 88. Jahrgang, Heft 3, Ernst & Sohn, März 2011, S. 199-204 [3] Gutermann, M., Gersiek, M., Löschmann, F., Patrias, M.: Der Löwenhof in Dortmund: Experimentelle Statik zum Erhalt historischer Eisenbetondecken, Ernst & Sohn, Bautechnik Ausgabe 1/ 2018 [4] Gutermann, M., Kahl, D.: Energetische Ertüchtigung einer Waschbetonfassade: Experimente ersetzen den rechnerischen Tragsicherheitsnachweis. In: Ernst & Sohn Special 2013, Innovative Fassadentechnik [5] Manleitner et al., "Belastungsversuche an Betonbauwerken“, Beton- und Stahlbetonbau 96, 2011, Heft 7, S. 489 buch2.indb 9 13.01.20 15: 39 buch2.indb 10 13.01.20 15: 39 Instandhaltung buch2.indb 11 13.01.20 15: 39 buch2.indb 12 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 13 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten Werner Noebel, Dipl.-Ing. Husqvarna Deutschland GmbH, HTC Floor Systems Thorsten Fienz Husqvarna Deutschland GmbH, HTC Floor Systems Zusammenfassung Durch Schälen kann man alte OS8 oder OS11 Beschichtungen in Parkbauten betonschonend abtragen und gleichzeitig eine optimal vorbereitete Oberfläche für eine neue Beschichtung erhalten.Zwei unabhängig voneinander erstellte Institutsuntersuchungen bestätigen in Verfahrensvergleichen, dass durch Schälen sehr gute Oberflächenzugfestigkeitswerte und die besten Scherfestigkeitswerte für eine neue Beschichtung erreicht werden. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass eine sehr grobe Oberfläche, aufgrund einer sogenannten „Verkrallung“, die beste Scherfestigkeit ergeben müsste, zeigen beide Institutsuntersuchungen, dass die scheinbar „glatte“ Oberfläche durch Schälen bessere Scherfestigkeitswerte erzeugt, als mit anderen Verfahren vorbereitete Flächen. Bereits vor einigen Jahren wurde durch die AMPA - Amtliche Materialprüfanstalt für das Bauwesen [1] in Kassel bei Untersuchungen festgestellt, dass bei der Sanierung durch Fräsen Mikrorisse bis zu 15 mm Tiefe entstehen. Diese sind dafür verantwortlich, dass die Haftzugfestigkeit des Betons weit unter die zulässigen Werte für eine neue Beschichtung absinkt. 1. Betonschonende Untergrundvorbereitung mit Schäl-Technik Bild I: OS 8 Parkhaus Instandsetzung Riem Arcaden in München Ein Hauptkriterium in Parkbauten ist es zu verhindern, dass eingetragenes salziges Tauwasser im Winter über die Schwindrisse die Bewehrung im Beton schädigt. In diesen und anderen Fällen kommt man nicht umhin den Betonboden mit Kunststoff zu beschichten, mit dem Nachteil, dass ca. alle 10-15 Jahre die alten Beschichtungen saniert werden müssen. Bei der Sanierung von Parkbauten muss dabei in der Regel zuerst die alte Beschichtung entfernt werden. Bild II: Zeigt was man befürchtet Es gibt hierzu bekannte Verfahren wie z. B. Fräsen, mit Vorteilen aber auch mit gravierenden Nachteilen. Bei der Einführung von neuen Verfahren werden in der Regel Fragen zu Oberflächenzug- und Scherfestigkeits-werten sowie zur Betonschädigung in Form von Mikrorissen gestellt. buch2.indb 13 13.01.20 15: 39 14 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten Institutsuntersuchungen: Um diese Fragen objektiv zu beantworten hat die HTC Floor Systems GmbH die AMPA - Amtliche Materialprüfanstalt für das Bauwesen damit beauftragt, diese Fragen in Form eines Institut Prüfberichts [1], im Rahmen eines Verfahrensvergleichs unabhängig zu untersuchen. Im September 2012 wurden von der AMPA in Kassel Vergleichsuntersuchungen [1] zwischen Schleiftechnik bzw. Schältechnik, Kugelstrahlen, Fräsen und Höchstdruckwasserstrahl (HDW) auf einer 8 x 6 Meter großen Musterfläche durchgeführt. Bild 1: Aufteilung der AMPA Musterfläche [1] Bild 2: Beschichtete Musterfläche AMPA Kassel Im Sommer 2014 wurde die Hochschule München - Labor für Baustoffe von HTC damit beauftragt, auf weiteren Testflächen die nachfolgend beschriebenen Untergrundvorbereitungsverfahren nochmals unabhängig zu untersuchen. Alle Verfahren wurden auf neu hergestellten Aufbetontestflächen sowie auf zwei Bestandtestflächen angewendet. Ziel der Arbeit war es, mit Hilfe von Versuchsreihen herauszufinden, welche Verfahren sich für die Untergrundvorbereitung von Betonflächen eignen, die anschließend beschichtet werden sollen. Dabei wurden die ermittelten Kennwerte und Festigkeiten miteinander verglichen und auf eventuelle Zusammenhänge geprüft. [2] Bild 3: Übersichtsplan Testflächen München [2] buch2.indb 14 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 15 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten 2. Verfahrensvergleich 2.1 Kugelstrahlen OS8 und OS11 Parkhaus-Beschichtungen lassen sich in der Regel mit Kugelstrahlen nicht abtragen. [1] Bild 4: Versuchergebnis, die Beschichtung nur mitKugelstrahlen abzutragen Kugelstrahlen wird zumeist lediglich als nachträglicher Arbeitsgang zu Fräsen und HDW eingesetzt. 2.2 Feinfräsen „Fein“-Fräsen bedeutet, dass man eine etwas kleinere und leichtere Straßenfräse einsetzt. Bild 5: Kleine Straßenfräse Die Straßenfräse wird dann mit einer sogenannten „Fein“-Fräswalze bestückt, die ca. dreimal mehr und kleinere Meißel hat als eine Standard-Straßenbauwalze. Bild 6: „Fein“-Fräswalze Selbst 10 mm starke Beschichtungen lassen sich mit einer Fräse mühelos abtragen, allerdings mit dem ungewollt hohen Abtrag der Betondecke von bis zu ca. 1 cm. Die Oberflächenzugfestigkeitswerte des Betons liegen danach regelmäßig unterhalb des nach ZTV-ING [3] für eine Beschichtung vorgeschriebenen Werts von mindestens 1,5 N/ mm². Bild 7: „Fein“-Fräsen Der Begriff „Fein“-Fräsen verharmlost das Verfahren, es ist vielmehr ein Meißeln mit vertikalem Krafteintrag. Der Beton wird laut dem AMPA-Prüfbericht [1] mit bis zu 2 cm tiefen Mikrorissen im Beton geschädigt, die wiederum ursächlich für die schlechten Oberflächenzugfestigkeitswerte sind. Seit einer früheren AMPA Untersuchung gibt es in den Hessen Mobil internen Regelungen/ Ergänzungen folgende Vorgabe: „Aufgrund mehrfach aufgetretener Schäden im Rahmen von Bauwerksinstandsetzungen ist großflächiges Fräsen der Betonoberfläche als Oberflächenvorbereitung nicht mehr anzuwenden.“ [4] Fräsen ist zudem: - sehr laut und erzeugt einen hohen Festkörperschall im gesamten Gebäude. - eine staubige Angelegenheit, da es ohne Staubabsaugung erfolgt. - nacharbeitsintensiv, da ein Kugelstrahlgang und eine zusätzliche Kratzspachtelung erforderlich sind. buch2.indb 15 13.01.20 15: 39 16 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten Der zusätzliche Kugelstrahlgang ist zwingend erforderlich, um einen Großteil der durch das Meißeln gelockerten Betonoberfläche abzutragen. Bild 8: Kugelstrahlen nach „Fein“-Fräsen Die Rautiefe einer gefrästen Oberfläche liegt über 1,5 mm, so dass nach ZTV-ING [3] eine zusätzlichematerial- und arbeitszeitaufwendige Kratzspachtelung erforderlich ist. Bild 9: Kratzspachtelung nach „Fein“-Fräsen Laut Betonsachverständigem „schädigt Fräsen aber nicht nur den Beton, sondern führt auch oft zu organisatorischem Ärger auf den Baustellen. Dazu gehören zum Beispiel Nachtragsforderungen für „verfestigend“ wirkende Grundierungen, mit denen der durch Fräsen geschädigte Beton wieder ertüchtigt werden muss. Auch die beim Fräsen entstehenden Rautiefen und deren Ausgleich sind häufig Gegenstand unangenehmer Diskussionen.“ [5] 2.3 Lammellenfräsen (auch Klopffräsen oder Schlaglamellenfräsen genannt) Eine Lamellenfräse kann in der Regel eine Beschichtung alleine nicht abtragen, es ist ein vorheriges Flammstrahlen erforderlich. Das Lamellenfräsen erfolgt in der Regel ohne Staubabsaugung. Bild 10: Lamellenfräsen Es ist ein zusätzlicher Kugelstrahlgang erforderlich, der durch das Klopfen gelockertes Gefüge von der Betonoberfläche abträgt. Bild 11: Lamellenwalzen einer Lamellenfräse Die beim Lamellenfräsen entstehenden Längsriefen müssen abschließend noch kratzgespachtelt werden, da ansonsten nicht gewährleistet ist, dass später eine ebene, beschichtete Fahrbahn entsteht. Vor dem Lamellenfräsen ist zur Vorbereitung ein zusätzliches Flammstrahlen erforderlich um die Beschichtung vorzuschädigen. Bild 12: Vorbereitendes Flammstrahlen buch2.indb 16 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 17 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten Dieses Verfahren wurde von der AMPA nicht weiter untersucht, weil wir aufgrund der Anzahl und Art der erforderlichen Arbeitsgänge (Flammstrahlen, Lamellenfräsen, Kugelstrahlen und Kratzspachteln) zu große wirtschaftliche Nachteile sahen. 2.4 Höchstdruckwasserstrahlen (HDW) Bild 13: Höchstdruckpumpe - 2.500 Bar Höchstdruckwasserstrahlen (HDW - 2.500 bar) ist ein relativ teures Verfahren mit einer geringen Flächenleistung. HDW Handlanze ist zudem durch den hohen Rückstoß und die erforderliche Schutzkleidung eine gefährliche Schwerstarbeit. Bild 14: HDW Handlanze HDW erzeugt ein Menge Schlamm aus Beschichtungs-Material und Beton sowie Schmutzwasser, welches aufgefangen und gefiltert sowie aufwendig aufbereitet (pH neutralisiert) werden muss, bevor es in das Abwasser geleitet werden darf. Die Rautiefe einer entschichteten HDW Oberfläche liegt über 1,5 mm, so dass nach ZTV-ING [3] eine zusätzliche material- und arbeitszeitaufwendige Kratzspachtelung erforderlich ist. Bild 15: HDW Oberfläche Entgegen der Ansicht vieler Experten ergaben die Untersuchungen durch die AMPA [1], dass die kraterartige Oberflächenstruktur, hervorgerufen durch den Einsatz von HDW-Handlanzen, nicht zu einer hohen Scherfestigkeit führt, sondern eine durch Schälen plus Kugelstrahlen vorbereitete Fläche die besten Scherfestigkeitswerte ergibt. Bild 16: AMPA - Universität Kassel Amtliche Materialprüfanstalt für das Bauwesen Scherfestigkeitsvergleich Testaufbau [6] Bild 17: Hochschule München - Labor für Baustoffe Scherfestigkeitsvergleich Testaufbau [7] buch2.indb 17 13.01.20 15: 39 18 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten Eine zweite Untersuchung im Sommer 2014 an der Hochschule München - Labor für Baustoffe bestätigte, dass eine durch Schälen plus Kugelstrahlen vorbereitete Fläche 1,7 bzw. 1,8 mal höhere Scherfestigkeitswerte ergibt als Fräsen bzw. HDW plus Kugelstrahlen. [2] 2.5 Schälen (Schleiftechnik) Beschichtungen lassen sich durch Schleifmaschinen mit Planetenantrieb und speziellen Diamant-Schäl-Werkzeugen sehr gut abtragen. Bild 18: Schleifmaschine mit Planetenantrieb Ein Planetenantrieb besteht aus einem rotierenden Schleifkopf und vier gegenläufig rotierenden Schleifscheiben. Diese Technik erzeugt beim Schälen eine absolut ebene Oberfläche. Bild 19: Schälen Die Flächenleistung liegt bei einer Schleifmaschine mit ca. 1 Meter Arbeitsdurchmesser bei ca. 20-60 m²/ h und ist abhängig von der Härte und der Dicke der Beschichtung sowie der Ebenheit des Betonbodens. Die dem AMPA Prüfbericht [1] zugrunde liegende Untersuchung kommt bei einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu dem Ergebnis, dass Schälen unter Berücksichtigung der Kosten und der Flächenleistung das wirtschaftlichste Verfahren ist. [8] Der Abtrag der Beschichtung erfolgt mit eigens dafür entwickelten polykristallinen (PKD) Diamant-Schäl-Werkzeugen. Bild 20: (PKD) Diamant Schälwerkzeug Von allen Untergrundvorbereitungsverfahren hat Schälen die höchste Oberflächenzugfestigkeit und die höchste Haftzugfestigkeit. [2] Der AMPA Prüfbericht [1] bestätigt, dass das Schälen im Gegensatz zum Fräsen keine Betonschäden in Form von Mikrorissen im Gefüge verursacht. Die sehr guten Oberflächenzugfestigkeitswerte nach dem Schälen lassen sich sowohl laut AMPA Prüfbericht [1] als auch der Untersuchung der Hochschule München [2] durch einen zusätzlichen Kugelstrahlgang nicht weiter verbessern. Aufgrund der Ergebnisse der beiden Scherfestigkeits-Untersuchungen [1] [2] empfehlen wir, vor der Grundierung einen zusätzlichen Kugelstrahlgang durchzuführen, um eine maximale Scherfestigkeit zu gewährleisten. Bild 21: Geschälte Oberfläche buch2.indb 18 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 19 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten Die Rautiefe der geschälten Oberfläche liegt weit unter 1,5 mm, so dass nach ZTV-ING [3] keine zusätzliche, kostspielige Kratzspachtelung erforderlich ist. 3. Parkbauten-Sanierung In Betonbauwerken wie Parkhäusern, Tiefgaragen oder auf Parkdecks hat sich Schälen als Verfahren zum Entfernen von Altbeschichtungen bereits etabliert. Bild 22: Parkhaussanierung [9] Die geschälte Oberfläche ist ohne eine zusätzliche Kratzspachtelung bereit für eine neue Beschichtung. Bild 23: Geschälte Oberfläche [9] Die gesamte geschälte Betonoberfläche ist absolut eben und ohne Spurrillen von den Überlappungen der einzelnen Abtragungsspuren wie bei anderer Untergrund-Vorbereitungsverfahren. Die geschälte Betonoberfläche ist damit ohne eine zusätzliche Kratzspachtelung auch für eine 1,5 mm Dünnbeschichtung geeignet. Bild 24: Geschälte, ebene Gesamtoberfläche [9] Bei sehr großen Parkflächen sind zu Erreichung einer entsprechenden Flächenleistung in der Regel 2 bis 3 Schleifmaschinen gleichzeitig im Einsatz. Bild 25: Zwei Schleifmaschinen auf Parkdeck [9] 4. Projekt Kurzberichte 4.1 Düsseldorf Airport - VIP-Parkhaus Ende Juni 2014 fand die Eröffnung des ersten automatischen VIP-Parkhauses am Düsseldorfer Airport statt. Die automatische Parkanlage ist eine technische Weltneuheit und besteht aus drei Parkrobotern sowie sechs Übergabeboxen. Bild 26: Düsseldorf Airport - VIP-Parkhaus 3 [10] buch2.indb 19 13.01.20 15: 39 20 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten Im Zuge des Einbaus der automatischen Parkanlage wurde der über die Jahre unansehnlich gewordene Gussasphaltboden des Parkhauses 3 im kompletten Kundenbereich in nur 2 Wochen geschliffen und imprägniert. Bild 27: Düsseldorf Airport - VIP-Parkhaus 3 vor der Sanierung Bild 28: Parkroboter in Übergabebox Nr. 05 [10] Das Ergebnis ist ein kundengerechter und zugleich strapazierfähiger sowie pflegeleichter Boden. Deutlich geringere Sanierungszeiten und -kosten sowie die längere Lebensdauer waren ausschlaggeben für die Entscheidung für eine Sanierung mit Schleiftechnik anstatt einer Spezialbeschichtung auf Gussasphalt. 4.2 Parkhaus Hanse Viertel Hamburg Bild 29: Parkhaus Hanse Viertel Hamburg Im September 2014 wurde im Hamburger Hanse-Viertel, einem gemischten Geschäfts-, Büro- und Wohngebiet, in den Nächten die alte geschädigte OS8 Beschichtung der über 440 Parkhausstellplätze saniert. Folgende Kriterien sprachen für die Sanierung mit Schleiftechnik anstatt zu Fräsen: - Die Schältechnik war erheblich leiser als Fräsen und erzeugte im gesamten Gebäudekomplex einen wesentlich geringeren Festkörperschall, der die Nachtruhe der Anwohner nicht beeinträchtigte. - Durch die direkte Staubabsaugung an der Schleifmaschine mit einem leistungsstarken Sauger war der Abtrag der Altbeschichtung nahezu staubfrei. - Die Schältechnik ist im Vergleich zur Frästechnik ein betonschonenderes Verfahren ohne Mikrorisse zu erzeugen und erzielt im Endergebnis bessere Ober-flächenzugfestigkeitssowie beste Scherfestigkeits-werte. - Durch die Einsparung der Kratzspachtelung ist die Schältechnik, insgesamt gerechnet, auch das kommerziell günstigste Vorbereitungsverfahren. - Die geschälte Betonoberfläche wurde lediglich noch kugelgestrahlt und dann direkt grundiert. 4.3 Parkdeck Möbelhaus in Bielefeld Bild 30: Parkdeck schwedisches Möbelhaus in Bielefeld Im Mai 2015 wurde auf dem Parkhaus eines schwedischen Möbelhauses in Bielefeld, in einem gemischten Wohn- und Gewerbegebiet, tagsüber, die alte geschädigte OS11 Beschichtung des Parkdecks saniert. Das ca. 8.000 Quadratmeter große Parkdeck hat eine „weiche“ Stahlverbund Trapezdecke mit nur ca. 10 cm Betonstärke und einer Eigenfrequenz von ca. 3-4 Hertz. buch2.indb 20 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 21 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten Bild 31: Stahlverbund Trapezdecke von unten Hauptkriterien für die Untergrundvorbereitung mit Schältechnik, anstatt zu Fräsen waren: - Dass die „weiche“ Stahlverbund Trapezdecke (3-4 Hertz) nicht in Eigenschwingungen versetzt wurde. - Die Gewährleistung eines möglichst geringen Betonabtrags der dünnen Stahlverbund Trapezdecke. - Dass der nach TA-Lärm vorgegebenen Umgebungs-Schalldruckwerte für ein gemischtes Wohn- und Gewerbegebiet von tagsüber 60 dB eingehalten wird. - Durch die direkte Staubabsaugung an der Schleifmaschine mit einem leistungsstarken Sauger war der Abtrag der Altbeschichtung nahezu staubfrei. - Die Schältechnik ist im Vergleich zur Frästechnik ein betonschonenderes Verfahren ohne Mikrorisse zu erzeugen und erzielt im Endergebnis bessere Ober-flächenzugfestigkeitssowie beste Scherfestigkeits-werte. - Durch die Einsparung der Kratzspachtelung ist die Schältechnik, insgesamt gerechnet, auch das kommerziell günstigste Vorbereitungsverfahren. - Die geschälte Betonoberfläche wurde lediglich noch kugelgestrahlt und dann direkt grundiert. 4.4 Tiefgarage RIEM Arcaden in München Bild 32: Tiefgarage RIEM Arcaden in München In 2014-2016 wurde in den RIEM Arcaden in München, einem Einkaufzentrum mit 128 Shops, tagsüber während des laufenden Verkaufs, die alte geschädigte OS8 Beschichtung der insgesamt 2.700 Tiefgaragenstellplätze in der Ebene -3 in drei Teilabschnitten saniert. Hauptkriterien für die Untergrundvorbereitung mit Schältechnik, anstatt zu Fräsen waren: - Obwohl die Tiefgarage für die Absaugung von Auto-Dieselabgasen ausgelegt ist, wurden die durch den Einsatz einer Dieselfräse im ersten Sanierungs-Abschnitt entstandenen für Arbeiter und Kunden in den Augen brennenden Dieselabgase vermieden. - Die Schältechnik war erheblich leiser als Fräsen und erzeugte einen wesentlich geringeren Festkörperschall im gesamten Arkadenkomplex, der den laufenden Verkauf nicht beeinträchtigte. - Das Staubproblem beim Fräsen im ersten Abschnitt konnte man nur durch eine permanente Befeuchtung des Abtrags und der Erzeugung von Schlamm halbwegs in den Griff bekommen. - Durch die direkte Staubabsaugung an den Schleifmaschinen mit leistungsstarken Saugern ist der Abtrag der Altbeschichtung im Gegensatz dazu nahezu staubfrei. - Die durch den ungewollt hohen Abtrag beim Fräsen entstandenen großen Mengen an Sondermüll (Schlamm), welche kostspielig entsorgt werden mussten, wurden erheblich reduziert. - Die Schältechnik ist im Vergleich zur Frästechnik ein betonschonenderes Verfahren ohne Mikrorisse zu erzeugen und erzielt im Endergebnis bessere Ober-flächenzugfestigkeitssowie beste Scherfestigkeits-werte. - Durch die Einsparung der Kratzspachtelung ist die Schältechnik, insgesamt gerechnet, auch das kommerziell günstigste Vorbereitungsverfahren. - Die geschälte Betonoberfläche wurde lediglich noch kugelgestrahlt und dann direkt grundiert. Im Sommer 2019 wurden dann die kompletten 13.500 Quadratmeter der Tiefgaragen Ebene -2 in einem Abschnitt komplett mit Schältechnik saniert. Bild 33: 2 Schleifköpfe einer Aufsitz-Schleifmaschine buch2.indb 21 13.01.20 15: 39 22 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten Bild 34: Fugenprofil schleifen mit einem Aufsitzer Um die Fehlzeit für die komplette Parkebene -2 zu minimieren waren für den Abtrag der alten OS8 Beschichtung zwei Aufsitz-Schleifmaschinen gleichzeitig im Einsatz. Die beiden Aufsitzer hatten eine gemeinsame Flächenleistung von bis zu 100 Quadratmeter pro Stunde. Bild 35: Entschichten mit 2 Aufsitz-Schleif maschinen [11] Die Mengen an Beschichtungs-Abfällen waren immens, pro Stunde wurden ca. 1 Kubikmeter davon erzeugt. Bild 36: Beschichtungs-Abfälle aus Ebene -2 Die geschälte Oberfläche wurde lediglich noch kugelgestahlt und anschließend ohne Kratzspachtelung direkt Grundierung. Bild 37: Kugelstahlen vor der Neubeschichtung Als letzter Schritt wurde eine farblich abgestimmte Deckversiegelung aufgebracht. Bild 38: Auftrag der Deckversiegelung In der Ebene -3 wurden durch den Abtrag der alten OS8 Beschichtung alle wasserführenden Risse in der Bodenplatte offengelegt, die dann mit einem Spezial-Verfahren verpresst und abschließend bandagiert wurden. Bild 39: Rissverpressung vor abschließender Bandagierung buch2.indb 22 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 23 Schältechnik zum betonschonenden Abtrag von Altbeschichtungen bei der Sanierung von Parkbauten Bild 40: RIEM Arcaden sanierte Beschichtung Literaturverzeichnis [1] AMPA - Universität Kassel - Amtliche Materialprüfanstalt für das Bauwesen - Prüfbericht Nr. 122141- 10, 2012 [2] Hochschule München - Fakultät 02 - Bauingenieurwesen - Labor für Baustoffe - Bereich Instandsetzung - Untersuchung der Eignung verschiedener mechanischer Verfahren für die Untergrundvorbereitung von Beton - Okt. 2014 [3] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten - ZTV-ING [4] Handbuch Hessen Mobil, Straßen- und Verkehrsmanagement, 2.4.2 Brücken- und Ingenieurbau, Tunnelbau, Seite 45 [5] Zitat Dr. Joachim Käppler, Bausachverständiger, Wiesbaden, Mai 2014 [6] Fotos: AMPA - Universität Kassel - Amtliche Materialprüfanstalt für das Bauwesen [7] Fotos: Hochschule München - Labor für Baustoffe [8] Universität Kassel - Fachgebiet Werkstoffe des Bauwesens - Fachbereich 14 - Bau- und Umweltingenieurwesen - Untersuchung der Auswirkungen von mechanischen Bearbeitungsverfahren von Betonoberflächen auf das Betongefüge - Kapitel 7 - Wirtschaftliche Betrachtung der Verfahren - Seite 114, 2012 [9] Fotos: Friedrich OFT GmbH & Co.KG [10] Fotografie Andreas Wiese, Düsseldorf [11] Foto: A.R.D. Kugelstrahltechnik GmbH & Co.KG buch2.indb 23 13.01.20 15: 39 buch2.indb 24 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 25 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben Jürgen Feix Universität Innsbruck, Innsbruck, Österreich Johannes Lechner Prof. Feix Ingenieure, München, Deutschland Zusammenfassung Ein Großteil der in Deutschland erstellten Ingenieurbauwerke wurde in den 1950er bis 1970er Jahren errichtet und ist somit heute rund über 50 Jahre alt. Aus wirtschaftlichen Gründen und Gründen der Nachhaltigkeit sollen diese Bauten häufig weiterverwendet, vergrößert oder umgenutzt werden. Damit einhergehen meist eine Lasterhöhung auf das Tragwerk und geänderte Bemessungsansätze der Normung, wodurch eine Verstärkung des Tragwerks erforderlich wird. In vielen Fällen ergeben sich drastische Defizite an vorhandener Querkraftbzw. Durchstanzbewehrung in bestehenden Stahlbetonbauten. Aus diesem Grund wurde in den vergangenen Jahren an der Universität Innsbruck ein neues Verfahren entwickelt, das auf der Verwendung von sogenannten Betonschrauben als nachträgliche Bewehrung beruht. Die aus der Verankerungstechnik bekannten Betonschrauben haben aufgrund ihres mechanischen Verbundes mit der existierenden Struktur ein sehr robustes Tragverhalten und können von einer Seite des Tragwerks installiert werden, wodurch sich große Vorteile hinsichtlich der Nutzung des Bauwerks während der Verstärkungsmaßnahme ergeben. 1. Einleitung Steigende Mobilität und die damit verbundene starke Zunahme der KFZ Neuzulassungen im mitteleuropäischen Raum in den letzten Jahrzehnten zum einen, aber auch die zunehmende Urbanisierung führt zu einem immer stärker zunehmenden Bedarf an Park- und Abstellflächen für Pkws und andere Kraftfahrzeuge. So zeigt die Abbildung 1 die zeitliche Entwicklung der zugelassenen Pkw in Deutschland. Seit dem Jahr 1980 hat sich die Zahl der Fahrzeuge entsprechend verdoppelt. Abbildung 1: Anzahl der zugelassenen Pkw in Deutschland, Daten aus [1] Gleichzeitig führt die zunehmende Urbanisierung in Deutschland zu steigenden Grundstückspreisen im innerstädtischen Raum und immer weniger werdenden Flächen, die für Parkraum und Parkbauten zur Verfügung stehen. Parallel mit der Zunahme der KFZ Zulassungen, nehmen auch die äußeren Abmessungen und Leergewichte der Fahrzeuge in den letzten Jahrzehnten immer mehr zu, wie die Entwicklung in Abbildung 2 zeigt. Bestehende Garagen und Stellplätze sind häufig nicht auf diese Anforderungen ausgelegt. Abbildung 2: Abmessungen und Gewicht der 50 am meisten gekauften Pkw in den Niederlanden, Daten aus [2] Vor diesem Hintergrund nimmt der Aus- und Umbau von bestehenden Parkgaragen und Parkhäusern immer mehr zu. So werden einerseits immer mehr Stellplätze benötigt, andererseits müssen die Abmessungen der Stellplätze, aber auch die Durchfahrtshöhen etc. an die Erbuch2.indb 25 13.01.20 15: 39 26 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben fordernisse der modernen KFZ angepasst werden. Häufig geschieht dies durch den Ausbau oder Umbau von bestehenden Parkgaragen. Im Zuge von größeren Umbau- und vor allem bei Ausbaumaßnahmen ist die statische Neubewertung der existierenden Struktur erforderlich. Aufgrund von geänderten Normenvorschriften hinsichtlich der Bemessungvon Stahlbetonstrukturen aber vor allem durch höhere Lasten beim Ausbau bestehender Tragwerke ist in den meisten Fällen die vorhandene Bewehrung in den Stahlbetontragwerken nicht ausreichend. Wie verschiedene Untersuchungen zeigen (vgl. [3] und [4]) haben sich in den letzten Jahrzehnten gerade die Bemessungsregeln der Schubtragfähigkeit in der Normung deutlich geändert. Dies führt bei der Nachrechnung von bestehenden Stahlbetonstrukturen sehr häufig zu einem Defizit an vorhandener Querkraftbewehrung in Form von Bügelbewehrung oder Schubaufbiegungen. 2. Betonschrauben als Verstärkungselement Um diese Defizite an vorhandener Querkraftbewehrung in bestehenden Strukturen auszugleichen braucht es innovative Verstärkungssysteme. Diese müssen nicht nur eine hohe Verstärkungswirkung bei geringem Einsatz an Verstärkungselementen aufweisen, sondern auch eine möglichst schnelle und einfache Installation ermöglichen. Der Einsatz von Betonschrauben als nachträgliche Querkraft- und Durchstanzverstärkung kann diese Erfordernisse erfüllen. Daher wurde in den vergangenen zehn Jahren an der Universität Innsbruck an diesem neuen Verstärkungssytem geforscht und in zahlreichen Versuchsserien anhand von Bauteilversuchen die Eignung der Schrauben als nachträgliche Bewehrung untersucht. Auf Basis dieser Untersuchungen wurden im September 2019 zwei bauaufsichtliche Zulassungen für das System durch das Deutsche Institut für Bautechnik erteilt. Die Zulassung Z-15.1-339 [5] regelt den Einsatz der Betonschrauben als nachträgliche Querkraftbewehrung, die Zulassung Z-15.1-340 den Einsatz als nachträgliche Durchstanzverstärkung. 2.1 Tragwirkung der Betonschrauben Betonschrauben sind seit Beginn der 1990er Jahre als Verankerungselement in Stahlbetonstrukturen bekannt und wurden in den vergangenen Jahren vermehrt eingesetzt. Ein großer Vorteil von Betonschrauben gegenüber anderen Ankermitteln sind die schnelle Installation und die sofortige Belastbarkeit, welche sich durch den mechanischen Verbund der Schraube mit der Betonstruktur ergibt. Betonschrauben werden in ein vorgebohrtes Loch mit entsprechendem Durchmesser eingedreht und schneiden sich dabei ein Gewinde in die Bohrlochwandung, wodurch eine Verzahnung mit dem Beton erzeugt wird. Damit ergibt sich eine kraftschlüssige Verbindung, die sofort belastet werden kann, wie in Abbildung 3 ersichtlich ist. Abbildung 3: Tragwirkung der Verbundankerschrauben als Kombination aus mechanischem und Klebeverbund Um die Tragfähigkeit der Betonschrauben weiter zu erhöhen, wurden die sogenannten Verbundankerschrauben entwickelt, bei denen ein Vinylesthermörtel vor dem Eindrehen der Schrauben in das Bohrloch injiziert wird. Damit wird der existierende Ringspalt zwischen Schraube und Beton verfüllt, was durch die größere Auflagefläche des Gewindes und den Klebeverbund (vgl. Abbildung 3) zu größeren Traglasten führt. Der Auszugswiderstand der Schrauben kann mittels Verklebung um etwa 40 % gesteigert werden, wie auch in [7] gezeigt wird. 2.2 Betonschrauben für die Tragwerksverstärkung Diese Verbundankerschrauben werden für den Einsatz als nachträgliche Querkraft- und Durchstanzverstärkung gemäß den Zulassungen verwendet. Für diesen Einsatz wurden die Schrauben etwas modifiziert, um den abgeänderten Anforderungen zu entsprechen. Während Betonschrauben als Ankermittel externe Lasten in die Struktur ableiten müssen, werden beim Einsatz als nachträgliche Bewehrung interne Kräfte der bestehenden Struktur aufgenommen und müssen wieder in der Struktur abgeleitet werden. Dementsprechend ist es erforderlich nicht nur Kräfte an der Schraubenspitze über das Verbundgewinde aufgenommen werden, sondern diese am anderen Ende der Schraube auch wieder abgeleitet werden. Dafür wird beim System reLAST eine Unterlegplatte mit einer Keilsicherungsfederscheibe und eine Mutter am ISO-Gewinde der Schraube an der Außenbuch2.indb 26 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 27 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben seite des Tragwerks angeordnet. Über die Mutter an der Außenseite ist es auch möglich eine Vorspannung in der Schraube durch Andrehen zu erzeugen. Diese Konfiguration ist in Abbildung 4 dargestellt, die die zugelassenen Typen der Betonschrauben als nachträgliche Querkraft- und Durchstanzverstärkung zeigt. Abbildung 4: Zugelassene Schraubentypen des Systems reLAST nach den Zulassungen Z-15.1-339 [5] und Z-15.1-340 [6] Wie die Abbildung 4 zeigt, sind die Schraubentypen TSM-22 und TSM-16, welche sich hinsichtlich des Bohrlochnenndurchmessers (d0 = 22 mm bzw. d0 = 16 mm) unterscheiden, zugelassen. Eine weitere Unterscheidung wird hinsichtlich des jeweiligen Anschlussgewindes, welches als genormtes ISO-Gewinde ausgeführt ist) vorgenommen. Die Länge der Schrauben kann an das jeweilige Verstärkungsprojekt angepasst werden und ist in den Zulassungen über die maximale Bohrlochtiefe (200 cm für die Querkraftverstärkung, 100 cm für die Durchstanzverstärkung) begrenzt. Bei Bohrungen über 170 mm für die TSM-16 bzw. 210 mm für die TSM-22 Schrauben sind Stufenbohrungen auszuführen, um das korrekte Eindrehen der Schrauben zu gewährleisten. Alle Schrauben des zugelassenen Systems werden aus Stahl mit einer charakteristischen Fließspannung von mindestens fyk = 500 MPa gefertigt und mit einem speziellen Korrosionsschutzsystem versehen. Dieser Schutz gewährleistet eine Korrosionsschutzklasse nach C5-I gemäß DIN EN ISO 12944-6. Der Einsatz des Verbundmörtels erhöht den Korrosionsschutz zusätzlich. 3. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Zulassung Vor einigen Jahren wurde an der Universität Innsbruck am Arbeitsbereich Massivbau und Brückenbau begonnen den Einsatz von Verbundankerschrauben als nachträgliche Bewehrung experimentell zu untersuchen. Dazu wurden drei Versuchsreihen an Stahlbetonbalken durchgeführt, um die Eignung der Schrauben als Querkraftverstärkung zu untersuchen, die Details des Versuchsaufbaus und der Versuchsergebnisse dieser Testreihen können z.B. [8] entnommen werden. Zeitgleich wurde in insgesamt vier Versuchsreihen an plattenförmigen Versuchskörpern die Möglichkeit der nachträglichen Durchstanzverstärkung untersucht. Im Zuge dieser Versuche konnte die Eignung des Systems in verschiedenen Konfigurationen nachgewiesen werden, wie auch in [9], [10], [12] und [13] gezeigt wird. Abbildung 5: Kraft-Verformungsdiagramme einiger durchgeführter Durchstanzversuche mit dem reLAST Verstärkungssystem und erzielte Traglaststeigerungen buch2.indb 27 13.01.20 15: 39 28 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben Abbildung 5 zeigt die Versuchsergebnisse einiger durchgeführter Durchstanzversuche mit den erzielten Traglaststeigerungen gegenüber Referenzversuchen ohne Durchstanzverstärkung. Es zeigt sich, dass je nach Konfiguration Traglaststeigerungen zwischen 20 % und 50 % erzielt werden konnten. 3.1 Versuche für die Erlangung der Zulassung Neben den bereits durchgeführten 29 Balkenversuchen mit Verbundankerschrauben als nachträgliche Querkraftbewehrung mussten für die Erlangung der Zulassung weitere experimentelle Untersuchungen, speziell an Platten durchgeführt werden. Die Versuchsergebnisse dieser Versuche sind unter anderem in [11] diskutiert. Abbildung 6: Versuchsergebnisse der durchgeführten Querkraftversuche an Plattenstreifen zur Erlangung der bauaufsichtlichen Zulassung Abbildung 6 zeigt die Querkraft-Verformungskurven der durchgeführten Versuche an Plattenstreifen mit einer Breite von 88 cm bei einer Höhe von 32 cm. Jede Platte war mit jeweils 12 Schrauben in verklebter Installation verstärkt, wobei der Schraubendurchmesser (TSM-22 und TSM-16) sowie die Installationstiefe variiert wurden. Die Installationstiefe wurde zum einen mit d = 29 cm so gewählt, dass die Spitze der Schraube auf Höhe der Oberkante der oberen Längsbewehrung lag, zum anderen mit d = 26 cm so, dass die Schraube unter der oberen Längsbewehrung lag. Die Versuchsergebnisse zeigen dementsprechend einen Einfluss der Verankerung unter oder auf Höhe der oberen Längsbewehrung, wie in Abbildung 6 ersichtlich ist. So liegt die erzielte Traglaststeigerung mit 90 % bei größerer Bohrlochtiefe deutlich über den erzielten 64 % Traglaststeigerung, wenn unter der oberen Längsbewehrung verankert wird. Nahezu identisch stellt sich dies bei Verwendung der Schrauben mit kleinerem Nenndurchmesser dar, wobei hier die erzielbaren Traglaststeigerungen generell mit 84 % bzw. 53 % generell etwas unter denen der Schrauben mit größerem Durchmesser liegen. 3.2 Bemessungskonzept Auf Basis der durchgeführten Versuche wurde sowohl für das System der Querkraftverstärkung als auch für die Durchstanzverstärkung ein Bemessungsmodell abgeleitet, welches in die Zulassung aufgenommen wurde. Beide Bemessungskonzepte basieren auf den Bemessungsmodellen des Eurocode 2 und somit auf der akutellen Normung für die Stahlbetonbemessung. Bei der Bemessung der erforderlichen Querkraftverstärkung wird das erweiterte Fachwerkmodell für die Bemessung von Betonstrukturen mit Querkraftbewehrung verwendet, wobei der nach Eurocode 2 variable Druckstrebenwinkel θ bei der Bemessung der Betonschraubenverstärkung mit θ = 45° fixiert wird. Ebenso wird der Winkel der Betonschrauben mit α = 90° gegenüber der Stablängsachse fest definiert. Der Nachweis der Betondruckstrebe V Rd.max des Fachwerkmodells erfolgt unter Berücksichtigung dieser beiden Winkel unverändert zu den Regelungen des EC 2. Der Nachweis der Zugstrebe, also der erforderlichen Verstärkung, erfolgt ebenfalls mit der Gleichung des Eurocode 2 bei Beachtung der beiden genannten Winkel. Allerdings wird anstelle des vollen Bemessungswerts der Streckgrenze der Querkraftbewehrung eine effektive Fließspannung der Schrauben f ywd.ef in der Bemessung verwendet. Da die Gleichung zur Ermittlung der Fließspannung aus den Versuchsergebnissen durch statistische Verfahren abgeleitet wurde, gehen darin über zwei Faktoren c 1 und c 2 der Schraubendurchmesser und die Verankerungstiefe ein, die einen wesentlichen Einfluss auf die Verstärkungswirkung haben, wie Abbildung 6 zeigt. Bei der Bemessung der Durchstanzverstärkung mit dem reLAST-System wird ebenfalls das Bemessungskonzept des Eurocode 2 verwendet. Bei Überschreiten des Durchstanzwiderstandes des Betons V Rd.c darf der Durchstanzwiderstand V Rd.cs bis zu einer Größe von 1.4 • V Rd.c mit Verbundankerschrauben gesteigert werden. Dafür wird ähnlich zur Querkraftverstärkung ein effektiver Bemessungswert der Streckgrenze der Durchstanzbewehrungselemente ermittelt, welcher ebenfalls auf den Ergebnissen der durchgeführten Durchstanzversuche basiert und unter anderem der Schraubendurchmesser einfließt. Neben den Gleichungen zur Ermittlung der notwendigen Verstärkungselemente geben die Zulassungen ebenfalls Regelungen zur konstruktiven Anordnung der Verstärkung an, welche zum einen auf den Versuchsergebnissen, aber auch auf den konstruktiven Regeln des Eurocode 2 basieren. buch2.indb 28 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 29 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben 4. Pilotprojekte an Parkbauten Mit Hilfe der Erkenntnisse aus den Versuchen und dem Bemessungsmodellen war es möglich erste Pilotprojekte erfolgreich umzusetzen und die Tragfähigkeit von bestehenden Tragwerken mit reLAST Schrauben zu erhöhen. Neben einigen Verstärkungen von Brückentragwerken wurden auch zwei Pilotprojekte an Parkbauten realisiert. 4.1 Parkhaus Flughafen Innsbruck Das Parkhaus am Flughafen in Innsbruck wurde als eine der ersten Bauten in Österreich mit vorgespannten Flachdecken nach dem Konzept der freien Spanngliedlage errichtet. Durch diese vorgespannten Flachdecken war es möglich große Spannweiten zu realisieren und die Stützen am vorderen Ende der Stellplätze anzuordnen. Wie die Abbildung 7 zeigt, spannt die Flachdecke einachsig von den seitlichen Stützen auf einen in der Mitte liegenden Unterzug. Aufgrund des Unterzuges und der damit verbundenen, geringen Durchfahrtshöhe in der Mitte des Parkhauses wurde die Verbindung der beiden Seiten des Parkhauses außerhalb über Rampen realisiert. Abbildung 7: Ansicht des Parkhauses am Flughafen Innsbruck Wegen der außenliegenden Verbindung der beiden Seiten des Parkhauses kam es bei geringer Besetzung immer wieder dazu, dass für Querungen der direkte Weg unter dem Unterzug hindurch gewählt wurde, wodurch es bei höheren Pkws immer wieder zu Schäden an den Fahrzeugen und dem Unterzug kam. Dementsprechend entschied der Betreiber weitere Durchfahrten in der Mitte des Parkhauses nachträglich zu ermöglichen und dafür die Höhe des bestehenden Unterzugs zu verringern, um die notwendige Durchfahrtshöhe zu erhalten. Für die Verringerung der Höhe des Unterzuges wurde in einem ersten Schritt der Bereich um den Unterzug mittels Bauhilfsstützen unterstellt, um den Unterzug zu entlasten. Anschließend wurde der Unterzug bis zur Unterkante der Platte mittels Hochdruckwasserstrahlen abgetragen und die vorhandene Bewehrung freigelegt, wie die Abbildung 8 zeigt. Um die Tragfähigkeit bei geringerer Bauteilhöhe aufrechtzuerhalten wurde anschließend zusätzliche Biegebewehrung ergänzt und die vorhandene Bügelbewehrung in der Höhe angepasst und die Bügel über Verschweißen wieder geschlossen, siehe auch Abbildung 8. Abbildung 8: Freigelegte und ergänzte Bewehrung des Unterzuges mit nachträglich eingebauten Betonschrauben als ergänzende Querkraftbewehrung vor der Reprofilierung mit Spritzbeton Da die geringere Höhe des Unterzuges auch Auswirkungen auf die Querkrafttragfähigkeit hat war die statische erforderliche Querkraftbewehrung durch die vorhandenen Bügel nicht mehr gewährleistet. Aus diesem Grund wurde mittels nachträglich eingebohrter Verbunankerschrauben vom Typ reLAST die Querkraftbewehrung ergänzt, die auch in der Abbildung 8 ersichtlich sind. Durch den Einbau der Betonschrauben von der Unterseite konnte unter Zuhilfenahme der Bauhilfsstützen der Einbau der Verstärkung unter laufendem Betrieb erfolgen, wobei lediglich ein kleiner Bereich des Parkhauses um den betreffenden Unterzug gesperrt werden musste. Ein aufwändiger Abtrag des Bodenbelages auf der Flachdecke konnte durch den Einbau von unten vermieden werden. Nach dem Einbau der Verstärkung wurde der Unterzug mittels Spritzbeton reprofiliert. Die Rückverankerung der Schrauben wurde dabei innerhalb des neuen Unterzugs angeordnet, um die Durchfahrtshöhe weiter zu vergrößern und einen wirkungsvollen Korrosions- und Brandschutz zu erhalten. buch2.indb 29 13.01.20 15: 39 30 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben 4.2 P+R Haus Harburg Die Park & Ride-Anlage in Harburg bei Hamburg soll zur Steigerung der Kapazität um ein Stockwerk erhöht werden. Dazu wird eine neue Stahlstruktur auf die bestehende Stahlbetonstruktur errichtet, was zu einer Lasterhöhung auf das bestehende Tragwerk führt. Dieses besteht zum einen aus einem dreihüftigen Stahlbetonrahmen über 4 Geschoße und einen daran angebauten zweihüftigen Stahlbetonrahmen über 3 Geschoße, welcher um eine halbe Geschoßhöhe versetzt ist. Aufgrund der Lasterhöhung im Bestandstragwerk ergeben sich auch höhere Querkräfte in den Rahmenstielen. Die darin angeordnete Bügelbewehrung reicht zur Aufnahme dieser Kräfte nicht mehr aus, wodurch eine Verstärkung erforderlich wird. Aufgrund der beiden direkt nebeneinander errichteten Rahmenkonstruktionen sind nicht alle Rahmenstiele von beiden Seiten zugänglich wodurch der Einbau der Verstärkung von einer Seite erfolgen muss. Daher wird die Verstärkung in den bis zu einen Meter dicken Rahmenstielen mit entsprechend langen reLAST Verbundankerschrauben realisiert, wie die Abbildung 9 zeigt. Abbildung 9: geplante Verstärkung der Rahmenstiele des Parkhauses P+R Harburg mit reLAST Verbundankerschrauben Wie die Abbildung 9 zeigt, soll die Verstärkung zwischen der vorhandenen Längsbewehrung erfolgen. Dazu wird mittels zerstörungsfreier Prüfverfahren vor Beginn der Bohrungen die vorhandene Bewehrung detektiert und am Tragwerk angezeichnet, um die Bohrpunkte entsprechend anpassen zu können. Aufgrund der verschiedenen Geometrien der Rahmenstiele und den unterschiedlichen Querkraftbeanspruchungen in den Stielen war es im Zuge der Planung erforderlich die Verstärkung für jeden Stiel individuell zu bemessen und anzupassen, um ein möglichst wirtschaftliches Verstärkungssystem zu erzielen. Abbildung 10: erstellte Bohrlöcher in einem Rahmenstiel unter Aufrechterhaltung der Nutzung des Parkhauses Abbildung 10 zeigt die detektierte und angezeichnete Bewehrung an einem Rahmenstiel und einige der bereits erstellten Bohrlöcher vor dem Einbau der Verbundankerschrauben. Wie in der Abbildung ebenfalls ersichtlich ist, kann der Einbau des Systems unter fortlaufender Nutzung des Tragwerks erfolgen, da nur einzelne Bereiche rund um die zu verstärkenden Bauteile abgesperrt werden müssen. 5. Zusammenfassung Seit Anfang September 2019 sind die reLAST Verbundankerschrauben als nachträgliche Querkraft- und Druchstanzbewehrung durch das Deutsche Institut für Bautechnik zugelassen. Dem gingen jahrelange wissenschaftliche buch2.indb 30 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 31 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben Untersuchungen und zahlreiche Bauteilversuche an der Universität Innsbruck voraus. Diese Versuche zeigten, dass mit Hilfe der nachträglich eingebauten Betonschrauben die Traglasten gegenüber Referenzversuchen ohne Schubbewehrung um bis zu 100 % bei Querkraftverstärkung und um bis zu 50 % bei Durchstanzverstärkung gesteigert werden können. Auf Basis der Versuchsergebnisse wurden anschließend Bemessungskonzepte abgeleitet, die auf den Bemessungsmodellen des Eurocode 2 und somit auf der aktuellen Normung basieren. Diese Bemessungskonzepte, die nun auch in den Zulassungen enthalten sind, ermöglichen dem planenden Ingenieur eine einfache Dimensionierung der Verstärkung mit Hilfe der bekannten Gleichungen der Normung. Wie zahlreiche durchgeführte Pilotprojekte gezeigt haben, liegt der große Vorteil der nachträglichen Verstärkung mit reLAST Verbundankerschrauben in der einfachen Installation und sofortigen Belastbarkeit der Schrauben. Das Verstärkungssystem kann aufgrund der Tragwirkung auf dem Prinzip des Hinterschnitts über das Verbundgewinde im Bohrloch von einer Seite in die zu verstärkende Struktur eingebaut werden. Damit entfällt der Abtrag von Fußboden- oder Fahrbahnaufbauten auf der Oberseite des Tragwerks, welche bei anderen Verstärkungssystemen oftmals notwendig ist. Damit kann die Verstärkung unter laufendem Betrieb durchgeführt werden, wobei lediglich kleine Bereiche für den Einbau der Verbundankerschrauben gesperrt werden müssen, wie die beiden exemplarisch gezeigten Pilotprojekte beweisen. Das neue System der Tragwerksverstärkung mit reLAST Betonschrauben zeichnet sich somit durch die einfache und schnelle Installation während des laufenden Betriebs des Tragwerks aus. Literatur [1] Kraftfahrt-Bundesamt, Bestand in den Jahren 1960 bis 2019 nach Fahrzeugklasse, https: / / www.kba.de/ DE/ Statistik/ Fahrzeuge/ Bestand/ Fahrzeugklassen- Aufbauarten/ b_fzkl_zeitreihe.html, abgerufen am 21.10.2019 [2] BOVAG-RAI Mobiliteit, Mobiliteit in Cijfers, Auto’s 2019-2020, Amsterdam, 2019 [3] G. Schacht, L. Müller, M. Curbach, und S. Marx, „Schubbruchgefahr von hochbautypischen Stahlbetonplattentragwerken“, Beton- und Stahlbetonbau, Bd. 108, Nr. 9, S. 592-602, 2013. [4] O. Fischer, A. Müller, T. Lechner, M. Wild, und K. Kessner, „Ergebnisse und Erkenntnisse zu durchgeführten Nachrechnungen von Betonbrücken in Deutschland“, Beton- und Stahlbetonbau, Bd. 109, Nr. 2, S. 107-127, 2014. [5] Deutsches Institut für Bautechnik, Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung / Allgemeine Bauartgenehmigung Z-15.1-339, TOGE TSM BC SB reLAST für die Querkraftverstärkung, September 219 [6] Deutsches Institut für Bautechnik, Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung / Allgemeine Bauartgenehmigung Z-15.1-340, TOGE TSM BC SB reLAST für die Durchstanzverstärkung, September 219 [7] J. Lechner, N. Fleischhacker, C. Waltl, und J. Feix, „Zum Verbundverhalten von Betonschraubdübeln mit großem Durchmesser“, Beton- und Stahlbetonbau, Bd. 112, Nr. 9, S. 589-600, 2017. [8] J. Lechner, „Ein neues Verfahren zur nachträglichen Querkraftverstärkung von Stahlbetonbauteilen“, Dissertation, Universität Innsbruck, 2017. [9] R. Walkner, M. Spiegl, und J. Feix, „Innovative Durchstanzertüchtigung von Plattenbrücken mittels Betonschrauben“ Technischer Abschlussbericht zum VIF-Projekt „InnovDstanzSchrauben“, Innsbruck, 2017. [10] R. Walkner, M. Spiegl, und J. Feix, „Folgeversuche zum Forschungsprojekt ‚Innovative Durchstanzertüchtigung von Plattenbrücken mittels Betonschrauben“ Technischer Abschlussbericht zum Forschungsprojekt „Durchstanzen 2“, Innsbruck, 2019. [11] J. Lechner, J. Feix, und R. Hertle, „Strengthening of a City Center Tunnel with Concrete Screw Anchors under Special Boundary Conditions“, in 20th Congress of IABSE, 2019, S. 1493-1502 [12] J. Feix, J. Lechner, R. Walkner, und M. Spiegl, „Betonschrauben als Querkraftverstärkung für dynamisch belastete Betonbauteile“, in 3. Grazer Betonkolloqium, 2016, S. 65-73 [13] J. Feix, P. Wörle, und A. Gerhard, „Ein neuer Ansatz zur Steigerung der Durchstanztragfähigkeit bestehender Stahlbetonbauteile“, Beton- und Stahlbetonbau, Bd. 87, Nr. 4, S. 149-155, 2012 buch2.indb 31 13.01.20 15: 39 buch2.indb 32 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 33 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Susanne Gieler-Breßmer Ingenieurgesellschaft für Bauwerksinstandsetzung Gieler-Breßmer & Fahrenkamp GmbH Tobelstraße 8, 73079 Süßen Björn Krocker Neue Lübecker Norddeutsche Baugenossenschaft eG Falkenstraße 9, 23564 Lübeck Zusammenfassung Unterhalb eines in den Jahren 1974/ 75 erbauten Wohn- und Geschäftshauses im Zentrum von Ahrensburg liegt eine Tiefgarage mit insgesamt 54 Stellplätzen. Neben zahlreichen Wohneinheiten befinden sich in dem oberirdischen Gebäude diverse gewerbliche Einrichtungen wie z.B. Praxen von Ärzten und Physiotherapeuten sowie ein Lebensmittelmarkt im Erdgeschoss. Die Stellplätze in der Garage sind fest vermietet, d.h. sie sind für den öffentlichen Kundenverkehr nicht zugänglich. Ein Teil des Keller- und Erdgeschosses wurde im Jahr 1970 gebaut. Laut Hauptstatik und Bodengutachten aus Dezember 1973 bzw. Januar 1974 wurde dieser älteste Teil des Bauwerks als Schlachterei genutzt. Das Tragwerk der ehemaligen Schlachterei ist im Jahr 1970 bereits für die Aufstockung bzw. den Anbau des in den Jahren 1974/ 75 realisierten Wohn- und Geschäftshauses bemessen worden und konnte dann nach entsprechender Ergänzung weniger Bauteile im Erdgeschoss mehrgeschossig überbaut werden. Die Tiefgarage wurde in Stahlbetonbauweise gemeinsam mit dem Wohn- und Geschäftshaus in den Jahren 1974/ 75 errichtet. Damals war es noch nicht üblich und auch noch nicht allgemein anerkannte Regel der Technik, die Bodenplatte oder die Sockel der aufgehenden Stützen und Wände gegen den Eintrag von Tausalz zu schützen. Die Stellplätze wurden seit der Erbauung genutzt, ohne dem Schutz der Stahlbetonbauteile gegen Tausalzeintrag und daraus resultierender Korrosion der Bewehrung Beachtung zu schenken. Als Folge davon traten massive Schäden in Form von Betonabplatzungen über korrodierender Bewehrung an den Stützensockeln sowie an der Schubbewehrung der Einzelfundamente der Stützen auf. Nachdem der heutige Besitzer, die Neue Lübecker Norddeutsche Baugenossenschaft eG (in der Folge kurz NL genannt) das Gebäude übernommen hatte, wurden Maßnahmen zur Instandhaltung des Gebäudekomplexes eingeleitet. So fand im Jahr 2017 eine umfangreiche IST-Zustandserhebung in der Tiefgarage statt. Aufgrund der ausgeprägten Schäden infolge chloridinduzierter Korrosion der Bewehrung war eine umgehende Instandsetzung angezeigt, die in den Jahren 2018/ 2019 umgesetzt wurde. Dabei stellte die Instandsetzung der Stützen und zugehörigen Einzelfundamente die Planer vor große Herausforderungen. Die Stützen in der Tiefgarage sind zum Teil durch die Überbauung sehr hoch belastet. Aufgrund der hohen Chloridbelastungen bei gleichzeitig ausgeprägtem Querschnittsverlust an der tragenden Bewehrung konnte nur das Instandsetzungsprinzip R-Cl 1 nach der Instandsetzungsrichtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton [1] realisiert werden. Dabei wurden tiefgreifende Betonabträge erforderlich, bei denen der Querschnitt der Stützensockel und auch Einzelfundamente stark reduziert werden musste. Ohne Abstützungskonstruktionen wäre dies nicht möglich gewesen. Bei einigen Stützen mussten bis zu 240 Tonnen Last aus der Überbauung abgefangen werden. Diese Abstützung war mit handelsüblichen Systemen nicht zu bewerkstelligen. Auch die Fundamente waren sehr stark geschädigt, sodass ein Betonabtrag von 10 cm auf den Draufsichten notwendig wurde. Bei diesem hohen Betonabtrag reichten die Restquerschnitte der Fundamente im Bauzustand statisch nicht mehr aus. Aus diesem Grund musste die Aufstandsfläche der Stützen im Bauzustand vergrößert werden. Letztendlich wurde ein außergewöhnliches statisches Konzept mit zuvor zu betonierenden Hilfsstützen entwickelt, um eine Instandsetzung der chloridbelasteten Bauteile zu realisieren. Diese umfangreichen, statisch notwendigen Sicherungs- 1 Instandsetzungsprinzip R-Cl: Korrosionsschutz durch Wiederherstellung des alkalischen Milieus. Dabei ist der Beton mit einem korrosionsauslösenden Chloridgehalt unabhängig von Korrosionserscheinungen an der Bewehrung abzutragen und durch neuen alkalischen Beton bzw. Reprofilierungsmaterialien zu ersetzen. buch2.indb 33 13.01.20 15: 39 34 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus maßnahmen wurden vor Ort in mehreren Bauabschnitten umgesetzt, bevor die eigentliche Instandsetzung erfolgen konnte. Im vorliegenden Beitrag wird das Instandsetzungskonzept mit dem Fokus auf die statisch außergewöhnlichen Vorarbeiten erläutert und die Umsetzung vor Ort dargestellt. 1. Einleitung Der Gebäudekomplex, zu dem die Tiefgarage gehört, ist als Eckbebauung errichtet worden; er liegt direkt im Zentrum von Ahrensburg. Die Tiefgarage wird über eine Stichstraße erschlossen. Um auf den Vorhof der Tiefgarage zu gelangen, muss eine Durchfahrt unter einem Gebäude durchfahren werden. Diese Tatsache erschwerte später die Logistik des Geräte- und Materialtransports während der Baumaßnahme. Die Mehrzahl der Bauteile im Inneren der Tiefgarage bestehen aus Stahlbeton, nur einige Wände zwischen der alten Schlachterei und der 4 Jahre später erstellten Tiefgarage sowie Trennwände zu Nebenräumen sind als Mauerwerkswände errichtet worden. Die Stützen, Wände und die Deckenuntersicht wiesen zum Zeitpunkt der Begutachtung im Jahr 2017 einen einfachen Farbanstrich auf. Die Tiefgarage hat keinen regelmäßigen Grundriss, sondern ist mehreckig errichtet worden - siehe Abbildung 1 im Anhang. Die Bestandspläne wurden im Rahmen der IST-Zustandserfassung neu im dwg-Format erfasst und die alten Achseinteilungen übernommen. Alle Stützen wurden durchnummeriert. In Abb. 1 sind die Einzelfundamente der einzelnen Stützen dargestellt, die bei der weiteren Instandsetzung eine große Rolle spielten. Um den Umfang der Instandsetzung nachvollziehen zu können, wird nachfolgend zunächst auf die baulichen Besonderheiten eingegangen. 2. Bauliche Besonderheiten Zum besseren Verständnis der Gebäudestruktur wird an dieser Stelle die Gesamtkonstruktion des Wohn- und Geschäftshauses beschrieben werden, da die Einwirkungen aus den oberen Geschossen wesentlichen Einfluss auf die Dimensionen und die Instandsetzungsverfahren der meisten Tragwerkselemente der Tiefgarage haben. Die Aufarbeitung der Altstatik erfolgte durch das Ingenieurbüro Wiemer aus Hamburg, die nachfolgenden Beschreibungen zur Konstruktion des Bauwerks entstammen dem dort erarbeiteten Bericht [2] zur Gesamtstatik. 2.1 Allgemeine Konstruktionsbeschreibung Die Abb. 2 im Anhang zeigt einen Schnitt durch das Gebäude in Achse 11. Direkt neben dem grau hinterlegten alten Gebäudeteil aus dem Jahr 1970 liegt ein 2geschossiger Gebäudeteil bestehend aus Einkaufsmarkt im EG und darunterliegender Tiefgarage. Daran schließt ein 3geschossiger Gebäudekomplex an. Abb. 3 zeigt den Querschnitt durch diesen Teil. Die Dachkonstruktion über dem Dachgeschoss besteht aus einem Mansarddach, wobei der Mittelteil als Flachdach ausgeführt wurde. Die hölzernen Sparren und Pfetten sind auf Stahlrahmen und Mauerwerkswänden abgesetzt. Der Dachaufbau besteht aus einer Bekiesung auf Dachabdichtung auf Holzschalung. In den Jahren 1973/ 74 war für das Dachgeschoss eine eher untergeordnete Nutzung (Abstellräume, Trockenraum und dergleichen) geplant. Die Dachkonstruktion über dem Erdgeschoss im nicht überbauten Bereich der Tiefgarage (etwa Achse I bis A/ 8 bis 12 in Abb. 1) besteht aus einem Trapezblech auf Stahlträgerlage, welches mit einer Dachabdichtung auf Wärmedämmung belegt ist. Diese Dachkonstruktion ist mit einer abgehängten Decke nebst Installationsebene ausgestattet. Sämtliche Geschossdecken bestehen aus Stahlbeton und sind mit einem der Nutzung entsprechenden Belag ausgestattet. Die Stahlbetondecken über dem 3. Obergeschoss, dem 2. Obergeschoss und dem 1. Obergeschoss verfügen in Achse 9 über eine Deckenfuge. Sämtliche Wohnungen im 2. und 3. Obergeschoss sowie auch der größte Teil der Büros im 1. Obergeschoss haben einen Balkon oder eine Dachterrasse. Soweit nicht oberhalb der darunterliegenden Dachdecke angeordnet, wurden diese als Stahlbeton-Fertigteilplatten auf monolithisch an das Haupttragwerk anbindenden Stahlbetonkonsolen oder als monolithisch mit dem Haupttragwerk verbundene Stahlbetonkragplatten ausgeführt. Im 3. Obergeschoss und im 2. Obergeschoss sind die Geschossdecken auf Mauerwerkswänden abgesetzt, welche durch Stahlbetonstützen an den Wandenden eingefasst sind. Die Wohngeschosse (Dachgeschoss bis 2. Obergeschoss) sind durchgehend grundfest geplant und auch grundfest auf der Konstruktion des 1. Obergeschosses abgesetzt. Da der Einkaufsmarkt im Erdgeschoss jedoch die Möglichkeit einer flexiblen Regalstellung benötigte, ist der Innenbereich des Erdgeschosses nahezu frei von durchgehenden Wänden. Hier wurde vielmehr über Abfangkonstruktionen bestehend aus wandartigen Trägern aus Stahlbeton im 1. Obergeschoss und Stahlbetonunterzügen über dem Erdgeschoss sämtliche Wandlasten aus den Obergeschossen abgefangen und auf Stahlbetonstützen im Erdgeschoss abgesetzt. So bestehen denn auch etwa 60 Prozent der Wände im 1. Obergeschoss aus Stahlbeton. Da zum 1. Obergeschoss kein Positionsplan vorlag, musste das Ingenieurbüro Wiemer das 1. Obergeschoss aus den Bewehrungsplänen und der Statik rekonstruieren. Durch farbige Eintragungen in einen Architektenplan des 1. Obergeschosses werden an Abb. 4 im Anhang die verschiedenen Wandmaterialien im 1. Obergeschoss buch2.indb 34 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 35 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus (Stahlbeton blau; Mauerwerk orange) aufgezeigt, um die Vielzahl der die oberen Geschosse abfangenden wandartigen Träger zu veranschaulichen. Die Deckenkonstruktion über dem Erdgeschoss besteht aus einer auf Stützen und Wänden abgesetzten Decken-/ Unterzugskonstruktion, wobei diese teilweise in die vorbeschriebenen wandartigen Träger im 1. Obergeschoss hochgehängt sind. Die Außenwände, die Trennwand in Achse I und die Treppenhauswände im Erdgeschoss bestehen aus Mauerwerk, sonstige Wände wie auch die Stützen im Erdgeschoss bestehen aus Stahlbeton. Ab dem Erdgeschoss laufen mit Ausnahme eines wandartigen Trägers in Achse B‘/ 7 bis 12 alle Vertikalbauteile, d.h. Stützen und Wände unversetzt bis in die Tiefgarage hinunter und sind dort über Streifen- und Einzelfundamente auf gut tragfähigem Baugrund flach gegründet. Bei der Tiefgaragenkonstruktion handelt es sich mit Ausnahme der Wand in Achse I im Übergangsbereich zur ehemaligen Schlachterei um eine reine Stahlbetonkonstruktion. Die Deckenkonstruktion über der Tiefgarage besteht aus einer auf Stützen und Wänden abgesetzten Decken-/ Unterzugskonstruktion. Mit Ausnahme der Aufzugsschachtwände und der Treppen-hauswände ruhen die oberen Geschosse wie auch die Tiefgaragendecke/ -unterzüge im Innenbereich auf Stützen. Die Außenwände bestehen aus Stahlbeton. Bei der Bodenplatte handelt es sich um eine 15 cm dicke Stahlbetonbodenplatte die stumpf gegen die bis OK Bodenplatte hergestellten Einzelfundamente der Stützen stößt. 2.2 Gebäudeaussteifung Zur Gebäudeaussteifung wurden folgende Sachverhalte in [2] zusammengetragen: 2.2.1 Dachgeschoss Obwohl in der Hauptstatik nicht ausdrücklich angeführt, wurde eine horizontale Aussteifung durch die Dachschalung angenommen, was zum Zeitpunkt der Erbauung einer üblichen Vorgehensweise entsprach. Die vertikale Aussteifung ist in Längs- und Querrichtung durch eine Vielzahl an Mauerwerkswandscheiben und Stahlrahmen gewährleistet. 2.2.2 3. und 2. Obergeschoss Die horizontale Aussteifung erfolgt über die Stahlbetondeckenscheibe, die vertikale Aussteifung in Längs- und Querrichtung über eine Vielzahl an Mauerwerkswandscheiben. 2.2.3 1. Obergeschoss Die horizontale Aussteifung wird über die Stahlbetondeckenscheibe realisiert. Die vertikale Aussteifung in Längs- und Querrichtung sowohl über eine Vielzahl an wandartigen Trägern aus Stahlbeton, die auch als Wandscheibe herangezogen wurden, als auch über eine Vielzahl an Mauerwerkswandscheiben. 2.2.4 Erdgeschoss Die horizontale Aussteifung ist im Wesentlichen über die Stahlbetondeckenscheibe gewährleistet. Die inneren Vertikalglieder des Erdgeschosstragwerks bestehen im Wesentlichen aus Pendelstützen. Zudem besteht die Außenwand in Achse D aus einer Lochfassade, die nur über unwesentliche Aussteifungseigenschaften verfügt. Zur vertikalen Aussteifung wurden in Richtung der Großbuchstabenachsen deshalb der eingezogen angeordnete wandartige Träger aus Stahlbeton in Achse B‘ sowie die „Altwand“ aus 1970 in Achse I aus Mauerwerk herangezogen. Orthogonal hierzu bzw. unter 60° hierzu wurden die beiden Mauerwerkswandscheiben in Achse 12/ I bis D (ca. 32 m lang) und in Achse D/ 2 bis 4‘ (ca. 14 m lang) herangezogen. Eben-so sind die Längswände des Treppenhauses in Achse 4 und Achse 4‘‘ (Mauerwerk; je ca. 5 m lang) sowie der Aufzugsschacht (Stahlbeton) zur Vertikalaussteifung heranzuziehen. Der nicht überbaute Bereich zwischen Achse I und A/ 8 und 12 (Dachkonstruktion aus Trapezblech auf Stahlträgern) ist horizontal an die vorbeschriebene Deckenscheibe angebunden. 2.2.5 Tiefgarage Die horizontale Aussteifung erfolgt über Stahlbetondeckenscheiben. Durch Deckenfugen in Achse A und 8‘‘ ist der Deckenbereich Achse I-A/ 8‘‘-12 vom Rest der Deckenscheibe getrennt. Die Unterzüge in Achse A und in Achse III sind jedoch monolithisch mit dem Resttragwerk verbunden. Den verfügbaren Unterlagen konnte keine Wandfuge in der Stahlbetonaußenwand in Achse 12 entnommen werden. Es ist möglich, dass zumindest ein Teil der Horizontalbeanspruchung über einen unplanmäßigen Formschluss in der Deckenfuge in das Resttragwerk weitergeleitet wird. Da dieser Teilbereich isoliert betrachtet jedoch nur über 2 Wandscheiben verfügt (Achse I und 12), die sich in Achse I/ 12 schneiden, ist nicht auszuschließen, dass die Stahlbetonstützen in diesem Bereich eine - wenn auch geringe - Horizontalbeanspruchung (Wind-/ Stabilisierungs-/ Erddruck) erfahren. Bei der Wahl der Instandsetzungsverfahren war dieser Sachverhalt abschließend zu klären und angemessen zu berücksichtigen. Der größere Deckenabschnitt (vorstehend Rest der Deckenscheibe genannt) ist sowohl horizontal (Stahlbetondeckenscheibe) als auch vertikal (Stahlbetonwandscheiben) ausreichend ausgesteift. buch2.indb 35 13.01.20 15: 39 36 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus 2.3 Konstruktion der Einzelbauteile Zu den Einzelbauteilen der Tiefgarage war zum Zeitpunkt der Planung der Instandsetzung folgendes bekannt: 2.3.1 Decke über Tiefgarage Die Decke über der Tiefgarage wurde als einachsig gespannte Durchlaufplatte bemessen. Die Deckenstärken dieser Massivplatten variieren je nach statischen Erfordernissen zwischen 17 und 20 cm. In den Achsen I, A und 8‘‘ wurden Deckenfugen angeordnet. Bei diesen Fugen handelt es sich aber nicht um konsequent durchgehende Gebäudefugen. Die Decken sind in der oberen und der unteren Lage matten- und stabstahlbewehrt. Den Bestandsunterlagen konnten folgende Eigenschaften entnommen werden: Betondruckfestigkeitsklasse: Bn 250 (B300) Betonstahlgüte: BSt III K; BSt IV R (BSTG) Betondeckung: 1 cm 2.3.2 Unterzüge über Tiefgarage Die Unterzüge über der Tiefgarage wurden als Plattenbalken bemessen. Sie verfügen je nach statisch-konstruktiver Erfordernis über Unterzugshöhen von 60 cm, 65 cm (Regelhöhe) und 100 cm sowie Unterzugsbreiten zwischen 30 und 45 cm. Betondruckfestigkeitsklasse: Bn 250 (B300) Betonstahlgüte: BSt III K Betondeckung: 2 cm 2.3.3 Stützen Tiefgarage Die Stützen der Tiefgarage wurden in verschiedensten Querschnitten mit den Abmessungen 25/ 25 cm, 24/ 30 cm, 30/ 30 cm, 30/ 35 cm, 35/ 35 cm, 35/ 40 cm, 40/ 40 cm und 45/ 45 cm erstellt und je nach statischer Erfordernis verschieden bewehrt (Abb. 5 Regelquerschnitt), sodass die Stützen im Gebrauchszustand überwiegend hoch ausgenutzt sind. Sie wurden als Pendelstützen bemessen. Einige Stützen verfügen über eine Stützenkopfverstärkung (Abb. 6). Betondruckfestigkeitsklasse: Bn 250 (B300) Betonstahlgüte: BSt III K Betondeckung: 2 cm 2.3.4 Wände Tiefgarage Die Außenwände der Tiefgarage sind neben der Vertikalbeanspruchung auch auf orthogonal zur Wandebene einwirkender Horizontalbeanspruchung infolge Erddruck aus wandhoher Anschüttung nebst Bodenauflast (10 kN/ m²) sowie Horizontalbeanspruchungen in Wandebene infolge Wind, Stabilisierung und Erddruck bemessen. Die Innenwände der Tiefgarage wurden im Wesentlichen zum vertikalen Lastabtrag und für Horizontalbeanspruchungen in Wandebene infolge Wind, Stabilisierung und Erddruck bemessen. Über die Abdichtungsart der Außenwände waren den Bestandsunterlagen keine Informationen zu entnehmen. Die Außenwände sind 25 cm bis 30 cm stark, die Innenwände sind 24 cm stark. Den Bestandsunterlagen konnten folgende Eigenschaften entnommen werden: 2.3.5 Außenwände: Betondruckfestigkeitsklasse: Bn 150 (B225) Betonstahlgüte: BSt III K; BSt IV R (BSTG) Betondeckung: 2 cm Innenwände: Betondruckfestigkeitsklasse: Bn 250 (B300) Betonstahlgüte: BSt III K; BSt IV R (BSTG) Betondeckung: 2 cm 2.3.6 Bodenplatte Zur Bodenplatte konnten den Bestandsunterlagen keine detaillierten Informationen entnommen werden. Den Ausführungsplänen zu einigen angrenzenden Bauteilen konnte lediglich entnommen werden, dass die Sohle 15 cm stark ist. Vor Ort war festzustellen, dass die Sohle im Bereich der 80 cm hohen Einzelfundamente der Stützen losgelöst gegen diese betoniert wurde. Im Bereich der 40 cm hohen Einzel- und Streifenfundamente wurde die Sohle über die Fundamentkörper hinweg -jedoch losgelöst von den Stützenhergestellt. Ob es sich hier jeweils um eine Pressfuge handelt, ist den Bestandsunterlagen nicht zu entnehmen gewesen. Weitere Einzelheiten waren nicht bekannt. 2.3.7 Einzelfundamente und Streifenfundamente Die Einzelfundamente wurden überwiegend als zentrisch belastete Gründungskörper mit 80 cm Einbindetiefe bemessen. Die hochbelasteten Fundamente unterhalb des mehrgeschossig überbauten Bereiches wurden entsprechend der Einbindetiefe 80 cm hoch ausgeführt und schließen mit ihrer Oberkante in Oberkante Sohle ab (Abb. 7). Die geringer belasteten Einzelfundamente unterhalb des nur erdgeschossig überbauten Bereiches verfügen über eine Bauhöhe von lediglich 40 cm bei einer Einbindetiefe von 80 cm, sodass diese Fundamente von der Sohle überbaut sind (Abb. 8). Die Abmessungen der Einzelfundamente betragen je nach Einwirkung 65/ 65 cm bis 275/ 275 cm. Die Bemessung erfolgte in der Regel unter Ausnutzung der zulässigen Bodenpressung von 350 kN/ m² (Einzelfundamente; charakteristisch) bzw. 300 kN/ m² (Streifenfundamente; charakteristisch). Die Streifenfundamente -bereichsweise biegebewehrt als Fundamentbalken ausgebildetsind in Achse 0 und Achse D zentrisch belastet und verfügen über Abmessunbuch2.indb 36 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 37 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus gen von b/ h = 40/ 40 cm. Diese Streifenfundamente sind durch die Sohle überbaut. In Achse 12/ I bis III ist ein zentrisch belasteter Fundamentbalken mit Abmessungen von b/ h = 35/ 90 cm oberkantengleich mit der Sohle ausgeführt worden. In Achse 12/ III bis D wurde ein exzentrisch belasteter Fundamentbalken als Stiefelfundament mit den Abmessungen b/ d = 80/ 40 cm ausgeführt. Dieser Fundamentbalken ist durch die Sohle überbaut. Betondruckfestigkeitsklasse: Bn 150 (B225) Betonstahlgüte: St III K Betondeckung: 2 cm 2.3.8 Zufahrtsrampe Die Überdachung der Tiefgaragenzufahrt wurde als eigenständiger Baukörper losgelöst von der Tiefgarage in Stahlbetonbauweise hergestellt. Dieser Baukörper besteht aus einer auf Unterzügen abgesetzten Dachdecke (planmäßige Nutzung als Spielplatz). Die Unterzüge ruhen in Achse der seitlichen Begrenzung der Zufahrt auf kurzen Stützen, die wiederum in eine Winkelstützwand übergehen, welche die Geländesprungsicherung gewährleistet. Die maximalen Außenabmessungen des Tiefgaragendaches betragen 9,20 m/ 14,00 m. Die Zufahrtsrampe verfügt über eine lichte Breite von 7,20 m. Betondruckfestigkeitsklasse: Bn 150 (B225) Betonstahlgüte: BSt III K; BSt IV R (BSTG) Betondeckung: 2 cm 3. IST-Zustandserfassung im Jahr 2017 Die Tiefgarage wurde im Jahr 2017 von der ö.b.u.v. Sachverständigen Gieler-Breßmer umfangreich betontechnologisch untersucht und der IST-Zustand ganzheitlich erfasst. Im Zuge des Gutachtens wurde ein Instandsetzungskonzept in Zusammenarbeit mit Herrn Guttenberg vom Ingenieurbüro Wiemer erarbeitet. Die Ergebnisse der Begutachtung sind in dem Gutachten [3] aus dem Jahr 2017 dargestellt; sie werden nachfolgend zusammengefasst 3.1 Ergebnisse visuelle Schadensaufnahme Die nachfolgenden Bilder zeigten die Zufahrt zur Tiefgarage und im Hintergrund die 3geschossige Überbauung mit Wohnungen und Praxen sowie im Vordergrund die 1geschossige Überbauung mit dem Lebensmittelmarkt. Bild 1: Zufahrt zur Tiefgarage vom Vorplatz aus Von der Straße „Neue Straße“ erfolgt die Zufahrt in die Tiefgarage über eine Durchfahrt unter dem parallel zur Straße liegenden Gebäude. Bild 2: Durchfahrt von der Stichstraße zum Vorplatz der Tiefgarage In einem 1ten Schritt wurden alle visuell erkennbaren Schäden in der Tiefgarage in einem Schadenskartierungsplan aufgenommen und fotografisch dokumentiert. Bild 3: Tiefgarage im Inneren buch2.indb 37 13.01.20 15: 39 38 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus 3.1.1 Stützen-/ Wandsockel An nahezu sämtlichen Stützensockeln waren sehr ausgeprägte Schäden mit tiefgehenden Betonabplatzungen über korrodierender Bewehrung fest zu stellen. Dabei ist der Querschnittsverlust an der Bewehrung örtlich sehr hoch gewesen. Überall dort, wo die Bodenplatte Mulden vor den Wandsockeln zeigte, waren auch an den Wandsockeln deutliche Schäden in Form von Betonabplatzungen über korrodierender Bewehrung wahrzunehmen. Die Betondeckung der Bewehrung war bei beiden Bauteilen am Sockel überwiegend sehr gering. Bild 4: Korrodierende Bewehrung am Stützensockel Bild 5: Korrodierende Bewehrung am Wandsockel 3.1.2 Einzelfundamente An der Schubbewehrung der bis OK Bodenplatte reichenden Einzelfundamente wurden sehr hohe Querschnittsverluste bis hin zum Bruch vorgefunden. Die Betondeckung ging örtlich gegen Null. Bild 6: Einzelfundament mit erheblicher Korrosion an der Schubbewehrung 3.1.3 Bodenplatte Die Bodenplatte war übersäht mit weißlichen Ablagerungen und zeigte sehr deutlichen Verschleiß nach einer Nutzungszeit von nahezu 43 Jahren. Bild 7: Calciumcarbonatablagerungen auf der Bodenplatte Die weißlichen Ablagerungen waren verursacht durch eine nicht funktionstüchtige Dränage, so dass Schichtenwasser bis Unterkante Bodenplatte anstand und durch den Beton in das Innere der Tiefgarage diffundierte. Dabei wurde Calciumhydroxid aus dem Beton ausgewaschen, welches sich als Calciumcarbonat auf der Oberfläche der Bodenplatte ablagerte. 3.1.4 Rampe und Überdachung Die Rampenzufahrt ist mit Betonverbundsteinen belegt. Diese weisen unregelmäßige Setzungen in den Fahrspuren auf. buch2.indb 38 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 39 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Bild 8: Rampe in Tiefgarage An den Stahlbetonbauteilen der Rampenüberdachung wurden örtlich Betonabplatzungen über korrodierender Bewehrung, die < 10 mm überdeckt ist, festgestellt. Die Abdichtung des Daches über der Zufahrt war nicht mehr intakt. Bild 9: geschädigte Abdichtung Rampenüberdachung Bild 10: geschädigte Stirnseite der Überdachung Die Dachkante wies Betonschäden in Form von Abplatzungen über korrodierender Bewehrung und Farbabplatzungen auf (Bild 10). 3.2 Ergebnisse der betontechnologischen Untersuchungen Im Zuge der betontechnologischen Untersuchung wurden die Karbonatsierungstiefe des Betons, die Betondeckung der Bewehrung, die Oberflächenzugfestigkeit des Betons sowie die Druckfestigkeit bestimmt. Außerdem fand eine Potentialfeldmessung an den tausalzbeaufschlagten Bauteilen statt. Die Ergebnisse lassen sich bauteilbezogen wie folgt darstellen: 3.2.1 Außenbauteile aus Stahlbeton, Bauteile außerhalb der mit Tausalz beaufschlagten Bereiche Aufgrund einer geringen planmässigen Betondeckung (10 - 20 mm laut Statik) und gleichzeitig dem Alter von 43 Jahren entsprechenden Karbonatisierungstiefe ist es an diesen Bauteilen zu karbonatisierungsinduzierter Korrosion gekommen. An den Deckenunterseiten ebenso wie an den Unterzügen sowohl im Inneren der Garage als auch bei der Rampenüberdachung wurde in weiten Bereichen eine Betondeckung < 10 mm ermittelt. Diese erforderte bei der Instandsetzung eine Betondeckungserhöhung durch den Auftrag von spritzbaren kunststoffmodifizierten Mörteln (im Folgenden abgekürzt: SPCC`s). 3.2.2 Stützen- und Wandsockel Die Sockel der aufgehenden Bauteile wiesen sehr hohe Chloridgehalte bei einer örtlich sehr geringen Betondeckung der Bewehrung < 10 mm auf. Nachfolgende Diagramme zeigen die vorgefundenen Chloridgehalte in den unterschiedlichen Tiefenstufen: Bild 11: Chloridgehalte bei den Messstellen MS 1-15 buch2.indb 39 13.01.20 15: 39 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Bild 12: Chloridgehalte bei den Messstellen MS 16-24 Da die Bodenplatte der Tiefgarage kein Gefälle aufwies, lagen die meisten Stützensockel im Bereich eines Tiefpunktes, so dass bei der Nutzung Wasserpfützen um diese herum auftraten. Im Winter eintransportiertes Tausalz konnte somit in die Sockel eindringen. Das zeigt sich in den Chloridprofilen: die Bewehrung lag überwiegend in einem Beton mit hohem, korrosionsauslösendem Chloridgehalt. Bei den Wandsockeln ergab sich ein ähnliches Bild: Bild 13: Chloridgehalte an den Wandsockeln Die stark erhöhten Choridwerte in Höhe der Bewehrung zeigten sich auch dort in Bereichen mit Pfützen vor den Wänden. Karbonatisierungsinduzierte Korrosion spielte dort keine Rolle. 3.2.3 Einzelfundamente, die oberflächenbündig mit der Bodenplatte endeten, sowie Bodenplatte Die Schubbewehrung der Einzelfundamente zeigte örtliche eine Betondeckung unter 10 mm. Gleichzeitig war der Chloridgehalt hoch: Bild 14: Chloridgehalte Boden und Fundamente Die Querschnittsverluste an der Bewehrung waren zum Teil sehr hoch, Schubbewehrung war gebrochen. Aus einigen Fundamenten wurden Bohrkerne entnommen. Der Beton der Fundamente wurde mit einem 16 mm Größtkorn und einem Sandsplittkies hergestellt. Die Verdichtung ist gut. Es gibt eine geringe Anzahl an Verdichtungsporen mit bis zu 2 mm Ø auf der Mantelfläche des Bohrkerns. Die Druckfestigkeit entsprach im Mittel einem Beton C 25/ 30 gemäß DIN EN 13791. Im Zuge der Entnahme der Bohrkerne wurde gleichzeitig überprüft, ob die Einzelfundamente der Stützen 34 bis 38 (nur 1gschossig überbaute Bereich der Tiefgarage) tatsächlich 80 cm tief einbinden. Da die Oberkante Fundament und Oberkante Bodenplatte gleich waren, musste angenommen werden, dass ggf. die Einbindetiefe nicht ausreicht. Laut Statik sollten diese Fundamente bei einer Höhe von 40 cm mindestens 80 cm tief einbinden. Die Probebohrungen zeigten jedoch, dass man bei der Herstellung entgegen der Planung diese Fundamente 80 cm hoch eingebaut hat, sodass die Oberkanten deckungsgleich mit der Bodenplatte liegen. 3.3 Bewertung der Erhebungen Die Tiefgarage in der Manhagener Allee 7 wurde zum Zeitpunkt der Untersuchung seit 43 Jahren umfassend genutzt. Im Jahr 1974/ 75 war es noch nicht Stand der Technik, die Bauteile, die mit Tausalzen in Berührung kommen, abzudichten und vor chloridinduzierter Korrosion zu schützen. Weder die Bodenplatte noch die Fundamentoberseiten noch die Stützen- und Wandsockel waren gegen den Eintrag von Tausalzen, die im Winter durch die einfahrenden Fahrzeuge in die Tiefgarage transportiert werden, geschützt. Diesem Umstand war es zu verdanken, dass an den standsi-cherheitsrelevanten Bauteilen, wie Stützen- und Wandsockeln sowie Fundamentoberseiten, sehr umfangreiche Schäden in Form von Betonabplatzungen korrodierender Bewehrung vorlagen. 3.3.1 Zufahrt und Überdachung Bei der Zufahrt in die Tiefgarage hat man zum Zeitpunkt der Errichtung einen Verbundsteinpflasterbelag verlegt. Dies stellte sich aus heutiger Sicht als sehr vorteilhaft heraus, da dieser Belag nahezu unbeschädigt war. Die Stützwände der Rampe hat man dabei mit vorgesetzten Schrammborden vor dem direkten Einfluss von Tausalzen geschützt. Insofern sind bei den Bauteilen des Rampenbauwerks keine Schäden infolge chloridinduzierter Korrosion entstanden. Zum Zeitpunkt der Planung hat man bei den Bauteilen eine Betondeckung von 20 mm angesetzt. Bei der Errichtung wurde diese Betondeckung örtlich unterschritten, sodass es zu örtlichen Betonabplatzungen über korrodierender Bewehrung infolge Karbonatisierung gekommen ist. buch2.indb 40 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 41 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Bei der Decke oberhalb der Rampe hat es sich ursprünglich um einen Kinderspielplatz gehandelt. Dieser wurde nicht mehr genutzt. Die als Abdichtung eingesetzte rissüberbrückende Beschichtung war am Ende ihrer Lebensdauer angelangt. 3.3.2 Bodenplatte im Inneren der Tiefgarage Die Bodenplatte im Inneren der Tiefgarage sollte 15 cm dick sein. Es gibt von der Bodenplatte keine detaillierten Informationen aus den Bestandsunterlagen. Die Bodenplatte war an der Draufsicht sehr starkem Verschleiß unterworfen und wies örtlich erhebliche Hohllagen auf. Außerdem war auf der gesamten Fläche ein weißlicher Belag festzustellen, der darauf hinwies, dass von unten Wasser durch die Bodenplatte transportiert wird, dort Calciumhydroxid auswäscht und an der Oberseite Calciumkarbonat als Ausblühung liegen bleibt. Aus diesem Grund wurde dem Auftraggeber geraten, die Drainagen zu befahren und deren Zustand zu begutachten. Dabei zeigte sich, dass die gesamten Drainagen nicht mehr funktionsfähig sind. Es stellte sich heraus, dass sich Wasser unter der Bodenplatte aufstaute und es somit zu diesen Ablagerungen gekommen war. Die Bodenplatte war am Ende ihrer Lebensdauer angekommen. Eine Instandsetzung der Bodenplatte wurde als nicht mehr zielführend beurteilt. 3.3.3 Einzelfundamente Bei den Einzelfundamenten war der Schadensgrad aufgrund der sehr geringen Betondeckung der Bewehrung und der hohen Chloridgehalte außerordentlich hoch. Die Schubbewehrung war durch chloridinduzierte Korrosion sehr stark geschädigt worden. 3.3.4 Stützen Sämtliche Stützensockel, die im Bereich von Pfützen und Gefälletiefpunkten lagen, waren sehr stark geschädigt und hoch chloridkontaminiert. Chloridinduzierte Korrosion hat zu erheblichen Querschnittsverlusten an der Stützenbewehrung geführt. Auf diesen Umstand war es zurückzuführen, dass es zahlreiche großflächige Betonabplatzungen über korrodierender Bewehrung gab, die zum Teil an allen 4 Seiten der einzelnen Stützen aufgetreten sind. Der IST-Zustand der Stützen wurde aus statischer Sicht in Zusammenhang mit dem Zustand der Fundamente als außerordentlich kritisch beurteilt. 3.3.5 Wandsockel Überall dort, wo die Wände im Bereich der Gefälletiefpunkte lagen, galt für diese Sockel das Gleiche, wie für die Stützensockel. Durch chloridinduzierte Korrosion waren hier örtlich erhebliche Schäden an der Bewehrung aufgetreten, die relativ nah an der Oberfläche lag. 3.3.6 Wände und Stützen oberhalb der Sockelbereiche sowie Decke Alle Stahlbetonbauteile, die außerhalb der Tausalzbelastung liegen, wiesen eine dem Bauwerksalter geschuldete, sehr geringe Betondeckung auf. Örtlich gab es hier kleinere Betonabplatzungen über zu gering überdeckter Bewehrung. Hier war der bauliche Brandschutz durch einen Brandschutzgutachter zu klären. 4. Instandsetzungskonzept Die Instandsetzung der Tiefgarage war aufgrund der Untersuchungsergebnisse dringend erforderlich, um die Standsicherheit und dauerhafte Gebrauchstauglichkeit der Tiefgarage wiederherzustellen. Gemeinsam mit dem Tragwerksplaner wurde ein Konzept entwickelt, dass sowohl den statischen als auch den korrosionsschutztechnischen Gegebenheiten Rechnung trug. 4.1 Instandsetzung der Stützen Die Stützen in der Tiefgarage sind zum Teil durch die Überbauung hoch belastet. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse wäre bei zahlreichen Stützen umlaufend ein Betonabtrag zwischen 60 und 80 mm bis auf eine Höhe von 40 cm über Oberkante Fundament notwendig. Da der Betonabtrag bis ca. 2 cm hinter die Bewehrung erfolgen muss, um den einzubringenden Beton ordnungsgemäß verdichten zu können, wurde im Zuge der Überlegungen zum Instandsetzungskonzept festgelegt, dass es sinnvoll ist, mindestens 100 mm Beton umlaufend abzutragen. Diese Vorgabe wurde vom Tragwerksplaner, Herrn Dipl.- Ing. Guttenberg vom Ingenieurbüro Wiemer, überprüft. Er stellte fest, dass dieser tiefe Betonabtrag aufgrund des Ausnutzungsgrades der Stützen aus standsicherheitsrelevanten Gründen nicht möglich ist. Bei einigen Stützen müssen bis zu 240 Tonnen Last von der Überbauung abgefangen werden. Dies ist nicht mit üblichen Baustützen möglich. Aus diesem Grund wurde folgendes Instandsetzungskonzept beschlossen: im Bauzustand mussten im Folgenden als Hilfsstützen bezeichnete Stahlbetonstützen achssymmetrisch auf dem Fundament abgesetzt werden. Diese werden jeweils rechts und links an die bestehenden Stützen anbetoniert (siehe Abb. 9 des Anhangs mit dem Grundrissplan mit eingetragenen Orten der Hilfsstützen). Einige dieser Hilfsstützen mussten zur Ermöglichung der Nutzung später wieder ausgebaut werden, andere konnten stehen bleiben. Aber nicht nur aufgrund der hohen Lasten aus der Überbauung ist diese Art der Abstützung zur Instandsetzung notwendig geworden, sondern auch aufgrund der Fundamentsituation. Die Fundamente waren sehr stark geschädigt, sodass ein Betonabtrag von 10 cm notwendig wurde. Bei dieser notwendigen Abtragstiefe reichten die Fundamente im Bauzustand statisch nicht mehr aus. buch2.indb 41 13.01.20 15: 39 42 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Aus diesem Grund musste die Aufstandsfläche im Bauzustand vergrößert werden und dies ging nur durch die einzubringenden Hilfsstützen. Deshalb mussten im Bereich der Hilfsstützen 10 cm tiefe Taschen für die Vergrößerung der Aufstandsfläche durch die Hilfsstützen in die Fundamente eingebracht werden. Danach wurden auf einer Seite der Bestandsstützen die Hilfsstützen gesetzt. Nach Aushärtung erfolgte das Setzen der 2ten Hilfsstütze auf der anderen Seite. Nach Erhärtung des Betons der Hilfsstützen bis zu 75 % der Betonfestigkeit wurde der Beton der Bestandsstütze auf eine Höhe von 40 cm über Oberkante Fundamente und 10 cm in das Fundament hinein mittels HDW-Strahlen auf voller Breite abgetragen und später neu betoniert. Dieses Konzept wurde in nachfolgend beschriebenen Arbeitsschritten ungesetzt: 4.1.1 Schritt 1: Herstellen der Hilfsstützen: Nach Prüfung durch den Tragwerksplaner war die einseitige Herstellung der Hilfsstützen bei allen Stützen gleichzeitig möglich. Dies konnte im Bauablauf berücksichtigt werden. Ein gleichzeitiges beidseitiges Arbeiten an den Stützen war nicht möglich. Folgende Arbeitsschritte waren umzusetzen: - Herstellen der 10 cm tiefen Taschen für die 20 cm breiten Hilfsstützen auf voller Stützen-breite auf einer Seite der Bestandsstützen. Das Herstellen der Taschen erfolgte mit HDW-Strahlen; hierbei musste der Unternehmer jedoch insbesondere darauf achten, dass die Bestandsstütze beim HDW-Strahlen keinesfalls geschädigt wird. - Die Stützenflanke, an die die Hilfsstütze betoniert werden sollte, musste mittels HDW-Strahlen angeraut werden, um eine Verbundwirkung zu erzielen. - Endverankerungen wurden in die Bestandsstütze gesetzt, um die Verbundwirkung zwischen Hilfsstütze und Bestandsstütze herzustellen. - Der Bewehrungskorb für die Hilfsstütze wurde stumpf auf das Fundament aufgesetzt. Ein Einbohren der Bewehrung in das Fundament war zur Lagestabilisierung nicht notwendig, da dieser Teil der Stütze später durch den Fundamentbeton, der wieder ergänzt wurde, eingespannt war. Der notwendige Bewehrungskorb für die Hilfsstützen wurde eng mit den Endverankerungen verrödelt. - Die Hilfsstützen werden betoniert Als Beton wurde ein C 35/ 45 aufgrund des Bauablaufs gewählt. Da als Abdichtungsmaßnahme am Stützensockel ein Hochzug mit einem OS 10-System realisiert wurde, war als Expositionsklasse XC3 ausreichend. Dies war aus statischen Gründen sinnvoll, da dann die Mindestbetondeckung auf 20 mm reduziert werden konnte. Die so hergestellte Hilfsstütze auf der einen Seite der Stütze musste ca. 7 Tage in der Schalung verbleiben, so dass 75 % der Druckfestigkeit erreicht wurde. Erst dann konnten die Hilfsstützen auf der anderen Seite der Bestandsstützen hergestellt werden. 4.1.2 Schritt 2: Instandsetzung Sockel Bestandsstützen Nach der erforderlichen Aushärtezeit der Hilfsstützen konnte der Beton am Sockel der Bestandsstützen mittels HDW-Strahlen auf eine Höhe von h = 40 cm über Oberkante Fundament und 10 cm in das Fundament hinein abgetragen werden. Dabei war unbedingt auf den Schutz der Hilfsstützen zu achten. Die gerade hergestellten Hilfsstützen durften beim Höchstdruckwasserstrahlen nicht beschädigt werden. Um dies zu verhindern wurde in hinter dem Bewehrungskorb jeder Hilfsstütze ein Stahlblech vor dem Betonieren eingeführt. Bei allen Stützen, bei denen die Hilfsstützen aus Stahlbeton dauerhaft verblieben, war die beschädigte Bewehrung nicht zu ersetzen mit Ausnahme geschädigter Bügel. Der Grund hierfür war, dass die Last über die neuen Stützen abgetragen wird. Bei allen Stützen, bei denen die Stahlbetonstützen als temporäre Stützen später wieder abgebrochen wurden, musste die Bewehrung ergänzt werden. Dies konnte nur über Schweißen geschehen, d. h. die Schweißbarkeit der Bestandsbewehrung musste geprüft werden. Die Stützensockel wurden in Anlehnung an ein Oberflächenschutzsystem 10² bis in eine Höhe von 50 cm über OK Belag der Bodenplatte abgedichtet. Bei der Instandsetzung der Stützen oberhalb des Sockelbereichs wurde wie folgt vorgegangen: - Untergrundvorbereitung zur Entfernung der Altbeschichtung. - Aufbringen einer zementgebundenen, kunststoffmodifizierten Feinspachtelung als Kratz- und Egalisierungsspachtelung. - Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems OS 4² . 4.2 Instandsetzung der Wände Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse war umlaufend ein Betonabtrag von ca. 80 mm mindestens 40 cm hoch am Wandsockel erforderlich. Die Instandsetzung der Wände verlief ansonsten mit der Ausnahme, dass hier keine Hilfsstützen notwendig wurden, wie diejenige der Stützen. 4.3 Instandsetzung der Decke Nach Rücksprache mit dem Tragwerksplaner war für den Brandschutz eine Betondeckung von 35 mm bis zur Bewehrungsachse notwendig. Planmäßig waren jedoch nur 10 mm Betondeckung bei Bewehrungsdurchmessern Ø 10 mm vorhanden. D. h., dass zu keinem Zeitpunkt die Decke die Brandschutzklasse F90 aufgewiesen hat. Es war insofern notwendig, eine Betondeckungserhöhung an der Decke auszuführen. Dieser Umstand war jedoch mit einem einzuschaltenden Brandschutzgutachter im Detail abzustimmen. Dieser berief sich auf den Bestandsschutz und hielt eine Betondeckungserhöhung für nicht angezeigt. Im Zuge der Ausführung wurde jedoch umentschieden und auf buch2.indb 42 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 43 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus alle Flächen eine zusätzliche Betondeckungsschicht aufgebracht. Folgende Einzelmaßnahmen wurden umgesetzt: - Untergrundvorbereitung zur vollständigen Entfernung des Altanstrichs. - Örtliche Betoninstandsetzungsmaßnahmen dort, wo es Betonabplatzungen über korrodie-render Bewehrung gab. - Flächiges Aufbringen einer Betondeckungserhöhung von 30 mm mit einem zementgebun-denen, spritzbaren und zugelassenem Instandsetzungsmaterial. - Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems OS 4 inkl. Feinspachtelung. 4.4 Instandsetzung der Bodenplatte Statisch stützt die Bodenplatte die Außenwände. Ein Ausbau war somit nur abschnittsweise möglich. Außerdem musste an den erdangeschütteten Außenwänden eine massive Stahlprofilabstützung ausgeführt werden. Folgendes Konzept wurde umgesetzt: - Einbau Abstützung entlang der erdangeschütteten Außenwände. - 10 cm Betonabtrag bei den Fundamenten vollflächig durch HDW-Strahlen, was erst nach vollständiger Erhärtung und Instandsetzung der Bestandsstützen und Hilfsstützen möglich war. - Vollflächiger Ausbau der zwischen den Fundamenten liegenden Bodenplatte, abschnitts-weise nach genauer Abschnittsvorgabe des Tragwerksplaners. - Die neue Bodenplatte wurde bewehrt und mit der planmäßigen Rissbreitenbeschränkung w K = 0,2 mm bemessen. - Die Bodenplatte wurde 15 cm dick hergestellt und konnte im Bereich der Fundamente in einer Stärke von 10 + 3 cm über die Fundamente geführt werden. Dadurch konnte eine Betondeckungserhöhung an der Schubbewehrung erzielt werden. - Die Bodenplatten mussten Fugen in Abhängigkeit der Bauabschnitte erhalten. - Die so hergestellte Bodenplatte wurde mit Epoxidharz versiegelt und mit Polymerbitumenschweißbahnen einlagig unterlaufsicher abgedichtet und mit 35 mm Gussasphalt belegt. - In Absprache mit dem Auftraggeber wurde wegen der Durchfahrtshöhen kein Gefälle ausgeführt. Pfützenbildung wurde in Kauf genommen. - Die Fugen in der Bodenplatte mussten in der Abdichtung und dem Gussasphalt übernom-men werden. 4.5 Instandsetzung des Rampenbauwerks Das Rampenbauwerk ist komplett von der Tiefgarage getrennt. Hier wurde eine konventionelle Instandsetzung durchgeführt. Das Dach über der Rampe wurde neu abgedichtet. 4.6 Flankierende Maßnahmen Im Zuge der Instandsetzung musste die Dränage unter der Bodenplatte komplett neu geplant und erneuert werden. Es war sicher zu stellen, dass in Zukunft kein Wasser mehr an der UK der Bodenplatte ansteht. Dies war die Vorbedingung für die gewählte Art der Abdichtung und des Belags der Bodenplatte. Außerdem wurde die gesamte Haustechnik komplett erneuert. Umbaumaßnahmen in den oberirdischen Geschossen führten zusätzlich zu erforderlichen Maßnahmen in der Tiefgarage, so z.B. zu dem Einbau eines zusätzlichen Aufzugs. 5. Ausführung der Instandsetzung Das Instandsetzungskonzept wurde in eine detaillierte Ausführungsplanung umgesetzt. In jeder Phase der Planung war der Tragwerksplaner mit eingeschaltet und die einzelnen Bauabschnitte wurden genau geplant. Dies war aufgrund der Bedeutung der standsicherheitsrelevanten Instandsetzungsschritte unerlässlich. So wurden die Bauabschnitte beim Herstellen der Hilfsstützen im Zuge der Planung in 3 Phasen unterteilt. Die Herstellung der Bodenplatte folgte diesen 3 Phasen. Umfangreiche Abstützungsmaßnahmen sicherten die erdangeschütteten Wände beim Ausbau der Bodenplatte in Abschnitten. Bei der Stadt Ahrensburg wurde aufgrund des umfangreichen Eingriffs in die Statik des Bauwerks ein Bauantrag gestellt und das Projekt durch einen Prüfstatiker begleitet. Bei der Ausführung gab es bei der Herstellung der Hilfsstützen einige zeitliche Verzögerungen, da das Bohren der Endverankerungsbewehrung zur Verbindung der Hilfsstützen mit den Bestandsstützen schwierig war. Vor dem Bohren war die Lage der Bewehrung zu sondieren und an den Stützen zu kennzeichnen. Insbesondere an den Stellen, an denen die Bewehrung 2lagig vorlag und der hintere Stab nicht völlig parallel zum vorderen lag, waren die Bohrungen nur schwer herzustellen und mussten versetzt werden. Da das Einbringen der Bohrungen zu einer Reduzierung der hochbelasteten Stahlbetonquerschnitte führte, war ein Versetzen nicht ohne Einschaltung des Tragwerksplaners möglich. Alle Arbeiten mussten somit in sehr enger Abstimmung der Baubeteiligten erfolgen. Der Ablauf der Stützeninstandsetzung wurde im Detail vom Tragwerksplaner beschrieben (siehe Abb. 10 im Anhang). Ebenso die Bauabschnitte (siehe Abb. 11 im Anhang). Die nachfolgenden Bilder zeigen die eingebrachten Endverankerungen für die Hilfsstützen. buch2.indb 43 13.01.20 15: 39 44 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Bild 15: Endverankerungen für die Hilfsstützen Bild 16: Nahaufnahme Endverankerung Bild 17: Bewehrungskorb der Hilfsstützen wurde mit Endverankerung gut verrödelt. Die Bewehrung der Hilfsstützen wurde vom Prüfstatiker abgenommen. Erst danach konnte betoniert werden. Bild 18: Schalung und Trichter zur Betonage Nach Aushärtung der Hilfsstützen erfolgte dann der Betonabtrag an den Stützensockeln und ggf. erforderliche Bewehrungsergänzung. Bild 19: freigestrahlte Bewehrung am Stützensockel, rechts und links sind die Stahlplatten zum Schutz der Hilfsstützen erkennbar. Das Betonieren der Sockel erfolgte mit dem gleichen Beton wie das Herstellen der Hilfsstützen. buch2.indb 44 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 45 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Nach Fertigstellung der Stützen konnten dann die Fundamentdraufsichten bearbeitet und die Bodenplatte im jeweiligen Bauabschnitt entfernt werden. Bild 20: Abstützung Wände zum Ausbau der Bodenplatte, freigelegte Schubbewehrung auf Fundamenten Die Abstützungsmaßnahmen zur Abstützung der erdangeschütteten Wände waren sehr aufwändig und erschwerten die Arbeiten bei der Herstellung der Bodenplatte nicht unerheblich. Ebenso erschwerten sie vorab die Erd- und Dränagearbeiten. Eine andere Lösung konnte für diese Sicherungsmaßnahmen jedoch nicht entwickelt werden. Bild 21: Eingebrachte Sauberkeitsschicht unter der Abstützung Wände Bild 22: Bewehrung der Bodenplatte - diese wurde über Einzelfundamente geführt Die weiteren Arbeiten zur Instandsetzung der Tiefgarage waren dann Standardaufgaben, die grundsätzlich bei einer Tiefgarageninstandsetzung anfallen. So erfolgte die Instandsetzung an den nicht chloridbelasteten Bauteilen nach konventionellen Methoden. Zusätzlich erhielten die Deckenuntersicht und die Unterzüge eine Betondeckungserhöhung mit einem SPCC. Nach Herstellung der Bodenplattenabschnitte wurden die Hilfsstützen, die die Nutzung einschränkten, wieder ausgebaut. Dies erfolgte unkompliziert im Sägeschnittverfahren. Bild 23: Absägen der zu demontierenden Hilfsstützen Die Wand- und Stützensockel wurden mit einer Abdichtung in Anlehnung an ein OS-10-System angedichtet. Die Abdichtung der Fahr- und Parkflächen wurde mit einer unterlaufsicheren Polymerbitumenschweißbahn nach vorheriger Versiegelung der Betonoberfläche realisiert. Bild 24: Aufbringen Polymerbitumenschweißbahn buch2.indb 45 13.01.20 15: 39 46 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus An den Sockeln der aufgehenden Bauteile wurde eine Abdichtung in Anlehnung an ein OS 10-System appliziert. Da die Parkplatzbreiten sehr gering waren, wäre eine Abdichtung mit Schweißbahn und Verwahrung nicht möglich gewesen, ohne die Parkplatzbuchten nachhaltig und für die Nutzer unbefriedigend zu verengen. Bild 25: Abdichtung der Sockel Der Gussasphalt wurde einlagig aufgebracht und abgesandet. Die Fugen aus den Betonierabschnitten der Bodenplatte wurden im Asphalt übernommen. Bild 26: Einbringen Gussasphalt Da die Tiefgarage durch den Asphaltbelag relativ dunkel wurde, sollte ein Farbkonzept für die Wände, Decke und Stützen Helligkeit bringen. Die Lieferfirma für die Instandsetzungsmaterialien erstellte ein Farbkonzept, das dann vor Ort umgesetzt wurde (siehe Abb. 12 und 13). Bild 27: Fertige Tiefgarage Die starken Leuchtfarben auf den Stützen sollen den Nutzer durch die Tiefgarage in die Parkbuchten leiten und dabei die örtlich durch die Hilfsstützen deutlich verbreiterten Stützen aufmerksam machen. Die Eingänge zum Gebäude wurden mintfarben deutlich abgesetzt. Bild 28: Fertige Tiefgarage mit Farbgestaltung Bild 28: Fertige Tiefgarage: deutlich zu erkennen, die Stützenverbreiterung durch belassene Hilfsstützen Nach einer Sperrung von insgesamt 20 Monaten konnte die Tiefgarage wiedereröffnet werden. Die lange Bauzeit ist auf der einen Seite den komplizierten statischen Erfordernissen geschuldet. Die Herstellung der Hilfsstützen konnte immer nur einseitig und in insgesamt 3 Bauabschnitten erfolgen. Auch die Bodenplatte konnte nur in 2 Bauabschnitten ausgebaut und erneuert werden. Allein die abschnittsweise Bearbeitung erforderte ca. 8 Monate Bauzeit. Die flankierenden Maßnahmen, wie Erdbau, neue Dränage, neue Entwässerung, Umbaumaßnahmen in den oberen Geschossen mit technischen Zusatzmaßnahmen im UG forderten einen weiteren Tribut. Ohne die außergewöhnlichen statischen Maßnahmen wäre eine Instandsetzung der Tiefgarage nicht möglich gewesen. Die enge Abstimmung des Planungsteams und die sehr detaillierte Ausführungsplanung mit genauer Vorgabe der einzelnen Instandsetzungsschritte waren unerlässlich zur Umsetzung der Maßnahme. buch2.indb 46 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 47 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus 6. Schlussbemerkung Die Tiefgarage unter dem Wohn- und Geschäftshaus in der Manhagener Allee 7 in Ahrensburg wurde im Jahr 1974/ 75 errichtet. Zum damaligen Zeitpunkt war es noch nicht allgemein anerkannte Regel der Technik, die mit Tausalz in Berührung kommenden Bauteile vor dem Eintrag des Chlorids zu schützen. So wurden die Sockel der aufgehenden Bauteile, die Bodenplatte und die bis OK Bodenplatte ausgeführten Einzelfundamente jahrelang ungeschützt dem Tausalz ausgesetzt. Als Folge davon traten umfangreiche Schäden durch chloridinduzierte Korrosion der Bewehrung an diesen Bauteilen auf. Nach einer IST-Zustandserhebung im Jahr 2017 wurde aufgrund der Standsicherheitsrelevanz der Schäden eine umgehende Instandsetzung empfohlen und in der Folge auch umgesetzt. Vor besondere Herausforderungen stellte die Planer dabei die notwendige Abstützung der Stützen, bei denen zum Teil 240 Tonnen Last abgefangen werden musste, was mit handelsüblichen Abstützungen nicht möglich ist. Der Tragwerksplaner, Herr Guttenberg vom Ingenieurbüro Wiemer aus Hamburg entwickelte ein Konzept aus zu betonierenden Hilfsstützen. Dieses Konzept wurde dann in Zusammenarbeit mit dem sachkundigen Planungsbüro, der IGF GmbH aus Süßen, in statischer und betontechnologischer Sicht im Detail durchgeplant und vor Ort von der ausführenden Firma BIV Nord aus Hamburg umgesetzt. Im vorliegenden Beitrag wird diese außergewöhnliche statische Maßnahme vorgestellt. Dabei wird im Einzelnen auf den IST-Zustand, das Planungskonzept, die Planung im Detail und die Ausführung eingegangen. Die Instandsetzung der Tiefgarage mit nur 54 Plätzen dauerte bei Vollsperrung 20 Monate. Dies war neben den schwierigen statischen Notwendigkeiten auch den zahlreichen flankierenden Maßnahmen -Erdbau, Dränage, Entwässerung, neuer Aufzug in obere Geschosse - geschuldet. Das Ergebnis der Maßnahme stellt die Eigentümerin ebenso wie die Nutzer zufrieden. Die Tiefgarage ist nun dauerhaft vor dem Eintrag von Tausalz in die Stahlbetonbauteile und die damit verbundenen Risiken geschützt. 7. Danksagung Mein besonderer Dank gilt der Auftraggeberin, der Neue Lübecker Norddeutsche Baugenossenschaft eG aus Lübeck (kurz NL) für die Möglichkeit, dieses interessante Projekt planen und überwachen zu können. Den verantwortlichen Projektleitern der NL vor Ort danke ich für die stets sehr angenehme und konstruktive Zusammenarbeit. 8. Projektbeteiligte: Auftraggeber Neue Lübecker Norddeutsche Baugenossenschaft eG Falkenstraße 9 23564 Lübeck Sachkundiger Planer Ingenieurgesellschaft für Bauwerksinstandsetzung Gieler-Breßmer & Fahrenkamp GmbH Tobelstraße 8 73079 Süßen Tragwerksplaner Helmut Wiemer Ingenieurgesellschaft für Bauwesen mbH Krohnstieg 41-43 22415 Hamburg Ausführendes Unternehmen B.I.V Nord GmbH Bauwerksinstandhaltung und -verstärkung Stenzelring 35 21107 Hamburg Literatur [1] DAfStb: Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen, Ausgabe Oktober 2001, (einschließlich 2. Berichtigung vom Dezember 2005) [2] Uwe Guttenberg, Ingenieurbüro Wiemer, Hamburg: Projekt 1703-044: statische Bewertung Gebäudekomplex Manhagener Allee 7 in ahrensburg, Mai 2017 [3] Susanne Gieler-Breßmer, Gutachten S-1702 zum Istzustand der Tiefgarage unter dem Gebäudekomplex der Manhagener Allee 7 in Ahrensburg buch2.indb 47 13.01.20 15: 39 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Abbildungen Abbildung 1: Grundrissplan aus dem Gutachten S-1702 der ö.b.u.v Sachverständigen Gieler-Breßmer Abbildung 2: Positionsplan Schnitt c-d (Schnitt etwa in Achse 11; im grau hinterlegten Bereich befindet sich die alte Schlachterei aus 1970) buch2.indb 48 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 49 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Abbildung 3: Positionsplan Schnitt e-f (Schnitt etwa in Achse b; im grau hinterlegten Bereich befindet sich die alte Schlachterei aus 1970) buch2.indb 49 13.01.20 15: 39 50 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Abbildung 4: Grundriss 1. Obergeschoss mit Eintragung der wandartigen Stahlbetonträger (blau) und Mauerwerkswände (orange) Abbildung 5: Stütze Achse B/ 11 (stat. Pos. 215) Abbildung 6: Stütze Achse B‘/ 10‘ (stat. Pos. 220) mit Stützenkopfverstärkung Abbildung 7: Einzelfundament Achse B‘/ 10‘ (stat. Pos. 266) buch2.indb 50 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 51 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Abbildung 8: Einzelfundament Achse III/ 9‘ (stat. Pos. 276) Abbildung 9: Orte der Hilfsstützen für die Instandsetzung buch2.indb 51 13.01.20 15: 39 52 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Abbildung 10: Ablauf Stützeninstandsetzung Abbildung 11: Bauabschnitte buch2.indb 52 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 53 Außergewöhnliche statische Maßnahmen bei der Instandsetzung einer Tiefgarage unter einem Wohn- und Geschäftshaus Abbildung 12: Farbkonzept Sto Designstudio (Frau Kunert) Abbildung 13: Farbkonzept Sto Designstudio (Frau Kunert) buch2.indb 53 13.01.20 15: 39 buch2.indb 54 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 55 Parkhaus P3, Saas Fee - Moderne Untersuchungsmethoden und ein innovativer Ansatz bei der Instandsetzung eines chloridverseuchten Bauwerks Philipp Truffer Truffer Ingenieurberatung AG, Lalden Zusammenfassung Das Parkhaus P3 in Saas Fee wurde 1980 erbaut. Es befindet sich im hochalpinen Gebiet auf rund 1.800 Metern über Meer. Das Parkhaus wurde mittels Monolitzen vorgespannt und nur relativ wenig schlaff bewehrt (hoher Vorspanngrad). Auf den Parkdeckflächen war kein Oberflächenschutzsystem vorhanden. Die detaillierten Zustandsuntersuchungen des Parkgebäudes zeigten vollflächig hohe Chloridwerte mit relativ grossen Eindringtiefen. Es sind bereits erste Anzeichen Lochfrasskorrosion vorhanden. In diesem Beitrag wird vertieft auf die Anwendung und Auswertung von Messdaten der Laser-induzierten Breakdown Spektroskopie (LIBS) eingegangen. Es handelt sich dabei um eine moderne Untersuchungsmethode, welche zu einem vertieften Verständnis des Bauwerkszustands und Schädigungsgrads führt. 1. Ausgangslage Parkbauten gehören zu den Bauwerken, welche während ihrer Nutzung stark unterschiedlichen Einwirkungen unterliegen. Saas Fee ist ein Wintersportort in den Walliser Alpen. Das Dorf liegt auf rund 1’800 MüM. Saas Fee selber ist autofrei. Für die Bewohner und die Gäste (ca. 800’000 Logiernächte pro Jahr) stehen am Eingang des Dorfs verschiedene Parkhäuser zur Verfügung. Die Abbildung 1-2 zeigt die beiden Parkhäuser P3 und P5 Abb. 1-1: Parkhaus P3 nach der Fertigstellung (aus [1]) Das Parkhaus P3 wurde in den Jahren 1979 bis 1981 erbaut. Im Rahmen des vorliegenden Vortrags werden das Vorgehen bei der Zustandserfassung, die sich daraus ergebenden Erkenntnisse sowie das darauf abgestützte Instandsetzungskonzept vorgestellt. Abb. 1-2: Parkhaus P3 (links) und Parkhaus P5 (rechts), Saas Fee, Aufnahme Sommer 2019 2. Beschrieb des Bauwerks Beim Parkhaus P3 handelt es sich um eine achtgeschossige Parkhalle mit ursprünglich rund 950 gedeckten Parkplätzen. Die schwach geneigten Parkrampen bilden zwei gegenläufige Spiralen und erlaubten somit einen vollständig richtungsgetrennten Verkehr über alle Geschosse. buch2.indb 55 13.01.20 15: 39 56 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Parkhaus P3, Saas Fee - Moderne Untersuchungsmethoden und ein innovativer Ansatz bei der Instandsetzung eines chloridverseuchten Bauwerks Die Parkrampen sind unter 4.5 % geneigt und nicht beheizt. Die überdeckten Parkflächen sind seitlich offen ohne Wände ausgeführt worden. Als Tragwerk wurde ein offener Skelettbau mit einem mittigen Gebäudekern mit dem Treppenhaus und den Aufzugsschächten gewählt. Abb. 2-1: Grundriss Normalgeschoss mit Parkflächen (aus [1]) Abb. 2-2: Längsschnitt Parkhaus (aus [1]) Das Parkhaus ist 83.3 m lang, 35.5 m breit und 15.5 m hoch. Die lichte Geschosshöhe beträgt 2.50 m. In Längsrichtung wurde ein konstanter Stützenabstand von 7.50 m gewählt. In Querrichtung beträgt der Stützenabstand 4.50 m/ 7.60 m/ 2x4.77 m/ 7.60 m/ 4.50 m. Die Deckenstärken betragen in den sieben Normalgeschossen 200 mm, was einem Verhältnis Spannweite zur Deckenstärke von 38 entspricht. Bei der Dachdecke war aufgrund der erhöhten Schneelasten die Anordnung von Stützenpilzen sowie eine Erhöhung der Deckenstärken erforderlich. Die Deckenstärke beträgt in der Längsachse 400 mm und nimmt bis zu den Längsrändern des Parkhauses auf 250 mm ab. Diese Konstruktionswahl gewährleistete zudem einen verbesserten Wasserabfluss auf der Decke. Auf Trennfugen wurde in allen Decken verzichtet. Das Bewegungszentrum für horizontale Verschiebungen liegt im Bereich des Gebäudekerns. Die Decken wurden mit der damals relativ neuartigen Vorspannung ohne Verbund ausgeführt. Es handelt sich dabei um kunststoffummantelte, gefettete Monolitzen ohne Verbund . Der Nenndurchmesser der verwendeten Monolitzen beträgt 15 mm (0.6"), der Stahlquerschnitt 16 mm² und die Bruchkraft je Litze 257.8 kN. Es wurden insgesamt 82.600 m (95 t) Monolitzen eingebaut. Die Abbildung 2-3 zeigt die plangemässe Spanngliedanordnung in einem Normalgeschoss mit den Spanngliedern in den Stützstreifen (50 %) und im Feld (50 %). Als Schutz gegen progressiven Bruch sind die Spannglieder in Längsrichtung durch eine nichtspannbare Zwischenverankerung in zwei Abschnitte unterteilt. Abb. 2-3: Spanngliedanordnung Normalgeschoss (aus [1]) Neben den Spanngliedern wurde in den Decken nur im Bereich der Stützen eine obere schlaffe Bewehrung eingebaut (siehe Abb. 2-4). Unten wurden die Decken nur im Randbereich mittels Netzen bewehrt. Abb. 2-4: Bewehrungsanordnung Normalgeschoss (aus [1]) 3. Zustandsuntersuchungen 3.1 Vorgehenskonzept Im Rahmen der Zustandsuntersuchungen wurden u. a. folgende Schritte durchgeführt: - visuelle Zustandsuntersuchungen - Bewehrungsdetektion (Lage, Überdeckung) - Detektion der Vorspannung (Lage, geometrischer Verlauf) mittels Radar buch2.indb 56 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 57 Parkhaus P3, Saas Fee - Moderne Untersuchungsmethoden und ein innovativer Ansatz bei der Instandsetzung eines chloridverseuchten Bauwerks - Karbonatisierungstiefe (punktuell) am Bohrmehl und am Bohrkern - Chloridgehalt im Beton der Parkdecks mittels Laser-induzierter Breakdown Spektroskopie und nasschemisch (punktuell) - aktive Korrosion mittels Potenzialfeldmessungen - Betondruck- und Spaltzugfestigkeiten an Bohrkernen (stichprobenartig) als Grundlage für statische Überprüfungen - mikroskopische Gefügeanalysen an Dünnschliffen Nachfolgend sollen einige wesentliche Resultate vorgestellt werden. 3.2 Visuelle Zustandserfassung Die visuelle Zustandserfassung ist immer noch ein nicht zu unterschätzendes Analayseinstrument. Es wurden u.a. folgende Feststellungen gemacht: - freibewitterte und ungeschützte Parkdecks ohne Oberflächenschutzsystem - (Trenn)-Risse in den Parkdecks, z.T. wasserführend (siehe Abb. 3-3) - z.T. freiliegende Bewehrung im Bereich der Stützen (siehe Abb. 3-1) - Bewehrungskorrosion an Stützenfüssen (siehe Abb. 3-2) - lokale Bewehrungskorrosion an Deckenuntersichten (siehe Abb. 3-4) - relativ wenige Betonschäden in Form von Abplatzungen - stark korrodierte und z.T. nicht mehr funktionstüchtige Entwässerungsrinnen (siehe Abb. 3-5) Abb. 3-1freiliegende Bewehrung bzw. ungenüngende Bewehrungsüberdeckung Abb. 3-2Bewehrungskorrosion im Stützenfussbereich Abb. 3-3Trennriss in Betondecke Abb. 3-4: lokale Bewehrungskorrosion an Deckenuntersicht Abb. 3-5: Detailansicht korrodierte Entwässerungsrinne buch2.indb 57 13.01.20 15: 39 58 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Parkhaus P3, Saas Fee - Moderne Untersuchungsmethoden und ein innovativer Ansatz bei der Instandsetzung eines chloridverseuchten Bauwerks 3.3 Bewehrungsüberdeckungen Gemäss Plangrundlagen wurden bei den Decken Bewehrungsüberdeckungen oben von 30 mm und unten von 20 mm eingeplant. Die durchgeführten Messuntersuchungen zeigten aber dann, dass im Bereich der Stützen die obere Bewehrung eine Überdeckung von durchschnittlich 20 mm aufwies. Häufig waren die Bewehrungseisen praktisch an der Oberfläche vorhanden (siehe Abb. 3-1). Abb. 3-6: Beispiel einer ausgewerteten Bewehrungsüberdeckungsmessung. Die rote Linie markiert eine Überdeckung von 55 mm, die pinkfarbene eine von 35 mm. Das Beispiel in Abb. 3-6 zeigt die gemäss Plangrundlagen (siehe Abb. 2-4) zu erwartende Bewehrungsverteilung im Bereich der Stützen. 3.4 Potenzialmessungen Zur Feststellung der aktiven Korrosion wurde jedes Parkdeck zumindest auf einem Viertel der Fläche mit einer Potenzialmessungen ausgemessen. Die Abb. 3-7 zeigt eine entsprechende Auswertung der obersten, frei bewitterten Parkdecke, Abb. 3-8 die Decke im 3. UG. Abb. 3-7: Potenzialmessung oberstes Parkdeck buch2.indb 58 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 59 Parkhaus P3, Saas Fee - Moderne Untersuchungsmethoden und ein innovativer Ansatz bei der Instandsetzung eines chloridverseuchten Bauwerks Abb. 3-8: Potenzialmessung Decke 3. Untergeschoss Die Potenzialmessungen zeigen aktive Korrosionsherde. Aufgrund der minimalen Bewehrungsanordnung im Bereich der Stützen (siehe Abb. 2-4) beschränken sich die Korrosionsherde lokal auf diese Bereiche. Die punktuell durchgeführten Sondageöffnungen zeigten erste Anzeichen von Lochfrasskorrosion an der schlaffen Bewehrung. 3.5 Mikroskopische Gefügeanalyse Im Rahmen der Untersuchungen wurde an ausgewählten Bohrkernteilen eine mikroskopische Gefügeanalysen an Dünnschliffen durchgeführt. Aus den Bohrkernen wurden 30x50 mm grosse Proben für die Dünnschliffherstellung entnommen. Die Proben wurden dabei mit fluoreszierendem Epoxidharz imprägniert und auf eine Dicke von 20 µm (20/ 1000 mm) herunter geschliffen. Der Dünnschliff wurde anschliessend unter ultraviolettem Durchlicht zur Erkennung von Poren, Rissen und der Porosität sowie der Verteilung der Zuschlagsstoffe und des Bindemittels untersucht. Im polarisierten Durchlicht kann die Bindemittelart und die Gesteinsart der Zuschlagstoffe, bei zementartigen Bindemitteln die Karbonatisierung und der Hydratationsgrad ermittelt werden. Abb. 3-9: Dünnschliffuntersuchung unter UV-Fluoreszenz Die mikroskopischen Gefügeanalysen an Dünnschliffen lieferten folgende Erkenntnisse: - Es wurde ein Portlandzement (heutige Bezeichnung CEM I) eingesetzt. Der Beton weist einen hohen Hydrationsgrad auf. - Beim eingesetzten Beton handelt es sich nicht um einen Luftporenbeton. - Der Beton weist eine mittelere, zum grossen Teil gleichmässige Kapillarporosität auf. Dies lässt auf einen Wasser-Zementwert um 0.50 schliessen. - Die Konsistenz beim Einbau und der Verarbeitung war z.T. nicht ideal. Dies zeigt sich bei den vorhandenen Lunkern und Makroporen. - Es sind häufig, nicht kornbrechende Mikrorisse vorhanden. - Lokal konnten erste Anzeichen von Alkali-Aggregat-Schäden festgestellt werden. 3.6 Chloridprofile Auf der Grundlage der Potenzialmessungen (siehe 3.4.) wurden punktuell ausgewählte Bohrmehlproben auf den Decken entnommen und anschliessend im Labor nasschemisch der Chloridgehalt bestimmt. Abb. 3-10: Chloridprofil aus Bohrmehl aus Parkdecke buch2.indb 59 13.01.20 15: 39 60 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Parkhaus P3, Saas Fee - Moderne Untersuchungsmethoden und ein innovativer Ansatz bei der Instandsetzung eines chloridverseuchten Bauwerks Die entnommenen und ausgewerteten Chloridprofile zeigten erhöhte Chloridwerte mit z.T. Werte über 3.0 M-% bezogen auf den Zementgehalt (Annahme: 300 kg/ m³). 3.7 Laser-induzierte Breakdown-Spektroskopie Bei dem LIBS-Verfahren wird ein Laserpuls hoher Intensität auf einen kleinen Spotdurchmesser fokussiert. Ein kleiner Teil der Probenoberfläche wird dabei ablatiert, verdampft und auf über 10‘000 °K erhitzt. Dabei werden Kristalle und Molekülverbände aufgebrochen und es kommt zur Ionisierung und somit zur Ausbildung eines Plasmas. Diese Anregungsphase dauert entsprechend der Laserpulsdauer nur wenige Nanosekunden. In der anschliessenden Abkühlphase kommt es zur Rekombination der Elektronen und Ionen. Hierbei emittieren die einzelnen Elemente Photonen (Licht) charakteristischer Wellenlänge. Diese Emission wird über eine spektral breitbandige Optik aufgesammelt und über optische Fasern an mehrere Spektrometer geleitet (Abb. 3-11). Als Ergebnis der Messung erhält man ein Spektrogramm mit der entsprechenden Elementverteilung, wobei die Intensität Hinweise auf die Menge der detektierten Elemente gibt. Durch die Verwendung von Cl-Standards kann eine Kalibrierung und somit ist auch eine Quantifizierung der Ergebnisse ermöglich werden. Abb. 3-11: Messprinzip laser-induzierte Breakdown Spektroskopie (LIBS) Es kam folgendes Messystem der Valtest AG zum Einsatz: - Messgerät FiberLIBS Sensorsystem - Laserenergie 3 mJ - Laser-Wellenlänge 1064 nm - Pulsdauer 1.5 ns - Pulsfrequenz 100 Hz - Energiedichte 6.5 GW/ cm 2 - Spektraler Messbereich UV/ NIR - Prozessgas Helium - örtliche Auflösung 0.25 x 0.25 mm* - Sportdurchmesser <100 µm * Es ist eine örtliche Auflösung bis 0.10 x 0.10 mm möglich. Nachfolgend sollen einige typische und spezielle Auswertungen der LIBS-Untersuchungen vorgestellt werden. Die entsprechenden Ergebnisse beruhen auf LIBS-Messungen an gespaltenen Bohrkernen. Hinweis: Aufgrund der vorhandenen Vorspannung wurde in den Auswertungen jeweils ein Grenzwert von 0.2 M-%/ Z für den kritischen Chloridgehalt ausgewiesen. Abb. 3-12: Bohrkern BK.06 Decke Erdgeschoss gespaltener Prüfkörper mit LIBS-Messfeld (rot markiert), links auf dem Bild ist die Parkdeckoberfläche Abb. 3-13: Bohrkern BK.06 Decke Erdgeschoss oben: flächige Darstellung der Chlorverteilung mit Ausschluss der Gesteinskörnung, unten: Chloridtiefenprofil buch2.indb 60 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 61 Parkhaus P3, Saas Fee - Moderne Untersuchungsmethoden und ein innovativer Ansatz bei der Instandsetzung eines chloridverseuchten Bauwerks Abb. 3-14: Bohrkern BK.14 Decke 1.UG , oben: flächige Darstellung der Chlorverteilung mit Ausschluss der Gesteinskörnung, unten: Chloridtiefenprofil Abb. 3-15: Bohrkern BK.08.2 Decke 1. UG, gespaltener Prüfkörper mit LIBS-Messfeld (rot markiert), links auf dem Bild ist die Parkdeckoberfläche Beim vorliegenden Bohrkern Bk.08.2 war auffällig, dass nach der Probenahme ein bestimmter oberflächennaher Bereich nicht austrocknete. Die entsprechende LIBS-Auswertung (siehe Abb. 3-16) zeigte dann in diesem Bereich stark erhöhte Chlorwerte. Abb. 3-16: Bohrkern BK.08.2 Decke 1. UG, oben: flächige Darstellung der Chlorverteilung mit Ausschluss der Gesteinskörnung, unten: Chloridtiefenprofil Abb. 3-17: Bohrkern BK.6-07 Decke 6. UG, gespaltener Prüfkörper mit LIBS-Messfeld (rot markiert), links auf dem Bild ist die vorhandene Parkdeckbeschichtung erkennbar buch2.indb 61 13.01.20 15: 39 62 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Parkhaus P3, Saas Fee - Moderne Untersuchungsmethoden und ein innovativer Ansatz bei der Instandsetzung eines chloridverseuchten Bauwerks Auf bestimmten Parkdeckflächen wurde vor Jahren (Zeitpunkt unbekannt) versuchsweise ein befahrbares Oberflächenschutzsystem (voraussichtlich OS11) appliziert (siehe Abb. 3-17). Die Auswertung mittels LIBS (siehe Abb. 3-18) zeigt unter der Beschichtung eine erhöhte Chloridkonzentration. Abb. 3-18: Bohrkern BK.6-07 Decke 6. UG, oben: flächige Darstellung der Chlorverteilung mit Ausschluss der Gesteinskörnung, unten: Chloridtiefenprofil Abb. 3-19: Bohrkern BK.05-12 Decke 5. UG, gespaltener Prüfkörper mit LIBS-Messfeld (rot markiert), links auf dem Bild ist die Parkdeckoberfläche Die Abbildung 3-19 zeigt einen Bohrkern im Bereich eines durchgehenden Trennrisses. Die Auswertung mit LIBS zeigt dann interessanterweise an den Rissflanken keineswegs erhöhte Chloridwerte. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Beton bzw. die Zementmatrix im Rissbereich aufgrund der Karbonatisierung eine verminderte Chloridbindekapazität aufweist und es folglich über das eindringende Wasser zu Auswaschungen gekommen ist. Bei den Untersichten im Bereich der Trennrisse konnten hingegen wiederum erhöhte Chloridwerte festgestellt werden. Abb. 3-20: Bohrkern BK.05-12 Decke 5. UG, Flächendarstellung Kohlenstoffverteilung, die Rissflanken sind beidseitig praktisch über die gesamte Länge karbonatisiert. Abb. 3-21: Bohrkern BK.05-12 Decke 5. UG Flächendarstellung Chlorverteilung, entlang der Rissflanken ist ein verminderter Chlorgehalt festzustellen. 4. Fazit Die eingehenden Zustandsuntersuchungen beim Parkhaus P3 in Saas Fee zeigten, dass auf es über die letzten rund 40 Jahre auf den ungeschützten Parkdecks zu einem erhöhten Chlorideintrag bis in grössere Tiefen in den Beton gekommen ist. Mit modernen Untersuchungsmethoden und Analyseverfahren wie z.B. der Laser-induzierten Breakdown Spektroskopie (LIBS) war es möglich, sich ein umfassendes Bild vom Zustand und Schädigungsgrad der Betondecken zu machen. Die Ergebnisse bildeten die Grundlage für ein abgestimmtes Instandsetzungskonzept mit dem Verzicht auf den Abtrag des chloridverseuchten Betons und des Einbaus eines Ultra-Hochleistungs-Faserbeton (UHFB). buch2.indb 62 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 63 Parkhaus P3, Saas Fee - Moderne Untersuchungsmethoden und ein innovativer Ansatz bei der Instandsetzung eines chloridverseuchten Bauwerks Literatur [1] Ritz, P.; Schneller P.; Grob J: Parkhaus Saas-Fee, Schweizer Ingenieur und Architekt 45/ 81 [2] Vorgespannter Beton der Schweiz, Tagungsband zum 93. FIP-Kongress 1982, Technische Forschungs- und Beratungsstelle der Schweizerischen Zementindustrie, Wildegg [2] Dalles précontraintes, Broschüre VSL, Janvier 1981 [2] Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein SIA: SIA 2052 - 2016 Ultra-Hochleistungs-Faserbeton (UHFB) - Baustoffe, Bemessung und Ausführung [3] Lierenfeld, M. et al.: Wie lange noch? Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkdecks mit Chlorideinwirkun mittels Einbezug von LIBS-Untersuchungen, 9. Kolloquium Parkbauten, 2020, Technische Akademie Esslingen buch2.indb 63 13.01.20 15: 39 buch2.indb 64 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 65 Objektbericht PH Karstadt Bielefeld Detlef Koch Koch GmbH, Kreuztal, Deutschland Björn Neuberger Koch GmbH, Kreuztal, Deutschland Zusammenfassung Im Zuge der Sanierung des Karstadt-Parkhauses in Bielefeld sollte einerseits die statische Tragfähigkeit sichergestellt, andererseits das Gebäude mit einem kathodischen Korrosionsschutzsystem geschützt werden. Dazu wurde ein von der Koch GmbH entwickelter KKS-Carbonbeton verwendet, der die Kombination beider Ansprüche verbindet. 1. Bauwerk Das Parkhaus Karstadt in Bielefeld zählt mit 675 Stellplätzen zu den größten Parkhäusern der Stadt. Es wurde 1965 in Stahlbetonbauweise erbaut und besitzt neun Parkebenen, die mit Rampen verbunden sind. Die Bruttogesamtfläche beträgt in etwa 19.000 m² bei einer geringen Durchfahrtshöhe von 1,80 m. Besonders ist auch, dass auf Grund der hohen Frequentierung eine durchgehende Öffnungszeit an allen Tagen der Woche gegeben ist und der Wunsch des Betreibers besteht, maximal 40 % der gesamten Stellplätze gleichzeitig zu sperren. Auf der Ortbetonfläche wurde im Zuge früherer Instandsetzungen ein Gussasphaltestrich mit einer Dicke von 3-8 cm appliziert und bei einer nochmals späteren Sanierung beschichtet. Abbildung 1 Ausbruch im Bereich des Stützenanschlusses 1.1 Schäden und Ursachen Über das gesamte Bauwerk waren Risse und Abplatzungen (z. B. Abb. 1) vorhanden, wodurch bereits eine kritische Menge an Schadstoffen (v. a. Chloride) in das Bauwerk eindringen konnten. Die oberste Bewehrungslage der Decken, Stützen und Wänden war bereits stark durch Korrosion geschädigt (Abbildung 2-4). Dabei lag oftmals Lochfraßkorrosion vor. Abbildung 2 Geschädigter Bereich eines Stützensockels buch2.indb 65 13.01.20 15: 39 66 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Objektbericht PH Karstadt Bielefeld Abbildung 3 Stark korrodierter im Bereich einer Stütze Abbildung 4 Flächige Korrosion im Durchstanzbereich In den Durchstanzbereichen der Stützen (Abbildung 4) und den Wandanschlüssen entstand durch Unterläufigkeit des hohlliegenden Gussasphaltestrichs flächige Korrosion der Mattenbewehrung. 2. Instandsetzungskonzept Der Bauherr und Betreiber (Q-Park, Grevenbroich) entschied sich für ein bedarfsgerechtes Sanierungskonzept, welches die Instandsetzung der Decken-, Boden- und Wandflächen bei laufendem Betrieb mit minimaler Störung ermöglichte. Ohne noch schwerwiegendere Eingriffe in die Bauwerkssubstanz, sollte in kurzer Zeit ein kathodischer Korrosionsschutz (KKS) installiert werden, der die bereits entstandenen Querschnittsverluste kompensierte, dass Bauwerk aussteifte und im Rissbereich zu einer vielfachen Rissverteilung führte. Dafür wurde der vorhandene Gussasphalt inkl. Bodenbeschichtung auf der gesamten Fläche entfernt und ein Carbongelege zur Ertüchtigung gewählt. Das Gelege (Abb. 6) wurde zusätzlich als KKS-Anode eingesetzt, um den Schutz der oberen Bewehrung vor Korrosion zu gewährleisten. Die Reprofilierung bzw. das Einbetten erfolgte dabei in einem für den KKS geeigneten PPC-I-M3 Mörtel. Abbildung 5 MMO-Titanbandanoden im Stütz- und Sockelbereich In Bereichen, in denen ein hoher Bewehrungsgrad vorhanden war (Plattenoberseite in Stützenbereichen (Abb. 6), Wandsockeln (Abb. 5) und Überzüge) kam ein MMO-beschichtetes Titananodenband als Anode für den KKS zum Einsatz. Zusätzlich wurden die Decken im Bereich der Stützen und entlang der Bauwerksfugen durch Bewehrungsergänzungen verstärkt. Dabei erwiesen sich sowohl GFK-Bewehrung in Bereichen mit Kurzschlussgefahr, als auch konventionelle Stabstahlbewehrung als besonders wirtschaftlich und effektiv. Die Glasfaserverbundbewehrung wurde in Bereichen mit geringer Betondeckung zur Einhaltung des Abstands zwischen Anode und Bewehrung (Kathode) eingesetzt, da sowohl das KKS-Carbongelege als auch die Titan-Bandanoden direkt auf dem Bestandsbeton verlegt wurden. Abbildung 6 Kombination der verschiedenen Anodenmaterialien (Carbon in Feldmitte, Titan im Stützenbereich) Das Bauwerk wurde zusätzlich mittels starrer Beschichtung (OS 8) langfristig abgedichtet und vor Verschleiß geschützt (Abbildung 7, 8). buch2.indb 66 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 67 Objektbericht PH Karstadt Bielefeld Abbildung 7 Beschichtete Oberfläche Abbildung 8 Fertige Parkebene 2.1 Carbonbeton Bei der Herstellung von Carbongelegen wird zuerst eine Vielzahl von einzelnen Carbonfilamenten mit einer Schlichte versehen und durch bündeln zu Rovings mit bis zu 50.000 Einzelfilamenten verarbeitet. Über spezielle Maschinen werden anschließend die individuellen Bewehrungsstrukturen gelegt und vernäht. Abschließend werden diese Gelege mit einer Tränkung versehen. Typische Maschenweiten können so zwischen 8 und 23 mm rechteckig oder quadratisch variiert werden. Die spezifischen Gewichte der entstehenden Armierungsgelege reichen dabei typischerweise zwischen 310 und 650 g/ m², wobei Flächenquerschnitte von 30-142 mm²/ m erzielt werden. [1] Durch anwendungsbezogene Tränkungen und Oberflächenmodifikation erhöhen sich der Verbund zu Mörtel-/ Betonmatrix, sowie die ausnutzbare Zugfestigkeit um ein Vielfaches. Dies kann sich zudem günstig auf die Rissanzahl bzw. Rissabstand und Rissbreiten auswirken (v. a. bei besandeten Gelegen). [2] Die Vorteile von Carbonbeton gegenüber Stahlbeton sind vielfältig. So ist das verwendete Carbon beispielsweise korrosions- und oxidationsbeständig. Auch mechanisch hebt sich Carbon vor allem durch eine deutlich höhere Zugfestigkeit (1700-4000 N/ mm²) von Stahl-, Glasfaser- oder Basaltbewehrungen ab. Der gute Verbund, sowie die hohe Beständigkeit gegenüber chemischen Einwirkungen ermöglichen deutlich geringere Betondeckungen, wodurch zusätzliche Materialeinsparungen möglich sind. Die gängigsten Einbettmaterialien sind zementgebundene Mörtel und Feinbetone. Aber auch Fließbeschichtungen, sowie kunststoffmodifizierte Zementprodukte, kommen immer häufiger zum Einsatz. Dabei können auch elastische Lösung konzipiert werden, die entweder großflächig den Boden verstärken und abdichteten oder kleinere Bereiche wie Risse oder Fugen schützten. [3] 2.2 KKS Beim kathodischen Korrosionsschutz wird durch Einleitung eines Gleichstromes der Korrosionsvorgang von un- oder niedriglegierten Stählen (Betonstahl) in einem ausgedehnten Elektrolyten (Beton) elektrisch beeinflusst. [4] Durch den Gleichstrom findet eine Verschiebung des elektrochemischen Potentials des zu schützenden Metalls in negative Richtung statt. Die Metalloberfläche wird dabei kathodisch polarisiert und die schädigende Korrosion unterbunden. Der Schutzstrom wird durch eine dauerhafte und korrosionsresistente Anode (z.B. MMO-Titan oder Carbon) an den Beton angekoppelt und an den Pluspol eines als Spannungsquelle dienenden Gleichrichters angebracht. Der Minuspol wird an die zu schützende Bewehrung angeschlossen. [4] Auf Grund der vorhandenen Gleichspannung wird der zu schützende Stahl kathodisch polarisiert und die Korrosion bei geeignetem Schutzstrom auf ein Minimum reduziert. 2.3 KKS - Carbonbeton Das Carbonbetonsystem wird nach Abbildung 9 aufgebaut und direkt auf die vorbereiteten Betonoberflächen aufgebracht. Dabei wird ein speziell modifiziertes Carbongelege mit einem KKS-geeigneten Einbettmörtel eingebracht. [5] Mechanische Kennwerte wie E-Modul, Druck- und Biegezugfestigkeiten etc. sind dabei auf den speziellen Anwendungsfall angepasst. Die Polarisation im KKS-Carbonbeton gelingt, indem die Bewehrung des Stahlbetons buch2.indb 67 13.01.20 15: 39 68 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Objektbericht PH Karstadt Bielefeld an den Minuspol einer Gleichstromquelle angeschlossen wird, bei gleichzeitiger anodischer (Pluspol) Schaltung des Carbongeleges. Eine Stromeinspeisung erfolgt dabei über MMO-beschichtete Titanbänder. Diese dienen dabei als Primäranode. [5] Abbildung 9 Aufbau des KKS-Carbonbetons [5] 3. Zustimmung im Einzelfall Im Rahmen dieses Instandsetzungsprojektes wurde die erste Zustimmung im Einzelfall für den KKS-Carbonbeton erfolgreich erlangt. Dazu wurden die Ergebnisse einer Vielzahl an Untersuchungen und Gutachten herangezogen und analysiert. 3.1 Gutachten Corr-less Die CORR-LESS Isecke & Eichler Consulting GmbH & Co. KG wurde beauftragt, eine gutachtliche Stellungnahme zur Verwendbarkeit von Carbontextilien für den kathodischen Korrosionsschutz zu verfassen. Für die gutachtliche Stellungnahme wurde u. a. ein KKS-System, welches bereits seit 2012 erfolgreich betrieben wird, untersucht. Des Weiteren wurde diese Auswertung für Schwimmbad Projekt im Jahr 2017 angewandt. Das Gutachten verlief dabei positiv. [6] 3.2 Dauerstandsversuche KKS-Carbonbeton In Anlehnung an die bauaufsichtliche Zulassung des Tudalit Textilbetons wurden vielfältige, mechanische Untersuchungen an der TU Dresden durchgeführt. Dazu zählen vor allem Tastversuche zur Ermittlung der Eigenschaften im Verbundsystem, sowie Dauerstandsversuche unter Strom. Das Ergebnis der Untersuchungen bestätigt, dass die ermittelten Verbundfestigkeiten für den Anwendungsbereich der Instandsetzung von Parkbauten gut geeignet sind und ein zusätzlicher Einfluss der Bestromung auf die Tragfähigkeit der Materialien (Carbon und Beton) nicht feststellbar ist. Die Materialkombination erfüllt die geltenden statischen Anforderungen. 3.3 Dauerhaftigkeit von Carbon als KKS-Anode Im Rahmen einer Dissertation am Institut für Bauforschung, Bauwerkserhaltung und Polymerkomposite (Ibac) der RWTH-Aachen wurde die Dauerhaftigkeit von Carbonanoden in KKS-Systemen untersucht. Dazu wurden unter anderem nasschemische als auch betontechnologische Versuche zu Abbauprodukten unter Bestromung durchgeführt. Dabei konnten trotz starker Beaufschlagungen mit Strom keine nachteiligen Folgen für den KKS und die statische Tragfähigkeit beobachtet werden. [7] 4. 4. Fazit Am Parkhaus Karstadt in Bielefeld konnten die Vorteile von Kombinationen aus konventioneller und innovativer Instandsetzungen beobachtet werden. Durch das in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro plan² hallmann | partner (Lünen) erarbeitete Instandsetzungskonzept konnten Wirtschaftlichkeit (Kosteneinsparungen, Bauzeitverkürzung, Langlebigkeit) und Effektivität (hoher Verstärkungsgrad, dauerhafter Schutz, Minimalinvasivität, Baustellenlogistik) ideal miteinander kombiniert werden. Dabei zeigt sich, dass Carbonbeton eine der vielversprechendsten Innovationen für die Instandsetzung ist. Die KKS-Ausführung ist für vielfältige Problemstellungen der chloridinduzierten Korrosion eine wirtschaftliche und schnelle Lösung. Carbonbeton lässt sich als sehr dünnschichtige Lösung individuell auf “Problemzonen“ anwenden. Auch im Vergleich zu anderen KKS-Systemen bietet die Verwendung von Carbonbeton eine kostengünstige Alternative zu konventionellen Instandsetzungen mit KKS. Grenzen werden dem KKS-System bei sehr großen Stahloberflächen und trockenem Beton aufgezeigt. Hier sollte, wie auch im beschriebenen Objekt, weiterhin Titan als Anode zum Einsatz kommen. Ein wesentlicher Vorteil einer Anode aus Carbongelege liegt vor allem darin, dass durch die sehr große Oberfläche und die leichte Polarisierbarkeit Probleme anodische Ansäuerungen, wie sie bei Bandanoden häufiger Vorkommen, fast auszuschließen sind. Unter vorsichtiger Einhaltung seiner elektrischen, mechanischen und statischen Grenzen ist der Carbonbeton eine ideale Ergänzung in der Betoninstandsetzung von Parkbauten. buch2.indb 68 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 69 Objektbericht PH Karstadt Bielefeld Literaturverzeichnis [1] C. Kulas, Zum Tragverhalten getränkter textiler Bewehrungselemente für Betonbauteile, RWTH Aachen: Dissertation, 2013. [2] D. Koch und B. Neuberger, Der Zukunftspreis in Parbauten, Esslingen: Tagungsband Parkbauten, TAE, 2017. [3] D. Koch und B. Neuberger, „Neue Anwendungsmöglichkeiten für Carbonbeton in der Betoninstandsetzung,“ Der Bausachverständige, Nr. 5, 2019. [4] W. Beckmann und W. Schwenk, Handbuch des Kathodischen Korrosionsschutz, 1999. [5] A. Asgharzadeh, M.Raupach, D.Koch und M. Mahjoori, kathodischer Korrosionsschutz für Parkbauten mit carbontextilbewehrtem Spezialmörtel, 2016. [6] T. Eichler, „Gutachtliche Stellungnahme zur Verwendbarkeit von Materialien für den kathodischen Korrosionsschutz im Rahmen der Instandsetzung des PH in der Elsa-Brandström-Str. in Bielefeld,“ Isecke & Eichler Consulting, 2017. [7] A. Asgharzadeh, Durability of Polymer Impregnated Carbon Textiles as CP Anode for Reinforced Concrete, RWTH Aachen, Dissertation, 2019. buch2.indb 69 13.01.20 15: 39 buch2.indb 70 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 71 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen für Bauherr, Planer und Ausführende Dipl.-Ing. (FH) Christoph Köchling Caspar Köchling GmbH, Dortmund, Deutschland Zusammenfassung Das Ergebnis der Planung einer Tiefgarageninstandsetzung muss den anerkannten Regeln der Technik entsprechen, dauerhaft funktionstüchtig sein und wirtschaftlichen Gesichtspunkten genügen. In dem Beitrag werden die wesentlichen Instandsetzungsprinzipien R, KKS und W-Cl im Hinblick auf ihre Wirkungsweisen, Risiken und wirtschaftlichen Aspekte analysiert. Dazu wird die Situation der anerkannten Regeln der Technik für jedes Prinzip dezidiert herausgearbeitet und mit der aktuellen Fachdiskussion sowie dem Stand der Forschung zusammengefasst. Im Besonderen wird den Aspekten des „korrosionsauslösenden Chloridgehaltes“ und der Bemessung der „Restnutzungsdauer“ für die jeweiligen Prinzipien nachgegangen und die baurechtlichen Folgen dargestellt. Unter Bezug auf eigene Erfahrungen des Verfassers aus langjähriger Baustellenpraxis ermittelt das Fazit daraus konkrete Handlungsempfehlungen für Bauherr, Planer und Ausführende. 1. Das Problem: Die Hindernisse auf dem Weg vom Schaden zur Instandsetzung Die Veranlassung für den Bauherrn, die Instandsetzung einer Tiefgarage oder eines Parkhauses zu planen, ist in den meisten Fällen ein offensichtlicher, an ihn herangetragener Mangel am Bauwerk, der die wirtschaftliche Nutzung des angebotenen Parkraums beeinträchtigt. Die Bandbreite wahrnehmbarer Mängel ist vielfältig: Optische, altersbedingte Beeinträchtigungen, die zu einer abnehmenden Zahl von Nutzern führen, Brandschutzmängel, die als Ergebnis regelmäßiger Begehungen der Feuerwehr bauordnungsrechtliche Forderungen hervorrufen, Risse, Schäden am Beton und Durchfeuchtungen die zu Einschränkungen der Nutzung führen oder bei Bestandsaufnahmen im Rahmen von Betreiberpflichten ermittelt werden. Abbildung 1: Nutzungseinschränkender Bauteilzustand, Foto: Caspar Köchling GmbH Selbst für in der Parkrauminstandsetzung erfahrene Bauherren ist es jedoch schwer, die Kosten und Konsequenzen einer Instandsetzung bei Bekanntwerden ihrer Erfordernis abzuschätzen. Wer sich aber dazu entschließt, sein Bauwerk einer Untersuchung zu unterziehen löst einen Prozess aus, der unumkehrbar ist. In der Regel stehen am Schluss der Bauwerksuntersuchungen Ergebnisse, die aufgrund ihrer Relevanz für die Standsicherheit zu der Verpflichtung führen, eine Instandsetzung einzuleiten. Zum Vergleich: die Instandsetzung von Fassaden und Innenräumen kann aus Budgetgründen nach Gutdünken des Bauherrn verschoben werden. Die Erneuerung eines Daches kann mit mehr oder weniger aufwendigen Reparaturmaßnahmen - wenn auch wirtschaftlich nicht immer sinnvoll - um viele Jahre verschoben werden und beeinträchtigt damit zwar den wirtschaftlichen Wert der Immobilie, nicht jedoch die Standsicherheit. Der Eigentümer einer Tiefgarage oder eines Parkhauses, der, veranlasst durch einen nicht länger hinnehmbaren Schaden am Gebäude, als ersten Schritt eine Bauwerksuntersuchung beauftragt, erhält als Ergebnis eine Reihe von technischen Kennwerten, die einzuordnen ihm ohne fachliche Hilfe unmöglich sein wird. Fachbegriffe wie Chloridwerte, Karbonatisierungstiefen, Abnutzungsreserve, Restnutzungsdauer u.v.a.m. führen nur in Verbindung mit einer sachkundigen Planung zu greifbaren Ergebnissen wie Kosten, Instandsetzungsdringlichkeit und Ausführungsdauer. An dieser Stelle ist der sachkundige Planer gefordert, seine technische Expertise mit drei in ständiger Recht- 1.6 Köchling.indd 71 14.01.20 17: 17 72 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen sprechung festgelegten vertraglichen Verpflichtungen gegenüber seinem Bauherrn zu verbinden: - Seine Planung ist nur mangelfrei, wenn sie ein auf Dauer funktionstaugliches Bauwerk entstehen lässt [1] - Es ist seine Aufgabe, die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Bauherrn mit herauszuarbeiten und zu berücksichtigen [2] - Er muss seinen Auftraggeber/ Bauherrn unmissverständlich auf bestehende Unsicherheiten und Risiken hinweisen [1] Diesen juristisch begründeten Kosten-Dauerhaftigkeits-Konflikt hat die bisherige „Instandsetzungsrichtlinie“ nur unzureichend durch die Formulierung „Festlegung des Sollzustandes“ [3] gelöst. Die in Vorbereitung befindliche neue „Instandhaltungsrichtlinie“ definiert klarer die Forderung an den sachkundigen Planer, die „Restnutzungsdauer“ in Abstimmung mit dem Bauherrn festzulegen [4]. Doch steht der Begriff der „Restnutzungsdauer“ in unmittelbarem Zusammenhang mit der Definition des Kostenrahmens. In jedem Fall sind hier aber Bauherr und Planer gefordert, sich intensiv mit den Gegebenheiten des Bauwerks, den technischen und finanziellen Möglichkeiten und den daraus resultierenden Varianten der Instandsetzung auseinanderzusetzen und zum Abschluss der Planung und vor Ausführungsbeginn Konsens über Dauerhaftigkeit, Kosten und Risiken zu erzielen. Flohrer erläutert dazu: „Der Werkerfolg einer Instandsetzung definiert sich als das Erreichen der gemeinsam mit dem Bauherrn vereinbarten Ziele im Rahmen der technischen Regelwerke“ [26]. 2. Die Regelwerke Die Grundlagen für diesen Konsens sind neben den Parametern der Bauwerksuntersuchung auch die Kenntnis der anerkannten Regeln der Technik sowie des Standes der Technik. Die anerkannten Regeln der Technik für die Instandsetzung von Parkbauten setzen sich wie in kaum einem anderen Bereich der Bauwerksinstandsetzung neben den bauordnungsrechtlich eingeführten Regelwerken auch aus aktuellen Merkblättern sowie in Fachartikeln niedergelegten Fachdiskussionen zusammen. Die anerkannten Regeln der Technik bestehen eben nicht nur aus bauordnungsrechtlich eingeführten Normen und Richtlinien, sondern sie müssen - Eingeführt und bekannt gemacht sein - Sich in der praktischen Anwendung bewährt haben - Von der Mehrheit der Fachwelt als richtig erkannt werden. Der BGH weist in seinem Urteil vom 14.11.2017 (VII ZR 65/ 14) darauf hin, dass „der Auftragnehmer grundsätzlich die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme“ schuldet. Bei der Planung einer Instandsetzung sollten im Hinblick auf die anstehende Einführung der Instandhaltungsrichtlinie daher auch Aspekte des Gelbdrucks der Instandhaltungsrichtlinie Berücksichtigung finden sofern sie inhaltliche Konkretisierungen innerhalb des Rahmens der aktuell anerkannten Regeln der Technik darstellen. In Abbildung 2) ist dargestellt, woraus sich für den Bereich Parkhausinstandsetzung die anerkannten Regeln der Technik zusammensetzen. Abbildung 2: Die Säulen der anerkannten Regeln der Technik für den Bereich der Parkhausinstandsetzung. Grafik: Caspar Köchling GmbH Für den Bereich der „Regelwerke“ bleiben zwei wesentliche Konfliktpunkte festzustellen: die Umsetzung der Europäischen Bauproduktenrichtlinie und die Unklarheit hinsichtlich des Nationalen Regelwerks Instandsetzungsrichtlinie/ Gelbdruck Instandhaltungsrichtlinie. Für die Regelung der Bauprodukte haben die regelsetzenden Stellen mit den aktuell in der Erstellung befindlichen „DIBT-Gutachten“ einen Weg gefunden, die eigenen Qualitätsmaßstäbe mit den Forderungen der Europäischen Bauproduktenverordnung in Einklang zu bringen. In der aktuellen Übergangsphase ist es gängige Praxis, dort die offiziell nicht mehr gültigen Bauregellisten mit den abP und abZ sowie die BAST-Listungen anzuerkennen, wo noch keine Gutachten vorliegen. Im Übrigen fehlt die Erfahrung im Umgang mit den Gutachten. Für die Planung und Durchführung der Instandsetzung ist einzig die seit 2001 neu gefasste Instandsetzungsrichtlinie [3] eingeführtes Regelwerk. Doch liegt das Nachfolgeregelwerk, die „Instandhaltungsrichtlinie“ [4], seit 2016 im Gelbdruck vor. In ihr werden die seit der Veröffentlichung der Neufassung der Instandsetzungsrichtlinie in 2001 gewonnenen Erkenntnisse für die Planung und Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen sowie die Neuordnung der Bauprodukte entsprechend der Umsetzung der Bauproduktenverordnung zusammengefasst. Der Bereich „Merkblätter“ und „Fachwelt“ gibt unter anderem Aufschluss darüber, warum die Veröffentlichung des neuen Regelwerkes auch drei Jahre nach Drucklegung des Gelbdrucks noch immer nicht erfolgt ist. Die konkreten elektrochemischen Prozesse die in einem individuellen Bauteil die Korrosion mit welchen Ge- 1.6 Köchling.indd 72 14.01.20 17: 17 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 73 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen schwindigkeiten und unter welchen Bedingungen antreiben, sind bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig und vollständig erforscht und nachgewiesen. Insofern besteht in der Fachwelt Uneinigkeit darüber, welches Instandsetzungsprinzip unter welchen Voraussetzungen als anerkannte Regel der Technik gilt. Insbesondere sei hier die Höhe des im Bauwerk vorhandenen Chloridgehaltes als korrosionsauslösendem Faktor genannt: an den Verbleib von Chloriden im Beton knüpft sich die Wahl der Instandsetzungskonzepte und damit die Höhe der Instandsetzungskosten. Da die anerkannten Regeln der Technik in letzter Instanz von Gerichten entschieden werden, die wiederum ihr Urteil auf die Expertise einer - im Zweifel gegensätzlich urteilenden - Gutachterschaft stützen, spiegelt sich hier die Bedeutung des Konsenses wieder, den es über die Wahl des Instandsetzungsprinzips bereits vor Ausführung zwischen Bauherr, Planer und - bestenfalls - auch ausführendem Unternehmen herzustellen gilt. Abschließend noch eine Abgrenzung zum Stand der Technik. Produkte für die Instandsetzung von Beton und noch mehr für die Instandsetzung von Parkbauten sind im eingebauten Zustand in der Regel durch Fahrverkehr hoch dynamisch oder rissüberbrückend beansprucht oder haben statisch relevante Funktion. Die herstellende bauchemische Industrie ist daher forschend und entwickelnd tätig und die Produkte sind in der Ausprägung ihrer Eigenschaften bei gleicher Zulassung - oftmals sehr spezifisch. So wird man bei bauaufsichtlich zugelassenen Produkten für die kraftschlüssige Risstränkung ausgeprägt feuchteunempfindliche Epoxidharze, solche mit ausgeprägt geringer Viskosität oder solche mit geringer Oberflächenspannung finden. Im Bereich der Untergrundverfestigung bieten unterschiedliche - bauaufsichtlich zugelassene - Produkte Eigenschaften an, die je nach Untergrund voneinander abweichende Ergebnisse erzielen. Hier ist es Aufgabe des sachkundigen Planers, anhand von Bauteilversuchen die Auswahl für das geeignete Produkt zu treffen. Er sollte dabei darauf achten, dass er sich bei der Wahl entsprechend dem Stand der Technik (also den technisch erforschten Möglichkeiten der Industrie) ausschließlich im Rahmen der anerkannten Regeln der Technik bewegen muss. Die Festlegung der Leistungsmerkmale von Bauprodukten anhand von Bauwerksanforderungen durch den sachkundigen Planer ist im Übrigen das Grundprinzip der Umsetzung der europäischen Bauproduktenverordnung in den nationalen „Verwaltungsvorschriften Technische Baubestimmungen (VVTB)“ innerhalb der Landesbauordnungen [18]. 3. Die relevanten Prinzipien der Instandsetzung Die in der Praxis relevanten Prinzipien der Instandsetzung lassen sich im Wesentlichen zusammenfassen auf: 1.) Repassivierung durch Auftragen zementgebundener Instandsetzungsstoffe Das Prinzip beschreibt den Ausbau von chloridbelastetem und karbonatisiertem Beton, das Entrosten und den Wiedereinbau von Betonersatz oder Frischbeton zur Erneuerung des alkalischen Milieus. (Prinzip R gemäß Instandsetzungsrichtlinie) 2.) Kathodischer Korrosionsschutz Das Prinzip beschreibt das Herstellen von Korrosionsschutz des Bewehrungsstahles durch Anlegen eines elektrischen Potenzials. (Prinzip K gemäß Instandsetzungsrichtlinie (nachfolgend KKS genannt)) 3.) Absenkung des Wassergehaltes im Beton durch Beschichtung Das Prinzip beschreibt das Belassen von Chloriden im Beton und die Absenkung und Vergleichmäßigung des Wassergehaltes und damit verbunden die weitgehende Unterdrückung des elektrolytischen Teilprozesses bei der Korrosion der Bewehrung. (Prinzip W-Cl gemäß Instandsetzungsrichtlinie) Die Prinzipien finden sich in Ihren wesentlichen Merkmalen der Wirksamkeit ebenfalls in dem Gelbdruck der Instandhaltungsrichtlinie. Das geringste Risiko für die Dauerhaftigkeit der Instandsetzung birgt das Prinzip R. Allerdings wird es in der Regel auch die aufwendigste Lösung darstellen und fallweise nicht oder nur unter unverhältnismäßig großem finanziellem und zeitlichem Aufwand umzusetzen sein. Langzeiterfahrungen liegen mittlerweile auch mit dem Prinzip KKS vor. Es ist nicht in allen Fällen umsetzbar, und bedarf immer einer bauordnungsrechtlichen Zustimmung im Einzelfall (ZiE). Der entscheidende Vorzug des Prinzips besteht darin, dass im Beton vorhandene Chloride dort verbleiben können. Die Risiken sind in [5] ausführlich erläutert. Das aktuelle Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ des Deutschen Beton- und Bautechnikvereins [13] erläutert dazu: “ KKS ist ein Expertensystem. (…) Die Ausführung von KKS darf nur durch geschultes und entsprechend qualifiziertes Fach- und Führungspersonal mit Nachweis einer Zertifizierung nach Grad 2 bzw. Grad 3 nach DIN EN ISO 15257 oder vergleichbar erfolgen (…)“. Bei Parkbauten mit hohen Chloridgehalten kann es eine konstruktiv sinnvolle und wirtschaftlich sinnvolle Lösung darstellen. Trotz Langzeiterfahrung in der Fachwelt sehr gegensätzlich diskutiert ist das Verfahren W-Cl. Bei entsprechender Umsetzbarkeit kann es - ggf. in Kombination mit den Verfahren R und KKS - ein für den Bauherrn attraktives wirtschaftliches Instandsetzungsprinzip darstellen. Doch birgt der Verbleib von Chloriden im Bereich des nicht wie bei dem Verfahren KKS zusätzlich geschützten Bewehrungsstahles weitreichende und differenziert zu untersuchende Risiken. Seit den 1970er Jahren wird an dem Verhalten von Chloriden sowie an dem Fortschreiten der Stahlkorrosion im chloridbelasteten Beton nach Aufbringen eines Oberflächenschutzsystemes geforscht. 1.6 Köchling.indd 73 14.01.20 17: 17 74 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen Abbildung 3: Korrosionsgrößen von CEM-III-31 nach Beschichtungsapplikation, Quelle: S.Keßler, F.Hiemer, C. Gehlen: „Einfluss einer Betonbeschichtung auf die Mechanismen der Bewehrungskorrosion in gerissenem Stahlbeton“, In: Beton und Stahlbau 112, Heft 4. Hrsg.: Ernst u. Sohn Verlag, 2017. Abbildung 4: Umverteilung der Restchloride in einem Beton mit geringem Chloriddiffusionswiderstand, Quelle: A.Rahimi: „Semiprobabilistisches Nachweiskonzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauteilen unter Chlorideinwirkung“. In: Heft 626, Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin 2017 Zuletzt haben Gehlen et al. im Rahmen eines vom DAfStb geförderten Forschungsvorhabens, u.a. veröffentlicht in [6], bei Laborversuchen nachgewiesen, dass die Korrosionstätigkeit nach dem Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems deutlich nachlässt. Weiterhin hat Rahimi im Rahmen von Laborversuch-gestützten Wahrscheinlichkeitsberechnungen ermittelt, dass die Chloride im Beton unmittelbar nach Auftragen eines Oberflächenschutzsystemes einer Umverteilung unterliegen [7]. Beide Untersuchungen konnten jedoch die elektrochemischen Prozesse, die zu ihren jeweiligen Ergebnissen führten, nicht abschließend klären. Gemeinsam ist beiden die Feststellung, dass insbesondere die Höhe des korrosionsauslösenden Chloridgehaltes nicht allgemeingültig festgelegt werden kann. Flohrer kommt in seinem Erfahrungsbericht [8] zu der Erkenntnis, dass das Prinzip W-Cl bei entsprechender Wartung funktioniert. Auch der Verfasser hat erfolgreich dauerhaft funktionstüchtige Tiefgarageninstandsetzungen nach dem Prinzip W-Cl mit Chloridwerten bis 2,4 M% v. Zementgehalt, mit einem OS 10 als direkt befahrbares PMMA durchgeführt. Die instandgesetzten Bauteile sind auch zum jetzigen Zeitpunkt nach knapp zehnjähriger Nutzung noch unverändert dauerhaft erhalten. 1.6 Köchling.indd 74 14.01.20 17: 17 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 75 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen Abbildung 5: Instandsetzung einer Tiefgaragenrampe nach dem Prinzip W-Cl in Dortmund, Juli 2010, Foto: Caspar Köchling GmbH Die im Gegensatz zu den Verfahren R und KKS nicht mögliche flächige Nachweisbarkeit des vorhandenen Korrosionsschutzes sowie die fehlende eindeutige wissenschaftliche Kenntnis der Parameter „Korrosionsauslösender Chloridgehalt“ und „Verringerung der Korrosion nach Beschichtung“ haben dazu geführt, dass die Instandsetzungsrichtlinie die Ausführung des Prinzips W-Cl an die ausdrückliche Untersuchung im Einzelfall und Beurteilung durch den sachkundigen Planer knüpft. Einer häufigen Fehlinterpretation unterliegt die in Teil 1, Abschn. 6.5.4.1 [3] der Instandsetzungsrichtlinie dargestellte Empfehlung: „ Das Verfahren sollte nur angewendet werden, wenn durch Probeinstandsetzungen (…) die Auswirkung der Maßnahme auf den Korrosionsfortschritt der Bewehrung z.B. durch den Einbau geeigneter Korrosionsstrommessvorrichtungen von einem sachkundigen Planer überprüft worden ist.“ [3]. Das modale Hilfsverb „sollte“ stellt in der Begrifflichkeit der Richtlinienarbeit nur eine Empfehlung dar, kein Gebot („muss“) oder Verbot („darf nicht“) [19]. Die Instandsetzung nach dem Prinzip W-Cl ist also nicht zwingend an eine „Referenzinstandsetzung“ gebunden, wohl aber an eine entsprechende Beurteilung durch den sachkundigen Planer. Der Gelbdruck der Instandhaltungsrichtlinie knüpft vor diesem Hintergrund die Rahmenbedingungen für das korrespondierende „Verfahren 8.3 Erhöhung des elektrischen Widerstandes durch Beschichtung“ an eine Überwachung der Korrosionsentwicklung nach dem Abschluss der Instandsetzung. Es handelt sich dabei um ein ausdrückliches Gebot: “Daher darf dieses Verfahren bei chloridkontaminiertem Beton nur angewendet werden, wenn nach der Ausführung der Instandsetzungsmaßnahme die Auswirkung (…) auf den Korrosionsfortschritt der Bewehrung, z.B. durch Einbau geeigneter Sensoren, von einem sachkundigen Planer über die Restnutzungsdauer überprüft wird.“ [4]. Auch hier ist Fehlinterpretationen vorzubeugen: die Überprüfung mittels Sensoren ist eine von zahlreichen Möglichkeiten. Denkbar wäre z.B. aber auch die Überprüfung des Korrosionsfortschrittes mittels Bauteilproben. Über die Wahl der Überwachungsmethode hat der sachkundige Planer in Abstimmung mit dem Bauherrn im Rahmen seines Instandhaltungskonzeptes zu entscheiden. Dennoch bleibt das Prinzip W-Cl eine Variante der Instandsetzung, deren Erfolg auf einer hohen Fachkunde, langjähriger Erfahrung und präziser Bauteiluntersuchung durch den sachkundigen Planer basiert. Der Gelbdruck der Instandhaltungsrichtlinie weist mehrfach und ausdrücklich auf die Unsicherheiten bei dem Verbleib von Chloriden im Beton hin: „Bei Chloridgehalten über 1 M.-%/ Zementgehalt an der Bewehrung tritt unter Umständen keine ausreichende Austrocknung im Beton ein.“ [4] Gemäß VOB/ B § 4 hat der bauausführende Unternehmer bei der Ausführung die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Hat er Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, so ist es seine Pflicht, diese schriftlich und unverzüglich zu äußern [20]. Das Werkvertragsrecht des BGB sieht im § 650t („Architektenvertrag und Ingenieurvertrag“) eine gesamtschuldnerische Haftung von Planer und bauausführendem Unternehmer vor: „Nimmt der Besteller den Unternehmer (hier: Planer, Anm. d. Verfassers) wegen eines Überwachungsfehlers in Anspruch, der zu einem Mangel an dem Bauwerk (…) geführt hat, kann der Unternehmer die Leistung verweigern, wenn auch der ausführende Unternehmer für den Mangel haftet (…).“ [21]. Der bauausführende Unternehmer ist im Hinblick auf diese Zusammenhänge verpflichtet, die Lückenlosigkeit und Schlüssigkeit der Vorleistung „sachkundige Planung“ zu hinterfragen und im Zweifel Bedenken gegen diese anzumelden, um einer eigenen Inhaftungsnahme vorzubeugen. Die Bauwerksuntersuchung und die Entwicklung des Instandsetzungskonzeptes durch den sachkundigen Planer sollte daher vor diesem haftungsrechtlichen Hintergrund umfassend, zielorientiert, präzise und vor allem transparent dokumentiert sein. Ebenfalls ausführlich dokumentiert sein muss die Aufklärung, die Entscheidungsfindung und die Entscheidungserklärung des Bauherrn. Das gilt insbesondere für das Prinzip W-Cl, aber gleichermaßen für das Prinzip KKS, wenn die Instandhaltungsziele von der Planung bis zur Durchführung erreicht werden sollen. 1.6 Köchling.indd 75 14.01.20 17: 17 76 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen Aus den vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass das Erreichen der Instandhaltungsziele in einem engen Zusammenhang mit dem Verbleib von Chloriden im Beton steht. Die im Gelbdruck vorliegende Instandhaltungsrichtlinie hat als die „übergeordneten Instandsetzungsziele (…) die Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit von Betonbauteilen für einen bestimmten Zeitraum …“ definiert. Für den Begriff des „bestimmten Zeitraums“ führt der Gelbdruck den in der Fachwelt inzwischen etablierten Begriff der „Restnutzungsdauer“ ein. Welche Bedeutung hat diese offensichtliche zeitliche Begrenztheit einer Instandsetzung für Bauherrn und Planer? Und welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Chloridgehalt, dem Instandsetzungsprinzip und der Restnutzungsdauer? Der Beantwortung dieser Fragen soll im folgenden Kap. 4 nachgegangen werden. 4. Die rechtlich-wirtschaftlichen und technischen Kernprobleme: die „Restnutzungsdauer“ und der „korrosionsauslösende Chloridgehalt“ 4.1 Die Restnutzungsdauer Der Eigentümer eines Gebäudes bewertet die Lebensdauer seiner Immobilie in der Regel nach ihrem wirtschaftlichen Wert. Dieser ermittelt sich aus Parametern wie Erstellungs- oder Kaufpreis, jährlichen Mieterträgen, Investitionen für den Erhalt sowie die regionale Lage. Das bei der Errichtung der Immobilie - im Falle eines Stahlbetonbaus - die Dauerhaftigkeit nach bauaufsichtlich eingeführter technischer Norm (seit 01.07.2012 Eurocode 2, vorher DIN 1045) auf 50 Jahre ausgelegt worden ist ([16] Anhang E Tab. 2.1), wird ihm in der Regel nicht bekannt sein. Was aber bedeutet das für sein Eigentum? Wo liegt hier der Zusammenhang mit seiner betriebswirtschaftlichen Kalkulation? Noch komplizierter wird es, wenn der Planer im Zusammenhang mit einer anstehenden Instandsetzungsmaßnahme den Begriff der „Restnutzungsdauer“ in die Diskussion einbringt. Was geschieht danach? Ist das Bauwerk dann nicht mehr standsicher? Muss es dann abgebrochen werden? Der Kaufmann kennt den Begriff der „Abschreibung für Abnutzung“. Mit diesem Begriff gelingt der Brückenschlag: die kaufmännisch/ steuerliche Abschreibung stellt den (durch den Gesetzgeber festgelegten) Betrag dar, den der Eigentümer einer Immobilie jährlich als Wertminderung durch die Abnutzung der Immobilie in der kaufmännischen Vermögensbilanz ansetzen muss. Der Begriff der „geplanten Nutzungsdauer“ hat einen vergleichbaren Inhalt: nach Ablauf der geplanten Nutzungsdauer endet die „Dauerhaftigkeit“ [16] für die eine tragwerksplanerische Bemessung erfolgt ist. Mit ihrem Ende kann z.B. Bewehrungskorrosion einsetzen. Im Gegensatz zur kaufmännischen Abnutzung, die ja fiktiv einmalig angesetzt wird, können in der technischen Definition jedoch Maßnahmen ergriffen werden, um die Dauer der Abnutzung zu verlängern. Die regelsetzenden Werke haben dazu „Grenzzustände“ als Parameter der Dauerhaftigkeit definiert, die in Kap. 4.3 näher erläutert werden. Der bauaufsichtlich eingeführte nationale Anhang des Eurocodes 2 NA/ A1: 2015-12 [9] greift diese Thematik insofern auf, als er die technische Dauerhaftigkeit eines Bauteiles aus Stahlbeton neben statischer Bemessung und Zusammensetzung der Baustoffe ausdrücklich an die Verpflichtung der Wartung knüpft. Dieser Regelung liegt die Erfahrung zugrunde, dass die Dauerhaftigkeit insbesondere von Stahlbetonbauwerken, die regelmäßig der Exposition von Feuchtigkeit ausgesetzt sind, ohne Wartung vielfach nicht erreicht wurde: die Korrosion hat bereits vor Erreichen des Endes der Nutzungsdauer eingesetzt. Abbildung 6 verdeutlicht diesen Zusammenhang: Bei einer Inspektion des Gebäudes werden Einschränkungen der Dauerhaftigkeit vor Erreichen der planmäßigen Nutzungsdauer festgestellt. Um sie wieder herzustellen, müssen für die Differenz-Zeit, also die Rest-„Nutzugsdauer“, Maßnahmen in Form einer Instandsetzung ergriffen werden. Es können jedoch auch, wie unten erläutert wird, Verbesserungen erzielt und damit eine über die ursprüngliche Nutzungsdauer hinausgehende Dauerhaftigkeit erreicht werden (Abbildung 7). Hier setzt die Planung und Beratung des sachkundigen Planers an. Dabei sind einige Aspekte zu berücksichtigen. Theoretisch ermöglicht das Instandsetzungsprinzip R das Erreichen einer erneuten Restnutzungsdauer von 50 Jahren. Dennoch gilt diese Restnutzungsdauer nur für das geschützte Bauteil. Die umgebenden sowie die nicht nach diesem Prinzip instandgesetzten Bauteile - beispielsweise die Außenwände eines über einer Tiefgarage aufstehenden Wohn- und Geschäftshauses haben ihre geplante Nutzungsdauer ja ebenfalls nach 50 Jahren erreicht und werden in der Regel nicht zeitgleich - wenn überhaupt - mit der Tiefgarage instandgesetzt. Hier kann die Korrosion jedoch z.B. aufgrund von Karbonatisierung ebenso einsetzen. Weiterhin ist das einmal instandgesetzte Bauteil „Tiefgarage“ nicht für 50 Jahre instandsetzungsfrei: sollten Oberflächenschutzsysteme eingebaut worden sein, ist deren Erneuerung - je nach System - nach 10 - 20 Jahren erforderlich. Auch ist eine Erhöhung der Betondeckung auf das aktuell geforderte Maß - i.d.R. 4,0 cm - aufgrund statischer oder konstruktiver Gegebenheiten in vielen Fällen nicht möglich und somit auch eine Bemessung der Dauerhaftigkeit nach Eurocode unzulässig. Bei der Anwendung des Prinzips R wäre es zudem praxisfern, sämtliche Bauteile einer Tiefgarage zu erneuern - eine solche Maßnahme käme ja einem Komplettabriss und -neubau gleich. Man wird also das Prinzip stets auf geschädigte Bauteile beschränken. Daher wird man bei diesem - sehr kostenintensiven - Prinzip nur in Ausnahmefällen eine planmäßige Dauerhaftigkeit von weiteren 50 Jahren für das gesamte Bauwerk Tiefgarage erzielen. 1.6 Köchling.indd 76 14.01.20 17: 17 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 77 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen Abbildung 6: Möglicher Ist-Zustandsverlauf der Nutzungsdauer nach Instandsetzung bei Wiederherstellung der planmäßigen Nutzungsdauer, Grafik: Caspar Köchling GmbH Jenseits aller technischen Möglichkeiten muss auch der Bauherr seine Absichten für die Nutzung des Gebäudes und ihre geplante Dauer in Abhängigkeit von wirtschaftlichen Überlegungen ermitteln und in die Planung einbringen. In der Praxis wird man unter Berücksichtigung dieser Einflussfaktoren in der Regel eine sinnvolle Kombination von Instandsetzungsprinzipien finden. Im Gelbdruck der Instandhaltungsrichtlinie wird dieser Zusammenhang in der Definition des Instandhaltungskonzeptes wie folgt erläutert: „Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen während der geplanten Nutzungsdauer eines Bauwerks bzw. Bauteils, die dem Erhalt oder der Wiederherstellung seines funktionsfähigen Zustandes dienen, ggf. in mehreren Varianten mit dem Ziel, eine technisch und wirtschaftlich begründete Instandhaltung zu ermöglichen.“ Das eine Instandsetzung keinen Neubauzustand herzustellen vermag, wird in der inzwischen zum Standard gewordenen Grafik des Gelbdrucks in Teil 1, Abschn. 4.2.1 [4] dargestellt. In diesem Zusammenhang findet der Gelbdruck den Begriff der „Verbesserung“ ([4] Abschn. 4.2.3.5): “Die Verbesserung unterscheidet sich von der Instandsetzung insofern, als der planmäßige Sollzustand zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Nutzungsdauer nicht nur wiederhergestellt, sondern überschritten wird, um die Standsicherheit oder die Gebrauchstauglichkeit gegenüber den bisherigen Vorgaben zu steigern. Eine Verbesserung kann auch den Zweck verfolgen, die Restnutzungsdauer über den geplanten Zeitraum hinaus zu verlängern.“ In den Abbildungen 6 und 7 wird der Unterschied zwischen einer Wiederherstellung und einer Verbesserung der Restnutzungsdauer zum Zeitpunkt der Inspektion verdeutlicht. Grundlage ist die entsprechende Grafik aus dem Gelbdruck der Instandhaltungsrichtlinie. Als Planungshilfe findet sich dazu sowohl in der Instandsetzungsrichtlinie, aber auch im Gelbdruck der Instandhaltungsrichtlinie die Festlegung des „Mindest-Sollzustandes“: „Der Mindest-Sollzustand ergibt sich aus den Anforderungen an Standsicherheit, Gebrauchstauglichkeit, Verkehrssicherheit und Brandschutz in Abstimmung mit dem Auftraggeber und ist während der Restnutzungsdauer nicht zu unterschreiten“ ([4] Abschn. 4.2.1 - 3). Die Kriterien des „Mindest-Sollzustandes“ sind optisch wahrnehmbare oder technisch messbare - und auch für den Bauherrn erkennbare - Aspekte: so kann z.B. festgelegt werden, dass über die Restnutzungsdauer keine Risse in tragenden Bauteilen dauerhaft verbleiben dürfen, keine Fehlstellen in der Oberfläche, kein Wasserdurchtritt im Bereich von Dehnfugen oder - als messbare Aspekte - keine Korrosion oder keine Feuchtigkeit an zuvor eingebauten Sensorstellen oder Bauteilöffnungen feststellbar sein soll. Die Instandhaltungsrichtlinie führt dazu weiter aus (Abschn. 4.2.3.4 - 1): “Die Instandsetzung umfasst alle Maßnahmen, die dazu führen, dass eine Unterschreitung des Mindest-Sollzustandes während der geplanten Restnutzungsdauer mit ausreichender 1.6 Köchling.indd 77 14.01.20 17: 17 78 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen Abbildung 7: Möglicher Ist-Zustandsverlauf der Nutzungsdauer nach Instandsetzung bei Verbesserung der planmäßigen Nutzungsdauer, Grafik: Caspar Köchling GmbH Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. (…) In besonderen Fällen können zum Erreichen der geplanten Restnutzungsdauer mehrfache Instandsetzungen im Zeitablauf erforderlich sein.“ Zu der Frage der Haftung des Planers nimmt der Gelbdruck ebenfalls Stellung ([4] Abschn. 4.2.3.1): „Die Angaben über die Nutzungsdauer von Instandsetzungsprodukten und -systemen sind nicht als Gewährleistungszeitraum auszulegen, sondern dienen lediglich als Hilfsmittel zur Auswahl geeigneter Produkte und Systeme im Hinblick auf die angestrebte Nutzungsdauer des Bauwerks. (…) Starke mechanische oder chemische Beanspruchungen können beispielsweise bei Oberflächenschutzsystemen zu einer deutlichen Verkürzung der Nutzbarkeitsdauer führen. (…) Ist die im Rahmen der Inspektion festgestellte Restnutzungsdauer kleiner als erwartet, können von einem sachkundigen Planer folgende Optionen in Betracht gezogen werden: a) (…) intensivierte Überwachung (…) b) Neueinstufung des Betonbauteils aufgrund reduzierter Funktionstüchtigkeit c) Instandsetzung (…)“ . Im Teil 5 des Gelbdruckes der Instandhaltungsrichtlinie finden sich zwei Nachweisverfahren zur Ermittlung der Restnutzungsdauer von Betonbauteilen. Verfahren 1 beschreibt die Ermittlung der Restnutzungsdauer anhand der im Rahmen einer Inspektion gemessenen Karbonatisierungstiefe in Abhängigkeit zu der minimalen vorhandenen Betondeckung. Weitere Einflussgrößen sind die Umgebungsbedingungen (Expositionsklasse), Sicherheitsfaktoren sowie Bauteilalter. Verfahren 2 ist ein vollprobabilistisches Verfahren zur Ermittlung der Restnutzungsdauer unter Chloridbeaufschlagung. Für die praktische Anwendung ist dieses Verfahren jedoch nur begrenzt verwendbar. Seine Anwendung setzt eine sich über mehrere Jahre erstreckende Messung (z.B. im Rahmen von Inspektionen) am Objekt oder an Referenzobjekten voraus. Weiterhin handelt es sich um Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen. Hinsichtlich der Chloridbeaufschlagung ist zu berücksichtigen, dass es „den“ korrosionsauslösenden Chloridgehalt nicht gibt, wie Rahimi in [7] festhält. Auch ist relevant, ob sich das betrachtete Chloridprofil im Bereich tragender Bewehrung befindet, wie in Kap. 4.2 noch erläutert wird. In der Praxis wird es eher der Fall sein, dass, wie in Kap. 1 dargelegt, die mangelnde Gebrauchstauglichkeit (Risse, Fehlstellen, „Schlaglöcher“, Undichtigkeiten) eine Instandsetzung jenseits aller Nachweisverfahren erforderlich macht. Für die Instandsetzung von Tiefgaragen und Parkhäusern ist also im Hinblick auf die Restnutzungsdauer zusammenzufassen: Die Restnutzungsdauer ist zunächst einmal die Dauer vom Zeitpunkt der Instandsetzung bis zum Ende der (gem. DIN 1045/ Eurocode 2 vorgesehenen) planmäßigen fünfzigjährigen Nutzungsdauer. Vom sachkundigen Planer muss anhand von Bauteiluntersuchungen der Ist-Zustand festgestellt und in Abstimmung mit dem Bauherrn ein wirtschaftlich und technisch begründetes Instandhaltungskonzept entwickelt werden. 1.6 Köchling.indd 78 14.01.20 17: 17 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 79 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen Dabei ist mit dem Bauherrn zu klären, ob die Restnutzungsdauer oder eine Verbesserung erreicht werden soll. Das eine Verbesserung eine erneute Dauerhaftigkeit über 50 Jahre erreicht, ist unter Berücksichtigung der Restnutzungsdauer der nicht „verbesserten“ umgebenden Bauteile sowie der begrenzten Dauerhaftigkeit von Oberflächenschutzsystemen nur in Ausnahmefällen erzielbar. Weiterhin sind wirtschaftliche Aspekte einzubeziehen: es ist zu klären über welche wirtschaftlichen Möglichkeiten und Nutzungsabsichten der Bauherr verfügt. Die Dokumentation dieser Aspekte ist neben einer ausführlichen Ist-Zustandsermittlung die Grundlage für die Entwicklung eines ausgewogenen Instandsetzungsplanes. 4.2 Der korrosionsauslösende Chloridgehalt Die Problematik der chloridbedingten Korrosion liegt in ihrer lokalen und zunächst von außen nicht wahrnehmbaren Schädigung. Prinzipiell besteht das Wirkprinzip daraus, dass in den Beton bis zur Bewehrung eingedrungene Chloridionen den Stahl depassivieren und es bei Zutritt von Feuchtigkeit und Sauerstoff zu lokaler Korrosion kommt. Die einmal eingesetzte Korrosion wird beschleunigt durch den sich beständig durch ihr Fortschreiten erhöhenden Potenzialunterschied zwischen großer Kathode (angrenzendem alkalischem und damit geschütztem Bereich) und kleiner Anode (depassiviertem, korrodierendem Bereich). Dauberschmidt erläutert in [5]: „Wird eine kritische Konzentration an freien Chloridionen am Stahl überschritten, versagt der Passivfilm des Stahls und Korrosion kann einsetzen.“ Abbildung 8: Schematische Darstellung der Korrosion von Betonstahl, links und durch chloridinduzierte Korrosion geschädigter Stahl, rechts, Quelle: Prof. Dr. Ing. Ch. Dauberschmidt: „Chloridbelasteter Beton - immer ein Entsorgungsfall? “, Regionaltagung des Deutschen Beton- und Bautechnikvereins, München 2010. Neben dem Chloridgehalt nennt Raupach in [22] folgende Faktoren, die den Korrosionsfortschritt beeinflussen können: - Hydratationsgrad - Hüttensandgehalt - Gehalt an Steinkohleflugasche - C3A-Gehalt des Zementsteins - w/ z - Wert - Größe des Zuschlagkorns - Temperatur - Rel. Luftfeuchtigkeit - Austrocknungsgrad des Betons Um den der Korrosion zugrunde liegenden elektrolytischen Prozess am chlorid-, aber ebenso auch am karbonatisierungsbedingt depassivierten Stahl zu ermöglichen ist Wasser in Form des Feuchtegehalts im Beton eine entscheidende Voraussetzung. Ein über die Poren des Betons zusammenhängender Wasserfilm ist das Trägermedium für den in Abbildung 8 dargestellten Ionentransport, der zu der Korrosion am Stahl führt. Weydert hat dazu für die karbonatisierungsbedingte Korrosion in [23] zahlreiche Untersuchungen an Probekörpern durchgeführt. Je nach Zementart kam der Korrosionsprozess an den Probekörpern bei einem Feuchtegehalt zwischen ca. 2 Vol% und ca. 4 Vol% vollständig zum Erliegen. Bislang nicht erforscht ist u.a., wie sich die hygroskopische Eigenschaft der Chloride auf die Verteilung der Ausgleichsfeuchte im Beton und seine Austrocknung auswirkt. Auch sind die Zusammenhänge, die Weydert für die karbonatisierungsindizierte Korrosion ermittelt hat, für die chloridbedingte Korrosion noch nicht vollständig wissenschaftlich nachgewiesen. Zu dem Thema des korrosionsauslösenden Chloridgehalts haben unter anderem Dauberschmidt [5], Rahimi [7] und Gehlen [6] in den vergangenen zehn Jahren Forschungen vorgenommen. Alle drei Untersuchungen kommen - wie in Kap. 3 und Kap.4.3 näher erläutert unter anderem zu dem Ergebnis, dass: - Die kritische depassivierende Chloridkonzentration am Stahl - Der kritische Korrosionsauslösende Feuchtegehalt am depassivierten Stahl nicht allgemeingültig zu ermitteln ist. Diese ungeklärte wissenschaftliche Lage hat den Deutschen Ausschuss für Stahlbeton im Jahr 2015 veranlasst, ein Positionspapier [10] dazu herauszugeben. Darin wird erläutert: „Sowohl Forschungsergebnisse als auch praktische Erfahrungswerte deuten gleichermaßen darauf hin, dass die Festlegung des Schwellenwertes auf 0,5 M.-% deutlich auf der sicheren Seite liegt. 1.6 Köchling.indd 79 14.01.20 17: 17 80 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen Abbildung 9) Elektrolytwiderstände und Korrosionsstrom, unbeschichteter Versuchskörper mit karbonatisierter Randschicht (CEM III A), Wasserbeaufschlagung mit zwischenzeitlicher Trockenlagerung. Quelle: Romain Weydert: „Randbedingungen bei Instandsetzung nach dem Schutzprinzip W bei Bewehrungskorrosion im karbonatisierten Beton“, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 552, Hrsg.: Beuth Verlag, Berlin 2005 Es ist erwiesen, dass in vielen Bauwerken, wie auch bei Prüfkörpern in Forschungsreihen, Chloridgehalte von z.T. deutlich über 1,0 M.-%, bezogen auf die Zementmasse, keine aktive Korrosion am Betonstahl auslösen.“ Der Gelbdruck der Instandhaltungsrichtlinie greift diese Unsicherheit insofern auf, dass er das dem Prinzip W-Cl entsprechende Verfahren 8.3 unter den in Kap. 3 erläuterten Vorbehalt stellt, den Korrosionsfortschritt an der Bewehrung nach Abschluss der Instandsetzung fortwährend zu überprüfen. Jenseits von allgemein anerkannten Grenzwerten für korrosionsauslösenden Chlorid- und Feuchtegehalt hat der sachkundige Planer die Wahl seiner Messpunkte für den Chloridgehalt vor allem nach den Auswirkungen auf das Tragwerk auszulegen. Entscheidend sind z.B. die Chloridgehalte im Bereich von aufgehenden Stützen, im Bereich von Unterzügen und Stützbewehrungen in Randbereichen von Zwischendecken sowie tragenden Bodenplatten und Fundamenten. Für die Umsetzung einer wirtschaftlichen Planung ist es notwendig die Chloridkonzentrationen im Bauwerk immer bauteilbezogen zu betrachten und unter Berücksichtigung verschiedener Randbedingungen zu bewerten. Eine über dem Schwellenwert befindliche Chloridkonzentration rechtfertigt also nicht unmittelbar den Ausbau des betroffenen Bauteils. Bei einer bauteilbezogenen Betrachtung sollten unter anderem folgende Aspekte Berücksichtigung finden: - Statische Funktion des Bauteils Hohe Chloridbelastung bei nichttragenden Bauteilen stellen keine Gefährdung der Tragsicherheit dar. Hier gilt es u.a. zu bewerten, inwiefern eine mögliche Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit eine Instandsetzung erforderlich macht. - Lage der Bewehrung / Betondeckungsmessungen Bei tragenden Bauteilen sollte neben dem Chloridwert auch die Lage der Bewehrung betrachtet werden. So kommt es häufig vor, dass sich die erhöhten Chloridkonzentrationen nur im oberflächennahen Bereich des Bauteils nachweisen lassen und z.B. durch eine hohe Betondeckung keine Depassivierung des Bewehrungsstahls stattgefunden hat. - Vorhandene Tragreserven Auch bei vorangeschrittener Korrosion muss die Standsicherheit des Bauteils nicht gänzlich in Frage gestellt werden. Krause/ Horstmann erläutern dazu in [11], inwiefern im Rahmen einer statisch-konstruktiven Planung Möglichkeiten bestehen, Tragreserven zu identifizieren und für die Instandsetzungsplanung nutzbar zu machen. Neben der über die Jahre verminderten Nutzlast für Verkehr- und Parkflächen, differenzierter Betrachtung der Lasteinzugsfläche und der häufig ausgeprägten Nacherhärtung des Betons kann durch aktuelle Berechnungsmodelle eine deutliche Reduzierung des erforderlichen Bewehrungsquer- 1.6 Köchling.indd 80 14.01.20 17: 17 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 81 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen schnitts erzielt werden (s. Abbildung 10), sodass auch bei einer Querschnittsschwächung durch z.B. Chlorideinwirkung ausreichend Tragreserven vorhanden sein können. Abbildung 10: Beispiel einer mehrfeldrigen Decke mit möglichen Reduktionen des Stützmomentes durch Abschnittsbemessung und Umlagerung, Quelle: Dr. Ing. Krause/ Prof. Dr.-Ing.Horstmann: „Statische Aspekte beim Neubau und bei der Instandsetzung von Tiefgaragen“. In: Tagungsband - 3. Dortmunder Bauforum. Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Rainer Hohmann, Dortmund 2019. Unter juristischen Aspekten bietet - wie in Kap. 3 dargelegt die Behandlung des korrosionsauslösenden Chloridgehaltes in dem Instandsetzungskonzept die größte Angriffsfläche für den sachkundigen Planer. Die sich widersprechenden Schlüsse der Fachwelt aus den Untersuchungen zu den Auswirkungen der Chlorideinwirkung fordern nicht nur eine gewissenhafte und strukturierte Aufarbeitung von Bauteiluntersuchung und Bestandstragwerk, sondern auch eine umfassende Aufklärung des Bauherrn sowie eine entsprechende Dokumentation in der Instandsetzungsplanung. 4.3 Die Auswirkung des korrosionsauslösenden Chloridgehaltes auf die Restnutzungsdauer Dem Zusammenhang zwischen der Nutzungsdauer eines Bauwerks und seiner Beeinflussung durch Einwirkungen wie Karbonatisierung und Chloridbeaufschlagung insbesondere bei Neubauten ist Gehlen in [12] nachgegangen: „Ein Bauwerk gilt dann als zuverlässig gegenüber einer bestimmten Einwirkung, wenn zum Ende der angestrebten Lebensdauer sowohl Gebrauchsgrenzzustände als auch Bruchgrenzzustände mit einer zuvor festgelegten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten werden.“ Dabei definieren sich Gebrauchsgrenzzustände z.B. durch zu große Durchbiegungen oder Schwingungen und ästhetische Gesichtspunkte wie Risse oder Abplatzungen. Bruchgrenzzustände verstehen sich als Versagen der Tragstruktur z.B. durch korrosionsbedingten Querschnittsverlust der Hauptbewehrung. Für Tragwerke, die nach den z.Zt. gültigen Bemessungsregeln des Eurocodes 2 erstellt werden, lässt sich mit Material- und Umgebungskennwerten die Auswirkung der Karbonatisierung sehr genau vorhersagen. Für die Einwirkung von Chloriden ist dieses jedoch nur bedingt möglich: Gehlen erläutert: „In der Literatur wird (…) das 2.Fick’sche Diffusionsgesetz zur Beschreibung des Chlorideindringvorgangs verwendet (…). Ausgabewert ist ein sogenannter effektiver Diffusionskoeffizient DEff,C und eine dazugehörige extrapolierte Chloridoberflächenkonzentration CS zum Beobachtungszeitpunkt tInspektion.“. Dieser Ansatz funktioniert, solange das Bauteil kontinuierlich mit chloridkontaminierten Lösungen beaufschlagt wird (vgl. [12] Kap. 4.1.1., S.37). In der Praxis treten in Parkbauten Chloridbeaufschlagungen allerdings selten dauerhaft, sondern viel häufiger nur zeitweise auf. Dazu erklärt Gehlen: “Darüber hinaus ist insbesondere bei intermittierender Chloridbeaufschlagung (...) zusätzlich davon auszugehen, dass der Ansatz des 2. Fick´schen Diffusionsgesetzes nicht ohne Einschränkungen dazu geeignet ist, analysierte Chloridprofile über den gesamten Tiefenbereich x zufriedenstellend abzubilden“ ([12], Kap. 4.1.2). „Vornehmlich in Abhängigkeit der Verkehrsdichte D und der zulässigen Verkehrsgeschwindigkeit v werden chloridhaltige Tauwässer mit einem Chloridgehalt C0,R unterschiedlich weit von der Straße auf davon entfernt liegende Bauteiloberflächen transportiert.“ ([12], Kap. 4.2.4, S. 61).“ „Bis in welche Tiefe Kapillaraktivität und damit ein rascher Kapillartransport von Chloriden ins Bauteilinnere stattfinden kann, hängt vornehmlich vom Feuchtezustand des Bauteils vor Wiederbenetzung ab.“ ([12], S. 60). Kapteina hat weiterhin dazu in [24] im Rahmen Ihrer Untersuchung festgestellt, dass der Chloridtransport im nicht karbonatisierten Beton mit zunehmendem Hydratationsgrad, abnehmender Feuchte und in Abhängigkeit von der Zementart erkennbar abnimmt. Gehlen unterteilt in [12] die Forschungsergebnisse an chloridbelasteten Bauteilen im Hinblick auf die Auswirkung der Korrosion in die Modellansätze der Einleitungsphase und der Schädigungsphase: “Dementsprechend befinden sich die mit der Schädigungsphase verknüpften Modellierungsansätze im Vergleich zu den bereits fortgeschrittenen Modellformulierungen zur Einleitungsphase noch in den Anfängen. Oft wurde Korrosionsforschung lediglich empirisch ausgewertet und allgemeine Abhängigkeiten herausgestellt.“ ([12], Kap. 1.6 Köchling.indd 81 14.01.20 17: 17 82 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen 5.1, S. 64). Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass als Voraussetzung für korrosionsbedingten Bewehrungsabtrag neben verschiedenen anderen Voraussetzungen auch „ausreichende Mengen an Sauerstoff“ ([12], Kap. 5.2, S. 64) im elektrolytisch leitenden Beton vorhanden sein müssen. In der Untersuchung wird dann in der Folge nachgewiesen, dass zumindest die Einwirkung von Karbonatisierung bei Einhaltung der gemäß Eurocode 2 vorgegeben Betondeckung mit ausreichender Sicherheit nicht dazu führen, dass die Grenzzustände während der Lebensdauer von 50 Jahren erreicht werden. Im Bereich der Instandsetzung von Tiefgaragen sind die Einwirkungsprozesse, die Gehlen für neu zu erstellende Betonbauteile beschreibt, bereits zu einem großen Teil abgeschlossen. Die Nutzungsdauer ist in der Regel nahezu erreicht und Bauherr und Planer stehen vor der Entscheidung, wie das Bauwerk für die Restnutzungsdauer oder für eine zu definierende neue Nutzungsdauer (=Verbesserung) zu ertüchtigen ist. Das zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung für eine Instandsetzungsmaßnahme zumindest Gebrauchsgrenzzustände erreicht wurden, liegt insbesondere vor dem Hintergrund auf der Hand, dass die Betondeckung der instand zu setzenden Bauteile in der Regel planmäßig bei 2,0 cm liegen. Für die Auswirkung der Karbonatisierung lassen sich mit den in der Instandsetzungs- und Instandhaltungsrichtlinie festgelegten Instandsetzungsprinzipien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Lösungen zu einer planmäßigen Entwicklung für die weitere vorgesehene Lebensdauer finden. Hinsichtlich der Einwirkung von Chloridpenetration und ihrer Auswirkung bleibt für die Instandsetzung festzuhalten, dass es „das“ Chloridprofil für ein Bauwerk nicht gibt. Für den Grenzzustand der Einwirkungsphase ist nicht zu definieren, wann die Chloridsättigung erreicht ist. Für den Grenzzustand der Schädigungsphase ist nicht zu definieren, wann die korrosionsauslösenden Umgebungsparameter, die ausreichende Menge an Feuchtigkeit und Sauerstoff, erreicht sind. Diese noch nicht vollständig erforschte Situation hat den DAfStb im Jahr 2008 veranlasst, dazu ein Positionspapier zu verfassen [14]: „ Die Modellierung der Zerstörungsphase inklusive einer statistischen Quantifizierung der am Korrosionsprozess beteiligten Variablen befindet sich nach wie vor in der Entwicklung und ist noch nicht so weit entwickelt dass Zustandsbetrachtungen auf damit verknüpfte Grenzzustände abgestützt werden könnten“. Weiterhin wird klargestellt: „Bei diesen bislang definierten Grenzzuständen (carbonatisierungs- und chloridinduzierter Depassivierung der Bewehrung) handelt es sich aber nicht um klassische Grenzzustände, bei deren Überschreitung die Gebrauchstauglichkeit unmittelbar eingeschränkt wird. Vielmehr bilden diese Ersatzgrenzzustände ab, die echten, die Gebrauchstauglichkeit einschränkenden Grenzzuständen (z.B. korrosionsinduzierte Rissbildung, Betonabplatzungen, Anm. d. Verfassers) vorgeschaltet sind“. Das Positionspapier erläutert in diesem Zusammenhang, dass die in der DIN 1045 und DIN EN 206 festgelegten und eine 50jährige Nutzungsdauer sicherstellenden Dauerhaftigkeitskriterien hinsichtlich Mindestbetondeckung, maximal zulässigem Wasserzementwert, Mindestzementgehalt und Mindestdruckfestigkeit nicht „auf der Grundlage von validierten Dauerhaftigkeitsbemessungsmodellen“ beruhen. „Vielmehr bilden diese den unter den beteiligten Kreisen allgemein anerkannten Stand der Technik ab, der auf den Erfahrungen beruht, die in der Praxis über Jahrzehnte hinweg gesammelt wurden. Dabei können keinerlei projektspezifische Parameter wie differenzierte Einwirkungen oder spezielle Randbedingungen der Widerstandsseite berücksichtigt werden, so dass die deskriptiven Anforderungsprofile auf der sicheren Seite liegend sehr weite Bereiche der Spektren sowohl auf der Einwirkungsseite als auch auf der Materialseite abdecken müssen“. [14]. Neben häufigen Ausführungsmängeln haben auch die bei der Entstehung des Bauwerks geltenden technischen Regeln zur Bemessung der Betondeckung eine - gegenüber heutigem Standard - zu geringe Betondeckung zur Folge. Für die Instandsetzung von Tiefgaragen und Parkhäusern ist insofern entscheidend, dass die Depassivierung des Betonstahls keinen Grenzzustand darstellt, der unmittelbar die Gebrauchstauglichkeit einschränkt. Ohne diese Voraussetzung wäre ein Erhalt des karbonatisierten und/ oder chloridbelasteten Betons gar nicht möglich: an dieser Definition als „Ersatz-Grenzzustand“ setzen die betonerhaltenden Instandsetzungsverfahren KKS und W-Cl an. Umso entscheidender für die Wahl des Instandsetzungsprinzips und für den Erfolg der Instandsetzung ist, wie in Kap. 3 dargestellt, die gewissenhafte Ermittlung des bauteilbezogenen Ersatz-Grenzzustandes. Als Hinweise zu einem bauteilbezogenen Grenzzustand helfen Bauteilproben in chloridbelasteten Bereichen: wie ist die Lage und der Zustand der Bewehrung im Bereich hoher gemessener Chloridwerte. Zur Ermittlung eines differenzierten Chloridprofils sind weitere Betrachtungen zu berücksichtigen: nutzungsbedingt wird man in der Fahrspur eines Parkbauwerks (Freidecks ausgenommen) weniger Chloridanteile finden als in den Parkzonen. Im einfahrtsnahen Bereich einer Parkgarage wird die Konzentration der Chloride höher sein als im untersten Tiefgeschoss. Für die Beurteilung des Chloridgehaltes wird darüber hinaus - wie in Kap. 3 dargestellt - entscheidend sein, in welcher Höhe die Chloridkonzentration z.B. in der tragenden Bügelbewehrung eines Unterzuges oder in der konstruktiven Oberbewehrung einer Boden- oder Deckenplatte gemessen werden. Weiterhin ist durch ausreichende Bauteilproben festzustellen, wie sich das Verhältnis von Korrosion und Chloridwerten im Bereich von Rissen darstellt. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass eine gewissenhafte Planung aus einer Reihe von Voruntersuchungen besteht, die u.a. in [25] ausführlich dargelegt 1.6 Köchling.indd 82 14.01.20 17: 17 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 83 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen werden. Vor dem Hintergrund der Verpflichtung einer wirtschaftlichen Planung hat der sachkundige Planer dem Bauherrn alternative Instandsetzungsverfahren und Kombinationen von Verfahren unter Berücksichtigung der Wartung und Instandsetzung für die vom Bauherrn gewünschte Nutzungsdauer transparent darzulegen. Gehlen hat in [12] zu der Thematik „wirtschaftliche Instandsetzung“ den „Zuverlässigkeitsindex“ definiert und graphisch dargestellt (Abbildung 11). Abbildung 11: Kosten- Nutzen- Kurve zur Bestimmung der wirtschaftlichen optimalen Zuverlässigkeit, Quelle: Dr.-Ing. Christoph Gehlen: „Probabilistische Lebensdauerbemessung von Stahlbetonbauwerken, Zuverlässigkeitsbetrachtungen zur wirksamen Vermeidung von Bewehrungskorrosion“. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin 2000. Das Positionspapier [14] hat dazu erläutert: „Zuverlässigkeiten gegenüber bestimmten ungewollten Grenzzuständen zur Gebrauchstauglichkeit werden in der Praxis häufig vor dem Hintergrund von Kosten-Nutzen-Analysen festgelegt (…), da bei Gebrauchstauglichkeitsfragen ökonomische Gesichtspunkte dominieren. (…) Die Höhe des Instandsetzungsaufwands ist aber auch immer davon abhängig, wie früh ein sich anbahnender Korrosionsschaden entdeckt und instand gesetzt wird“. Zusammenfassend ist festzuhalten: soll die Instandsetzung von Parkbauten wirtschaftlich geplant werden, dann wird man den Anteil der nach dem Prinzip R instandgesetzten Bauteile auf ein Mindestmaß reduzieren und für einen möglichst großen Anteil des Bauwerks die Verfahren KKS oder W-Cl oder alle drei Verfahren in Kombination anwenden. Es ist Aufgabe des sachkundigen Planers, dem Bauherrn zu verdeutlichen, dass die Prinzipien KKS und W-CL Sonderverfahren sind, deren Gelingen ohne die Mitwirkung des Auftraggebers durch regelmäßige Wartung nicht möglich ist. Weiterhin ist es Sache des durch den sachkundigen Planer umfassend aufgeklärten Auftraggebers, sich für das Prinzip der Instandsetzung zu entscheiden. Wie eine solche Aufklärung erfolgen kann, ist anhand von einem fiktiven Fallbeispiel in den folgenden Abbildungen dargestellt. 4.3.1 Fiktives Fallbeispiel - Chloridbelastete Tiefgarage Abbildung 13: Vergleich von Instandsetzungsprinzipien zum Fallbeispiel, Grafik: Caspar Köchling GmbH 5. Die Instandsetzungsprinzipien KKS und W-Cl und die erzielbare Restnutzungsdauer In dem in Abbildung 13 dargestellten Fallbeispiel wird auch verdeutlicht, dass die Wirtschaftlichkeit einer Instandsetzung ohne die Betrachtung der vorgesehenen Nutzungsdauer nicht möglich ist. Dabei ist die „vorgesehene Nutzungsdauer“ immer das Ergebnis eines Kompromisses zwischen der vom Bauherrn gewünschten und vom Planer als technisch möglich erachteten Nutzungsdauer. In Kap. 4.1 wurde dargestellt, dass es hier von Seiten des Planers zunächst einer Aufklärung des kaufmännisch orientierten Bauherrn hinsichtlich der „Dauerhaftigkeit“ von Betonbauwerken gemäß Regelwerk bedarf. Weiterhin ist es Aufgabe des Planers, den Bauherrn darüber aufzuklären, dass die Instandsetzung eines sich im (Ersatz-)Grenzzustand befindlichen Bauwerks niemals die erneute Dauerhaftigkeit eines neuen Bauwerks ermöglichen kann. Konkret sollte der sachkundige Planer in Bezug auf das Prinzip KKS erläutern, dass die möglicherweise zur Anwendung kommenden Titan-Mischoxid-Anoden zwar für eine Lebensdauer von 1.6 Köchling.indd 83 14.01.20 17: 17 84 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen 50 Jahren ausgelegt sind. Nach dem jetzigen Stand der Technik wird jedoch im Laufe der Nutzung die Alkalität und damit die Pufferkapazität des die Anoden einlagernden (PCC-) Mörtels aufgebraucht und dieser durch die charakteristischen Teilreaktionen in den Bereichen um die Anoden angesäuert [15]. Göppel erläutert dazu: „Im Hinblick auf die geplante Nutzungsdauer erlaubt dieser Prozess nach jetzigem Stand der Technik einen realistischen Zeitraum von 25 Jahren und länger.“ [27] In Bezug auf das Prinzip W-Cl ist entscheidend, inwieweit die Austrocknung des Betons - idealerweise bereits vor dem Aufbringen des Oberflächenschutzsystemes - und damit das Abklingen der Korrosion gelingt. Weiterhin ist die Höhe des Chloridgehaltes in Abhängigkeit von der Zusammensetzung, dem Hydratationsgrad und der Qualität des Betons, den statisch relevanten Bereichen und der Eindringtiefe der Chloride zu berücksichtigen. Über regelmäßige Inspektion und Wartungsmaßnahmen muss das dauerhafte Erreichen der Instandsetzungsziele sichergestellt sein. Es ist unerlässlich, dass der Bauherr über mögliche Risiken - wie z.B. eine erneute Instandsetzung bei Versagen - aufgeklärt wird. Die juristischen Hintergründe wurden in Kap. 4.1 erläutert. Insbesondere ist hier die aufklärende Definition in dem Gelbdruck der Instandhaltungsrichtlinie hervorzuheben, dass es sich bei der Nutzungsdauer nicht um eine Gewährleistung handelt und dass bei entsprechendem Ergebnis der Wartung auch eine Anpassung der Nutzungsdauer oder eine weitere Instandsetzung erforderlich sein kann. Unter diesen Voraussetzungen ist auch für das Prinzip W-Cl eine Nutzungsdauer von 25 Jahren planbar. Beide Prinzipien setzen aber eine begleitende, lebenslange Wartung voraus. 6. Fazit und Ausblick Planer und Ausführende haften für den Werkerfolg gesamtschuldnerisch. Mängelfrei ist das Werk nur dann, wenn es nach den anerkannten Regeln der Technik geplant und gebaut wurde. Aus den vorangegangenen Ausführungen ist deutlich geworden, wie kompliziert sich die Situation der anerkannten Regeln der Technik für die Instandsetzung von Tiefgaragen und Parkhäusern darstellt. Die aktuell gültige Instandsetzungsrichtlinie wurde zuletzt im Jahr 2001 herausgegeben und danach mehrfach - zuletzt im September 2014 - lediglich berichtigt. Prinzipiell ist der Gelbdruck der Instandhaltungsrichtlinie weder bauordnungsrechtlich noch fachtechnisch eingeführt. Er erfüllt daher nicht die Anforderung an den juristischen Begriff der anerkannten Regel der Technik. Ausschließlich Teile seines Inhaltes haben inzwischen Eingang in das DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [13] gefunden. Die 3. überarbeitete Ausgabe Fassung Jan. 2018 stellt im Hinblick auf ihre Entstehung im Rahmen einer Ausschussarbeit die zum jetzigen Zeitpunkt aktuellste Veröffentlichung einer anerkannten Regel der Technik für die Erstellung, aber auch für die Instandsetzung von Parkbauten dar. In vielen Aspekten konkretisiert der Gelbdruck der Instandhaltungsrichtlinie die Inhalte einer Planung. Seine (bauordnungsrechtliche) Einführung würde daher die haftungsrechtliche Situation des sachkundigen Planers verbessern. Dennoch weisen auch die Inhalte des Gelbdruckes - wie für den Bereich „korrosionsauslösender Chloridgehalt“ oben dargelegt - noch offene Fragen auf, die bei einer baldigen Veröffentlichung als Weissdruck weiterhin ungeklärt blieben. Bauherr, Planer und Ausführende sollten daher umso mehr Wert darauf legen, den Werkerfolg im Konsens zu erzielen. Das dieses Ziel in der Praxis nur allzu oft nicht erreicht wird, ist die ständige Erfahrung aller am Baugeschehen beteiligten. Das Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ des DBV [13] verdeutlicht dazu: „ Gegenüber dem Bauherrn sind die Abweichungen (z.B. der vom Merkblatt festgelegten Ausführungsvarianten für die aktuellen Expositionsklassen, die von Bestandsbauten insbes. Im Hinblick auf die Betondeckung nicht immer erreicht werden, Anm. d. Verfassers) detailliert und nachvollziehbar zu erläutern und eventuell damit verbundene Risiken deutlich darzustellen und zu dokumentieren. Dies ermöglicht dem Bauherrn, sich bewusst für die Vorteile von abweichenden Konzepten zu entscheiden und die daraus ggf. entstehenden Risiken zu tragen. (…) Die gewählte Ausführungsvariante ist vertraglich zu vereinbaren.“ [13]. Gute Erfahrungen hat der Verfasser mit einem Konzept erzielt, welches die Begleitung der Instandsetzung einschließlich Instandhaltung durch einen zweiten Gutachter vorsieht. Ähnlich der Institution eines Prüfstatikers kann hier eine zweite, prüfende Instanz dazu führen, die Akzeptanz des Konzeptes bei allen Beteiligten zu erhöhen. Die Wahl des Gutachters sollte im Konsens zwischen Bauherr und Planer erfolgen. Bei der Instandsetzung nach dem Prinzip KKS ist die Beteiligung eines zugelassenen Fachplaners zwingend vorgeschrieben. Nach dem gleichen Grundsatz lässt sich auch für das Prinzip W-Cl ein „Fachplaner W-Cl“ etablieren. Unerlässlich ist weiterhin die Einbindung eines in der Betoninstandsetzung erfahrenen Tragwerksplaners. Auch hier sollte die Auswahl im Konsens zwischen Bauherr und sachkundigem Planer erfolgen. Bei der Ausschreibung für die Ausführung der Instandsetzungsarbeiten hat der Verfasser letztlich gute Erfahrungen damit gesammelt, dem reinen Preiswettbewerb einen Teilnahmewettbewerb vorzuschalten. Das Ergebnis dieses Teilnahmewettbewerbs sollte es sein, einen Kreis von Unternehmen zu ermitteln, die über die erforderliche Erfahrung, die ausreichende Kompetenz sowie über die organisatorische, personelle und maschinelle Ausstattung für die Durchführung der Instandsetzungsmaßnahme verfügen und die mit der Teilnahme die Anerkenntnis des Instandsetzungskonzeptes bestätigen. So wird vermieden, dass ausführende Unternehmen Bedenken gegen die Planung des Instandsetzungskonzeptes anmelden. Grundlage für die Ausführung sollte ein vom Bauherrn und Planer ge- 1.6 Köchling.indd 84 14.01.20 17: 17 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 85 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen meinsam unterzeichnetes Instandhaltungskonzept sein. Ebenfalls sollte eine Erklärung des Bauherrn über seine umfassende Aufklärung durch den sachkundigen Planer Bestandteil des Instandsetzungskonzeptes sein. Für den Bauherrn ist es bei der Beauftragung der Planung empfehlenswert, diese stufenweise vorzunehmen. Die Phase der Voruntersuchungen bis zur Darstellung von projektbezogenen alternativen Instandsetzungsvarianten mit der Ermittlung eines Kostenrahmens sollte von der Beauftragung der Leistungsphasen 5 - 8 abgekoppelt werden. Am Ende dieser ersten „Projektfindungsphase“ sollte die Entscheidung des Bauherrn für das Instandsetzungsprinzip sowie für die Auswahl des sachkundigen Planers stehen. Ist beim Bauherrn die Entscheidung für einen Planer der Leistungsphasen 5-8 gefallen, dann sollte dieser auch mit der Wartung nach Abschluss der Instandsetzung beauftragt werden. Abschließend und zusammenfassend sollte Auftraggebern, Planern und Ausführenden immer wieder bewusst werden: jenseits aller baupraktischen und juristischen Lösungswege bleibt die Instandsetzung von Tiefgaragen und Parkhäusern eine der anspruchsvollsten ingenieurmäßig-konstruktiven Bauaufgaben, die es mit umsichtiger Voruntersuchung, handwerklicher Präzision, sorgfältiger Bauüberwachung und nachhaltiger Wartung zu lösen gilt. Literatur [1] RA Dr. Günther Bauer: „Verantwortlichkeiten von Fachplanern und Allgemein-Planern bei Betoninstandsetzungsarbeiten“. In: Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen - Aktuelle Regelwerke und Hinweise zum Stand der Technik, DBV Heft 19. Hrsg.: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Berlin, 2012, S.139-149. [2] RA Frank Meier: „Haftungsfragen bei der Planung und Ausführung von Betoninstandsetzungen“. In: Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen - Aktuelle Regelwerke und Hinweise zum Stand der Technik, DBV Heft 19. Hrsg.: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Berlin, 2012, S.135-138. [3] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: „DafStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Stahlbetonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie), Ausgabe Oktober 2001“. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin 2001. [4] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: Richtlinie „Instandhaltung von Betonbauteilen“, Gelbdruckentwurf, Stand: 2016-06-04, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin 2016. [5] Prof. Dr.-Ing. Christoph Dauberschmidt: „Chloridbelasteter Beton - immer ein Entsorgungsfall? “, Regionaltagung des Deutschen Beton- und Bautechnikvereins am 23. Februar 2010, München. [6] S. Keßler, F. Hiemer, Ch. Gehlen: „Einfluss einer Betonbeschichtung auf die Mechanismen der Bewehrungskorrosion in gerissenem Stahlbeton“. In: Beton- und Stahlbetonbau 112 (2017), Heft 4. Hrsg.: Ernst & Sohn Verlag, Berlin 2017. S. 198-206. [7] Dr.-Ing. Amir Rahimi: „Semiprobabilistisches Nachweiskonzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauteilen unter Chlorideinwirkung“, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 626, Berlin 2017. [8] Prof. Dipl.-Ing. Claus Flohrer: „Erfahrungen bei der Instandsetzung eines vor zehn Jahren sanierten Parkhauses“. In: Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen - Aktuelle Regelwerke und Hinweise zum Stand der Technik, DBV Heft 19. Hrsg.: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Berlin, 2012, S.119-124. [9] Deutsches Institut für Normung: DIN EN 1992-1-2/ NA/ A1: 2015-09, Hrsg.: Beuth Verlag, Berlin 2015 [10] Prof. Dr.-Ing. J. Schnell, Prof. Dr.-Ing. M. Raupach: „Kritischer korrosionsauslösender Chloridgehalt - Positionspapier des DAfStb zum aktuellen Stand der Technik“. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin 2015 [11] Dr.-Ing. H.-J. Krause, Prof. Dr.-Ing. M. Horstmann: „Statische Aspekte beim Neubau und bei der Instandsetzung von Tiefgaragen“. In: Tagungsband - 3. Dortmunder Bauforum. Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Rainer Hohmann, Dortmund 2019. [12] Prof. Dr.-Ing. Christoph Gehlen: „Probabilistische Lebensdauerbemessung von Stahlbetonbauwerken, Zuverlässigkeitsbetrachtungen zur wirksamen Vermeidung von Bewehrungskorrosion“. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 510 Berlin 2000. [13] Deutscher Beton- und Bautechnikverein E.V.: „Merkblatt - Parkhäuser und Tiefgaragen, Ausgabe 2018“. Deutscher Beton- und Bautechnikverein E.V., Berlin 2018. [14] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: „Positionspapier des DAfStb zur Umsetzung des Konzepts von leistungsbezogenen Entwurfsverfahren unter Berücksichtigung von DIN EN 206-1, Anhang J“. In: Beton- und Stahlbetonbau 103, Heft 12. Hrsg.: Ernst & Sohn Verlag, Berlin 2008. S.837-839. [15] Dipl.-Ing. Stefan Göppel: „Präsentation zum Wirkungsmechanismus von KKS“, Stuttgart 2019 [16] Deutsches Institut für Normung: DIN EN 1992-1-2, Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken, Hrsg.: Beuth Verlag, Berlin 2010 [17] Deutsches Institut für Normung: DIN 1045-1: 2008- 08, Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Hrsg.: Beuth Verlag, Berlin 2008 [18] Dipl.-Ing. (FH) Christoph Köchling: „Entwicklung und Umsetzung eines Instandhaltungskonzeptes am Fallbeispiel einer Großgarage in Dortmund die Instandsetzung der Tiefgarage Westentor im Spannungsfeld zwischen nationalem Gelbdruckverfahren und europäischem Bauproduktenrecht“. In: Ta- 1.6 Köchling.indd 85 14.01.20 17: 17 86 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen gungsband - 3. Dortmunder Bauforum. Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Rainer Hohmann, Dortmund 2019. [19] Arno Forsbach: „Der Gelbdruck“, Vortrag im Rahmen des Vedag-Planerseminars, Dortmund 2016 [20] Deutsches Institut für Normung: VOB, Ausgabe 2019, Hrsg.: Beuth Verlag, Berlin 2019 [21] Bürgerliches Gesetzbuch, Ausgabe 2019, Hrsg.: Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2019 [22] Michael Raupach: „Zur chloridinduzierten Makroelementkorrosion von Stahl in Beton“, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 433, Hrsg.: Beuth Verlag, Berlin 1992 [23] Romain Weydert: „Randbedingungen bei Instandsetzung nach dem Schutzprinzip W bei Bewehrungskorrosion im karbonatisierten Beton“, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 552, Hrsg.: Beuth Verlag, Berlin 2005 [24] Gesa Kapteina: „Modell zur Beschreibung des Eindringens von Chlorid in Beton von Verkehrsbauten“, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 607, Hrsg.: Beuth Verlag, Berlin 2013 [25] Deutscher Beton- und Bautechnikverein E.V.: „Ist-Zustandserfassung von Parkbauten in Betonbauweise“. Deutscher Beton- und Bautechnikverein E.V., Heft 39, Berlin 2018. [26] Prof. Dipl.-Ing. Claus Flohrer: Diskussionsrunde, Dortmund Oktober 2019 [27] Dipl.-Ing. Stefan Göppel: Diskussionsrunde, Dortmund Oktober 2019 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Nutzungseinschränkender Bauteilzustand, Foto: Caspar Köchling GmbH 1 Abbildung 2: Die Säulen der anerkannten Regeln der Technik für den Bereich der Parkhausinstandsetzung. Grafik: Caspar Köchling GmbH 3 Abbildung 3: Korrosionsgrößen von CEM-III-31 nach Beschichtungsapplikation, Quelle: S.Keßler, F.Hiemer, C. Gehlen: „Einfluss einer Betonbeschichtung auf die Mechanismen der Bewehrungskorrosion in gerissenem Stahlbeton“, In: Beton und Stahlbau 112, Heft 4. Hrsg.: Ernst u. Sohn Verlag, 2017. 5 Abbildung 4: Umverteilung der Restchloride in einem Beton mit geringem Chloriddiffusionswiderstand, Quelle: A.Rahimi: „Semiprobabilistisches Nachweiskonzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauteilen unter Chlorideinwirkung“. In: Heft 626, Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin 2017 6 Abbildung 5: Instandsetzung einer Tiefgaragenrampe nach dem Prinzip W-Cl in Dortmund, Juli 2010, Foto: Caspar Köchling GmbH 6 Abbildung 6: Möglicher Ist-Zustandsverlauf der Nutzungsdauer nach Instandsetzung bei Wiederherstellung der planmäßigen Nutzungsdauer, Grafik: Caspar Köchling GmbH 9 Abbildung 7: Möglicher Ist-Zustandsverlauf der Nutzungsdauer nach Instandsetzung bei Verbesserung der planmäßigen Nutzungsdauer, Grafik: Caspar Köchling GmbH 9 Abbildung 8: Schematische Darstellung der Korrosion von Betonstahl, links und durch chloridinduzierte Korrosion geschädigter Stahl, rechts, Quelle: Prof. Dr. Ing. Ch. Dauberschmidt: „Chloridbelasteter Beton - immer ein Entsorgungsfall? “, Regionaltagung des Deutschen Beton- und Bautechnikvereins, München 2010. 11 Abbildung 9: Elektrolytwiderstände und Korrosionsstrom, unbeschichteter Versuchskörper mit karbonatisierter Randschicht (CEM III A), Wasserbeaufschlagung mit zwischenzeitlicher Trockenlagerung. Quelle: Romain Weydert: „Randbedingungen bei Instandsetzung nach dem Schutzprinzip W bei Bewehrungskorrosion im karbonatisierten Beton“, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 552, Hrsg.: Beuth Verlag, Berlin 2005 12 Abbildung 10: Beispiel einer mehrfeldrigen Decke mit möglichen Reduktionen des Stützmomentes durch Abschnittsbemessung und Umlagerung, Quelle: Dr. Ing. Krause/ Prof. Dr.-Ing.Horstmann: „Statische Aspekte beim Neubau und bei der Instandsetzung von Tiefgaragen“. In: Tagungsband - 3. Dortmunder Bauforum. Hrsg.: Prof. Dr.- Ing. Rainer Hohmann, Dortmund 2019. 13 Abbildung 11: Kosten- Nutzen- Kurve zur Bestimmung der wirtschaftlichen optimalen Zuverlässigkeit, Quelle: Dr.-Ing. Christoph Gehlen: „Probabilistische Lebensdauerbemessung von Stahlbetonbauwerken, Zuverlässigkeitsbetrachtungen zur wirksamen Vermeidung von Bewehrungskorrosion“. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin 2000. 16 Abbildung 12: Planausschnitt Fallbeispiel, Flachdecke, mehrachsiger Lastabtrag 17 Abbildung 13: Vergleich von Instandsetzungsprinzipien zum Fallbeispiel, Grafik: Caspar Köchling GmbH 17 1.6 Köchling.indd 86 14.01.20 17: 17 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 87 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen Anlage: Berechnung zum Fallbeispiel 1.6 Köchling.indd 87 14.01.20 17: 17 88 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen 1.6 Köchling.indd 88 14.01.20 17: 17 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 89 Die Instandsetzung von Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und aktueller Regelwerksdiskussion - Risiken und Chancen 1.6 Köchling.indd 89 14.01.20 17: 17 1.6 Köchling.indd 90 14.01.20 17: 17 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 91 Ganzheitliche Instandhaltungsplanung für Parkhäuser/ Tiefgaragen Bernd Blohm Albers-Parken Consulting, Bünde Zusammenfassung Die einschlägigen Regelwerke, Hinweise und Leitlinien für Bau und Instandsetzung von Parkhäusern/ Tiefgaragen fordern seit langem einen Instandhaltungsplan für die statisch relevanten Bauteile. Der Instandhaltungsplan soll einerseits dafür sorgen, dass Schädigungen aus dem alltäglichen Betrieb, Abnutzung/ Verschleiß erkannt und im Anfangsstadium instandgesetzt werden. Damit reduzieren sich Folgeschäden und mithin hohe Instandsetzungskosten. Wenn ein Instandhaltungsplan für die statisch relevanten Bauteile erstellt wird, bietet es sich an die daneben laufenden, notwendigen Maßnahmen bezüglich der technischen Gebäudeausstattung zu integrieren. Damit erhält der Bauherr nach jeder Inspektion eine komplette Dokumentation über seine Anlage, sowie eine Auflistung der daraus resultierenden notwendigen Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen. Zudem ist eine verlässliche Budgetplanung über den Nutzungszeitraum möglich. 1. Einführung Schon in den Beispielen für die Zuordnung von Expo-sitionsklassen für Betonbauteile wird bei der Exposition “Bewehrungskorrosion durch Chloride, ausgenommen Meeerwasser” auf die Notwendigkeit eines Instandhaltungsplans im Sinne der Richtlinie des DAfStb hingewiesen [1] Auch das DBV Merkblatt “Parkhäuser und Tiefgaragen” widmet dem Thema Instandhaltung große Aufmerksamkeit [2]. Hier wird neben dem Instandhaltungsplan für die Betonbauteile auch die Wartung und Instandhaltung der technischen Gebäudeausstattung gefordert. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, ganzheitliche Instandhaltungskonzepte für Parkhäuser zu entwickeln. Der Mehrwert für den Bauherrn besteht neben einer übersichtlichen Zusammenfassung aller notwendigen Maßnahmen und Beteiligten auch in einer umfänglichen Gesamtbudgetplanung für den Nutzungszeitraum. 2. Einordnung der Begriffe In der Praxis werden häufig die Begriffe nicht richtig interpretiert. Daher ist es wichtig, die Begrifflichkeiten in einem Instandhaltungsprozess zu klären. Hierbei hilft die DIN EN 13 306 [3]. Im Bereich der Bauwerksinstandhaltung unterscheiden wir zwischen Inspektion, Wartung, Instandsetzung und Verbesserung. Alle diese Punkte sind Bestandteile der Instandhaltung, die letztendlich die Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit über den Lebenszyklus eines Gebäudes sicherstellen soll. Während die Inspektion lediglich eine Bestandsaufnahme des IST-Zustandes durch einen Sachkundigen darstellt, bezeichnen wir die daraus resultierenden Maßnahmen am Baukörper als Instandsetzung. Hierbei werden Schäden aus Abnutzung, Beschädigungen und Verwitterung beseitigt. Die Wartung umfasst lediglich Einbauteile, wie Leuchtmittel, Fahrstühle, Schranken, Türen etc. Bild 1: Ordnung der Begriffe Aufgrund der bei einer Inspektion festgestellten Gegebenheiten können dann auch Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet werden, die der Gebrauchstauglichkeit und der Dauerhaftigkeit zugutekommen. buch2.indb 91 13.01.20 15: 39 92 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Ganzheitliche Instandhaltungsplanung für Parkhäuser/ Tiefgaragen 3. Das Projekt Die Stadt Lehrte betrieb seit Anfang der 1980er Jahre ein Parkhaus aus Ortbetonbauweise. In der Zeit der Nutzung wurde das Objekt nur rudimentär instandgehalten. Chloridinduzierte Korrosion des Bewehrungsstahls in Decken und Rampen führte im Jahre 2014 dazu, dass eine fachgerechte Instandsetzung der Anlage die Kosten eines Neubaus bei weitem überstiegen hätte. So wurde ein Neubau mit 9.240m² Nutzfläche auf 6 Ebenen und 345 Stellplätzen ebenfalls in Ortbeton geplant, da das Grundstück aufgrund seiner trapezförmigen Geometrie keinen adäquaten Systembau zugelassen hätte. Der Auftraggeber forderte aufgrund seiner negativen Erfahrungen eine dauerhafte Lösung ohne unübersichtliche, finanzielle Spätfolgen. Um dem Bauherrn Sicherheit und Kontrolle über sein Projekt zu geben wurde ein Instandhaltungskonzept für das gesamte Bauwerk entwickelt. 4. Das Instandhaltungskonzept Um die Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit über den gesamten Nutzungszeitraum sicherzustellen muss das Konzept neben den regelmäßigen Inspektionen des Baukörpers durch einen Sachkundigen auch alle Wartungs- und Reinigungspläne anderer Gewerke übersichtlich zusammenfassen und darüber hinaus dem Bauherrn eine umfassende Budgetplanung ermöglichen. Unerlässlich hierfür ist eine saubere Dokumentation, angefangen bei einer detaillierten Baubeschreibung über Listen der beteiligten Personen und Firmen zu Informationen über Wartungs- und Reinigungspläne. Der Ansatz des Instandhaltungskonzeptes besteht darin, im Hinblick auf das Zustand-Zeit-Diagramm [4] durch Erkennen von Schäden im Anfangsstadium und kleine kostengünstige Instandsetzungsmaßnahmen den Zustand des Bauwerks dauerhaft im oberen Viertel zu halten. Bild 2: AP-Zustand-Zeit-Diagramm 4.1 Dauerhaftigkeit Hier gilt es, durch die Inspektionsbegehungen die „Gegner der Dauerhaftigkeit“ aufzuspüren und diese im Nachgang durch angeordnete Instandsetzungen unschädlich zu machen. Hierbei handelt es sich i.d.R. um vielfältige Arten von Schadstellen. Angefangen im Baukörper durch Risse / Abplatzungen bis hin zu Verletzungen der Oberflächenschutzsysteme durch Beschädigung oder üblichen Verschleiß. Alle Schadstellen müssen dokumentiert und verortet werden. So sind Veränderungen schnell erkennbar und der Zeitpunkt der Instandsetzung kann bestimmt werden. 4.2 Gebrauchstauglichkeit Auch hier fördert eine aufmerksame Inspektion verschiedene Punkte zu Tage, die wir als „Gegner der Gebrauchstauglichkeit“ bezeichnen. Das geht von verstopften Rinnen, verschmutzen Oberflächen über Undichtigkeiten bis hin zu fehlenden Fluchtwegmarkierungen oder defekten Lichtanlagen. 4.3 Kostensicherheit Da letztlich alle notwendigen Inspektionen, Wartungsverträge, Mengen und Flächen von zu unterhaltenden Bauteilen bekannt sind, besteht die Möglichkeit mit hinterlegten Kosten einen Budgetplan zu erstellen. Die anfallenden Kosten werden über die Laufzeit zu den voraussichtlichen Fälligkeiten aufgelistet und können so die Kostenindikation für die komplette Unterhaltung und Instandsetzung aufzeigen. Dabei sind in einer Matrix die Zeitpunkte der anfallenden Kosten sichtbar. Hier können im Nutzungszyklus zu erwartenden Erneuerungen z.B. von Oberflächenschutzsystemen oder auch der planmäßige Austausch von Beleuchtung etc. eingepreist werden. Da die Kostenindikation von aktuell bekannten Werten ausgeht, wird sie naturgemäß ungenauer je länger der Vorhersagezeitraum gewählt ist. Dies lässt sich durch jährliche Aktualisierung kompensieren. 4.4 benötigte Angaben / Gebäudepass Um das Instandhaltungskonzept zu erstellen sind sämtliche Unterlagen und Objektdaten über Bauart, eingesetzte Systeme und Produkte, Baubeteiligte notwendig. Dazu gehört ein zum Zeitpunkt der Erstellung des Konzeptes aktueller IST-Zustand. Hier muss z.B. bei Bestandsobjekten eine Inspektion und Bauwerksuntersuchung erfolgen. Der Mindest-Soll-Zustand ist zu klären. Hierbei geht es neben dem technisch, bauphysikalischem Mindest-Soll-Zustand auch um den Anspruch des Bauherrn an sein Objekt. Der Bauherr muss sein Nutzungsziel beschreiben, damit der Instandhaltungsplan die gestellten Erwartungen erfüllen kann. buch2.indb 92 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 93 Ganzheitliche Instandhaltungsplanung für Parkhäuser/ Tiefgaragen Alle Erkenntnisse aus den vorgenannten Punkten münden in einem Gebäudepass in dem sämtliche Beschreibungen, Listen und Dokumentationen zusammengeführt werden. 4.5 Instandhaltungsplanung Mit den Angaben und Erkenntnissen aus dem Gebäudepass entsteht die Instandhaltungsplanung. Hier werden nun Ablaufpläne für Inspektionen, Wartungen und Reinigungen erstellt. Dabei wird jedes Gewerk betrachtet und Parameter für Zeitpunkt, Zuständigkeit und Umfang der Maßnahmen festgelegt. In der Prüfliste werden alle Prüfungen, Prüffristen und Zuständigkeiten aufgeführt. Die Instandsetzungspläne für einzelne Bauteile geben Aufschluss über Art um Umfang der Maßnahmen. Im Budgetplan werden alle Einzelgewerke kostentechnisch dargestellt und ausgewertet. 4.6 Dokumentation Nach jedem Inspektions- oder Wartungsdurchgang werden allen durchgeführten und beobachteten Punkte dokumentiert. Die Instandhaltungsplanung wird wiederum angepasst und aktualisiert. Es entsteht ein kontinuierlicher Prozess, der aktuelle Instandsetzungsvorgaben und Kostenstrukturen hervorbringt. 5. Umsetzung in der Praxis Der Erfolg eines Instandhaltungsplans im beschriebenen Umfang steht und fällt mit der Unterstützung des Bauherrn. Die ausgearbeiteten Kosten- und Maßnahmenpläne werden vorgelegt. Die Beauftragung der einzelnen Prüfungen, Wartungen oder Inspektionen obliegt natürlich weiterhin dem Bauherrn. Wichtig ist dabei, dass die nötigen Aufträge mit Priorität vergeben werden. Dazu bedarf es der Identifizierung mit dem Objekt und der Erkenntnis, das Vorsorge und angemessene Unterhaltung die Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit über den Nutzungszeitraum positiv beeinflussen. Im Bereich der Parkhäuser/ Tiefgaragen stehen solche Prozesse allerdings noch am Anfang. 6. Wirtschaftlichkeit Zur Beantwortung der Frage der Wirtschaftlichkeit muss man sich detailliert mit der ausgeworfenen Kostenstruktur auseinandersetzen. Oftmals werden dabei die für den Nutzungszyklus ausgeworfenen, kumulierten Kosten als Kosten des Instandhaltungskonzeptes gesehen. Dabei wird gern vergessen, dass der überwiegende Teil der Kosten sowieso im Laufe der Nutzung anfällt. Vorgeschriebene Wartungen technischer Anlagen etc. fallen auch ohne ein Instandhaltungskonzept an. Sie werden jedoch möglicherweise nicht sauber in einer Budgetplanung erfasst. Entscheidend für die Erfassung der Wirtschaftlichkeit ist die Gegenüberstellung der Kosten für das Instandhaltungskonzept zusammen mit z.B. geplanter Erneuerungen von Oberflächenschutzsystemen sowie Rissbehandlungen gegen eine umfassende Instandsetzung von kontaminierten und nicht mehr standsicheren Bereichen nach entsprechenden Zeiträumen ohne Bearbeitung. Die Erfahrungen zeigen für komplette Instandsetzungen von Garagen mit standsicherheitsgefährdeten Bereichen Kosten in Größenordnungen von 500 - 3.000 € auf den Quadratmeter. Das bedeutet ca. 14T€ bis 84T€ je Stellplatz. Für das hier vorgestellte Objekt belaufen sich die prognostizierten Kosten des Instandhaltungsplans incl. aller Inspektionen und einer kompletten Auswechselung des Oberflächenschutzsystems im gesamten Nutzungszyklus auf ca. 48€ je m² oder ca. 1.290€ je Stellplatz. Natürlich sind die dargestellten zahlen eine Momentaufnahme des speziellen Projektes. Grundsätzlich kann sich abhängig von der Größe und Zustand eines Objektes die Zahlenwelt etwas verändern. Die Wirtschaftlichkeit eines Instandhaltungskonzeptes steht allerdings außer Frage. 7. Fazit Ein Instandhaltungskonzept muss grundsätzlich explizit auf ein Projekt zugeschnitten werden. Es muss die Wünsche und Erwartungen des Bauherrn aufnehmen und daraus die notwendigen Maßnahmen ableiten. Ein ganzheitlicher Ansatz bietet dem Bauherrn neben der Sicherstellung der Dauerhaftigkeit auch eine Möglichkeit, die durchgehende Gebrauchstauglichkeit für die vorgesehene Nutzungsdauer zu erreichen. Zudem werden die Kostenstrukturen transparent und es lassen sich belastbare Budgetpläne erstellen. Über den Nutzungszyklus gesehen wird ein Instandhaltungskonzept die Kosten deutlich reduzieren können. Quellennachweis [1] DIN 1045-2: Beton - Festlegungen, Eigenschaften Herstellung u. Konformität und DIN EN 1992-1-1 Eurocode 2 [2] Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V. Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ Fassung Januar 2018 [3] DIN EN 13 306 Instandhaltung - Begriffe der Instandhaltung [4] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Gelbdruck „Instandhaltungsrichtlinie“ Teil 1, Pkt. 4 Instandhaltung; Zustands-Zeit-Diagramm buch2.indb 93 13.01.20 15: 39 buch2.indb 94 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 95 Korrosionsschutz für das City Parking, Zürich Daniel Oberhänsli suicorr AG; Dietikon, Schweiz Zusammenfassung Das 2004 fertig gestellte Parkhaus „City Parking“ befindet sich im Herzen der Stadt Zürich und ist in unmittelbarer Nähe zur Zürcher Altstadt (Fussgängerzone). Bei der Erstellung des Parkhauses applizierte der beauftragte Totalunternehmer ein rissüberbrückendes Oberflächenschutzsystem OS11b. Bereits nach wenigen Jahren zeigten sich viele Risse im Parkdecksystem. Eine Zustandsuntersuchung im Jahr 2014 wies auf einen hohen Chlorideintrag im Rissbereich hin. Jedoch war die Chloridaufkonzentration nur bei Einzelstellen derart hoch, dass es bei diesen zu Korrosionserscheinungen gekommen war. Nach einer intensiven Phase des Variantenstudiums entschied sich der Bauherr für einen nachträglich eingebauten meist präventiven kathodischen Schutz. Dieser wird seit Sommer 2018 eingebaut. 1. Einleitung Seit einigen Jahren wird im deutschsprachigen Raum der kathodische Korrosionsschutz (KKS) für die Instandsetzung von chloridbelasteten Bauwerken eingesetzt. Obwohl dieser bei den ältesten Referenzobjekten seit 1988 erfolgreich eine weitere Korrosion (ohne Entfernung der vorhandenen Chloride verhindert, entstand die breite Akzeptanz dieses alternativen Instandsetzungsverfahrens erst in den letzten Jahren. Abb. 1: Seit 1988 KKS-geschützter Brückenpfeiler der Kantonsstrasse über die SBB-Gotthardlinie bei Rodi-Fiesso (Kanton Tessin) (Quelle: suicorr AG) Neben der Instandsetzung ist auch der präventive Korrosionsschutz (kathodischer Schutz) in den aktuellen Normen, insbesondere in der ISO 12696: 2017, geregelt. Jedoch wird der kathodische Schutz (welcher auch kathodische Vorbeugung/ Prävention genannt wird) nur selten angewandt. Das nachstehend präsentierte Projekt ist zumindest für die Schweiz einzigartig. Obwohl bei diesem Projekt visuell bzw. messtechnisch nur sehr vereinzelt konkrete Schäden erkennbar sind hat sich der Bauherr für eine vorbeugende „Instandsetzung“ entschieden. Durch den nachträglichen Einbau eines kathodischen Schutzes soll die Bewehrung vor den bereits in den Beton eingedrungenen Chloriden bewahrt werden. 2. Objekt 2.1 Das Providurium 1972 wurde in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof Zürich über der Sihl ein provisorisches Parkdeck „Gessnerallee“ in Betrieb genommen. Die Aktionäre der dafür gegründeten City Parkhaus AG sind lokale Ladengeschäfte der nahgelegenen Altstadt als auch die Stadt Zürich. Abb. 2: Das Parkdeck „Gessnerallee“ (1972-2004) (Quelle: http: / / www.hydrologischeratlas.ch) buch2.indb 95 13.01.20 15: 39 96 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Korrosionsschutz für das City Parking, Zürich Die ursprünglich erteilte Konzession von fünf Jahren wurde x-fach erneuert und aus der provisorischen Baute wurde eine längerfristig genutzte Parkmöglichkeit. Bis ins Jahr 2004 wurde die im Volksmund „Providurium“ genannte Infrastruktur als öffentlicher Parkplatz genutzt. 2.2 Das Parkhaus ab 2004 Auf politischen Druck hin wurde ein neues Parkhaus geplant beziehungsweise anschliessend realisiert. Nur ein paar wenige Meter vom „Providurium“ entfernt wurde ein neues Parkhaus mit total 620 Parkplätzen erstellt. Das neue Parkhaus erstellte ein Totalunternehmer für total ca. 47 Mio CHF. Abb. 3: Querschnitt durch das Parkhaus City Parking (Quelle: City Parkhaus AG) Das in deckelbauweise erstellt Parkhaus verfügt über vier Untergeschosse an jeweils 3.315 m² Oberfläche. Als grosse Herausforderung während der Bauphase zeigte sich der sehr hohe Grundwasserspiegel. Bereits während der Erstellung des Objekts wurde die befahrenen Oberflächen mit einem Oberflächenschutzsystem (OS) ausgerüstet. Zur Anwendung kam ein OS11b. Abb. 4: Aushubarbeiten in Deckelbauweise (Quelle: City Parkhaus AG) 2.3 Zustandsanalyse Eine im Jahr 2014 durchgeführte Zustandsuntersuchung zeigte auf, dass sich im Oberflächenschutzsystem der Zwischendecken ca. 1.300 Meter Risse befinden. Es ist festzuhalten, dass die Risse insbesondere in den Stützenachsen aufgetreten sind und bis zu 0.8 mm breit sind. Eine Überprüfung der Rissbreitenänderung ergab zudem, dass die Risse eine Breitenänderung zwischen Sommer und Winter von bis zu 0.6 mm erfahren. Abb. 5: Auszug des Rissplans (Quelle: Bericht der Tecnotest AG) Erwartungsgemäss musste ein starker Chlorideintrag im Bereich der Risse festgehalten werden. Bei sämtlichen Zwischendecken war der übliche Richtwert von 0.4 Zementmasseprozent Chlorid bis in einer Tiefe von 40 bis 50 mm überschritten. Die Bewehrung hat eine Betonüberdeckung im Mittel von ca. 50 bis 55 mm. Die Folge davon war, dass, obwohl visuell ausser den Rissen nichts zu erkennen war, die Bewehrung an Einzelstellen einen Querschnittverlust von bis zu 10% erlitten hatte. Abb. 6: Querschnittsverminderung im Rissbereich (Quelle: Bericht der Tecnotest AG) 2.4 Instandsetzungsvarianten Nach Abschluss der Zustandsuntersuchungsarbeiten überprüfte die Baukommission des Bauherrn die verschiedenen Instandsetzungsmöglichkeiten bzw. der buch2.indb 96 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 97 Korrosionsschutz für das City Parking, Zürich grundsätzliche Zeitpunkt der allfälligen Massnahmen. Dabei standen folgende Kriterien im Zentrum: - Dauerhaftigkeit der Massnahme - Restnutzungszeit des Parkhauses - Realisierungszeit der Massnahme - Nutzungseinschränkungen - Instandsetzungskosten Als konventionelle Instandsetzungslösung wurde eine Öffnung und Ausinjektion der Risse mit anschliessender Ergänzung des OS diskutiert. Bei dieser Lösung wären die Chloride in der Konstruktion verblieben. Der Bauherr liess sich von diesem Lösungansatz nicht überzeugen und interessierte sich für den kathodischen Schutz, welcher lokal teilweise als kathodischer Korrosionsschutz wirken soll. 3. KKS-Projekt 3.1 Musterfläche Um die Wirksamkeit als auch den Einbau des kathdischen Schutzes zeigen zu können wurde eine Musterfläche im ersten Untergeschoss angelegt. Auf ca. 27.5 m² Bodenfläche wurde der kathodische Korrosionsschutz eingebaut und mit einem Monitoringsystem ausgerüstet. Da der Bauherr die Aufgabenstellung so ausformulierte, dass auch die untere Bewehrungslage vor Korrosion präventiv geschützt werden soll, wurden Messsensoren auf den entsprechenden Bewehrungslagen angeordnet und anschliessend ausgewertet. Abb. 7: Musterfläche vor den Verlegearbeiten der Anode. (Quelle: Bericht der Tecnotest AG) Bereits nach kurzer Einwirkungsphase des kathodischen Schutzes konnten sämtliche Bewehrungslagen der Zwischendecke ausreichend vor Korrosion geschützt werden. 3.2 Hauptprojekt Nach dem erfolgreichen Abschluss der Bemusterung entschied sich der Bauherr, vollflächig alle Zwischendecken mit einem kathodischen Schutz auszurüsten. Die zwischenzeitlich diskutierte Lösung, nur in den Stützenbereichen den präventiven Schutz einzubauen, wurde aufgrund von Restnutzungsdauerüberlegungen verworfen. Seit 2018 wird jährlich ein Geschoss vollflächig mit einem kathodischen Korrosionsschutz versehen. Ein Geschoss umfasst 3320 m2. In jeweils nur sieben Wochen konnten bisher alle Arbeiten pro Geschoss abgeschlossen und dem Betrieb wieder übergeben werden. Für die Ausführung unterteilten wir ein Geschoss in drei Abschnitte und führten eine Linienbaustelle ein. Als erster Arbeitsschritt wurden im Abstand von 23cm 20mm tiefe Schlitze in die Oberfläche erstellt. Die Schlitze wurden in der zweiten Bauphase mit dem Titanband (Anode) ausgerüstet und mit einem vergussfähigen KKS-tauglichen Mörtel aufgefüllt. Zusätzlich bauten die Mitarbeiter der suicorr die benötigten Überwachungssensoren ein und verdrahteten das gesamte System. In der dritten Phase wurde die Oberfläche komplett kugelgestrahlt und das bestehende Oberflächensystem überarbeitet. Abb. 8: Erstellen der Schlitze und Entstaubungsvorrichtungen (Quelle: suicorr AG) Abb. 9: fertiggestellt Geschossebene (Quelle: suicorr AG) Mit dem Entscheid den kathodischen Korrosionsschutz einzusetzen hat der weitsichtige Bauherr künftige Instandsetzungskosten als auch Speerzeiten massiv reduziert, obwohl zum heutigen Zeitpunkt noch keine Schäden visuell offensichtlich sind! 4. Danksagung Für die bisher äusserst angenehme und gute Zusammenarbeit bedanken wir uns bei: - City Parkhaus AG, Zürich (Bauherr) - Hochschule Rapperswil (Bauherrenberater) - Tecnotest AG, Rüschlikon (Untersuchungslabor) buch2.indb 97 13.01.20 15: 39 buch2.indb 98 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 99 Bauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking Prof. Richard Heierli City Parkhaus AG, Zürich Zusammenfassung In einer vierstöckigen Tiefgarage der Zürcher Innenstadt werden die befahrbaren Flächen der drei oberen Geschosse mit dem kathodischen Korrosionsschutz (nachfolgend „KKS“) versehen, obwohl die Stahlbetonkonstruktion keine nennenswerten Schäden aufweist. Damit soll für die Zukunft chloridinduzierte Korrosion vermieden werden. Es werden die Hintergründe und Erfahrungen dieses Vorgehens dargelegt. Die Parkebenen werden mit Titananodenbändern versehen, welche in eingefräste Schlitze an der Oberfläche verlegt werden. Bei den Rampen werden Stabanoden von der Untersicht her eingebracht. Die Arbeiten wurden einem Totalunternehmer vergeben, wie auch der ursprüngliche Bau. Es wird auch über Baumängel und Unvorhergesehenes berichtet. Das City Parking wird aber in technischer, wirtschaftlicher und ästhetischer Hinsicht ausserordentlich positiv beurteilt. 1. Kathodischer Korrosionsschutz 1.1 Wie kam es zum Entscheid für den KKS? Nach fünfzehnjähriger Betriebszeit schützen wir die Parkebenen und Rampen des City Parkings in Zürich kathodisch, obwohl der Stahlbeton keine sichtbaren Schäden aufweist. Warum? Zehn Jahre nach Betriebsaufnahme wurde der Zustand untersucht. Das Bauwerk schien intakt, für die Zukunft wurden aber Risiken diagnostiziert. Sie können mit dem kathodischen Korrosionsschutz auf ein vernach-lässigbares Mass beschränkt werden. Das ist zwar teuer, macht aber Reparaturen und Betriebs-einschränkungen in den nächsten Jahrzehnten äusserst unwahrscheinlich und ist deshalb wirtschaftlich. Hätte man den KKS schon beim Bau vorgesehen, so wäre viel Geld gespart worden. Ende der Neunzigerjahre haben wir bei der Pro-jektierung als Schutz der Parkebenen vor chloridindu-zierter Bewehrungskorrosion eine rissüberbrückende Parkdeckbeschichtung gewählt, etwa des Typs OS 11b. Nach meiner Erinnerung war der KKS damals in der Schweiz nur bei Gleichstrombahnen und Gasleitungen aktuell. Erste Versuche mit dem KKS bei Chlorid-einwirkung gab es an der Gotthardroute an einem Bauteil einer Brücke und an einem Portal des Strassen-tunnels. Bei Parkbauten war der KKS noch nie ange-wendet worden. Auch ich selbst kannte den KKS als Massnahme gegen chloridinduzierte Bewehrungs-korrosion nicht, trotz meiner vielen Erfahrungen bei Brückensanierungen, die ich während Jahren ge-sammelt hatte als Stadtingenieur, also als Chef des Tiefbauamtes der Stadt Zürich. 1997 bin ich altershalber in den Ruhestand getreten, aber bis heute Vorsitzender der Baukommission der City Parkhaus AG geblieben. Diese Baukommission ist gemeint, wenn ich „wir“ sage. Ihr sind vom Ver-waltungsrat weitgehende technische und finanzielle Befugnisse übertragen worden. Sie ist ein Dreier-gremium, bestehend aus dem Vertreter der Stadt im Verwaltungsrat, also meinem Nachfolger im Amt, dem Geschäftsführer der Gesellschaft und mir selbst. Als Experten ziehen wir seit einigen Jahren den Leiter der Fachstelle für Bauwerkserhaltung an der Fachhoch-schule Rapperswil bei. Das Parking wurde 2002 bis 2004 erstellt. Es hat sich ausserordentlich gut bewährt, was ich in meiner Schlussbemerkung noch kurz kommentieren werde. Es gibt nur kleine Einschränkungen, die später noch zu diskutieren sind. Jedenfalls präsentieren sich die befahrenen Flächen bisher einwandfrei, es sind kaum Gebrauchsspuren zu sehen. An der Untersicht der Decken kann man zwar bei genauem Hinsehen gewisse Fehlstellen im Beton erkennen. Sie waren aber in keinem Falle wasserführend. Der Kunststoffbelag schien also seine Funktion vollständig zu erfüllen. Allerdings stellte man bereits vor ein paar Jahren im Stützenbereich an der Oberfläche der Kunststoff-deckschicht feine Risse fest. Eine nach 10 Betriebsjahren durchgeführte Zustands-untersuchung ergab zunächst kaum relevante Bau-werksschäden, liess aber Fragen offen. Vertiefte Abklärungen mit verschiedenen Methoden zeigten, dass die rissüberbrückende Parkdeckbeschichtung ihre Funktion weit überwiegend, aber eben nicht hundertprozentig erfüllt hat. Bohrproben ergaben an gewissen Orten nicht unbeträchtliche Chloridkon-zentrationen. An Stellen, die als besonders kritisch beurteilt wurden, hat man deshalb die Bewehrung freigelegt. In einem einzigen Falle war buch2.indb 99 13.01.20 15: 39 100 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Bauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking Korrosion bereits eingetreten, der Querschnittsverlust belief sich auf etwa einen Zehntel, in einem andern Fall war der Stahl ganz leicht angerostet. Beide Fälle waren statisch ohne Bedeutung. Es war somit nicht dringlich, Massnahmen zu ergreifen. Zunächst haben wir uns auf das konventionelle Verfahren zur Sanierung der Risse konzentriert. Aber welche Risse waren zu sanieren? Wir haben keine Methode gefunden, mit der zweifelsfrei festgestellt werden konnte, wo Undichtigkeiten bestanden, und wo solche in Zukunft zu erwarten wären. Und kein Unter-nehmer garantiert unter den vorliegenden Umständen die langfristige Dichtigkeit eines dünnen rissüber-brückenden Kunststoffbelages. Ein moderner Brücken-belag mit Gussasphalt kam für uns nicht in Frage, dies aus Gründen der Ästhetik, des Lichtraumprofils, des Gewichts und der Reinigungsmöglichkeit. Im Jahre 2016 habe ich an einer TAE-Veranstaltung teilgenommen. Dort war der KKS für Stahlbetonbauten ein wichtiges Thema. Wir haben uns anschliessend ein-gehend damit befasst und uns überzeugt, dass der KKS in unserem Fall eine sinnvolle Investition für die Zu-kunft ist. Allerdings musste gegenüber den Schätzun-gen für die konventionelle Sanierung für den KKS ein vielfach höherer Betrag in Rechnung gestellt werden. Im Gegenzug erhalten wir einen durchgehenden Schutz, der auch dann funktioniert, wenn später aus irgendwelchen Gründen neue Risse auftreten sollten. 1.2 Wie wurde die Unternehmung gewählt und wie war die Ausführung? Die Firma Suicorr AG hatte inzwischen schon einige Bauten mit dem KKS versehen, darunter waren auch Parkbauten. Wir hatten also Referenzobjekte. Sie hat ferner auf einer unserer Parkebenen Probeflächen mit dem KKS ausgerüstet und uns dann ein interessantes Angebot unterbreitet. Wir haben sie aber auch als technisch kompetent beurteilt, und sie verfügt über versiertes Personal. Aus diesen Gründen erhielt sie den Zuschlag ohne weitere Ausschreibung. Die City Park-haus AG ist eine private Gesellschaft. Zwei der drei Parkebenen und die spiralförmigen Ein- und Ausfahrtsrampen sind nun bereits mit dem KKS versehen. Die Ergebnisse sind einwandfrei. Die Arbeit an den Parkebenen erfolgte während der Sommer-ferien, wo eines der vier Parkgeschosse ohne grössere Einbusse geschlossen werden konnte. Die dritte Park-ebene folgt im Sommer 2020. Auf eine Applikation im 4. Untergeschoss konnte verzichtet werden, da ein Eindringen von Chloriden in die Bodenplatte un-wahrscheinlich ist. In den drei übrigen Parkebenen wurde und wird für die Verlegung der Titananoden-bänder ohne Abschälen oder Abfräsen des Belages geschlitzt. Denn der Belag ist abgesehen von den er-wähnten feinen Rissen voll funktionsfähig. Es wäre schade gewesen, ihn zu entfernen, auch weil dadurch insgesamt etwa 50 m3 Sondermüll angefallen wären, deren Entsorgung beträchtliche Kosten verursacht hätte. Nach dem Einbau des KKS wird eine neue Deck-schicht aufgebracht. Der Belag ist damit wieder neuwertig, kann also nach unseren Erfahrungen min-destens weitere zwei Jahrzehnte lang den Dienst ver-sehen. Im Geschoss -1 wurde der KKS im Jahre 2018 einge-baut, es traten keine Schwierigkeiten auf. Hingegen wurde im Geschoss -2 im Jahre 2019 beim Fräsen der 2 cm tiefen Rinnen für die Aufnahme der Titanbänder an mehreren Stellen völlig unerwartet die Bewehrung angetroffen. Wir haben die Angelegenheit zusammen mit der Unternehmung sofort auf der Baustelle geprüft und festgestellt, dass aus statischer Sicht keine Bedenken bestehen, obwohl an mehreren Stellen Stahlstäbe angeritzt worden sind. Offensichtlich ist im Jahre 2003 die Bewehrung mangelhaft verlegt worden. Die Betondeckung hätte 4 cm betragen sollen. Wo dies auftrat, hat der Unternehmer breitere Schlitze gefräst und die Titanbänder horizontal verlegt. Wichtig war eine seriöse Isolation gegen die Bewehrung. Mit diesen Massnahmen konnte erreicht werden, dass auch im Geschoss -2 die Inbetriebsetzung des KKS klaglos gelang. Allerdings sind zusätzliche Kosten von einigen tausend Euro entstanden. Um im nächsten Sommer beim Geschoss -3 derartige Probleme zu vermeiden, werden wir demnächst mit Hilfe des Georadars die Höhenlage der Bewehrung messen, so dass der Unternehmer im Voraus Bereiche mit zu hoch liegender Bewehrung kennt und mit den geschilderten Massnahmen reagieren kann. Dies wird uns zusätzlich nochmals etwa 10‘000 EUR kosten. Bei den Parkebenen war der Einbau des KKS ohne Beeinträchtigung des Betriebs möglich. Bei den spiral-förmigen Ein- und Ausfahrtsrampen hätten aber Sperrungen hingenommen werden müssen, wenn man dieselbe Methode angewandt hätte. Das kam für uns nicht in Frage. Wenn man sich hingegen auf eine Sanierung der bestehenden Risse beschränkt, das sind etwa 150 m, können Betriebseinschränkungen vermie-den werden. Weil die Rissbildung nach 15 Jahren mit grosser Sicherheit abgeschlossen ist, konnte das ver-antwortet werden. Im Gegensatz zur vorbeugenden Anwendung des KKS bei den Parkebenen wurde bei den Rampen somit eine Reparatur vorgenommen und in Kauf genommen, dass die Konstruktion nicht durch-gehend mit dem KKS geschützt ist. Der Experte, der Unternehmer und auch wir sind einhellig der Meinung, dass damit eine vernünftige und ausreichend sichere Lösung gefunden wurde. Wir haben also durch die Unternehmung die Risse mit Stabanoden von der Untesicht her sanieren lassen. Der Unternehmer hat mit einer intelligenten Planung die Bohrungen sowie das Versetzen der Anoden und Drahtverbindungen so durchgeführt, dass keine Sperrungen nötig wurden. Ein unvorhergesehenes Ereignis hat allerdings kurz etwas Unruhe verursacht. Die Rampen sind teilweise nicht überdeckt und deshalb mit einer Wärmepumpen-heizung versehen. Beim Bohren von unten wurde im Einfahrtsbereich eine Leitung der Rampenheizung erwischt. Die beauftragte buch2.indb 100 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 101 Bauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking Unternehmung trifft keine Schuld, denn die Leitung ist in keinem Plan eingezeichnet. Wir haben deshalb die Zusatzkosten übernommen. Obwohl nicht sicher war, dass das Missgeschick nicht nochmals passiert, haben wir entschieden, mit der vorgesehenen Methode weiter zu arbeiten. Im fraglichen Bereich wurden aber nur 12 statt 17 cm lange Stabanoden versetzt, die Anzahl dafür erhöht. Denn die Rampenheizungsrohre sind natürlich möglichst oberflächennah angeordnet. Es durfte also erwartet werden, dass es sich beim geschilderten Missgeschick um einen Verlegefehler handelt. Das war tatsächlich der Fall. Auch dieses Missgeschick hat uns einige tausend Euro gekostet. Es wäre nur zu verhindern gewesen, wenn man genaue Pläne oder eine preiswerte Methode für die zentimetergenaue Ortung von im Beton verlegten Leitungen zur Verfügung gehabt hätte. Beides ist nicht der Fall. So ist der genannte Betrag ins Verhältnis zu setzen zu den Mehrkosten, welche eine andere Methode zur Folge gehabt hätte. Das hätte ein an der Untersicht aufgebrachtes Anodennetz sein können oder das Schlitzen von oben wie bei den Parkebenen. Beides hätte den Betrieb eingeschränkt und wäre damit viel teurer gewesen. Denn man darf nicht vergessen: ein Tag Betriebsausfall verursacht im Mittel Kosten von deutlich über 10‘000 EUR, an Samstagen das Doppelte. 1.3 Der KKS im Betrieb Die Parkebenen und die Rampen sind normkonform nach Abschluss der Arbeiten unter Strom gesetzt worden. In keinem Fall wurden Fehler festgestellt, und der Experte hat bestätigt, dass das Schutzziel schon nach kurzer Zeit erreicht worden ist. Ausser den drei Parkebenen und den Rampen werden keine Stahlbetonbauteile mit dem KKS geschützt. Im Geschoss -4 kann kein Chlorid eindringen, weil die massive Bodenplatte unter äusserem Wasserdruck steht, was später noch besprochen wird. Die Schlitz-wände und die übrigen Bauteile sind wenig proble-matisch. Einerseits haben wir beim Bau auf grosse Betonüberdeckung geachtet, anderseits wären konven-tionelle Reparaturen ohne wesentliche Betriebsein-schränkungen möglich, sollten in ferner Zukunft doch einmal Schäden auftreten. Zu den Kosten ist der übliche Vorbehalt anzubringen: man muss die örtlichen Gegebenheiten berück-sichtigen, wenn man Vergleiche anstellt. Das City Parking mit 620 Plätzen hat etwa 47 Mio. CHF gekostet, damals lag der Wechselkurs bei ungefähr 1,6 CHF pro EUR. Für den gesamten kathodischen Korrosionsschutz ist mit Kosten von etwa 5 bis 6% dieser ursprünglichen Baukosten zu rechnen, was vertretbar erscheint im Hinblick auf die verlängerte Gebrauchsdauer des Objektes. Heute würde man den KKS gerade beim Bau einrichten. Die Kosten würden sich dann auf einen Bruchteil des genannten Prozent-satzes verringern. Gesamthaft kann man feststellen: der KKS ist beim Zürcher City Parking bezüglich der Fläche haupt-sächlich präventiv eingesetzt worden, ich schätze zu deutlich mehr als drei Vierteln, nur beim Rest diente er der Behebung bereits vorhandener oder unmittelbar drohender Schäden. 2. Totalunternehmer 2.1 Der KKS-Totalunternehner Mit der Firma Suicorr AG wurde ein Totalunter-nehmervertrag abgeschlossen. Die Suicorr AG pro-jektiert, führt aus, beschafft soweit erforderlich Leistungen Dritter und überwacht die KKS-Anlage bis 2025. Damit ein solches Vorgehen erfolgreich ist, braucht es eine gute Vorbereitung. Der Bauherr muss genau beschreiben, was er will, die Abgrenzungen sauber definieren und einen Vertrag vorschlagen, der möglichst keinen Interpretationsspielraum offen lässt. Dem Unternehmer soll aber viel Freiheit belassen werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann man einen Pauschalpreis vereinbaren. Nach Vertrags-abschluss darf man aber nichts mehr ändern, weil sonst die Zusatzkosten hoch werden könnten. Nun sind bereits etwa drei Viertel der Arbeit getan. Für den KKS beim City Parking kann festgestellt werden: die Methode Totalunternehmer hat sich aus der Sicht der Bauherrschaft bewährt. Ob das auch für die Suicorr AG gilt, müsste ihr Chef selbst sagen. Wenn man mit einem Unternehmen vertragliche Bindungen eingeht, so darf man bekanntlich nicht nur, beinahe hätte ich gesagt „nicht vor allem“, auf die Endsumme des Angebotes schauen. Ein Blick hinter die Kulissen lohnt sich. Und da geht es vorwiegend um die Menschen. Ist der Chef vertrauenswürdig? Kennt er das Metier von Grund auf? Hat er Mitarbeiter, welche die Sache beherrschen und das Vorhaben auch dann durchziehen, wenn es Probleme gibt? Alle diese Fragen konnten bei der Suicorr AG vorbehaltlos mit Ja beantwortet werden. 2.2 Totalunternehmer bei der ursprünglichen Bauausführung Wir haben nicht nur für den KKS die Methode Totalunternehmer gewählt. Der Bau selbst ist seinerzeit ebenfalls einem Totalunternehmer übertragen worden, und es lohnt sich, über die Erfahrungen beim Bau und nach mehr als 15 Jahren Betrieb zu berichten. Natürlich war es damals bedeutend aufwändiger als beim KKS, das Bauwerk und die Randbedingungen zu definieren. Wir haben dafür viel Energie, Zeit und Geld investiert. Die Parkbaute war in schwierigem Baugrund, im Grundwasser, in unmittelbarer Nähe denkmalge-schützter Bauten, unter einer Hauptverkehrsachse und erst noch unter Verkehr zu erstellen. Das Haupt-problem war der Baugrund, der aus Gletscher- und Flussablagerungen besteht. Es kommen alle Korn-grössen von Blöcken bis zur Tonfraktion vor. Sondierungen wurden reichlich ausgeführt, und alle bekannten Baugrundaufschlüsse wurden dokumentiert. Besonders gründlich hat man die Grundwasserver-hältnisse buch2.indb 101 13.01.20 15: 39 102 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Bauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking untersucht. Unmittelbar vor Vertragsab-schluss konnte der Unternehmer nochmals weitere Aufschlüsse oder Informationen verlangen. Heute, nachdem alle Baumängel beseitigt oder mindestens bereinigt sind, kann festgestellt werden: auch beim Bau hat sich bei diesem Objekt das Totalunternehmerverfahren bewährt. Nur ein einziges Mal gab es während der Ausführung eine grössere Auf-regung. Im Untergrund wurden wie erwartet Blöcke angetroffen, von denen einige so gross und so hart waren, dass der Schlitzwandbagger mehrmals Schaden nahm. Das hat die oberste Leitung des internationalen Baukonzerns, der die Schweizer Firma übernommen hatte, zum Anlass genommen, mit der Baueinstellung zu drohen, sollte die Bauherrschaft nicht ein Einsehen haben, das heisst Geld nachzahlen. Aber der Vertrag war so eindeutig, dass die Drohung seitens der Bau-herrschaft mit einer - sagen wir mal - Alternativ-strategie - beantwortet werden konnte. Die Arbeit nahm dann ohne weiteres Aufheben ihren Fortgang. Zu reden gab am Anfang ferner ein örtlicher Chef, der die Zügel schleifen liess, was an diesem empfindlichen städtischen Ort eine ungeordnete Baustelle und damit Probleme mit dem Verkehr zur Folge gehabt hat. Auch hier haben die präzisen Vertragsbestimmungen ge-holfen, den Betreffenden rasch durch einen qualifi-zierten Ingenieur zu ersetzen. Und so konnte die Bau-stelle ordnungsgemäss abgewickelt werden. 3. Baumängel und Unvorhergesehes 3.1 Baumängel Abgesehen von Kleinigkeiten hat das City Parking drei Baumängel. Der erste ist die bereits eingehend geschilderte ungenügende Rissüberbrückung des Kunststoffbelages, der zweite die ungenügende Beton-deckung im Geschoss -2, der dritte wie erwähnt die Undichtigkeit der weissen Wanne. Der erstgenannte Mangel ist erst nach mehr als zehn Jahren festgestellt worden und konnte somit auch nicht mehr im Sinne eines verdeckten Mangels geltend gemacht werden. Wie damit umgegangen worden ist, wurde beim KKS dargelegt. Als im letzten Sommer anlässlich des KKS-Einbaus im Geschoss -2 die offensichtlich ungenügende Beton-deckung der Bewehrung festgestellt wurde, haben wir die Genauigkeit der Ausführung unter die Lupe genommen und entdeckt, dass nicht nur die Lage der Bewehrung, sondern auch diejenige der einbetonierten Stahlpilze um 9 bis 25 mm vom Sollwert abweicht. Das sind gravierende Mängel. Sie sind der Quali-tätskontrolle des damaligen Totalunternehmers entgan-gen, aber auch der Bauherrenvertreter hat sie nicht bemerkt. Gemäss einer ersten Prüfung sind keine Sofortmassnahmen nötig. Wir werden die Statik in-folge dieser Mängel genau prüfen lassen, insbesondere auch bezüglich des Durchstanzens. Die Schweizer Normen sind nämlich nach dem Bau des Parkings geändert worden. Dies und der erwähnte Fehler machen möglicherweise teure Verstärkungen nötig. Der dritte Baumangel hat zu Garantiearbeiten des Totalunternehmers während vieler Jahre geführt, und es ist trotzdem nicht gelungen, ihn vollständig zu beheben. Es geht um die Undichtigkeit der weissen Wanne. Das Parking ist gegen 300 m lang, die unteren Geschosse liegen mehrere bis viele Meter tief im Grundwasser. Der Unternehmer hat eine fugenlose weisse Wanne offeriert und vollständige Dichtheit garantiert. Das war bei Betriebsaufnahme im Sommer 2004 auch wirklich der Fall. Aber schon im folgenden Winter wurden im Belag Blasen beobachtet, aus denen plötzlich ganz feine, mehrere Dezimeter hohe Fontänen spritzten. Die Wassermengen waren vernachlässigbar klein, trotzdem konnte die Undichtigkeit nicht akzeptiert werden, weil das Wasser infolge der tiefen Temperaturen im untersten Geschoss sofort gefror. Der Unternehmer hat dann im Frühjahr die Risse in der Bodenplatte injiziert, Fugenbänder eingebaut und den Belag wieder hergestellt. Das Ganze wiederholte sich im folgenden Winter, wenn auch in geringerem Umfang. Nach meheren Jahren mit ähnlichen Er-scheinungen wurden die bereits vorhandenen Brand-schutztore motorisiert. Bei Kälte sind sie geschlossen und öffnen sich, wenn ein Fahrzeug naht. Damit ist die Eisgefahr beseitigt, gewisse geringe Undichtigkeiten traten aber im Winter weiterhin auf. Wir haben uns vor einiger Zeit mit dem Unternehmer auf einen Minder-wert geeinigt und werden in Zukunft selbst für die laufende Behebung des Missstandes sorgen, bis uns vielleicht einmal eine endgültige Lösung gelingt. 3.2 Unvorhergesehes Zum Unvorhergesehenen gehören in unserem Falle Hochwasser, Energiesparbemühungen und das Glas. Die Sihl ist ein wilder, dem Parking unmittelbar benachbarter Fluss mit einer mittleren Wassermenge von wenigen m3/ s. Sie kann aber bei Starkregen im Einzugsgebiet auf einige 100 m3/ s anschwellen. Dem Projekt wurde ein Hochwasserstand zugrunde gelegt, der den damaligen Auffassungen entsprach. Ein Jahr nach Inbetriebnahme ist nun eine Wassermenge abgeflossen, welche gegenüber den tiefst gelegenen Öffnungen des Parkings nur noch ein Freibord von etwa einem halben Meter offenliess. Da das Stark-regengebiet etwa 50 km weiter westlich in der Zentralschweiz lag, wo es enorme Schäden verur-sachte, hat man Modellrechnungen mit den dort effektiv aufgetretenen Niederschlägen angestellt. Sie ergaben weit höhere Werte als diejenigen, welche dem Projekt zugrunde gelegt worden waren. Da ein Voll-laufen der Parkbaute bei einem solchen - allerdings sehr seltenen - Ereignis grosse Schäden und einen monatelangen Betriebsunterbruch zur Folge haben würde, haben wir für etwa 150‘000 EUR Hochwasser-schutzmassnahmen eingerichtet. Es handelt sich um Verschlüsse für die erwähnten Öffnungen, Damm-balken im gefährdeten Ausbuch2.indb 102 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 103 Bauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking fahrts- und Zugangs-bereich, ein Notstromaggregat für die Wasserhaltung bei Stromausfall und schliesslich um regelmässige Übungen mit dem Betriebspersonal. Natürlich nutzen wir auch das vom Kanton Zürich eingerichtete Warn-system. Wir hoffen, dass diese Dinge in ein paar Jahren überflüssig sein werden, dann nämlich, wenn ein Ent-lastungsstollen in Betrieb sein wird, der einen Teil der extremen Sihlhochwässer in den Zürichsee ableitet. Es handelt sich dabei um ein übergeordnetes dringliches Hochwasserschutzprojekt. Die Schäden in der Stadt würden nämlich bei einem Extremhochwasser astro-nomisch sein. Eine zweite unvorhergesehene Angelegenheit war die Energiewende, bei der die Stadt Zürich mit ihrer rot-grünen Regierung eine Vorreiterrolle übernimmt. Wir haben alle möglichen Energieeinsparungen überprüft. Als kurzfristig umsetzbar erwies sich nur der Ersatz der vielen hundert 40-Watt-Leuchtstoffröhren durch LED-Leuchten. Wir haben den Wechsel zeitlich vorgezogen, obwohl die ursprüngliche Beleuchtung noch viele Jahre lang ihren Dienst hätte leisten können. Bereits nach ganz kurzer Zeit ergaben sich Einsparungen. Dass es nun keine Farbunterschiede zwischen den beiden Wänden mehr gibt - sie waren bei den Leucht-stoffröhren aus ästhetischen und Orientierungsgründen bewusst gewählt worden - hat ausser uns und dem Betriebspersonal niemand bemerkt. Das dritte Unvorhergesehene ist erst im Laufe des letzten Jahres aufgetreten und hat vermutlich beträcht-liche finanzielle Folgen. Das City Parking ist mit viel Glas ausgerüstet. Die vier Treppenhäuser bzw. Lift-schächte sind von den oberirdischen Aufbauten bis zur Bodenplatte verglast. Damit liess sich die kellerartige Atmosphäre mildern. Die Verglasung musste aber den Brandschutzvorschriften entsprechen, was nicht ganz billig war. Kürzlich sind nun aber einige Brandschutz-gläser, die mindestens zwanzig Jahre überstehen soll-ten, schadhaft geworden, indem das zwischen den Gläsern eingearbeitete Gel auslief. Mehr als die Hälfte aller Gläser muss in absehbarer Zeit wohl ersetzt wer-den. Solche unvorhergesehene Dinge gehören auch zu den Erfahrungen, mit denen sich ein Bauherr aus-einandersetzen muss. Ich möchte es bei den genannten Beispielen bewenden lassen und zum Schluss das City Parking gesamthaft zu bewerten versuchen. Aus unserer Sicht ist die Parkbaute ein voller Erfolg: technisch, ökonomisch und ästhetisch. Technisch ist das nicht einfache Projekt gut gemeistert worden, und mit dem KKS dürfte die Gebrauchstauglichkeit für viele Jahrzehnte gewährleistet bleiben, ohne dass störende Reparaturen nötig würden. Ökonomisch zeigt ein Blick in die Jahresberichte der City Parkhaus AG das Folgende. Die Fremdmittel sind nach 15 Jahren vollständig zurückbezahlt, die Ab-schreibungen werden planmässig getätigt, und die Gesellschaft zahlt ihren Aktionären stets gute Dividenden. Davon profitiert auch die Stadt Zürich, nicht in erster Linie als Aktionärin, denn sie hat nur eine kleine Minderheitsbeteiligung, sondern durch die Konzessionsgebühren, weil sich das Parking auf öffentlichem Grund befindet. Die Ästhetik haben Ihnen die Fotos von Herrn Ober-hänsli vor Augen geführt. Aber eigentlich müssten Sie die Parkbaute vor Ort beurteilen. Vermutlich würden Sie feststellen, dass neben den üblichen Massnahmen wie gute Beleuchtung und Sauberkeit drei Dinge zu einem positiven Urteil beitragen. Das Erste ist der lange, fast gerade Grundriss und damit die Übersichtlichkeit. Das Zweite sind die roh belassenen Schlitzwände, welche den Eindruck von Nagelfluh vermitteln, einem Sedimentgestein, das in der Umgebung der Stadt vorkommt, das Dritte die reichliche, schon erwähnte Verglasung. Diese hat ihren Preis. Brandschutzverglaste Lift- und Treppenhaus-schächte sind bedeutend teurer als Betonwände, vor allem, wenn sie vorzeitig ersetzt werden müssen. Überdies verursachen sie viel Reinigungsaufwand, wenn sie gut aussehen sollen. Jedenfalls hat das City Parking den goldenen Award der European Parking Association erhalten. Er ist bisher in der Schweiz nur zwei Mal verliehen worden. buch2.indb 103 13.01.20 15: 39 buch2.indb 104 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 105 Anwendung von BIM bei der Sanierung von Garagen Mathis Münzner Boll und Partner Unternehmensbereich Bauwerkserhaltung Zusammenfassung Die Digitalisierung ist im Alltag gegenwärtig und tritt in Form von zahlreichen hilfreichen Trends in Erscheinung. Building Information Modeling (BIM) ist einer dieser Trends. Die neue Arbeitsmethodik erlaubt eine effektive und transparente Projektumsetzung für alle Beteiligten. Die Kommunikation und das Aufgabenmanagement wird mit der freien Verfügbarkeit von 3D Modellansichten vereinfacht. Mit dem erstellten BIM-Modell entsteht eine wertvolle Informationsquelle auch für den Betrieb. Am Beispiel von erfolgreich durchgeführten Parkhaus- und Tiefgaragensanierungen wird im vorliegenden Beitrag auf Besonderheiten und Anwendungsfälle dieser neuen „BIM“ Arbeitsmethode eingegangen. 1. Einführung in die BIM Methode BIM steht für eine zunehmend an Bedeutung gewinnende Arbeitsmethode im Bauwesen, bei der Projektbeteiligte ihre Leistungen in einer kollaborativen Methode erbringen. Digitale Daten sind hierbei in der Regel geometrische, bauteilorientiert modellierte 3D-Modelle (BIM-Modelle), die mit weiteren Informationen wie etwa zu Material, Schädigungsgrad, Termine und Kostenkennungen verknüpft und über die Bearbeitungsdauer weiter angereichert werden. Zu den übergeordneten Zielen der BIM Methode gehören: - Verbesserung der Kommunikation und Schnittstellenkoordination - Erhöhung der Planungssicherheit, insbesondere in Form gesteigerter Termin- und Kostensicherheit - Erhöhung der Transparenz (Nachverfolgbarkeit von Entscheidungen und Konsequenzen sowie von entstandenen Kosten) und folgend Minimierung von Risiken - Möglichkeit der Verwendung des Modells für den Betrieb und nachgelagerte Arbeiten Die Arbeitsmethode ist prozessorientiert, und eignet sich insbesondere in der Instandsetzungsplanung von Garagen aufgrund der in der Sanierungsplanung etablierten stufenweise Herangehensweise. Das geometrische Informationsmodell dient durchgängig als zentraler Sammelpunkt aller Projektdaten. An die im Modell verfügbaren 3D Körper können beliebig viele Informationen angehängt werden, ein wesentlicher Vorteil gegenüber einer 2D CAD Zeichnung. Bild: Unterschied der Möglichkeiten 2D und BIM Somit sind zu jedem Zeitpunkt die aktuellen Daten jedem Projektbeteiligten vollumfänglich verfügbar. 2. Projektimplementierung Für die durchgängige Bearbeitung am Modell sind Grundregeln für die Qualitätssicherung und für den angestrebten Informationsgehalt vor Projektbeginn festzulegen. Hier bietet sich ein Blick auf die für die Digitalisierung von Baumaßnahmen vom BMVI herausgegebenen Handlungsanweisungen. Vor Beginn der ersten Modellierung sind die Projektbzw. Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) für die Erreichung der Informationsziele im Modell zu definieren. Auf dieser Basis wird der zugehörige BIM Abwicklungsplan erstellet. Diese vorgeschaltete Projektphase „0“ stellt sicher, dass eine geordnete und qualitätsgesicherte Modellerstellung erfolgt. Nur so kann das Modell zur verbindlichen Informationsbasis für alle Projektbeteiligten ausgeweitet werden. buch2.indb 105 13.01.20 15: 39 106 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Anwendung von BIM bei der Sanierung von Garagen Bild: Phase „0“ © planen bauen 4.0 Bild: Anwendungsfälle in der TG-Instandsetzung 3. BIM Anwendungsfälle in der Bauwerkserhaltung Wesentlich für die Steigerung der Effizienz und Qualität ist die genaue Festlegung der im Projekt durch den Einsatz von BIM abzubildenden Anwendungsfälle. Unter dem Ansatz der Bauteilbezogenen Informationsverwaltung ergeben sich in die in der Abbildung aufgeführten Anwendungsfälle für die BIM Methode. Die Anwendungsfälle sind nach den Stufen der Instandsetzungsplanung gegliedert und stellen die Anreicherung der Modellinformationen über den Projektverlauf dar. Die Anwendungsfälle sind in die Hauptgruppen „Bestandserfassung“, „Planung“, „Vergabe“, „Ausführung“ und „Betrieb“ unterteilt und anschließend jeweils unterschiedlichen Projektphasen zugeordnet, in denen die Anwendungsfälle erwartungsgemäß umgesetzt werden. Die Projektphasen erhalten die Bezeichnungen „1“ bis „9“ (in Anlehnung an die HOAI-Leistungsphasen) sowie „B“ für den Betrieb. Nr Anwendungsfälle 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Be Stufe 0 Bestandserfassung AWF 1 Bestandserfassung aus Dokumentation AWF 2 Bestandserfassung "wie gebaut" - Laserscan AWF 3 Erstbegehung, bauteilbezogene Zustandsfeststellung Stufe 1 Bauteiluntersuchung AWF 4 BTU mit objektbezogener Dokumentation AWF 6 Instandsetzungsbedarf AWF 7 Kostenrahmen der Instandsetzungsmaßnahme Stufe 2 Planung AWF 8 Planungsvarianten Instandsetzung AWF 9 Visualisierung AWF 10 Nachweise temp. Bauzustände, Verstärkungen AWF 11 Koordination der Fachgewerke AWF 12 Fortschrittkontrolle der Planung AWF 13 Erstellung von Entwurfs- und Genehmigungsplänen AWF 14 Arbeits- und Gesundheitsschutz: Planung und AWF 15 Kostenschätzung und Kostenberechnung Vergabe AWF 16 Erstellung objektbezogenes Leistungsverzeichnis, Ausführungsplanung und Ausführung AWF 17 Terminplanung der Ausführung AWF 18 Logistikplanung AWF 19 Erstellung von Ausführungsplänen AWF 20 Baufortschrittskontrolle AWF 21 Änderungsmanagement AWF 22 Abrechnung von Bauleistungen AWF 23 Mängelmanagement AWF 24 Bauwerksdokumentation Betrieb AWF 25 Nutzung für Betrieb und Erhaltung buch2.indb 106 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 107 Anwendung von BIM bei der Sanierung von Garagen 3.1 Stufe 0 Ausgangspunkt ist die Stufe 0, in der die Bestandsdokumente gesichtet und das BIM Gebäudemodell in der geometrischen Lage und den zugehörigen Objekten erstellt wird. Durch die Erstellung eines Laserscans während der Erstbegehung kann ein deutlicher Effizienzgewinn durch Reduzierung von Mehrfachbegehungen erreicht werden. Die Baustelle wird „an den Arbeitsplatz“ geholt. Zusätzlich werden Abweichungen zu den Bestandsunterlagen festgestellt und können bereits in die Planung und Mengenermittlung übernommen werden. Dieser Anwendungsfall liefert digitale Planungsgrundlagen und ist somit eine wichtige Voraussetzung für die Durchführbarkeit und Qualität der nachfolgenden Anwendungsfälle. Bild: AWF2-Bestandsverifizierung mit Laserscan 3.2 Stufe 1 In der nächsten Stufe der Projektabwicklung wird der Zustand der Bauteile erhoben. Es werden Betontechnologische Untersuchungen durchgeführt. Für eine transparente Dokumentation und schnellen Erfassung von Schädigungsschwerpunkten - so genannte „hot spots“ wird das Ergebnis in das Informationsmodell übertragen. Durch die Modellgenauigkeit kann der Kostenrahmen anhand der im Modell vorhandenen Mengeninformationen qualitätsgesichert erstellt werden. Bild: AWF4- Erfassung BTU Ergebnisse im Modell 3.3 Stufe 2 Mit dem Beginn der Planungsphase der Instandsetzungsarbeiten wird das Modell zur Kommunikationsplattform und zentrale Informationsquelle für alle beteiligten. Durch die Möglichkeit der Visualisierung können Bauabläufe und Logistik im Zusammenhang mit den definierten Randbedingungen zusammen mit den Bauherren optimiert werden. Innerhalb des Planungsteams werden Fragen durch „objektbasierte Informationsanfragen“ zielgerichtet und stets im geometrischen Bezug bearbeitet. Eine Mögliche technische Umsetzung stellt die Verwendung von BIM360 als Clouddienst dar. Bild: Zentral geführte Kommunikation am Modell Die Instandsetzungsplanung erfolgt durch Modellfortschreibung und Modellverfeinerung. Umbauten und temporäre Bauzustände werden mitgeführt. Temporäre Unterrüstungen können geometrisch kollisionsfrei geplant und für die Ausschreibung ausgelesen werden. Im Falle von erforderlichen statischen Nachweisen, werden aus dem Modell Teilmodelle für die statische Berechnung direkt abgeleitet. buch2.indb 107 13.01.20 15: 39 108 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Anwendung von BIM bei der Sanierung von Garagen Ein wesentlicher Aspekt bei der Planung ist der Arbeits- und Gesundheitsschutz. Am Modell erfolgt zu einem frühen Zeitpunkt die Darstellung sicherheitsrelevanter Aspekte (Sicherheitsvorrichtungen, Sperrzonen, Fluchtwege, Betriebsabläufe etc.) ggf. mit temporären Bauzustände zur Überprüfung des Umsetzungskonzeptes. 4. Ausführungsphase In der Ausführungsphase wird die Kommunikation am Modell fortgeführt. Es erfolgt hierbei die Dokumentation, Nachverfolgung und Freigabe von Planungsänderungen während der Bauausführung. Auch die Dokumentation von Mängeln wird objektbezogen durchgeführt. Durch den auch dem Tablet verfügbaren Kommunikationswerkzeug und zugehörigem Aufgabenmanagement werden Fotos direkt im Bearbeitungsprozess der Mängelaufnahme im Modell verortet. Durch die Einbindung der ausführenden Fachfirmen in die Ergebnisdokumentation, kann eine ergänzende und tagesaktuelle Baufortschrittsinformation umgesetzt werden. 5. Betriebsphase Mit Abschluss der Instandsetzungsarbeiten erfolgt die Übergabe der Daten aus dem „Wie-gebaut-Modell“ in entsprechende Systeme des Erhaltungsmanagements. Hierbei ist insbesondere die Nutzung der Modelle für weitere Maßnahmen (Umbau, Instandsetzung etc.) bereits kostenneutral verfügbar, da die Daten bereits digital und verwertbar vorliegen. 6. Zusammenfassung Durch die Verwendung der BIM Methode in der Instandsetzung von Garagen wird eine qualitätsgesicherte und effiziente Projektumsetzung erreicht. Insbesondere die verbesserte Kommunikation und zugehörige Aufgabenmanagement entlastet die Planer und Bauleitung und ermöglicht es sich auf die eigentlichen Themen zu konzentrieren. Mit dem erstellten BIM-Modell entsteht eine wertvolle qualitätsgesicherte Informationsquelle die auch in die Betriebsphase weitergeführt werden kann. Die Erfahrung aus einer Vielzahl von Instandsetzungen hat den Vorteile bestätigt, von Beginn der Instandsetzungsmaßnahme alle Untersuchungsergebnisse und Planungs- und Bauablaufschritte in ein digitales 3D-Gebäudemodell einzuarbeiten und dies bis zum Abschluss der Arbeiten konsequent fortzuschreiben. buch2.indb 108 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 109 Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit und Standsicherheit von Bauwerken in der Praxis Dr.-Ing. K. Schöppel, Dr.-Ing. G. Stenzel ö.b.u.v. Sachverständige, München Zusammenfassung Die Planung und Ausführung eines chloridbelasteten Bauwerks ist auf eine Mindestnutzungsdauer von 50 Jahren auszulegen und dies ist vor allem auch bei der Abnahme zu beachten. Das bedeutet, dass man wissen sollte, wie sich eine Tausalzbelastung auf das Bauteil bzw. Bauwerk auswirkt. Welche Instandhaltungsmaßnahmen sind in den nächsten 50 Jahren erforderlich um die angestrebte Mindestnutzungsdauer von 50 Jahren zielsicher zu erreichen. Um dies bewerten zu können, müssen die Kenntnisse über den Einfluss der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit des zu begutachtenden Systems vorliegen. Nachfolgend wird anhand von Praxisbeispielen die chloridinduzierte Korrosion von Bauwerken in einem Alter von 10 bis 50 Jahren und deren Auswirkung auf die Querschnittsminderung der Bewehrung dargestellt. 1. Einleitung Seit Einführung des Konzepts zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit in das Normenwerk im Jahr 2001 ist im Allgemeinen eine Mindestnutzungsdauer von 50 Jahren für übliche Bauwerke des Hoch-, Gewerbe- und Industriebaus zu gewährleisten. Die Folgen dieser Forderung in technischer Hinsicht sind manchen Beteiligten (Planer, Ausführende, Juristen) auch nach fast 20 Jahren nicht geläufig und/ oder sie wollen sich damit nicht auseinandersetzen. Die Gewährleistung hinsichtlich der Planung und Ausführung des Bauwerks ist üblicherweise auf 5 Jahre begrenzt. Daraus ergibt sich für den Bauherrn/ Käufer die Frage nach der Sinnhaftigkeit der normgemäßen Forderung bzw. Zusicherung einer 50 -jährigen Mindestnutzungsdauer bei einer auf 5 Jahre befristeten Gewährleistung. Hierbei ist zu bedenken, dass vor allem bei tausalzbelasteten Bauteilen die meisten Schäden in Folge chloridinduzierter Korrosion in der Regel erst nach 15 Jahren und später augenscheinlich erkennbar werden. Zu dieser Zeit ist die Gewährleistung jedoch schon lange abgelaufen. Wie die Praxis zeigt, können diese Schäden jedoch gravierend und somit die Instandhaltung kostenintensiv sein. Aufgrund dieser Sachlage ergibt sich die Situation, dass z.B. bei einer Abnahmeempfehlung, der Begutachtung der Baumaßnahme vor Ablauf der Gewährleistung oder der Feststellung im Gerichtsfall die Risiken der geplanten und ausgeführten Bauweise fiktiv in die Zukunft (50 Jahre bzw. 45 Jahre) abgeschätzt werden müssen. Das bedeutet letztendlich, dass bekannt sein muss, welches Schadenspotential vorliegt, welche Belastungen auf das Bauteil bzw. Bauwerk einwirken und in welcher Weise diese Belastungen die Tragfähigkeit und Nutzungsdauer des Bauwerks in den nächsten 50 Jahren beeinflussen. Weiterhin müssen auch die objektspezifisch zum gewählten Instandhaltungskonzept erforderlichen schriftlich dokumentierten Instandhaltungsmaßnahmen beurteilt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen erheblich von der technischen Wertigkeit des jeweiligen Neubaus abhängig sind (vgl. Bild 1). Häufig wird in den Kaufverträgen darauf hingewiesen, dass ein Wartungsvertrag vom Auftraggeber oder Käufer abzuschließen ist. Dieser Hinweis ist sinnlos, wenn die erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen nicht in einem Instandhaltungsplan dokumentiert sind. Da die zur Sicherstellung der Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen Teil des Konstruktionsprinzips sind (um die Mindestnutzungsdauer von 50 Jahren zielsicher zu erreichen) müssten diese bereits in der Planungsphase ausgearbeitet werden. Es ist Aufgabe der Sachverständigen sich mit der o.g. Thematik intensiv auseinander zu setzen. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Beurteilungen der Sachverständigen hinsichtlich der Korrosionsgefährdung und der Auswirkungen der chloridinduzierten Korrosion und somit der Dauerhaftigkeit z. T. stark differieren können. 1.11 Schöppel.indd 109 14.01.20 14: 24 110 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit und Standsicherheit von Bauwerken in der Praxis Bild 1: Verschiedene Konstruktionsprinzipien mit unterschiedlichem Instandhaltungsbedarf [1] 2. Chloridinduzierte Korrosion Dringt tausalzhaltiges Wasser in den erhärteten Beton ein, so liegt das Chlorid im Porenwasser in gelöster Form vor. Diese Chloride sind in der Lage, die im hochalkalischen Milieu vorhandene Passivschicht des Stahls lokal zu durchbrechen und Korrosion zu erzeugen. Daher tritt Chloridkorrosion am einbetonierten Stahl im Gegensatz zur „carbonatisierungsinduzierten“ Korrosion auch dann auf, wenn der Beton nicht carbonatisiert ist (pH > 12). Das Schadensbild der „chloridinduzierten“ Korrosion äußert sich in der Regel in einer örtlich sehr stark konzentrierten Eisenauflösung. Die Korrosionsprodukte sind im Allg. schwarz-bläulich gefärbt. Je nach Ausbildung der Korrosionsnarben spricht man von Lochfraßkorrosion (vgl. Bild 2) oder, wenn mehrere Lochfraßnarben zusammenwachsen, auch von Muldenfraßkorrosion (vgl. Bild 3) [2]. Bild 2: Lochfraßkorrosion Bild 3: Muldenfraßkorrosion Für den Korrosionsprozess müssen mehrere Voraussetzungen gleichzeitig vorliegen [2]: - es müssen Potentialdifferenzen vorhanden sein, - Anode und Kathode müssen metallisch und elektrolytisch miteinander verbunden sein, - die anodische Eisenauflösung muss durch Depassivierung möglich sein, - an der Kathode muss genügend Sauerstoff zur Bildung der Hydroxidionen vorhanden sein. Bei der Depassivierung des Betonstahles durch Chloride wird die Schutzschicht am Eisen durchdrungen und die Chloride reagieren mit Eisen unter Bildung leicht löslicher Eisenchloride bzw. beweglicher Eisenkomplexe. Die leicht löslichen Eisenchloride spalten das Chlorid wieder ab. Dadurch werden die Chloride nicht verbraucht, sondern stehen für eine weitere Korrosion erneut zur Verfügung [3]. Bild 4: Lochfraßkorrosion - grün gefärbtes Korrosionsprodukt (leicht lösliches FeCl 3 ) Maßgebend für die Korrosion ist die Menge an freien ungebunden Chloriden in der Kontaktzone zwischen Stahlbett und Stahloberfläche. Dieser Bereich wird bei der üblichen Chloridprobenentnahme (Bohrmehlverfahren und schichtintegrale Analyse) im Allg. nicht erfasst (vgl. Abschnitt 4). Bild 5: Freie Chloride (blaugefärbte Bereiche) sowie der Korrosionsprodukte im Stahlbett Untersuchung mit dem Sprühverfahren [4] buch2.indb 110 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 111 Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit und Standsicherheit von Bauwerken in der Praxis Im Zwischenraum zwischen Stahlbewehrung und Zementstein, bzw. in den Poren des Stahlbetts, befindet sich Wasser und bei einer Chloridkontamination somit auch ein höheres Korrosionspotential, da das im Wasser gelöste Chlorid ungebunden und somit korrosionsaktiv ist. Bei hohem Porengehalt im Stahlbett tritt chloridinduzierte Korrosion bereits bei Werten von rd. 0,2 M% Cl Z . auf (vgl. Bild 6). Bild 6: Zusammenhang zwischen dem Anteil an Verdichtungsporen in der Kontaktzone Stahl/ Beton und dem kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt [5] Die höhere Wasseranreicherung im Stahlbett ergibt sich beim Verdichten des Betons. Berührt der Rüttler die Bewehrung, beginnt der Betonstahlstab zu vibrieren, was zu einer Wasseranreicherung im Stahlbett des bereits verdichteten Betons führt. Somit entsteht ein idealer Sickerweg für das über Risse eindringende tausalzhaltige Wasser entlang der Bewehrung. Durch die Verwendung von Betonen mit hohem Chlorideindringwiderstand hat sich dieser Effekt gegenüber den früher üblichen Betonen sogar noch erhöht [6]. Bild 7: Eindringen des chloridhaltigen Wassers infolge kapillaren Saugens im Riss und kapillare Diffusion entlang des Sickerwegs im Stahlbett Um Fehlinterpretationen hinsichtlich der Korrosionsgefährdung zu vermeiden, sollte der Chloridgehalt immer im Bereich des Stahlbetts untersucht werden, insbesondere wenn Risse bis zur Bewehrung verlaufen. In folgendem Diagramm sind die Ergebnisse einer derartigen Untersuchung dargestellt. Demnach liegt im Stahlbett auf Grund der festgestellten Chloridwerte eine deutliche Korrosionsgefährdung im Stahlbett vor, während in der Rissflanke nur geringe Choridgehalte ermittelt wurden. Anscheinend wurde das Chlorid in der Rissflanke ausgewaschen. Bild 8: Chloriduntersuchungen im Rissbereich und Stahlbett [7] Es zeigt sich, dass im Stahlbett häufig deutlich höhere Chloridwerte vorhanden sind, als in der schichtintegralen Bohrmehlprobe (vgl. Abschnitt 3). 3. Korrosionsauslösender Grenzwert bei der chloridinduzierten Korrosion Bei der chloridinduzierten Korrosion handelt es sich nach [8] um einen stochastischen Prozess, weshalb auch der korrosionsauslösende Chloridgehalt C krit selbst eine streuende Größe ist. Der korrosionsauslösende Chloridgehalt hängt von einer Vielzahl von Einflussfaktoren ab, so dass eine allgemeine Definition für unterschiedliche Bauwerkssituationen generell nicht möglich ist. Eine buch2.indb 111 13.01.20 15: 39 112 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit und Standsicherheit von Bauwerken in der Praxis umfangreiche Literaturauswertung von Angst et.al [9] belegt, dass sich infolge unterschiedlicher Untersuchungsmethoden und unterschiedlicher Ausgangsstoffe eine Bandbreite von 0,15 Masse-% Cl Z bis 2,5 Masse-% Cl Z für den korrosionsauslösenden Chloridwert ergibt. Die Untersuchungen in der Praxis zeigen, dass die chloridinduzierte Korrosion auch bei Chloridwerten < 0,2 M-% Cl Z (bez. auf Zement) auftreten kann, bzw. keine Korrosion auftritt, wenn der Chloridwert bei über 1,5 M-% Cl Z (bez. auf Zement) liegt . Derartige Messergebnisse sind dann häufig auf die Imperfektionen der Probenahme und/ oder die Unkenntnis hinsichtlich der Umgebungsbedingungen im Bereich der Bewehrung zurückzuführen. Das bedeutet, dass sowohl die Umgebungsbedingungen als auch die Entnahmeart der Proben, die Probenpräperation und -analyse und deren Einflüsse auf das Probenergebnis berücksichtigt werden müssen. Daraus ergeben sich für unterschiedliche Objekte auch unterschiedliche Werte hinsichtlich des korrosionsauslösenden Chloridwertes. Wer sich intensiv sowohl in der Forschung als auch in der Praxis mit der chloridinduzierten Korrosion beschäftigt hat, wird feststellen, dass es keinen allgemein gültigen korrosionsauslösenden Chloridwert geben kann. Der korrosionsauslösende Chloridwert ist immer objekt- und untersuchungstechnisch-bezogen zu ermitteln. In der Literatur werden immer wieder verschiedene korrosionsauslösende Chlorid-Grenzwerte angegeben. Diese Angaben basieren häufig auf Forschungsergebnissen. Derartige Forschungsergebnisse können jedoch nicht direkt auf die Praxis übertragen werden, da die Bedingungen bei den Forschungsversuchen nicht mit den Bedingungen in der Praxis übereinstimmen. Dennoch werden derartige Angaben hinsichtlich eines korrosionsauslösenden Grenzwerts gerne übernommen, da der Aufwand hinsichtlich des Nachweises eines objekt- und untersuchungstechnisch korrosionsauslösenden Chloridwertes deutlich höher und vermeintlich auch mit mehr Verantwortung verbunden ist. In der Praxis wird häufig ein Grenzwert von 0,5 M-% Cl Z verwendet, obwohl dieser Wert in der Richtlinie für Schutz und Instandsetzung des DAfStb nicht als Grenzwert definiert ist. Dieser Wert wird jedoch häufig als Grundlage für die Abschätzung der Korrosionsgefährdung verwendet, ohne die objekt- und untersuchungstechnischen Einflüsse auf die Korrosionsgefährdung zu erfassen bzw. zu berücksichtigen (vgl. Abschnitt 4). Die Deklaration eines allg. korrosionsauslösenden Grenzwertes für die chloridinduzierte Korrosion (vgl. 14) ist derzeit nicht möglich. Leider wird dieser Sachverhalt immer wieder ignoriert und die Korrosionsgefährdung an Hand von willkürlichen Grenzwerten abgeschätzt. Dies kann bei statisch kritischen Systemen zu gravierenden Folgen führen. Eine Beurteilung der Korrosionsgefährdung nur an Hand eines Chloridwerts ist nicht zielführend. Bei statisch kritischen Bereichen wäre eine derartige Vorgehensweise je nach Schadenspotential als fahrlässig anzusehen. 4. Einflüsse der Probennahme auf das Chlorid-Ergebnis Um die chloridinduzierte Korrosion interpretieren zu können und somit eine annähernd realistische Abschätzung hinsichtlich der Korrosionsgefährdung der Bewehrung treffen zu können, bedarf es nicht nur Literaturkenntnissen, sondern auch entsprechender Erfahrung in der Praxis. Das bedeutet, dass die Probenauswahl und entnahme und die Probenpräparation vom Sachverständigen auf die vorliegenden Gegebenheiten abgestimmt sein müssen. Die Praxis zeigt, dass Chloridwerte häufig hinsichtlich ihrer Korrosionsgefährdung beurteilt werden, ohne dass Informationen hinsichtlich der Probennahme, der Probenpräparation und der Probenanalysen vorliegen. Zur Verdeutlichung der Problematik werden die Einflüsse der Probenahme und der Probenpräparation nachfolgend an einige Beispielen dargestellt. Bohrmehlproben: Die Entnahme von Bohrmehlproben ist nur dann sinnvoll, wenn von einer gleichmäßigen flächigen Tausalzbelastung auszugehen ist (z.B. Pfützenbildung entlang von Stützen- und Wandfüßen (vgl. Bilder 9 u. 10). Die nachfolgenden Einflüsse auf die Probeentnahme sind zu beachten. Bild 9: Pfützenbildung am Stützenbzw. Wandfuß relativ gleichmäßige Chloridaufnahme - Einfluss auf den Chloridwert durch Auswahl der Probestelle und das unterschiedliches Verhältnis zwischen Zementstein und Zuschlag in der Probe buch2.indb 112 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 113 Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit und Standsicherheit von Bauwerken in der Praxis Bild 10: Bohrmehlentnahme mit Schlagbohrer mit Tiefenanschlag und Absaugung Realistische Aussagen hinsichtlich der Korrosionsgefährdung können bei Bohrmehlproben nur getroffen werden, wenn hohe Chloridwerte nachgewiesen werden. In diesem Fall ist im Allg. von einer erhöhten Korrosionsgefährdung auszugehen. Die Bewehrung ist freizulegen. Bei geringen Choridwerten im Bohrmehl kann die Korrosionsgefährdung nicht zielsicher beurteilt werden, da an Hand des Bohrmehls nicht festgestellt werden kann, ob und in welchen Mengen ein chloridkontaminierter Zementstein vorliegt, oder ob die Mehlprobe hauptsächlich aus chloridfreiem Zuschlag besteht (vgl. Bilder 11 und 12). Bild 11: schematische Darstellung der unterschiedlichen Verhältnisse Zementstein/ Zuschlag bei unterschiedlichem Größtkorn des Betons - Bohrmehlproben aus einem Bohrloch mit einem Durchmesser von rd. 2 cm und einer Tiefe von rd. 4 cm. Bild 12: Bohrmehlproben Anhand des Bohrmehls ist weder das Verhältnis Zementstein zu Zuschlag noch das Größtkorn zu erkennen. Weist der tausalzbeanspruchte Beton Risse auf, ist die Entnahme von Bohrmehl im Allgemeinen nicht geeignet um realistische Aussagen hinsichtlich der Korrosionsgefährdung treffen zu können (vgl. Bild 13). Bild 13: Bohrmehlprobe A - realistischer Chloridwert, Bohrmehlproben B, C und D keine aussagekräftigen Chloridwerte hinsichtlich der Korrosion - Fehleinschätzung hinsichtlich der Korrosionsgefährdung infolge des schichtintegralen Chloridwertes der Bohrmehlproben. Die für die Korrosion entscheidenden Bereiche (Chlorid im Stahlbett) werden nicht oder nur minimal erfasst. Durch den schichtintegralen Chloridwert über die gesamte Bohrmehlprobe werden eventuell lokal vorhandene, hohe Chloridwerte minimiert, wodurch Fehleinschätzungen hinsichtlich der Korrosionsgefährdung nicht zu vermeiden sind. Vielen Planern sind diese Imperfektionen und ihre Auswirkungen bei der Probenahme überhaupt nicht bewusst, da die Proben meistens von einem Messdienstleister (Labor) entnommen werden. Bei horizontalen Flächen (vor allem im Rissbereich) sind Bohrkernproben (Durchmesser 5 cm) vorzuziehen. buch2.indb 113 13.01.20 15: 39 114 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit und Standsicherheit von Bauwerken in der Praxis Bild 14: Entnahmestelle eines Bohrkerns Die Chloridgehalte werden bei der Entnahme durch Nassbohren der Bohrkerne (d > 5 cm) nur unwesentlich verändert. Bei einer Bohrkernentnahme können das Gefüge, der Rissverlauf und somit auch der ungefähre Risszeitpunkt beurteilt sowie eventuelle Korrosion der Bewehrung bzw. Mängel bei Instandsetzungsmaßnahmen (z.B. unzureichende Verfüllung des Risses, Fortschreiten der Korrosion trotz Abdichten der Risse usw.) festgestellt und detaillierte Untersuchungen z.B. im Stahlbett durchgeführt werden. Die Korrosionsgefährdung kann an Hand der Untersuchungen an Bohrkernen deutlich zielsicherer abgeschätzt werden, als bei Bohrmehlproben (vgl. Bild 15). Bild 15: Chloridkontamination im Bereich des Risses, deutliche Korrosionsspuren der Bewehrung im Stahlbett; Riss in Folge späten Zwangs, trotz nachträglicher Verpressung kein Verschluss des Risses Beim Schneiden einzelner Kleinproben aus dem Bohrkern z.B. im Stahlbett ergeben sich nach Vergleichsuntersuchungen deutliche Unterschiede von 30% bis zu rd. 100%. Daher sollten bei einer Probenpräperation im Labor (z.B. Probeentnahmen im Bereich des Risses bzw. des Stahlbetts) die entsprechenden Probekörper trocken geschnitten werden. Berücksichtigt man die verschiedenen Einflüsse auf die Chloridverteilung im Bauteil und bei der Chloridgehaltsbestimmung, so ergibt sich als logische Folgerung, dass in der Praxis bereits allein durch die Imperfektionen der Probenahme, die Einflüsse bei der Probenpräparation sowie der unterschiedlichen Analyseverfahren ein allgemeiner korrosionsauslösender Grenzwert nicht definiert werden kann. Die Unterschiede der Analyseverfahren und die damit verbundenen Abweichungen hinsichtlich des Chloridwerts werden von vielen Planern aus Unwissenheit nicht beachtet. 5. Korrosionsgefährdung bzw. Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion (Abtragsrate) Dringt Chlorid in Stahlbetonbzw. Spannbetonbauteile ein, ist immer dann von einer Korrosionsgefährdung auszugehen, wenn das Chlorid in Form von freien ungebundenen Chloridionen vorliegt also weder chemisch noch adsorptiv gebunden ist - und bis zum Stahl vordringt. Eine realistische Abschätzung der Korrosionsgefährdung erfordert große Erfahrung des Planers. Potentialfeldmessungen können bei fachgerechter Ausführung und Auswertung [11) hilfreich sein, sind aber nicht ausreichend um die Korrosionsgefährdung realistisch abschätzen zu können. Bei einer Abschätzung der Korrosionsgefährdung sind die jeweiligen objektspezifischen Gegebenheiten einzubeziehen. Das bedeutet, dass alle objektspezifischen Einflüsse und ihre Auswirkungen möglichst genau erfasst und beurteilt werden müssen. Durch die chloridinduzierte Korrosion entsteht i.Allg. eine lokale Querschnittreduzierung des Stahls. Nach Freilegen der Bewehrung wird die durch die chloridinduzierte Korrosion bedingte Querschnittsreduzierung offensichtlich. Es ist von enormer Bedeutung, dass nach Freilegen der Bewehrung z.B. bei Instandsetzungsmaßnahmen die vorhandene Korrosion der Bewehrung genau untersucht und Rückschlüsse zu den bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen gebildet werden. Nachfolgend sind Bilder von Bewehrung mit chloridinduzierter Korrosion von Bauwerken unterschiedlicher Nutzungszeit dargestellt. buch2.indb 114 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 115 Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit und Standsicherheit von Bauwerken in der Praxis Bild 16: chloridinduzierte Korrosion bei einer Zwischendecke eines Parkhauses mit einer Nutzungsdauer von rd. 30 Jahren Bild 17: chloridinduzierte Korrosion bei einer Zwischendecke eines Parkhauses mit einer Nutzungsdauer von rd. 30 Jahren Bild 18: chloridinduzierte Korrosion bei einer Zwischendecke eines Parkhauses mit einer Nutzungsdauer von rd. 30 Jahren Bild 19: chloridinduzierte Korrosion im Bereich der Arbeitsfuge Bodenplatte/ aufgehende Wand bei einer Doppelparkergrube mit einer Nutzungsdauer von rd. 25 Jahren Bild 20 : Korrosionsabtrag bei der oberen Bewehrungslage einer Zwischendecke im Bereich des größten Stützmoments (Biegeriss) nach einer Nutzungsdauer von fast 50 Jahren Bild 21: Korrosionsabtrag bei einer Zwischendecke (Stützmoment) mit einer Nutzungsdauer von rd. 35 Jahren Bild 22: Korrosionsabtrag bei einer Bodenplatte mit einer Nutzungsdauer von rd. 7 Jahren buch2.indb 115 13.01.20 15: 39 116 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit und Standsicherheit von Bauwerken in der Praxis Ist der Beton im Bereich der chloridinduzierten Korrosion carbonatisiert, ergibt sich eher ein flächiger schalenförmiger Korrosionsabtrag, der ebenfalls zu einer deutlichen Querschnittsminderung des Stahls führt (vgl. Bild 23). Bild 23: Chlorid- und carbonatisierungsinduzierte Korrosion - schichtenweises Abschälen der Bewehrung, hohe Abtragsrate sowohl in der Tiefe als auch in der Fläche nach einer Nutzungsdauer von rd. 50 Jahren Es ergibt sich die Frage, welche Abtragsrate bei der chloridinduzierten Korrosion auftritt bzw. zu erwarten ist. Hierzu gibt es verschiedene Forschungsberichte bzw. auch Untersuchungen an Objekten in der Praxis. Die Ergebnisse streuen sehr stark, so dass bisher keine eindeutigen Aussagen hinsichtlich der zu erwartenden Querschnittsverluste an der Bewehrung infolge chloridinduzierter Korrosion getroffen werden können. Um die Abtragsrate bei chloridinduzierter Korrosion am Bauwerk genau erfassen zu können, fehlen die Messmöglichkeiten. Obwohl man mit der Schieblehre auf Zehntelmillimeter genau messen kann, sind diese Messungen mit der Schieblehre jedoch deutlich zu ungenau (vgl. Bild 24). Die Vertiefungen bei dem narbenartigen Korrosionsabtrag können nicht in der Genauigkeit erfasst werden, die erforderlich ist um den Querschnittsverlust eindeutig bestimmen zu können. Bild 24: Messung mit der Schieblehre - Narbentiefe im Bereich der Muldenkorrosion nicht genau zu erfassen Der genaue Querschnittsverlust des Stahls kann nur im Labor ermittelt werden. Hierzu müssten jedoch die entsprechenden Stahlstücke entnommen werden. Dies ist meistens nur vereinzelt möglich. Ansonsten muss der Querschnittsverlust der jeweiligen korrodierten Bewehrung abgeschätzt werden. Um am Bauwerk die Querschnittsverluste realistisch abschätzen zu können, bedarf es einer ausreichenden Erfahrung. Durch die Querschnittsreduzierung wird die Tragfähigkeit des Stahls reduziert. Je kritischer die statische Situation des zu untersuchenden Bauteils/ Bauwerks ist, umso genauer muss der Querschnittsverlust der Bewehrung erfasst und/ oder ein höherer Sicherheitsfaktor bei der Nachrechnung der Standsicherheit bzw. Tragfähigkeit eingeführt werden. Das bedeutet letztendlich, dass der sachkundige Planer selbst ausreichende statische Kenntnisse besitzen muss oder ein Tragwerksplaner hinzugezogen werden muss. Es wurden einige Laborversuche und Auswertungen an chloridbelasteten Bauwerken hinsichtlich der Abtragsraten bei chloridinduzierter Korrosion von verschiedenen Forschungsinstituten durchgeführt. Nach Hunkeler et. al [12] spielen bei der Korrosionsgeschwindigkeit der elektrische Widerstand (Kehrwert der Leitfähigkeit), die Betonfeuchte und die Temperatur des Betons eine wichtige Rolle. Der Chloridgehalt des Betons ist bei der Initiierung wichtig, auf die Korrosionsgeschwindigkeit hat er aber nur einen untergeordneten Einfluss. Weiterhin wurden in Laborversuchen mit künstlich injizierter Korrosion folgende Abtragsraten ermittelt. Bild 25: Zusammenhang zwischen Abtrag und Potenzial bei der chloridinduzierten Korrosion und bei der Korrosion infolge Karbonatisierung des Betons oder Mörtels (Ergebnisse aus Laborversuchen) - [Bild 2.9.] aus [12]. Nach unseren Ergebnissen in der Praxis ergibt sich je nach Umgebungsbedingungen eine Abtragsrate von rd. 2 bis 8 mm innerhalb 10 bis 50 Jahren. Dies gilt sowohl für die Lochfraßkorrosion, als auch für die Muldenkorrosion. Der flächige Abtrag (Muldenkorrosion) scheint vor allem von den Umgebungsbedingungen der Korrosionsstelle und dem Chloridgehalt beeinflusst zu werden. Die Kombination einer chlorid- und carbonatisierungsinduzierte Korrosion führt nach einer gewissen Zeit zu buch2.indb 116 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 117 Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit und Standsicherheit von Bauwerken in der Praxis einem schalenartigen Korrosionsabtrag und somit zu einer deutlichen teilweise großflächigen Querschnittsminderung (vgl. Bild 23). 6. Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit der Bewehrung Durch den korrosionsbedingten Querschnittsverlust der Bewehrung wird die Tragfähigkeit der Bewehrung reduziert. Mit den üblichen visuellen Messmethoden (Schieblehre, Lochfraßtiefe und Kegeldurchmesser usw.) kann der Querschnittsverlust nicht genau erfasst werden. An Hand dieser Messungen kann nur überschlägig ein gewisser Tragfähigkeitsverlust abgeschätzt werden. Hierzu wird die nominale Stahlzugfestigkeit zu dem festgestellten (grob abgeschätzten) Querschnittsverlust ins Verhältnis gesetzt. Dies stellt jedoch nur eine ganz grobe Abschätzung dar. Wenn eine genauere Abschätzung hinsichtlich der Tragfähigkeit erforderlich ist, muss an einem ausgebauten korrodierten Stahlstück die Resttragfähigkeit des Stahls im Labor (Zugfestigkeit und Dehnfähigkeit) ermittelt werden. Um den durch die Korrosion bedingten Spannungsverlust der Bewehrung genau feststellen zu können, müsste als Referenzprobe eine von der Belastung vergleichbare Stahlprobe ohne chloridinduzierten Korrosion geprüft werden. Die Untersuchungen von Almu-Sallamet, A, Fernandez et.al. und Zhu et. Al [13, 14, 15] zeigen, dass mit wachsendem Querschnittsverlust ein immer spröderes Tragverhalten auftritt. Die Bruchdehnungen streuen relativ stark, auch wenn gleiche Restquerschnitte vorliegen. Neueste Untersuchungen an der Hochschule München [16] zeigen, dass nicht nur die Dehnfähigkeiten bei Proben aus der Praxis streuen, sondern auch die Resttragfähigkeiten der Betonstahlstäbe. Es wird vermutet, dass durch die unterschiedliche Chloridbelastung der Stahlproben in der Praxis die Kerbwirkung der Lochfraßnarben und die Versprödung einen signifikanten Einfluss haben. Das bedeutet, dass ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor dessen Größe noch nicht angegeben werden kann bei der Feststellung der Resttragfähigkeit und der Restnutzungsdauer zu berücksichtigen wäre. 7. Folgerungen aus den bisherigen Erkenntnissen Anhand von sach- und fachgerechten Chloriduntersuchungen können Aussagen hinsichtlich der Korrosionsgefährdung getroffen werden. Der vorhandene Korrosionszustand der Bewehrung ist Grundlage für die Abschätzung der Tragfähigkeit bzw. Standsicherheit des Bauteils bzw. Bauwerks. Um die Korrosion der Bewehrung und die damit verbundene Querschnittsminderung feststellen zu können, muss die Bewehrung freigelegt werden. Werden die Untersuchungen nur stichprobenartig durchgeführt, ist eine Abschätzung der Chloridkontamination bzw. der Korrosionsgefährdung der restlichen, nicht untersuchten Bereiche nicht oder nur bedingt möglich und mit hoher Unsicherheit behaftet. Während der ersten Untersuchungsphasen ist es im Allg. nicht möglich, das gesamte Bauwerk zu beproben. Daher ist ingenieurmäßiges Denken bzw. Handeln erforderlich. Das bedeutet, dass das zu untersuchende Bauteil bzw. Bauwerk an Hand der Baustruktur bzw. von Bestandsunterlagen (falls vorhanden oder beschaffbar) hinsichtlich der statisch kritischen Bereiche durch einen fachkundigen Tragwerksplaner zu analysieren ist (Auswertung der eventuell vorhandenen Statik und/ oder Nachrechnung des statischen Systems). Das Bauwerk ist vorzugsweise in statisch kritischen Bereichen hinsichtlich der Auswirkung einer Korrosion auf die Tragfähigkeit zu untersuchen. Dies bedeutet, dass die korrosionsgefährdete Bewehrung in den statisch kritischen Bereichen stellenweise freigelegt werden muss, um deren Zustand detailliert erfassen zu können. Teilweise sind hierfür Abstützmaßnahmen durchzuführen. Die vorliegende Bewehrung ist hinsichtlich der Abtragstiefen genau zu untersuchen. Durch die Querschnittsverminderung der Bewehrung ergibt sich eine Reduzierung der aufnehmbaren Last. Für die Prognose der Resttragfähigkeit und der Restnutzungsdauer des Gebäudes sind diese Untersuchungen elementar. Bei der Beurteilung der Tragfähigkeit bzw. der Standsicherheit der chloridkontaminierten Bauteile sind auch die Versprödung der korrodierten Bewehrung und die Unschärfen der einzelnen Untersuchungsmethoden zu beachten. Zusätzlich sind bei der Beurteilung Tragfähigkeitsreserven der gewählten Bewehrungsmenge (falls vorhanden) zu berücksichtigen. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass bei festgestellter Querschnittsverminderung der Bewehrung auch die Tragfähigkeit mindestens gleichermaßen reduziert ist. Eine reduzierte Tragfähigkeit kann bis zum Absinken des rechnerischen Sicherheitsniveaus auf einen globalen Sicherheitsbeiwert von 1,3 bis 1,5 (das ist der Grenzzustand der Standsicherheit, der von der ingenieurmäßig einzuschätzenden Robustheit der gesamten Tragkonstruktion abhängt) für einen gewissen Zeitraum (Restnutzungsdauer) toleriert werden. Während der Restnutzungsdauer kann entweder die Instandsetzung vorbereitet und durchgeführt werden oder die Gebäudenutzung muss beendet werden. Falls sich der Eigentümer für eine Instandsetzung entscheidet, muss das Bauwerk wieder mindestens auf das bauaufsichtlich geforderte Sicherheitsniveau ertüchtigt werden. Literatur [1] Klinger, G, Schöppel, K.: Der unbestimmte Rechtsbegriff der anerkannten Regeln der Technik - als Beurteilungskriterien für Tiefgaragen noch zeitgemäß? In Festschrift für Dieter Kainz; Baurechteine anspruchsvolle Realwissenschaft; Werner Verlag 2019; ISBN: 978-3-8041-5336-3 buch2.indb 117 13.01.20 15: 39 118 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Auswirkung der chloridinduzierten Korrosion auf die Tragfähigkeit und Standsicherheit von Bauwerken in der Praxis [2] Schöppel, K., Tiefgaragen im Spannungsfeld zwischen Bauherren, Planern, Sachverständigen: Eigenverlag [3] Stark, J. und Wicht, B. : Dauerhaftigkeit von Beton - Der Baustoff als Werkstoff. F. A. Finger-Institut für Baustoffkunde der Bauhaus-Universität Weimar. -Basel; Boston; Berlin. Birkhäuser, 2001 [4] Schöppel, K., Dorner, H. und Letsch, R.: Nachweis freier Chloridionen auf Betonoberflächen mit dem UV-Verfahren. In: Betonwerk + BFT Fertigteil-Technik, Concrete Precasting Plant, Heft 11 - November 1988 [5] Glass, G.K., und Reddy, B.: The influence of the Steel Concrete Interface on the Risk of Chloride Induced Corrosion Initiation. Luxembourgh: University of Applied Sciences, 2002. In: Corrosion of Steel in Reinforced Concrete Structures, COST 521, Final Workshop, Luxembourgh, 18-19 February 2001, S. 227-232 [6] Schöppel, K., Einfluss der neuen Betone nach DIN 1045 Ausgabe 2001 bzw. EC 1992 Ausgabe 2011 bei tausalzbelasteten Bauteilen auf die chloridinduzierte Korrosionsgefährdung, 7. Kolloquium 26. und 27. Januar 2017, Tagungshandbuch 2016 der TAE Esslingen, Seite 209 - 223. [7] Spezielle Untersuchung durch IONYS AG (Karlsruhe) Bestimmuung des Chloridgehalts mittels Ionenchromatographie [8] Ch. Sodeika, T. F. Mayer, Instandsetzung von Tiefgaragen und Parkhäusern in Betonkalender 2015 [9] Angst, U.; Elsener, B.; Larsen, C.; Vennesland, O.; Critical chloride content in reinforced concrete - A revwiew. Cement and Concrete Research 39 (2009), Heft 10, S. 1122-1138. [10] DIN EN 1504-09: 2008-11. Produkte und System für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Definitionen, Anforderungen, Qualtitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität - Teil 9: Allgemeine Grundsätze für die Anwendung von Produkten und Systemen; S. 29 [11] Merkblatt B 3 der Deutschen Gesellschaft Für Zerstörungsfreie Prüfung E.V., Elektronische Potientialmessungen zur Detektion von Bewehrungsstahlkorrosion, April 2014 [12] F. Hunkeler,Dr. sc. tech., dipl. Ing. ETH/ SIA, B. Mühlan, M. Eng., dipl. Bauing. FH, H. Ungricht, Dr. sc., dipl. Bauing. ETH: Risiko von Betonabplatzungen infolge Bewehrungskorrosion, Forschungsauftrag AGB2002/ 015 auf Antrag der Arbeitsgruppe Brückenforschung (AGB) Oktober 2006, Eidgenössisches Department für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation. [13] Almusallam, A. A.; Effect of degree of corrosion on the properties of reinforching steel bars. In: Construktion and Building Materials 15 (2001), S. 361- 368 [14] Fernandez, I.; Bairan, J. M.; Marf, A. R.: Corrosion effects on the mechanical properties of reinforching steel bars. Fatigue and behavior. In: Construktion and Building Materials 101 2015)m s, 772-783. [15] Baumgartner, A., Fraundorfer, A., Dauberschmidt, C., Kustermann, A. : Veränderungen der mechanischen Kenngrößen von Betonstabstählen durch choridinduzierte Korrosion; Ernst und Sohn, Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 114 (2019)Heft 6 , Seite 409-418. buch2.indb 118 13.01.20 15: 39 Elektromobilität buch2.indb 119 13.01.20 15: 39 buch2.indb 120 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 121 Das Parkhaus für die Energie- und Verkehrswende: Herausforderungen und Lösungen für den Bestand und Neubauten Tim Schember GreenIng GmbH & Co. KG, Bahnhofstraße 109, 71397 Leutenbach, Deutschland Daniel Borrmann Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung Die bereits eingetretenen sowie die bevorstehenden Veränderungen bei Verhalten und Bedürfnissen von Nutzern, bei rechtlichen Rahmenbedingungen sowie bei technischen Lösungen stellen sowohl Betreiber als auch Bauherren von Parkhäusern vor große Herausforderungen. Beide müssen die Attraktivität ihrer Liegenschaften sicherstellen, um Investitionen amortisieren zu können. Dies erfordert, dass Parkhäuser bereits in naher Zukunft eine gegenüber heute erweiterte Ausstattung bieten müssen, die Nutzern den erwarteten Komfort bietet, ohne dabei regulatorische Vereinbarungen zu verletzen. Auf der anderen Seite entstehen für die Betreiber und Bauherren aber auch neue Potenziale zur Erzielung von Einnahmen, wenn sie ihre Geschäftsmodelle entsprechend anpassen. So lassen sich trotz der teilweise radikalen Änderung bewährter Muster auch weiterhin Gewinne erwirtschaften. 1. Einleitung Heute wird von Parkhäusern, auch wenn die Infrastruktur prinzipiell zu mehr in der Lage ist, immer nur eine vergleichsweise geringe elektrische Leistung in Anspruch genommen. Durch das Laden von Elektrofahrzeugen kann die in einem Parkhaus abgerufene Leistung rapide steigen. Entsprechend werden Lösungen zur Reduktion der aus dem Stromnetz bezogenen Leistung notwendig. Hinsichtlich Ladeinfrastruktur sind heute hauptsächlich konduktive, unidirektionale Ladestationen mit Kabel und Stecker im Einsatz. Insbesondere im Zusammenhang mit der Automatisierung von Fahrsituationen sowie der Verbreitung des autonomen Fahrens werden sich neue Technologien für das Laden und die Verkehrsleittechnik verbreiten. Dabei bedeuten die zukünftig relevanten Systeme nicht nur Investitionen, sondern sie bergen auch Erlöspotenziale für die Betreiber. 2. Stand der Technik - Infrastruktur Parkhäuser nutzen elektrische Energie nur für die Beleuchtung, Fahrstühle, das Entlüftungssystem, Brandschutz und Sicherheitssysteme, die Verkehrsleitung sowie Zutritts- und Bezahlsysteme. Hinzu kommen vorwiegend in Wohneinheiten oder sehr raumbegrenzten Parkhäusern Hubparksysteme. Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge stellen im Augenblick noch eher die Ausnahme dar, auch wenn sich die Situation im positiven Sinne sehr dynamisch verändert. Anlagen zur Gewinnung von nachhaltig erzeugter elektrischer Energie sind, wo installiert, Stand der Technik. 3. Stand der Technik - Mobilität Es ist von einer weiter zunehmenden Verbreitung insbesondere von elektrifizierten Pkw und leichten Nutzfahrzeugen in den nächsten Jahren auszugehen. Im Durchschnitt sagen Studien voraus, dass der Anteil von Mild-, Voll- und Plug-in-Hybridfahrzeugen sowie rein batterieelektrischen Fahrzeugen an allen weltweit neu zugelassenen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen bis zum Jahr 2030 bei über 50% liegen wird. Im Gegensatz dazu wird prognostiziert, dass der Anteil von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen mit Brennstoffzelle bei unter 1% bleibt. Elektrifizierte PKW haben auf dem Prüfstand einen Durchschnittsverbrauch von 15 - 25 kWh pro 100 km in der Realität ist eher von 20 - 30 kWh auszugehen. Aktuell sind folgende konduktive Ladeleistungen gebräuchlich: An der Haussteckdose sind 2,3 kW zu erreichen, was ca. 7 Stunden Ladedauer für 100 km Reichweite entspricht. Das ist allerdings eine Anwendung, die nur im privaten Umfeld Anwendung findet. 3-phasiges Laden kann abhängig von Netzkapazität und Absicherung zwischen 11 kW (16 A) bis ca. 44 kW (63 A) erfolgen. Auf der Fahrzeugseite sind in der Regel über die Ladetechnik maximal 22 kW realisiert. Das entspricht etwas mehr als einer Stunde Ladezeit für 100 km Reichweite. buch2.indb 121 13.01.20 15: 39 122 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Das Parkhaus für die Energie- und Verkehrswende: Herausforderungen und Lösungen für den Bestand und Neubauten DC-Laden ist, begrenzt durch die Fahrzeuge im Augenblick bis ca. 200 kW verfügbar und erreicht damit unter 10 Minuten Ladedauer für 100 km Reichweite (Porsche Taycan, Tesla). Mittels Gleichstromladetechnik sind in Zukunft noch deutlich höhere Ladeleistungen zu erwarten. Im Forschungsprojekt FastCharge wurde eine Ladeleistung von 450 kW realisiert. Für Nutzfahrzeuge wie beispielsweise elektrische Stadtbusse sind bereits Oberleitungslader mit über 500 kW Ladeleistung am Markt verfügbar. Die in Anspruch genommene Ladeleistung reicht also für den Anwendungsfall Parkhaus bei Wechselstrom von 3,7 kW bis hin zu 22 kW. Mit Blick auf heute verfügbare Fahrzeugmodelle kann davon ausgegangen werden, dass in Parkhäusern mittelfristig noch überwiegend die niedrigeren Werte nachgefragt werden. Langfristig wird es aber erforderlich sein, auch in Parkhäusern für alle Nutzer eine Ladeleistung in Höhe von 22 kW zur Verfügung zu stellen. Ein größerer Bedarf an der Möglichkeit, mit Gleichstrom und einer Leistung von bis zu 350 kW zu laden, wird in Parkhäusern die Ausnahme bleiben. Rein elektrische PKW haben 2019 in Deutschland eine durchschnittliche Reichweite von 371 km während die durchschnittliche Fahrtstrecke für eine Fahrt 15 km beträgt. Während sich die Fahrtstrecke nur wenig ändern wird, kann man davon ausgehen, dass durch höhere Energiedichten und sinkende Kosten der Fahrzeugbatterien die Reichweite weiter signifikant steigen wird. So wird bereits in 2020 eine weitere Steigung um etwa 10% erwartet. Dies beeinflusst natürlich die notwendige zu installierende Ladeleistung zukünftiger Parkhäuser. Die meisten Elektrofahrzeuge werden, wie von konventionellen Fahrzeugen gewohnt, ohne Ladebedürfnis im Parkhaus stehen. 4. Aktuelle Entwicklungen Vor dem Hintergrund der Verbreitung von Elektrofahrzeugen ist mit einem steigenden Bedarf von Autofahrern zu rechnen, die Fahrzeuge auch im halböffentlichen Raum zu laden. Hierfür stehen gegenwärtig noch fast ausschließlich konduktive, unidirektionale Ladestationen ohne die Möglichkeit zur Steuerung von Ladevorgängen zur Verfügung. Solche Ladesysteme können Energie nur vom Stromnetz zum Fahrzeug übertragen und zeichnen sich des Weiteren durch geringen Bedienkomfort aus. Mit ihnen kann insbesondere gleichzeitiges Laden mehrerer Elektrofahrzeuge, sofern nicht entsprechende technische Lösungen vorgesehen sind, zu zwar zeitlich begrenzten, bezüglich der Höhe aber kritischen Lastplateaus oder -spitzen führen. Dabei können Werte erreicht werden, die auch bei Liegenschaften mit bereits hohem mit dem Energieversorgungsunternehmen (EVU) vereinbartem Leistungs-Limit dieses Limit überschreiten. Eine Lösung zur Vermeidung einer Überschreitung vereinbarter Leistungs-Limits besteht darin, mit Hilfe von Erzeugern von Energie aus regenerativen Quellen im Parkhaus Leistung auch unabhängig vom EVU zur Verfügung zu stellen. Dies bietet zudem den Vorteil, die Menge vom EVU bezogener Energie zu reduzieren. Typische Vertreter für solche Erzeuger sind Photovoltaik-Anlagen und an geeigneten Standorten auch (vertikale) Windkraftanlagen. 5. Ausblick auf die Zukunft Eine Ergänzung zu den oben genannten Erzeugern von Energie aus regenerativen Quellen stellen zugehörige Speicher dar. Typische Vertreter hierfür sind stationäre Batteriespeicher. Des Weiteren ist es mittlerweile möglich, Energie gefahrlos durch Umwandlung in Wasserstoff, der wiederum in einem Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC) gespeichert wird, zu speichern. Hierdurch steht mit Hilfe von Photovoltaik oder Windkraft erzeugte Energie auch bei einem Ausbleiben der regenerativen Quellen etwa für das Laden von Elektrofahrzeugen zur Verfügung. Die Verbindung der Erzeuger und Speicher untereinander sowie mit der Ladeinfrastruktur gelingt durch Einsatz eines Wechselrichters. Eine weitere technische Lösung zur Senkung von Lastplateaus und zur Glättung von Lastspitzen besteht in intelligentem Lade- und Lastmanagement. Diese lädt etwa Fahrzeuge, obwohl sie gleichzeitig an die Ladeinfrastruktur angeschlossen sind, nacheinander und nicht gleichzeitig. Dabei muss durch Berücksichtigung der angestrebten Abfahrtszeiten sichergestellt sein, dass das Lademanagement die zuerst abfahrenden Fahrzeuge auch zuerst lädt und somit die Mobilität der Nutzer nicht einschränkt. Mit Blick auf die Ladeinfrastruktur ist demnächst mit der Verbreitung bidirektionaler Systeme zu rechnen, die eine Entnahme von Energie aus den Traktionsbatterien von Fahrzeugen erlaubt. Dies kann beispielsweise insofern sinnvoll sein, wenn die Fahrzeuge zur Speicherung und späteren Nutzung von Energie aus regenerativen Quellen (z.B. die effiziente Nutzung von Solaranlagen auf Parkhausdächern) genutzt werden sollen. Hierdurch kann es unter Umständen gelingen, vollständig auf eine stationäre Batterie zu verzichten oder letztere kleiner und damit kostengünstiger auszulegen, als es ohne bidirektionale Ladetechnik notwendig wäre. Mitsubishi bietet z.B. noch im Jahr 2019 eine konduktive, bidirektionale Wallbox mit einer Lade-/ Entladeleistung von 10 kW an. In Japan ist das bidirektionale Laden nach dem Reaktorunfall in Fukujima bereits verbreitet, da das Fahrzeug sowohl zur Netzstabilisierung als auch unter anderem als Notstromaggregat genutzt werden kann. Unklarheit besteht in Deutschland unterdessen in der Frage, ob sämtliche dieser Vorgänge, sofern sie nicht im Privathaushalt erfolgen, EEG-Umlagepflichtig sind. Des Weiteren kann davon ausgegangen werden, dass das induktive Laden in naher Zukunft verstärkt zum Einsatz kommt. Diese Technologie, die statt einem Umgang mit Stecker und Kabel lediglich eine gewissenhaftere Posibuch2.indb 122 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 123 Das Parkhaus für die Energie- und Verkehrswende: Herausforderungen und Lösungen für den Bestand und Neubauten tionierung des Fahrzeugs beim Parken erfordert, zeichnet sich gegenüber konduktiven Systemen unter anderem durch einen sehr hohen Bedienkomfort aus. Wie im Projekt BiLawE nachgewiesen werden konnte, sind induktive Ladesysteme für Pkw effizient mit hohen Wirkungsgraden, sicher für Objekte, gleich ob lebend oder metallisch, und performant mit in diesem Fall 22 kW Ladeleistung (s.a. Kapitel 3). Im Projekt wurde auch ein System zur Fahrzeugpositionierung umgesetzt, welches die in aktuellen Fahrzeugen der unteren Mittelklasse vorhandene Sensorik nutzt. Eine Möglichkeit zur Erzielung von Erlösen mit Hilfe von Elektrofahrzeugen und bidirektionaler Ladetechnik besteht in der Teilnahme am Regelleistungsmarkt. Untersuchungen besagen allerdings, dass dieses Geschäftsmodell insbesondere aufgrund der mittlerweile stark gefallenen, mit Regelleistung erzielbaren Erlöse nicht rentabel ist. Vielversprechender ist Energiemanagement oder Blindleistungskompensation für ausgewählte Liegenschaften mit Hilfe von Elektrofahrzeugen. Ein weiterer Megatrend bei der Entwicklung der individuellen Mobilität, der zukünftig Einfluss auf die Gestaltung von Parkhäusern haben wird, ist neben dem elektrischen Fahren und der Digitalisierung das automatisierte Fahren. Dieses erfordert auch Lösungen zum automatisierten Laden von Elektrofahrzeugen. Hierfür sind induktive Systeme prädestiniert, es befinden sich aber auch Roboter zum automatisierten konduktiven Laden in der Entwicklung. Mit Blick auf die Zukunft darf davon ausgegangen werden, dass beide Technologien ihren Weg auf den Markt finden. Vollautomatisiertes Fahren ist in Form von Valet-Parking in Parkhäusern bereits Realität. Die Funktion hängt dabei in Zukunft stark von der Ausstattung der Infrastruktur und nicht wie es bei automatisiertem Fahren auf der Straße erforderlich wäre von der Fahrzeugausstattung ab. In aktuellen Forschungsprojekten wird bewusst die Interaktion zwischen Parkhaus und Fahrzeug untersucht. So steuert etwa in einem Projekt zum Valet-Parking im Parkhaus des Mercedes-Benz-Museums die Infrastruktur des Parkhauses das Fahrzeug auf den Parkplatz. Im Projekt SynCoPark (Synergien aus Kooperation und Standardisierung im herstellerunabhängigen automatisierten Parken) wird darüber hinaus bereits eine Standardisierung für die Qualifizierung und Zertifizierung von Infrastruktur im Parkhaus und in Fahrzeugen entwickelt. Nach Abschluss der Arbeiten wird es perspektivisch möglich sein, dass Fahrzeuge auch von abseits gelegenen Orten selbsttätig zu Parkhäusern fahren und erst bei Bedarf wieder zum Nutzer zurückkehren zum Antritt einer Fahrt. 6. Zusammenfassung und Ausblick Digitale Bezahlsysteme, automatisierte Mobilität und Elektrifizierung werden die Parkhäuser der Zukunft verändern. Das Parkhaus wird sich zusammen mit den Fahrzeugen in ein möglichst nachhaltiges, intelligentes Energiegesamtsystem verwandeln. Es entstehen in der Zukunft neue Geschäftsmodelle für die Parkhausbetreiber. Die Veränderung der individuellen Mobilität hin zu einer teilweise intermodalen Fortbewegung und Einfahrverbote in Innenstädte werden zudem grundsätzlich den Bedarf und die Gestaltung der Parkflächen verändern. Literaturverzeichnis H. Triebke, D. Borrmann, “Revenue Potentials of Residential Prosumers with Inductive EV-Charging Infrastructure through Energy Management Modelling,” in Proceedings of the 6th Conference on Future Automotive Technology (CoFAT 2017), 9th - 10th May 2017, Fürstenfeldbruck, Deutschland. A. Mahajan, S. Reichert, “Dimensioning and comparison of circular and double D coil geometries for inductive charging of electric vehicles,” in Proceedings of the 30th International Electric Vehicle Symposium, 9th - 11th October 2017, Stuttgart, Deutschland. T. Poguntke, P. Schumann, K. Ochs, “Radar-based living object protection for inductive charging of electric vehicles using two-dimensional signal processing,” Wireless Power Transfer, vol. 4, no. 2, October 2017. P. Schumann, D. Borrmann, A. Mahajan, M. Mittels-dorf, T. Schember, “Bidirectional inductive charging systems economical in the electricity grid - Development and application of a technology to boost electric mobility,” in Proceedings of the 31st Electric Vehicle Symposium (EVS 31), 1st - 3rd October 2018, Kobe, Japan. P. Schumann, D. Borrmann, A. Mahajan, M. Mittels-dorf, T. Schember, “Bidirectional inductive charging systems economical in the electricity grid,” Kolloquium Future Mobility, Technische Akademie Esslingen, 2nd July 2019, Esslingen, Deutschland. buch2.indb 123 13.01.20 15: 39 buch2.indb 124 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 125 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen Dennis Huschenhöfer Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, Stuttgart, Deutschland Joel Wenske Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, Stuttgart, Deutschland Johannes Mieser Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, Stuttgart, Deutschland Jann Binder Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung Für das Gelingen der Energiewende ist es notwendig, dass mehr Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Für den Betrieb der Elektrofahrzeuge ist eine gut ausgebaute Ladeinfrastruktur notwendig. Entsprechend durchgeführter Umfrage vor allem im halböffentlichen und öffentlichen Raum noch ausbaufähig. Zudem hat eine Studie gezeigt, dass die Ladeinfrastruktur im halböffentlichen und öffentlichen Raum notwendig ist, da privates Laden nicht immer nachhaltige umsetzbar ist. Neben der Umstellung privater Fahrzeuge ist auch die Umstellung der Dienstfahrzeuge wichtig. Eine Untersuchung dazu hat gezeigt, dass bereits jetzt mehr als 80% der Fahrzeuge umgestellt werden könnten. Da auch diese Fahrzeuge tagsüber in der Regel in Parkhäusern oder Tiefgaragen abgestellt sind, ist hier insbesondere der Ausbau der Ladeinfrastruktur wichtig. Grundsätzlich gibt es für den Aufbau von Ladeinfrastruktur verschiedene Förder- und Forschungsprojekte, wie z.B. LINOx BW und eLISA-BW, die vom ZSW wissenschaftlich begleitet werden. Die Projekte haben die Ziele Hemmnisse bei der Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur und mögliche Netzrückwirkungen durch Ladevorgänge zu untersuchen sowie Algorithmen für ein intelligentes Lademanagement zu entwickeln. Erste Ergebnisse den Arbeiten an diesen Projekten werden in diesem Manuskript ebenso vorgestellt, wie die zuvor durchgeführten Umfragen und Untersuchungen. 1. Einführung Von denen im Januar 2019 in Deutschland zugelassenen 47,1 Millionen Personenkraftwagen werden fast alle (99,7%) entweder mit Benzin, Diesel, Flüssig- oder Erdgas betrieben. Im Gegensatz dazu sind nur rund 83.000 batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) und rund 67.000 Plug-in-Hybrid Fahrzeuge (PHEV) zugelassen. Damit der CO2-Fussabdruck im Verkehrssektor reduziert werden kann, ist der Umstieg von fossilen Energieträgern auf regenerative erforderlich. Für diese Umstellung existieren verschiedene Konzepte bei denen die Energiespeicherung entweder chemisch in Form von H2, LPG oder synthetischen Treibstoffen oder elektrochemisch in Batterien erfolgt. Letzteres ist die effizienteste Variante, die aktuell vorrangig entwickelt wird. Die Ladung der der Fahrzeuge erfolgt idealer Weise während der Parkzeit an Orten, wo die BEVs lange stehen, und nur in Ausnahmefällen kurzzeitig, wie zum Beispiel an Tankstellen. In der Regel bietet sich deswegen an, ein BEV entweder zu Hause (privat), beim Arbeitgeber oder öffentlich auf Parkplätzen bzw. in Parkbauten zu laden. Das Laden daheim bedeutet zwar einen hohen Komfort, jedoch ist zu beachten, dass ein möglicher Mehrwert durch die Steigerung des Eigenverbrauchs lokal erzeugter PV-Leistung begrenzt ist. Deswegen ist das Laden an den anderen Orten, beim Arbeitgeber und öffentlich, sehr relevant. Dies wurde auch bei einer Befragung von Elektrofahrzeugnutzer festgestellt. Um Betreibern von öffentlicher Parkbauten und Arbeitgebern zum Aufbau von Ladeinfrastruktur zu bewegen, wurde in Baden-Württemberg das Projekt LINOx-BW im Jahr 2018 gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gestartet. Das Hauptziel des Projektes ist Hemmnisse, die der Verbreitung der Elektromobilität entgegen sprechen, abzubauen buch2.indb 125 13.01.20 15: 39 126 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen und durch den vermehrten Einsatz von BEVs in den im Projekt teilnehmenden 26 Kommunen die NOx-Belastung zu reduzieren. In dem Projekt werden neben der Ladeinfrastruktur für BEVs und PHEVs auch die für den Betrieb notwendigen elektrotechnischen Anlagen, wie notwendige Leitungen, Verteilerkästen und ggf. größere Netzanschlüssen, als auch die Erweiterung der Backends (Hintergundsoftware zur Verarbeitung von Daten), in denen neben der Abrechnung von Parkvorgängen Steuerungsalgorithmen umgesetzt werden müssen, gefördert. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgt unteranderem durch das ZSW. Dazu gehören sowohl Netzberechnungen als auch bei Bedarf die Entwicklung von Lademanagementlösungen. Eine solche Lademanagement Lösung wird aktuelle auch im Projekt eLISA-BW, das vom Landesumweltministerium gefördert wird, speziell für eine Tiefgarage entwickelt und dort real umgesetzt. 2. Nutzersicht - „Köpfchen statt nur Kupfer“ Befragung von Elektromobilisten In vielen Untersuchungen zur Netz Elektroautos wird angenommen, dass das Nutzungsverhalten von heutigen Nutzern von konventionellen Fahrzeugen übertragen werden kann. Um dies Annahme zu überprüfen, hat das ZSW im Rahmen des Strategiedialogs Automobilwirtschaft BW (SDA) eine Online-Befragung unter Elektromobilisten zu deren Nutzer- und Ladeverhalten Anfang 2019 durchgeführt. Die Umfrage „Ihr Beitrag zur Mobilitätswende - Köpfchen statt nur Kupfer“ entstand in Kooperation mit dem Verein Electrify BW e.V.. Dadurch konnten trotz der noch geringen Anzahl an Elektromobilisten, über 340 sogenannter First Mover aus der DACH-Region erreicht werden konnten. Die Umfrage kann dadurch einen Trend auf das Nutzerverhalten aufzeigen. Abbildung 1: Lade- und Standzeit von Elektromobilisten (N =229) Einige ausgewählte Ergebnisse zu den Elektromobilisten sind im Folgenden zusammengefasst. - Wohnregion: Entgegen vieler Annahmen wohnen über 2/ 3 nicht in der Stadt - Grünstrom: fast alle Teilnehmer - Jährliche Fahrleistung: Insgesamt 20% mehr Fahrleistung, wobei über die 50% der Teilnehmer weniger fahren - Parkzeiten und Ladezeiten: - Parkzeit übersteigt Ladezeiten - Arbeitgeber-Laden: Mo-Fr vormittags, wobei Trend auf Mo& Fr - Privates Laden: nachts oder am Wochenende - Öffentlich Laden: verteilt über den Tag mit deutlicher Spitze abends und am Wochenende 3. Netzintegration der Elektromobilität im Verteilnetz Die Besonderheit der Elektromobilität ist die Option dezentral, also „zuhause“ oder beim Arbeitgeber, laden zu können, und nicht nur an einer öffentlichen Tankstelle. Zwar besteht eine hohe Gleichzeitigkeit bei der Ankunft beim Arbeitgeber oder zuhause, jedoch ist die Standzeit bis zur Weiterfahrt häufig groß. Diese Flexibilität gilt es zu nutzen. Abbildung 2 zeigt im Fall „all at once“, wie stark die Ladeleistung reduziert werden müsste, wenn alle vorhandenen Fahrzeuge gleichzeitig laden, um einerseits den Transformator nicht zu überlasten (Abbildung 2 oben) und anderseits den zusätzlichen Spannungsabfall am Strang nicht über 5% steigen zu lassen (Abbildung 2 unten). Dies wurde im Beispiel für einen Leitungsstrang mit 62 Haushalten in einem ländlichen Wohngebiet gerechnet. Wenn wenige private Ladestationen sich am Ende des Strangs häufen, wird der Spannungsabfall erhöht und die erlaubte Ladeleistung weiter reduziert. 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0 5 101520 1 6 1116212 7 1217223 8 131823 4 9 14 19 0 5 101520 1 6 111621 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Uhrzeit [hh] Ladezeit - Privat Ladezeit - Arbeitgeber Ladezeit - Öffentlich Summe der drei Ladeorte Standzeit Gleichzeitigkeit buch2.indb 126 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 127 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen Berücksichtigt man jedoch die Wahrscheinlichkeiten der Ankunftszeiten und die Verteilung der gefahrenen Wegstrecke mit dem in Deutschland beobachteten Durchschnittswert von nur 50 km, so ergibt das mit „statistics“ gekennzeichnete Ergebnis mit einer rund doppelt so hohen erlaubten Ladeleistung bei hoher Konfidenz (99,7%). Wird zusätzlich jeder Ladepunkt mit einer stationären Batterie ausgerüstet, sodass zunächst die ersten 5 kWh Ladebedarf aus der Batterie gedeckt werden, so kann die erlaubte Ladeleistung weiter deutlich steigen, bevor die Leistungs- und Spannungsgrenzen im Netz verletzt werden. Dieselbe Erhöhung der erlaubten Ladeleistung entsteht, wenn der Kunde bereit ist, 5 kWh seines Ladebedarfs auf einen Zeitraum zu verschieben, in dem das Netz weniger ausgelastet ist („5 kWh Flex“). Abbildung 2: Limitierte Ladeleistung anhand eines 630kVA Niederspannungstransformator (oben) sowie durch den Spannungsabfall (unten) in Abhängigkeit vom Anteil und Verortung elektrischer Fahrzeuge am Strang Elektromobilität bietet also ein hohes Potential, um mit intelligentem Lastmanagement nicht nur das Netz zu entlasten, sondern auch den Bedarf entsprechend dem Angebot an Strom aus Wind und Sonne zu decken. 4. Deckung des Ladebedarfs eines BEV mittels PV-Eigenverbrauchs Wie die zuvor beschriebene Umfrage gezeigt hat, gibt es noch Engpässe bei der Verfügbarkeit von öffentlichen oder halb-öffentlichen Lademöglichkeiten. Deswegen laden viele BEV-Besitzer ihr Fahrzeug daheim an ihrem Ein- oder Zweifamilienhaus. Auf der einen Seite bietet dies mehr Komfort. Auf der anderen Seite besteht aber immer auch der Wunsch an einer Kostensenkung bzgl. des Ladens. Hierfür bietet sich der Eigenverbrauch von selbst erzeugten Strom von der eigenen PV-Anlage inkl. Speicher an. Die voraussichtlichen Steigerungsmöglichkeiten wurden im Rahmen einer Studie mittels Simulationen untersucht. 4.1 Ausgangsdaten der simulierten Haushalte Es wurden für die Untersuchung zwei Haushaltslastprofile gewählt, die mit Hilfe eines verhaltensbasierten Simulators für ein gesamtes Jahr erstellt wurden. Die simulierten Haushalte unterscheiden sich sehr stark in ihren Verbrauchsverhalten und bilden zwei extreme Varianten ab. Ihre Lastschwerpunkte liegen beim ersten abends zwischen 20 Uhr und 0 Uhr und beim zweiten zur Mittagszeit (siehe Abbildung 3). Der Jahresverbrauch von 4.000 kWh entspricht einem deutschen 4-Personen-Haushalt [1]. Abbildung 3: Gegenüberstellung der ausgewählten Verbrauchsprofile an einem exemplarischen Tag Die simulierten Haushalte wurden mit einer nach Süden ausgerichteten PV-Anlage mit zwei verschiedenen Größen (4 kW p und 10 kW p ) erweitert. Da in Deutschland mehr als 50% aller neuinstallierten PV-Anlagen mit Speichern installiert werden [2], wurden DC-gekoppelte Batterien mit installierten Kapazitäten von bis zu 14 kWh entsprechend dem Batteriemodell in [4] untersucht. 4.2 Annahmen zum Energiebedarf des BEV Der nachzuladende Energiebedarf der BEV wurde auf Grund von statistische Daten zu den gefahrenen Kilometern und den Ankunftszeiten der Autofahrer in Deutschbuch2.indb 127 13.01.20 15: 39 128 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen land entsprechend [5] und [6] ermittelt, da belastbare Studien zu dem Nutzungsverhalten von BEV-Nutzer*innen bisher nicht vorliegen. Die durchschnittliche gefahrene Strecke pro Tag liegt für die restlichen Haushalte bei 50,1 km [5]. Dem durchschnittlichen Verhalten entspricht das 1. BEV in Abbildung 4. Die Ankunftszeit stellt den Zeitpunkt dar, an dem der PKW nach dem letzten Trip daheim abgestellt wird, und an dem die Ladung beginnt. Abbildung 4: Statistische Verteilung der zur Simulation verwendeten Ankunftszeiten Abbildung 5: Statistische Verteilung der zur Simulation verwendeten Fahrdistanzen Mit den beschriebenen Ausgangsdaten wurden die Ladeprofile mit Hilfe der Monte Carlo Methode erstellt. Die dafür verwendeten Auftrittswahrscheinlichkeit der gefahrenen Strecken, die zur Erstellung des Ladeprofils genutzt wurden, sind in Abbildung 5 dargestellt. Für die Ladung des BEVs wurden Ladeleistungen 3,7 kW und 11 kW getrennt untersucht. 4.3 Simulierte Szenarien Wegen der hohen Diversität der Nutzungsverhalten wurden die fünf Szenarien unterschieden. Beim ersten Szenario („ohne BEV“) handelt es sich um das Referenzszenario, bei dem der Haushalt kein BEV besitzt. Beim zweiten („BEV (Monte Carlo)“) wurde das Nutzungsprofil und die Ankunftszeiten des BEVs mit der Monte-Carlo-Methode entsprechend den für Deutschland veröffentlichten Statistiken „gewürfelt“ und es erfolgte eine direkte Nachladung der verbrauchten Energie (20 kWh/ 100 km) ab jeweiliger Ankunftszeit. Abbildung 6: Batterievollzyklen und Eigenverbrauch eines Haushaltes (10 kW p PV-System, Lastschwerpunkt abends) abhängig von der Ladeleistung buch2.indb 128 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 129 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen Das dritte Szenario („Pendler*in (18 Uhr)“) entspricht einer Person, die jeden Arbeitstag die gleiche Strecke (50 km) fährt und zur gleichen Zeit (18 Uhr) nach Hause kommt. Die Wochenendnutzung entsprach dem zweiten Szenario. Das vierte Szenario unterschied sich vom dritten dadurch, dass die Nachladung nur am Wochenende ab 9 Uhr erfolgte. Im fünften Szenario wurde ein zweites BEV mit einer kürzeren mittleren Fahrtstrecke, das tagsüber geladen wird, zusätzlich zum vierten Szenario eingeführt. Mit den BEV steigt der jährlicher Gesamtstromverbrauch im Vergleich zum Referenzszenario von 4 MWh je nach Szenario (2) bis (5) auf 6,7 bis 8,1 MWh. Die Simulationen der fünf verschiedenen Szenarien wurden für die beiden Haushalte mit den zuvor beschriebenen Last- und Erzeugungsprofile für ein Jahr mit einer Auflösung von 15 min durchgeführt. Es wurden sowohl die Vollzyklen der Batterie als auch der Eigenverbrauch pro Jahr berechnet. 4.4 Untersuchungsergebnisse In Abbildung 6 werden als erstes Simulationsergebnisse eines Haushalts mit Lastschwerpunkt abends und einer 10 kW p PV-Anlage in Bezug auf die Ladeleistung dargestellt. Bei der Betrachtung der Ergebnisse für eine Ladeleistung von 3,7 kW ergibt sich für das Ausgangsszenario „ohne BEV“, dass nur Batterien von bis zu 6 kWh sinnvoll sind, basierend auf der Annahme, dass entsprechend [3] Batterien mindestens 250 Vollzyklen pro Jahr für eine gute Wirtschaftlichkeit erreichen sollten. Bei größere Kapazitäten steigt der Eigenverbrauch nur unwesentlich. Dafür fällt die Anzahl der Vollzyklen sehr schnell. Beim Betrachten des Szenarios „BEV (Monte Carlo)“ wird deutlich, dass in dem Fall das Laden eines Elektroautos sich nur für Batterien mit großen Kapazitäten positiv auf die Vollzyklen und den Eigenverbrauch auswirkt. Etwas besser wird der Eigenverbrauch für das Szenario „Pendler*in (18 Uhr)“. Die Vollzyklen sind in diesen Fall für einen Haushalt mit nur einem BEV am höchsten. Entsprechend dem Szenario „zwei BEVs“ senkt ein zweites BEV die Vollzyklen marginal. Dafür erhöht es den Eigenverbrauch. Grund hierfür ist, dass das zweite BEV in der Regel zur Mittagszeit geladen wird. Die Ergebnisse der Simulationen zeigen, dass das Verhalten entsprechend dem vierten Szenario „Pendler*in (WE-laden)“ im Hinblick auf den Eigenverbrauch am besten ist. Das liegt vor allem an der vermehrten direkten Nutzung von selbst erzeugten Strom. Dies führt aber auch dazu, dass die Vollzyklen in diesem Szenario gegenüber den anderen Szenarien mit BEV in der Regel niedriger sind. Teilweise sind sie sogar niedriger als die Vollzyklen des Szenarios „ohne BEV“. Der zusätzliche Strombedarf durch ein BEV steigert den Eigenverbrauch ohne Batterie nur dann signifikant, wenn das BEV über Tag geladen wird, wie im Fall des „Pendler*in (WE-laden)“. Eine kleine Batterie bis etwa 8 kWh erhöht zunächst den Eigenverbrauch des Haushalts - auch ohne BEV. Abbildung 7: Batterievollzyklen und Eigenverbrauch eines Haushaltes (4 kWp PV-System, Lastschwerpunkt abends & 3,7 kW Ladeleistung) Abbildung 8: Batterievollzyklen und Eigenverbrauch eines Haushaltes (10 kWp PV-System, Lastschwerpunkt mittags & 3,7 kW Ladeleistung) buch2.indb 129 13.01.20 15: 39 130 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen Erst darüber trägt die Batterie zu einer Erhöhung des Eigenverbrauchs aufgrund des BEV bei. Allerdings sinkt die Nutzung der Batterie (gemessen in Zahl der Vollzyklen) mit der Batteriegröße; insbesondere wenn auch über Tag geladen wird, wie im Fall „Pendler*in (WE-laden)“. Die Ergebnisse der Simulationen im Hinblick auf die Ladeleistungen 3,7 kW (Abbildung 6 links & rechts oben) und 11 kW (Abbildung 6 links & rechts unten) betrachtet, zeigen, dass eine höheren Ladeleistung zu einem verringerten Eigenverbrauch und dem entsprechend zu einem höheren Netzbezug führt. Eine Steigerung der Vollzyklen ist nur im Szenario „Pendler*in (WE-laden)“ vorhanden. Diese entsteht durch die signifikant verringerte Ladezeit am Wochenende, wodurch die Batterie öfter zyklisiert werden kann. Diese positive Wirkung ist bei allen Batteriegrößen ersichtlich. Grundlegend sei zu bedenken, dass die PV-Anlage oder der Speicher in keinen Fall alleine den hohen Leistungsbedarf von 11 kW liefern kann. Bei der Betrachtung der Simulationsergebnisse der Szenarien bzgl. eines Haushalts mit Lastschwerpunkt abends, einer 4 kW p Anlage und einer Ladeleistung von 3,7 kW (Abbildung 7) zeigt sich, dass die Ladung des BEVs nur geringfügig den Eigenverbrauch steigert. Eine Erhöhung der Batterienutzung, gemessen in Anzahl der Vollzyklen, entsteht durch die Ladung des BEV erst ab 8 kWh Energieinhalt der Batterie. Im Fall des Szenarios „Pendler*in (WE-laden)“ wird die Batterie sogar weniger zyklisiert als bei dem Szenario „ohne BEV“. Grund dafür ist, dass das BEV am Tag geladen wird und somit weniger Energie zum Zwischenspeichern in der Batterie zur Verfügung steht. Für einen Haushalt bei dem der Lastschwerpunkt mittags liegt die Anzahl der Vollzyklen niedriger als bei dem Haushalt mit dem Lastschwerpunkt abends (Abbildung 8). Die Batterie wird in diesem Fall seltener zyklisiert, da die meiste elektrische Energie bereits in den Mittagsstunden direkt von der PV-Anlage bezogen wird. Der Eigenverbrauch steigt durch die Ladung des BEV vor allem durch den Einsatz von Batterien mit Kapazitäten von mindestens 6 kWh. Die geringen Steigerungen der Eigenverbrauchskurven korrespondieren mit den niedrigen Vollzyklen. Auch hier zeigt sich, dass der Eigenverbrauch im Szenario „Pendler*in WE-laden“ in der Regel am höchsten ist. Nur durch den Einsatz von großen Speichern (min. 12 kWh) kann ein vergleichbares Ergebnis bei den Szenarien „Pendler*in (18 Uhr)“ und „zwei BEVs“ erreicht werden. Bei der Betrachtung der Ergebnisse zeigt sich, dass eine relevante Menge an Solarstrom für die E-Mobilität nur dann „übrig“ ist, wenn die PV-Anlage hinreichend groß ist (hier 10 kW p ). Ansonsten ergibt sich durch E-Mobilität mit und ohne PV-Speichersystem nur eine geringe Eigenverbrauchserhöhung. Für eine weitere Steigerung des Anteils von direkt geladenen erneuerbar generierten Strom ist der Ausbau der Lademöglichkeiten im öffentlichen und im halb-öffentlich Raum notwendig. 5. Elektrische Dienstfahrzeuge in den Wirtschaftszweigen Den Hochlauf der Elektromobilität wird maßgeblich von der Anzahl an Neuzulassungen bestimmt. 2/ 3 aller Neuzulassungen in Deutschland finden im Gewerbe als Dienstfahrzeuge statt [8]. Eine Metastudie „Netzintegration Elektromobilität [7] sieht hier noch erhöhten Forschungsbedarf. Deshalb haben wir analysiert, inwiefern die Fahrstrecken in den Wirtschaftszweigen mit heute auf dem Markt erhältlichen, rein elektrischen Fahrzeugen durchgeführt werden können (siehe auch Abbildung 9). Neben der Reichweite der Fahrzeuge, lag der Fokus auf möglichen Laderestriktionen, also ob diese rechtzeitig für den nächsten Trip nachgeladen werden können. Die Vorgehensweise und Ergebnisse sind veröffentlicht [13] und werden im Folgenden zusammengefasst aufgeführt. Abbildung 9: Zusammenfassung einzelner Fahrstrecken zu Rundfahrten (round trips) mit Start- und Endpunkt innerhalb des Unternehmens (company yard). Parkzeiten zwischen Rundfahrten ermöglichen Nachladevorgänge für batterieelektrische Fahrzeuge (BEVs). Für die Analyse wurden einzelne Fahrstrecken zu Rundfahrten (round trips) mit Start und Ende am Unternehmen (company yard) zusammengefasst (vgl. Abbildung 9). Da die Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur an Zielort nicht gewährleistet werden kann, wurde angenommen, dass ausschließlich am Unternehmen nachgeladen wird. Ein Ladevorgang findet immer innerhalb der Parkzeit (parking time) statt (vgl. Abbildung 10) . Er kann direkt nach der Fahrt (trip) oder später gestartet werden und in Abhängigkeit der Ladeleistung über die gesamte Parkdauer gestreckt werden. Rundfahrten mit Zwischenhalten am Unternehmen unter 1 Stunde werden zusammengefasst, auch wenn dadurch die Reichweite des Elektroautos für diese oder die nachfolgende Fahrt (längere Ladedauer zum Nachladen benötigt) nicht ausreichen sollte. buch2.indb 130 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 131 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen Abbildung 10: Zeitliche Flexibilität beim Ladevorgang (charging event): Ladezeitpunkt und Ladeleistung variieren innerhalb der Parkzeit (parking time) variiert, Ladezeit zeitlich verschiebbar, wenn kürzer als Parkzeit Als Datenbasis dient die Datenbank „Regional Eco Mobility (REM) 2030“ [10]. Aus den über 86.000 mitgeloggte Fahrstrecken von unterschiedlichen Unternehmen und in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen (sector) ergeben sich über 6300 Rundfahrten (siehe Abbildung 11). Ferner wurden Klein-, Mittelklasse und Oberklassewagen sowie Transporter betrachtet. Abbildung 11: Anzahl an Rundfahrten (round trips) je Wirtschaftszweig (sector) aufgeteilt nach Fahrzeugklasse. (Indizes nach der Statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (NACE), REV. 2 [12] Wie in Abbildung 11 dargestellt verteilen sich die Rundfahrten jedoch unterschiedlich auf die Wirtschaftszweige. In den Wirtschaftszeigen „verarbeitendes Gewerbe“ (sector C) und „Gesundheits- und Sozialwesen“ (sector Q) sind am meisten Fahrstrecken aufgenommen worden. Die Wirtschaftszweige unterhalb der schwarzen Linie werden dabei als nicht repräsentativ erachtet und deshalb nicht weiter analysiert. Abbildung 12 zeigt auf, dass Parkzeit in jedem der Wirtschaftszweige im Mittel deutlich die Fahrtzeit übersteigt, Im Gesundheitssektor (sector Q) ist die Parkzeit fast 8x so lang als die Fahrzeit. Abweichend von den anderen Sektoren ist im „Transport und Logistik“ (sector H) die mittlere Fahrzeit höher, wobei die Parkzeit (1,4-fache) dennoch überwiegt. Abbildung 12: Gemessene Fahrprofile verschiedener Wirtschaftszweige (sectors) im Mittel: In alle Sektoren überschreitet die Parkzeit die Fahrzeit (für Rundfahrten/ round trips), vom Gesundheitssektor, (sector Q) über das „produzierende Gewerbe“ (sector C) bis hin „Transport und Logistik“ (sector H). Im Folgenden werden die Ergebnisse werden anhand dem Sektor mit größter Datengrundlage, dem verarbeitenden Gewerbe (sector C) aufgezeigt. Abbildung 13: Mittlere Fahrstrecke (driving distance) und mittlerer Arbeitsradius (working radius) für die Rundfahrten (round trips) in Sektor C Bei Betrachtung der durchschnittlichen Fahrstrecken wird deutlich, dass pro Rundfahrt unter 150 km Reichweite, bei Kleinwagen sogar nur 70 km benötigt werden (vgl. Abbildung 13). Unter Berücksichtigung realer Verbrauchsdaten nach ADAC EcoTest [11] ist die Reichweite von den am Markt verfügbaren Elektrofahrzeuge buch2.indb 131 13.01.20 15: 39 132 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen (BEVs) ausreichend und könnten deshalb für die Dienstzwecke benutzt werden. Weiterhin zeigt die Abbildung 13 auf, dass die durchschnittliche Entfernung vom Unternehmen mit knapp über 30 km gering ist und längere Fahrten ggfs. für Nachladevorgänge am Unternehmen umgeplant werden könnten. In Abbildung 14 werden die einzelnen Rundfahrten für Sektor C betrachtet. Der Anteil an Rundfahrten ist über die jeweils benötigte Reichweite (als Entladetiefe der Batterie/ depth of discarge (DOD)) für jede Fahrzeugklasse aufgetragen. Hierbei wird ersichtlich, dass ein Anteil von 70% aller Fahrten weniger als 30% der verfügbaren Reichweite benötigen. Insgesamt wären die Fahrzeug-Reichweiten für bis zu 89% aller Fahrten ausreichend. Für die restlichen Fahrten wäre ein Zwischenladen an den Zielorten (destination charging) oder aber ein konventionelles Fahrzeug notwendig. Abbildung 14: Entladetiefe (depth of discharge (DOD)) für den Anteil an Rundfahrten (round trip) nach Rückkehr in Sektor C Neben der Fahrstrecke bzw. der notwendigen Reichweite ist auch wichtig, mit welcher Ladeleistung die Fahrzeuge in den Parkzeiten nachgeladen werden müssten um die zuvor zurückgelegte Fahrstrecke wieder nachzuladen. Annahme ist ein vereinfachtes Ladeprofil mit konstanter Ladeleistung. In Abbildung 15 wird zur besseren Veranschaulichung die Parkzeit ins Verhältnis mit der benötigten Ladezeit für verschiedene Ladeleistungen gesetzt. Entspricht die Parkzeit der Ladezeit (mit der gewählten Ladeleistung) ist das Verhältnis gleich 1 (schwarz gestrichelte Linie). Sollte die Ladeleistung für ein Nachladen innerhalb der Parkzeit nicht ausreichend sein, ist das Verhältnis kleiner 1 (Wert unterhalb der Linie) ist, übersteigt die Parkzeit die Ladezeit ist das Verhältnis größer 1. Abbildung 15: Anzahl aller Rundfahrten (insgesamt 1292) in Sektor C, geordnet nach dem Verhältnis zwischen Parkzeit und benötigter Nachladezeit (TF). Die Ladeleistung dient als Parameter. Ein Verhältnis gegeben. Das Verhältnis TF ≥ 1 bedeutet vollständig nachladbar innerhalb der Parkzeit. Im produzierenden Gewerbe übersteigt die Parkzeit die Ladezeit um das 5-fache in 40% aller Fahrten bei einer Ladeleistung von 2,3 kW. Bei gleicher Ladeleistung können alle inklusive der 70%-kürzestes Fahrt nachgeladen werden. Im Durchschnitt wird nur eine Ladeleistung von 0,37 kW benötigt, was auf die vielen kurzen Fahrten (vgl. Abbildung 15) zurückzuführen ist. Weitere Durchschnitts- und Spitzenleistungen für ausgewählte Fahrtenanzahlen können Tabelle 1 entnommen werden. Eine 11 kW Ladeleistung erlaubt es über 85% aller Fahrten nachzuladen. Die restlichen Fahrten benötigen höhere Ladeleistungen, wobei für 10% aller Fahrten außerhalb der verfügbaren Fahrzeug-Reichweiten liegen. Anzahl an Rundfahrten Durschnittliche Ladeleistung in kW Maximale Ladeleistung in kW 40% 0,11 0,45 70% 0,37 2,31 85% 0,71 7,85 89,3% (limit) 0,86 45,36 Tabelle 1. Benötigte Ladeleistung zum Nachladen nach Rückkehr zum Unternehmen für verschiedene Anzahl an Rundfahrten in Wirtschaftszweig „produzierendes Gewerbe“ (Sektor C) 4 von 5 Autos lassen sich innerhalb der Parkzeit über aller Wirtschaftszweige außer Sektor H nachladen (rote StrichPunktLinie), wenn eine kostengünstige Ladeinfrastruktur mit 11 kW Ladeleistung verwendet wird. Dies buch2.indb 132 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 133 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen kann Abbildung 16 entnommen werden, in welcher der Grenzfall, dass die Parkzeit der Ladezeit entspricht (Verhältnis gleich 1) für alle betrachteten Wirtschaftszweige dargestellt ist. Knapp 89 % aller Rundfahrten wären ohne Zwischenladen mit verfügbaren Elektrofahrzeuge durchführbar (91% für alle Sektoren ohne H in Abbildung 16). Abbildung 16: Anteil an vollständig nachladbaren Rundfahrten aller betrachteten Wirtschaftszweige, in Abhängigkeit der Ladeleistung, für den Grenzfall, dass die Parkzeit der benötigten Ladezeit entspricht. Zusammenfassend können 4 von 5 Dienstfahrten in allen Wirtschaftszweigen mit derzeit am Markt verfügbare Elektroautos durchgeführt werden. Ausnahme bildet der Transport und Logistik Sektor, hier ist ein Zwischenladen am Zielort häufiger notwendig. Würden rein elektrische Fahrzeuge für 70% aller Fahrten im produzierenden Gewerbe genutzt, könnte der Nachladevorgang bis zu 4,5x innerhalb der Parkzeit stattfinden. Ein intelligentes Lademanagement könnte somit die Ladevorgänge anpassen, sodass diese betreiber-, nutzer- und netzdienlich erfolgen könnten. 6. Reduktion der NOx-Belastungen in Baden- Württemberg mit dem Projekt „LINOx BW“ Das vom Bund geförderte Projekt LINOx BW- Aufbau von Ladeinfrastruktur zur Reduktion der NOx-Belastungen in Baden-Württemberg - hat zum Ziel, ca. 2.000 Ladepunkte in Baden-Württemberg aufzubauen. Im Sinne des Anreizes zum E-Auto-Kauf sollen die Auswirkungen auf die Reduktion der Stickoxide in den Kommunen für 5 Anwendungsfälle (Parkhäuser, Flottenbetreiber, Low- Cost-Laden privat, halb-öffentlich und im Straßenraum) mit Forschungspartnern analysiert werden. Angesprochen sind private, halböffentliche und öffentliche Partner aus Baden-Württemberg, die in Kommunen mit überhöhtem NOx-Wert (>40μg/ m³) ansässig sind. Unter Federführung des Städtetags Baden-Württemberg (STBW) haben sich im Verbundvorhaben fast alle der in Baden-Württemberg von hoher NOx-Emission betroffenen Kommunen zusammengeschlossen, um durch den Aufbau von Ladeinfrastruktur auch schon kurzfristig eine nachhaltige Verbesserung der Luftqualität zu erreichen. Insgesamt sollen bis zu 2.200 Ladepunkte in ca. 130 Einzelmaßnahmen von etwa 100 Letztzuwendungsempfängern (LZE) installiert werden. Dabei kann die Ladeinfrastruktur im sowohl privaten als auch im halb-öffentlichen Raum ohne keine 24/ 7-Zugänglichkeit errichtet werden. Im Rahmen des Projektes sind Förderquoten je nach Art des Antragstellers von 40%, 50%, 60% oder 100% insbesondere für Sach- und Investitionskosten für den Aufbau der Ladeinfrastruktur. Das besondere Angebot von LINOx BW besteht darin, ganz unterschiedliche Lösungen für den Aufbau von Ladeinfrastruktur (Wallboxen, Gleichstrom- und Wechselstromladesäulen unterschiedlicher Leistung, in Tiefgaragen, auf privaten Parkplätzen und Firmenhöfen, in Parkhäusern oder am Straßenrand) zu ermöglichen. Die Forschungspartner analysieren diese Lösungen übergreifend und stellen die Auswertungen und Ergebnisse für einen systematischen Know-how Transfer zur Verfügung. Insbesondere plant das ZSW im Rahmen des Projektes die Belastung der im Projekt installierten Ladeinfrastruktur auf das Netz bzw. die Möglichkeiten der Netzentlastung durch Lade- und Lastmanagement für verschiedene Anwendungsfälle exemplarisch zu ermitteln. Die Anwendungsfälle sollen dabei die verschiedenen Ladesituationen (öffentlich / nicht öffentlich, Konzentration von Ladesäulen, notwendige Ladeleistung in Abhängigkeit der Aufenthaltsdauer an der Ladesäule, etc.) abdecken, sodass aufgrund der ebenfalls im Vorhaben ermittelten Statistik der Ladevorgänge und Ladesituationen verallgemeinernde Betrachtungen gemacht werden können. 7. Intelligente Ladeinfrastruktur für Flottenfahrzeuge anhand dem Projekt eLISA-BW In der Karlsruher Parkgarage Waldhornstraße der Parkraumgesellschaft Baden-Württemberg wird aufgrund hoher Auslastung die bestehende Ladeinfrastruktur weiter ausgebaut. Dies erfolgt obwohl die Netzanschlussleistung für eine gleichzeitige Benutzung der gesamten Ladeleistung zu klein ist und nicht weiter erhöht werden kann. „Gelöst wird dieser scheinbare Widerspruch im Pilotprojekt „eLISA-BW“ durch ein intelligentes Lastmanagement, das Informationen aus verschiedenen Datenquellen verwendet.“ [14]. Das Projekt „E-Ladeinfrastruktur intelligent Steuern und Anbinden in Baden-Württemberg -(eLISA-BW)“ wird im Rahmen des von der Landesregierung initiierten Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg (SDA) im Förderprogramm „zur intelligenten Anbuch2.indb 133 13.01.20 15: 39 134 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen bindung von Ladeinfrastruktur in Parkhäusern und Tiefgargagen (INPUT)“ durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg gefördert. Projektleiter ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - Institut für Fahrzeugkonzepte. „Mittels eines innovativen intelligenten Lade-, Last-und Nutzungskonzepts unter Berücksichtigung der Charakteristika des Anwendungsfalls der E-Fahrzeug-Flotte des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe in der Parkgarage Waldhornstraße sollen hohe Netzbelastungen, Leistungsnachfragen und Gleichzeitigkeit und damit notwendiger Netzausbau vermieden werden“ [15]. Dazu wird im Projekt eLISA-BW sowohl eine Umfeldanalyse zur Nutzung von Parkgarage durchgeführt, Messequipment zum Monitoring an der Ladeinfrastruktur, am Netzanschlusspunkt sowie am vorgelagerten Trafo implementiert und die Ladepunkte über ein Backend angesteuert (vgl. Abbildung 18). Weiterhin wird ein intelligentes Lademanagement entwickelt. Diese steuert unter Nutzung von Buchungsdaten zur Fahrzeugnutzung der RP-Flotte sowie dem Monitoring die Ladeleistung an den neu installierten Ladepunkten. Hierbei müssen einerseits die Restriktionen durch den Hausanschluss und in der Hausinstallation stets eingehalten werden, andererseits zu den geplanten Nutzungszeitpunkten die Fahrzeuge ausreichend geladen sind. „Kern des Projekts bildet die Entwicklung einer Hard- und Softwarelösung zur Steuerung der Ladeleistung, die über geeignete Schnittstellen an verfügbare Informationsquellen angebunden wird und im Realbetrieb in der Parkgarage Waldhornstraße zum Einsatz kommt.“ -[15] Dies stellt eine grundlegende Verbesserung gegenüber anderen umgesetzten Projekten und verfügbaren Produkten dar. Ein Beispiel ist das System ChargeBig von Mahle (siehe Abbildung 17). Bei dem liegt die Ladeleistung nur bei maximal 7,2 kW (einphasig) und die Ladung der Fahrzeuge erfolgt nicht bedarfsorientiert, sondern gleichverteilt. Es ist zwar möglich mit diesem System in Parkräumen viele Standplätze mit Lademöglichkeiten ausstatten, jedoch sinkt die mögliche Flexibilität bei der Steuerung der Ladevorgänge. Abbildung 17: chargeBIG kostengünstiges Konzept mit begrenzter Ladeleistung (entnommen aus [16]) 8. Entwickelte Algorithmen zur optimierten Steuerung von Ladeinfrastruktur Damit eine Steuerung umgesetzt werden kann, wie sie in den Projekten LINOx BW und eLISA-BW benötigt werden, wurden erste Algorithmen für ein Lademanagementsystem in [17] entwickelt. Es ermöglicht optimierte Ladevorgänge für rein batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) unter Berücksichtigung einer festen Leistungsbeschränkung an einem ausgewählten (Gewerbe-) Standort. Der Fokus der ersten Entwicklung lag nicht vorrangig auf einem netzdienlichen Betrieb, sondern auf einer lokalen Lastoptimierung unter Berücksichtigung der Leistungsbeschränkung an (Gewerbe-) Standorten. Mit den gesteuerten Ladevorgängen soll eine Überschreitung der maximalen Netzanschlussleistung vermieden und zusätzlich die Mobilität der Nutzer möglichst nicht eingeschränkt werden, d.h. dass jedes BEV mindestens so weit zu laden ist (Zielladestand, kurz: Ziel-SOC), dass die nächste Fahrt gewährleistet werden kann. Der Ziel- SOC soll für jedes Elektrofahrzeug am Ende der individuellen Parkzeit erreicht sein. Dabei kann ausschließlich die Leistungsdifferenz zwischen lokaler (Gewerbe-) Last und Leistungsbeschränkung für die Ladevorgänge der BEVs verwendet werden. Weil sich dieselben zeitlichen Lademuster in allen Netzsegmenten wiederfinden, kann dadurch aber gleichzeitig eine überregionale Glättung des Energiebezuges erreicht werden. Das entwickelte Lademanagementsystem nutzt dabei das Lastverschiebungspotenzial (engl. Load Shifting), das sich aus dem Mobilitätsverhalten der Elektrofahrzeughalter ergibt, um neue Spitzenlasten in der lokalen elektrischen Lastkurve zu vermeiden (Spitzenlastkappung, engl. Peak Shaving) und zusätzliche Talfüllungen (engl. Valley Filling) in Zeiten niedriger Stromnachfrage zu ermöglich. Das Lademanagement folgt der Funktionsweise der modellprädiktiven Regelung und bezieht die Vorhersage der lokalen (Gewerbe-) Last sowie des Mobilitätsverhaltens für die gewerblich sowie privat genutzten Fahrzeuge über einen Vorhersagehorizont von 24 Stunden in die Optimierung mit ein. Die Basis des Mobilitätsverhaltens bilden die Erhebungsdaten der Studie »Mobilität in Deutschland 2008« (siehe [6]) und des Projekts »Regional Eco Mobility 2030« (siehe [10]). Es wird primär das Ziel verfolgt, die Summe der fehlenden Energiemengen für die folgende Fahrt aller Autos zu minimieren und bei vollständigem Erreichen des Ziel-SOC aller BEVs sekundär eine Überschreitung des Ziel-SOC zu ermöglichen. Um das prädiktive Lademanagement auf seine Performance zu testen, wurde es an einer fiktiven Fallstudie angewendet und mit den aktuell praxisüblichen Referenzfällen »First Come, First Serve« und »Gleichverteiltes Laden« sowie einer zusätzlich entwickelten Ladestrategie »First Leave, First Serve« verglichen. buch2.indb 134 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 135 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen Abbildung 18: Veranschaulichung zum Projekt eLISA-BW: Intelligentes Lademanagement für eine e-Dienstflotte mit Hilfe von Buchungsdaten und Monitoringdaten Der betrachtete (Gewerbe-)Standort im Bestand ist über den Netzanschlusspunkt an das öffentliche, elektrische Stromnetz angeschlossen und die technischen Komponenten des Netzanschlusspunkts sind ohne Elektromobilität geplant und ausgeführt. Es erfolgte eine Ersetzung der konventionellen Firmenfahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch Elektrofahrzeuge. Zusätzlich ermöglicht der (Gewerbe-) Betrieb die Ladung weiterer, privater BEVs. In der Fallstudie wurden so 20 BEVs (16 gewerblich und 4 privat genutzt) aus den Segmenten Klein-, Mittelklasse und Oberklassewagen sowie Transporter betrachtet. Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass die MPC-Optimierung für optimale Ladestände der BEVs sorgen kann. Es kommt nur zu wenigen Fahrten, bei denen der Ziel-SOC nicht erreicht wird. Darüber hinaus wird ersichtlich, dass die Ergebnisse der Referenzstrategien »First Come, First Serve« und »Gleichverteiltes Laden«, so wie sie in der Regel heute eingesetzt werden, den Ergebnissen der MPC-Optimierung deutlich in ihrer Performance unterlegen sind. Grundsätzlich ist an dieser Stelle festzuhalten, dass je größer der Informationsaustausch zwischen den Akteuren des Ladevorgangs ist, desto besser kann die gewählte Ladestrategie die benötigte Energiemenge für die nächste Fahrt bereitstellen. Außerdem zeigt sich anhand des Mobilitätsverhaltens und der beim Umstieg erforderlichen Batteriekapazität und Ladezeit, dass ein Großteil von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren durch heute schon verfügbare Elektrofahrzeuge substituiert werden kann. Das zeigt sich zum einen an überwiegend kurzen Distanzen, die je Fahrt am Tag zurückgelegt werden und zum anderen an hohen Parkzeit, die ein erhebliches Lastverschiebungspotenzial für BEVs ermöglichen. Literaturverzeichnus [1] A. Braun, “Stromspiegel für Deutschland 2017“, co- 2online gemeinnützige GmbH, Berlin, 2017 [2] J. Figgener, D. Haberschusz, K.-P. Kairies, O. Wessels, B. Tepe, D. U. Sauer, “Wissenschaftliches Mess- und Evaluierungsprogramm Solarstromspeicher 2.0 - Jahresbericht 2018”, Aachen, Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe RWTH Aachen, Juli 2018 [3] J. Binder, C. Williams, B. Schott, C. Günther, M. Danzer, “Dezentrale PV-Systeme: Amortisation von Batteriespeichern in Abhängigkeit von Systemauslegung, Alterung und Tarifen“, Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, 28. Symposium Photovoltaische Solarenergie, Bad Staffelstein, 2013 [4] C. Williams, “Distributed PV & Storage Systems for Demand Side Management: Algorithms to Analyze Domestic Benefit and Reduce Network Impact”, Freiburg im Breisgau, ff. 45-49, Januar 2013, unveröffentlicht buch2.indb 135 13.01.20 15: 39 136 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Intelligente Ladeinfrastruktur (LIS) für Elektrofahrzeuge in Parkhäusern und Tiefgaragen [5] Probst, M. Braun, S. Tenbohlen, “Erstellung und Simulation probabilistischer Lastmodelle von Haushalten und Elektrofahrzeugen zur Spannungsbandanalyse“, IEH Universität Stuttgart, Internationaler ETG-Kongress, Würzburg, Beitrag Nr. P06, 2011 [6] R. Follmer et al., “Mobilität in Deutschland 2008“, infas, DLR und Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Bonn, 2010. [7] H. Vennegeerts, J. Tran, F. Rudolph und P. Pfeifer, „Metastudie Forschungsüberblick Netzintegration Elektromobilität“, VDE FNN, bdew, Aachen, 12/ 2018, p. 27 [8] Federal Motor Transport Authority, „Neuzulassungen von Pkw im Jahr 2017 nach privaten und gewerblichen Haltern: Kraftfahrt-Bundesamt“, online available at https: / / www.kba.de/ DE/ Statistik/ Fahrzeuge/ Neuzulassungen/ Halter/ 2017_n_halter_dusl. html? nn=652344, access on 02/ 2019 [9] M. Schmidt, P. Bickel, S. 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Mieser, „Entwicklung und Realisierung eines prädiktiven Lademanagements für BEVs unter Berücksichtigung der Leistungsbeschränkung an Gewerbestandorten“, HFT Stuttgart, Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, Stuttgart, November 2019, unveröffentlicht buch2.indb 136 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 137 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus Dipl.-Ing. Rainer Wenke buch2.indb 137 13.01.20 15: 39 138 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 138 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 139 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 139 13.01.20 15: 39 140 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 140 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 141 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 141 13.01.20 15: 39 142 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 142 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 143 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 143 13.01.20 15: 39 144 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 144 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 145 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 145 13.01.20 15: 39 146 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 146 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 147 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 147 13.01.20 15: 39 148 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 148 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 149 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 149 13.01.20 15: 39 150 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 150 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 151 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 151 13.01.20 15: 39 152 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 152 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 153 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 153 13.01.20 15: 40 154 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 154 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 155 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 155 13.01.20 15: 40 156 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 156 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 157 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 157 13.01.20 15: 40 158 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 158 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 159 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 159 13.01.20 15: 40 160 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 160 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 161 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 161 13.01.20 15: 40 162 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 162 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 163 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 163 13.01.20 15: 40 164 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 164 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 165 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 165 13.01.20 15: 40 166 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Vorgehensweise der Feuerwehr beim Brand eines Lithiumionenakkus buch2.indb 166 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 167 Einheitliche Ladeinfrastruktur in Garagen und Parkplätzen Die Garage: Mobilitätsknotenpunkt & Servicecenter Michael Elbl e-carage Beratung Parkhaus Elbl Betreibs GmbH, Wien, Österreich Zusammenfassung Laut den letzten entsprechenden Auswertungen werden 80 % aller Ladungen von Elektrofahrzeugen im Off-Street Bereich erfolgen. Derzeit werden viele verschiedenen Insellösungen an Ladeinfrastruktur entwickelt und auf den Markt gebracht. Die Elektroautofahrer einerseits, sowie die Infrastrukturbetreiber (z.B. Parkplatz- und Garagenbetreiber) andrerseits benötigen aber ein einheitliches, synchronisiertes Ladesystem. Vergleichbar mit dem weltweiten System des Tankstellennetz für fossile Treibstoffe. Aber auch die Garage/ der Parkplatz selbst befinden sich im Wandel der Elektromobilität, der multimodalen Mobilität, Digitalisierung und dem wandelnden Servicegedanken. So wird die Garage/ der Parkplatz der Zukunft, Ladeinfrastruktur und Mobilitätshub, automatisiertes Parken & Laden ermöglichen und zudem beispielweise Onlineeinkäufe direkt in die Garage liefern lassen. 1. Ausgangslage In den kommenden Jahren werden die Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen stark steigen. Vor allem im urbanen Bereich müssen die bestehenden Garagen und Parkplätze zusätzlich mit einer entsprechenden Ladeinfrastruktur ausgestattet werden. 2. Voraussetzungen Laden von Elektrofahrzeugen mit Akkus benötigt Zeit und Raum. Garagen und Parkplätze bieten beides. Zu bemerken ist, dass Garagen und Parkplätze keine “Stromtankstellen” sind, sondern eben weiterhin zum Abstellen von Fahrzeugen dienen - nun zusätzlich mit einer Lademöglichkeit ausgestattet. Ladeinfrastruktur muss flächendeckend, ausreichend und zuverlässig errichtet werden. Durchschnittlich steht ein Fahr zeug täglich 23 Stunden. Genügend Zeit für eine schonende Akku Langsamladung mit 3,7 KW/ h oder für Kurzparker maximal 11KW/ h. Somit stößt man nicht gleich an die Grenzen des lokalen Strombezuges. 3. Herrausforderungen Um den Strombezug nicht überzustrapazieren bzw. alle in der Garage befindlichen Elektrofahrzeuge laden zu können, spricht man in diesem Zusammenhang gerne von Lastmanagmentlösungen. Dies ist zwar notwendig und bei Flotten durchaus gut anwendbar. Grundsätzlich ist jedoch Lastmanagement nicht unbedingt Kundenwunsch.erster Wahl. Individuelle Mobilität heißt auch Flexiblität & Spontanität - d.h., dass der Kunde jederzeit seine Mobilität in Anspruch nehmen können möchte. So werden verbesserte Akku Leistungen, Ausbau der Netze, intelligente Ladelösungen, aber auch die Speicherung von Strom das Thema Lastenverteilung entschärfen können. 4. Businessmodell Ladeinfrastruktur Um Investoren ein Geschäftsmodell bieten zu können, ist es naheliegend, dass man den abgegbenen Strom leistungsbezogen verrechnet. EVU’s haben dies als Ersters erkannt und versuchen seither ihr Kerngeschäft weiter auszubauen. Aber man ist als Ladestellenbetreiber nicht zwingend verpflichtet, sich das Geschäft aus der Hand nehmen zu lassen. Erfüllt man alle Vorraussetzungen, so lässt das EnWG in D und das ElWog in Ö den Verkauf von Strom an Dritte zu. 5. Vorraussetzungen einer Verrechnung von Stromabgabe Wie bei den Anfängen jeder technologischen Entwicklung, müssen die entsprechenden juristischen Rahmenbedingungen erst durch den Gesetzgeber geregelt werden. Dzt. bestehen in vielen Ländern große Gesetzteslücken und somit Unsicherheiten in Bezug auf die marktgerechte Ladesäule. buch2.indb 167 13.01.20 15: 40 168 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Einheitliche Ladeinfrastruktur in Garagen und ParkplätzenDie Garage: Mobilitätsknotenpunkt & Servicecenter 6. Was ist zu beachten? EU-Richtlinie für die Ladinfrastruktur - Ladesäulenverordnung - Eich- und Messwesen - Preisangabenverordnung - Konsumentschutz - elektrotechnische Sicherheitsbestimmungen - uvm. Dh. eine Ladeinfrastruktur, die im öffentlich zugänglichen Bereich installiert ist, muss oben aufgezählte Richtlinien, Gesetze und Verordnungen erfüllen, damit diese z.B. mit einer entsprechenden Konformitätsbewertung von der PTB ausgestattet und am Markt bedenkenlos eingesetzt werden kann. 7. Ladeinfrastruktur in Garagen und Parkplätzen Weltweit sind die Tankstellen für fossile Treibstoffe einheitlich geregelt und synchronisiert.. Ein einheitliches Tankstellennetz ist überregional verfügbar und gibt der Mobilität mit Verbrennungsmotor eine uneingeschränkte Reichweite. Nachdem 80 % aller Ladungen in Garagen und Parkplätzen erfolgen werden, ist es von Nöten die Entwicklung der Ladeinfrastruktur genau dort ankoppeln weiter ansetzen. Weltweit sind die meisten Parkabfertigungsanlagen ebenfalls synchronisiert und einheitlich verwendbar Die bekanntesten Systemhersteller im DACH Raum sind SKIDATA, Scheidt & Bachmann, Designa, etc. Es bedarf nur des Implementierens der Ladeinfrastuktur in das bestehende Parabfertigungssystem. Einfahren - Parken - Laden - Zahlen … - Der Kurzparker zieht wie gewohnt ein Kurzparkticket am Einfahrtsschranken und aktiviert damit auch die Ladesäule in der Garage. Ist der Park- und Ladevorgang beendet, können beide Umsätze (park & charge) separat ausgewiesen am Kassenautomaten bezahlt warden. - Der Dauerparker verwendet wie gewohnt die Dauerpakkarte beim Einfahrtsschranken und aktiviert mit damit ebenfalls die Ladesäule in der Garage. Ist der Ladevorgang beendet, wird dieser Umsatz (park & charge) am Kassenautomaten bezahlt. So kann zummindest in öffentlichen Garagen und Parkplätzen rasch ein einheitlicher Standard für Ladeinfrastruktur entstehen. Keine Insellösungen, keine Abhängigkeiten von Registrierungen und Apps, keine Probleme mit Raoaming und DSGVO. 8. Die Garage als Mobilitätsknotenpunkt Sämtliche Bereiche unseres Lebens unterliegen einem ständigen Wandel. Wohnen, Arbeiten und die Mobilität verändern sich in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Die wichtigste Triebfeder dieser Entwicklung ist die Ersparnis von Zeit & Geld. War früher eine Garage lediglich ein Aufbewahrungsort für Fahrzeuge, so entwickelt sich diese immer mehr zum Mobilitätsknotenpunkt = Mobilitätshub für die multimodale Mobilität. Womit man auch anreist und seine Wege fortsetzt die Garage ist die Umstiegsstelle aller Mobilitätsformen. Die Garage ist noch mehr - ein Servicecenter! Online Einkäufe werden in die Garage zugestellt, Autos werden in der Stehzeit gereinigt, geladen, geparkt, weitervermietet, etc., Storage, Carsharing, SB Corner für Bankgeschä fte, Snack- und Getränkeautomaten 9. Fazit: Die Garage / der Parkplatz der Zukunft muss für den Wandel im Bereich Mobilität - Schwerpunkt Ladeinfrastruktur und Digitaliserung, autonomes Fahren umgerüstet sein. buch2.indb 168 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 169 Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektro-Parkräume Matthias Bohnert Securiton GmbH, Achern, Deutschland Zusammenfassung Das nachfolgende Sicherheitskonzept untersucht die Gefahren und Risiken, die mit dem Aufbau von Ladeinfrastruktur und dem Parken von Elektroautos in Gebäuden einhergehen. Ladesäulen- und Parkhausbetreiber sollten im Rahmen der Betreiberverantwortung den sicheren Betrieb der elektrotechnischen Anlagen gewährleisten und müssen sich somit mit einem Einrichtungsschutz auseinandersetzen. Die Hypothese, dass ein Brand von Elektroautos nicht gefährlicher ist als bei einem PKW mit Verbrennungsmotor, wird aufgrund der Kriterien Brandverhalten/ -entwicklung, Schadstoffaustritte und Temperatur falsifiziert. Eine Aussage über die Brandhäufigkeit kann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht gegeben werden. Der Einrichtungsschutz besteht aus Komponenten der Sonderbrandmeldetechnik, die einen Brand in den betrachteten Schutzszenarien detektieren, einer Abschaltung des Ladestroms und dem entsprechenden Alarmmeldekonzept. In Prävention investiertes Kapital zur Vermeidung von Personen- und Sachschäden amortisiert sich in kürzester Zeit. Es ist immer wirtschaftlicher, Maßnahmen zur Verhinderung von Schadensereignissen zutreffen, als später die Schäden beseitigen zu müssen. Ganz abgesehen von nicht heilbaren psychologischen Schäden bei betroffenen Personen. 1. Einleitung und Motivation Die kommenden Jahre bis 2022 sind für die Entwicklung der Elektromobilität entscheidend. Fast alle der großen Autohersteller kündigen neue Modelle an, die mehr Komfort, größere Reichweiten und höhere Geschwindigkeiten versprechen. Der Traum der emissionslosen Fortbewegung scheint sich zu erfüllen. Um das Ziel „eine Million Elektroautos“ bis 2022 zu erfüllen, ist ein massiver Aufbau der Ladinfrastruktur (nachfolgend LIS) vor allem in urbanen halb-öffentlichen und öffentlichen Bereichen erforderlich [1]. Was auf der einen Seite der Umwelt zugutekommt, birgt auf der anderen Seite aber bisher kaum bekannte Gefahren. Datum Ort Ereignis Qu. 09.08. 2019 Spielberg, Österreich MotoE: Eine der zehn mit Diesel-Generatoren bestückten Ladestationen explodierte. [2] 30.07. 2019 Herbolzheim, Baden Defekt an der Platine brachte die Ladestation zum Brennen. Stromzufuhr musste manuell gekappt werden. [3] 15.05. 2019 Recycling- Firma, Offenbach Ein Brand in einem Recycling-Betrieb in Offenbach hat für einen Großeinsatz von Feuerwehr und Polizei gesorgt. [4] Tabelle 1: Unfallereignisse Elektromobilität Eine umfangreichere Ausführung der vergangenen Unfallereignisse ist im Anhang aufzufinden. 2. Grundlagen zum Sicherheitskonzept Dieses Sicherheitskonzept untersucht zwei Schutzszenarien und richtet sich an die Zielgruppe der Ladestationsbetreiber, -hersteller sowie Parkhausbetreiber. Das Sicherheitskonzept zielt zudem auf die halbprivaten, buch2.indb 169 13.01.20 15: 40 170 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektro-Parkräume halböffentlichen und öffentlichen Standorte für Ladeinfrastruktur ab. - Schutzszenario 01: Ladeinfrastruktur - Schutzszenario 02: E-Parkräume Gemäß DIN 14675-1 wird das Sicherheitskonzept der Kategorie 4 „Einrichtungsschutz“ zugeordnet. Diese Schutzkategorie kann spezielle Funktionen, Ausrüstungen oder Bereiche mit hohem Risiko schützen [5]. Die Ladeinfrastruktur sowie die E-Parkräume stellen einen solchen Risikobereich dar. Gemäß Mustergaragenverordnung (nachfolgend M-GARVO) kommen vor allem für geschlossene Mittel- und Großgaragen Brandmeldeanlagen zum Einsatz [6]. Diese Verordnung wurde zuletzt 2008 aktualisiert und so stellen derzeit auch Ladestationen und Elektroautos keine veränderten Anforderungen an Brandabschnitte, Brandschutztüren, Sprinkleranlagen oder Feuerlöscher [7]. Ladesäulen dienen der Abgabe von elektrischer Energie an Elektromobile und sind als Energieanlagen i. S. d. §3 Nr. 15 EnWG zu qualifizieren. Der Ladestationsbetreiber muss im Rahmen der Betreiberverantwortung gewährleisten, dass von der elektrotechnischen Anlage kein Elektro- oder Brandunfall verursacht wird. Bei dem Ladesäulenbetreiber kommen für die Haftung gegenüber seinen Kunden (dem Eigentümer des Parkhauses) in dem die Ladesäulen stehen, sowie gegenüber unbeteiligten Dritten zwei Haftungsgrundlagen in Betracht: - die vertragliche oder vertragsähnliche Haftung und - die Haftung aufgrund von Verkehrssicherungspflichten [8]. Der Betreiber muss regelmäßige Prüfungen und Gefährdungsbeurteilungen i.d.R. durch eine zertifizierte Elektrofirma durchführen lassen [9]. 2.1 Schutzszenario 01: Ladeinfrastruktur Derzeit sind ca. 16.000 Ladestationen in Deutschland in Betrieb. Ladestationsarten, Anschlussleistungen und Anzahl der Ladepunkte können sich hierbei unterscheiden. Da an einer Ladesäule ein sehr hoher Energieumsatz pro Zeit ermöglicht wird (bei der Ladebetriebsart 4 bis zu 200A/ 1000V), ist hier eine latente Gefahrenquelle vorhanden. Abbildung 1: Schaden Ladestation [10]. Durch eine fehlerhafte Handhabung von Verlängerungskabeln, Kabeltrommeln, Mehrfachsteckdosen sowie einer Quetschung oder Abscherung von Ladekabeln kann eine Defekt beim Ladevorgang auftreten [11, 12]. In der Ladestation können durch eine Alterung der elektronischen Komponenten (bei jahrelangem Betrieb) sowie schwierigen Umgebungsbedingungen (Feuchtigkeit, extreme Temperaturen etc.) Brände durch einen Kurzschluss hervorgerufen werden [13, 14]. Ein weiteres Risiko besteht in der Sachbeschädigung der Ladestationen durch manuelles Einwirken von Elektroauto oder eines Vandalen. Beispielsweise kann durch einen Zigarettenstummel in der Ladesäule eine Brandentwicklung hervorgerufen werden. Ein Risiko der Überladung eines Autos durch die Ladestation ist dagegen schwer vorstellbar, da hier ein Defekt in der Kommunikationsschnittstelle sowie der Klimatisierung der Batterie vorliegen müsste. Das Risiko ist vorhanden, aber gering [15]. Die Ladesäulen je nach Hersteller differenzieren sich in den technischen Ausstattungen, haben aber keine VdS-zertifizierte Sensorik zur Branddetektion und -meldung integriert. Ein Temperatursensor, der eine Kühlung der Säule initiiert, stellt keine Lösung des vorbeugenden Brandschutzes dar. 2.2 Schutzszenario 02: Elektro-Parkräume Da im Durchschnitt ein PKW 95% der Zeit (23h/ Tag) parkt, liegt ein signifikantes Risikopotenzial eines Zwischenfalls bei den Elektro-Parkräumen. Es wird explizit von „Räumen“ gesprochen, da somit die Dreidimensionalität des Schutzszenarios verdeutlicht wird. Um die Risiken eines Elektroautos zu erläutern, wird nachfolgend ein Vergleich zu den Kriterien Brandhäufigkeit, Brandentwicklung/ -verhalten, Temperatur, Zündquellen, Schadstoffe und Möglichkeiten der Detektion und Bekämpfung mit einem PKW-Verbrenner gezogen. buch2.indb 170 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 171 Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektro-Parkräume Brandhäufigkeit: In Deutschland brennen jährlich ca. 15.000 PKWs. Davon sind 20-30% auf politische motivierte Anschläge zurückzuführen. Ferner sind Brände auf technische Defekte, wie Motorbrände und heißgelaufene Räder zurückzuführen. Aufgrund der geringen Verbreitung von vollelektrischen Fahrzeugen und der noch schwachen Datenlage lässt sich keine Rückschlüsse über die Brandhäufigkeit ziehen [16,17]. Brandentwicklung/ -verhalten: In diesem Kriterium sind wesentliche Unterschiede zwischen einem PKW mit Verbrennungsmotor und einem Elektroauto zu erkennen. Ein Gros der Brände von Verbrenner- Fahrzeugen entstehen im Bereich des Motors. Bei einer geschlossenen Fahrgastzelle dauert ein Flammenübergriff zwischen zehn und zwanzig Minuten. Grundsätzlich gibt es beim Verbrenner, anders als in Spielfilmen gezeigt wird, keine Explosion! Es handelt sich um eine moderate Flammenausbreitung und es dauert mehrere Minuten bis zu einem Vollbrand. Schäden an einer Batteriezelle oder an der Struktur des Zellinneren führen zu einer Überdruckbildung und einer Überhitzung. Dieser Vorgang zeichnet sich durch thermische (Stichflammen) und akustische (Zischen, leichtes Knallen) Effekte aus. Zeitgleich erfolgt eine Deflagration, die mit einer starken Ausgasung und Rauchbildung startet. Die Ausbreitung dieser Deflagration auf weitere Batteriemodule wird als „Thermal Runaway“ bezeichnet. Dieser ganze Vorgang dauert unter 30 Sekunden. Ein weiteres Merkmal des Brandverhaltens eines Elektroautos liegt in dem ständigen Neuentfachen des Brandes aufgrund der Wiederentzündbarkeit der Batterie [18,19,20]. Abbildung 2: Brand E-Auto in China [21]. Brandtemperatur: Um einen Vergleich der Brandtemperatur bei Elektroautos und Verbrennern bewerten zu können, müssen beide Brandszenarien mit den gleichen Rahmenbedingungen stattfinden. Dies ist in der Forschung noch nicht durchgeführt worden. Jedoch lässt sich aus vergangenen Brandversuchen ableiten, dass die Brandtemperatur eines Elektroautos in der Vollbrandphase ca. 100-250°C heißer ist, als von einem Verbrenner. Dies könnte Auswirkungen auf die Bausubstanz und somit der Statik eines Gebäudes haben. Auslöser/ Zündquellen: Auslöser für Brände bei Verbrenner sind Verkehrsunfälle, ausgelaufener Kraftstoff, Bremsen, schadhafte Autoreifen, elektrische Kurzschlüsse sowie Brandstiftungen. 80-90% der Brände beginnen im Bereich des Motors. Bei einem Elektroauto können Defekte im Kühlkreislauf, elektrische Kurzschlüsse sowie Brandstiftungen zu Bränden führen. Zudem wird ein Zersetzungsprozess in der Batterie ab einer Temperatur von 70°C gestartet. Der Hauptunterschied ist neben dem elektrifizierten Antriebsstrang die Energiespeicherung. Während bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor die Energie zumeist in Form flüssiger, fossiler Treibstoffe (z.B. Benzin, Diesel) gespeichert wird, stammt sie bei einem Elektrofahrzeug aus elektrochemischen, wieder aufladbaren Batterien, die aus hochreaktiven und brennbaren Bestandteilen sind [18,20,22]. Schadstoffaustritt: Besonderheit beim Verbrenner sind austretende Benzoldämpfe, die beim Einatmen giftig sind und akute und chronische Krankheiten verursachen können. Elektroautos stoßen dabei weitaus mehr Schadstoffe aus. Es ist zu beachten, dass aufgrund des Fluors, welcher in den Elektrolyten der Li-Batterie vorhanden ist, toxischer Fluorwasserstoff ausgesetzt wird. In Verbindung mit Wasser kann sich die sogenannte Flusssäure bilden. Bei einem Brand der Li-Batterie wird der IDLH- Wert (Maximalwert der Konzentration in der Luft) von mehreren Gasen um ein Vielfaches übertroffen. Die Lithium-Konzentration wird um das 600-fache, Kobalt um das 55-fache und Mangan um das Zweifache überstiegen. Besonders kritisch muss die Geschwindigkeit der Schadstofffreigabe gesehen werden. In der Zeitspanne, in der sich Flüchtende in Sicherheit bringen, können diese bereits Schäden aufgrund der hohen Schwermetallkonzentration davontragen [20]. Die Maßnahmen zur Branddetektion und -bekämpfung werden in der nachfolgenden Handlungsempfehlung zum Einrichtungsschutz aufgezeigt. 3. Handlungsempfehlung zum Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektro-Parkräume Im Fokus der Handlungsempfehlung liegt aufgrund der vorausgegangenen Risikobetrachtung der Brandschutz. Ziel ist es, den Brand in der Ladestation oder eines E-Autos so früh wie möglich zu detektieren und mit dieser Detektion weitere Prozesse auszulösen. Für eine Branddetektion werden Brandmeldegeräte eingesetzt, die Komponenten einer Brandmeldeanlage sind. Diese Melder dienen der Branderkennung und können bei Detektion eines Feuers einen Alarm auslösen. Dieser Alarm wir dann an die Brandmeldezentrale geleitet, die wiederum an die Feuerwehr aufgeschaltet werden kann. Neben diesen automatischen Brandmeldern, können auch nichtautomatische Brandmelder, z.B. Handfeuermelder, eingesetzt werden. Grundsätzlich können die Brandmelder in zwei Kategorien unterteilt werden: die bekannten punktförmigen Brandmelder, die in diversen Varianten verfügbar sind, sowie die Sonderbrandmelder. Zur letzten Kategorie zählen unter anderem Ansaugrauchmelder und lineare Wärmemelder. Je nach Anwendung und Umbuch2.indb 171 13.01.20 15: 40 172 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektro-Parkräume gebungsbedingung werden geeignete Brandmelder ausgewählt, um einen Brand schnell detektieren zu können ohne dabei Täuschungsalarme auszulösen [6,23]. In der Abbildung 3 wird eine Darstellung der Empfindlichkeitsstufen von Brandmeldern aufgeführt. Es ist zu erkennen, dass ein Ansaugrauchmelder bereits bei einer geringen Rauchkonzentration (in der Pyrolysephase) detektieren kann. Ein Ansaugrauchmelder kann bis um das 70-fache sensibler konfiguriert werden als ein konventioneller Punktmelder. Wärmemelder sind zu empfehlen, sobald schmutzige, feuchte und temperaturschwankende Rahmenbedingungen vorliegen. Abbildung 3: Empfindlichkeit von Brandmeldern 4. Brandfrühestdetektion für einen vorbeugenden Brandschutz Frühzeitige Branddetektion rettet Leben und Sachwerte, deshalb wird der Einsatz von Sonderbrandmeldetechnik für die Ladesäulen- und Elektro-Parkräume empfohlen. In urbanen, unterirdischen Infrastrukturen (z.B. Tiefgaragen) erschweren die Umgebungsbedingungen (Feuchtigkeit, Abgase, extreme Temperaturen) eine zuverlässige Branddetektion mit konventionellen Punktmeldern. Abbildung 4: Ansicht eines linearen Wärmemelders [23]. Mit linearen Wärmemeldern kann gerade in Parkhäusern, die mit hohen Verschmutzungsgrade aufgrund der Abgasen rechnen müssen, Fehlalarmraten und Wartungskosten gesenkt werden. In der Ladestation können Ansaugrauchmelder eingesetzt werden, die bereits bei einem Brand in der Pyrolysephase eine sofortige Abschaltung der Stromzufuhr initiieren. Der Alarm kann an die Leistelle des Kunden oder der Feuerwehr übertragen werden. Es ist zu empfehlen, dass Parkflächen, welche noch nicht überwacht werden, dringendst mit Sonderbrandmeldetechnik ausgestattet werden sollten, um ein flächendeckendes Brandschutzkonzept zu ermöglichen. Auch offene Parkhäuser sollten einen Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und E-Parkraum-flächen realisieren. Zunächst gilt es zu prüfen, ob das Objekt für die neue Herausforderung noch ausreichend geschützt ist. Ist die verbaute normenkonforme Brandmeldeanlage überhaupt noch technisch in der Lage, die neuen Gefahren der E-Mobilität abzuwenden? Sind die bisher verbauten linienförmigen Wärmemelder bei Anwendungen mit Ladesäulen noch das richtige Schutzkonzept, oder ist es evtl. besser auf Ansaugrauchmelder umzurüsten, die in der Lage sind einen Entstehungsbrand zu detektieren? Organisatorische Maßnahmen unterstützen den Brandschutz und die Brandbekämpfung Der Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektrofahrzeuge könnte als „eigener“ Brandabschnitt definiert werden. Zudem sollten keine leichtentzündlichen Materialien in der Nähe der Ladeinfrastruktur gelagert werden. Videodetektionssysteme unterstützen bei Ermittlungen im Schadensfall, da ja gerade im Zivilrecht die Beweislastumkehr gilt. Ladesäulen sind auf Erdgeschossebene zu errichten, damit im Brandfall das Fahrzeug zeitnah aus dem Gebäude entfernt werden kann. Sprinkler-Anlage und Rauchgasabsaugung sind neben einer Brandmeldeanlage ein Muss. Mit der Rauchabsaugung erfolgt eine Reduzierung der Schadstoffkonzentration und mit der Sprinkler-Anlage kann das Fahrzeug schnell mit dem geeigneten Löschmittel Wasser gelöscht werden. Zudem sollten zur Prävention Feuerlöscher in der Nähe der Ladeinfrastruktur platziert werden. 5. Kritische Diskussion und Fazit In zahlreichen Studien wurde nachgewiesen, dass in Prävention investiertes Kapital zur Verhinderung von Personen- und Sachschäden sich in kürzester Zeit amortisiert. Es ist immer wirtschaftlicher, Maßnahmen zu treffen, die das Eintreten von Schadensereignissen verhindern, als später die Schäden beseitigen zu müssen. Ganz abgesehen von nicht heilbaren psychologischen Schäden bei Personen, die Opfer einer Gewalttat oder Zeuge eines dramatischen Unfalls wurden. Die M-GarVO wurde 2008 zuletzt aktualisiert. Vor allem die Brandrisiken der Lithium-Ionen-Akkus in Elektrofahrzeugen geben Anlass, diese Verordnung bald den sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. buch2.indb 172 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 173 Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektro-Parkräume Im Zivilrechtsprozess gilt stets die Beweislastumkehr. Allein durch diese Haftungsthematik, sollte der Betreiber der Ladestationen und der Parkhäuser vorbeugende Maßnahmen ergreifen. Literaturverzeichnis [1] NEP. 2019. „Ziele Elektromobilität“. Nationale Plattform Elektromobilität (blog). 2019. http: / / nationale-plattform-elektromobilitaet.de/ hintergrund/ die-ziele/ #tabs. [2] Wiesinger, G. 2019. „MotoE: Wieder Feuer - Ladestation ist explodiert“. SPEEDWEEK. 2019. https: / / www.speedweek.com/ moto-e/ news/ 147301/ MotoE-Wieder-Feuer-e28093-Ladestation-ist-explodiert.html. [3] Feuerwehr Herbolzheim. 2019. „Einsatz am 30. 07.2019 um 17: 56 Uhr“. Herbolzheim. https: / / www. feuerwehr-herbolzheim.de/ einsaetze/ 1962/ detail/ Kleinbrand/ . [4] Hessenschau, hessenschau de, Frankfurt. 2019. „Großeinsatz bei Brand in Offenbacher Recycling-Firma“. hessenschau.de. 15. Mai 2019. https: / / www.hessenschau.de/ panorama/ grosseinsatz-bei-brand-in-offenbacher-recycling-firma,brand-recycling-unternehmen-100.html. [5] DIN. 2018. 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[27] Klarner, Karl-Heinz, und Maik Schumann. 2018. „Ladestation fängt Feuer : Brand in Mehrfamilienbuch2.indb 173 13.01.20 15: 40 174 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektro-Parkräume Anhang Anhang zur Tabelle 1 - Unfallereignisse Elektromobilität Datum Ort Ereignis Quelle 09.08.2019 Spielberg, Österreich MotoE: Wieder Feuer - Ladestation ist explodiert; eine der zehn mit Diesel-Generatoren bestückten Ladestationen war explodiert. [2] 30.07.2019 Herbolzheim, Baden Platine in Ladestation brachte die Ladestation zum Brennen. Stromzufuhr musste manuell gekappt werden. [3] 15.05.2019 Offenbacher Recycling-Firma Ein Brand in einem Recycling-Betrieb in Offenbach hat für einen Großeinsatz von Feuerwehr und Polizei gesorgt. Schätzungsweise über 100 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei waren zeitweise vor Ort. [4] 09.04.2019 Schorndorf, Firmengebäude Firmengebäude von Akkuhersteller komplett abgebrannt - Sachschaden in Höhe von 1,5 Millionen [24] 20.03.2019 Singen, Postgebäude Teuchern, Parkplatz Nach Bränden bei zwei Elektrolieferwagen vom Typ StreetScooter hat die Post zeitweise rund 460 der selbst produzierten Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen. Auslöser der Brände seien offenbar fehlerhafte Verschweißungen im Bereich der Batterien gewesen [25] 06.09.2018 Karlstein, Firmengebäude Brand eines Hochleistungsakkus Schaden: > 1Mio. €; Rauchvergiftung von Mitarbeitern [26] 18.08.2018 Sangerhausen, Keller in Mehrfamilienhaus Ladestation fängt Feuer Brand in Mehrfamilienhaus in Sangerhausen Schaden: unbekannt; keine Verletzten [27] 01.06.2018 TU Darmstadt, Werkstattbrand Explosion einer Li-Batterie mit zwei Verletzten und 5.000€ Sachschaden [28] 24.11.2017 Reutlingen, Parkplatz Elektro-Smart in Brand geraten - Einsatzkräfte vor großer Herausforderung Schaden: Totalschaden Smart, Umfangreiche Löscharbeiten [29] 07.02.2017 Hannover, Parkhaus E-Bike-Akku explodiert - Brand in Parkhaus; Ladeneinrichtung wurde vollkommen zerstört Schaden: 500.000€ [30] 03.12.2015 Offenburg/ Friesenheim Brand gemeldet - Vermutlich beim Laden von Batterien durch Kurzschluss der Ladestation zu Brand gekommen Schaden: 2.000€ [31] haus in Sangerhausen“. 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Brand gemeldet - Vermutlich beim Laden von Batterien durch Kurzschluss der Ladestation zu Brand gekommen (blog). 2015. https: / / www.regiotrends. de/ de/ polizeiberichte/ index.news.291406.brandgemeldet---vermutlich-beim-laden-von-batteriendurch-kurzschluss-der-ladestation-zu-brand-gekommen.html. buch2.indb 174 13.01.20 15: 40 Schutzmaßnahmen buch2.indb 175 13.01.20 15: 40 buch2.indb 176 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 177 Untersuchungen zur Druckwasserbeständigkeit rissüberbückender Beschichtungssysteme für Tiefgaragenbodenplatten im Grundwasser Christoph Dauberschmidt Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Felix Becker Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Zusammenfassung Die Anwendung von rissüberbrückenden Beschichtungssystemen auf WU-Bodenplatten zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit ist nach aktueller Auslegung des DBV Merkblatts Parkhäuser und Tiefgaragen [DBV18] keine den Anerkannten Regeln der Technik folgende Ausführungsvariante. So können bei Bodenplatten, die nach WU-Richtlinie [WUR17] ständig oder zeitweise drückendem Wasser ausgesetzt sind, aus Zwangsspannung Trennrisse im Beton entstehen, die zu einer rückseitigen Druckwasserbeanspruchung der rissüberbrückenden Beschichtung führen. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens wurde am Institut für Material- und Bauforschung der Hochschule München eine Versuchsanordnung entwickelt, mit der der Lastfall anstehendes Wasser mit einem Druck bis zu 30 Meter Wassersäule in einem Trennriss simuliert werden kann. Durch diese Versuchsanordnung können rissüberbrückende Beschichtungssysteme auf ihre Robustheit im Sinne ihrer Druckwasserbeständigkeit bei sich ändernden Rissbreiten über einen definierten Zeitraum untersucht werden. Im Rahmen der Veröffentlichung werden die Methodik sowie erste erzielte Ergebnisse vorgestellt. 1. Einleitung Die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauteilen in Parkhäusern und Tiefgaragen erfolgt gemäß DBV Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen [DBV18] über verschiedene Entwurfsgrundsätze mit unterschiedlichen Varianten: - A: ohne flächiges Oberflächenschutzsystem oder ohne Abdichtung mit besonderen Maßnahmen bei Rissen und Fugen i.d.R lokaler Schutz durch z.B: rissüberbrückende Rissbandagen - B: mit flächigem Oberflächenschutzsystem - C: mit flächiger rissüberbrückender Abdichtung und Schutzschicht. Durch die beschriebenen Varianten soll ein Eindringen von Chloridionen, welche in den Wintermonaten in die Parkbauten eingeschleppt werden und Lochkorrosion initiieren können, über die Lebensdauer der Stahlbetonbauteile auf ein unschädliches Maß reduziert werden. Entsprechend müssen die für die geplanten Varianten zu treffenden Maßnahmen den auftretenden Einwirkungen eine ausreichende Widerstandsfähigkeit entgegenbringen. Betrachtet man die häufig verwendeten Varianten mit Oberflächenschutzsystemen und Rissbandagen können nach Wolff [WOL09] folgende Schadensbilder auftreten. Abbildung 1: Einwirkungen auf Oberflächenschutzsysteme in Parkbauten, in Anlehnung an [WOL09] 2. Problemstellung Werden Beschichtungen mit rissüberbrückenden Eigenschaften auf wasserundurchlässigen Bodenplatten aufgebracht, kann dies zu Problemen führen. Bei Bodenplatten, die nach WU-Richtlinie des DAfStb [WUR17] der Beanspruchungsklasse 1 entsprechen, können aus buch2.indb 177 13.01.20 15: 40 178 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Untersuchungen zur Druckwasserbeständigkeit rissüberbückender Beschichtungssysteme für Tiefgaragenbodenplatten im Grundwasser Zwangsspannung resultierende Trennrisse im Beton zu einer rückseitigen Druckwasserbeanspruchung der rissüberbrückenden Beschichtung führen. Durch die stetige Wasserbeanspruchung innerhalb des Risses wird die Selbstheilung des Betons behindert, wodurch der Abbau des Wasserdrucks verhindert wird. Die Folge ist ein erhöhtes Risiko der Delamination und Beschädigungen des Beschichtungssystems [DBV18], [FIE06], [WOL09], was letztlich zu Blasenbildung führt. Da die Grundierung der Beschichtungen starr ist, reißt diese infolge eines entstehenden Risses. Folglich baut sich der Wasserdruck unterhalb der elastischen Schwimmschicht auf. Neben den Einwirkungen aus hydrostatischem Druck können weitere Wechselwirkungen den Verbund zwischen OS-System und Substrat schwächen. Gieler [GIE06] beschreibt beispielswiese Verseifungsprozesse von einzelnen EP-Grundierungen. Diese werden dadurch ausgelöst, dass durch den Riss anstehendes Wasser, die in der ausgebrochen Betonrandzone befindlichen Alkalibestandteile des Zementsteines löst. Aus Folge der Verseifung reduziert sich die Verbundfestigkeit zwischen Substrat und Applikation. Derzeit wird die Blasenanfälligkeit von OS-Systemen über ein nach Teil 4, Abschnitt 5.5.15 der RL-SIB [RIL01] geregeltes Verfahren: “Haftzugfestigkeit und Blasenbildung bei rückseitiger Feuchtewirkung“ bestimmt. Hier muss allerdings berücksichtigt werden, dass bei dem Verfahren lediglich die Epoxidharzgrundierung und nicht die eigentliche hauptsächlich wirksame Oberflächenschutzschicht (hwO) geprüft wird. Darüber hinaus stellen verschiedene Autoren [WOL09], [FIE06] fest, dass der Widerstand gegen Blasenbildung nicht direkt in Korrelation zur Abreißfestigkeit im Haftzugversuch gesetzt werden kann. So liegt die geforderte Haftzugfestigkeit für rissüberbrückende Systeme im Mittel bei 1,5 N/ mm² bei einem kleinsten Einzelwert von 1,0 N/ mm² [RIL01]. Dies würde bedeuten, dass die OS-Systeme Wasserdrücke von im Mittel über 150 m Wassersäule aufnehmen könnten, eine Einwirkung die baupraktisch durch hydrostatischen Druck in der Regel nicht erreicht wird. Erfahrungen aus der Praxis zeigen allerdings, dass Mängel bereits bei einer anstehenden Wassersäule von zwei Metern auftreten [DBV18], [FIE06], [SCHE15] können. Abbildung 2 zeigt das beispielhafte Schadensbild einer rissüberbrückenden Beschichtung auf einer Bodenplatte im Grundwasser mit rd. 5,5 mWS anstehenden Wasserdrucken. Abbildung 2: Blasenausbildung an einer rissüberbrückenden Beschichtung infolge eines Trennrisses in einer Tiefgaragenbodenplatte mit anstehendem Wasserdruck (rd. 5,5 mWs) Ursächlich für die Differenz zwischen der Abreißfestigkeit im Haftzugversuch und dem Widerstand gegen Blasenbildung sind unterschiedlich auftretenden Spannungszustände. So steht dem bei Blasenbildung entstehenden mehrdimensionalen Spannungszustand mit Spannungsspitzen zwischen Beschichtung und Betonuntergrund ein näherungsweiser eindimensionaler Spannungszustand bei Prüfung der Abreißfestigkeit gegenüber, vgl. Abbildung 3. Abbildung 3: Vergleich der Spannungszustände der Abreißfestigkeit im Haftzugversuch und der Blasenbildung (in Anlehnung an [WIL69], [BEN74]) Für die Bewertung des Widerstands bei rückseitiger Druckwasserbeanspruchung der rissüberbrückenden hwO existiert derzeit keine normative Regelung. Entsprechend wurden an der Hochschule München in Zusammenarbeit mit Industriepartnern zwei Prüfmethoden entwickelt, die sich an Problemstellungen orientieren, wie sie in der Praxis bei Trennrissen in WU-Bodenplatten auftreten können. 3. stationäre statische Druckwasserbeanspruchung im Plattenversuch Zur Einordnung des Widerstands gegen Blasenbildung bei einer hohen Druckwasserbeanspruchung werden beschichtete Probekörper im WU-Prüfstand eingebaut und in Anlehnung an [WIL69] und [GÜN97] auf Blasenbildung untersucht. Für den Versuch werden Betonplatten mit den Abmessungen 200 mm x 200 mm x 100 mm mit einer Betondruckfestigkeit C30/ 37 und einer mittig angebrachten Bohrung mit dem zu prüfenden rissüberbrückenden Oberflächenschutzsystems entsprechend den Herstellervorgaben beschichtet. Nach Aushärtung des Beschichtungssystems werden die Probekörper in den WU-Prüfstand eingebaut. Der Wasserdruck wird durch eine kleine erzeugte Fehlstelle in der Grundierung direkt auf der Schwimmschicht der Probenplatte aufgebracht. Abbildung 4 zeigt den schematischen Versuchsaufbau. θ buch2.indb 178 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 179 Untersuchungen zur Druckwasserbeständigkeit rissüberbückender Beschichtungssysteme für Tiefgaragenbodenplatten im Grundwasser Abbildung 4: Versuchsaufbau der Prüfung im WU-Prüfstand Auf der Oberseite befindet sich eine ringförmige Einspannvorrichtung mit der die Probekörper fixiert werden können. Der Durchmesser des Edelstahlrings beträgt 100 mm, so dass sich im Inneren des Rings bei Versagen der Beschichtung eine Blase ausbilden kann. Abbildung 5 zeigt den Versuchsaufbau im Labor der Hochschule München. Abbildung 5: WU-Prüfstand vor Versuchsdurchführung mit eingebauten Probekörpern Um eine Beständigkeit gegen drückendes Wasser zu untersuchen kann der Wasserdruck variabel zwischen 50 und 1000 kPa eingestellt werden. Abbildung 6 zeigt beispielhaft die Ergebnisse an einer OS 10 nach einer 14 tägigen Druckwasserbeaufschlagung mit 500 kPa (50 mWS). Im Rahmen von Vorversuchen zeigten einzelne OS-Systeme einen hinreichenden Widerstand gegen Blasenbildung selbst bei einer sehr starken Einwirkung von 50 mWs. Abbildung 6: Blasenbildung an einer OS 10 nach einer 14 tägigen Druckwasserbeaufschlagung mit 500 kPa 4. stationäre Druckwasserbeanspruchung im Rissbereich mit dynamischer Rissweitung Um eine Druckwasserbeanspruchung von rissüberbrückenden Beschichtungssystemen noch praxisnäher zu prüfen, wurde eine Versuchsanordnung entwickelt, die weitere Prüfparameter einschließt. Hierzu zählen eine mögliche auftretende Flankenenthaftung des Oberflächenschutzsystems bei Rissinitiierung sowie auftretende mechanische Spannungen und Querdehnungen im Beschichtungssystem, die aufgrund der Dehnung während der Rissüberbrückung entstehen vgl. Abbildung 7. Abbildung 7: Dehnungssituation der Beschichtung in Abhängigkeit der Rissbreite Für den Versuchsaufbau werden bewehrte Biegezugprüfbalken mit den Abmessungen 650 mm x 150 mm x 150 mm und einer Druckfestigkeitsklasse C30/ 37 hergestellt. Die Untergrundvorbereitung erfolgt über Feststoffstrahlen, so dass die Anforderungen an die Oberflächenzugfestigkeit sowie die Rauheit gemäß RL-SIB [RIL01] eingehalten werden. Im Anschluss an die Vorbehandlung erfolgt die Applikation des rissüberbrückenden Oberflächenschutzsystems gemäß Herstellervorgabe durch einen Anwendungstechniker. Nach der vom Hersteller vorgegebenen Aushärtezeit des Oberflächenschutzsystems wird in einer Prüfmaschine bei Laborklima (22 °C; 65 % r.F.) im Drei-Punkt-Biegezug-Versuch ein Riss (Erstriss) in dem bewehrten und beschichteten Prüfbalken erzeugt. Für die weiteren Untersuchungen ist es erforderlich, dass der Riss im Bereich des OS-Systems durch selbiges überbrückt wird. Entsprechend darf der Erstriss in seiner Dehnung die maximale Rissüberbrückungsfähigkeit des Systems nicht überschreiten. Abbildung 8 zeigt die Erstrissbildung an einem Biegezugbalken. Die Rissbildung wurde mittels einem Bildkorrelationsverfahren der Firma Limess überwacht [LIC19]. Abbildung 8: Beschichteter Probebalken in der Biegezugvorrichtung der Universalprüfmaschine (links); Erstrissbildung im Biegezugversuch, Dehnungsaufnahme über Limess Q400, Riss wird durch OS-System überbrückt (rechts) buch2.indb 179 13.01.20 15: 40 180 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Untersuchungen zur Druckwasserbeständigkeit rissüberbückender Beschichtungssysteme für Tiefgaragenbodenplatten im Grundwasser Parallel zur Applikation der Beschichtung werden Metallmessmarken zur späteren Dehnungsmessung aufgeklebt. Mit Hilfe der Messmarken und eines Setzdehnungsmessers kann die Rissöffnung nach Erstrissbildung sowie die spätere Rissaufweitung im Versuch quantitativ über eine Differenzmessung bestimmt und dokumentiert werden [LAN06]. Nach der Erstrissbildung werden an den Seitenflächen des Probekörpers die Risspacker gesetzt. Zur Entlüftung des Systems werden die Bohrungen gegenüberliegend in einer versetzten Anordnung angebracht, vgl. Abbildung 9. Abbildung 9: schematische Darstellung Anordnung der Bohrpacker zur späteren Wasserbeaufschlagung Die Probekörpervorbereitung wird mit der seitlichen Verdämmung des Risses abgeschlossen. Bei der Wahl des Verdämmmaterials ist darauf zu achten, dass die auftretenden Einwirkungen (Dehnung und Wasserdruck) von dem eingesetzten Material aufgenommen werden können. In der Regel sind in diesen Bereichen die Untergrundvorbehandlung und der Einsatz einer Grundierung ebenso erforderlich wie bei dem zu prüfenden Oberflächenschutzsystem. Zur Einstellung der Rissbreiten werden die vorbereiteten Prüfkörper in den konzipierten Versuchsstand eingebaut. Die Rissaufweitung erfolgt hierbei wie schon bei der Erstrissbildung in einer Drei-Punkt-Biegevorrichtung. Der Versuchstand wurde so konzipiert, dass die Beschichtungsoberflächen von der Oberseite begutachtet und die Rissaufweitungen gemessen werden können. Die Beaufschlagung mit Wasserdruck erfolgt durch einen an das Hausleitungsnetz angeschlossenen Druckminderer, über den ein stufenloses Druckgefälle von 50 kPa bis 350 kPa einstellt werden kann. Abbildung 10 zeigt den in den Versuchstand eingebauten Prüfkörper. Abbildung 10: In den Versuchstand eingebauter Prüfköper während der Beaufschlagung mit Druckwasser im Labor. (Seitenansicht und Draufsicht) Vor Versuchsbeginn wird über die Messmarker eine Anfangsrissbreite eingestellt, dann wird das Wasser über den Packer in den Riss eingeleitet. Sobald das Wasser aus dem gegenüberliegenden Packer blasenfrei austritt, wird der zur Entlüftung dienende Packer verschlossen und der gewählte Anfangsdruck steht an der Schwimmschicht des OS-Systems an. Über den Versuchszeitraum können nun sowohl die Rissbreiten wie auch der Druck variiert werden. Der Versuch wird solange durchgeführt, bis es bei dem System zu einer Delamination des Oberflächenschutzsystems kommt (vgl. Abbildung 11) bzw. bis die festgelegte Versuchsdauer erreicht wird. Abbildung 11: Blasenbildung einer rissüberbrückenden Beschichtung nach 8 Tagen Druckwasserbeaufschlagung mit 200 kPa und einer eingestellten Rissbreite von 0,2 mm. Im Anschluss an die Versuchsdurchführung werden auf dem rissüberbrückenden Oberflächenschutzsystem Abreißfestigkeiten im Haftzugversuch nach RL-SIB [RIL01] geprüft und die Versagensart bewertet und dokumentiert, vgl. Abbildung 12. Nach Versuchsdurchführung sollten weiterhin die geforderten Werte nach RL- SIB eingehalten werden. Im Falle einer Blasenbildung ist weiter zu bewerten, in welcher Schicht die Delamination stattgefunden hat. buch2.indb 180 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 181 Untersuchungen zur Druckwasserbeständigkeit rissüberbückender Beschichtungssysteme für Tiefgaragenbodenplatten im Grundwasser Abbildung 12: Untersuchungen nach Versuchsende. Bei Blasenbildung werden die Haftzugfestigkeiten im Übergang der Delamination und im Bereich des intakten OS-Systems untersucht und die Versagensarten dokumentiert. 5. Fazit Die derzeit in den Regelwerken vorhandenen Untersuchungen können die Widerstandsfähigkeit von rissüberbrückenden Oberflächenschutzsystemen bei rückseitigem Wasserdruck nur unzureichend abbilden. Der vorgestellten Untersuchungsmethoden, die an der Hochschule für angewandte Wissenschaften im München im Hinblick auf die Fragestellung zur Druckwasserbeständigkeit von rissüberbrückenden Beschichtungssystemen entwickelt wurden, sollen einen Beitrag zur Prüfung eines Performance-bezogenen Systemwiderstands leisten. Bisher konnten in Vorversuchen folgende Ergebnisse erzielt werden: - sowohl im stationären statischen Plattenversuch wie auch bei der stationäre Druckwasserbeanspruchung im Rissbereich mit dynamischer Rissweitung konnten die Einwirkungen so eingebracht werden, dass der Systemwiderstand überschritten und eine Delamination vergleichbar mit in der Praxis vorkommenden Blasenbildungen erfolgt. - einzelne OS 10 - Systeme bestanden die Prüfung bei stationärer Druckwasserbeanspruchung auch bei 50 mWS blasenfrei. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass sich für die jeweiligen OS-Systeme Widerstände ermittelt lassen, die unter Berücksichtigung eines semi-probabilistischen Sicherheitskonzepts den Einwirkungen aus dem Einsatzgebiet gegenübergestellt werden können. Literatur [BEN74] S.J. Bennett, K.L. Devries, M.L.Williams: Adhesive fracture mechanics in International Journal of Fracture Volume 10, Issue 1, Page 33-43 1974 [DBV18] Deutscher Beton und Bautechnikverein E.V.: Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen, 3. überarbeitete Ausgabe, Berlin, 2018 [FIE06] M. Fiebrich: Beschichtung auf direkt befahrenen Tiefgaragenböden von Weißen Wannen, Beton und Stahlbetonbau 101, Heft 7, Ernst & Sohn Verlag, Berlin, 2006 [GIE06] R.P. Gieler, A Diemming-Osburg: Kunststoffe für den Bautenschutz und die Betoninstandsetzung, in der Baustoff als Werkstoff, Brinkhäuser Verlag, Weimar, 2006 [GÜN97] M. Günter, Beanspruchung und Beanspruchbarkeit des Verbundes zwischen Polymerbeschichtungen und Beton, Band 32 des Instituts für Massivbau und Baustofftechnologie, Karlsruhe, 1997 [LAN06] J. Lange, W. Benning: Verfahren zur Rissanalyse bei Betonbauteilen in Fachtagung Bauwerksdiagnose Praktische Anwendung Zerstörungsfreier Prüfungen, Berlin, 2006 [LIC19] R. Lichtenberger: Digitale Bildkorrelation: Mehr Kameras für mehr Nutzen auf der Homepage der Limess Messtechnik und Software GmbH, https: / / www.limess.com/ de/ component/ content/ article? id=1: firmenprofil#dokumente-downloads abgerufen am 16.09.2019 [RIL01] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie), Berlin, 2001. [SCHE15] T. Schedl: „Tiefgarage und Parkdecks, Beurteilung der Ausführungsvarianten befahrender Flächen aus Sicht der Münchner Rund auf Grundlage aktueller Erkenntnis aus der Praxis, Oberflächenschutzsysteme - Abdichtungssysteme Verschleiß und Instandsetzung,“ in Seminar der Ingenieurakademie der Bayrischen Ingenieurekammer, München, 2015 [WIL69] M. L. Williams: The continuum interpretation for fracture and adhesion, Journal of Applied Polymer Science, Volume 13, Issue 1, 1969 [WOL09] L. Wolff: Mechanismen der Blasenbildung bei Reaktionsharzbeschichtungen auf Beton, DAfStb-Heft 576, Beuth-Verlag, Berlin, 2009, [WUR17] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: Wasserundurchlässige Bauwerke (WU-Richtlinie), Berlin 2017 buch2.indb 181 13.01.20 15: 40 buch2.indb 182 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 183 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Christoph Dauberschmidt Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Felix Becker Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Andreas Fraundorfer Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Zusammenfassung Befahrene Beschichtungssysteme im Anwendungsgebiet von Parkhäusern und Tiefgaragen können im Laufe ihrer Lebensdauer hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt sein. Zur Erzielung eines ausreichenden Widerstands des Betons vor Chlorideintrag und Karbonatisierung müssen die Beschichtungssysteme eine ausreichende Dichtheit über einen möglichst langen Nutzungszeitraum sicherstellen. Dabei hat die Schichtdicke entscheidende Bedeutung. Je größer diese ist, desto länger kann tendenziell eine Aufrechterhaltung der Dichtigkeit erfolgen, denn Verschleiß und Witterung (im Bereich von Parkdecks) beanspruchen die Beschichtungssysteme fortlaufend. Speziell weichere Komponenten, die zur Erzielung einer gewissen Elastizität und dadurch Rissüberbrückungsfähigkeit essenziell sind, neigen bei mechanischer Beanspruchung aufgrund innerer Reibungsprozesse schneller zu einem Abrieb, als starre Bestandteile. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens mit der StoCretec GmbH wurden durch die Hochschule München Verschleißuntersuchungen an den Beschichtungssystemen von zwei rd. 20 Jahre alten Bestandsparkhäusern in Abhängigkeit der Nutzung erstellt. 1. Einleitung Oberflächenschutzsysteme sollen durch Einhaltung der geforderten Eigenschaften die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauteilen über die angestrebte Lebensdauer des Bauwerks sicherstellen. Dazu gehört im Bereich von Parkhäusern und Tiefgaragen überwiegende die Sicherstellung einer hinreichenden Dichtheit gegenüber anstehenden chloridhaltigen Wässern, die über die Wintermonate durch Autos in die Parkbauten eingeschleppt werden. Gelangen Chloride in einem erhöhten Maße durch die Betondeckung an die Bewehrung führt dies in der Regel zu Querschnittsverlusten infolge von Lochkorrosion und einer daraus folgenden Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit bis hin zum Verlust der Tragfähigkeit der Stahlbetonbauteile. Damit die befahrenen Oberflächenschutzsysteme eine wirksame Barriere gegenüber den anstehenden Chlorid-Ionen bieten, müssen die Eigenschaften des Beschichtungssystems so gewählt werden, dass die Systeme selbst eine ausreichende Lebensdauer aufweisen und den aus der Konstruktion und der Nutzung auftretenden Einwirkungen einen ausreichenden Widerstand entgegen bringen. Hinsichtlich ihrer Eigenschaften lassen sich die auf dem Markt befindlichen befahrbaren Oberflächenschutzsysteme nach RL-SIB [RIL1] in zwei maßgebliche Kategorien aufteilen: - starre Beschichtungssysteme - rissüberbrückende Beschichtungssysteme. Praxiserfahrungen aus z.B. [SCU1] und [WOL1] zeigen auf, dass rissüberbrückenden Beschichtungssysteme wie OS 11a bzw. OS 11b häufig einen deutlich geringeren Verschleißwiderstand aufweisen als die klassische starre OS 8. Dies führt über die angestrebte Lebensdauer der Parkhäuser zu den Notwendigkeit, die Beschichtungen zu überarbeiten und damit entsprechend zu höheren Instandhaltungsmaßnahmen und daraus folgenden zu höheren Lebenszykluskosten. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Einwirkung auf die Systeme in den Veröffentlichungen und Praxisberichten häufig rein qualitativ beschrieben werden und die Systeme über eine Kategorisierung in OS 11a bzw. OS 11b hinaus in der Regel nicht erfolgt, obwohl sich die Zusammensetzungen herstellerbedingt zum Teil deutlich unterscheiden. Laborversuche z.B. aus [LAD1] zeigen beim Verschleißwiderstand ein deutlich differenziertes Bild bei Betrachtung von unterschiedlibuch2.indb 183 13.01.20 15: 40 184 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern chen rissüberbrückenden Beschichtungssystemen in Abhängigkeit Ihrer tatsächlichen Zusammensetzung. Vor diesem Hintergrund wurde auch das Forschungsvorhaben der Hochschule München zusammen mit der StoCretec GmbH erarbeitet, bei dem Verschleißuntersuchungen an Beschichtungssystemen von zwei rd. 20 Jahre alten Bestandsparkhäusern in Abhängigkeit der Nutzung durchgeführt wurden. 2. Untersuchte Parkhäuser und Beschichtungen Die untersuchten Parkhäuser wurden im Jahr 1997/ 98 mit einem EP/ PU-Hybridsystem beschichtet, das zum Zeitpunkt der Applikation (1997) zur Sparte ispo Concretin der ispo GmbH (seit 2003 Teil der StoCretec GmbH) gehörte. Damit entsprach das Alter der Beschichtungssysteme zum Untersuchungszeitraum im Jahr 2018 rd. 20 Jahren. Zum Zeitpunkt der Applikation des Beschichtungssystems existierte die RL-SIB [RIL1] noch nicht. Das aufgebrachte System war entsprechend zum damaligen Zeitpunkt noch nach keinem heute gültigen Regelwerk geprüft. Von Aufbau und Art der Einzelkomponenten ist das Beschichtungssystem vergleichbar mit einem Oberflächenschutzsystem OS 11 nach [RIL1]. Bei Parkhaus 1 wurde das System zweischichtig aufgebracht (analog OS 11a. Bei Parkhaus 2 wurde das System als Einschichter appliziert (analog OS 11b) 2.1 Parkhaus 1: Das Split-Level-Parkhaus wurde Mitte der 1980er Jahren aus Stahlbeton erbaut und hat Grundrissabmessungen von ca. 35 m x 30 m. Im Rahmen einer Instandsetzungsmaßnahme wurde das untersuchte Beschichtungssystem 1997 appliziert. Insgesamt erstrecken sich die rd. 200 Stellplatzflächen über sieben Etagen, die sich in jeweils zwei Split-Level unterteilen. Die engen Platzverhältnisse in der Tiefgarage erlauben nur geringe Fahrgeschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge (an-nähernd Schrittgeschwindigkeit). Über dem Parkhaus befindet sich zusätzlich ein Wohngebäude. Die Nutzung des Parkhauses erfolgt vornehmlich durch die Kunden der umliegenden Einkaufsmöglichkeiten. Eine Ansicht des Parkhauses und der Grundriss kann nachfolgenden Abb. 1 und Abb. 2 entnommen werden. Abb. 1: Ansicht Parkhaus 1 mit darüber liegender Wohnbebauung Abb. 2: Grundriss Parkhaus 1 buch2.indb 184 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 185 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Der Beschichtungsaufbau in Parkhaus 1 bestand gem. Herstellerangabe aus nachfolgenden Komponenten: - Grundierung: ispo Concretin IHS-BV (EP-Basis) - Schwimmschicht: ispo Concretin TEP Multi-Top (EP/ PU-Basis) - Verschleißschicht: ispo Concretin TEP Multi-Top (EP/ PU-Basis) - Deckversiegelung: ispo Concretin PH-DV (EP-Basis) 2.2 Parkhaus 2: Das Split-Level-Parkhaus wurde 1998 als Stahlskelettbau mit Zwischendecken aus Stahlbzw. Spannbetonfertigteilplatten errichtet und hat Grundrissabmessungen von ca. 140 m x 35 m. Zu dem Errichtungszeitpunkt wurde ebenfalls das untersuchte Beschichtungssystem appliziert. Insgesamt erstrecken sich die rd. 700 Stellplätze über sechs Etagen, die sich in insgesamt elf Split- Level unterteilen. Die obersten Split-Level-Ebenen sind Freidecks. Die Nutzung des Parkhauses findet vornehmlich für die Benutzung des nahegelegenen Hauptbahnhofs und für Einkaufsmöglichkeiten statt. Eine Ansicht und der Grundriss des Parkhauses ist in nachfolgenden Abb. 3 und Abb. 4 dargestellt. Die Stellplätze des Parkhauses wurden abweichend zu den restlichen Bereichen planmäßig ohne Deckversiegelung ausgeführt. Abb. 3: Satellitenbild Parkhaus 2 (Quelle: Google Maps) Abb. 4: Grundriss Parkhaus 2 Der Beschichtungsaufbau in Parkhaus 2 bestand gem. Herstellerangabe aus nachfolgenden Komponenten: - Grundierung: ispo Concretin IHS-BV (EP-Basis) - Verschleißschicht: ispo Concretin TEP Multi-Top (EP/ PU-Basis) - Deckversiegelung: ispo Concretin PH-DV (EP-Basis) Im Vergleich zu Parkhaus 1 waren in Parkhaus 2 vor Ort durch den langgestreckten Grundriss und die breiteren Rampen deutlich höhere Fahrgeschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge festzustellen. Beide Parkhäuser waren an den Gebäudeaußenkanten teilweise offen, sodass die Bauteiltemperaturen weitgehend den Außentemperaturen folgen. Anderweitige Witterungseinflüsse (z.B. UV-Strahlung) können bei den untersuchten Stellen aufgrund der Lage jedoch großteils ausgeschlossen werden. 3. Durchgeführte Untersuchungen Vor Ort wurden Untersuchungsstellen (23 und 26 Stk.) an verschieden stark befahrenen Bereichen festgelegt. Je Untersuchungsstelle wurde die Haftzugfestigkeit vor Ort ermittelt und die Schichtdicken an den gewonnen Bohrkeren mittels Auflichtmikroskopie am Schnittbild im Labor bestimmt, vgl Abb. 5 und Abb. 7. Zur Bestimmung des Verschleißes wurde die Gesamtschichtdicke von Schwimm-, Verschleißschicht und Deckversiegelung ohne Grundierung ermittelt. Abb. 5: Bestimmung der Haftzugfestigkeit vor Ort buch2.indb 185 13.01.20 15: 40 186 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Abb. 6: exemplarische Aufzeichnung der Rollspurbereiche und Untersuchungsstellen aus Parkhaus 2 Abb. 7: Ermittlung der Schichtdicke im Labor Anhand der Nutzungsstatistiken der Parkhausbetreiber fand eine Hochrechnung der Überrollungen der einzelnen Bereiche statt. Anhand der Lage der Untersuchungsstellen und den Ergebnissen der Hochrechnung aus der Frequentierung wurde eine Einteilung in Beanspruchungskategorien vorgenommen. Diese Ergebnisse wurden mit den Werten der Haftzugprüfung und der Schichtdickenmessung statistisch korreliert. Dabei wurden Bereiche hoher Frequentierung (z.B. Einfahrtsbereich und Rampentiefpunkt), mittlerer Frequentierung (Fahrgassen im Bereich höherliegender Geschosse) und Referenzbereiche geringer Frequentierung (Stellplatzmitten und nicht befahrbare Randbereiche) geschossübergreifend unterschieden. Auf eine weitere Unterteilung der Kategorien wurde verzichtet, da dies eine unrealistisch hohe Genauigkeit suggerieren würde. Vor Ort wurden die Untersuchungsstellen an möglichst repräsentativen Stellen festgelegt. Eine exemplarische Aufzeichnung der Bereiche kann Abb. 6 entnommen werden. 4. Hochrechnung der Nutzungsstatistiken und Überrollungshäufigkeiten Die Nutzungshistorien wurden seitens der Parkhausbetreiber zur Verfügung gestellt. Nachfolgend wird die Hochrechnung der Frequentierung und der Überrollungshäufigkeiten am Beispiel von Parkhaus 2 erläutert. Die Auswertung für Parkhaus 1 erfolgte in analoger Weise, wobei dort aufgrund der abweichenden Größe die nachfolgend beschriebene Faktorisierung den Gegebenheiten vor Ort angepasst wurde. Als Nutzungsfrequenz ist seitens des Parkhausbetreibers von Parkhaus 2 über die letzten sechs Jahre eine Spanne von 250.000 bis 320.000 Fahrzeugeinfahrten jährlich angegeben worden. Gemäß Angaben des Parkhausbetreibers kann für eine Hochrechnung der Mittelwert der angegebenen Frequentierungen über sämtliche Nutzungsjahre als realistisch angenommen werden. Demnach ergab sich für die jährliche Nutzung eine Frequentierung von: ((250.000+320.000))/ 2≈285.000 Fz/ a Gl. 1 Zur Verifizierung wurden Ergebnisse aus [LOH1] und [PEC1] hinsichtlich anzunehmender Frequentierungen mit berücksichtigt. Das untersuchte Parkhaus liegt in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Bei rd. 700 Stellplätzen ergäbe sich für das Parkhaus gem. Tafel 1.7 aus [LOH1] (vgl. nachfolgende Abb. 8) eine jährliche Nutzung von: 700 Stp*900 Fz/ (a*Stp) ≈ 630.000 Fz/ a Gl. 2 Dieser Wert entspricht etwa der 2,2-fachen Nutzungsfrequenz im Vergleich zu den Daten des Parkhausbetreibers. Für die weitere Interpretation der Ergebnisse wurde der auf der sicheren Seite liegende Wert von 285.000 Fz/ a angesetzt, der die Verschleißbeanspruchbarkeit des Systems im Vergleich zu Ergebnissen aus [LOH1] unterschätzt. Daraus ergab sich als Eingangswert für die weitere Berechnung eine Nutzung aller Jahre seit 1998 von: 285.000 Fz/ a*20 a ≈ 5.700.000 Fz Gl. 3 buch2.indb 186 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 187 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Abb. 8: Tafel 1.7 nach [LOH1] Aufgrund der einzigen Ein- und Ausfahrtssowie Ausgangsmöglichkeit des Gebäudes im untersten Geschoss werden die unteren Ebenen tendenziell stärker genutzt. Insgesamt besitzt das Parkhaus ca. 700 Stellplätze, die sich auf 11 Ebenen (P1 bis P11) verteilen. Da P1 und P11 eine kleinere Anzahl an Stellplätzen aufweisen, wurden diese zusammen als eine Ebene angesetzt. Aufgrund einer fehlenden Kennzahl für die Auslastung der einzelnen Ebenen ist von einer gleichmäßigen Parknutzung aller Ebenen ausgegangen worden. Die jeweils untersuchte Ebene wird nicht von jedem im Parkhaus einfahrenden PKW passiert. Dies ist mit einem Faktor (nachfolgend als F1 bezeichnet) berücksichtigt worden. Je nach Lenkverhalten der Autofahrer trifft ebenfalls nicht jeder PKW, der die Ebene befährt, auf die Untersuchungsstellen, weshalb für jeden Bereich eine Verrechnung mit einem Faktor (nachfolgend als F2 bezeichnet) erfolgte. Ebenfalls wird speziell im Kurvenbereich die Überfahrung nicht durch das Vorder- und das Hinterrad jedes PKW erfolgen. Im Rampenbereich, sowie in den langgezogenen Fahrgassen kann aufgrund der geradlinigen Führung davon ausgegangen werden, dass der Hinterreifen auch sehr wahrscheinlich die gleichen Stellen des Vorderreifens überrollt. Die Verrechnung der Spurtreue wurde nachfolgend mit einem Faktor F3 berücksichtigt. Bei der Berechnung wurde davon ausgegangen, dass jeder PKW jede Untersuchungsstelle nach Zufahrt maximal einmal passieren konnte (mehrfache Umfahrungen der Stellen durch Parkplatzsuche, sowie Beanspruchung aus Rangiervorgängen blieben unberücksichtigt). Die Endwerte der Überrollungen durch ein PKW Rad (nr) ergeben sich durch nachfolgende Berechnung: nr = 5.700.000 * F1 * F2 * F3 Gl. 4 Die Faktoren wurden anhand der örtlichen Randbedingungen speziell für das untersuchte Parkhaus gewählt. Nachfolgend wird die Wahl der einzelnen Faktoren für den jeweiligen Untersuchungsbereich beschrieben. Faktor F1 zur Berücksichtigung der Ebenen-Befahrung: Dieser Faktor teilt sich auf die zehn Ebenen (P2 bis P11) gleichmäßig auf. Für P3 ergibt sich ein Wert für F1 von 8/ 10 (also 80 % der Fahrzeuge fahren bis P3). Im Rampenbereich P4 zu P3 ergibt sich F1 zu 7/ 10. Für Ebene P8 beträgt F1 demnach 3/ 10. Im Bereich von Stellplätzen wird annähernd von einer gleichen Parkverteilung über alle Stellplätze (rd. 700 Stellplätze in allen Ebenen) ausgegangen. Stellplätze werden daher mit einem Faktor F1 von 1/ 700 angesetzt. Faktor F2 zur Berücksichtigung der Rollspur-Varianz: In Bereichen, die aufgrund der Platzverhältnisse wenig Spielraum zur Befahrung lassen, wurde Faktor F2 zu 1/ 3 gewählt. Hierunter zählen Rampen und Bereiche, an denen sich mehrere Rollspuren überlagern. In Rollspurbereichen, die aufgrund der Breite der Fahrgasse mehrere Möglichkeiten der Befahrung lassen, wurde F2 mit 1/ 10 gewählt. Im Bereich der sehr wenig befahrenen Radspur ist F2 mit 1/ 100 verrechnet worden. Im Bereich von Stellen, die aufgrund ihrer Lage kaum befahrbar sind, wurde F2 zu 1/ 200 gewählt. Kein Bereich wurde gänzlich ohne Befahrung angegeben, da auch in kaum befahrbaren Bereichen eine Überrollung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann (z.B. durch Krafträder). Faktor F3 zur Berücksichtigung der Spurtreue: F3 wurde außer im geraden Rampenbereich und Bereich von geraden Fahrspuren mit 1,5 angesetzt. Im geraden Bereich von Rampen und Fahrspuren wurde F3 mit 1,9 angesetzt, da hier aufgrund der linearen Führung eine Überrollung aus Vorder- und Hinterrad sehr wahrscheinlich ist. Auf Grundlage der Hochrechnung ergaben sich am Parkhaus 1 bis zu rd. 1,6 Mio. Überrollungen der Beschichtung an den einzelnen Untersuchungsstellen. Bei Parkhaus 2 wurden bis zu rd. 2,9 Mio. Überrollungen der Beschichtung an den einzelnen Untersuchungsstellen ermittelt. 5. Auswertung Zusätzlich zur Überrollungshäufigkeit wurde eine Einteilung in mechanische Beanspruchungsgrade vorgenommen (gering, mittel, hoch). Die Unterteilungen resultieren aus der Überlegung, dass eine Stelle im Kurvenbereich im Vergleich zu einer gleich häufig überfahrenen Stelle in der Geraden, eine höhere Scher- oder Schubbeanspruchung erfährt. Ebenfalls ist davon auszugehen, dass der Bereich von Rampenhochpunkten bei gleicher Frequentierung wie ein Bereich am Rampentiefpunkt weniger stark durch Schubkräfte beim Anfahren und Bremsen belastet wird. buch2.indb 187 13.01.20 15: 40 188 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Abb. 9: Haftzugfestigkeiten in Abhängigkeit von Überrollung und mechanischen Beanspruchung (Parkhaus 2) Abb. 10: Schichtdicken in Abhängigkeit von Überrollung und mechanischen Beanspruchung (Parkhaus 2) Im Bereich von Stellplätzen kommt trotz der teilweise geringen Nutzungsfrequenz eine erhöhte Beanspruchung durch Reifendrehungen im Stand hinzu. Somit wurden beispielsweise Stellplatzbereiche zwischen den Radaufstandspunkten in die Kategorie „gering“ eingeordnet. Stellplatzbereiche an den Radaufstandspunkten (Drehbewegung der Reifen beim Parken, aber geringe Geschwindigkeit) wurden wie gerade Bereiche in Fahrspuren (teilweise Brems- und Anfahrvorgängen, aber keine nennenswerten Lenkbewegungen) in die Beanspruchungskategorie „mittel“ eingeordnet. Kurvenbereiche in Rampen (hohe Fahrgeschwindigkeit und Scherkräfte durch Lenkeinschlag) sowie Anfahr- und Bremsbereiche in der Schrägen wurden der Beanspruchungskategorie „hoch“ zugewiesen. Die Ergebnisse der Korrelation von Verbundfestigkeit / Haftzugfestigkeit und Schichtdicke zur Überrollungshäufigkeit und mechanischen Beanspruchung können Abb. 9 und Abb. 10 entnommen werden. Die Beanspruchungskategorie „gering“ bezieht sich in Parkhaus 2 auf die Stellplatzbereiche. Da diese ohne planmäßig ohne Deckversiegelung ausgeführt wurden, sind diese aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit zu den anderen Untersuchungsstellen nicht in den Diagrammen dargestellt. buch2.indb 188 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 189 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Bei einer Gesamtbetrachtung aller Stellen waren die in der [RIL1] geforderten Haftzugwerte für ein OS 11b-System eingehalten. Betrachtet man die Bereiche mit unterschiedlichen Beanspruchungen als eigenständige Bauteile werden die Anforderungen an die Verbundfestigkeiten (Haftzugfestigkeiten) eines OS 11b Systems gem. [RIL1] in allen Bereichen eingehalten, außer bei den stark befahrenen Kurven- und Rampenbereichen. Bei gesonderter Betrachtung der hoch beanspruchten Bereiche sind die Haftzugfestigkeiten dort im Mittel kleiner als die Anforderung nach [RIL1] von 1,5 N/ mm², wobei jeder Einzelwert über dem geforderten Wert von 1,0 N/ mm² liegt. Die Haftzugfestigkeiten nahmen mit zunehmender mechanischer Beanspruchung im vorliegenden Fall im Mittel ab, wobei die Streuungen größer werden. Vergleicht man die häufig überfahrenen aber mechanisch mittleren Schubbeanspruchungen ausgesetzten Rollspuren in den Fahrgassen mit den mechanisch höher belasteten Kurvenbereichen, fällt auf, dass die Anzahl der Überrollungen nicht der alleinig entscheidende Faktor für den Verschleiß des Beschichtungssystems ist. Die auffällig große Streuung der Kurven- und Rampenbereiche mit mittlerer Überrollungshäufigkeit resultierten dabei maßgeblich aus der Mischung von Bereichen mit intakter und abgefahrener Deckversiegelung. In Bereichen mit abgefahrener Deckversiegelung zeigen die Ergebnisse der Haftzugprüfung, dass noch eine Korneinbindung zum Zeitpunkt der Untersuchung vorhanden war. Die Haftzugfestigkeiten sind in diesen Bereichen allerdings geringer und das Bruchbild verlagerte sich vom Betonuntergrund in die Korneinbindung der Verschleißschicht. Mit zunehmender mechanischer Belastung aus der Scherbeanspruchung im Kurvenbereich fährt sich die Beschichtung schneller ab als durch gleich viele Überfahrungen ohne hohe Scherbeanspruchung. Die Schichtdicken sind generell herstellungsbedingten Streuungen unterworfen, wie die wenig befahrenen Referenzbereiche zeigen. Die Streuungen nehmen erwartungsgemäß mit zunehmender mechanischer Beanspruchung zu. Hier addieren sich die Streuungen aus der Herstellung mit den Streuungen der Abnahme der Schichtdicke durch mechanischen Beanspruchung bzw. Überrollungshäufigkeit. Auch hier ist allerdings der maßgebliche Faktor die mechanische Scherbeanspruchung, da eine Überrollung in der Geraden zu verhältnismäßig wenig Verschleiß am Beschichtungssystem führte Generell konnten auch Bereiche mit komplett abgefahrener Verschleißschicht bis auf die Grundierung, sowie bereits überarbeitete Bereiche festgestellt werden. Ebenfalls auffällig ist die geringere Schichtdicke in Rollspurbereichen im Vergleich zu Nachbarbereichen mit jeweils nicht abgefahrener Deckversiegelung. Eine Ursache hierfür kann ein Kriechen der Beschichtung durch die Überfahrungen sein, die zu einer Verdrückung im Bereich der Rollspuren führt. Eine Spurrinnenbildung konnte im vorliegenden Fall optisch jedoch nicht festgestellt werden. Abweichend zu Parkhaus 2 konnte in Parkhaus 1 keine Korrelation aus Überrollungshäufigkeit, mechanischer Beanspruchung und Schichtdicke, sowie Haftzugfestigkeit gefunden werden. Alle Haftzugfestigkeiten entsprachen nach rd. 20 Jahren Nutzung noch den Werten der [RIL1]. Bei den ermittelten Schichtdicken war der Einfluss aus der Verarbeitung bei der Applikation der dominierende Faktor. Die Deckversiegelung war augenscheinlich an allen Stellen in den untersuchten Ebenen mit Ausnahme von abgefahrenen Kornspitzen der Einstreuung intakt. Die Rissüberbrückungsfähigkeit des Beschichtungssystems wurde nicht explizit untersucht, es zeigten sich im untersuchten Bereich aber keine Risse mit einer Rissbreite von unter 0,25 mm. 6. Fazit Die Ergebnisse der Untersuchungen waren in beiden Parkhäusern signifikant unterschiedlich. 6.1 Parkhaus 1: Aufgrund des kleinen Grundrisses werden hier nur langsame Fahrgeschwindigkeiten erreicht. Trotz ermittelten Überrollungshäufigkeiten von bis zu 1,6 Mio. an den vielbefahrenen Untersuchungsstellen konnte keine Korrelation zwischen Haftzugfestigkeiten, Schichtdicken und Überrollungshäufigkeit gefunden werden. Die Deckversiegelung war an allen untersuchten Bereichen intakt und nur an den Kornspitzen abgefahren. Die Haftzugwerte lagen alle in einem Bereich, an dem sowohl das kleinste Einzelwertkriterium, als auch das Mittelwertkriterium nach RL-SIB für ein OS 11a-System eingehalten wurden. Generell wies das Beschichtungssystem für das Alter und die Nutzungsfrequenz einen sehr geringen Verschleiß auf. 6.2 Parkhaus 2: Der langgestreckte Grundriss und die größeren Rampenradien im Vergleich zu Parkhaus 1, führen hier zu höheren Fahrgeschwindigkeiten der Nutzer. In Parkhaus 2 konnte eine tendenzielle Abnahme der Haftzugfestigkeiten und der Schichtdicken zu der Beanspruchung korreliert werden. Bis auf zwei Bereiche lagen ebenfalls alle Haftzugfestigkeiten in den Grenzen des kleinsten Einzelwertkriteriums, als auch des Mittelwertkriteriums nach RL-SIB für ein OS 11b-System. Die hier tendenziell niedrigeren Haftzugwerte aus hoch beanspruchten und gering beanspruchten Bereichen resultierten maßgeblich aus der abgefahrenen Deckversiegelung. Ist die Deckversiegelung verschlissen, findet bei der Prüfung ein Kohäsionsversagen in der Verschleißschicht aufgrund einer verschlechterten Korneinbindung statt. Bei höherer Beanspruchung sind auch tendenziell geringere die Schichtdicken feststellbar. buch2.indb 189 13.01.20 15: 40 190 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Sowohl die abnehmenden Haftzugfestigkeit, als auch die geringeren Schichtdicken korrelieren dabei nicht primär mit den Überrollungshäufigkeiten, sondern vielmehr mit der Scherbeanspruchung aus Kurvenfahrten sowie Anfahren und Bremsen im Bereich der Rampen. So wiesen Bereiche in geraden Rollspuren mit rd. 2,9 Mio. Überrollungen teilweise nur minimale Verschleißspuren in ihrer Deckversiegelung auf, während Stellen mit rd. 900 Tsd. Überrollungen im Kurvenbereich bis in die Verschleißschicht abgefahren waren. Das Beschichtungssystem wies in den meisten Bereichen dennoch einen für das Alter und die Nutzungsfrequenz einen geringen Verschleiß auf. Eine noch vorhandene Rissüberbrückungsfähigkeit der Systeme ist nicht explizit untersucht worden. Anhand der augenscheinlichen Ergebnisse vor Ort, ist jedoch von einer immer noch vorhandenen üblichen Rissüberbrückungsfähigkeit der Systeme auszugehen. Literatur [LAD1] E. M. Ladner, W. Breit, Praxisnahe Bewertung des Verschleißverhaltens von befahrenen Oberflächenschutzsystemen-Praxistest vs. Normprüfung, Endbericht F 250-9201547 vom 09.11.2018 der Technischen Universität Kaiserslautern [LOH1] G. Lohmeyer und K. Ebeling, Parkdecks: Hinweise und Empfehlungen zur Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit für Parkbauten aus Beton, Bau + Technik, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, 2014. [PEC1] A. Pech, G. Warmuth, K. Jens und J. Zeininger, Baukonstruktionen Sonderband; Parkhäuser - Garagen; Grundlagen, Planung, Betrieb, Wien: SpringerWienNewYork, 2. Auflage, 2009. [RIL1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie), Berlin, 10/ 2001. [SCU1] M. Schubert, C. Dauberschmidt, C. Eltschig, D. Nechvatal, M. Rapolder, T. Schedl, Untersuchungen zu Herstellungs- und Instandhaltungskosten von unterschiedlichen Konzepten zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von Parkbauten; Beton und Stahlbetonbau, 111: 564-575. Doi 10.1002/ best2015000068 [WOL1] L. Wolff, M. Raupach Beschichtungsschäden- Schadensmechanismen und Lösungsansätze, Technische Akademie Esslingen, in Verkehrsbauten - Schwerpunkt Parkhäuser und Brücken 3. Kolloquium 2008. Ostfildern TAE S. 313-324 buch2.indb 190 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 191 Einflussfaktoren für hoch verschleißfeste Parkhausbeschichtungen Dr. Thomas Pusel Sika Deutschland GmbH, Stuttgart, Deutschland Sandro La Spina Sika Deutschland GmbH, Stuttgart, Deutschland Dr. Stefan Kühner Sika Deutschland GmbH, Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung Die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonkonstruktionen wird in befahrenen Bauwerken wie Parkhäusern oder Tiefgaragen durch Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) sichergestellt. Immer wieder wird in der Baubranche über die Lebensdauer dieser Parkhausbeschichtungen diskutiert. Es steht hierbei der nutzungsbedingte Verschleiß, der hauptsächlich durch die mechanische Beanspruchung der Fahrzeuge auftritt, im Mittelpunkt der Diskussionen. Geprüft werden befahrene Oberflächenschutzsysteme u. a. mit Prüfverfahren, wie beispielsweise der DIN EN ISO 5470-1 „Bestimmung des Abriebwiderstandes“ (Taber-Abrieb), welche jedoch die tatsächlichen Beanspruchungen der Praxis nicht widerspiegelt und somit ebenso wenig ein Maß für die Verschleißbeständigkeit ist wie die häufig zitierten Materialhärten nach Shore A und D. Der Vortrag zeigt, warum der PAT-Test derzeit das einzig sinnvolle Verfahren zur Prüfung der Verschleißbeständigkeit ist und warum Prüfungen wie Taber-Abrieb und Shore-Härte nur unzureichende Kennwerte liefern. 1. Allgemein Die genormten Prüfverfahren testen in Bezug auf das Verschleißverhalten nicht eine Systemeigenschaft, sondern nur eine Produkteigenschaft. Ein befahrenes Oberflächenschutzsystem besteht aus verschiedenen Produkten und somit spielen auch mehrere Faktoren für das Verschleißverhalten des Parkhausbeschichtungssystems eine Rolle. Neben den verschiedenartigen mechanischen Belastungen (Schub- und Scherkräfte im Kurvenbereich, Anfahren und Abbremsen, etc.) an sich sind sowohl das Abstreukorn bzgl. der Größe, Festigkeit und Menge als auch das Bindemittel bzgl. der Schichtdicke, Polymervernetzung und Sandeinbindeverhalten wichtige Faktoren, die das Verschleißverhalten einer Beschichtung beeinflussen. Die Wahl des Bindemittels hat somit aus unserer Sicht einen größeren Einfluss für die Beständigkeit der Verschleißschicht bzw. für die Beschichtung im Gesamtsystem als das Einstreukorn. Das wurde z.B. durch die TU Kaiserslautern bei ihren Untersuchungen am Verschleißverhalten von OS-Systemen so bestätigt [1]. Die Untersuchungen zeigten, dass sowohl zwischen den unterschiedlichen Arten von Beschichtungssystemen (OS 8, OS 11, OS 13) als auch innerhalb der Systemgruppen deutlich messbare Unterschiede hinsichtlich des Verschleißverhaltens festgestellt werden konnten. 2. Normative Prüfverfahren Mit den Prüfverfahren Taber Abriebverfahren (DIN EN ISO 5470-1), BCA-Verfahren (DIN EN 13892-4) sowie dem RWA-Verfahren (DIN EN 13892-5) erfolgt der normative Nachweis der Dauerhaftigkeit von Beschichtungssystemen [2]. Diese Verfahren sind ursprünglich zur Verschleißbestimmung an anderen Materialien und auch für andere Anwendungsgebiete entwickelt worden. Aufgrund der vorgegebenen Beanspruchungsart, der Belastung als auch der anschließenden Auswertung führen diese Verfahren bei Beschichtungssystemen zu keinen praxisrelevanten Ergebnissen und sind daher auch in der Fachwelt umstritten. Im Zuge der Grundprüfung für ein Oberflächenschutzsystem wird an den gemischten Stoffen der Härtungsverlauf über die Entwicklung der Shore-Härte A bzw. D ermittelt. Die Härte des Kunstharzes wird gemäß der DIN EN ISO 868 „Kunststoffe und Hartgummi - Bestimmung der Eindruckhärte mit einem Durometer (Shore-Härte)“ ermittelt. 3. Taber Abriebverfahren Der Anwendungsbereich des Taber Abriebverfahren ist die Bestimmung des Abriebwiderstandes von beschichteten Textilien. Gemäß der DIN EN 1504-2 ist es buch2.indb 191 13.01.20 15: 40 192 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Einflussfaktoren für hoch verschleißfeste Parkhausbeschichtungen für Imprägnierungen und Beschichtungen auf Beton zu prüfen, wenn deren physikalische Widerstandsfähigkeit nachgewiesen werden soll [3]. Im Prinzip versteht man bei diesem Verfahren unter Abrieb den fortschreitenden Materialverlust der abgeriebenen Oberfläche eines Beschichtungsmaterials, der durch die schneidende oder kratzende Wirkung eines Reibrades hervorgerufen wird. Zur Präzision des Prüfverfahrens liegen bisher keine Ergebnisse aus Ringversuchen vor, so dass darüber keine Aussagen getroffen werden können. Es ist jedoch zu vermuten, dass aufgrund der vielen Parameter, die genauestens eingehalten werden müssen, (z.B. die Abstände der einzelnen Bauteile und die Anbringung der Gegengewichte) die Abweichungen in den Prüfergebnissen relativ hoch ausfallen werden[4]. Diese Vermutung zur (geringen) Präzision des Prüfverfahrens konnte in einem Ringversuch an Industriefußböden bestätigt werden. In den Ringversuch wurden acht Labore, davon vier akkreditierte Prüfinstitute, in vier Ländern mit einbezogen. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Streuung war so groß, dass eine Vergleichbarkeit nicht möglich war (Abb. 1). Somit ist eine Reproduzierbarkeit des Verfahrens nicht gewährleistet. Abb. 1: Taber Abrieb (CS11/ 1000/ 1000) in µg an zwei verschiedenen Polyurethan-Beschichtungen. Inwieweit nun dieses genormte Abriebverfahren Rückschlüsse auf das Verschleißverhalten von Beschichtungen für Parkbauten zulässt, ist fragwürdig. Denn das tatsächliche reale Belastungsszenario wird durch das Prüfverfahren nicht abgebildet - so werden z.B. das Anfahren und Bremsen, der Haftverbund zwischen den einzelnen Schichten, der Verbund zwischen dem Beschichtungssystem und dem Untergrund mit den dadurch entstehenden Schub- und Scherspannungen, sowie die intensiven Druckkräfte, dabei nicht berücksichtigt. 4. Härteprüfung nach Shore A und Shore D Diese Methode dient zur Bestimmung der Härte mit den Shore A und Shore D Härteprüfgeräten. Sie ermöglicht die Bestimmung der Härte nach der vollständigen Aushärtung an Probekörpern und Erzeugnissen aus Kunststoffen und Hartgummi (DIN EN ISO 868). Unter der Härte versteht man die Größe des Widerstandes, den ein fester Körper (insbesondere seine Oberfläche) dem Eindringen eines anderen Körpers entgegensetzt. Bei physikalischen Härtebestimmungen wird ein definierter Probenkörper mit bestimmter Kraft stoßfrei einige Zeit lang gegen die Oberfläche des zu prüfenden Materials gedrückt. Unter der Härte nach Shore wird der Widerstand gegen das Eindringen eines Körpers bestimmter Form unter definierter Federkraft verstanden. Der eindringende Probekörper ist ein Metallstift, der beim Härteprüfgerät nach Shore A kegelförmig ist, eine abgeflachte Spitze hat und für Messungen an Elastomeren geeignet ist. Beim Härteprüfer nach Shore D ist der Metallstift kegelförmig und spitz zulaufend. Die Prüfung wird mit unverfülltem Material mit einer Mindestschichtdicke von 4,0 mm durchgeführt. Die Probekörper dürfen keine runde, unebene oder raue Oberfläche haben. Die Verschleißschichten von Oberflächenschutzsystemen sind in der Regel mit Quarzsand vorgefüllt und werden im Nachgang noch mit Quarzsand im Überschuss abgestreut. Somit unterscheiden sich die vom Prüfverfahren vorgesehenen Prüfkörper grundlegend von den Verschleißschichten in der Praxis, was eine Korrelation ausschließt. 5. Bestimmung der Verschleißbeständigkeit nach dem PAT-Verfahren Sowohl an der Technischen Universität Kaiserslautern [1] als auch bei der Sika Deutschland GmbH [5] werden Verschleißuntersuchungen durchgeführt, bei dem ein PKW-Reifen den Einparkvorgang simuliert. Hierbei handelt es sich um den Parking Abrasion Test (PAT), der das Belastungsszenario realitätsnah nachstellt (Abb. 2). Mit Hilfe dieser Prüfmethode sind gezielte Entwicklungen von Beschichtungen mit hoher Abnutzungsbeständigkeit möglich, da anhand von Vergleichsreihen Produkte und Systemkomponenten mit den robustesten Gesamteigenschaften ausgewählt werden können. Ein Beispiel ist die neue Generation von Polyurethanen auf Basis der i-Cure® Technologie. Hier konnten signifikante Unterschiede im Verschleißverhalten in Relation zur Feuchtigkeitsempfindlichkeit gezeigt werden [6]. Die neue i-Cure® Technologie ermöglicht dabei eine gleichbleibend hohe Abriebbeständigkeit des Beschichtungsmaterials gerade auch bei kritischen klimatischen Bedingungen während der Applikation. buch2.indb 192 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 193 Einflussfaktoren für hoch verschleißfeste Parkhausbeschichtungen Abb. 2: Prüfstand Parking Abrasion Test der Sika Deutschland GmbH Abb. 3 zeigt ein totales Versagen bereits nach 5.000 Zyklen von einem Standard-PU-Beschichtungssystem, welches bei 8°C und 80% rLf appliziert wurde. Im Gegensatz dazu ist der bei Raumtemperatur beschichtete Prüfkörper auch bei 20.000 Zyklen nur minimal beschädigt. Herkömmliche mechanische Untersuchungen können diese Unterschiede nicht abbilden. Im Unterschied dazu zeigt Abb. 4 eine feuchtetolerante Beschichtung basierend auf der i-Cure® Technologie. Die Ergebnisse zeigen keinen Einfluss von den Applikationsbedingungen. Abb. 3: PAT Prüfung eines Standard-PU-Beschichtungssystems beschichtet bei 8°C 80% rLf (links) und 23°C 50% rLf (rechts) nach jeweils 5.000 Zyklen Abb. 4: PAT Prüfung eines iCure-PU-Beschichtungssystems beschichtet bei 8°C 80% rF (links) und 23°C 50% rLf (rechts) nach jeweils 5.000 Zyklen 6. Zusammenfassung Die Bestimmung der Lebensdauer von Parkhausbeschichtungen ist ein häufig diskutiertes Thema. Der nutzungsbedingte Verschleiß, durch die mechanische Beanspruchung der Fahrzeuge, wird häufig korreliert mit Verfahren, wie beispielsweise Taber-Abrieb oder der Shore Härte. Diese Prüfverfahren sind jedoch nicht geeignet ein praxisnahes Verschleißverhalten abzubilden. Der PAT-Test derzeit das einzig sinnvolle Verfahren zur Prüfung der Verschleißbeständigkeit. Mit dem PAT-Test lassen sich nicht nur Unterschiede an einzelnen Materialien, sondern auch an Applikationsbedingungen und unterschiedlichen OS-Systemaufbauten aufzeigen. Literatur [1] Ladner, E.-M., Breit, W.: Oberflächenschutzsysteme im praxisnahen Verschleißtest - Bestimmung von Materialparameter unter verschiedenen Randbedingungen und deren Einfluss auf das Verschleißverhalten von Oberflächenschutzsystemen, in Beiträge zur 5. DAfStb-Jahrestagung mit 58. Forschungskolloquium Band 1 20./ 21. September 2017 Technische Universität Kaiserslautern, S. 13-21, 20.-21.09.2017 [2] EN 1505-2: 2004, „Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken Teil2: Oberflächenschutzsysteme für Beton“ [3] EN ISO 5470-1: Bestimmung des Abriebwiderstandes. Teil 1: Taber-Abriebprüfgerät DIN EN ISO 5470-1: 09.1999 [4] Breit, W.; Ladner, E.-M.; Krams, J.: Nachweis der Verschleißbeständigkeit von Parkhausbeschichtungssystemen unter realitätsnahen Prüfbedingungen. Forschungsinitiative Zukunft Bau, F 2954, SF-10.08.18.7-11.26/ II 3-F20-10-074 vom 12. Dezember 2014 [5] Pusel, T.; Zilg, C.; Bänzinger, H.: Abnutzungsprüfung von OS Parkhaussystemen unter “Real-Bedingungen”. In: 3. Verkehrsbauten vom 29.-30. Januar 2008 in Ostfildern, Technische Akademie Esslingen, Ostfildern, 2008 [6] Pusel, T.; Grötzinger, J.; La Spina, S.: Parkhausbeschichtungen mit erhöhter Feuchtigkeitstoleranz vom Januar 2018 in Ostfildern, Technische Akademie Esslingen, Ostfildern, 2018 buch2.indb 193 13.01.20 15: 40 buch2.indb 194 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 195 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter Sebastian Lücke M.Eng. WestWood Kunststofftechnik GmbH, Petershagen, Deutschland Zusammenfassung Ergiebiger Schneefall, gefrierender Regen oder rasche Temperaturabfälle in den Frostbereich bei gleichzeitig nassen Oberflächen: Diese Arten von Winterwetter gehören zu den sehr gefährlichen Niederschlagsarten die bei uns vorkommen. Binnen kürzester Zeit kann eine unkalkulierbare Glätte auf diesen Oberflächen entstehen, die für dessen Nutzer häufig mit heiklen Situationen verbunden sind. Ein zusätzliches Gefahrenpotenzial entsteht dabei in geneigten Bereichen, wie sie z.B. in Parkhäusern bei Rampen oder Spindeln zu finden sind. Dies gilt ebenso für schmale und enge Fußgängerwege, z.B. auf Treppen oder Durchgängen. Der vorliegende Beitrag behandelt in diesem Zusammenhang die Vermeidung solcher Szenarien. Grundlage dafür bilden Oberflächenschutzsysteme auf PMMA-Basis, in deren Aufbau eine komplette Freiflächenheizung integriert wird. Die Besonderheit dabei ist, dass alle aufgezeigten Lösungen dank der minimalen Aufbauhöhen sowohl im Neubau als auch nachträglich im Zuge einer geplanten Sanierungsmaßnahme umsetzbar sind. Ausgeführte Beispiele aus der Praxis zeigen dabei die unterschiedlichsten Anwendungsfälle und veranschaulichen schrittweise die Realisierung. 1. Einleitung Wenn der Winter richtig zuschlägt, sind Räum- und Streudienste im Dauereinsatz. Insbesondere in öffentlichen Bereichen gilt es, das Unfallrisiko schnellstmöglich zu minimieren. Als privater Anlieger greift man in solchen Situationen selbst zum Räumwerkzeug oder ist auf einen zuverlässigen Räumdienst angewiesen. Räumdienste verwenden üblicherweise nach der Schneeräumung Auftausalze oder Sande bzw. Splitte. Maßnahmen, die heute in vielen Kommunen nicht erlaubt sind (striktes Verbot der Verwendung von Auftausalzen z.B. in München & Berlin) oder die die vorhandene Oberfläche sehr stark beanspruchen (eintretender Mahleffekt bei Befahrung auf der Oberfläche mit Sand oder Splitt). Freiflächenheizungen bieten ein hervorragendes Mittel dem entgegenzuwirken und solche Situationen erst gar nicht entstehen zu lassen. Dabei gibt es im Neubau mittlerweile eine Vielzahl an Varianten, die den Bauherren aus einem breit gefächerten Angebot wählen lassen. Ein Großteil der Gebäude wird mittlerweile jedoch im Bestand saniert. In diesem Fall reduzieren sich die technisch und wirtschaftlich sinnvollen Angebote rapide, da sich die Anforderungen hier drastisch zum Neubau unterscheiden. Auch sind Fragestellungen hinsichtlich des Energieeinsatzes im Zuge der Nutzung zu berücksichtigen. Pauschal das eine „richtige“ System für alle Anwendungsbereiche zu definieren ist nicht zielführend und bewirkt häufig exakt das Gegenteil. Maßgebend sind stets viele objektspezifische Faktoren, die es gilt, bestmöglich zu berücksichtigen. 2. Übersicht Ob es um Zufahrten zu Parkhäusern und Tiefgaragen geht, um Laderampen, Fußgängerwege, Fluchtwege, Außentreppen oder gar Hubschrauberlandeplätze: Heizsystem kommen überall da zum Einsatz, wo begeh- oder befahrbare Oberflächen eis- und schneefrei gehalten werden sollen. Sie finden häufig Verwendung, wenn andere Wahlmöglichkeiten zur Eis- und Schneefreihaltung nicht darstellbar sind. Beispielsweise genannt seien hier ein unzureichend zuverlässiger bzw. nicht verfügbarer Räum- und Streudienst oder die fehlende Möglichkeit der Anordnung einer Überdachung aus technischen, wirtschaftlichen oder architektonischen Gründen. Der Räum- und Streupflicht nicht nachzukommen ist keine Bagatelle und wird von den Kommunen häufig streng überwacht. Im Falle eines entstandenen Personenschadens der nachweislich auf eine unzureichende Räum- und Streupflicht zurück zu führen ist, muss der Beklagte mit erheblichen Kosten rechnen. In den vergangenen Jahren ist eine steigende Nachfrage zu begeh- und befahrbaren Heizsystemen am Markt spürbar. Beispielsweise nutzen vermehrt Parkhausbetreiber von Shopping-Centern in exponierten Bereichen diese Systeme, um den Servicegedanken ggü. ihrer Kundschaft buch2.indb 195 13.01.20 15: 40 196 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter zu erhöhen und dem Nutzer auch bei widriger Witterung schon bei der Einfahrt ein entspanntes Ankommen zu bieten. Bezogen auf Parkbauten werden gem. den Vorschlägen und Hinweisen des DBV-Merkblattes „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [1] Freiflächenheizungen explizit empfohlen, sofern eine vollumfängliche Sicherstellung der Eis- und Schneefreiheit nicht gegeben ist. Frei bewitterte Rampen oder Spindeln mit einer Neigung > 15 % sollten beheizt ausgeführt werden. Zufahrten, Abfahrten sowie Rettungswege sind bis zur öffentlichen Verkehrsfläche jederzeit verkehrssicher freizuhalten. Dabei gilt es zunächst zwischen den gängigen Anlagentypen zu unterscheiden: Den Großteil am Markt stellen elektrisch betriebene Heizungen dar, die über Strom und dessen Umwandlung in Wärme eine Schmelzwirkung an der Oberfläche erzielen. Weit geringer ist der Anteil von geschlossenen Rohrleitungen mit einem Flüssigkeitsmedium (z.B. Wasser-Glykol-Gemisch). Bei solchen Systemen wird die Flüssigkeit im Rohr erwärmt, zirkuliert in einem Kreislauf und erzielt so eine Abtauwirkung. Auch die Anordnung der Heizebene bzw. die Bauweise unterscheidet sich. So wird unterschieden in: a. Einbau der Heizebene in den Konstruktionsbeton b. Einbau der Heizebene in die Nutzschicht/ Asphalt c. Einbau der Heizebene in ein reaktionsharzgebundenes Oberflächenschutzsystem Weiter gibt es ebenso die Möglichkeit Pflasterbeläge zu beheizen. Hierbei wird die Heizebene in das Pflasterbett bestehend aus Sand oder Kies eingebracht. Da diese Variante häufig nur bei begehbaren Oberflächen Anwendung findet, wird nachfolgend nicht weiter darauf eingegangen. Hinsichtlich Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten wurde vom Deutschen Beton- und Bautechnikverein mit dem Heft 42 eine Beispielsammlung für verschiedenste Ausführungssituationen veröffentlicht. Das Heft 42 ergänzt das DBV Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ und stellt Planern wesentliche Hinweise und Empfehlungen bezüglich langlebiger Konstruktionen zur Verfügung. In dem Heft wird u.a. auch auf Ausführungsvarianten von beheizten Rampen eingegangen. Diese Beispiele gleichen sich prinzipiell mit den o.g. Bauweisen a, b & c. Die verschiedenen Systeme und Varianten im Detail zu vertiefen würde den Rahmen dieser Ausarbeitung überschreiten, daher wird in den folgenden Abschnitten der Fokus auf das reaktionsharzgebundene Oberflächenschutzsystem mit integrierter Heizebene sowie Nutz- und Verschleißschicht aus dem Hause WestWood Kunststofftechnik GmbH gelegt (entspricht Bauweise c). Abbildung 1: Rampe mit Freiflächenheizung im reaktionsharzgebundenen Oberflächenschutzsystem gem. [2] Das WestWood-Heizsystem kommt überall da zum Einsatz, wo begeh- oder befahrbare Oberflächen eis- und schneefrei gehalten werden sollen. Dafür werden Netzheizmatten in den Systemaufbau integriert, wahlweise vollflächig oder bei Bedarf nur in vorher definierten Bereichen. Bei den üblichen Heizsystemen am Markt werden die Heizleiter in einem dicken Aufbau integriert. Dieser besteht in der Regel aus Gussasphalt oder Estrich / Beton. Dabei liegen die Heizleitungen aufbaubedingt stets mehrere Zentimeter unter der eigentlich zu beheizenden Oberfläche, mit entscheidenden Nachteilen in puncto Heizwirkung. Eine Vorlaufzeit von bis zu 30 Minuten ist dabei keine Seltenheit, da der Heizleiter zunächst die unmittelbare Umgebung aufheizen muss, ehe eine entsprechende Temperatur an der eigentlichen Oberfläche erzeugt wird. Insbesondere bei Eisregen, der binnen Sekunden glatte Oberflächen herbeiführt, eine nicht zufriedenstellende Lösung. Eine längere Vorlaufzeit bedeutet dabei auch stets einen deutlich größeren Energieaufwand und ist wiederum mit zusätzlichen Kosten verbunden. Je tiefer die Heizleitungen eingebettet sind, desto länger ist die Anheizzeit bis zur Erreichung der Abtau- Oberflächentemperatur von ca. +3 °C. Dabei kann folgende Faustformel zu Rate gezogen werden: Die Anheizzeit verlängert sich mit dem Quadrat der Einbautiefe. Dies bedeutet in der Praxis bei einer doppelten Einbautiefe = 4-fache Anheizzeit, 3-fache Einbautiefe = 9-fache Anheizzeit. Die nachstehende Grafik verdeutlicht diesen Zusammenhang. buch2.indb 196 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 197 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter Abbildung 2: Verhältnis zwischen der Einbautiefe der Heizleitung und der daraus resultierenden Schmelzwirkung an der Oberfläche Das WestWood Freiflächenheizsystem hat eine Gesamtaufbauhöhe von ca. 12 mm. Es ist auf den ersten Blick erkennbar, dass bei solch geringen Aufbauhöhen nahezu keine Vorlaufzeiten benötigt werden und Betriebskosten somit im Laufe der Nutzung optimiert werden. 3. Aufbau Das Herz des Heizsystems sind die integrierten Heizmatten, die für eine bestmögliche Wärmezufuhr an der Oberfläche sorgen. Die für die Wärmezufuhr verantwortlichen Heizschlaufen werden bereits im Werk gemäß den jeweiligen Vorgaben hergestellt. Dabei werden die Heizleiter auf ein Trägernetz genäht. Durch das Aufnähen ist die Lage jedes einzelnen Heizleiters exakt definiert und es wird eine einfache Verlegung auf der Baustelle sichergestellt. Die Einbettung der Netzheizmatten erfolgt in einen Klebe- und Armierungsmörtel, welcher ebenfalls wie das Oberflächenschutzsystem auf PMMA-Harzen basiert und in dieses integriert wird. Durch die minimale Aufbaustärke der einzelnen Komponenten, befindet sich die Heizebene im fertigen Aufbau in unmittelbarer Nähe zur späteren Oberfläche. Dadurch werden sehr kurze Vorwärmzeiten realisiert sowie ein minimaler Energieverbrauch bestätigt. Zwei Messfühler gleichen ständig Temperatur sowie Feuchtigkeit ab, sodass ausschließlich bei tatsächlicher Frostgefahr die Anlage in den Heizmodus übergeht. Über die im Schaltschrank befindliche zentrale Steuereinheit werden ständig die ermittelten Daten der beiden Sensoren abgeglichen. Über einfache Schaltersteuerung kann die Freiflächenheizung neben dem Automatikbetrieb darüber hinaus komplett ausgeschaltet oder in den Dauerbetrieb versetzt werden. Abbildung 3: Freiflächenheizung vollflächig beheizt Abbildung 4: Freiflächenheizung nur Fahrspuren beheizt Die Heizebene wird üblicherweise auf einer rissüberbrückenden Beschichtung bzw. Abdichtung aufgebracht (z.B. OS 10). Diese ist Grundlage und garantiert die sichere Aufnahme von neu entstehenden oder vorhandenen sich bewegenden Rissen aus dem Untergrund. Direkt darauf erfolgt die eigentliche Heizebene mit den Netzheizmatten, diese werden in einen eigens konfektionierten Klebe- und Armierungsmörtel eingebracht. Abschließend wird je nach Anforderung und Kundenwunsch die Nutzschicht aufgebracht. Diese lässt sich frei nach den Anforderungen sowie individuellen Wünschen des Bauherren gestalten und reicht von einer üblichen Quarzsandeinstreuung über einen Strukturbelag bis hin zu einer extrem griffigen Hartkorneinstreuung. In Bezug auf die farblichen Wünsche sind dabei keine Grenzen gesetzt. Sämtliche Komponenten des Oberflächenschutzsystems, insbesondere auch der Klebe- und Armierungsmörtel für die Heizmatten, basieren dabei auf Polymethylmethacrylaten (PMMA). Der Anwender bzw. Bauherr kann sich somit auf die bekannten Eigenschaften bei der Verarbeitung sowie im Zuge der Nutzung verlassen: - Kurze Reaktionszeiten: überarbeitbar nach 30 - 45 Minuten - Schnelle Ausreaktion: voll belastbar nach spätestens 3 Stunden - Verarbeitungstemperatur von -5 °C bis + 35 °C - Keine Abstreulagen oder Haftvermittler notwendig - Schub- und scherfester Gesamtaufbau - Sehr hohe Verschleißbeständigkeit buch2.indb 197 13.01.20 15: 40 198 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter - Freie Wahl der Nutzschicht (z.B. Farbe, Griffigkeit) Das finale Ergebnis ist ein ca. 10 - 12 mm starker Gesamtaufbau, welcher für sämtliche begeh- oder befahrbare Oberflächen unabhängig von deren Geometrien die perfekte Lösung darstellt. Auch auf rissgefährdeten Untergründen werden Bewegungen aus dem Untergrund sicher durch die flexible Abdichtungslage aufgenommen und garantieren eine lange und wirtschaftliche Lebenszeit des Gesamtsystems. 4. Eigenschaften Die elektrischen Komponenten der Freiflächenheizung stammen aus dem Hause des Marktführers im Bereich Heiz- & Wärmelösungen und werden stets individuell auf das jeweilige Objekt sowie deren Randparameter angepasst. Hierzu werden Anlagen inkl. aller zugehöriger Bestandteile im eigenen Hause bemessen und dimensioniert. Wesentliche Randparameter, die in die Bemessung mit einfließen sind z.B.: - Höhe über NN - Lage (besondere Exposition, Windeinflüsse) - Ausrichtung (Himmelsrichtung, Schattenschlag) - Flächenneigung - Konstruktion freitragend oder nicht Durch die langjährigen Erfahrungen im Bereich Heizlösungen kann sich der Bauherr darauf verlassen, eine bestmöglich konfektionierte Gesamtanlage zu erhalten. Die Netzheizmatte als Hauptbestandteil der Freiflächenheizung weist dabei nachstehende Produkteigenschaften auf: - Spezifische Flächenleistung 250 W/ m² - Spannung 230 oder 400 V - Dicke der Netzheizmatte 3,3 mm - Breite 500 mm (Standard, weitere Maße verfügbar) - Länge bis ca. 2300 mm - alle Geometrien & Formen am Projekt können abgedeckt werden - Zur Lagesicherung und einfachen Verlegung sind die Heizleiter auf einem Trägernetz aufgenäht - nur ein Kaltleiteranschluss je Netzheizmatte - kein Ausstemmen von Kabelkanälen im Untergrund - resistent gegen sphärische Säuren & Laugen - alle zugehörigen Komponenten werden aufeinander abgestimmt (u.a. Sensoren, Schaltkasten) Abbildung 5: Netzheizmatte (Heizleiter aufgenäht auf Trägernetz) Die Netzheizmatte ist für den Einsatz im Außenbereich mit einer besonderen Teflon Innen- und Außenisolierung versehen. Sie ist dank ihres Außenmantels hoch resistent und eignet sich dadurch hervorragend für den Einbau in chemisch aggressiver Umgebung. Die Netzheizmatten werden in der angegeben Ausführung nach Normen gefertigt sowie nach den Richtlinien des Herstellers verlegt und angeschlossen. Die Auswahl der spezifischen Heizleistung pro m² Fläche erfolgt unter Berücksichtigung von Temperatur, Seehöhe und örtlichen Windeinflüssen. Bei besonderen Bedingungen wie exponierten Windlagen, Brücken, freien Rampen oder unterlüfteten Freiflächen werden die spezifischen Heizleistungen entsprechend angepasst. Grundlage für die Bemessung und Dimensionierung der Freiflächenheizung mit sämtlichen Komponenten ist ein exaktes Aufmaß der zu beheizenden Fläche. Darauf basierend wird der Verlegeplan erstellt. Es gilt: Je genauer die Angaben im Aufmaß benannt werden, desto effektiver wird später die Freiflächenheizung im Betrieb sein. Neben den Verwendbarkeitsnachweisen für die Systeme der Oberflächenschutzbeschichtung (z.B. abP gem. OS 10), besitzen die Heizsysteme eine CE-Kennzeichnung sowie das VDE-Prüfzeichen für Elektrogeräte. Dieses Prüfzeichen wird vom Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) vergeben und bescheinigt die Einhaltung hoher Sicherheitsstandards bei Elektrogeräten, unter anderem in elektrischer, mechanischer und toxischer Hinsicht. Abbildung 6: VDE-Prüfsiegel sowie CE Kennzeichnung als wesentlicher Faktor hochwertiger Elektrokomponenten buch2.indb 198 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 199 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter 5. Beispiele aus der Praxis Die Anwendungsbereiche von Freiflächenheizungen sind vielschichtig. Die Realisierung seitens Bauherren, Planern oder Architekten bezüglich der Anwendung solcher Systeme hat sich in den vergangenen Jahren erheblich gesteigert und wird weiter zunehmen. Vor allem für den in der Pflicht zur Räumung stehenden Verantwortlichen ergeben sich durch diese Systeme wesentliche Vorteile: Unabhängig von der Tages- oder Nachtzeit sowie der Auslastung des zuständigen Räumdienstes kann sich dieser darauf verlassen, dass Oberflächen eisfrei gehalten werden. Abbildung 7: Heizbild einer Garagenzufahrt Abbildung 8: Aufnahme mit Wärmebildkamera Die nachstehenden Beispiele aus der Praxis sollen eine Übersicht der Arbeitsschritte sowie unterschiedlichen Anwendungsfelder aufzeigen. Hauptanwendungsbereich sind zweifelsohne befahrene Oberflächen, wie z.B. Rampen, Spindeln, Ein- oder Ausfahrten. Jedoch sind mittlerweile viele weitere interessante Projekte ausgeführt worden, welche als nicht alltäglich bezeichnet werden dürfen. Hierauf wird nachstehend auch der Fokus gelegt. Die ersten ausgeführten Projekte reichen bis ins Jahr 2012 zurück und verrichten bis dato tadellos ihre Funktion. Aktuell (Stand: November 2019) wurden mehr als 70 Projekte in Deutschland, Österreich & der Schweiz realisiert und umgesetzt. buch2.indb 199 13.01.20 15: 40 200 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter 5.1 Treppensanierung am Flughafen Hamburg Projekt: Sanierung Treppentürme Ort: Flughafen Hamburg Umfang: ca. 110 m² Bauteil: Treppen und zugehörige Podeste Untergrund: Beton Ausführung: April 2017 System: WestWood Weproof Bauwerksabdichtungssystem inkl. Freiflächenheizung Tabelle 1: Bautafel Treppensanierung Flughafen HH Wie passgenau sich die Heizmatten bei den verschiedensten Anforderungen einbetten lassen, zeigt das Projekt am Flughafen Hamburg: Hier wurden zwei Treppentürme saniert, die sich unmittelbar vor dem Terminaleingang befinden und als Verbindungsweg zu den Parkebenen im Untergeschoss führen. Die vorhandene Oberfläche der Treppen zeigte eine vermindert Rutschsicherheit und somit für die Nutzer eine unzureichende Griffigkeit auf. Weiter war eine Betoninstandsetzung in Teilbereichen notwendig. Der Flughafen als Bauherr möchte die Sicherheit seiner Gäste nicht gefährden und entschied sich daher für ein neues Oberflächenschutzsystem mit entsprechender Griffigkeit in der Oberfläche, welches zudem bei Frostgefahr eine Eisbildung ausschließt. Der Flächenumfang dieses Projektes betrug lediglich 55 m² je Treppenturm. Die besondere Herausforderung bestand in den vielen kleinen Einzelflächen der Stufen, die jede für sich in den späteren Verlegeplan der Heizung aufgenommen werden mussten. Dafür wurden nicht nur die einzelnen Heizmatten passgenau im Werk nach den verschiedenen Bauteilgeometrien angefertigt, auch die Anlage selbst wurde in Bezug auf die elektronische Steuerung und der Leistung individuell bemessen. Auch wurde das Bauzeitfenster im Frühjahr bei vorherrschenden kühlen Temperaturen bewusst gewählt, um zwischen den Ferien die Arbeiten auszuführen. Unterm Strich wurden die sehr komplexen Arbeiten binnen kürzester Zeit ausgeführt, sodass sich der Bauherr für die weitere Sanierung von zwei Treppentürmen im Nachgang entschieden hat. Abbildung 9: Der Untergrund wurde vorbereitet, kleinere Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt Abbildung 10: Die Grundierung wurde aufgetragen sowie die Detail- und Flächenabdichtung ausgeführt Abbildung 11: Auf die Abdichtung werden die Heizmatten gemäß Verlegeplan verlegt buch2.indb 200 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 201 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter Abbildung 12: Die Heizmatten für die Treppenstufen wurden individuell bereits im Werk hergestellt Abbildung 13: Die beiden Sensoren werden gesetzt Abbildung 14: Einbetten der Heizmatten in den Klebe- und Armierungsmörtel Abbildung 15: Der Klebe- und Armierungsmörtel wird direkt auf die ausgelegten Heizmatten aufgetragen Abbildung 16: Die Nutzschicht besteht aus einem mit Quarzsand im Überschuss abgestreuten Verlaufmörtel Abbildung 17: Abschließend wird eine farbige Kopfversiegelung aufgetragen Abbildung 18: fertige Oberfläche, abgeschlossen binnen kürzester Zeit buch2.indb 201 13.01.20 15: 40 202 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter 5.2 Beheizung Hubschrauberlandeplatz UKSH Lübeck Projekt: Heliport UKSH Lübeck Ort: Universitätsklinikum Lübeck Umfang: ca. 700 m² Bauteil: Hubschrauberlandeplatz Untergrund: Asphalt Ausführung: Juli 2019 System: WestWood System Freiflächenheizung Tabelle 2: Bautafel Hubschrauberlandeplatz UKSH Lübeck Im Zuge der Erweiterung des UKSH durch ein neues Zentralklinikum wird ein Hubschrauberlandeplatz auf dem neuen Gebäudetrakt installiert. Dieser wurde mit einem klassischen Aufbau bestehend aus einer Nutzschicht aus Gussasphalt inkl. zugehöriger Abdichtung aus einer Bitumenschweißbahn auf der Tragkonstruktion erstellt. Die Toleranzen hinsichtlich Gefälle und Ebenheit der Oberfläche für Heliports sind sehr hoch und nicht vergleichbar z.B. mit Parkbauten. Um den Heliport sowohl im Sommer als auch im Winter uneingeschränkt nutzen zu können war die Vorgabe ein Freiflächenheizsystem zu installieren. Aufgrund des Umfanges der zu beheizenden Fläche musste dies im Hinblick auf die Betriebskosten eine hohe Effizienz aufweisen. Bei diesem Projekt lag ein neu erstellter Aufbau bestehend aus Schweißbahn & Gussasphalt vor. Ziel war die Installation der Heizebene sowie die Einhaltung der Ebenheitsanforderungen. Aus diesem Grunde wurde auf die üblicherweise stets mit zur Anwendung kommende Abdichtung aus Flüssigkunststoff verzichtet, die Heizebene wird hier lediglich als „Nutzschicht“ verstanden. Die Freiflächenheizung hat eine Nennleistung von ca. 175 KW und wurde mit in die Zentralsteuerung des Gebäudekomplexes integriert. Somit ist stets eine exakte Überwachung der einzelnen Heizkreise sowie ein Überblick der aktuellen Oberflächentemperaturen des Heliports möglich. Abbildung 19: Der Asphalt-Untergrund wurde geschliffen, grundiert und reprofiliert Abbildung 20: Die Heizmatten wurden gem. Verlegeplan direkt auf die Grundierung ausgelegt Abbildung 21: Aufgrund des Umfanges erfolgte die Einteilung in einzelne Etappen Abbildung 22: Zur Lagesicherung wurden die Matten punktuell gesichert buch2.indb 202 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 203 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter Abbildung 23: Nach dem finalen Ausrichten werden zunächst die Ränder der Heizmatten eingebettet Abbildung 24: Anschließend erfolgte die vollflächige Einbettung mit Klebe- und Armierungsmörtel Abbildung 25: Als Schutzlage für die Heizebene sowie zur Erzielung einer sehr ebenen Oberfläche wurde ein selbstnivellierender Verlaufmörtel aufgebracht Abbildung 26: Aufgrund der sehr strengen Anforderungen wurde der Verlaufmörtel nochmals geschliffen Abbildung 27: Auf den Verlaufmörtel ist die Nutzebene aus Strukturbelag Wecryl 410 aufgebracht Abbildung 28: linke Seite Verlaufmörtel, rechte Seite fertige Oberfläche mit Strukturbelag Abbildung 29: Farblich frei gestaltbar, Rutschhemmung R12 Abbildung 30: fertige Oberfläche für den sicheren Betrieb inkl. Markierung und Beschriftung buch2.indb 203 13.01.20 15: 40 204 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter 5.3 - Hafenpontons Landungsbrücken St. Pauli Hamburg Projekt: Hafenpontons Hamburg Hafen Ort: Landungsbrücken St. Pauli Bauteil: Pontons, Treppen und Rampen Umfang: ca. 1.200 m² davon ca. ca. 600 m² beheizt Untergrund: Beton und Metall Ausführung: 2017 - 2018 (mehrere Bauabschnitte) System: WestWood System Freiflächenheizung Tabelle 3: Bautafel Hafenpontons Landungsbrücken Der Hamburger Hafen ist bei Touristen und Hanseaten gleichermaßen ein beliebter Anlaufpunkt, insbesondere an den St. Pauli Landungsbrücken herrscht ein sehr munteres treiben. Die dortigen Schwimmpontons dienen als Startpunkt z.B. für Hafenrundfahrten und laden zu entspannten Spaziergängen an der Elbe ein. Die Pontons schwimmen direkt im Wasser und sind aufgrund dieser sehr exponierten Lage (Wind, Regen & Schnee) an der Oberfläche sehr anfällig gegenüber Eis- und Glättebildung in der kalten Jahreszeit. Da es sich um einen öffentlich zugänglichen Bereich mit sehr hohen Besucherzahlen handelt, steht der Bauherr hier besonders in der Pflicht zu jeder Tages- und Nachtzeit das gefahrlose Begehen zu ermöglichen. Um den Anforderungen gerecht zu werden, ist eine erhöhte Rutschhemmung und Griffigkeit der Oberfläche erforderlich sowie die dauerhafte Vermeidung einer Eis- und Schneebildung. Die HPA (Hamburg Port Authority) als Bauherr möchte die Sicherheit der Nutzer nicht gefährden und entschied sich im Zuge einer planmäßigen Instandsetzung daher für das WestWood Oberflächenschutzsystem mit integrierter Heizebene, welches die gestellten Anforderungen in Gänze erfüllt. Die Anwendung erfolgte u.a. auf den Treppen, Treppenpodesten sowie Rampen. Durch die geringe Aufbauhöhe des Systems kann der Anschluss an angrenzende Bauteile problemlos erfolgen. Abbildung 31: Der Untergrund wurde geschliffen und lokale Ausbesserungen durchgeführt Abbildung 32: Nach dem Grundieren der Fläche wurden nur die Details (z.B. Fugen) abgedichtet Abbildung 33: Die Heizmatten werden gem. Verlegeplan ausgelegt, auf der Rampe… Abbildung 34: … als auch auf den Treppen buch2.indb 204 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 205 Begeh- und befahrbare Freiflächenheizungen: sicher und eisfrei durch den Winter Abbildung 35: Einbau der beiden Sensoren Abbildung 36: das Einbetten der Heizmatten erfolgte zunächst auf der Treppe Abbildung 37: Anschließend auf dem Treppenpodest sowie der Rampe Abbildung 38: Die Nutzschicht aus Strukturbelag stellt den Abschluss der Arbeiten dar 6. Fazit Eine Freiflächenheizung bietet in vielerlei Hinsicht Vorteile für den Bauherren oder deren Nutzer. Für die Auswahl geeigneter Produkte und Systeme ist eine Vielzahl von Parametern zu beachten. PMMA-Werkstoffe bieten hierbei innovative Lösungen, die entscheidende Vorteile insbesondere im Zuge einer Instandsetzung für eine erfolgreiche und langlebige Baumaßnahme darstellen. Die elektrischen Komponenten der Freiflächenheizung sind dabei ebenso maßgebend und müssen mit dem Oberflächenschutzsystem perfekt harmonieren. Qualitätssiegel wie ein VDE-Zeichen sowie die CE Kennzeichnung sind dabei wesentliche Qualitätsmerkmale. Die aufgezeigten Heizsysteme lassen sich auf jedes Projekt individuell zuschneiden: Auf Rampen und Fahrwegen können sie vollflächig oder nur in den Fahrspuren verlegt werden - auf Treppen passen sie sich dem jeweiligen Verlauf an: Ein flexibles, dauerhaftes, wirtschaftliches und energieeffizientes System - für den Neubau als auch für die Sanierung geeignet. Literaturverzeichnis DBV-Merkblatt: Parkhäuser und Tiefgaragen. Deutscher Beton und Bautechnik Verein, 3. Überarbeitete Ausgabe, Fassung Januar 2018. DBV-Heft 42: Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten - Beispielsammlung. Deutscher Beton- und Bautechnik Verein, Fassung Januar 2019. buch2.indb 205 13.01.20 15: 40 buch2.indb 206 13.01.20 15: 40 Neubau buch2.indb 207 13.01.20 15: 40 buch2.indb 208 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 209 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Frank Fingerloos Berlin Christoph Gehlen München 1. Anlass Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und der Dauerhaftigkeit von Betonbauwerken werden seit einigen Jahren im Rahmen von nationalen und internationalen Forschungsarbeiten leistungsbezogene („Performance-basierte“) Konzepte zur differenzierteren Abschätzung des Bauteilwiderstandes (Betondichtheit und Betondeckung) unter verschiedenen Umgebungsbedingungen entwickelt und auch schon in einzelnen Bauprojekten erprobt. In einigen europäischen Normungsgremien des CEN wird vor diesem Hintergrund über die Einführung so genannter „Widerstandsklassen“ für Beton beraten („Exposure Resistance Classes - ERC“). Im Zuge der bereits begonnenen Überarbeitung des Eurocode 2 und der Weiterentwicklung der EN 206 „Beton“, die erst jenseits des Jahres 2020 abgeschlossen sein werden, wird derzeit in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von CEN/ TC 250/ SC 2 (Bemessung - Eurocode 2) sowie CEN/ TC 104/ SC 1 (Baustoffe - Beton) und CEN/ TC 104/ SC 2 (Bauausführung) unter Einbindung der Technischen Komitees für Zement (CEN/ TC 51) und Fertigteile (CEN/ TC 229) ein entsprechendes neues Dauerhaftigkeitskonzept insbesondere für die Bewehrungskorrosion infolge von Carbonatisierung und Chloridmigration entwickelt. In Deutschland wurden grundlegende wissenschaftliche Forschungsarbeiten für die leistungsbezogene Dauerhaftigkeitsbemessung und -konstruktion insbesondere an der TU München vorangetrieben. Aus diesen Forschungsarbeiten haben sich einige interessante Dissertationen und Veröffentlichungen zur Beurteilung der Bewehrungskorrosion in Stahlbetonbauteilen ergeben, auf die im Rahmen dieses Beitrags speziell vor dem Hintergrund der Beanspruchungen in Parkbauten eingegangen werden soll. Es sind dies: - DAfStb-Heft 622: Stefanie von Greve-Dierfeld: Bemessungsregeln zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit XC-exponierter Stahlbetonbauteile. Dissertation TU München, 2016 [1], - DAfStb-Heft 626: Amir Rahimi: Semiprobabilistisches Nachweiskonzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauteilen unter Chlorideinwirkung. Dissertation TU München, 2017 [2], - BAW-Merkblatt: Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauwerken bei Karbonatisierung und Chlorideinwirkung (MDCC). Ausgabe 2017 [3], - DAfStb-Instandhaltungs-Richtlinie (Entwurf bzw. „Gelbdruck“, Stand: Juni 2016) - Teil 5 (informativ): Nachweisverfahren zur Ermittlung der Restnutzungsdauer und der Bemessung von Schichtdicken für Betonersatz bei Karbonatisierung und Chlorideinwirkung [4]. In diesem Beitrag soll es insbesondere darum gehen, auf den aktuellen Stand der Wissenschaft - z. T. auch Stand der Technik - einzugehen und auf Chancen und Risiken bei der Anwendung solcher leistungsbezogener Dauerhaftigkeitskonzepte aufmerksam zu machen. Beispielhaft wird die Anwendung für den Widerstand gegen chloridinduzierte Bewehrungskorrosion in der Expositionsklasse XD3 bei Stahlbetonbauteilen in Parkbauten detaillierter erläutert. Darüber hinaus wird der aktuelle Wissensstand zur Korrosionsintensität von Betonstahlbewehrung in Rissen zusammengefasst, in die über maximal eine Wintersaison Chloride aus Tausalz eingedrungen sind. Diese Frage ist essentiell für die Stahlbetonbauweisen in Parkbauten mit und ohne Oberflächenschutzsystemen, insofern wurde sie auch im DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ aufgegriffen. 2. Grundlagen der Dauerhaftigkeitsbemessung Die grundlegenden Überlegungen zur Thematik haben Gehlen et al. in [5] beschrieben, die im Folgenden auszugsweise zitiert und ergänzt werden. Die in einer statischen Berechnung angesetzten Bauteilwiderstände werden größtenteils als zeitunabhängig betrachtet. Die Tragwerkssicherheit, aber auch die Gebrauchstauglichkeit unterliegen jedoch auch zeitlichen Einflüssen. Bei einem Verlust der Standsicherheit droht neben möglichen Konsequenzen für Leib und Leben immer auch ein wirtschaftlicher Totalverlust. Aus diesem Grund ist ein Tragwerksversagen mit normativ festgelegter, sehr hoher buch2.indb 209 13.01.20 15: 40 210 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Wahrscheinlichkeit zu vermeiden. Von einer gebrauchstauglichen Konstruktion wird erwartet, dass sie unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen eine ausreichend zuverlässige Funktionalität aufweist. Bewehrungskorrosion beispielsweise, findet sie über entsprechend lange Zeiträume statt, kann nicht nur die Gebrauchstauglichkeit von Stahlbetonbauwerken herabsetzen (Rissbildung, Rostfahnen, Betonabplatzungen), sondern auch - bei stärkerer Ausprägung - die Tragfähigkeit von bewehrten Betonbauteilen beeinträchtigen (signifikanter Querschnittsverlust der Bewehrung). Im Zusammenhang mit zeitabhängigen Korrosionsprozessen von Betonstahl und Beton wird im Allgemeinen von einem Dauerhaftigkeitsproblem gesprochen. Mit Veröffentlichung der seinerzeit neuen Bemessungsnorm DIN 1045-1 und der europäischen Betonnorm DIN EN 206-1 mit den deutschen Anwendungsregeln in DIN 1045-2 und der Norm für die Bauausführung DIN 1045-3 im Jahr 2001 fand das Dauerhaftigkeitsproblem eine deutliche Aufwertung in der Normung. Zur Erinnerung: Im Eurocode 2 DIN EN 1992-1-1 [6], [7] werden u. a. folgende Anforderungen an die Dauerhaftigkeit formuliert: - Die Anforderung nach einem angemessen dauerhaften Tragwerk ist erfüllt, wenn dieses während der vorgesehenen Nutzungsdauer seine Funktion hinsichtlich der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit ohne wesentlichen Verlust der Nutzungseigenschaften bei einem angemessenen Instandhaltungsaufwand erfüllt. - Der erforderliche Schutz des Tragwerks ist unter Berücksichtigung seiner geplanten Nutzung und Nutzungsdauer, der Einwirkungen und durch Planung der Instandhaltung sicherzustellen. - Der mögliche Einfluss von direkten und indirekten Einwirkungen, von Umgebungsbedingungen und von daraus folgenden Auswirkungen muss berücksichtigt werden. - Der Schutz der Bewehrung vor Korrosion hängt von Dichtheit, Qualität und Dicke der Betondeckung und der Rissbildung ab. Die Dichtheit und die Qualität der Betondeckung werden durch Begrenzung des Wasserzementwertes und durch einen Mindestzementgehalt (siehe DIN EN 206-1) erreicht. Diese Anforderungen können in Bezug zu einer Mindestbetondruckfestigkeitsklasse gebracht werden. - Um die angestrebte Lebensdauer des Tragwerks zu erreichen, müssen angemessene Maßnahmen ergriffen werden, die jedes einzelne Bauteil vor den jeweiligen umgebungsbedingten Einwirkungen schützen. - Die Anforderungen an die Dauerhaftigkeit müssen berücksichtigt werden bei dem Tragwerksentwurf, der Baustoffauswahl, den Konstruktionsdetails, der Bauausführung, der Qualitätskontrolle, der Instandhaltung, den Nachweisverfahren und bei besonderen Maßnahmen (z. B. Verwendung von nichtrostendem Stahl, Beschichtungen, kathodischem Korrosionsschutz). - Eine angemessene Dauerhaftigkeit des Tragwerks gilt als sichergestellt, wenn neben den Anforderungen aus den Nachweisen in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit und den konstruktiven Regeln der Kapitel 8 und 9 die Anforderungen des Kapitels 4 sowie die Anforderungen an die Zusammensetzung und die Eigenschaften des Betons nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 und an die Bauausführung nach DIN 1045-3 bzw. DIN EN 13670 erfüllt sind und das Bauwerk bzw. Bauteil einer geplanten Instandhaltung inklusive Inspektion, Wartung und Instandsetzung unterliegt (siehe DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“). Um eine ausreichende Dauerhaftigkeit von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken sicherzustellen, werden in den aktuellen Normen bisher lediglich Konstruktionsregeln vorgeschrieben. Zur Vermeidung von Bewehrungskorrosion sind in den Normen [7], [9] relativ unscharf unterteilte Expositionsklassen definiert, die sowohl die Umwelteinwirkungen beschreiben sollen, als auch zur deskriptiven Festlegung des Bauteilwiderstandes (Mindestbetondeckung, rechnerisch einzuhaltende Rissbreite, Anforderungen an die Betonzusammensetzung und die Nachbehandlung) dienen. Diese Art der Dauerhaftigkeitsbemessung ist historisch gewachsen (d. h., sie beruht auf nicht vollständig dokumentierten oder dokumentierbaren Erfahrungswerten) und steht im deutlichen Gegensatz zur statischen Tragwerksbemessung. Trotzdem wird die Dauerhaftigkeitsbemessung auf deskriptiver Grundlage bis heute weltweit praktiziert. Ein Nachteil der historisch gewachsenen, oft geänderten Normregeln ist, dass bei der Bemessung gegenüber dauerhaftigkeitsrelevanten Einwirkungen für den planenden Ingenieur nicht ersichtlich ist, welche Bedeutung und Wertigkeit einzelne Kennwerte haben. Diese vorgenannte unvollständige Datenlage, daraus folgende Unklarheiten zum erzielbaren rechnerischen Zuverlässigkeitsniveau, eine regelmäßig nur auf 50 Jahre geplante hochbautypische Nutzungsdauer und in Einzelfällen aufgetretene Dauerhaftigkeitsprobleme haben Forscher motiviert, ein besser nachvollziehbares, wahrscheinlichkeitstheoretisch abgestütztes Bemessungsmodell zu entwickeln. Dieses Modell soll einen Zusammenhang zwischen normativ fixierten Konstruktionsregeln und bislang erarbeiteten, gesicherten Forschungserkenntnissen für eine neue, transparentere Konzeption hinsichtlich der Dauerhaftigkeitsbemessung von Stahlbetonbauteilen herstellen. Die in den neuen DAfStb-Heften 622 [1] und 626 [2] hergeleiteten Ansätze und Hilfsmittel (Bemessungsnomogramme) für eine differenziertere Dauerhaftigkeitsbemessung sollen die zuvor formulierten Anforderungen an die Dauerhaftigkeit aus dem Eurocode 2 unter bestimmten Voraussetzungen auch erfüllen. Dabei entsprechen sie in ihrer Vorgehensweise den vertrauten Bemessungsformaten der statischen Bemessung, bei der Einwirkungen (wie Lasten) und Bauteilwiderstände (wie Querschnittstragfähigkeiten) gegenübergestellt werden. buch2.indb 210 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 211 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Bei einer leistungsbezogenen Dauerhaftigkeitsbemessung müssen bei Anwendung des Berechnungsmodells auch Annahmen und Konventionen zur Bauwerkszuverlässigkeit getroffen werden, die von der Bauteilexposition und den etwaigen Schadensfolgen abhängen. Die dazugehörigen rechnerischen Zuverlässigkeitsindizes werden als Zielwerte in den probabilistischen Berechnungen zugrunde gelegt (siehe auch Abschnitt 3). An die Stelle der einwirkenden (statischen) Lasten treten Umwelteinwirkungen, wie z. B. CO2- oder Chloridkonzentrationen, und der Bauteilwiderstand wird statt durch den Bewehrungsgehalt, die Bauteilgeometrie und die Betondruckfestigkeit beispielsweise durch die Dicke der Betondeckung und die Transporteigenschaften des Betons (CO2- oder Chlorid-Diffusionskoeffizienten) charakterisiert. Ausgehend von dem international erreichten Entwicklungsstand der vollprobabilistischen Dauerhaftigkeitsbemessung hat die fib (fédération internationale du béton) einen „Model Code for Service Life Design“ veröffentlicht [10]. Das darin entwickelte Dauerhaftigkeitsbemessungskonzept wurde teilweise auch in den 2013 herausgegebenen fib „Model Code 2010“ [11] integriert. Allerdings findet die probabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bisher nur für die Schädigungsmechanismen chlorid- und karbonatisierungsinduzierte Korrosion von ungerissenem Beton als leistungsbezogenes Entwurfsverfahren Anwendung [12]. Der Bezug auf die ungerissene Betondeckung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass als rechnerischer „Ersatz-“Grenzzustand der Dauerhaftigkeit der klar definierbare Zeitpunkt der Depassivierung der Bewehrung festgelegt wurde (Konvention). Im Bereich eines offenen Risses wird die Depassivierung wegen der schnelleren Karbonatisierung der Rissufer bzw. wegen der deutlich schnelleren Depassivierung der risskreuzenden Bewehrung durch über den Riss eingedrungende Chloride, in kürzerer Zeit erreicht. Die Korrosion der Bewehrung kann hier, örtlich auf die risskreuzenden Bewehrungsoberflächen beschränkt, daher wesentlich schneller beginnen. Das wird aber im derzeitigen deskriptiven Bemessungskonzept auch hingenommen, da tatsächlich kritische Bauteilzustände praktisch erst erreicht werden, wenn die fortschreitende Bewehrungskorrosion zu Abplatzungen oder Rissverbreiterungen in der Betondeckung oder zu einer standsicherheitsrelevanten Querschnittsschwächung führt (vgl. auch Bild 2). In Deutschland bot der informative Anhang J der DIN EN 206-1 [8] erstmals die normative Möglichkeit zur Anwendung einer leistungsbezogenen Dauerhaftigkeitsbemessung - u. a. auch gemäß der Ansätze in [10] - an. Danach sollten leistungsbezogene Entwurfsverfahren quantitativ jeden maßgebenden Zerstörungsmechanismus berücksichtigen und entweder auf zufriedenstellenden baupraktischen Erfahrungen unter örtlichen Umgebungsbedingungen oder Daten eines anerkannten Prüfverfahrens für den maßgebenden Schädigungsmechanismus oder der Anwendung erprobter Vorhersagemodelle beruhen. Allerdings enthält der Anhang J [8] keine weiteren Hinweise zur praktischen Umsetzung. Um diese Lücke zu schließen, hat der Deutsche Ausschuss für Stahlbeton zum einen ein Positionspapier [12], [13] erarbeitet und zum anderen gemeinsam mit der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) mehrere Forschungsvorhaben gefördert, deren Ergebnisse auch Eingang in die beiden Dissertationen von v. Greve-Dierfeld [1], bzw. Rahimi [2] fanden. Bisher ist dieser Weg allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen und Zustimmungen im Einzelfall vorbehalten gewesen. Darüber hinaus hat auch die Bundesanstalt für Wasserbau die Forschungsergebnisse für leistungsbezogene Nachweisverfahren aufgegriffen und im BAW-Merkblatt „Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauwerken bei Karbonatisierung und Chlorideinwirkung (MDCC)“ [3] umgesetzt. Dieses BAW-Merkblatt soll allen am Ingenieur-Wasserbau Beteiligten einen transparenten Umgang mit der Bemessung und Bewertung der Dauerhaftigkeit hinsichtlich karbonatisierungs- und chloridinduzierter Betonstahlkorrosion, z. B. insbesondere auch bei geplanten Nutzungsdauern von 100 Jahren, ermöglichen. Mit dem Einführungserlass WS 12/ 5257.23/ 22 vom 3. November 2017 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) die ZTV-W, Leistungsbereich 219, Ausgabe 2017 [14] sowie das BAW- Merkblatt (MDCC), Ausgabe 2017 [3] für den Geschäftsbereich der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes eingeführt. Sie sind bei allen einschlägigen Bauleistungen zu Grunde zu legen. 3. Was bedeutet „geplante Nutzungsdauer“? Im Zusammenhang mit der Bemessung von Tragwerken in Bezug auf die Dauerhaftigkeit ist der Begriff der „geplanten Nutzungsdauer“ eines Bauwerks (oder Bauteils) von Bedeutung. Das Prinzip ist in DIN EN 1990 [15] wie folgt beschrieben: „2.4 Dauerhaftigkeit: (1)P Das Tragwerk ist so zu bemessen, dass zeitabhängige Veränderungen der Eigenschaften das Verhalten des Tragwerks während der geplanten Nutzungsdauer nicht unvorhergesehen verändern. Dabei sind die Umweltbedingungen und die geplanten Instandhaltungsmaßnahmen zu berücksichtigen.“ Die „geplante Nutzungsdauer“ ist klar vom Begriff „Lebensdauer“ zu unterscheiden. Die Definition ist in DIN EN 1990 [15] enthalten: „1.5.2.8 geplante Nutzungsdauer: angenommene Zeitdauer, innerhalb der ein Tragwerk unter Berücksichtigung vorgesehener Instandhaltungsmaßnahmen für seinen vorgesehenen Zweck genutzt werden soll, ohne dass jedoch eine wesentliche Instandsetzung erforderlich ist.“ Quantitativ unbestimmt bleibt, was eine „wesentliche Instandsetzung“ bedeutet und wann diese wirklich erforderlich wird. Ein Tragwerk beginnt naturgemäß nutzungs- und physikalisch bedingt mit dem Tag nach seiner Herstellung zu buch2.indb 211 13.01.20 15: 40 212 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? „altern“. Das wird durch die zeitabhängigen Veränderungen seiner Eigenschaften bestimmt. Das probabilistische Konzept der Eurocodes beruht darauf, planmäßigen Einwirkungen (E d ) einen Bauteilwiderstand (R d ) entgegenzusetzen. In Bezug auf die Dauerhaftigkeit beinhaltet der Bauteilwiderstand auch einen Abnutzungsvorrat, der i. d. R. über die Nutzungsdauer planmäßig abgebaut wird. Die Abnutzung (oder das „Altern“) einer Betondeckung wird in der Regel u. a. durch den Fortschritt der Karbonatisierungsfront oder durch das fortlaufende Eindringen von Chloriden in die Betonrandzone bestimmt. In diesem Prozess können auch erste hinnehmbare Korrosionserscheinungen an der Bewehrung und Rissbildungen infolge der Volumenvergrößerung der Korrosionsprodukte auftreten. Der Bauteilwiderstand zum Zeitpunkt t = 0 (R act , 0 ) kann planmäßig bis zum Erreichen eines Mindestbauteilwiderstandes (R min ) über die geplante Nutzungsdauer abnehmen, ohne dass die Nutzungsfähigkeit des Tragwerks verloren geht (vgl. rote Linie in Bild 1). Bei Erreichen von R min ist dann eine „wesentliche“ Instandsetzung notwendig, mit der der verlorene Abnutzungsvorrat (ΔR) aufgefüllt und eine weitere Nutzung ermöglicht wird. Dabei kann die Abnutzung auch durch schädigende Ereignisse, z. B. entweder durch Betonstahlermüdung oder durch ein frostbedingtes Abplatzen bzw. durch eine mechanische Beschädigung der Betondeckung, beschleunigt werden, so dass der verbleibende Abnutzungsvorrat (R act ) bei gleichbleibenden Einwirkungen nicht ausreicht, um bei planmäßigem weiterem Abbau des Vorrats die vorgesehene Zuverlässigkeit des Bauwerks bis zum Ende der geplanten Nutzungsdauer zu erhalten (Kurve R act,ur in Bild 1). Dann kann auch im Rahmen der vorgesehenen Instandhaltung eine Instandsetzung vor Erreichen der planmäßigen Nutzungsdauer notwendig werden, mit der der durch eine Beschädigung verlorene Abnutzungsvorrat aufgefüllt wird (ΔR in Bild 1). Bild 1: Reduzierung des Abnutzungsvorrats der Betondeckung - Beispiel: geplante Nutzungsdauer 50 Jahre (nach [16]) Die Reduzierung eines Abnutzungsvorrats ist demnach der Stahlbeton- und Spannbetonbauweise immanent. Dies wird auch bei einer leistungsorientierten Beurteilung der Dauerhaftigkeit berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund muss bei einer probabilistisch basierten Dauerhaftigkeitsbemessung ein zweckmäßiger Grenzzustand der Dauerhaftigkeit definiert werden, der mit einer bestimmten Zuverlässigkeit nicht erreicht wird. Der Schädigungsverlauf der Bewehrungskorrosion kann in eine Einleitungsphase und eine Schädigungsphase unterteilt werden [5]. Während der Einleitungsphase dringen Kohlendioxid oder Chloride in den Beton ein. Die Einleitungsphase endet mit der Depassivierung der Bewehrungsoberfläche, wenn die Karbonatisierungsfront die Bewehrung erreicht oder der Chloridgehalt an der Bewehrungsoberfläche einen kritischen Chloridgehalt übersteigt. Die Bewehrungskorrosion setzt erst in der an die Depassivierung anschließenden Schädigungsphase ein. Die Depassivierung der Bewehrungsoberfläche stellt noch keine Schädigung des Bauwerks dar. Da jedoch für die sich anschließende Schädigungsphase derzeit noch keine ausreichend validierten Modelle vorliegen, wird für Dauerhaftigkeitsbemessungen in der Regel der Grenzzustand „Depassivierung“ stellvertretend für andere, sich zeitlich danach einstellende verschiedene Grenzzustände betrachtet [5], [12] (siehe auch Bild 2). Bild 2: Zeitlicher Schädigungsverlauf der Bewehrungskorrosion beispielhaft für Expositionsklasse XD3 (nach [5], hier angepasst) Die Dauer der Einleitungsphase und der Grad der folgenden Schädigungen in der Schädigungsphase unterscheiden sich unter verschiedenen Umgebungsbedingungen (d. h. zwischen den Expositionsklassen). Um diese unterschiedlichen Prozessgeschwindigkeiten näherungsweise zu berücksichtigen, werden bisher differenzierte Zuverlässigkeiten in der probabilistischen Analyse verwendet. Das Zuverlässigkeitsniveau ergibt sich aus den Anforderungen an die Betonzusammensetzung (Wasserzementwert, Bindemittelauswahl) und der Mindestbetondeckung. Ein dazugehöriger Zuverlässigkeitsindex soll in Abhängigkeit vom Aufwand zur Risikominimierung bezogen auf den Instandsetzungsaufwand gewählt werden. In Deutschland wurde hierfür als Orientierung für die Zielgröße in den Expositionsklassen XS1/ XD1, XC2 und XC4 ein Zuverlässigkeitsindex β Ziel = 1,5 empfohlen. In der Expositionsklasse XC3 („mäßige Feuchte“) ist nach der relativ schnell erreichten Depassivierung (bei in der Regel eher trockenen Umgebungsbedingungen) ein nur geringer Korrosionsabtrag der Bewehrung über einen längeren Zeitraum gegeben. Daher wird für XC3 ein Zuverlässigkeitsindex β Ziel = 0,5 akzeptiert [12]. Bei den aggressiveren Expositionsklassen mit stärkerer Chlorid- und Feuchteeinwirkung XS2/ XD2 und buch2.indb 212 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 213 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? XS3/ XD3 können sich in der Schädigungsphase relativ schnell Korrosionsabträge der Bewehrung einstellen („Lochfraß“). Vergleichsrechnungen zeigten, dass bei Einhaltung der Mindestanforderungen der Normen (Mindestbetondeckung 40 mm, w/ z-Werte ≤ 0,50 bzw. 0,45, Mindestzementgehalte z ≥ 320 kg/ m³) für die hinsichtlich Chlorideindringung ungünstigste Betonzusammensetzung mit CEM I-Zement der Zuverlässigkeitsindex β deutlich unter 1,5 liegt [26]. In Bild 2 werden diese Zusammenhänge am Beispiel der Expositionsklasse XD3 qualitativ dargestellt. Das Erreichen der geplanten Nutzungsdauer ist bauteilbezogen je nach Schädigungsgrad und Funktionsfähigkeit des Bauteils unterschiedlich. Gekennzeichnet ist dies durch Erreichen eines standsicherheitsrelevanten Querschnittsverlustes oder durch Risse und Betonabplatzungen, die durch expandierende Korrosionsprodukte verursacht werden, vgl. hierzu auch [27]. Ein Querschnittsverlust der Bewehrung von etwa 40 % braucht die Sicherheit aus den Teilsicherheitsbeiwerten für die Bemessung der Bewehrung im GZT theoretisch auf ( ϒE × ϒS ≈ 1,4 × 1,15 = 1,6). Der zu erwartende „übliche“ Instandsetzungsaufwand während und der „wesentliche“ Instandsetzungsaufwand am Ende der geplanten Nutzungsdauer ist bei chloridinduzierter Bewehrungskorrosion i. Allg. als hoch einzuschätzen. Einem hohen Aufwand zur Risikominimierung bzgl. der Bewehrungskorrosion steht bei starken Chloridbelastungen ein vergleichbar hoher Instandsetzungsaufwand gegenüber. Der Instandsetzungsaufwand ist aber auch davon abhängig, wie rechtzeitig ein sich anbahnender Korrosionsschaden entdeckt und instand gesetzt wird. Bei frühzeitiger Instandsetzung ist der Aufwand am geringsten. Instandsetzungsmaßnahmen im fortgeschrittenen Korrosionsstadium erfordern einen signifikant höheren Aufwand. Daher wurden die Forderung nach obligatorischer Instandhaltungsplanung (Inspektion, Wartung, Instandsetzung) mit vorgeschriebenen Instandhaltungsintervallen auch im aktuellen Nationalen Anhang zu Eurocode 2 DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1-Änderung: 2015-12 und im DBV-Merkblatt [17] verankert. Soll bei diesen Expositionsklassen XS2/ XD2 und XS3/ XD3 ein leistungsbezogener Nachweis einer ausreichenden Dauerhaftigkeit geführt werden, ist die Mindestzuverlässigkeit gegenüber Depassivierung in Verbindung mit der Instandhaltung projektspezifisch zu definieren. 4. Leistungsbezogene Dauerhaftigkeitsbemessung bei chloridinduzierter Bewehrungskorrosion Am Beispiel direkt befahrener, chlorid- und feuchtebeanspruchter Beton-Parkdecks (Beispiel Bild 3) wird im Folgenden die leistungsbezogene Bemessung auf der Grundlage des fib Model Codes for Service Live Design [10] bzw. auf Grundlage der Arbeit von Rahimi im DAfStb-Heft 626 (Dissertation [2]) erläutert. Zuvor soll jedoch die derzeitige Bemessungspraxis kurz beschrieben werden. Bild 3: Beispiel für ein direkt befahrenes Parkdeck in wechselnd nassen und trockenen Umgebungsbedingungen (Ausführungsvariante A nach [17], Foto aus [18]) a) Deskriptive Dauerhaftigkeitsbemessung für eine geplante Nutzungsdauer von 50 Jahren (derzeitige Bemessungspraxis) In Tabelle 1 werden zunächst die in Deutschland aktuell geltenden deskriptiven Regeln im Hochbau für die chloridinduzierte Bewehrungskorrosion (Chloriden und Feuchte ausgesetzter Beton mit Bewehrung) bei direkt befahrenen Außenbauteilen zusammengefasst. 1 Umgebungsbedingungen: Wechselnd nass und trocken a) a) Die Feuchteangaben beziehen sich auf den Zustand innerhalb der Betondeckung der Bewehrung (i. Allg. entsprechend den Umgebungsbedingungen des Bauteils, außer bei einer Sperrschicht zwischen Beton und Umgebung). 2 Expositionsklasse XD3 (Korrosion, ausgelöst durch Chlorideintrag aus Tausalzen) b) b) Hinweis: Außerdem: XF2 Frost-Tau-Angriff mit mäßiger Wassersättigung mit Taumittel (z. B. überdachte Parkdecks) oder XF4 mit hoher Wassersättigung mit Taumittel (z. B. Freidecks) und immer Feuchtigkeitsklasse WA häufig oder längere Zeit feucht und häufige oder langzeitige Alkalizufuhr von außen. 3 Informative Beispiele: befahrene Verkehrsflächen mit rissvermeidenden Bauweisen ohne Oberflächenschutz oder ohne Abdichtung c) ; befahrene Verkehrsflächen mit dauerhaftem lokalen Schutz von Rissen c) d) . c) Für die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit ist ein Instandhaltungsplan im Sinne der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [19] aufzustellen. d) Für die Planung und Ausführung des dauerhaften lokalen Schutzes von Rissen gilt DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [19]. buch2.indb 213 13.01.20 15: 40 214 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? 4 Bei min C35/ 45: Mindestbetondeckung Betonstahl cmin,dur = 40 mm e) e) Zusätzlich Mindestbetondeckung c min,b aus der Verbundbedingung nach DIN EN 1992-1-1 mit NA [7], 4.4.1.2 (3) beachten. 5 Bei min C45/ 55 f) : Mindestbetondeckung Betonstahl cmin,dur = 35 mm e) e) Zusätzlich Mindestbetondeckung c min,b aus der Verbundbedingung nach DIN EN 1992-1-1 mit NA [7], 4.4.1.2 (3) beachten. f) Die Mindestbetondeckung 40 mm darf für Bauteile aus Normalbeton, deren Betonfestigkeit um mindestens zwei Festigkeitsklassen höher liegt, als für die Expositionsklasse mindestens erforderlich ist, um 5 mm vermindert werden (DIN EN 1992-1-1 mit NA [7], Tab. 4.3DE). Dies entspricht etwa einer Reduktion des maximalen ω/ z-Wertes gemäß DIN 1045-2 um -0,10 (also ω/ z ≤ 0,35). 6 Anforderungen an die Betonzusammensetzung: Bei min C35/ 45: Wasser-Zementwert: w/ z ≤ 0,45; Mindestzementgehalt g) h) : z ≥ 320 kg/ m³ (z ≥ 270 kg/ m³ bei Anrechnung von Zusatzstoffen). g) Bei Gesteinskörnung mit dg = 63 mm darf der Mindestzementgehalt um 30 kg/ m³ reduziert werden. h) Grundsätzlich sind alle Zemente einsetzbar. Ausnahmen gemäß DIN 1045-2 [9], Tabelle F.3.1: Für die Expositionsklasse XD3 dürfen z. B. die kalkreichen Portlandflugaschenzemente CEM II/ A/ B-W, der Portlandkalksteinzement CEM II/ B-LL/ L, die Portlandkompositzemente CEM II/ A/ B-M, der stark hüttensandhaltige Hochofenzement CEM III/ C sowie bestimmte Puzzolanzemente CEM IV und Kompositzemente CEM V nicht verwendet werden. 7 Begrenzung der rechnerischen Rissbreite auf ωk ≤ 0,3 mm unter quasi-ständiger Einwirkungskombination. Bei Dach- oder Verkehrsflächen mit einer Chloridbeaufschlagung aus Tausalzen ist das Eindringen von Chloriden in Risse dauerhaft zu verhindern. Tabelle 1: Deskriptive Dauerhaftigkeitsbemessung für eine geplante Nutzungsdauer von 50 Jahren für direkt befahrene Parkflächen Die normativ gestattete Reduktion um eine Festigkeitsklasse auf C30/ 37 bei Verwendung von Luftporenbeton (z. B. bei XF-Expositionsklassen) ist in der Kombination mit den nicht reduzierbaren XD3-Betonanforderungen für die Dauerhaftigkeit der Bewehrung (insbesondere Beibehaltung w/ z £ 0,45) praktisch nicht vorhanden. Für alle Ausführungsvarianten bei tausalzbeanspruchten Verkehrsflächen wird ausdrücklich ein In-standhaltungsplan im Sinne der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [19] gefordert. Diese Richtlinie [19] wird auch für die Planung und Ausführung eines dauerhaften lokalen Schutzes von Rissen in Bezug genommen (z. B. für Rissbandagen) [17]. Die in der Vergangenheit (bis Ende 2015) zulässige Reduktion der Mindestbetondeckung um 10 mm bei dauerhafter, flächiger rissüberbrückender Beschichtung auf Parkdecks in der Expositionsklasse XD3 unter Einbeziehung einer regelmäßigen und in definierten Abständen vorzunehmenden erweiterten Wartung und Instandsetzung ist nicht mehr zulässig. Es gilt für alle XD-Klassen c min,dur = 40 mm bei Betonstahl und 50 mm bei Spannstahl (∆c dur,add = 0 mm [7]). Bei entsprechender ausführlicher Risikoberatung des Bauherrn und zugehöriger Dokumentation der Entscheidung für diese Variante kann diese Kompensationsmöglichkeit aber weiterhin bei Bestandsparkbauten mit geringer vorhandener Betondeckung zweckmäßig sein [20]. 4.1 Leistungsbezogene Dauerhaftigkeitsbemessung In fib bulletin 76 [26] ist ausgehend von den zuvor beschriebenen nationalen Regeln (Bild 4 a)) die zeitabhängige Zuverlässigkeit von chloridexponierten Bauteilen betrachtet worden. Für verschiedene europäische Länder und den USA sind Zuverlässigkeiten, die sich unter Beachtung der jeweiligen nationalen Regeln ergeben würden, u. a. auch für XD3-exponierte Bauteile berechnet worden, vgl. Bild 4 b). In dieser hier betrachteten Expositionsklasse XD3 wurden jeweils zu erwartende Chloirideinwirkungen bzw. die berücksichtigten Materialwiderstände so angesetzt, dass sich Bemessungssituationen ergaben, die sich entweder am oberen Zuverlässigkeitsrand („favourable“) oder am unteren Rand („unfavourable“) befanden. In Bild 4 b) werden die Zuverlässigkeitskorridore verglichen, die sich nach einer 50jährigen Exposition rechnerisch einstellen würden. buch2.indb 214 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 215 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Bild 4: Vergleich der deskriptiven Normanforderungen verschiedener Länder und der zugehörigen rechnerischen Zuverlässigkeitskorridore (Grenzzustand: Depassivierung der Bewehrung) für Expositionsklasse XD3, aus [26] Für Deutschland wurden unter „favourable“ (oberer Rand des Zuverlässigkeitskorridors) normenkonforme Betonzusammensetzungen hergestellt mit den Zementen CEM II A-V bzw. CEM III/ B betrachtet. Beide erfüllen die Erwartungen an die üblicherweise bei Gebrauchsgrenzzuständen (hier: Depassivierung der Bewehrung) geforderte Zuverlässigkeit (β > 1,5). Eine weitere normenkonforme Betonzusammensetzung hergestellt mit CEM I, die unter „unfavourable“ den unteren Rand des Zuverlässigkeitsrandes markiert, unterschreitet die Erwartungen deutlich. U. a. in der Expositionsklasse XD3 wurde im deutschen Normenkonzept vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Abwägungen zwischen dem Aufwand für einen hohen Bauteilwiderstand und dem gegenüberstehenden Aufwand für planmäßige Instandhaltungsmaßnahmen während der geplanten Nutzungsdauer ein etwas höheres Korrosionsrisiko mit Zuverlässigkeitsindizes von i. M. β ≈ 0,5 akzeptiert (vgl. [12], [13]). Um ein Korrosionsrisiko für die Bewehrung auch in dieser Expositionsklassen in möglichst allen Fällen auf möglichst niedrigem Niveau halten zu können, wird im DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [17] daher der folgende Hinweis gegeben: „Für ungeschützte chloridbeanspruchte Betonflächen bewehrter Bauteile in der Exposition XD wird empfohlen, Betone mit hohem Chlorideindringwiderstand zu wählen. Dies sind insbesondere Betone mit hüttensandhaltigen Zementen (CEM II/ A-S, CEM II/ B-S oder CEM III) - aber auch andere Betone z. B. mit CEM I oder CEM II/ A-LL, wenn diesen reaktive Zusatzstoffe zugegeben werden (vgl. auch fib Bulletin No. 76: Benchmarking of deemed-to-satisfy provisions in standards - Durability of reinforced concrete structures exposed to chlorides. 2015).“ In der DAfStb-Richtlinie „Massige Bauteile aus Beton“ [28] wird für Bauteile mit Mindestdicken von über 0,80 m mit dem Ziel der Hydratationswärmeminimierung gegenüber den Standardanforderungen für die Expositionsklasse XD3 in DIN 1045-2 [9] alternativ der Mindestzementgehalt auf 300 kg/ m³ reduziert und der zulässige ω/ z-Wert auf 0,50 vergrößert (min C30/ 37). Dafür wird eine Einschränkung auf hüttensandhaltige Zemente bzw. ein Ersatz hydratationswärmerelevanter Portlandzementklinkeranteile durch Flugasche vorgeschrieben, so dass sich, eine angemessene Nachbehandlung vorausgesetzt, überdurchschnittlich dichte, im Hinblick auf die Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung günstige Betonzusammensetzungen ergeben sollen. Eine mittlere Zuverlässigkeit von β = 0,5 sollte damit i. d. R. auch erreichbar sein. Die Mindestbetondeckung in DAfStb-Heft 622 [1] a min = c min für das leistungsbezogene Bemessungsformat ist definiert als 5%-Quantil der Betondeckung ([1], 7.1.2). Dies entspricht auch der Definition nach Eurocode 2 für alle Expositionsklassen (außer XC1). Für chlorid- und feuchtebeanspruchte Bauteile hat Rahimi im DAfStb-Heft 626 (Dissertation [2]) eine dem Vorgehen nach [1] ähnliche probabilistische Vorgehensweise gewählt, die ebenfalls in Bemessungsnomogrammen für die praktische vereinfachte Anwendung mündet. Es wurden Nachweiskonzepte entwickelt, um eine leistungsbezogene Bemessung und Bewertung von Stahlbetonbauten bei chloridinduzierter Betonstahlkorrosion bei der Errichtung von Neubauten, der Abschätzung der Restnutzungsdauer bestehender Bauwerke und der Instandsetzung mittels Betonersatz bei Wahrung der bisherigen Sicherheitsanforderungen zu ermöglichen. Die Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung mit Nomogrammen erfolgt unter Berücksichtigung der Einwirkung (Expositionsklasse und Chloridangebot), des im Labor oder am Bauwerk ermittelten Materialwiderstands (Parameter Chloridmigrationskoeffizient DRCM eines Betons mittels Diffusions- oder Migrationsversuchen), der Mindestbetondeckung und der vorgesehenen Nutzungsdauer (Nomogramme für 10, 20, 30, 40, 50, 70 und 100 Jahre). Die Nomogramme aus DAfStb-Heft 626 [2] wurden ebenfalls in das BAW-Merkblatt MDCC [3] als auch in buch2.indb 215 13.01.20 15: 40 216 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Teil 5 des Entwurfs der DAfStb-Instandhaltungsrichtlinie [4] übernommen. Ein wesentlicher Unterschied zur leistungsbezogenen Dauerhaftigkeitsbemessung bei karbonatisierungsinduzierter Korrosion besteht also in DAfStb-Heft 626 [2] darin, dass der Widerstand nicht durch eine Klassenbildung allein auf Zementart und Wasserbindemittelwert, sondern auf versuchsgestützter Bestimmung des Chloridwiderstandes der jeweiligen Betonzusammensetzung im Labor oder am Bauwerk beruht. Eine abgestimmte Differenzierung des Materialwiderstands durch die Einführung von Chlorideindringwiderstandsklassen steht noch aus und ist derzeit Gegenstand europäischer Normungsaktivitäten (siehe auch Kapitel 1). Dadurch könnten dann auch zukünftig Betone mit ähnlicher Leistungsfähigkeit in Widerstandsklassen zusammengefasst werden. Für eine Berücksichtigung von Einflüssen aus der Ausführung auf den Chlorideindringwiderstand des Bauteils in der Bemessung, insbesondere Nachbehandlung und Schalungsart, sind noch weitere systematische Untersuchungen vorzunehmen. 5. Oberseitige Risse in direkt befahrenen Parkflächen Die leistungsbezogene Dauerhaftigkeitsbemessung auf Basis eines Chlorideindringwiderstands ist auf eine ungerissene Betondeckung bezogen. Dass im Bereich eines offenen Risses die Bewehrungskorrosion schneller beginnen kann, wird wie im derzeitigen deskriptiven Bemessungskonzept auch hier hingenommen (vgl. Abschnitte 2 und 3) oder durch zusätzliche Anforderungen an Rissabdichtungen kompensiert. Bei oberseitigen Rissen auf vorwiegend horizontalen Bauteiloberflächen, auf die direkt chloridhaltiges Wasser von oben einwirkt, können auch bei wesentlich kleineren Rissbreiten unter den für die Expositionsklassen XD grundsätzlich rechnerisch zulässigen 0,30 mm erhebliche Korrosionserscheinungen infolge der in Risse tief eindringenden Chloride auftreten. Bei befahrenen Flächen von Parkdecks, die in die Expositionsklasse XD3 eingestuft werden, ist demnach die Begrenzung der Rissbreite allein kein geeignetes Mittel zur Erzielung einer ausreichenden Dauerhaftigkeit. Offene Trennrisse sind hinsichtlich der Korrosionsintensität dabei kritischer zu bewerten als Biegerisse (vgl. [21], [22]). Hier sind daher zusätzliche Maßnahmen, wie z. B. das Aufbringen eines rissüberbrückenden Oberflächenschutzsystems oder lokaler Rissbandagen erforderlich. Je nach Ausführungsvariante (mit Abdichtung, mit Oberflächenschutzsystem, mit lokalen Bandagen oder bei direkt chloridbeaufschlagten Betonflächen) ist vom Tragwerksplaner stets ein passender Entwurfsgrundsatz in Bezug auf die Rissbreitenbegrenzung zu wählen. Werden Oberflächenschutz- oder Abdichtungssysteme der Betonflächen geplant, sind die maximal zu erwartende Rissbreite auf der Bauteiloberfläche sowohl bei der Erstrissbildung als auch bei dynamischer Änderung von Rissen nach Applikation und die Leistungsfähigkeit des Systems aufeinander abzustimmen. Dies gilt auch für rissbegleitende Behandlungen wie z. B. rissüberbrückende Bandagen. Dabei ist zu beachten, dass die rechnerische Rissbreite einen streuenden und gemittelten Wert im Wirkungsbereich der rissbreitenbegrenzenden Bewehrung darstellt. Die Aussagegenauigkeit des Rechenmodells für die Rissbreite nach DIN EN 1992-1-1/ NA nimmt mit der Rissbreite ab (etwa 90 % bei w k = 0,3 mm und etwa 80 % bei w k = 0,2 mm [23]). Außerdem nimmt der Unterschied zwischen dem Rechenwert w k und der für Oberflächenschutzsysteme oder Abdichtungen relevanten auftretenden Rissbreite an der Bauteiloberfläche mit der Betondeckung zu [23]. Im DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [17] werden daher Empfehlungen für den Ansatz eines Rechenwertes der Rissbreite unter Annahme eines erfahrungsgemäß sicheren Vorhaltemaßes gegeben, die auf die geprüfte Rissüberbrückungsfähigkeit verschiedener Schutzmaßnahmen abgestimmt sind. In gerissenen Bereichen kann nicht ausgeschlossen werden, dass Chloride aus Tausalz bereits bei kurzzeitiger Einwirkung in die Risse eingedrungen sind und zur Korrosion der Bewehrung geführt haben können. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist bei kurzen Einwirkzeiten (maximal eine Wintersaison) i. d. R. nicht mit relevanten Korrosionsschäden der Bewehrung zu rechnen [17]. Diese Risse sind daher immer kurzfristig und dauerhaft unmittelbar nach der Wintersaison rissüberbrückend im Sinne der DAfStb-Instandsetzungsrichtlinie [19] zu schließen, sodass eine weitere Chlorid- und Feuchtezufuhr verhindert wird [20], [24], [25]. Im DBV-Heft 35 „Korrosion der Bewehrung in Trennrissen“ [25] wird allerdings darauf hingewiesen, dass die durch Rissverpressung instandgesetzten Prüfkörper anhand der beobachteten Untersuchungsergebnisse bezüglich ihrer momentanen Tragfähigkeit und ihrer Dauerhaftigkeit in den meisten Fällen als unkritisch bewertet werden können. Die Ergebnisse gelten jedoch zunächst nur für vollständige Verpressung unter Laborbedingungen, die in der Praxis nicht unbedingt erreicht wird. Auch deshalb ist es nicht ganz auszuschließen, dass unter ungünstigen Bedingungen teilweise noch ein signifikanter Querschnittsverlust zu verzeichnen ist. Deshalb sollte diese lnstandsetzungsmethode von Rissen stets mit einer intensiven Überwachung, z. B. durch Applikation eines Monitoringsystems zur Überwachung der Austrocknung durch Korrosionsströme und elektrische Widerstände des Betons verbunden werden. Die aktuellsten von Keßler et al. [24] bis 2017 durchgeführten umfangreichen Untersuchungen zeigten, dass bei Biegerissen die alleinige Beschichtung der Betonoberfläche tatsächlich schon eine wirksame Maßnahme darstellt, um eine kurzzeitig an der risskreuzenden Bewehrung initiierte Makrozell-korrosion nach zeitweiser Chloridexposition, wie sie in Parkhäusern über eine Winterperiode im unbe-schichteten Zustand zu erbuch2.indb 216 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 217 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? warten ist, wieder zu deaktivieren. Die festgestellten Querschnittsverluste der Bewehrung sind als nicht standsicherheitsrelevant einzuschätzen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sind diese Ergebnisse vermutlich auch auf beschichtete Trennrisse übertragbar, da die weitere Chloridzufuhr nach der Beschichtung genauso verhindert wird. Welche Auswirkungen der gegenüber Biegerissen abweichende Chlorideintrag in die Trennrisse genau hat, wird augenblicklich in einer zweiten, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Versuchsreihe untersucht. 6. Leistungsbezogene Dauerhaftigkeitsbemessung in der zukünftigen DAfStb-Instandhaltungsrichtlinie - Teil 5 Der Entwurf („Gelbdruck“) der neuen DAfStb-Instandhaltungs-Richtlinie [4] sieht die Einführung eines neuen informativen Richtlinien-Teils 5 mit leistungsbezogenen Nachweisverfahren zur Ermittlung von Restnutzungsdauern und Schichtdicken von Betonersatzsystemen für karbonatisierungs- und chloridinduzierte Bewehrungskorrosion vor. Um eine Instandhaltung von Stahlbetonbauteilen zielführend zu planen, wird in dem Entwurf vorgeschlagen, die projektspezifisch festzulegende Restnutzungsdauer zu berücksichtigen. Der Richtlinienentwurf [4] enthält diesbezüglich Bemessungswerkzeuge, mit deren Hilfe die Restnutzungsdauer und die notwendigen Schichtdicken für entsprechende Instandsetzungsmaßnahmen bestimmt werden können. Im informativen Teil 5 [4] sollen dem Sachkundigen Planer hierfür Nomogramme als Bemessungswerkzeuge an die Hand gegeben werden. Bei der Instandsetzung spielt die festzulegende Restnutzungsdauer eine zentrale Rolle, um die Schichtdicken zu bemessen. Basis hierfür sind die relevanten Expositionsklassen, die Einhaltung nachzuweisender Mindestbetondeckungen sowie die dazugehörigen Anforderungen an die Baustoffe und die Bauausführung. Im Teil 5 des Richtlinienentwurfs sind darüber hinaus Nachweisverfahren angegeben, die unter bestimmten Bedingungen eine leistungsbezogene Schichtdickenbemessung erlauben, indem sie die Eigenschaften der unterschiedlichen Betonersatzprodukte zielgerichteter ausnutzen. Im Vergleich zu den deskriptiven Ansätzen bietet sich ein Nachweis der Schichtdicken in folgenden Fällen an: - Die Restnutzungsdauer weicht von den 50 Jahren ab, die im deskriptiven Ansatz zugrunde gelegt werden. - Die Betonersatzprodukte sollen höher ausgenutzt werden. - Es handelt sich um stärker beanspruchte Bauwerke oder Bauteile, die eines genaueren Nachweises bedürfen. Die in [4] aufgenommenen Bemessungs-Nomogramme können angewendet werden, wie bereits im Abschnitt 4 erläutert. Mit ihrer Hilfe lässt sich auch die Schichtdicke eines neu aufzubringenden Betonersatzsystems leistungsbezogen bestimmen. Weiterhin bietet Teil 5 des Richtlinienentwurfs die Möglichkeit zur Abschätzung der Restnutzungsdauer ohne Instandsetzungsmaßnahmen unter Anwendung des Wurzel-Zeit-Gesetzes. Benötigt werden hierfür die bei einer Inspektion am Bauteil festgestellten Karbonatisierungstiefen. Analog kann bei chloridinduzierter Bewehrungskorrosion verfahren werden. Bisherige Einsprüche und Kommentare der Fachöffentlichkeit im Zuge des Gelbdruckverfahrens zur neuen Instandhaltungsrichtlinie zeigten jedoch noch eine gewisse Zurückhaltung mit Blick auf eine generelle, standardisierte Anwendbarkeit o. g. Nachweisverfahren. Zwar handelt es sich hierbei um Verfahren, die in DAfStb-Heften [1], [2] vorgestellt wurden und mittlerweile eine gewisse Praxisreife, z. B. in Form des BAW-Merkblatts [3], erlangt haben. Jedoch werden die hier gespiegelten Praxiserfahrungen nicht für alle Bereiche des Stahlbetonbaus als repräsentativ angesehen. Aus diesem Grund wurden diese Nachweisverfahren bewusst aus dem normativen Planungsteil des Richtlinienentwurfs ausgelagert. Sie sind nun Gegenstand eines separaten, informativen Richtlinienteils. Damit erfolgte eine klare Abgrenzung zu den übrigen verbindlichen Richtlinienteilen. Damit sollen der Fachwelt einerseits diese Bemessungswerkzeuge zur Sammlung von Praxiserfahrungen angeboten werden, ohne sie jedoch andererseits als Standardanwendungen mit Richtliniencharakter stets einzufordern. Ein Zwischenergebnis der Diskussionen innerhalb des Gelbdruckverfahrens sind daher auch die nachfolgend zitierten ergänzenden Formulierungen zum Anwendungsbereich des Teils 5 (aus: überarbeiteter Richtlinienentwurf, Stand Februar 2018): (3) Die Anwendung dieser Nachweisverfahren setzt besondere Fachkunde voraus. (4) Die angewendeten Transportmodelle zur Prognose der CO 2 -Eindringtiefe bzw. des tiefenabhängigen Chloridgehalts sowie das Verfahren zur Abschätzung der Restnutzungsdauer bestehender Bauwerke gelten für intakte ungerissene Betonbereiche. Ist ein passiver Schutz der Bewehrungsoberfläche vor Korrosion durch den umhüllenden Beton nicht gegeben - z. B. aufgrund von Fehlstellen, bewehrungskreuzenden Trennrissen etc. - ist die Dauerhaftigkeit des Bauteils gesondert zu betrachten. (red. Hinweis: Darüber hinaus soll ein Hinweis zum Umgang mit kleinflächiger Instandsetzung ergänzt werden.) (5) Die Dauerhaftigkeitsbemessung und die Abschätzung der Restnutzungsdauer sind stets auf Bauteilbereiche zu beziehen, für die eine Gleichmäßigkeit der Betonzusammensetzung, der Ausführungsart und -qualität und der Einwirkungsbedingungen angenommen werden kann. buch2.indb 217 13.01.20 15: 40 218 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Die o. g. Formulierungen enthalten neben der Forderung nach besonderer Fachkunde des Anwenders also folgende Einschränkungen bzw. Anforderungen: - Anwendung nur für intakte, ungerissene Betonbereiche, d. h. ohne Fehlstellen und Trennrisse, - gleichmäßige Betonzusammensetzung, - gleichmäßige Ausführungsart und -qualität, - gleichmäßige Einwirkungsbedingungen. Die im jeweiligen Einzelfall vorliegenden Randbedingungen erfordern im Vorfeld der angestrebten Verfahrensanwendungen eine detaillierte Beurteilung durch den Sachkundigen Planer. Für die oft weniger voluminösen Bauteile des allgemeinen Hochbaus, wie Stahlbetonstützen, -unterzüge und -decken mit aus Lasteinträgen und Expositionen hochbeanspruchten Querschnitten sind eventuelle Ungleichmäßigkeiten der o. g. Aspekte von größerer Relevanz als etwa bei massigeren Betonbauteilen. Insbesondere wenn diese Inhomogenitäten den verbleibenden Altbeton betreffen (wie z. B. mehr oder weniger karbonatisierte oder chloridbelastete Rissufer, Gefahr des Abplatzens der Betondeckung), sind bei derartigen Bauteilen gesonderte Bewertungen seitens des Sachkundigen Planers erforderlich. Denkbar ist eine Anwendung dieser Nachweisverfahren eher für großvolumige und großflächige Stahlbetonbauteile, wie im Ingenieur-, Wasser und Verkehrswegebau (Konstruktionen in den Bereichen der ZTV-ING und ZTV-W). Wenn die Instandsetzung mit einem Abtrag des geschädigten Altbetons bis mindestens zur Bewehrung und dem Ersatz mit z. B. DIN 1045-2-Beton einhergeht und der Bewehrungsquerschnitt noch nicht wesentlich reduziert bzw. wiederhergestellt ist, kann eine Anwendung der leistungsbezogenen Bemessung genauso in Frage kommen wie bei Neubauteilen. An dieser Stelle kommt der vorhandenen Bausubstanz und damit dem Planer und der von ihm im Vorfeld durchzuführenden Bauwerksdiagnose erhebliche Bedeutung für die Entscheidung zur Anwendbarkeit der hier erläuterten leistungsbezogenen Nachweisverfahren zu. 7. Chancen und Risiken Die Chancen der vorgestellten leistungsbezogenen Dauerhaftigkeitsbemessung bestehen darin, Folgendes zu ermöglichen: - projektbezogen optimierte Kombinationen aus unterschiedlich widerstandsfähigen Betonzusammensetzungen und Mindestbetondeckungen, - wirtschaftlichere Entwürfe im Neubau (Bauteildicken, Materialkosten, Gewichtsersparnis), - normenunabhängige Lösungen für kürzere oder längere geplante Nutzungsdauern, - individuellere Bewertung und Instandsetzung von Bestandsbauteilen, - qualifizierte Einschätzung von Restnutzungsdauern im Neubau und im Bestand, - bauaufsichtliche Anerkennung im BMVI-Regelungsbereich für die Bundeswasserstraßen. Mit einem solchen Konzept sind aber auch Risiken verbunden, wie: - regional eingeschränkte Verfügbarkeit des Betons (insbesondere der vorausgesetzten Bindemittel), - Änderungen in der Betonrezeptur auf der Baustelle werden stärker beschränkt, - bei größeren Betondeckungsreduktionen entstehen ggf. zusätzliche Risiken bei Rissen oder Betonierfehlstellen; zusätzliche Bewertungen und ggf. Maßnahmen können erforderlich werden, - auf Altbeton in Bestandsbauteilen nicht o. W. anwendbar (z. B. Schwierigkeiten bei der Bestimmung der vorhandenen Betonzusammensetzung, vorhandene Risse sind schon karbonatisiert bzw. chloridbelastet), - eine intensivere Abstimmung zwischen allen am Bau Beteiligten ist erforderlich (wie z. B. konkretere Festlegungen zur Betonzusammensetzung und Nachbehandlungsdauer), - noch fehlende allgemeine bauaufsichtliche Anerkennung im Hochbau und im Brückenbau. Bei Anwendung: Zustimmung im Einzelfall oder vorhabenbezogene Bauartgenehmigung oder allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich. Literatur [1] von Greve-Dierfeld, St.: Bemessungsregeln zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit XC-exponierter Stahlbetonbauteile. - In: DAfStb-Heft 622. Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton. Berlin: Beuth-Verlag 2016, Dissertation TU München. [2] Rahimi, A.: Semiprobabilistisches Nachweiskonzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauteilen unter Chlorideinwirkung. - In: DAfStb-Heft 626. Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton. Berlin: Beuth-Verlag 2017, Dissertation TU München. [3] BAW-Merkblatt: Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauwerken bei Karbonatisierung und Chlorideinwirkung (MDCC). Ausgabe 2017. Hrsg.: Bundesanstalt für Wasserbau (BAW). [4] DAfStb-Instandhaltungs-Richtlinie (Entwurf bzw. „Gelbdruck“, Stand: Juni 2016) - Teil 5 (informativ): Nachweisverfahren zur Ermittlung der Restnutzungsdauer und der Bemessung von Schichtdicken für Betonersatz bei Karbonatisierung und Chlorideinwirkung. [5] Gehlen, Ch.; Mayer, T. F.; von Greve-Dierfeld, St.: Lebensdauerbemessung. - In: Berlin: Ernst & Sohn, Betonkalender 2011/ 2, S. 229-278. [6] Eurocode 2: DIN EN 1992-1-1: 2011-01: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau mit DIN EN 1992-1-1/ A1: 2015-03: A1-Änderung. buch2.indb 218 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 219 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? [7] Eurocode 2: DIN EN 1992-1-1/ NA: 2013-04: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau mit DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1: 2015-12: A1-Änderung. [8] DIN EN 206-1: 2001-07: Beton - Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität und A1-Änderung: 2004-10 und A2-Änderung: 2005-09. [9] DIN 1045-2: 2008-08: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 2: Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1. [10] Schießl, P. et al: fib Model Code for Service Life Design. Ed.: The International Federation for Structural Concrete. fib Bulletin N° 34. 2006. [11] fib Model Code for Concrete Structures 2010. Ed.: The International Federation for Structural Concrete. October 2013. [12] Positionspapier des DAfStb zur Umsetzung des Konzepts von leistungsbezogenen Entwurfsverfahren unter Berücksichtigung von DIN EN 206-1, Anhang J. Fassung 2008-12 (www.dafstb.de à Aktuelles). [13] Gehlen, Ch.; Schießl, P.; Schießl-Pecka, A.: Hintergrundinformationen zum Positionspapier des DAfStb zur Umsetzung des Konzepts von leistungsbezogenen Entwurfsverfahren unter Berücksichtigung von DIN EN 206-1, Anhang J, für dauerhaftigkeitsrelevante Problemstellungen. - In: Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 12, S. 840-851. [14] ZTV-W-LB 219: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen - Wasserbau (ZTV-W) für die Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken (Leistungsbereich 219). Hrsg.: Bundesanstalt für Wasserbau. Ausgabe 2017. [15] Eurocode DIN EN 1990: 2010-12: Grundlagen der Tragwerksplanung. [16] Meyer, L.; Litzner, H.-U.: Maintenance Strategy Versus Simplified Deem-to-Satisfy Rules. - In: Proceedings of the International Conference on Concrete Repair, Rehabilitation and Retrofitting (ICCRRR), Kapstadt, Südafrika, November 2005, Balkema Publ. Rotterdam (Hrsg. M. Alexander et al.), 2005, S. 115-116. [17] DBV-Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen. Hrsg.: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., 3.überarbeitete Ausgabe. Fassung Januar 2018. [18] DBV-Heft 42 „Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten - Beispielsammlung“ Fassung Januar 2019. [19] DAfStb-Richtlinie für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungsrichtlinie). Ausgabe Oktober 2001 mit Berichtigungen 2002-01 und 2005-12. Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V., Berlin: Beuth-Verlag. [20] Fingerloos, F.; Flohrer, C.; Räsch, D.: Dauerhaftigkeit von Parkbauten in Deutschland. In: Betonkalender 2019/ 2, Berlin: Ernst & Sohn, S. 515-582. [21] Schießl, P.: Grundlagen der Neuregelung zur Beschränkung der Rißbreite. In: DAfStb-Heft 400. Berlin: Beuth-Verlag. 1. Auflage 1989, 3. berichtigter Nachdruck 1994. [22] Sodeikat, Ch.; Mayer, T. F.: Instandsetzung von Tiefgaragen und Parkhäusern. In: Betonkalender 2019/ 2, Berlin: Ernst & Sohn, S. 713-793. [23] DBV-Merkblatt: Begrenzung der Rissbildung im Stahlbeton- und Spannbetonbau. Hrsg.: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Fassung Mai 2016. [24] Keßler, S.; Hiemer, F.; Gehlen, Ch.: Einfluss einer Betonbeschichtung auf die Mechanismen der Bewehrungskorrosion in gerissenem Stahlbeton. In: Beton- und Stahlbetonbau 112 (2017), Heft 4, S. 198- 206. [25] DBV-Heft 35: Korrosion der Bewehrung im Bereich von Trennrissen nach kurzzeitiger Chlorideinwirkung. Hrsg.: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Fassung Juni 2015. [26] Gehlen, Ch. et al: fib Bulletin No. 76: Benchmarking of deemed-to-satisfy provisions in standards - Durability of reinforced concrete structures exposed to chlorides. 2015. [27] Müller, H. S.; Bohner, E.: Rissbildung infolge Bewehrungskorrosion Mechanismen und Prognosemodelle. - In: Beton- und Betonstahlbau 107 (2012), Heft 2, S. 68-78. [28] DAfStb-Richtlinie Massige Bauteile aus Beton. Ausgabe April 2010. Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V., Berlin: Beuth-Verlag. buch2.indb 219 13.01.20 15: 40 buch2.indb 220 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 221 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten Dr. Angelika Schießl-Pecka Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat GmbH, München, Deutschland Anne Rausch Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat GmbH, München, Deutschland Dr. Marc Zintel Swiss Steel AG, Emmenbrücke, Schweiz Christian Linden Swiss Steel AG, Emmenbrücke, Schweiz Zusammenfassung Parkbauten sind während des Betriebs in der Regel hohen Chloridbelastungen ausgesetzt, die aus den im Winter mit den Fahrzeugen eingeschleppten Tausalzen resultieren. Die Chloride dringen in den Beton ein und tragende Bauteile wie Fundamente, Stützen und Zwischendecken werden in der Folge zunehmend durch chloridinduzierte Bewehrungskorrosion geschädigt. Die resultierende, notwendige Instandsetzung ist häufig sehr kostenintensiv. Der Deutsche Beton- und Bautechnik-Verein e.V. (DBV) hat diesbezüglich reagiert und in seinem Merkblatt für Parkhäuser und Tiefgaragen [1] zahlreiche Maßnahmen empfohlen, durch welche die Dauerhaftigkeit der betroffenen Stahlbetonbauteile erhöht werden kann. Im Rahmen dieses Beitrags werden die Kosten der verschiedenen Varianten nach DBV Merkblatt über den kompletten Lebenszyklus betrachtet, um dem Bauherren in monetärer Hinsicht eine Entscheidungshilfe zu bieten. Im Einzelnen werden für ausgewählte Bauteile verschiedene Ausführungsvarianten (Verzicht auf präventive Maßnahmen, Applikation von Oberflächenschutzsystemen, Verwendung von nichtrostender Bewehrung (Top12-Stahl der Swiss Steel AG)) bzw. Instandhaltungsstrategien (Herstellung, Wartung, Erhaltung/ Instandsetzung) über die angestrebte Nutzungsdauer erarbeitet. Anschließend werden für diese Varianten Lebensdauerberechnungen und Lebenszykluskostenbetrachtungen durchgeführt. Für eine abschließende Bewertung der betrachteten Bauteilvarianten werden neben den Lebenszykluskosten auch die Themenbereiche „Dauerhaftigkeit“, und „baupraktische Gesichtspunkte“ berücksichtigt. 1. Einleitung An Stahlbetonbauteilen in Parkgaragen besteht häufig Instandsetzungsbedarf infolge chloridinduzierter Bewehrungskorrosion. Chloridhaltige Tausalze werden während der Streuperiode im Winter von den Autos in die Parkgaragen eingetragen. Infolge dessen wird der Stahlbeton von Fahr- und Parkflächen sowie aufgehenden Bauteilen, sofern nicht durch eine entsprechende Beschichtung oder Abdichtung geschützt, mit Chloriden beaufschlagt. Diese dringen durch den Beton bis zur Bewehrung vor und lösen dort Korrosionsprozesse aus. Die Instandsetzung der entstehenden Schäden ist sehr kostenintensiv. Der Deutsche Beton- und Bautechnik-Verein e.V. (DBV) hat diesbezüglich reagiert und in seinem im Jahre 2018 aktualisierten Merkblatt für Parkhäuser und Tiefgaragen [1] zahlreiche Maßnahmen empfohlen, wie durch ein Zusammenspiel von Gefälleausbildung, Wahl der Expositionsklassen, des zum Einsatz kommenden Betons sowie Oberflächenschutzmaßnahmen die Dauerhaftigkeit der betroffenen Stahlbetonbauteile erhöht werden kann. Aktuell stellt sich die Frage, ob der Einsatz von Stahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand (hier Top12 der Swiss Steel AG) eine wirtschaftliche Alternative bzw. Ergänzung zu den im DBV-Merkblatt propagierten Maßnahmen zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauteilen in Parkbauten darstellt. Im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung werden daher zunächst Lösungsstrategien zur Verbesserung der Dauerhaftigkeit bei Spritzwasserbeaufschlagung vorgestellt. Anschließend werden für ausgewählte Bauteile Varianten sowie zugehörige Bauteilbiografien (Herstellung, Wartung, Erhaltung/ Instandsetzung) über die angestrebte Nutzungsdauer erarbeitet. Bei der Auswahl der Bauteilbuch2.indb 221 13.01.20 15: 40 222 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten varianten werden sowohl ausgewählte, im DBV-Merkblatt dargestellten Maßnahmen berücksichtigt als auch Alternativen mit Top12 vorgestellt. Abschließend werden für die Bauteilvarianten Lebensdauerberechnungen und Lebenszykluskostenbetrachtungen durchgeführt. Für eine abschließende Bewertung der betrachteten Bauteilvarianten werden die Themenbereiche „Dauerhaftigkeit“, „Lebenszykluskosten“ und „baupraktische Gesichtspunkte“ berücksichtigt. 2. Lösungsstrategien 2.1 Allgemeines Chloridinduzierte Korrosion tritt bei Stahlbetonbauteilen auf, bei denen Chloride von der Bauteilzur Bewehrungsoberfläche transportiert werden und der Chloridgehalt auf Bewehrungshöhe infolge von Aufkonzentrationen den kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt von Betonstahl überschreitet. Daraus ergeben sich drei mögliche Lösungsstrategien, um Korrosion zu unterbinden oder die Korrosionsinitiierung so weit nach hinten zu verschieben, dass während der Nutzungsdauer nicht von einer relevanten Schädigung auszugehen ist. Diese Lösungsstrategien sind in Bild 1 veranschaulicht: Unterbinden des Chlorideindringens in den Konstruktionsbeton durch Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems, 1. Verlangsamen des Chloridtransports zur Bewehrung durch betontechnologische Maßnahmen, 2. Erhöhen des kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalts durch Verwenden von Bewehrungsstahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand. Bild 1: Mögliche Strategien zur Verbesserung der Dauerhaftigkeit [2] 2.2 Unterbinden des Chlorideintrags Mittels Oberflächenschutzsystemen kann ein Chlorideintrag in den Beton unterbunden werden. Gemäß DIN Fachbericht 100: 2010 sind daher direkt befahrene Parkdecks aufgrund der intensiven Chloridbeaufschlagung (Expositionsklasse XD3) nur bei Ausführung zusätzlicher Maßnahmen diesbezüglich zulässig. DIN EN 1992- 1-1/ NA/ A1: 2015 differenziert weiter; die Einstufung in Expositionsklassen bzgl. Chlorid erfolgt für befahrene Verkehrsflächen in Abhängigkeit des geplanten Oberflächenschutzes. Dabei ist planmäßig sicherzustellen, dass kein chloridhaltiges Wasser in Risse oder Arbeitsfugen eindringt, sofern dort kreuzende Bewehrung vorliegt. Das Merkblatt für Parkhäuser und Tiefgargen 2018 [1], welches den aktuellen Stand der Technik darstellt, zeigt diverse Maßnahmen des Oberflächenschutzes auf. Zum Einsatz kommen dabei Oberflächenschutzsysteme OS5b, OS8, OS10 und OS11 gemäß der DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungsrichtlinie) [3] bzw. Abdichtungssysteme nach DIN 18532 [4] mit zuverlässigem Hinterlaufschutz. Die Schutzmaßnahmen nach DBV-Merkblatt schließen nicht nur befahrene Oberflächen, sondern auch aufgehende Bauteile mit ein. 2.3 Verlangsamen des Chloridtransports durch betontechnologische Maßnahmen Wissenschaftliche Nachweise und umfassende Praxiserfahrung haben gezeigt, dass bei nach DIN Fachbericht 100: 2010 für die XD-Expositionen zulässigen, jedoch technisch ungünstigen Bindemittelzusammensetzungen (z.B. CEM I oder CEM II/ A-LL ohne Zusatzstoffe, hohe w/ z-Werte) die Betonmatrix einen sehr geringen Widerstand gegen eindringende Chloride aufweist. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass diese Betone im Vergleich zu günstigeren Bindemittelkombinationen größere Kapillarporen aufweisen. Im Kapillarporensystem findet im ungerissenen Beton primär der Transport von Chloriden von der Bauteiloberfläche ins Bauteilinnere statt. Dementsprechend stellen alle Maßnahmen, die eine Reduzierung des Kapillarporenanteils und eine generelle Verfeinerung der Porenstruktur bedingen, eine wirksame Maßnahme zur Reduzierung des Chloridtransports dar. Betontechnologische Maßnahmen zur Reduzie-rung des Kapillarporenanteils sind hinlänglich bekannt und in der Literatur umfassend beschrieben, z.B. [5], [6]. Im Wesentlichen sind dies - die Verwendung eines hüttensandhaltigen Zements, - die Verwendung von Steinkohlenflugasche als Betonzusatzstoff, - die Reduzierung des Wasserzementwerts. Der Austausch von Zementklinker durch inerte Zusatzstoffe wie z.B. Kalksteinmehl führt i.d.R. zu einer Verschlechterung des Chlorideindringwiderstandes [6]. buch2.indb 222 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 223 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten Im normativen Regelwerk und im DBV-Merkblatt [1] sind diese Zusammenhänge derzeit noch nicht ausreichend erfasst. 2.4 Erhöhen des kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalts durch Verwenden von Bewehrungsstahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand Durch den Einsatz nichtrostender Bewehrungsstähle kann der kritische korrosionsauslösende Chlorid-gehalt signifikant erhöht werden. In Deutschland wurden als nichtrostende Betonstähle vorwiegend austenitische Stähle der Güte 1.4571 (seltener 1.4429 oder 1.4529) oder ferritisch-austenitisch Duplex-Stähle 1.4362 bzw. 1.4462 eingesetzt. Bei diesen Stahlgüten kann Korrosion bei den meisten Anwen-dungen unabhängig von der vorgesehenen Nutzungsdauer zielsicher ausgeschlossen werden. Allerdings beschränkt sich ihre Anwendung aufgrund des signifikant höheren Preises unverändert auf Sonderanwendungen. Eine Alternative zu diesen austenitischen bzw. ferritisch-austenitischen nichtrostenden Betonstählen stellen nichtrostende ferritische Betonstähle mit der Werkstoffnummer 1.4003 dar. Dabei handelt es sich um einen Bewehrungsstahl mit einem Chromgehalt zwischen 10,5% und 12,5%. Preislich ordnen sich Betonstähle mit der Werkstoffnummer 1.4003 zwischen den unlegierten Betonstählen und den austenitischen bzw. ferritisch-austenitischen Stählen ein. Die Verwendung dieses Stahls führt zu einer signifikanten Erhöhung des kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalts Ccrit in nicht-carbonatisiertem Beton. Die Firma Swiss Steel vertreibt einen warmgewalzten, ferritischen Betonstahl der Sorte 1.4003 mit einem Chromgehalt ≥ 12,0% unter der Bezeichnung Top12. Seit 2016 liegt für Top12 B500B NR der Fa. Swiss Steel eine Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung durch das DIBt für Nenndurchmesser von 8 - 14 mm vor und seit 2018 liegt zudem für Top12 B670B NR (Stabstahl) für Nenndurchmesser von 16, 20, 25 und 28 mm eine Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung durch das DIBt vor. Top12 wird aktuell beim Neubau von Infrastrukturprojekten immer häufiger für Bauteile verwendet, die einer hohen Chloridbeanspruchung ausgesetzt sind (z.B. Brückenpfeiler, Brückenkappen, etc.), vgl. Bild 2. Bild 2: Einsatz von Top12 (1.4003) mit erhöhtem Korrosionswiderstand für Notgehwege In Untersuchungen von Greve-Dierfeld et al. [7] wurde gezeigt, dass C crit für Top12 im ungerissenen Bereich rd. dreimal so hoch ist wie für unlegierten Stahl. Da für unlegierten Stahl im ungerissenen Bereich in der einschlägigen Literatur, z.B. [8] der kritische korrosionsauslösende Chloridgehalt mit C crit = 0,6 M.-%/ z angesetzt wird, kann für Top12 C crit = 1,8 M.-%/ z angesetzt werden. Aufgrund der Belüftungssituation sowie der Aufkonzentrationsmöglichkeiten liegen im Riss bzw. analog dazu in der Arbeitsfuge von ungerissenem Beton abweichende Randbedingungen für Korrosion vor (andere mittlere Chloridgehalte sowie ggf. auch andere kritische korrosionsauslösende Chloridgehalte des Bewehrungsstahls). Zum kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt von Top12 im Rissbereich werden aktuell an der Hochschule München wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt. Da endgültige Ergebnisse jedoch noch ausstehen, sind auch bei einer Verwendung von Top12 Rissbereiche und Arbeitsfugen zusätzlich zu schützen. Entgegen wiederholt geäußerter Bedenken kann Betonstahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand auch als Mischbewehrung z.B. nur in der oberflächennächsten Bewehrungslage eingebaut und in den inneren Bewehrungslagen mit unlegiertem Betonstahl kombiniert werden, ohne dass hier die Gefahr von Kontaktkorrosion besteht [9]. 2.5 Umsetzung der Lösungsstrategien durch das DBV-Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen [1] Die im Folgenden betrachteten Bauteilvarianten orientieren sich aufgrund des gewollten Praxisbezugs am DBV-Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen [1]. Zwei der drei vorgestellten Lösungsstrategien zur Verbesserung der Dauerhaftigkeit, - Unterbinden des Chlorideindringens in den Konstruktionsbeton durch Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems, - Verlangsamen des Chloridtransports zur Bewehrung durch betontechnologische Maßnahmen, werden vom DBV-Merkblatt [1] berücksichtigt, wobei das Hauptaugenmerk auf der Umsetzung der Lösungsstrategie (1) liegt. Das DBV-Merkblatt lässt unter der Voraussetzung, dass ein Chlorideindringen in Risse und Arbeitsfugen konstruktiv oder mittels Rissbandagen, Fugenschutz etc. unterbunden wird, für horizontale Bauteile folgende Varianten zu: - Variante A: ohne flächiges Oberflächenschutzsystem, Beton der Expositionsklasse XD3, c min = 40 mm, - Variante B: mit flächigem Oberflächenschutzsystem, Beton der Expositionsklasse XD1, c min = 40 mm, - Variante C: mit flächiger Abdichtung und Schutzschicht, Expositionsklasse XD nicht erforderlich, c min = 20 mm, buch2.indb 223 13.01.20 15: 40 224 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten Über die Festlegung der Expositionsklasse hinaus werden hinsichtlich betontechnologischer Maßnahmen keine weiteren Vorgaben gemacht. Lösungsstrategie 3 (Erhöhen des kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalts durch Verwenden von Bewehrungsstahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand) wird nicht als Standardvariante umgesetzt, jedoch als mögliche Sonderlösung beschrieben. In der nachfolgend durchgeführten Lebenszykluskostenbetrachtung wird die Variantenauswahl nach DBV-Merkblatt durch Variationen des Bindemittels sowie des verwendeten Bewehrungsstahls ergänzt. 3. Lebenszyklusbetrachtung 3.1 Definition Lebenszykluskosten Im Rahmen der Lebenszyklusbetrachtung wird für ausgewählte Bauteile aus dem Bereich Parkbauten ein Vergleich der Lebenszykluskosten für unterschiedliche Ausführungsvariationen (im Weiteren als Bauteilvarianten bezeichnet) durchgeführt. Der Lebenszyklus eines Bauteils wird dabei als Bauteilbiografie über die vorgesehene Nutzungsdauer betrachtet, welche zum einen die Herstellung zu Beginn des Lebenszyklus und zum anderen die erforderliche Instandhaltung bis zum Ende der festgesetzten Nutzungsdauer umfasst. Der Lebenszyklus endet mit der zugrunde gelegten Nutzungsdauer (hier: 50 Jahre); nachfolgende Maßnahmen (Abbruch, Rückbau, Revitalisierung) werden nicht einbezogen. Der genaue Verlauf der Bauteilbiografie hängt von der gewählten Bauteilvariante ab und damit auch von der Umsetzung der in Kapitel 2 vorgestellten Lösungsstrategien zur Verbesserung der Dauerhaftigkeit und dem daraus resultierenden Instandsetzungsbedarf. Beispielhaft sind in Bild 3 Bauteilbiografien von drei grundsätzlich möglichen Bauteilvarianten gegenübergestellt: - Beton der Expositionsklasse XD1, Oberflächenschutzsystem mit regelmäßiger Instandhaltung (Lösungsstrategie 1), Betoninstandsetzung nicht erforderlich, - Beton der Expositionsklasse XD3 (teilweise Umsetzung Lösungsstrategie 2) ohne Oberflächenschutzsystem; nach Erreichen des kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehaltes auf Höhe der Bewehrung wird eine Betoninstandsetzung mit anschließendem Oberflächenschutz durchgeführt (Wechsel auf Lösungsstrategie 1), - Beton der Expositionsklasse XD3 mit Top12 (Kombination der Lösungsstrategien 2 und 3), Instandhaltung nicht erforderlich (Voraussetzung: riss- und fugenfreies Bauteil). 100% Abnutzung des Stahlbetons entspricht in Bild 3 dem Erreichen des kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehaltes an der Bewehrung. Bild 3: Schematische Darstellung möglicher Bauteilbiografien In Abhängigkeit der jeweiligen Bauteilbiografie unterscheiden sich damit zusätzlich zu den Kosten der Herstellung auch die im Zuge eines Lebenszyklus anfallenden Kosten der Wartung und Instandhaltung. Kosten werden im Rahmen dieses Beitrags im Sinne von Ausgaben definiert [10]. Die Summe der Kosten für Herstellung, Wartung und Instandhaltung entspricht hier den Lebenszykluskosten. Betrachtet werden dabei die jeweiligen „entscheidungsrelevanten Kosten“ [11]. Die Entscheidung, die hier getroffen werden muss, lautet: „Wie wird die Dauerhaftigkeit des Stahlbetonbauteils gegenüber eindringenden Chloriden über die zugrunde gelegte Nutzungsdauer sichergestellt? “ Folglich sind entscheidungsrelevante Kosten solche, die während Herstellung und Nutzung zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit bei Tausalzexposition (XD) anfallen: 3.1.1 Herstellung: Referenz ist die folgende Bauteilsituation - mit Beton der Expositionsklasse XC4 (Frost wird nicht berücksichtigt) und einer Mindestdruckfestigkeitsklasse C25/ 30 (w/ z = 0,60), - mit unlegiertem Stahl, - ohne Oberflächenschutz, D.h. entscheidungsrelevante Kosten während der Herstellung fallen an für höhere erforderliche Betondruckfestigkeitsklassen, Expositionsklassen mit höherer Beanspruchung, alternative Bewehrungsmaterialien und Beschichtungsmaßnahmen. 3.1.2 Nutzung Alle während der Nutzung anfallenden Kosten für Wartung und Instandsetzung (Beton oder Oberflächenschutz) werden als entscheidungsrelevante Kosten berücksichtigt. Die Kostenermittlung erfolgt anhand von bepreisten Leistungsverzeichnissen diverser Bauvorhaben. In die Lebenszykluskosten werden keine ökologisch-, sozial- oder volkswirtschaftlich-bedingten Folgekosten eingerechnet. buch2.indb 224 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 225 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten 3.2 Bauteile, Randbedingungen und verwendete Materialien In Tabelle 1 sind die Bauteile, Randbedingungen und verwendeten Materialien dargestellt. Nutzungsdauer 50 Jahre Bauteile Stütze Pflasterbelag + Fundament (bewehrt) (S/ Pf/ Fb) Stütze Pflasterbelag + Fundament (unbewehrt) (S/ Pf/ Fub) Zwischendecke (ZD)* Stütze Zwischendecke (S/ ZD) Bewehrungsstähle unlegiert ferritischer nichtrostender Stahl, Werkstoffnummer 1.4003 (Top12) Beschichtungssysteme OS 8 (ZD) Rissbandage (OS10-System versenkt) (ZD) OS 5b-System (nachweislich dauerhaft wasserbeständig) (S) Hohlkehle (Arbeitsfugen mit unl. Stahl) Beton mind. C25/ 30 CEM II/ A-LL XC3: w/ z = 0,60 XC4: w/ z = 0,60 XD1: w/ z = 0,55 XD2: w/ z = 0,50 XD3: w/ z = 0,45 Instandsetzungsmaßnahme (nach Ablauf Lebensdauer, vgl. Kap. 3.3.3) Betonabtrag bis hinter die Bewehrung, nach 1. Instandsetzungsmaßnahme immer OS-System Tabelle 1: Bauteile, Randbedingungen und verwendete Materialien Für die Zwischendecke wurde analog zu den anderen Bauteilen die Lebensdauerbetrachtungen für den ungerissenen Betonquerschnitt durchgeführt. Dementsprechend wurde in der Zwischendecke nur oberseitig Top12-Stahl angesetzt, unterseitig wurde unlegierter Stahl angenommen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass im Falle von Trennrissen Chloride durch den Riss an die Deckenunterseite gelangen können, sich dort u.U. innerhalb von sehr kurzer Zeit aufkonzentrieren und es in der Folge zu Abplatzungen und Bewehrungskorrosion in diesem Bereich kommen kann. Aus diesem Grund muss bei einer Verwendung von Top12 Stahl in der Zwischendecke analog zur Verwendung unlegierter Betonstähle die Rissbandage spätestens nach einem Winter appliziert werden. Die Wartung/ Inspektion der Rissbandage muss ebenfalls in gleichen Abständen erfolgen wie bei unlegiertem Stahl (das heißt, bei Rissbandagen jährlich). 3.3 Lebensdauerberechnung 3.3.1 Allgemeines Um den Zeitraum zu bestimmen, über den Stahlbetonbauteile ohne Oberflächenschutzmaßnahmen einem Chloridangriff widerstehen können, werden nachfolgend Lebensdauerberechnungen für die unbeschichteten (und ungerissenen) Stahlbetonbauteile durchgeführt [6], [12]. Dabei wird als Grenzkriterium das Unterschreiten eines Zuverlässigkeitsindex von β 0 = 0,5 (Wahrscheinlichkeit der Depassivierung der Bewehrung p f ~ 31%) angesetzt. Dieses Zuverlässigkeitsniveau wird üblicherweise für Bauteile der Expositionsklassen XD2 und XD3 gefordert. Eine regelmäßige Inspektion wird vorausgesetzt. Die Materialwiderstände (Chloridmigrationskoeffizienten) wurden Fachveröffentlichungen entnommen [8]. Die Lebensdauer der hier betrachteten Bauteile wird im Folgenden als die Zeitspanne bis zum Unterschreiten der Mindestzuverlässigkeit definiert. 3.3.2 Chlorideinwirkung Gemäß fib-Bulletin 76 [8] sind für die hier betrachteten Expositionsklassen XD2 und XD3 mittlere Oberflächenchloridkonzentrationen zwischen 2,0 und 4,0 M.-%/ z anzusetzen. Um die tatsächlich zu erwartenden Chloridbeaufschlagungen in Parkbauten möglichst realitätsnah abbilden zu können, wurden Chloridprofile aus bestehenden Parkbauten für die einzelnen Bauteilen statistisch ausgewertet. Auf Basis dieser Ergebnisse werden für die nachfolgenden Lebensdauerberechnungen folgende Oberflächenchloridkonzentrationen C S,∆x berechnet [13] und zugrunde gelegt: - Zwischendeckenoberseite (horizontales Bauteil): C S,∆x = 3,0 M.-%/ z, - Stützen aufgehend von der Zwischendecke sowie oberhalb des Pflasterbelags (vertikales Bauteil): C S,∆x = 2,5 M.-%/ z, - Stützen unterhalb OK Pflasterbelag und Fundamentoberseite (vertikale und horizontale Bauteile): C S,∆x = 1,5 M.-%/ z. 3.3.3 Ergebnisse der Lebensdauerberechnung Die errechneten Lebensdauern für die Bauteile Zwischendeckenoberseite, Stütze und Fundament gelten ausschließlich unter Annahme eines unbeschichteten, ungerissenen Bauteilzustandes. Die Ergebnisse zeigen, dass bei folgenden Kombinationen der Grenzzustand der Depassivierung der Bewehrung (Zuverlässigkeitsniveau β = 0,5) vor Ablauf der angestrebten Nutzungsdauer rechnerisch erreicht wird; zusätzliche Maßnahmen zur buch2.indb 225 13.01.20 15: 40 226 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten Sicherstellung einer ausreichenden Dauerhaftigkeit sind hier erforderlich: - Zwischendecke: unlegierter Bewehrungsstahl - Stützen: unlegierter Bewehrungsstahl - Fundamente: unlegierter Bewehrungsstahl Bei der Verwendung von Top12 wird der Grenzzustand der Depassivierung der Bewehrung vor Ablauf der angestrebten Nutzungsdauer bei allen untersuchten Bauteilen rechnerisch nicht erreicht; zusätzliche Oberflächenschutz- oder Instandsetzungsmaßnahmen sind demzufolge nicht erforderlich. 3.4 Lebenszyklen der betrachteten Bauteile Bei Bauteilen ohne Oberflächenschutz erfolgt im Rahmen der Lebenszykluskostenbetrachung eine Betoninstandsetzung, sobald die rechnerische Lebensdauer des Bauteils nach Kapitel 3.3 abgelaufen ist. Für Planung und Ausführung der Maßnahmen zur Betoninstandsetzung wird ein Zeitrahmen von 2 Jahren angesetzt. In diesem Zeitraum finden keine Wartungsarbeiten statt. Baupraktisch wird in der Regel die Instandsetzung von Stützenfuß und Fundament in einem Arbeitsgang durchgeführt. Daher wird für die nachfolgenden Berechnungen angenommen, dass bei ungeschützten Betonoberflächen Stützen und Fundamente gemeinsam nach Ablauf der rechnerischen Lebensdauer der Stützen instand gesetzt werden. Für die Oberflächenschutzsysteme werden auf Basis von Erfahrungswerten und Herstellerangaben folgende Lebensdauern festgelegt: - Rissbandage: 12 Jahre - OS 8, OS 5b, Hohlkehle: 20 Jahre Die Wartungsintervalle sind im DBV-Merkblatt [1] folgendermaßen festgelegt: - Hohlkehle, Rissbandage, OS8, OS 5b: jährlich Im Zuge der Wartung werden kleine festgestellte Schäden laufend instandgesetzt. In den nachfolgenden Berechnungen wird daher eine jährliche Instandsetzung an 2% der Flächen mit eingerechnet. Nach Ablauf der Lebensdauern der Oberflächenschutzsysteme ist eine Überarbeitung bzw. Erneuerung erforderlich. Die Erfahrung hat gezeigt, dass bei regelmäßiger Wartung und Instandhaltung nach Ablauf der Lebensdauer bei Parkbauten nicht die komplette Fläche neu beschichtet werden muss. Je nach Frequentierung und Beanspruchung (Stellplatzflächen, Kurvenbereiche von Fahrstraßen) ist - keine Überarbeitung, - eine teilweise Überarbeitung (Erneuerung der Kopfversiegelung) oder - ein Komplettabtrag mit anschließendem Neuauftrag erforderlich. Für die nachfolgenden Berechnungen wurde ein prozentualer Flächenanteil angesetzt, der komplett neu beschichtet wird (Abtrag, Entsorgung, Neuauftrag). Dieser berücksichtigt als Mischkalkulation alle Überarbeitungssituationen. Nicht sichtbare Flächen, z.B. unterhalb des Pflasterbelags, werden nicht instandgesetzt, da in Anlehnung an die Praxis davon ausgegangen wird, dass dort über die veranschlagte Nutzungsdauer von 50 Jahren keine Schäden (mechanisch oder alterungsbedingt) auftreten bzw. aufgrund der fehlenden Inspektion Schäden nicht festgestellt werden. Folgende Flächenanteile werden demzufolge nach Ablauf der oben genannten Lebensdauern der Oberflächenschutzsysteme neu beschichtet: - Zwischendeckenoberseite: 50%, - Stützen ab Fahrbahnoberkante: 30%, - Stützen und Fundamente unterhalb Fahrbahnoberkante: 0%. Diese Annahmen können in der Praxis von Objekt zu Objekt stark variieren. 3.5 Kostenermittlung 3.5.1 Allgemeines Die Preise, welche der Kostenermittlung zugrunde gelegt werden, wurden als mittlere Nettopreise aus diversen bepreisten Leistungsverzeichnissen von bereits ausgeführten Projekten ermittelt und umfassen auch mit der Maßnahme verbundene Nebenarbeiten, wie z.B. Untergrundvorbereitung, etc.. Kosten für Parkdecksperrungen infolge von Instandsetzungsmaßnahmen sind ebenso wie Kosten für die Baustelleneinrichtung nicht mit eingerechnet. Da die Preise je nach Objekt und Größe der bearbeiteten Fläche deutlich schwanken können, sollte der Vergleich der Bauteilvarianten als orientierend betrachtet werden. Bezugswert bei der Stahlkostenermittlung ist der unlegierte Bewehrungsstahl mit 1.000 €/ t ohne Einbau. Für Top12 wird ein diesbezüglicher Mehrkostenfaktor von 4,5 angesetzt (entscheidungsrelevante Kosten Top12 im Vergleich zu unlegiertem Stahl von rd. 3.500 €/ t). Kosten für den Einbau werden nicht gesondert berücksichtigt, da für alle Stahlsorten von gleichen Einbaukosten ausgegangen wird. 3.5.2 Zugrunde gelegte Nettopreise Nachfolgend werden die für das Bezugsjahr zugrunde gelegten entscheidungsrelevanten Kosten (netto) aufgelistet. Beton in Relation zu XC4: - XD1: 10 €/ m³ - XD2 und XD3: 20 €/ m³ Stahl in Relation zu unlegiertem Stahl (nur Material ohne Einbau): - Top12: 3.500 €/ t - Zulage Stabstahl zur Matte verflechten (angesetzt bei Zwischendeckenoberseite für Top12): 210 €/ t Beschichtung inkl. Nebenarbeiten (Untergrundvorbereitung etc.): buch2.indb 226 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 227 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten - Hohlkehle in Verbindung mit Beschichtungsauftrag: 8 €/ lfm - Hohlkehle ohne Beschichtungsauftrag: 13 €/ lfm - OS 5b kleinflächig: 45 €/ m² - OS 8 kleinflächig: 40 €/ m² - Noppenbahn: 23 €/ m² - Rissbandage OS 10 versenkt: 120 €/ lfm - OS 8 großflächig: 35 €/ m² Wartung (Wartungsbegehung ohne Instandsetzungskosten, große Gesamtflächen vorausgesetzt): - Flächige Beschichtungen 1,20 €/ m² - Hohlkehle: 0,90 €/ Stütze Abtrag und Entsorgung Hohlkehle bzw. Beschichtung: - Hohlkehle: 8 €/ lfm - Rissbandage OS 10 versenkt: 25 €/ lfm - OS 5b kleinflächig: 20 €/ m² - OS 8 kleinflächig: 20 €/ m² - OS8 großflächig: 10 €/ m² Betonabtrag und Reprofilierung bis 2 cm hinter die oberflächennächste Bewehrung (einschließlich alles Nebenarbeiten): - Stütze: 450 €/ m² - Fundamentanschluss: 45 €/ lfm - Fundament flächig: 350 €/ m² - Zwischendeckenoberseite flächig: 175 €/ m² - Zwischendeckenoberseite lokal: 225 €/ m² - Aus- und Einbau Pflasterbelag und Kiesschüttung incl. Zwischenlagern: 125 €/ m² 3.5.3 Zinsen- und Kostensteigerung bei zukünftigen Aufwendungen Zukünftige Zinsen- und Kostensteigerungen können bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung anhand der sogenannten Barwertmethode berücksichtigt werden. Nach dieser Methode können zukünftige Ausgaben für die Instandhaltung in der Gegenwart, also zum jetzigen Zeitpunkt, bewertet werden. Wenn z.B. in zehn Jahren ein Betrag x ausgegeben werden muss, wird zum jetzigen Zeitpunkt ein geringerer Rücklagenbetrag benötigt, da dieser in den zehn Jahren einen gewissen Zinsertrag (Zins und Zinseszins) bringt, der vom Betrag x abgezogen werden kann. Ebenso ist jedoch davon auszugehen, dass zukünftige Instandsetzungskosten infolge der Inflation teurer werden. Beide Faktoren werden in nachfolgender Gleichung berücksichtigt: (1) Mit K M : Summe Mehrkosten; K M,E : Mehrkosten Erstherstellung; K t,i (i = 1… n) : Kosten zum Zeitpunkt t infolge Beschichtungsbzw. Instandsetzungsarbeiten etc. (n = Anzahl der Maßnahmen); q 1 : Zinsfaktor Kapitalisierung q 1 = 1,03; q 2 : Zinsfaktor Teuerung q 2 = 1,02; t i (i = 1…n) : Zeitpunkte der Maßnahmen im Verlauf der vorgesehenen Nutzungsdauer (Beschichtung, Monitoring, Instandsetzung) nach Erstherstellung in Jahren (n = Anzahl der Maßnahmen); K V : Kosten für Verkehrssicherung infolge von Instandsetzungsarbeiten (Beschichtung, Betoninstandsetzung). 3.6 Ergebnisse und Bewertung 3.6.1 Lebenszykluskosten für die festgelegten Bauteilrandbedingungen Der Verhältniswert entscheidungsrelevante Lebenszykluskosten Bauteilvariante X zu Bauteilvariante mit Top12 wird vereinfachend mit „Rentabilitätsfaktor Top12“ bezeichnet. Ab einem „Rentabilitätsfaktor Top12“ > 1,0 ist die Bauteilvariante mit Top12 günstiger. In [15] wurden die entscheidungsrelevanten Lebenszykluskosten (Absolutwert) und der Rentabilitätsfaktor Top12 in Abhängigkeit der Zeit berechnet. Im Rahmen des vorliegenden Beitrags werden die Ergebnisse der Berechnungen zusammengefasst: Verzicht auf präventive Maßnahmen (unlegierter Stahl, kein Oberflächenschutz) - Die Anfangsinvestitionen liegen bis zu rd. 50% unter den Varianten mit präventiven Maßnahmen. - Ab dem Zeitpunkt der ersten erforderlichen Betoninstandsetzung, hier nach rd. 8 Jahren, übersteigen die Lebenszykluskosten die der Varianten mit präventiven Maßnahmen deutlich. - Zum Bewertungsalter von 50 Jahren hat diese Bauteilvariante bei allen Bauteilen, für die sie betrachtet wurde, die höchsten entscheidungsrelevanten Lebenszykluskosten zur Folge. Vergleich Top12 mit Oberflächenschutzmaßnahmen - Die Anfangsinvestitionen der Bauteilvariante mit Top12 Stahl liegen bei den Bauteilen Stütze auf Zwischendecke sowie Stütze + unbewehrtes Fundament (große Verhältnisse Bewehrungsgehalt/ chloridbeaufschlagte Oberfläche) tendenziell etwas höher als die der Bauteilvarianten mit OS-System. Diese Differenz wird jedoch mit zunehmendem Bauwerksalter durch Wartungs- und Instandsetzungsaufwendungen bei den Beschichtungssystemen aufgezehrt. - Zum Bewertungsalter von 50 Jahren ist die Variante mit Top12 bei den betrachteten Bewehrungsgehalten bei allen Bauteilen günstiger. - Bei Bauteilen mit kleinem Verhältnis Bewehrungsgehalt/ chloridbeaufschlagte Oberfläche (z.B. Stütze mit oberseitig bewehrtem Fundament) ist der „Rentabilitätsfaktor Top12“ tendenziell größer als bei Bauteilen mit großem Verhältnis Bewehrungsgehalt/ chloridbebuch2.indb 227 13.01.20 15: 40 228 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten aufschlagte Oberfläche (s. Tabelle 4, Vergleich gleicher Oberflächenschutzssyteme). Darstellung der Rentabilitätsfaktoren: Wenn der relative Kostenzuwachs der teureren Vergleichsvariante (z.B. Bild 14: ohne präventive Maßnahmen) geringer ist als bei der Variante mit Top12, nähern sich die Kurven im zeitlichen Verlauf aneinander an. Die Ergebnisse der Berechnung der Rentabilitätsfaktoren Top12, normiert auf den Rentabilitätsfaktoren Top12 für eine Lebensdauer von 50 Jahren sind für die betrachteten Bauteile in Bild 4 dargestellt. Bild 4: Bauteilspezifische Gegenüberstellung der „Rentabilitätsfaktoren Top12“ für ein Bewertungsalter von 50 Jahren 3.6.2 Baupraktische Gesichtspunkte Neben der Dauerhaftigkeit und den entscheidungsrelevanten Lebenszykluskosten sollten bei einer abschließenden Bewertung auch baupraktische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Hier bietet der Top12 gegenüber den Oberflächenschutzsystemen weitere Vorteile: (a) Unabhängigkeit von klimatischen Bedingungen beim Einbau, (b) Unabhängigkeit von der Ausführungsqualität auf der Baustelle, (c) geringere Beeinträchtigungen des Betriebs infolge von Wartungs-/ Instandsetzungsarbeiten, (d) Größere Kostensicherheit. Zu (a) Oberflächenschutzsysteme dürfen im Gegensatz zu Top12 nur unter bestimmten klimatischen Bedingungen appliziert werden (Beachtung des Taupunktes, Mindesttemperaturen etc.). Zwar wird auch bei Top12 ein Oberflächenschutz im Bereich von Rissen und Fugenbereichen benötigt, jedoch bietet bei einer eventuellen Undichtigkeit des Oberflächenschutzes der Top12 eine zusätzliche Sicherheit. Zu (b) Die dauerhaftigkeitsrelevanten Eigenschaften des Top12s werden unabhängig von der Ausführungsqualität auf der Baustelle erreicht. Bei Oberflächenschutzsystemen ist eine gute Ausführungsqualität (Untergrundvorbereitung, Auftragsmenge, Sorgfalt beim Auftrag etc.) für die Funktionalität entscheidend. Zu (c) Bei der Verwendung von Top12 sind bei den hier betrachteten Lebenszyklen keine Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich. Demzufolge ist die Kostenermittlung bei der Planung von Bauteilvarianten mit Top12 mit deutlich geringeren Unsicherheiten behaftet als die der Planung von Bauteilvarianten mit nachträglichen Instandsetzungsmaßnahmen (z.B. mit regelmäßigem Neuauftrag des OS-Systems). buch2.indb 228 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 229 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten 3.6.3 Abschließender Vergleich der Bauteilvarianten In Tabelle 2 wird eine Bewertung der Bauteilvarianten hinsichtlich der Themenbereiche „Dauerhaftigkeit“, „Lebenszykluskosten“ und „baupraktische Gesichtspunkte“ vorgenommen. Aufgrund der hohen entscheidungsrelevanten Lebenszykluskosten werden Bauteilvarianten mit erforderlicher Betoninstandsetzung dabei nicht berücksichtigt. Betreffend die Lebenszykluskosten wurden die Bewertungen folgendermaßen vorgenommen: „Gut“ für die Bauteilvariante, die am günstigsten war, „Neutral“ für die Bauteilvariante, die nicht am günstigsten war, da diese Bauteilvariante immer noch deutlich günstiger ist als die Bauteilvariante ohne präventive Maßnahmen. Kategorie Dauerhaftigkeit Lebenszykluskosten Baupraktische Gesichtspunkte Zusammenfassung Bauteilvariante 1 US mit OS- System T12 mit RB bzw. FS US mit OS- System T12 mit RB bzw. FS US mit OS- System T12 mit RB bzw. FS US mit OS- System T12 mit RB bzw. FS Bauteil ZD + + 0 + - + 0 +++ Bauteil S/ ZD + + 0 + - + 0 +++ Bauteil S/ Pf/ Fb + + 0 + - + 0 +++ Bauteil S/ Pf/ Fub + + 0 + - + 0 +++ Bewertung: schlecht; 0 neutral; + gut 1 T12: Top12, RB: Rissbandage, FS: Fugenschutz, US: Unlegierter Stahl Tabelle 2: Gegenüberstellung der Bauteilvarianten Bezieht man alle betrachteten Themenbereiche in die Bewertung mit ein, so zeigt sich für die betrachteten Bauteilrandbedingungen folgendes Ergebnis: Die Bauteilvarianten mit Top12 schneiden für die betrachteten Bewehrungsgehalte deutlich besser ab als die Bauteilvarianten mit OS-System. 3.6.4 Sensitivitätsanalyse In [15] wurden im Hinblick auf die Praxis der den zuvor dargestellten Betrachtungen zugrunde gelegte Bewehrungsgehalt der Bauteile (immer Bewehrungsgehalt, der durch Top12 zu ersetzen ist) variiert. Dabei wurde überprüft, wie sensibel die Ergebnisse auf eine Variation dieses Eingangsparameters reagieren. Die Ermittlung der Lebenszykluskosten erfolgt dann analog zu der in den vorausgehenden Kapiteln dargestellten Vorgehensweise für ein Bewertungsalter von 50 Jahren. Die Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: - Bei größer werdendem Bewehrungsgehalt werden die Rentabilitätsfaktoren Top12 bzgl. OS-System kleiner. (Ursache: je größer der Bewehrungsgehalt Top12 bei gleicher zu beschichtender Oberfläche desto weniger rentabel ist der Einsatz von Top12.) - Bei den Bauteilen Zwischendecke (ZD) sowie Stütze im gepflasterten Bereich mit bewehrtem Fundament (S/ Pf/ Fb) ist für alle betrachteten Bewehrungsgehalte die Bauteilvariante mit OS-System teurer als die Bauteilvariante mit Top12. - Bei den Bauteilen Stütze aufgehend von Zwischendecke (S/ ZD) sowie Stütze im gepflasterten Bereich mit unbewehrtem Fundament (S/ Pf/ Fub) ist - je nach Bewehrungsgehalt entweder die Bauteilvariante mit OS-System günstiger oder die mit Top12, siehe Bild 5. - Bei dem Bauteil S/ Pf/ Fb ist die ermittelte Relation zwischen dem Rentabilitätsfaktor Top12 und dem Bewehrungsgehalt Top12/ chloridbeaufschlagter Bauteiloberfläche zunächst deutlich steiler als bei den übrigen Bauteilen, d.h. gleiche Änderungen Bewehrungsgehalt/ chloridbeaufschlagte Bauteiloberfläche führen zu größeren Änderungen des Rentabilitätsfaktor Top12 als bei den anderen Bauteilen (Ursache: Der Großteil der zu schützenden Oberfläche liegt unter Oberkante Pflaster; aufgrund es dortigen Einsatzes der Noppenfolie sind die Beschichtungskosten verhältnismäßig hoch. Bei großen bauteilbezogenen Differenzen Beschichtungskosten - Bewehrungskosten fällt der Rentabilitätsfaktor Top12 steiler ab als bei kleinen Differenzen.) Exemplarisch dargestellt wird in Bild 5 und in Bild 6 das finale, rechnerische Ergebnis des Bauteilvariantenvergleichs für die Stütze aufgehend von der Zwischendecke (unlegierter Stahl + Oberflächenschutzsystem OS 5b vs. Top12 mit Hohlkehle) und für die Stütze mit oberseitig bewehrtem Fundament im gepflasterten Bereich. Die Darstellung erfolgt wie zuvor gegenüber dem „Rentabilitätsfaktor Top12“. Ab einem „Rentabilitätsfaktor Top12“ > 1,0 ist die Bauteilvariante mit Top12 günstiger. Die in den vorhergehenden Betrachtungen zugrunde gelegten Verhältnisse Bewehrungsgehalt/ chloridbeaufschlagte Bauteiloberfläche sind mit weißen Diagrammpunkten markiert. buch2.indb 229 13.01.20 15: 40 230 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten Bild 5: Stütze aufgehend von Zwischendecke: „Rentabilitätsfaktor Top12“ in Abhängigkeit des Gehaltes Top12 pro m² chloridbeaufschlagter Oberfläche Bild 6: Stütze mit oberseitig bewehrtem Fundament im gepflasterten Bereich: „Rentabilitätsfaktor Top12“ in Abhängigkeit des Gehaltes Top12 pro m² chloridbeaufschlagter Oberfläche 3.7 Bauteil Wand Ergänzend zu den Bauteilen Stütze wurden Untersuchungen zum Bauteil Wand durchgeführt. Die Ergebnisse für die Bauteile Wand entsprechen von der Tendenz her der Betrachtung der Stützen, vgl. Kapitel 3.6, wobei die „Rentabilitätsfaktoren Top12“ etwas geringer sind (Ursache: bei Wänden fallen aufgrund der nicht erforderlichen Eckausbildung der Beschichtung auf Zwischendecken und Fundamenten kleinere Beschichtungsflächen und damit ggf. auch Wartungskosten pro chloridbeaufschlagter Oberfläche an als bei Stützen). 4. Fazit und Ausblick Stahlbetonbauteile in Parkgaragen weisen häufig Schäden infolge chloridinduzierter Korrosion auf, deren Instandsetzung sehr kostenintensiv ist. Der Deutsche Beton- und Bautechnik-Verein e.V. (DBV) hat diesbezüglich reagiert und in seinem Merkblatt für Parkhäuser und Tiefgaragen [1] zahlreiche Maßnahmen empfohlen, durch welche die Dauerhaftigkeit der betroffenen Stahlbetonbauteile erhöht werden kann. Aktuell stellt sich die Frage, ob der Einsatz von Stahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand (hier Top12 der Swiss Steel AG) eine wirtschaftliche Alternative bzw. Ergänzung zu den im DBV-Merkblatt propagierten Maßnahmen zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauteilen in Parkbauten darstellt. Im Rahmen des vorliegenden Beitrags wurden daher zunächst Lösungsstrategien zur Verbesserung der Dauerhaftigkeit bei Spritzwasserbeaufschlagung vorgestellt. Für ausgewählte Bauteile (Wände und Stützen) wurden dann praxisrelevante Varianten sowie zugehörige Bauteilbiografien (Herstellung, Wartung, Erhaltung/ Instandsetzung) über die angestrebte Nutzungsdauer erarbeitet. Bei der Auswahl der Bauteilvarianten wurden sowohl im DBV-Merkblatt dargestellte Maßnahmen berücksichtigt als auch Alternativen mit Top12 vorgestellt. Anschließend wurden für die Bauteilvarianten Lebensdauerberechnungen und Lebenszykluskostenbetrachtungen durchgeführt. Für eine abschließende Bewertung der betrachteten Bauteilvarianten werden die Themenbereiche „Dauerhaftigkeit“, „Lebenszykluskosten“ und „baupraktische Gesichtspunkte“ berücksichtigt. Die Betrachtungen zeigen, dass die Bauteilvarianten ohne präventive Maßnahmen klar am Schlechtesten abschneiden. Die Bauteilvarianten mit Top12 schneiden bei geringen Bewehrungsgehalten durchweg besser ab als die mit OS-System. Bei hohen Bewehrungsgehalten sind die Lebenszykluskosten der Bauteilvarianten mit Top12 ggf. etwas höher als die der Bauteilvarianten mit OS-System. Aufgrund der baupraktischen Gesichtspunkte ist der Einsatz von Top12 jedoch in vielen Fällen dennoch zielführender. Der Benefit durch den Top12 ist bei den Bauteilvarianten „Zwischendecke“ sowie „Stütze + Fundament im gepflasterten Bereich“ am größten. Allerdings müssen auch bei einem Einsatz von Top12-Stahl die für die jeweilige Bauteilvariante maßgeblichen, im DBV-Merkblatt vorgegebenen Inspektions-/ Wartungszeiträume beachtet werden (z.B. jährlich bei Rissbandagen über Trennrissen in der Zwischendecke). Literaturverzeichnis [1] DBV-Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen, 3. überarbeitete Ausgabe, Fassung Januar 2018. [2] Mayer, T.F.; Schießl-Pecka, A.: Lösungsstrategien zur Chloridbelastung in Stra-ßentunneln. VSVI-Tagung Garching, Januar 2017. [3] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie), 2001 mit Berichtigungen vom Januar 2002 und Dezember 2005. [4] DIN 18532: Abdichtung befahrener Verkehrsflächen aus Beton, Beuth Verlag 2017. buch2.indb 230 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 231 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten [5] Schießl, P.; Gehlen, Ch.; Sodeikat, Ch,; Mayer, T.F., Schießl-Pecka, A.: Dauerhafter Konstruktionsbeton für Wasserbauwerke. In: Betonkalender 2008, Band 1, S. 1 - 88. Ernst & Sohn Verlag, Berlin, 2007. [6] Gehlen, Ch.: Probabilistische Lebensdauerbemessung von Stahlbetonbauwerken. Heft 510 der Schriftenreihe des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton. Beuth-Verlag, Berlin, 2000. [7] v. Greve-Dierfeld, S.; Bisschop, J.; Schiegg, Y.: Nicht-rostende Bewehrungsstähle zur Verlängerung der korrosionsfreien Lebensdauer von Stahlbetonbauwerken. Beton- und Stahlbetonbau 112 (2017) 9, S. 601-610 - DOI: 10.1002/ best.201700038. [8] Fédération internationale du béton (fib): Bulletin 76 - Benchmarking of deemed-to-satisfy provisions in standards. State-of-the-art report. 2015. [9] Nürnberger, U.: Nichtrostender Betonstahl. Merkblatt 866 der Informationsstelle Edelstahl Rostfrei. Düsseldorf, 2011. [10] Schwarz, J.: Forschungsprogramm: Zukunft Bau - Berücksichtigung von Lebenszykluskosten bei der Vergabe von Bauleistungen als Zuschlagskriterium. Endbericht Az 10.8.17.7-15.02. Universität der Bundeswehr München, Neubiberg 2015. [11] Pelzeter: Lebenszykluskosten von Immobilien. Schriften zur Immobilienökonomie, Band 36, European Bussiness School, Reichartshausen, 2006. [12] Federation internationale du beton (fib): Bulletin 34 - Model Code for Service Life Design. Lausanne, Schweiz, 2006. [13] Bundesanstalt für Wasserbau: BAW-Merkblatt Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauwerken bei Carbonatisierung und Chlorideinwirkung (MDCC), Ausgabe 2017. [14] Greve-Dierfeld, S.; Bisschop, J.; Schiegg, Y.: Nichtrostende Bewehrungsstähle zur Verlängerung der korrosionsfreien Lebensdauer von Stahlbetonbauwerken. Beton- und Stalbetonbau 112 (2017), H. 9, S. 601 - 610. [15] Schießl-Pecka, A.; Rausch, A.: Top12, Lebenszykluskosten Parkbauten, Swiss Steel. Gutachterliche Stellungnahme 18-369/ 1.1.1 vom 22.10.2019, Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat GmbH, München. buch2.indb 231 13.01.20 15: 40 buch2.indb 232 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 233 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten Dr.-Ing. Gerhard Stenzel ö. b. v. Sachverständiger für Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbau ALLVIA Ingenieurgesellschaft mbH, Maisach Dr.-Ing. Klaus Schöppel ö. b. v. Sachverständiger für Betontechnologie, Betonschäden und Instandsetzung von Betonbauteilen Ingenieurbüro Dr.-Ing. Klaus Schöppel Zusammenfassung Seit dem Erscheinen der 3., überarbeiteten Auflage des DBVMerkblatts Parkhäuser und Tiefgaragen, Fassung Januar 2018) im März 2018 besteht bei Objekt- und Tragwerksplanern immer noch große Unsicherheit bei Entwurf, Planung und Konstruktion von Parkbauten. Nach wie vor werden Parkbauten meistens als Hochbauten aufgefasst und auch so entworfen, bemessen und konstruiert. Tatsächlich werden Parkbauten aber eher wie Verkehrsbauwerke (Brücken und Tunnel) beansprucht und sollten deshalb auch dementsprechend geplant und ausgerüstet werden. Während oberirdische Parkplätze und Verkehrsbauwerke ohne Gefälle, ohne wirksame Entwässerung und ohne dauerhafte Abdichtung von Fahrbahnflächen unvorstellbar sind, wird bei Parkbauten immer wieder von der grundlegenden Anforderung an alle Baukonstruktionen: „Wasser weg von tragenden Bauteilen“ abgewichen. Falls vertraglich nichts Abweichendes geregelt ist, sind bei Planung, Konstruktion, Gebäudeausrüstung und Bauausführung die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten, damit das fertiggestellte Bauwerk abnahmefähig ist. Bei den verschiedenen Varianten hinsichtlich der Bauweise von Parkhäusern und Tiefgaragen ergibt sich jedoch die Frage, welche der Varianten als anerkannte Regel der Technik anzusehen sind. In Folge ihres unterschiedlichen Instandhaltungsaufwands sind die Varianten nicht als gleichwertig zu bewerten. Daher sind eine eindeutige Aufklärung des Bauherrn und die Festlegung der angestrebten Beschaffenheit einschließlich des zu erwartenden Instandhaltungsaufwands unabdingbar. Letztendlich müssen Parkhäuser und Tiefgaragen so geplant werden, dass bei der vereinbarten Bauweise mit dem dazu gehörigen objektspezifischen Instandhaltungsplan die angestrebte Mindestnutzungsdauer (in der Regel 50 Jahre) zielsicher erreicht werden kann. Dieser Sachverhalt ist bei der Planung, bei der Ausführung und bei der Abnahme der Baumaßnahme von dem jeweiligen Verantwortlichen umzusetzen und zu kontrollieren. Dabei kommt bei Parkbauten dem Tragwerksplaner eine besondere Bedeutung zu, weil er sich zu einem sehr frühen Planungszeitpunkt mit den verschiedenen zu planenden Schutzmaßnahmen für die Fahrbahnflächen, Stützen- und Wandfüße beschäftigen muss, um diese dann in Abstimmung mit dem Bauherrn und dem Objektplaner festzulegen. Der objektspezifische Instandhaltungsplan als Teil des angestrebten Konstruktionsprinzips ist ebenfalls in der frühen Planungsphase zu erstellen. Darüber hinaus muss das fertige Bauwerk funktionstauglich sein, also seinem Zweck entsprechend nutzbar sein. Hierfür muss der Objektplaner das Gebäude unter Anderem so entwerfen, dass eine planmäßige Entwässerung möglich ist. Dazu gehört im Regelfall die Planung von mindestens 2,5 % Gefälle auf allen befahrenen Flächen und Stellplätzen. Weichen Objekt- oder Tragwerksplaner von den anerkannten Regeln der Technik ab, so muss jeder für sich über diese Abweichungen und über die Konsequenzen für die folgenden 50 Jahre (Regel-Nutzungsdauer) den Bauherrn eindeutig aufklären und dies auch dokumentieren, um spätere Haftungsrisiken zu vermeiden. 1. Einführung Die meisten Schäden von Parkbauten haben ihre Ursache in einer fehlenden oder mangelhaften Gefälleausbildung, weil das von den Fahrzeugen eingeschleppte Tausalzwasser nicht zügig abgeleitet wird, sondern sich an Stützenfüßen, Wandfüßen und Tiefpunkten sammelt und dort lange auf den Beton einwirken kann. Besonders anfällig sind hierbei Bereiche, in denen Risse aufgetreten sind, die Betonoberfläche eine mangelhafte Dichtigkeit aufweist, Arbeitsfugen vorhanden sind und/ oder die vorhandene Betondeckung zu gering ist. Weil durchgehende Trennrisse und einzelne Fehlstellen beim Herstellungsprozess von Betonoberflächen nicht vollständig bzw. lückenlos vermieden werden können, haben sich unbeschichtete und gleichzeitig ohne ausreichendes Gefälle hergestellte befahrene Betonoberflächen im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit nicht bewährt. buch2.indb 233 13.01.20 15: 40 234 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten 2. Expositionsklassen Die Betonbestellung und Betonlieferung erfolgt in Deutschland seit dem Jahr 2001 „nach Eigenschaften“. Die Eigenschaften des Betons werden durch sogenannte Expositionsklassen der Bauteile definiert. In Abhängigkeit von den Expositionsklassen bestehen in den Fachnormen Anforderungen, insbesondere an den maximalen w/ z-Wert und die Zementart. Die vom Tragwerksplaner fürAusschreibung und Bauausführung festzulegenden Expositionsklassen sind in den Fachnormen DIN 1045 bzw. Eurocode 2 (DIN EN 1992 mit Nationalem Anhang für Deutschland) definiert und beziehen sich auf die Angriffsgrade aus den Umgebungsbedingungen und die Feuchteverhältnisse im Bereich der Betondeckung des betreffenden Betonbauteils. So sollte für Fundamente (wechselnd nass und trocken) immer die Expositionsklasse XC4 (ist in der Regel zutreffend) gewählt werden, was automatisch zu einem praxisgerechten Verlegemaß der Bewehrung von 40 mm bei Fundamenten führt. Sofern eine annähernd waagerechte und bewehrte Betonoberfläche mit Tausalz beaufschlagt werden kann, ist eine Einstufung in die Expositionsklasse XD3 erforderlich. Wechselnd nass und trocken beanspruchte und/ oder rissgefährdete Betonoberflächen und Flächen ohne Gefälleausbildung müssen darüber hinaus zusätzlich geschützt werden. Eine Ausnahme bilden annähernd senkrechte Flächen, die nur von tausalzhaltigem Sprühnebel (kein Spritzwasser oder Sickerwasser) betroffen sind, hier genügt eine Einstufung in die Expositionsklasse XD1 mit einem zugehörigen Verlegemaß der Bewehrung von 55 mm bei einer Nutzungsdauer von 50 Jahren und einem Verlegemaß der Bewehrung von 65 mm bei einer planmäßigen Nutzungsdauer von 100 Jahren. Gemäß aktueller Auslegung des Nationalen Anhangs zur DIN EN 1992-1-1 müssen durch tausalzhaltiges Sickerwasser (zum Beispiel unter Pflasterbelägen) beanspruchte senkrechte Betonoberflächen im Erdreich in der Expositionsklasse XD2 ausgeführt werden. Bei Bauteilen im Frostbereich sind auch die Klassen XF1 bis XF4 im Rahmen der Planung anzugeben. Um Schäden infolge einer Alkali-Kieselsäure-Reaktion zu vermeiden, ist bei Parkbauten auch die Expositionsklasse WF (feucht) bzw. WA (feucht plus Tausalz-beaufschlagung) für die Betonbestellung vorzugeben. Nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erreichen die gemäß aktueller Normung hergestellten XDBetone nicht immer einen ausreichenden Widerstand gegen das Eindringen von Chlorid, z. B. dann, wenn Portlandkalksteinzemente oder bestimmte Portlandzemente verwendet werden. Deshalb wurde in das DBVMerkblatt der Hinweis aufgenommen, dass für ungeschützte chloridbeanspruchte Betonflächen bewehrter Bauteile nur Betone mit hohem Chlorideindringwiderstand gewählt werden sollen. Dies sind insbesondere Betone mit hüttensandhaltigen Zementen. Die rissbreitenbeschränkende Bewehrung von Parkdeckflächen ist auf die Rissüberbrückungsfähigkeit der Beschichtung abzustimmen. Bei einer Rissüberbrückungsfähigkeit der Beschichtung von 0,3 mm (z. B. einer üblichen OS 11-Beschichtung) sollte eine Rissbreitenbeschränkung von 0,2 mm rechnerisch angesetzt werden, weil einzelne Risse um bis zu 50 % größere Rissbreiten aufweisen können und die rechnerische Ermittlung der Rissbreite auf die Lage der Bewehrung bezogen ist und nicht auf die Betonoberfläche. Für die Bemessung der Bewehrung ist in der Regel der Lastfall Zwang in spätem Alter zu berücksichtigen. Neben der Tragfähigkeit muss auch die Dauerhaftigkeit der Parkbauten für eine zu erwartende Nutzungsdauer von mindestens 50 Jahren sichergestellt werden. Somit müssen auch die zusätzlichen Schutzmaßnahmen (Beschichtung oder Abdichtung) eine entsprechende Lebensdauer aufweisen. Dies ist bei Kunststoffbeschichtungen grundsätzlich nicht gegeben. Deshalb ist ein objektspezifischer Instandhaltungsplan als Teil des gewählten Konstruktionsprinzips für alle Oberflächen-schutzmaßnahmen (Beschichtungen und Abdichtungen) unabdingbar. Dieser Plan muss alle in den nächsten 50 Jahren zu erwartenden Schäden und die dafür erforderlichen Instandsetzungskonzepte enthalten. Bei Zwischendecken und frei bewitterten Parkdächern ist eine unterlaufsichere, bahnenförmige Abdichtung nach ZTV-ING eine sinnvolle Alternative zu rissüberbrückenden Beschichtungen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich durch die zusätzlichen Gussasphaltschichten die Eigenlasten erhöhen und die Dicke des Belags bei der lichten Höhe der einzelnen Ebenen berücksichtigt werden muss. Grundsätzlich sollte auf die unterlaufsichere, bahnenförmige Abdichtung eine Gussasphaltschutzschicht und eine Gussasphaltnutzbelagsschicht aufgebracht werden. Nur in Sonderfällen sollte eine Gussasphaltschutz- und Gussasphaltnutzbelagsschicht als eine Lage ausgeführt werden. Die Anschlüsse an aufgehende Bauteile, Sockel und Einläufe erfordern handwerklich große Sorgfalt. Alternativ können die Anschlüsse und Hochzüge mit hitzebeständiger Flüssigfolie mit Vlieseinlage hergestellt werden. Hofkellerdecken und frei bewitterte Rampen erfordern im Regelfall eine unterlaufsichere, bahnenförmige Abdichtung mit zusätzlichen Schutzschichten (Schutzbeton oder Gussasphalt). 3. Konstruktionsregeln Durch die Unterteilung der verschiedenen Konstruktionsprinzipien in Regel- und Sonderbauweisen sollte dem Planer verdeutlicht werden, dass es erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Anforderungen an die Planung und an die Aufklärung über die Risiken der verschiedenen Bauweisen gibt. Dieser Sachverhalt wird leider auch im neuen Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen des DBV nicht in der Eindeutigkeit dargestellt wie es für die Praxis erforderlich wäre [K. Schöppel; G. Stenzel: buch2.indb 234 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 235 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten Regel- und Sonderbauweisen von Parkbauten und Tiefgaragen. In: Baurecht - eine anspruchsvolle Realwissenschaft - Festschrift für Dieter Kainz, Werner Verlag, ISBN: 978-3-5336-3]. 3.1 Regelbauweisen Die Regelbauweise stellt eine Bauweise dar, die der durchschnittliche Planer auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung bei der täglichen Arbeit beherrscht. Auch eine Regelbauweise birgt gewisse Risiken und bedarf einer sorgfältigen Planung, aber insgesamt weist sie gegenüber einer Sonderbauweise deutlich geringere Risiken auf. Die von Dr.-Ing. Klaus Schöppel und mir im Mai 2012 veröffentlichten Konstruktionsregeln wurden entsprechend fortgeschrieben, siehe folgendes Bild: 3.2 Regelbauweisen für Stützenfüße Die Ausführungsmöglichkeiten der im folgenden Bild dargestellten Stützenfüße entsprechen nach aktuellem Kenntnisstand den anerkannten Regeln der Technik, weil sie sich in der Praxis bewährt haben: buch2.indb 235 13.01.20 15: 40 236 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten 3.3 Regelbauweisen für Stapelparkergruben Gemäß DIN 1045 bzw. DIN EN 199211 wäre bei rissefreien Stapelparkergruben eine Ausführung in der Expositionsklasse XD3 ausreichend, weil der Fußboden von Fahrzeugen nicht direkt befahren wird. Weil in den Gruben aber häufig Wasser stehen bleibt und das Tropfwasser von den Plattformen direkt an die Außenwände läuft oder spritzt, bestehen in der Betondeckung von Stapelparkergruben die gleichen Umgebungs- und Feuchtebedingungen wie bei direkt befahrenen Fahrbahnplatten (wechselnd nass und trocken). Deshalb und weil eine regelmäßige Wartung und Reinigung nur sehr schwer möglich ist, ist zusätzlich zu einer Ausführung in der Expositionsklasse XD3 die Anordnung einer raumseitigen Schutzmaßnahme erforderlich, mindestens durch Ausführung einer Beschichtung. Der Fußboden benötigt ein Gefälle und eine planmäßige Entwässerung, die Stapelparker müssen auf Betonsockeln montiert werden, siehe RS1 und RS2: 3.4 Sonderbauweisen Eine Sonderbauweise erfordert ein besonderes Wissen hinsichtlich der Planung, der Ausschreibung, der Bauausführung, der Bauüberwachung und bezüglich der Aufklärung des Bauherrn und stellt somit automatisch eine besondere Leistung im Sinne der HOAI dar. Die Risiken bei der Bauausführung von Sonderbauweisen sind gegenüber einer Regelbauweise größer, weil bereits geringe Abweichungen von dem geplanten Soll-Zustand zu einer Mangelhaftigkeit des Bauteils führen können. Deshalb ergibt sich bei einer Sonderbauweise auch ein höherer Vergütungsanspruch des Planers. Im Folgenden sind die wichtigsten, nach derzeitigem Kenntnisstand sinnvoll möglichen, Sonderbauweisen dargestellt: Ungeschützte WUBodenplatten können nur dann ohne Schutzmaßnahme ausgeführt werden, wenn auf die WU-Bodenplatte ständiger Wasserdruck von unten wirkt und die Bodenplatte für die Standsicherheit nicht erforderlich ist. Für eine ausreichende Gebrauchsfähigkeit wird neben einer Rissbreitenbeschränkung auf 0,1 mm für Biegezwang in spätem Alter eine Verdoppelung der infolge von Wasserdruck statisch erforderlichen Bewehrung empfohlen, damit für 50 Jahre eine ausreichende Abnutzungsreserve besteht. Bei der Sonderbauweise 2 wurde die im aktuellen DBVMerkblatt beschriebene Möglichkeit aufgegriffen, buch2.indb 236 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 237 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten bei WU-Bodenplatten die in der Wasserwechselzone liegen, mit einer besonders sorgfältigen Ausführung eines Oberflächenschutzsystems OS 11a mit doppelter Grundierung (nachzuweisende Mindest-Oberflächenzugfestigkeit 2,0 N/ mm² des Betons) eine funktionierende Schutzmaßnahme zu erzielen. Oftmals wird von Planern bei WU-Bodenplatten eine für rückseitige Durchfeuchtung geeignete starre Beschichtung OS 8 als Schutzmaßnahme vorgeschlagen. Eine derartige starre Beschichtung stellt jedoch keinen dauerhaften Schutz dar, weil die Beschichtung im Bereich von Trenn- und Biegerissen ebenfalls reißt und die dafür erforderliche „begleitende Rissbehandlung“ im Regelfall für Eigentümer und Nutzer wegen des damit verbundenen Nutzungsausfalls unzumutbar ist. Gemäß den aktuellen Forschungsergebnissen erfordert ein aufgetretener Trennriss eine vollständige Verpressung des Risses, das Aufbringen einer dauerhaft elastischen Bandage und ein laufendes Monitoring. Die Tiefgarage wird dann zum Forschungs- und Entwicklungsobjekt. Weiterhin ist zu beachten, dass eine lange Einwirkungsdauer von alkalischem Wasser auf Epoxidharzbeschichtungen einen chemischen Angriff bedingen kann. Das folgende Bild zeigt einen Riss mit ausgefransten Rissufern im Bereich eines Oberflächenschutzsystems OS 8: Sonderbzw. Sparlösungen können selbstverständlich mit dem Bauherrn vertraglich vereinbart werden, solange die Mindestanforderungen der Technischen Baubestimmungen erfüllt werden oder eine Gleichwertigkeit im Sinne der Schutzziele der jeweiligen Länderbauordnungen erreicht wird. Dazu muss zu Planungsbeginn (spätestens in der Leistungsphase 2 der HOAI) der Bauherr über die Vor- und Nachteile der zur Diskussion stehenden Sonderbauweisen eindeutig aufgeklärt werden, was zum Beispiel bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft normalerweise nicht möglich ist, weil diese bei Planungsbeginn noch nicht existiert. In diesem Fall ist die gewählte Konstruktionsvariante einschließlich des Instandhaltungsplans im Kaufvertrag zu beschreiben. Eine Ausführung ohne Gefälle ist grundsätzlich als Sonderbauweise anzusehen, weil eine Gebrauchsfähigkeitseinschränkung durch Pfützenbildung besteht und die Verkehrssicherheit bei eventueller Eisbildung gefährdet ist. Außerdem wird die Dauerhaftigkeit negativ beeinflusst, weil chloridhaltiges Wasser nicht auf direktem Weg abgeführt wird, sondern lange auf den Beton einwirken kann. Die Varianten A1, A2 und B1 des aktuellen DBVMerkblatts Parkhäuser und Tiefgaragen Fassung Januar 2018 sind als Sonderbauweisen zu betrachten, weil sie sich insbesondere bei der heute üblichen Konstruktionspraxis mit großen Dehnfugenabständen in der Praxis nicht bewährt haben und dem Bauunternehmer bei der Arbeitsvorbereitung, Nachunternehmer- und Personalauswahl sowie der Bauausführung eine betontechnische Sorgfalt abverlangen, wie sie heute nicht mehr als allgemein vorhanden vorausgesetzt werden kann. Darüber hinaus erfordert die Bauüberwachung überdurchschnittliche betontechnologische und ausführungstechnische Kenntnisse des Planers sowie im Terminplan vorgesehene, witterungsbedingte Zeitpuffer bei einer Ausführung unter freiem Himmel. Auch Sonderbauweisen müssen die Mindestanforderungen der Technischen Baubestimmungen (TB, MVV TB, BayTB, HVV TB, VwV TB, …, vormals: Eingeführte Technische Baubestimmungen ETB) erfüllen, können aber von der allgemein zu erwartenden Beschaffenheit teilweise abweichen. Planungen von Sonderbauweisen und die Anfertigung von Wartungs- und Instandhaltungsplänen sind als besondere Leistungen gemäß HOAI zusätzlich zu honorieren. Falls der Bauherr eine Sonderbauweise wünscht, ist der Bauherr vom Planer auf den gegebenenfalls höheren Instandhaltungsaufwand und die geringere Dauerhaftigkeit und Werthaltigkeit der Immobilie eindeutig und nachvollziehbar hinzuweisen. 4. Folgerungen Bei der Planung und Ausführung eines hochwertigen Parkhauses beziehungsweise einer hochwertigen Tiefgarage ist üblicherweise der Instandhaltungsaufwand gering um eine Mindestlebensdauer von 50 Jahren und eine für Parkbauten übliche Dauerhaftigkeit und Funktionstauglichkeit sicherzustellen. buch2.indb 237 13.01.20 15: 40 238 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten buch2.indb 238 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 239 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten Werden Sonder- oder Sparlösungen gewählt, so ist mit Einschränkungen bei der Funktionstauglichkeit und bei der Dauerhaftigkeit zu rechnen. Um die angestrebte Mindestlebensdauer von 50 Jahren zu erreichen, können aufwändige Wartungs-, Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten vorzeitig erforderlich werden. Eine regelmäßige NassReinigung der Parkbauten (mindestens 1 x pro Jahr nach dem Winter) ist bei Regelbauweisen und Sonderbauweisen gleichermaßen unverzichtbar, um abgelagerte Tausalzreste (und Müll) zu entfernen. Ist jedoch eine intensive Instandhaltung infolge des gewählten Konstruktionsprinzips erforderlich, dann ist der Parkbau zusätzlich vor Einbruch des Winters zu reinigen um eventuell vorhandene Schadstellen im Bereich der Schutzmaßnahmen vor dem Winter instandsetzen zu können. Eine regelmäßige Überprüfung der Standsicherheit von Parkbauten entsprechend der VDI-Richtlinie 6200 wird dringend empfohlen. Gute Pflege und Instandhaltung von Parkbauten dienen nicht nur dazu die Bauwerkssicherheit zu erhalten, sondern sie gewährleisten auch einen reibungslosen und wirtschaftlichen Parkbetrieb. Objekt- und Tragwerksplaner seien daran erinnert, dass sie den Erfolg ihrer Planungsleistung schulden. („Der beauftragte Planer … trägt allein das Risiko der Auswahl der Konstruktion … Dieses Risiko kann er nicht auf seinen Auftraggeber verlagern, indem er diesen vor der Ausführung in seine Planungsüberlegungen einbezieht und seine Zustimmung einholt. Denn diese Zustimmung steht zumindest stillschweigend unter der Bedingung des Gelingens.“ Siehe auch: OLG Celle, Urteil vom 15.02.2017, 7 U 72/ 16) Der Planungserfolg besteht nicht darin, Normen, Richtlinien und Merkblätter stur anzuwenden, sondern unter Berücksichtigung der zu erwartenden Lebenszykluskosten dem Bauherrn und dem Bauunternehmer die Errichtung eines hochwertigen, mangelfreien und auf Dauer funktionstauglichen Bauwerks zu ermöglichen. buch2.indb 239 13.01.20 15: 40 buch2.indb 240 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 241 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien Alexander Biffl Werner Consult ZT-GmbH, Wien-München-Bratislava, Österreich (www.wernerconsult.at) Bauherr: „Neuer Markt Garagenerrichtungs- und Betriebs GmbH“, eine Gesellschaft der „Best in Parking - Holding AG“ (www. bestinparking.com) Zusammenfassung Bauwerke im dicht verbauten Innenstadtgebiet stellen sehr hohe Anforderungen an die Planung und Ausführung. Insbesondere dann, wenn sie im öffentlichen Strassenbereich liegen, der grundsätzlich für andere Nutzungen vorgesehen ist. Die notwendigen Funktionen für die Garage, wie Ein- und Ausfahrt, Lüftungen und Zugänge sind im engen Kontext zur Oberfläche anzulegen und den denkmalpflegerischen Randbedingungen anzupassen. Risiken der Herstellung sind durch intensive Vorplanungen möglichst einzugrenzen bzw. einschätzbar zu machen. Trotz aller Vor- und Umsicht ist immer wieder mit Unwegbarkeiten, unbekannten Hindernissen und Einflüssen der Umwelt und des Umfeldes zu rechnen. Diese erfordern einerseits eine genaue Planung, welche auch in der Ausführungsphase rasch auf notwendige Veränderungen reagieren kann. Dazu hilft neben entsprechend erfahrenen Planern auch eine BIM-orientierte 3D-Konstruktion. Eine hohe Flexibilität während der Ausführung setzt vor allem eine gut strukturierte Zeitplanung mit möglichen Alternativen voraus. Alldas ist nur in einem Umfeld möglich, welches das gemeinsame Ziel einer raschen und zuverlässigen Realisierung in den Vordergrund stellt. 1. Lage und Umfeld des Projektes 1.1 Geographische Lage Der “Neue Markt” liegt im Kern der Stadt Wien hinter der Wiener Staatsoper. Die Zufahrt erfolgt von der Wiener Ringstrasse über einige Nebenstrassen. Am Platz bildet der “Providentiabrunnen” von Raphael Donner (daher auch “Donnerbrunnen” genannt) das Zentrum. Gesäumt wird diese ca. 4.000m² große Freifläche von historischen Gebäuden aus dem 17. bis 20. Jhdt., welche alle unter Denkmalschutz stehen. Bild 1: Lageplan 1.2 Politische Lage Der Projektstandort wurde im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung durch die Stadt Wien im Jahr 2001 ausgeschrieben. Die “Neuer Markt Garagenerrichtungs- und Betriebsgesellschaft” hat diese Ausschreibung gewonnen. Bis zur heute vorliegenden Planung sind jedoch bereits mehrere Projektvarianten durchdiskutiert worden. Im Jahr 2012 wurde im Zuge einer parteipolitischen Pattstellung eine Volksbefragung durchgeführt, die eine eindeutige Zustimmung ergab. Erst danach konnte die Projektierung mit einer breiten und konstruktiven Unterstützung aller Beteiligter und Betroffenen weitergeführt werden. Notwendige Verträge mit Anrainern und Vereinbarungen mit den Gewerbetreibenden wurden daraufhin geschlossen; die Dienststellen der Stadt Wien (U-Bahn, Verkehrsabteilung, Statik und Grundbau, Sparten) sind gemeinsam mit dem Projektteam in die Detaillierung des Projektes eingstiegen. 1.3 Gestaltung der Oberfläche Die Nutzung des neuen “Neuen Marktes” wird vordergründig den Fußgängern zur Verfügung stehen. Die parallel laufende Kärntner Strasse als luxuriöse Einkaufsmeile ist bereits eine Fußgängerzone. Der Neue Markt buch2.indb 241 13.01.20 15: 40 242 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien soll diese erweitern und Menschen zum Verweilen einladen. Eine notwendige Busverbindung wird einspurig über einen Teil des Platzes geführt. Bild 2: Oberfläche Diesem Konzept folgend ist eine Pflasterung aus Granitstein die Vorgabe der Stadt. Das Garagenbauwerk soll nicht mehr als notwendig in Erscheinung treten. Treppenhäuser dürfen nicht die Blickachsen am Platz stören. Ein- und Ausfahrt am Platz sind nicht gestattet. Bild 3: Steinmusterverlegeplan Am geplanten Steinmuster sollen sich auch alle Deckel von Einbauten (= Sparten) orientieren. Zumeist läßt sich das auch realisieren. Die Entwässerungspunkte müssen genau sitzen, wobei die Schächte z.T. heute gebaut werden, aber der Steinbelag erst in 3 Jahren folgt. Den gestaltenden Gremien ist manchmal allerdings schwer erklärbar, dass die Fläche, deren Nutzung in den nächsten 2 Jahren entschieden wird, heute in ihrem Aussehen bereits fixiert ist. 1.4 Gewerbe und Anrainer: Da es sich um einen der teuersten Stadtteile handelt, ist die Einbindung der Kaufleute und Anrainer eine Grundbedingung für eine Realisierung des Bauwerkes. Die grundsätzliche Zustimmung im Vorfeld war durch die qualitative Aufwertung der Oberfläche und die neu zu schaffenden Stellplätze relativ leicht zu erwirken. Dass aber im Detail noch jede Menge Hindernisse einer tatsächlichen Zustimmung entgegenstehen wird an späterer Stelle rasch klar. Maßgeblichen Einfluss auf den Bauablauf haben 2 Hotels (24h/ 7d-An- und Abreise am Markt), der Verein der Kaufleute (Zugangsbedingungen, Freihaltungen vor den Lokalen, Wegigkeiten über die Baustelle) und einzelne Anrainerhäuser, die besondere Funktionen beinhalten sollen (z.B.: Betriebslüftung, etc.) Die Hotelzufahrten kreuzen nicht nur den unmittelbaren Baubereich - und haben damit dauernden Einfluss auf die Bauabfolge - sondern beeinflussen auch die Zu- und Abtransporte wehement. Nach der Herstellung des obersten Deckels werden die Transporte größtenteils unterhalb der “Hotelbrücke” oder über den Kranbetrieb abgewickelt. Dieser Kranbetrieb hat aber zur Folge, dass die Brücke im Schwenkbereich wieder gegen herabfallende Teile zu schützen ist. Dies wird durch einen lokalen Schutztunnel erreicht. Bild 4: Querung Hotels Weiters ist im öffentlichen Bereich auch erhöhte Vorsorge für allgemeine Noteinsätze zu treffen. Damit sind Feuerwehraufstellplätze so zu definieren, dass eine Notanleiterung an allen anliegenden Fenstern möglich ist. Ist dies in Teilbereichen nicht möglich, so sind gleichwertige Ersatzmaßnahmen zu treffen. In unserem Fall waren 2 Fenster zu bestimmten Bauzeiten nicht erreichbar. Dafür konnte Ersatz mit eine Notkons-truktion über die Verbindung mehrerer Häuser in Dachbereichen eines Innenhofes erreicht werden. buch2.indb 242 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 243 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien Natürlich sind auch die Zufahrten zu Bestandsgaragen aufrecht zu erhalten. Schwierig wird das im gegenständlichen Projekt zeitweise im Bereich der allgemeinen Baustellenzufahrt, die beim Hauptaushub und paralleler Betonage alle 3-4 Minuten LKW in beide Richtungen durchbringen muss. Bild 5: Garagenzufahrt - Bestandsgarage Einige Liegenschaften haben den bevorstehenden Garagenbau gleich zur Sanierung genutzt, sodass mehrere Randbaustellen noch zu berücksichtigen sind. Der Neue Markt ist auch touristisch ein zentraler Punkt für Stadtführungen. Viele davon führen von der Albertina (Kunstausstellungen) über die Kaisergruft (am Neuer Markt) und weiter zum Stephansdom. Die Baustelle wird also von mehreren Hunderttausend Touristen jährlich gequert. Entsprechend attraktive Wegigkeiten und Absicherungen sind die notwendige Folge. Bild 6: Wege um die Baustelle 1.5 Unter der Erde: Ein Blick unter die Erde ist im öffentlichen Strassenbereich immer eine Offenbarung. Anordnung, Verlauf und Qualität der einzelnen Einbauten (=Sparten) stellen zumindest eine Herausforderung für das Projekt dar. In diesem Fall sind nahezu alle Einbauten, welche in Wien gelistet sind, vertreten. Bild 7: Einbauten Südecke - Grundriss Um bei dieser Dichte eine Planungssicherheit zu haben, brauchen wir eine 3D-Planung mit allen Höhenlagen und jeweiligen Rohrqualitäten. Der große Vorteil des “Planens mit Bausteinen” ist, dass jede Veränderung automatisch in allen Plandarstellungen nachgeführt wird. Allerdings gehen nicht referenzierte Eigenschaften verloren. Daher entbindet es den Konstrukteur nicht einer Kontrolle der Unterlagen nach einer Änderung. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit einer Kollisionsprüfung, d.h.: Überschneidungen von Körpern können erkannt und behoben werden. Bild 8: Einbauten Südecke - 3D-Darstellung buch2.indb 243 13.01.20 15: 40 244 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien Der Brunnen ist eine historische Anlage des 19.Jhdt. Die Höhe und Lage des Brunnen sind aus Denkmal-schutzgründen unverändert zu lassen. Damit ergibt sich einer der vielen Zwangspunkte für den Garagenkörper. Unter dem Brunnen wurde damals schon eine “Brunnenstube” mit der notwendigen Technik zur Wasserversorgung und -ableitung errichtet. Die Funktionen sind natürlich nach Fertigstellung wieder zur Verfügung zu stellen. Bild 9: Brunnen mit Technikraum Ein weiterer Schritt in die Tiefe (ca. 3-10m unter GOK) fördert eine Vielzahl von Kellern unter der Strasse zutage. Ein für Wien typisches Phänomen, welches u.a. durch die Türkenbelagerungen begründet ist. Zum Schutz wurden unterirdische Verbindungsgänge zwischen den Häusern errichtet, die später zu Kellern mit Größen bis zu 200m² ausgebaut wurden. Pläne und Kenntnisse darüber sind sehr unterschiedlich. Teilweise verschüttete Bereiche und zugemauerte Türen lassen auf weitere Räumlichkeiten schließen. Dieser Punkt ist einer der maßgeblichen Risiken, die es einzuschätzen gilt, da die Keller zwar abgebrochen werden dürfen, aber zuvor archäologisch aufzunehmen sind. Bild 10: Auszug Kellerbestand (nur der bekannte Teil) Knapp unterhalb der Garage (ca. 20m unter GOK) liegt die U-Bahn-Linie U1. Die Tunnel mit zugehörigem Sicherheitsraum begrenzen das Bauwerk nach unten. Bild 11: U-Bahn-Röhren Die Vielzahl der Einflüsse auf engstem Raum und deren gegenseitige Abhängigkeit ist nurmehr mit einer 3-dimensionalen Planung überschaubar. Diverseste Abstände, Bögen, Bauzustände, Dichtheits- und Belastungsanforderungen sind zu jedem Zeitpunkt des Projektes und im Bau zu prüfen. Ganz besonders rasch müssen allfällige Abweichungen zwischen den bekannt gegebenen Solllagen und dem erkundeten IST-Zustand geprüft werden und Auswirkungen erkennbar sein. 2. Projektspezifika: Ein paar Daten vorab: 364 PKW-Stellplätze, 39 Einspurige in 4 Untergeschoßen, 2 Lifte in 3 Treppenhäusern. Je 2 Ein- und Ausfahrtsschranken. 2.1 Baukörperentwicklung: Die Baukörperentwicklung orientierte sich an den Möglichkeiten und Randbedingungen, wobei immer der Fokus auf einer idealtypischen Form gelegen hat. Die kompakteste Form wäre ein 2-schiffiger Raum mit Endwendeln zur raschen Erschließung/ Räumung. Damit wird die Umschließungslänge gering gehalten und die Beschickung kann bei einer 90°-Aufstellung auch in beiden Richtungen erfolgen. Aufgrund von Anrainereingaben war diese optimale Form nicht realisierbar. Die nächstbeste Form unter den gegebenen Umständen ist ein 1-schiffiger Baukörper. Bild 12: realisierbarer Baukörper Nachteil: Der Anteil der Umschließungswände mit ca. 300m Länge ist sehr groß. buch2.indb 244 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 245 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien Vorteil: Es sind weniger Keller zu berücksichtigen und für die Einbauten ist mehr Platz. Der Querschnitt zeigt die geringe Variabilitätsmöglichkeit in der Höhe. Oberhalb der Garage sind mindestens 80cm Deckung einzuhalten, wobei dieser Wert bereits eine Sonderregelung darstellt. Normalerweise ist ein Abstand von mind. 1,80m für Rohrleitungen strikt freizuhalten. Zu jeder U-Bahn-Röhre ist ein radialer statischer Sicherheitsraum von mind. einem Tunneldurchmesser vorgeschrieben. Auch dieser Wert ist aber bereits durch den Statiker der U-Bahn geprüft und freigegeben. Normalerweise kann das Eisenbahnunternehmen bei jeder möglichen Beeinflussung ein eigenes eisenbahnrechtliches Verfahren anstrengen. (Bei einer vorgezogenen Einbautenumlegung wurde dies auch durch einen jungen und eifrigen Beamten versucht, aber es oblag uns als Objektplaner nachzuweisen, dass eine Kabelumlegung mit 1,2m Tiefe und 19m über dem Tunnel KEINE Auswirkungen auf die Anlagen der U-Bahn hat! ) Bild 13: Querschnitt mit begrenzenden Elementen 2.2 Ein- und Ausfahrt: Die Entwicklung der Ein- und Ausfahrten hat sich im Laufe der Projektentwicklung mehrfach an unterschied-liche Randbedingungen und Schwierigkeiten anpassen müssen. Neben den notwendigen Fahrspuren an der Oberfläche sind auch Bedingungen der Schall- und Abluftgrenzwerte ausschlaggebend für die endgültige Wahl der Standorte. Bild 14: Lage Ein- und Ausfahrtsrampen Randbedingungen seitens der Stadt Wien: - Eine Überbauung der Rampen ist nicht erlaubt. Die Durchsicht auf den historischen Marktplatz darf nicht eingeschränkt werden. - Eine Fahrspur muss an den Rampen vorbeigeführt werden. Zur Erfüllung des Schallschutzes wurde max. eine Glasscheibe entlang der Einfahrt erlaubt. Bild 15: Überdachung Rampe max. 1,0m Weil die Ausfahrt gegen die bestehende Einbahn läuft, ist die Verkehrsorganisation auf dem gesamten Vorplatz neu auszurichten. Dies ist genau ein touristischer Verkehrsknotenpunkt, an dem jährlich ca. 1 mio Menschen von der Wiener Staatsoper oder Albertina Richtung Stephansdom pilgern. Alle touristischen Beförderungsmittel sind an diesem Punkt fix installiert und müssen großteils umorganisiert werden. Bild 16: Vorplatz aus Richtung Ausfahrt 2.3 Ein- und Ausgänge: Die fußläufige Erschließung stellt in diesem Fall noch eines der geringeren Probleme dar. Glasaufbauten sind heute schon Standard. Die Lage am Platz ist möglichst nahe an die Hausfassaden zu legen. Das mittlere Treppenhaus nutzt den bestehenden Gebäuderücksprung und verschwindet nahezu hinter der Fassadenlinie. buch2.indb 245 13.01.20 15: 40 246 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien 2.4 U-Bahn-Bauwerk: Im Bereich der Auffahrtswendel liegt ein Bestandsgebäude der U-Bahn mit Notausstieg, Rettungskran und Lüftungsanlagen. Dass diese Funktionen permanent in Betrieb sein müssen, ist eine zwingende Randbedingung. Lösungsansatz: Die Halbwendel wird vorab mit all den Funktionen fertig gebaut und in Betrieb genommen, bevor der Bestand abgebrochen wird. Bild 17: Wendel Süd mit U-Bahn-Gebäude Teile des neuen Treppenhauses müssen in den Bestand im UG05 bereits vorab eingebaut werden. Material dazu muss über die Treppen hinuntergebracht werden. Für den Einbau der Ventilatore ist vorab im Bestand die darüber liegende Decke als Trümmerschutz einzu-bauen. Die bereits vorhandenen neuen Ventilatore müssen seitlich eingeschoben werden und nach Inbetriebnahme können die Bestandsventilatore erst ausgebaut und die restliche Decke ergänzt werden. Die Auslegung der Rüstung und Schalung ist im Detail an die Standorte der neuen und alten Geräte (z.B.: Schaltschränke, Leitungen) nach Naturmaß anzupassen. Bild 18: Grenze Genehmigungsverfahren Getrennte Verfahren: Rechtlich ist die U-Bahn eine Eisenbahnanlage. Daher ist ein eigenes Genehmigungsverfahren zu führen, bei dem zum Teil andere Gutachten beizubringen sind und verschiedene Sachverständige nach unterschiedlichen Kriterien und Regelwerken urteilen. Im Überschneidungsbereich sind beide Regeln einzuhalten. (z.B.: Die Schleusentüren müssen jeweils EI2 90CSm anstelle EI2 30CSm ausgeführt werden.) 3. Garagentypische Lösungen Im Bereich der Garage gibt es natürlich die üblichen Lösungen für Details. Einige Ansätze sind sicher bekannt, wobei auch hier sich die Bauumstände wider-spiegeln. 3.1 Rampenbelag: Als Rampenbelag außerhalb der Rolltore ist derzeit Asphalt geplant, da man Bautoleranzen besser angleichen kann. Alternativ ist auch ein Spritzfolienbelag aus Polyurea mit einer hochabriebfesten Abstreuung in Prüfung; dieser ist auch resistent gegen UV-Strahlung und unempfindlich gegen mechanische Reinigung. Jedenfalls von Vorteil wäre die oben liegende Entwässerungsebene. Bei einer Ablaufrinne im Übergangsbereich zu einer Asphaltschichte ist zu beachten, dass die Rinne einen Versatz in der Dichtschichte haben muss und ausreichend breit (mind. 30cm Gitterrostbreite) ist gegen Überlaufen bei Starkregen. Alle Rinnen werden nachträglich in die Betonaussparungen eingesetzt und genau eingepasst. Der Verguß erfolgt mit dichtem Kunstharz. Jede Rinne ist an das Kanalsystem angeschlossen. Bild 19: Rinne Übergang Asphalt - Beschichtung Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass die Abdichtung unter der Asphaltebene korrekt entwässert wird! Die meisten Hersteller bieten daher schon seitlich geschlitzte Rinnen an. Was mir in den Prospekten allerdings abgeht, sind Darstellungen, bei denen der Asphaltanschluss sauber in die Tiefe geführt wird, sodass eine vollständige Entwässerung erfolgt. Die meisten Bilder zeigen Rinnen auf dem Konstruktionsbeton mit einer Hochführung des Abdichtungsanschlusses. Damit wird eine planmäßige Wassermulde von einigen cm erzeugt, die im Frostfall zum Aufbrechen des Asphaltanschlusses führen kann. Das ist nicht das Ziel. buch2.indb 246 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 247 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien Bild 20: Hochführung Asphaltanschluss 3.2 Garagenbelag: In der Garage wird ein hoch verschleißfestes und europaweit patentiertes Polyurea-Spritzfoliensystem mit einer Deckversiegelung aus Polyaspartic, „Flexiskin Grip“ Patent NR EP3239399A1 gemäß den Anforderungen der OS 10 eingebaut. Mit diesem System ist es möglich eine Dichte Wanne als begeh- und befahrbare Abdichtung in den gesamten Ebenen der Parkgarage herzustellen. Dieses patentierte OS10 System ist zusätzlich zu der standardisierten dynamischen Rissüberbrückung EN 1062-7,B4.2 von 0,40 mm auf 1,00mm dynamisch bei -20°C geprüft. Auf Grund dieser erweiterten Prüfung und der technischen Reserven des patentierten Polyurea-Beschichtungssystems können die Entwässerungsrinnen, welche in Beton geformt sind, naht und fugenlos ausgebildet werden und es kann auf jegliche Bandagierung und Gewebeeinlagen bei den Stößen, Anschlüssen und Hochzügen verzichtet werden. Auch die Anbindungen zu den Entwässerungsgullys werden einfacher und sicherer. Durch den Verzicht dieser Bandagierungen ist ein unterlaufen dieser ausgeschlossen.(nachhaltige Gewährleistungsschäden) Bild 21: Formbrett für Rinnen in Beton In den Wendelrampen wird ebenfalls der Spritzfolien Belag aus Polyurea mit einer hochabriebfesten Abstreung aus einem synhtetischen Abstreukorn (Chromerzschlacke ) eingesetzt Eventuelle Schwindprozesse und spätere einzelne Spätrissbildungen können auf Grund der hohen dynamischen Rissüberbrückung von 1,00 mm vernachlässigt werden (im Bereich der lokalen Arbeitsfugen). Um eine nachhaltige und sehr lange Nutzungsdauer in den Bereichen der Wendelübergänge zu den Geschossen zu bekommen, werden diese mit einer doppelten der Deckschichte aus Polyaspartic ausgeführt (größter Drillkrafteintrag). 3.3 Dehnfugen: Reine Dehnfugen sind im Bauwerk nicht vorgesehen. Der Anschluss zwischen Ein-/ Ausfahrtsrampe und Garagenbaukörper ist gleichzeitig auch eine Schalltrennfuge (siehe 4.1). 3.4 Wohin mit der Luft? Zuluft und Brandrauchlüftung sind in der Regel weniger das Problem, weil sie zumeist auch über bodenebene Gitte rein- oder ausgeblasen werden dürfen. Die Abluft der Garage unterliegt allerdings strengen Regeln hinsichtlich der Beeinträchtigung der Anrainer. Im innerstädtischen Bereich ist nahezu immer eine Ausblasung über Dach vorgeschrieben. Der Platz selbst ist nicht geeignet. Entlang der historischen Fassaden verhindert der Denkmalschutz Lüftungskanäle. Bleiben - in diesem Fall - nur die Innenhöfe als Option. Hier wurden alle Lichthöfe, Innenhöfe, bestehenden Lüftungsschächte untersucht. Da aber der Raum in der Innenstadt besonders kostbar und wertvoll ist, werden die unteren Geschoße tunlichst verbaut und nutzbar gemacht. Eine Durchführung durch diverse Geschäfte, Treppenhäuser oder andere hochwertige Nutzungen ist kaum möglich. Gefunden wurde schließ-lich ein Innenhof neben der Einfahrt. Daraus ergibt sich ab dem Ventilator im Garagenkörper eine Ausblasestrecke von mehr als 150m unter der Ausfahrtsrampe mit einer Minierung in den Innenhof und einem mehr als 30m hohen Stahlrohr, welches mit der Fassade nur durch schalldämpfende Befestigungen verbunden wird. Aufgrund der buch2.indb 247 13.01.20 15: 40 248 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien Dachgärten muss die Ausblase-geschwindigkeit so hoch sein, dass eine mind. 8m hohe “stehende Säule” simuliert wird. (d.h. die Anrainer dürfen auch bei Niederdruckwetter nicht beeinträchtigt werden). Bild 22: Lüftungsrohr mit Hauskanalsituation Die Rohrführung hat sich den Belichtungsverhältnissen, den Leitungen und den Kellernutzungen selbstverständlich anzupassen. Aufpassen muss man bei so langen Leitungen jedenfalls auch auf Kondensatbildungen im Rohr. 4. Besondere Lösungen 4.1 Schalltrennung (Körperschall): Die U-Bahn fährt in einer Tiefe von ca. 30m unter Gelände. Dorthin führen mit großer Wahrscheinlichkeit auch keine Fundamente der Häuser. Jedenfalls sind keine Schwingungen durch den U-Bahn-Betrieb bekannt. Die Garage verbindet nun über den Notausstieg und die abgebrochenen Kellerteile die Häuser mit dem Tunnel. Die alten Keller sind zu einem guten Teil nicht bekannt, verschüttet oder im Zuge der Pfahlherstellung einfach nicht sicher zu trennen. Daher hat man sich entschlossen, die gesamte Südwendel mit den U-Bahn-Bauwerk vom Garagenkörper und vom Rampenbauwerk zu trennen. Das heißt: keine feste Verbindung an der gesamten Fuge inklusive Außenwand! Die Decken sind nicht problematisch, da es hierfür standarisierte Lösungen gibt. Kompliziert ist die Trennung der Bodenplatte und die Betonsäulen zwischen den Bohrpfählen. Bild 23: Schalltrennung der Spritzbetonsäulen Im gegenständlichen Fall werden die Zwischenräume der Pfähle zuerst mit einer Spritzbetonschale gegen Erdreich gesichert und dann eine Betonsäule nochmals mit Spritzbeton-bewehrt als Tragelement eingebracht. Jede der Schichten ist für sich sauber an der Fuge zu trennen. Die Tragsäulen sind durch eine druckfeste Schalltrennlage getrennt. Bild 24: Schalltrennung der obersten Decke und BGS Bild 25: Schalltrennung der Bodenplatte buch2.indb 248 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 249 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien 4.2 Elektrische Trennung (Potentialtrennung): Die Wiener U-Bahn fährt mit Gleichstrom. Daher liegt die U-Bahn-Anlagen auf einem eigenen Potential. Der Rest von Wien verwendet (wie üblich) Wechselstrom. Es darf daher keine elektrische Verbindung zwischen den Bauteilen geben. Lösungsansätze: GFK-Bewehrungen bis 2m an die Verbindungsstellen, Trennfolien bei den Deckenauflagern. Dies gilt auch für alle Übergänge der Ausbauelemente (z.B. Fluchtwegswechsel, Geländer, Leitungen). Bild 26: Elektrische Trennung vom U-Bahn-Potential Da das Treppenhaus sowohl Fluchtweg für die Garage als auch für die U-Bahn ist, werden 2 getrennte Sicherheitsbeleuchtungssysteme angebracht. Das System der U-Bahn darf oberhalb der Trennlinie aber nur mehr mit nichtleitenden Dübeln befestigt werden. Der Boden wird im Trennbereich durch eine 2m lange Gummimatte getrennt. Bild 27: Elektrische Trennung im Bodenbereich Es ist bei jeder Wand und jedem Auflager genau zu überlegen, welchem System die Bauteile zuzuordnen sind. So kann auch eine neugebaute Wand dem U-Bahn-Potential zugeordnet sein. Daher kann auch nicht mit der einfachen Anordnung “Alles Neue ist zu trennen” gearbeitet werden, wodurch ein sehr hoher Aufwand in der Planung und genaues Verständnis beim Ausführenden verlangt wird. Bild 28: Trennpunkte im Grundriss UG05 Auch während des Baues sind die einzelnen Bauphasen zu prüfen und ggf. auch temporäre Maßnahmen zu setzen. Die Bauteile mit U-Bahn-Potential unterliegen auch hinsichtlich der Erdung eigenen Vorschriften (z.B.: mind. 10% der Bewehrung muss mit verschweißten Banderdern verbunden sein). Diese Ausführungen werden auch zusätzlich durch einen eigenen Sachverständigen der U-Bahn überprüft. 4.3 Waschplatz: Eine moderne Garage soll gerade im Innenstadtbereich auch zusätzlichen Komfort anbieten können. Für eine automatische Waschanlage fehlt die notwendige Höhe. Außerdem sind mit diesen Anlagen hohe Umweltanforderungen verbunden. Der Bauherr hat entschieden, dass eine Nische neben dem Kontrollraum für eine Trockenreinigung vorgesehen werden soll. Diese wird jedoch im ersten Schritt nicht fertig hergestellt, sondern “nur” als Option vorbereitet. Diese Vorbereitung setzt allerdings bereits voraus, alle notwendigen Änderungen so zu planen, dass später der Betonbau nicht mehr angegriffen werden muss. buch2.indb 249 13.01.20 15: 40 250 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien Bild 29: möglicher Waschplatzbereich (Ziegelmauern rot) Im österreichischen Gewerberecht sind Betriebe baulich voneinander so zu trennen, sodass der Waschplatz jedenfalls versperrbar und brandschutztechnisch separiert ist. Dazu ist ein eigener Aufenthaltsbereich zu schaffen. Die zugehörigen Abwasserreinigungsanlagen werden im Geschoß darunter untergebracht. Damit sind z.B. die Entwässerungspunkte in diesem Bereich für beide Situationen auszuführen. Das Brandschutztor wird in der Neigung liegen.Das bedingt eine notwendige Rinne davor. Ohne Tor erscheint diese Rinne sinnlos. Ein späterer Einbau würde allerdings Maßnahmen im Bodenbereich bedeuten,welche unter Vollbetrieb einen erheblichen Störfaktor darstellen (Änderung der Deckenkonstruktion, neue Ablaufsituationen) und vermeidbar sind. Bild 30: Maßnahmen zur Realisierung Waschplatz Wichtig ist auch die Überlegung der künftigen Wandstellungen. Wände, welche später abgetragen werden müssen, dürfen von vornherein nicht zur Lastableitung oder in anderer Weise statisch herangezogen werden. Die Ausführung als gemauerte Wände ist nicht nur für den Planer und Statiker der stetige Hinweis, sondern erleichtert auch den schonenden und relativ leisen Abbruch unter Betrieb. 4.4 Umschließung: Üblicherweise sind Tiefgaragen mit mehreren Geschoßen durch Schlitzwände oder Bohrpfähle umschlossen. Die Begleitumstände hier - insbesondere die vorgeschriebene erschütterungsarme Bauweise wegen des Denkmalschutzes - haben die Wahl auf Bohrpfähle fallen lassen. Auch deshalb, da bei zu erwartenden Hindernisse (Keller, Altfundamente) die Bohrpfähle flexibler sind als Schlitzwandelemente. Der Grundwasserstand liegt ca. in Höhe der Bodenplatte (-15m unter GOK). Es wurde eine aufgelöste Pfahlwand gewählt. Die Zwischenräume werden mit Spritzbeton bewehrt gefüllt. Eine Vorsatzschale ist nicht vorgesehen. Der Spritzbeton zwischen den Pfählen (=Zwickelsäulen) hat auch eine wesentliche Rolle bei der Lastumlagerung (siehe Bauablauf Pkt. 5.1). Bild 31: Bohrpfähle und “Zwickelstützen” 4.5 Hotelzufahrten: Auf dem Platz befinden sich 2 Hotels, welche an der Ostseite liegen. Die dauernde Zu- und Abfahrt ist zu gewährleisten. Randbedingung: Die angrenzende Kärntner Strasse it Fußgängerzone und daher nur bis 10.30 Uhr mit PKW zu befahren. Eine Ausnahmegenehmigung erteilt die Stadt Wien nicht. Die Zu- und Abfahrten sind daher dauernd über die Baustelle zu führen. Während der Einbautenumlegungen (Verlegung der Sparten) und der Pfahlbohrungen mußte die Fahrverbindung oft mehrmals pro Tag verändert werden. Bild 32: Querung für Hotels: tägliche Änderung buch2.indb 250 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 251 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien Dass diese Lösung zu einem erheblichen Mehraufwand in der Baustellenlogistik erfordert und die Bauzäune permanent geöffnet und wieder geschlossen werden müssen, trägt nicht gerade zu einem optimal schnellen Arbeitsfortschritt bei. Außerdem ist ein erhöhter Aufwand bei der Reinigung der Verkehrswege notwendig, weil der querende Bauverkehr immer wieder Schmutz in den öffentlichen Bereich einträgt. Baulich wird ein Deckenfeld für die Hotelzufahrt und zusätzliche Abstellplätze zum Be- und Entladen der Fahrzeuge vorgerichtet. Die Querung im Baufeld erfordert zusätzliche Sicherungsmaßnahmen: 1. Schrankenanlage ab dem Baustellenbeginn mit ferngesteuerter Öffnung durch die Hotelrezeptionen 2. Schutztunnel im Kranschwenkbereich 4.6 Querungen von Einbauten (= Sparten) im Baufeld: Die parallel laufende Kärntner Strasse ist als Touristenmeile für große Versorgungsleitungen eher ungeeignet. Besser ist es daher, diese Hauptleitungen über die nächsten Strassen zu führen. Glücklicherweise ist der Neue Markt gleich daneben, womit so gut wie alle Einbautenträger ihre großen Leitungen dort mehr oder weniger schön gleichmäßig am Platz verteilt hatten. Eine Verlegung in die nächsten Seitengassen war nicht möglich, da diese besonders schmal sind und nicht geradlinig durch die Stadt führen. Daher blieb nur die Verlegung aus dem unmittelbaren Baufeld an den Rand des Platzes. Bild 33: Einbauten am Rand, Querungen im Baufeld Für mehrere Trassen müssen Querungen über das Baufeld hergerichtet werden. Überlegt wurden einerseits Überbrückungen mit großen Trägern und andererseits vorgerichtete Deckenteile. In der Detaillierung des Bauablaufes sind beide Möglichkeiten lange offen geblieben, da sich der Bauablauf sehr flexible gestaltet. Schlussendlich ist die Wahl auf die vorgezogenen Deckenteile gefallen, weil sich der Mehraufwand ge-ring halten läßt und im Ablauf diese Baufolge als passend dargestellt hat. Bild 34: Fernwärmequerung im Baufeld Garage 5. Bauablauf 5.1 Statische Ablaufparameter: Die übliche Bauabfolge für Tiefgaragen unter öffentlichen Bereichen besteht aus: Umschließungswände, oberste Decke, Aushub und geschoßweiser Einbau der Decken und Bodenplatte. Dieser bewährten Methode sollte auch hier gefolgt werden - mit Ausnahmen! U-Bahntunnel darf sich nicht stark heben: Der U-Bahn-Tunnel besteht aus Stahltübbingen (Stahlringe), welche durch Bleifugen gegen Wassereintritt abgedichtet sind. Bei der Herstellung wurde ein DSV- Schirm zur Abdichtung verwendet, der heute noch eine gewisse Längsaussteifung darstellt. Die Stahlelemente selbst wirken aber wie eine Gliederkette. Bild 35: Tübbing Daraus ergeben sich Randbedingungen derart, dass die Entlastungen ab dem 3.UG möglichst kurz zu halten sind. Ab dem Aushub 4.UG sind in einem Zeitraum von 6 Wochen die Bodenplatte, alle Zwischendecken, die Stützen und die Schüttung auf der obersten Decke aufzubringen. - und das in Achsabschnitten von jeweils 8m! Wenn die Verformungen im Tunnel zu groß werden sollten, so ist die Abschlagslänge auf 4m zu reduzieren. buch2.indb 251 13.01.20 15: 40 252 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien Bild 36: Regelablauf Längsschnitt Die Funktionen im U-Bahnbauwerk müssen dauernd dauernd aufrecht bleiben: Die südliche Halbwendel ist vorab vollständig zu errichten. Das U-Bahn-Bauwerk bleibt vollständig stehen. Es darf aber nicht unterschiedlich be-/ entlastet werden. Damit sind die unmittelbar anschließenden Deckenteile nördlich in der gleichen Reihen- und Zeitfolge herzustellen. Während des Aushubes verhalten sich die kreisförmig angeordneten Pfähle mit Aussteifungsringen wie ein liegendes Gewölbe. An den Gewölbeendpunkten darf die Kraft aber nicht in den Bestand eingeleitet werden, sondern muss horizontal durchgeleitet - von den nördlichen Deckenteilen übernommen werden. Bild 37: Lastdurchleitung horizontal Lastbegrenzung der Pfähle über der U-Bahn: Teile der Pfahlreihen stehen direkt über dem U-Bahn-Tunnel. Bei einer Vollbelastung dieser Pfähle ohne Bodenplatte würden sie in den Tunnelbereich quasi “einschneiden”. Um dies zu verhindern darf im ersten Bauzustand (Pfähle +oberste Decke) die Fläche nur gering belastet werden. Nach Herstellung der Bodenplatte übernehmen die Zwickelstützen aus Spritzbeton die Last und leten diese direct in die Bodenplatte ein, sodass der Pfahlspitzendruck nicht mehr erhöht wird. Sobald die Bodenplatte die Last übernimmt, muss in kurzer Zeit möglichst viel Last aufgebracht werden, damit das Gleichgewicht im Tunnelbereich wieder hergestellt ist. (Siehe Hebung Tunnelröhre) 5.2 Terminplanung: Aus den bisherigen Parametern läßt sich erahnen, dass die Erstellung eines Terminplanes gewissen Finessen enthält, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Zwei Einflüsse kontakarieren aber jede Bemühung, die terminliche “Wahrheit” darzustellen: Die Kampfmittelerkundung wurde problemlos abgeschlossen, aber die Archäologie ist ein ständiger Gegner des Terminplanes - insbsondere hier. Das Bundesdenkmalamt hat entschieden, dass wirklich jede Schaufel (! ) begleitet wird, damit kein Bodendenkmal unentdeckt bleibt. Daher beginnt bereits bei der Umlegung der Einbauten die ständige Korrektur der Abläufe. Wo immer die Archäologen eine Künettengrabung einstellen, muss Ersatzarbeit für die Mannschaften da sein, damit kein Stillstand entsteht. Die alten Bestandskeller wurden bereits vor Baubeginn genau aufgenommen und kartiert. Die bisher unbekannten Hohlräume sind jedoch genauso aufzunehmen und brauchen unbestimmte (und damit unplanbare) Zeit. Das Pfahlgerät mußte mehrfach umdisponiert werden, weil die Vorgrabungen in der Achse Fundstellen ergaben. Spannend und wirklich nervenaufreibend ist die flächige Erkundung beim Einbau der obersten Decke. Hier sind natürlich Zeiten eingerechnet, wobei es immer eine Überraschung darstellt, wenn tatsächlich ein Fund gemacht wird. Es gibt beim Ablauf der Decken-abschnitte auch kaum mehr die Möglichkeit einer Korrektur, da im sehr beengten Baufeld auch nicht die Materialien (Schalung , Bewehrung) beliebig lagerbar sind. Bild 38: Archäologische Begleitung buch2.indb 252 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 253 Garagenbau im historischen Stadtkern von Wien Baustellenbedienung und Lagerflächen: Die Stadt Wien ist mit Baustellenlagerflächen für Private Bauherrn sehr restriktiv. Außerhalb der Baufläche wurde kaum ein m² zur Verfügung gestellt. Flächen in einem Abstand von ca. 400m sind für den Baubetrieb wenig hilfreich. Die Bedienung der Baustelle ist ausschließlich von Süden möglich. Alle Nebengassen sind durch Feuerwehraufstellflächen blockiert bzw. Ist der MIV über diese Gassen umgeleitet und soll nicht mit dem Bauverkehr vermischt sein. Von der Disposition haben wir daher eine Lückenbaustelle mit einer Tiefe von ca. 300m und einer Nutzbreite von ca. 8-18m, in der auch das Bauwerk stehen muss. 6. Zusammenschau Anhand der zahlreichen Themen, die sich bei diesem Projekt gleichzeitig und auf engstem Raum ergeben, ist ersichtlich, dass nur eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen dem Bauherrn, den Planern und den Bauausführenden das Ziel tatsächlich erreichen lassen. buch2.indb 253 13.01.20 15: 40 buch2.indb 254 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 255 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? Ilja Irmscher GIVT Gesellschaft für Innovative VerkehrsTechnologien mbH, Berlin, BRD Zusammenfassung Die Nachhaltigkeit von Parkbauten spielt im Interesse eines ressourcen-effizienten Einsatzes sowohl in Bezug auf das Bauwerk und dessen Substanz als auch dessen wirtschaftlichen und energiesparenden Betrieb eine zunehmend größere Rolle. Nachhaltigkeit bedeutet in diesem Sinne u. a., dass die Wertigkeit des Parkbauwerks mit einem möglichst geringen Aufwand über eine lange Betriebsdauer erhalten bleibt, einschließlich der Haustechnik und aller anderen technischen Systeme. Jedes Parkbauwerk soll von seiner Grundstruktur her zukunftsorientiert sein, so dass auch zukünftige Fahrzeugabmessungen und Mobilitätserfordernisse mit möglichst geringem Aufwand erfüllt werden können. Das lässt sich u. a. anhand der Energieverbräuche und -kosten, der Möglichkeiten für eine leichte und wirksame Reinigung insbesondere in Bezug auf schädigende Stoffe wie Chloride, des Aufwands für die Wartung der Bauwerkssubstanz und der Instandhaltungskosten während des gesamten Lebensdauerzyklusses bewerten. Diese Anforderungen zur Nachhaltigkeit betreffen sowohl die Planung als auch den Bau und Betrieb von Parkbauten und gehen deutlich über die Zertifizierungen zur Nachhaltigkeit hinaus. 1. Vorbemerkungen Während heute im Bauwesen ein hohes Maß an Nachhaltigkeit angestrebt wird und diese auch durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB e. V.) zertifiziert wird [1], ist dieser Aspekt in Bezug auf Parkbauten noch relativ wenig im Bewusstsein. Die DGNB nennt explizit das Kriterium „Mobilitätsinfrastruktur“ und als Bewertungsindikatoren die Stichworte Radverkehrsinfrastruktur, Leihsysteme, Elektromobilität und Benutzerkomfort, nicht jedoch die Gebrauchstauglichkeit von Pkw-Parkierungsanlagen. Aspekte der Realisierung bzw. der Zertifizierung benutzer- und betreiberfreundlicher Parkhäuser, wie sie der ADAC [2] und die European Parking Association mit dem European Standard Parking Award [3] entwickelt haben, werden dabei nur in wenigen Einzelpositionen tangiert. Es sollen daher systematische Überlegungen zur Charakterisierung und Bewertung der Nachhaltigkeit von Parkhäusern und Tiefgaragen dargestellt werden, die aus ihrer Spezifik als Verkehrsbauwerke abgeleitet werden. Dabei ist von größter Bedeutung, dass die Nachhaltigkeit eines Parkbauwerks (bzw. jenes Teils eines Bauwerks der für das Parken von Fahrzeugen im Sinne der Garagenverordnung [4] genutzt wird) nicht nur an dem Vorhandensein innovativer Mobilitätsschnittstellen und Nutzungsmöglichkeiten für alternative Fahrzeug- und Antriebskonzepte sowie bestimmten betrieblichen Elementen wie Leih- und Sharing-Systemen gemessen wird, sondern in allen grundlegenden Eigenschaften ein hohes Maß an Nachhaltigkeit realisiert wird. 2. Zukunftsorientierte Grundstruktur Ein Parkbauwerk soll von seiner Grundstruktur her zukunftsorientiert sein, so dass auch zukünftige Fahrzeugabmessungen und Mobilitätserfordernisse mit möglichst geringem Aufwand innerhalb des Baukörpers mit seinen Tragwerksstrukturen erfüllt werden können. 2.1 Lebensdauer-Ansatz Dabei ist die mögliche Lebensdauer eines Parkbauwerks und damit das in Betracht kommende mögliche Entwicklungsspektrum sehr unterschiedlich. Während bei integrierten Parkbauten die Lebensdauer durch das Gesamtbauwerk bestimmt wird, ist ein singuläres Parkhaus zwar formal selbständig, aber bezüglich der Nutzung von seinem Umfeld abhängig. Tiefgaragen werden bei Bedarf wegen der Komplexität der Tiefbausituation vorzugsweise saniert und modernisiert, während singuläre Parkhäuser tendenziell vielfach nicht saniert, sondern durch Ersatzneubauten oder städtebaulich hochwertigere Lösungen ersetzt werden. Während im Normalfall je nach dem Finanzierungsmodell für singuläre Parkbauten eine Nutzungsdauer von 25 bis 50 Jahren als typisch angesehen werden kann, gibt es in bestimmten Fällen kürzere Nutzungsdauern, zum Beispiel im Kontext zu Gewerbegebieten und Industriebuch2.indb 255 13.01.20 15: 40 256 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? unternehmen, die sich in Bezug auf ihre Standorte und Nutzungsprofile schneller verändern. Die von mehreren Systembauunternehmen angebotene Möglichkeit zum Rückbau eines Parkhauses und Neuaufbau an einem alternativen Standort führt in vielen Fällen dann doch zu einer deutlich höheren Lebensdauer. Ein beredtes Beispiel hierfür ist das Parkhaus am Flughafen Berlin-Tegel (Bild 1), das wegen des dringenden Parkraumbedarfs noch ca. 2005 erbaut wurde und ursprünglich nach einer kurzen Nutzungsdauer nach Berlin-Schönefeld umgesetzt werden sollte, aber durch die fast legendäre Verschiebung der Öffnung des neuen Flughafens BER immer noch unverzichtbar mindestens bis zum Herbst 2020 ist. Bild 1: Blick in das Parkhaus am Terminal C am Flughafen Berlin-Tegel in einer rückbaubaren Stahlbauweise 2.2 Bemessungsfahrzeug als Planungsgrundlage für Parkbauten Bekanntermaßen werden Parkbauten für ein bestimmtes Bemessungsfahrzeug und faktisch auch ein Maximalfahrzeug ausgelegt. Dies ist die Planungsgrundlage der EAR 05 - Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs [5] der FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., und wird aber baurechtlich, funktional jedoch nicht ausreichend von den Garagenverordnungen der Bundesländer (vgl. [6]) reflektiert. Mit Ausnahme von NRW hat bislang kein Bundesland eine Aktualisierung der baurechtlich geforderten Stellplatzabmessungen im Kontext zur Entwicklung der Fahrzeugabmessungen durchgeführt. In den GaVO stehen gewöhnliche Pkw im Fokus, aber in letzter Zeit werden auch immer konkretere Anforderungen in Bezug auf Fahrradstellplätze gestellt. 2.2.1 Bemessungsfahrzeug Pkw Von der FGSV wurden verschiedene Bemessungsfahrzeuge auf der Grundlage des deutschen Fahrzeugbestandes abgeleitet [6]. Das Bemessungsfahrzeug „Pkw“ ist dabei der für den in Deutschland zugelassenen Fahrzeugbestand ermittelte 85 %-Pkw aus dem Jahr 1999 / 2000 und entspricht in etwa dem VW Passat bis Modelljahr 2004. Hierzu wurde 2011 eine Studie veröffentlicht, die auf der Grundlage der in Deutschland 2010 neu zugelassenen Pkw einen Vorschlag für ein aktuelles Bemessungsfahrzeug Pkw formuliert hat, der nach derselben Methodik abgeleitet wurde wie bereits für den FGSV-Bemessungs-Pkw 2001 für die Jahre 1999/ 2000 [7]. Dieser Pkw wird gegenwärtig nochmals mit den aktuellen Pkw-Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes abgeglichen und in eine Novelle der „FGSV-Bemessungsfahrzeuge“ [5] eingehen, die nunmehr zur finalen Freigabe buch2.indb 256 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 257 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? vorliegt. Unabhängig davon wird empfohlen, im Sinne der Aktualität bei Neuplanungen den vergrößerten Bemessungs-Pkw anzuwenden. Wie Tab. 1 zeigt, wird der neu vorgeschlagene Bemessungs-Pkw vergleichsweise gut durch den Audi A6 Avant B7 (2011-2018) als Realfahrzeug abgebildet. Betrachtungsjahr Länge (m) Radstand (m) Höhe (m) Breite ohne Spiegel (m) 1999/ 2000 4,74 2,70 1,51 1,76 2010 4,93 2,85 1,76 1,91 Audi A6 Avant B7 4.938 2,905 1,534 1,898 Entwicklung von 2000 bis 2010 + 19 cm + 15 cm + 25 cm + 15 cm Tab. 1: Veränderung der geometrischen Kenndaten (85%-Perzentile) der auf dem Neuwagenmarkt erhältlichen Pkw-Modelle insgesamt (ohne Berücksichtigung der Häufigkeit des Auftretens) Weiterhin können je nach den beabsichtigten Nutzungen des jeweiligen Parkbauwerks größere Bemessungsfahrzeuge vereinbart werden, so zum Beispiel bei besonders hochwertigen Wohnimmobilien (Tab. 2). Dieses Maximalfahrzeug setzen wir als Planungsbüro darüber hinaus bei der Planung jedes Parkbauwerks als Maximalfahrzeug für eine Durchfahrtprüfung ein. Bemessungsfahrzeug Novelliertes Bemessungsfahrzeug Maximalfahrzeug Beschreibung Obere Mittelklasse als 85 %-Fahrzeug des Fahrzeugbestandes 2010 Kleinbus mit langem Radstand Luxusklasse, SUV und Vans bis zu einer Länge von 5,30 m Maximalhöhe 2,00 m 2,00 m Länge (Maximallänge) 4,93 m (5,00 m) 5,30 m Radstand 2,85 m 3,40 m Überhang vorn / hinten 0,95 m / 1,15 m (< 1,13 m / < 1,18 m) Breite ohne / mit Rückblickspiegel 1,91 m / 2,10 m 2,00 m / 2,30 m Wendekreis außen 12,0 m 12,5 m Annähernd verfügbares Realfahrzeug Audi A6 Avant B7 VW T6 mit langem Radstand Länge / Breite / Radstand / Wendekreis / Lenkwinkel 4,93 m / 1,87 m / 2,91 m / 11,90 m / 38,70 5,30 m / 1,90 m / 3,40 m / 13,20 m / 38,80 Tab. 2: Empfehlungen für Pkw-Bemessungsfahrzeuge für die Planung von Parkbauten in Deutschland 2.2.2 Mögliche Entwicklungstendenzen im Pkw-Bereich Es ist zu konstatieren, dass bisher bei der Planung von Parkbauten gewöhnlich ausschließlich eine Bemessung nach marktüblichen Pkw-Abmessungen erfolgt (Bild 2), und dass gesicherte Aussagen weder in Bezug auf die Entwicklung der Fahrzeugabmessungen - theoretisch bis zu den maximal zulässigen Abmessungen nach StVZO (? ! ) - noch zu den Populationen sowie für alternativ zu berücksichtigende Fahrzeugarten vorliegen. Auffallend ist, dass inzwischen verschiedene Fahrzeuge im Pkw- und SUV-Bereich Breiten deutlich über 1,90 m bis zu etwa 2 m aufweisen (Audi Q7 - 1.968 mm, BMW X6 - 1.989 mm, Tesla Model X - 1.999 mm, neuer VW Touareg - 1.984 mm), und dass bei verschiedenen Studien und „alternativen“ Fahrzeugen Flügeltüren verwendet werden, deren Eignung für das Ein- und Aussteigen innerhalb eines Parkhauses recht unterschiedlich sein dürfte (Bilder 3 bis 5). Diese Fahrzeuge werden im Sinne des Parkens wie Pkw behandelt, wenngleich verschiedene Kleinstfahrzeuge wie z. B. der Smart theoretisch weniger Parkraum benötigen (Bild 6). Dies wird zumindest vom deutschen Baurecht, der StVO und in der Parkraumbewirtschaftung nicht gewürdigt. Von strategischer Bedeutung wäre eine Übereinkunft zwischen der Autoindustrie und allen für die relevanten Straßen- und Park-Infrastrukturen verantwortlichen Partner zu den maximalen Außenabmessungen und Garagenmaßen der langfristig zu erwartenden Fahrzeugpopulationen. buch2.indb 257 13.01.20 15: 40 258 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? Bild 2: Spektrum der heute gewöhnlich in deutschen Parkbauten anzutreffenden Pkw-Population 3. Gebrauchstauglichkeit Bilder 3 und 4: VW XL 1 mit weit nach oben öffnenden Türen und Klappen (https: / / www.volkswagen-xl1.com/ sites/ all/ themes/ xl1/ images/ application/ auto.png und http: / / media.caranddriver.com/ images/ 13q2/ 517353/ 2014-volkswagen-xl1-photo-520688s-1280x782.jpg Bild 5: Renault Twizy mit geöffneten Türen (https: / / cdn.goingelectric.de/ wp-content/ uploads/ r100739h-e1331400584273.jpg) Bild 6: Zwei Smart auf einem Pkw-Stellplatz buch2.indb 258 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 259 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? 3.1 Abmessungen von Fahrrädern Wenngleich es formal kein Bemessungsfahrzeug „Fahrrad“ gibt, so sind in den „Hinweisen zum Fahrradparken“ 2012 der FGSV [8] die typischen anzusetzenden Abmessungen für verschiedene Fahrräder enthalten, wobei keine Unterschiede zwischen jenen mit und ohne elektrischem Hilfsantrieb (Pedelecs) gemacht werden (Tab. 3). Fahrräder und andere mit Muskelkraft und auch mit Elektrozusatzantrieb angetriebene Leichtfahrzeuge weisen in den letzten Jahren unter den Aspekten der Energieeinsparung und des Umweltschutzes erhebliche Zuwachsraten auf. So ist bei Fahrrädern ein breites Spektrum an Modifikationen vom Liegerad, Tandem und einfachen Dreirad bis hin zum Container-Lastenrad und Rikschas (Bilder 7 bis 12) mit und ohne Elektrozusatzantrieb entstanden. Flottenfahrzeuge (z. B. KEP, Deutsche Post) unterliegen ebenso wenig wie die verschiedenen Motorroller und Motorräder im baurechtlichen und verkehrsplanerischen Sinn noch keiner qualifizierten standardisierten Bemessung in Deutschland, so dass sie quasi bislang bei der Planung von Parkbauten einschließlich der verschiedensten integrierten Parkierungsanlagen keine geordnete Rolle spielen. Diese Sonderformen müssen zukünftig je nach ihrer Einführung auch stärker bei Parkbauten berücksichtigt werden. Abmessungen (m) Breite Länge Höhe Fahrrad 0,65 2,00 1,25 Tandem 0,65 2,60 1,25 Liegerad 0,60 2,35 0,85 Dreirad 1,00 2,20 1,25 Anhänger 1,00 1,60 (zusätzlich) 1,10 Tab. 3: Typische Abmessungen von Fahrrädern [8] Bild 7: aktivelo Elektro-Dreirad, 24 Zoll (https: / / www. aktivshop.de/ media/ catalog/ product/ cache/ 1/ image/ cbcbef48e5e3bcce7c7ed908f20bc5b4/ 7/ 1/ 71170-gesamt-0009-fr_web_3.jpg) Bild 8: Liegerad als Dreirad (http: / / www.liegerad.net/ media/ widgetkit/ Liegedreirad-ICE-Sprint-auf-der-Strasse-fa3725c590fc8fa47ff44ebdc3acbed9.jpg) Bild 9: Reisetandem mit Anhänger (https: / / i2.wp.com/ rideatandem.net/ wp-content/ uploads/ 2014/ 03/ 20121228T111006_DSC_5430.jpg) Bild 10: DHL-Lastenfahrrad mit Containerbox im Test in Frankfurt/ Main (http: / / www.dpdhl.com/ de/ presse/ pressemitteilungen/ 2017/ city-hub_dhl_testet_lastenfahrraeder_umweltfreundliche_zustellung/ _jcr_content/ mainpar/ cols2_1/ leftcolpar/ text.media-download) buch2.indb 259 13.01.20 15: 40 260 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? Bild 11: Lastenfahrrad von Babboe als Kindertransporter (https: / / www.familienleben.ch/ images/ gallery/ 192/ medium/ Lastenfahrrad-Titel-700) Bild 12: Rikschas in München 3.2 Motorräder Motorräder werden nach FGSV differenziert nach Mopeds und Krafträdern (Tab. 4). Unter die Kategorie der Mopeds fallen auch alle Arten von Elektrorollern, die eine zunehmende Verbreitung als umweltfreundliche Verkehrsmittel erfahren. Für diese Fahrzeugarten gibt es bisher in Deutschland keine baurechtlichen Festlegungen. Abmessungen (m) Breite Länge Höhe Moped 0,60 1,80 1,00 Kraftrad 0,70 2,20 1,00 Tab. 4: Typische Abmessungen von Motorrädern nach FGSV [6] 3.3 Weitere neue Fahrzeugkategorien In den letzten Jahren kamen verschiedene weitere neue Fahrzeugarten mit unterschiedlicher Eignung für den öffentlichen Straßenraum auf den Markt. Eine gewisse Verbreitung haben Segways erfahren, die u. a. für Stadtführungen eingesetzt werden (Bild 13). Mit der Zulassung der Kategorie der Elektrokleinstfahrzeuge (Bild 14) ist eine neue Vielfalt im öffentlichen Straßenverkehr hinzugekommen, die bislang kaum qualifiziert parken (Bild 15). Auch hierzu gibt es bislang keine baurechtlichen Regelungen. Es ist auch noch unklar, in welchem Umfang derartige Fahrzeuge zukünftig in öffentlichen und nichtöffentlichen Parkierungsanlagen parken werden. Bild 13: Segways in Rotterdam Bild 14: Verschiedene von der BASt untersuchte Kleinstfahrzeuge (https: / / www.bast.de/ SharedDocs/ Bilder/ DE/ Forschung-kompakt/ 2018/ 2018-16.jpg? __ blob=normal&v=2) Bild 15: Ungeordnete Abstellung von Kleinstrollern (https: / / bilder.bild.de/ fotos-skaliert/ scooter-alarm-tausende-e-tretroller-sind-elektro-schrott--201117468- 61562806/ 9,w=993,q=high,c=0.bild.jpg) buch2.indb 260 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 261 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? 4. Anpassungsfähiges Stellplatzlayout Um eine möglichst weite Anpassungsfähigkeit an andere Fahrzeugabmessungen zu sichern, sollten Parkbauten nach Möglichkeit mit einem an den Fahrgassen stützenfreien Layout errichtet werden. So steht in der vollen Breite der Parkstraßen ein faktisch frei gestaltbarer Raum zum Parken und zur Erschließung der Stellplätze zur Verfügung. Eine Anpassung kann im Wesentlichen über den Aufstellwinkel, die Stellplatzsowie die Fahrgassenbreiten und die effektiven Stellplatzlängen erfolgen (Bild 17). Gleichzeitig ist aber zu konstatieren, dass es in der Baupraxis vor allem bei integrierten Tiefgaragen oft nicht möglich ist, ein an den Fahrgassen stützenfreies Tragwerk zu realisieren (Bild 16). Dann kann hilfsweise die Anzahl der Stellplätze zwischen jeweils zwei Stützen als Maß für die Nachhaltigkeit genutzt werden. Bild 16: Anzahl der Stellplätze zwischen zwei Stützen als Kriterium für die Nachhaltigkeit buch2.indb 261 13.01.20 15: 40 262 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? Bild 17: Optimierung der Parkstraßenbreite über den Aufstellwinkel: links nach EAR 05 mit dem FGSV-Bemessungs-Pkw 2001, in der Mitte ebenfalls mit einer Stellplatzbreite von 2,50 m für den Audi A6 Avant B7 und rechts mit einer Stellplatzbreite von 2,60 m buch2.indb 262 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 263 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? Innerhalb eines an den Fahrgassen stützenfreien Baukörpers lassen sich zum Beispiel bei einer Parkstraßenbreite von 16,50 m (ebenso bei der Standard-Parkstraße von 16,00 m nach EAR 05) sowohl ein Basis-Stellplatzraster in 90°-Aufstellung als auch verschiedene Komfort-Stellplatzraster optional in Schrägaufstellung realisieren (Bild 18). Dabei lassen sich folgende Erkenntnisse formulieren: - Die Stellplatzbreite bringt den größten Komfortgewinn. - Bereits relativ stumpfe Aufstellwinkel ermöglichen das Vorwärtseinparken. - Bei konstanter Parkstraßenbreite bewirkt eine spitzere Schrägaufstellung größere Flächenverluste, während eine stumpfwinklige Aufstellordnung mit z. B. 81 0 vergleichsweise grundflächeneffizient ist. - In gleicher Weise ist eine Anpassung an andere Fahrzeugabmessungen möglich. Bild 18: Anzahl der Stellplätze zwischen zwei Stützen als Kriterium für die Nachhaltigkeit Bereits seit längerem werden bei der Sanierung Stellplatz-Layouts angepasst, so zum Beispiel im Komfort-Parkbereich im Parkhaus Brill in Bremen (Bild 19). Bild 19: XXL-Parkbereich in Bremen, Parkhaus Brill (Foto 2010) 4.1 Integration von Fahrradparkbauten in Bauwerke mit Pkw-Parkbauten 4.1.1 Spezifik der Nutzung von Fahrrädern Die Nutzung des Fahrrades wird wesentlich durch dessen Möglichkeiten zur zielnahen und damit sehr flexiblen Mobilität bestimmt. Daher kommt es auf eine sehr differenzierte Planung der entsprechenden Abstellanlagen bis hin zu Parkbauten an. Dabei müssen Aspekte berücksichtigt werden wie - die Nutzer mit ihren spezifischen Wünschen und Gewohnheiten, - die Rolle des Fahrrades als universelles jederzeit zu nutzendes Verkehrsmittel, als einfacher Gebrauchsgegenstand oder als Sport- und Freizeitgerät, - die örtlichen städtebaulich-architektonischen Möglichkeiten einschließlich der relevanten Verkehrsanbindungen, - die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, - die erforderliche und gewünschte Sicherheit für das Fahrrad, - Mitnahmemöglichkeiten mit dem ÖV und dem eigenen Auto oder deren Ausschluss, - Bereitschaft zu Bike and Ride und zur Nutzung von Mietfahrrädern, - Fahrradpopulation einschließlich Pedelecs. 4.1.2 Besondere Aspekte bei der Integration von Fahrradstellplätzen in Pkw-Parkbauten Besonders ist darauf hinzuweisen, dass es zwar vielerorts einen großen Bedarf zur Schaffung von Fahrradstellplätzen in Verbindung mit Parkbauten für Pkw gibt, dass sich dabei jedoch vorzugsweise eine klare verkehrliche Abgrenzung beider Fahrzeugarten und der von ihnen genutzten Verkehrsräume empfiehlt. Wesentliche Probleme buch2.indb 263 13.01.20 15: 40 264 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? sind dabei neben den allgemein zu erfüllenden Standards für die erforderliche Verkehrssicherheit vor allem bei der vertikalen und der inneren Erschließung: - Die typische Rampe für Fahrradparkbauten hat eine Neigung von 6 % über maximal 65 m (Bild 20; ausnahmsweise 10 % über maximal 20 m), was im Gegensatz zu den üblichen Anforderungen bei Pkw-Parkhäusern mit Neigungen zwischen 10 % und 15 % steht. Bild 20: Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof Münster mit einem der beiden Eingangsbereiche mit einer langgestreckten 6%igen Fahrradrampe - Die lichte Höhe für Bereiche, in denen ein Radfahrer mit dem Fahrrad fährt, beträgt nach den ERA Empfehlungen für Radverkehrsanlagen 2,50 m (Bild 21) [10], was in Pkw-Parkhäusern im Regelfall nicht gegeben ist. Bild 21: Lichtraumprofil und Sicherheitsraum eines fahrenden Radfahrers nach [10] - Fahrradtreppenrampen (Bild 22) sind zwar realisierbar, diese müssen jedoch ebenfalls baulich von Pkw-Bereichen abgetrennt realisiert werden. Bild 22: Fahrradtreppenrampe nach [8] - In einer Reihe von Fällen hat es sich bewährt, die Fahrräder mit Aufzügen zu transportieren. Aus den o. g. Gründen ist bei öffentlichen Parkbauten und bei Großgaragen eine klare Trennung der Pkw- und der Radverkehre erforderlich. Es kann kein Radverkehr auf den Pkw-Rampen zugelassen werden. 4.2 Weitere Aspekte in Bezug auf das Bauwerk an sich Elementare Voraussetzungen für ein hohes Maß an Nachhaltigkeit sind eine verkehrliche und bauliche Mangelfreiheit und ein qualifizierter Betrieb, so über - die Dauerhaftigkeit der Bauwerke und Werkstoffe - die Berücksichtigung angemessener Reserven in den Lastannahmen, insbesondere bei den Verkehrslasten sowie Absturzsicherungen - schmutzabweisende, die Basiskonstruktion gut schützende, die Helligkeit bzw. Innenbeleuchtung unterstützende und gut zu reinigende Oberflächen überall dort, wo es funktional wichtig ist (Fahrbahnen, Wände, Stützen, Decken und Innenseiten der Fassadenelemente) - soweit möglich und notwendig Vorbereitung auf absehbare erforderliche Aufstockungen. 5. Originäre Haustechnik Unter den jeweils konkret durch den Baustandort und die Nähe zu benachbarten Bauwerksteilen und Gebäuden gegebenen Erfordernissen sollten nur so viele technische Einrichtungen installiert werden, wie auch nach dem Stand der Technik sinnvoll und notwendig sind. So sind bei oberirdischen Parkbauten weitgehend die Vorteile der offenen gegenüber der geschlossenen Garage zu nutzen, die sowohl kostenals auch energiesparend wirken. Bei unterirdischen und anderweitig nichtoffenen Parkbauten kann insbesondere über ein qualifiziertes Brandschutz- und Lüftungskonzept durch den Einsatz optimierter Systeme eine größere Nachhaltigkeit erreicht werden. Einen wesentlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit bei Parkbauten wird über eine energiesparende und nachhaltige Haustechnik geleistet, zum Beispiel buch2.indb 264 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 265 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? - moderne energiesparende Elektroanlagen einschließlich der erforderlichen Sicherheitsstromversorgung und Netzstabilisierung bzw. Netzersatzstromanlagen - energieverbrauchsoptimierte Beleuchtungsanlagen vorzugsweise als LED-Systeme mit einer optimierten Ausleuchtung und hohen Gleichmäßigkeit sowie mit einer bedarfsorientierten Regelung bei einer ausreichenden Grundhelligkeit und einer Adaption an den äußeren Lichteinfall sowie bei Hell-Dunkel-Übergängen; - wartungsfreundliche Brandschutz- und Sicherheitsanlagen; - Funktional und damit auch bezüglich des Energieverbrauchs optimierte Be- und Entlüftungsanlagen; - Nutzung ausreichend großer Öffnungen und Kamineffekte für die Be- und Entlüftung sowie Entrauchung; - Prüfung des Einsatzes von Hochdrucksprinkler-Anlagen anstelle von Normaldrucksystemen; - Hinterfragen des Erfordernisses einer Sprinkleranlage; - rekuperative Rampenheizungen z. B. auf der Basis von Wärmepumpenanlagen oder Geothermie - aufwärtskompatible Steuerungen bei den Parkabfertigungsanlagen (siehe auch 4.), der FM-Steuerung und der IT-Vernetzung / Aufschaltung auf Gebäude- und Parkleitzentralen zur Online-Betriebsführung; - energiesparende Aufzugsanlagen, sicherheitstechnisch optimierte Tor- und Türanlagen einschließlich der erforderlichen elektromechanischen Betätigung und Überwachung, soweit dies relevant ist; - Vorbereitung auf die zunehmende Ausstattung mit Elektroladestationen (siehe auch 7.) - Nutzung geeigneter Flächen für solarenergetische Nutzungen (Bild 23), wobei diese insbesondere unter den Aspekten des Brandschutzes und der laufenden Wartungen zu bewerten sind. Bild 23: Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Parkhauses P51 am Flughafen München 6. Parkabfertigungsanlagen und Parkhausmanagementsysteme Die Ausstattung mit modernen Parkabfertigungsanlagen bis hin zu komplexen Parkhausmanagementsystemen sowie die Vorbereitung auf deren mögliche Erweiterungen und Entwicklungen bietet wesentliche Potenziale für die Nachhaltigkeit von Parkbauten. Während im nichtöffentlichen Bereich und vor allem bei kleineren und mittleren Parkbauten vergleichsweise einfache Zugangskontrollsysteme in Verbindung mit Toren und Schranken bestimmend sind, ergeben sich bei öffentlich genutzten Parkbauten vielfältige innovative Möglichkeiten auf der Basis der netzwerkbasierten Parkabfertigungsanlagen (Bild 24). Beispielhaft sind folgende Aspekte zu erwähnen, die zum Teil schon eine breite Anwendung finden: - elektronische Bezahlungsfunktionen in einer breiten Variantenvielfalt in Korrespondenz zu den modernen Inkassoverfahren, - neue Buchungssysteme und Rabattierungsverfahren, - Longe Range-RFID-Leser mit UHF-Tags zur bequemen Parkabfertigung (Bild 25), - Aufschaltung auf Parkleitzentralen mit verbesserter Kommunikation mit dem Unterstützung suchenden Nutzer, - online Einbindung in städtische sowie virtuelle Parkleitsysteme mit direkter Kommunikation mit den Navigationssystemen, - ticketlose und schrankenlose Parkabfertigungsanlagen auch im öffentlichen Bereich. buch2.indb 265 13.01.20 15: 40 266 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? Bild 24: Systemebenen moderner Parkabfertigungsanlagen (Produktbeispiel: Scheidt & Bachmann - entvero) Bild 25: Longe Range RFID-Leser zur berührungslosen Abfertigung von Dauerparkern (Foto: CONTIPARK/ Frauendorf) In zunehmendem Maße kommt es dabei auch auf leistungsfähige Schnittstellen (siehe auch 5.) an, so zum Beispiel zu internen und externen Parkleitsystemen (Bilder 26 und 27), zu Apps der Betreiber sowie von Drittanbietern und zu Inkassosystemen von Drittanbietern. Im Zuge des Mobilitätswandels werden standortspezifisch auch ausbaufähige Schnittstellen zum öffentlichen Personenverkehr und zu anderen Mobilitätsangeboten an Bedeutung gewinnen. Bilder 26: Internes Parkleitsystem buch2.indb 266 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 267 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? Bilder 27: Einzelplatzbelegungsanzeigen (Multiguide) 7. Konnektivität von Parkbauten Die Konnektivität in und von Parkhäusern ist in Deutschland im deutlichen Unterschied zum europäischen Ausland insbesondere in Bezug auf den Mobilfunk- und Internet-Empfang vor allem bei Tiefgaragen und geschlossenen Parkbauten relativ schlecht entwickelt. Dieser ist allerdings erforderlich für die Online-Navigation einschließlich der Nutzung dynamischer Verkehrsdaten für die Berechnung der Ausfahrt aus dem Parkhaus sowie für andere fahrzeugrelevante Onlinedienste. Gleichzeitig wird eine mögliche Mobilfunknutzung als Sicherheitsfaktor (Notruf) angesehen, der auch die früher öfters übliche Installation von Notrufanlagen substituiert. Weiterhin ist es als anerkannter Standard anzusehen, dass öffentliche Parkbauten online in die städtischen sowie Internet-basierten Parkleitsysteme mit ihren aktuellen Belegungsdaten, zukünftig auch mit aktuellen Tarifen und Vorbuchungsdiensten integriert werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, online Informationen zum Umfeld (z. B. Events, Stadtfeste u. ä.) bzw. zu wichtigen Verkehrsanbindungen an Bahnhöfen und Flughäfen entweder für den Reisenden oder den Abholer z. B. über WLAN in den Parkbauten für die Nutzer zur Verfügung zu stellen. 8. Parken von gasbetriebenen Fahrzeugen in Parkbauten Formal juristisch machen die Garagen-Verordnungen der Bundesländer die gesetzlichen Vorgaben, welche Arten von Kraftfahrzeugen in Parkhäusern und Tiefgaragen parken dürfen. Aus der Entwicklung der Muster-Garagenverordnung [4] der ARGE BAU als Leitregelwerk insbesondere in den 1960er Jahren bis etwa zur Jahrtausendwende heraus war das Parken von Fahrzeugen mit Autogas (Propan-Butan-Flüssiggas, LPG)- und Erdgas (CNG)-Anlagen in Tiefgaragen bzw. generell aus Sicherheitsgründen untersagt. Dieses Verbot haben bis heute verschiedene Parkhauseigentümer bzw. -betreiber aufrechterhalten, bzw. sie haben es in eigener Zuständigkeit ausgesprochen. Im Zuge der Förderung von alternativen Kraftstoffen wie CNG und LPG und unter Berücksichtigung der allgemeinen technischen Entwicklung wurden diese Verbote aufgehoben. Im Zuge der Einführung von Wasserstoff als aussichtsreichem Alternativkraftstoff für Kraftfahrzeuge in Verbindung mit Brennstoffzellen und der Verfügbarkeit entsprechender Pkw (Bild 28) ist die Thematik des Parkens von gasbetriebenen Fahrzeugen in Tiefgaragen und Parkhäusern unter dem Aspekt Wasserstoff neu zu untersuchen. Aufgrund der Erstmaligkeit dieses Anliegens ist als Grundsatzfrage die Abstellung von Wasserstoff-Druckgasfahrzeugen in Tiefgaragen auch im Kontext der baurechtlichen Regelwerke wissenschaftlich fundiert zu behandeln. Es ist zu erwarten, dass mit der weiteren Verbreitung von Wasserstoff als Alternativkraftstoff sowie als langstreckentaugliche Alternative zu batterieelektrischen Fahrzeugen eine grundsätzlich positive Lösung anzustreben ist, weil diese letztendlich auch von existenzieller Bedeutung für Wasserstofffahrzeuge sein wird. Bild 28: Mercedes-B-Klasse mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb (Bildquelle: http: / / i.auto-bild.de/ ir_img/ 5/ 8/ 5/ 4/ 4/ 2/ f79f23f2e72cb83d.jpeg) 9. Elektromobilität in Pkw-Parkhäusern 9.1 Aktuelle Situation in deutschen Parkhäusern Sehr häufig wird das Parken mit dem Laden von Elektrofahrzeugen in Verbindung gebracht und die Entwicklung von Parkbauten als große Stromtankstellen prognostiziert - ohne dabei jedoch lokal realisierbare Energiebilanzen und den zukünftigen Ladebedarf der Fahrzeugpopulationen während der Parkvorgänge detailliert zu kennen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Falle einer größeren Anzahl von Elektroladestationen die zu insbuch2.indb 267 13.01.20 15: 40 268 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? tallierenden elektrischen Anschlussleistungen der Parkbauten erheblich vergrößert werden müssen. Während für die Beleuchtung eines Stellplatzes zum Beispiel eine LED-Leuchte mit einer elektrischen Leistungsaufnahme von ca. 20 W eingesetzt werden kann, beträgt die installierte Leistung eines 230 V - 16 A - Wechselstromanschlusses ca. 3,7 kW, und Drehstrom-Schnellladesysteme weisen Leistungen zwischen ca. 10 und 40 kW sowie Gleichstrom-Schnellladestationen Größenordnungen zwischen 100 kW und 200 kW auf. Die Kapazitäten der eingesetzten Traktionsbatterien betragen gegenwärtig etwa zwischen 4 und 12 kWh bei Plug-In-Hybriden sowie zwischen ca.17,6 kWh (Smart ED 2015) und heute nahezu 100 kWh. Daraus ergeben sich dann die erforderlichen Ladezeiten, wobei die Ladeverläufe jedoch nicht linear sind und oft auch nur eine Teilladung erforderlich ist. Daher muss nicht jedes Elektroauto bei jedem Parkvorgang zwangsläufig auch laden, insbesondere bei den neuen Fahrzeuggenerationen mit Reichweiten deutlich über 300 km. Bild 29: Typisches Bild in Parkhäusern - nur wenige der Elektroladestationen werden genutzt So wird die Integration von Elektro-Ladestationen in Parkbauten aktuell stark thematisiert und hat zu zahlreichen, oft durch Marketingaspekte, jedoch nicht durch reale Anwendungen beförderten Installationen von Ladestationen geführt, die aber keineswegs immer intensiv genutzt werden (Bild 29). Es zeichnet sich ab, dass sich dies im Zuge der Entwicklung des Bestandes an reinen Elektrofahrzeugen sowie an Plug-In-Hybrid-Pkw sukzessive auch in Deutschland ändert. Der Bedarf an Elektroladestationen ist sehr differenziert. Wesentliche Einflussfaktoren sind dabei der örtliche Fahrzeugbestand und die Charakteristik der Parkvorgänge sowie die technischen Anschlussbedingungen und die Abrechnungsmethode. Besondere Situationen ergeben sich bei Parkbauten, die von Flotten (z. B. Firmenpools, Mietwagen und Carsharing) mit Elektrofahrzeugen genutzt werden (Bild 30). 9.2 Anforderungen an die Parkhausinfrastruktur Hieraus ergeben sich besondere Anforderungen an die Parkhausinfrastruktur, um ein ganzheitlich effizientes Laden benutzerfreundlich anbieten zu können. Während sich die Langsamladung, die typisch für alle Formen von Dauerparken ist, von den elektrischen Leistungen her noch vergleichsweise leicht darstellen lässt, bringen Schnellladestationen Parkbauten in Bezug auf die verfügbaren elektrischen Anschlüsse schnell an die objektiv realisierbaren Möglichkeiten. Neben den energetischen Aspekten sind aber z. B. auch noch offene Fragestellungen in Bezug auf den Brandschutz zu klären. Bild 30: Relativ ungeordnete Kabel beim Laden von Elektrofahrzeugen in einem großen Mitarbeiterparkhaus Die Ladesysteme für Elektrofahrzeuge sind aus der Sicht der Parkhausbranche noch nicht ausgereift. Die derzeit dominierenden Steckersysteme einschließlich der entsprechenden Kabel und deren Handling sind unkomfortabel, unfallträchtig und platzaufwendig (Bilder 46 und 47). Bei jedem Ladevorgang muss das Ladekabel ausgepackt und an- und abgedockt werden. Während sich in Europa weitgehend der Mennekes-Stecker (IEC Typ 2 nach EN 62196) als universelles Steckersystem für ein breites Spektrum an Ladeleistungen etabliert hat, gibt es große Unterschiede in der Anordnung der fahrzeugseitigen Steckdosen - selbst bei Varianten eines Fahrzeugtyps wie des VW Golf (Bilder 31 und 32). Dies muss ggf. bei der Dimensionierung der Stellplätze berücksichtigt werden. buch2.indb 268 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 269 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? Bilder 31 und 32: Während der Golf GTE als Plug-In-Hybridfahrzeug vorn seine Ladesteckdose hat, ist diese beim e-Golf hinter der Tankklappe; Bildquellen: https: / / image.motor.at/ images/ cfs_landscape_616w/ 1791547/ DB2014AU01013_large.jpg und http: / / lh5.ggpht.com/ -q4C8UfQJ62E/ Ui9x3GyF7nI/ AAAAAAAOELk/ VKSqqTBWNsA/ s1200/ VW-e-Golf- 6%25255B2%25255D.jpg Aussichtsreich erscheint die induktive Ladung, die komfortabel und robust konzipiert werden kann und auch schon von verschiedenen Herstellern avisiert wird (Bild 33). Erst dann bietet sich die Chance zu nachhaltigen Ladelösungen in den Parkbauten. Bild 33: Induktive Ladeplatte für einen Elektro-Pkw; Quelle: Daimler AG Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand lassen sich folgende Schlussfolgerungen für die Ausstattung von Parkbauten mit Elektroladesystemen formulieren: 1. Die Ausstattung mit Elektroladestationen bzw. deren Vorbereitung richtet sich jeweils nach den relevanten Fahrzeugpopulationen, den typischen Parkzwecken und den Parkdauern. 2. Bei Parkbauten, die von einem festen Kreis von Nutzern in Verbindung mit einer festen Zuordnung der Stellplätze und typischen längeren Parkdauern genutzt werden (z. B. Anwohnergaragen und andere nicht öffentlich genutzte Parkbereiche, z. B. von Berufspendlern), ist die Ausstattung der betreffenden Stellplätze mit 230 V-16 A-Anschlüssen in Verbindung mit einem gesonderten Stromzähler und ggf. einer Sicherung gegen die Nutzung durch Unbefugte (z. B. Schlüsselschalter) sinnvoll. Diese Anschlüsse können ggf. bedarfsorientiert nachgerüstet werden. Der Nutzer schließt sein Fahrzeug zum Laden gewöhnlich über seine Wallbox an, für die eine entsprechende Aufhängungsmöglichkeit vorgesehen werden sollte. Teilweise können diese Wallboxen auch fest installiert werden. 3. Bei Ladestationen, die verschiedenen separat abzurechnenden Nutzern zur Verfügung gestellt werden, sind Ladesäulen in Verbindung mit einem Abrechnungssystem vorzusehen. Dabei ist von besonderer Bedeutung, ob der Parkhausbetreiber selbst als Immobilieneigentümer bzw. -verwalter (Bild 51) oder ein externes Energieversorgungsunternehmen (EVU) die Ladestationen betreibt, oder ob einfach ein Sondertarif für die Abstellung eines Pkw mit Ladevorgang nach der Parkdauer erhoben wird. Diese Ladestationen werden gegenwärtig mit Drehstromanschluss und vergleichsweise kleinen Ladeleistungen zwischen 11 und 40 kW ausgestattet; bei typischen langen Parkdauern können auch einfache Wechselstromanschlüsse Sinn machen. 4. Ein professionelles Lademanagement einschließlich der entsprechenden nutzerbezogenen Abrechnung macht erst dann für den Parkhausbertreiber Sinn, wenn es eine ausreichende Nachfrage gibt und sollte auf die entsprechenden Parkbereiche mit Elektroladestationen beschränkt bleiben. 5. Die besonders leistungsfähigen Gleichstromladesysteme werden in Parkbauten eher selten Anwendung finden. Sie sind vor allem auf die Schnellladung an Tank- und Raststätten und im öffentlichen Straßenraum ausgelegt. 6. Zum Brandschutz müssen angemessene, fachlich begründete und zumindest bundesweit anerkannte Regelungen geschaffen werden. Einen wesentlichen Schritt stellt der Entwurf der neuen VDI-Richtlinie 2166 Blatt 2 [11] dar. buch2.indb 269 13.01.20 15: 40 270 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? 10. Parken von autonom fahrenden Pkw 10.1 Grundsätzliche Ansätze Wenngleich in verschiedenen Untersuchungen von rein autonom nutzbaren Parkbauten ausgegangen wird, so ist aus der Sicht des realen Parkhausbetriebs für einen längeren Übergangszeitraum von einer hybriden Nutzung der Parkierungsanlagen durch normale, teilautonome und autonome Fahrzeuge auszugehen. Daraus ergeben sich ähnliche Konfliktpotenziale wie im Straßenverkehr, wobei ein autonomes oder teilautonomes Fahrzeug in jeder nicht hinreichend sicher geklärten Fahrsituation stehen bleiben wird. Zu dieser Thematik gibt es inzwischen eine Zusammenarbeit des Bundesverbandes Parken mit dem VDA Verband der Automobilindustrie sowie internationalen Organisationen, wobei der VDA erste Lösungen als „Automated Valet Parking“ bewirbt. Es gibt offenbar zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze für das Parken von autonom fahrenden Pkw in Parkhäusern. Der eine Ansatz geht idealisierend davon aus, dass das Fahrzeug dieselbe Intelligenz besitzt wie ein normal geübter Fahrer. Das bedeutet, dass das Parkhaus genauso wie ein öffentliches benutzerfreundliches Fahrzeug EAR 05-regelkonform ausgeführt und vollständig markiert und beschildert sein muss und damit einfach durch das allgemein sensorisch wahrnehmbare, insbesondere das optische Erscheinungsbild identifiziert werden kann. Damit kann das autonome Fahrzeug genauso wie ein normaler Fahrer einen geeigneten Stellplatz bzw. die richtige Ausfahrt finden. Unterstützend können dabei z. B. kontrastreiche Markierungen, Schrammborde und kontrastreiche Differenzierungen zwischen Fahrgassen und Stellplätzen wirken. In der Praxis gibt es allerdings eine Reihe offener Fragestellungen, so zum Beispiel: - Wo ist die Übergabestelle vom Fahrer an das Fahrzeug, wo verlässt er es, wie startet es den Parkvorgang, wie kommt es wieder zurück? - Wie findet das Fahrzeug die richtige Einfahrtspur, wenn es mehrere Einfahrtspuren gibt? - Wie kommuniziert das Fahrzeug mit der Parkabfertigungsanlage? - Wie kann das Fahrzeug ohne Pläne vom Bauwerk navigieren, zumal im Normalfall von einem dreidimensionalen System mit übereinander liegenden baugleichen oder ähnlichen Grundrissen auszugehen ist? - Wie kann das Fahrzeug ohne ein ausreichend stabiles Funknetz (Mobilfunk, GPS, Internet) richtig navigieren? Bereits aus dieser Aufzählung von zu lösenden Problemen wird deutlich, dass dieser erste Ansatz eine gewisse Utopie darstellt. Insofern wird es im Sinne eines zweiten Ansatzes im Interesse der Eignung von Parkbauten für autonomes Parken erforderlich sein, einen gemeinsamen Schnittstellenkodex zu entwickeln, um für autonom fahrende und parkende Fahrzeuge geeignete Parkbauten zu entwickeln. Dabei ist gleichzeitig aus Effizienzgründen (wirtschaftlich, Ausnutzung der verfügbaren Parkräume usw.) davon auszugehen, dass eine hybride Nutzung durch konventionelle und teilautonome Fahrzeuge einschließlich dem damit verbundenen Fußgängerverkehr mit und ohne Gepäck, mit Kofferbzw. Einkaufswagen bis hin zu Kindern, Kinderwagen, Personen mit Rollatoren und Rollstuhlfahrern möglich sein muss. Wichtige Grundlagen dafür müssen in einer umfassenden allgemeinen Schnittstellendefinition zum Beispiel zur sensorisch-kommunikativen Ausstattung und einheitlichen Standards der relevanten Parkbauten in Verbindung mit objektspezifischen Daten bestehen. Wichtige objektspezifische Daten können zum Beispiel sein: - Übergabestelle für das Verlassen des Fahrzeugs sowie das Einsteigen des Fahrers - ähnlich einem Valet-Parkservice an Hotels und Flughäfen sowie die Modalitäten für deren Nutzung und Verfügbarkeit (gleichzeitig wertvoller Parkraum! ); - Definition der Kommunikation mit dem Parkverwaltungsrechner und der Parkleitzentrale des Parkhausbetreibers; - Zugangsbedingungen, z. B. über Longe-Range- RFID-Chips und eine vertraglich vereinbarte Abrechnung; - Kartierung des Parkhauses über alle autonom zu nutzenden Fahrgassen und Ebenen von den vorhandenen Schnittstellen im Straßenraum an; - Stabiles Funknetz (Mobilfunk, ggf. WLAN); - Festlegungen zum Datenschutz; - u. v. a. m. … Dabei wird deutlich, dass die Entwicklung mit autonom fahrenden Fahrzeugen nutzbarer Parkbauten nur gemeinsam mit den Eigentümern und Betreibern der Parkimmobilien möglich sein wird, zumal sich alle Unterlagen zum Parkhaus, insbesondere Pläne (soweit diese überhaupt im aktuellen Bau- und Nutzungszustand verfügbar sind), in deren Eigentum befinden. Außerdem muss eine sichere Bezahlung der Parkvorgänge möglich sein. Es ist überdies nicht dem Parkhausbetreiber zuzumuten, die zusätzlichen Kosten für das autonome Parken zu tragen, sondern dies muss als zusätzliche Dienstleistung vergütet werden. Andernfalls besteht keine Motivation für die Parkhausbranche, derartige zusätzliche Maßnahmen zu finanzieren. 10.2 Fahrzeugassistenzfunktionen zum Parken Deutlich realistischer erscheint zunächst die teilautonome Übernahme von Ein- und Ausparkfunktionen als Parkassistenten (wie auch immer dieser Begriff von den einzelnen Fahrzeugherstellern definiert wird) in Bezug auf einzelne Stellplätze, so wie diese bereits seit ca. 10 Jahren in verschiedenen Modifikationen marktüblich verfügbar sind (Bild 34). In der Praxis erweist es sich bereits als schwierig, dem Fahrzeug den gewünschten Stellplatz buch2.indb 270 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 271 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? und die Parkordnung klar vorzugeben - bei wechselnden Fahrzeugen und Marken sowie unterschiedlichen Fahrzeugausstattungen. Weiterhin wäre ein spezieller Parkhaus-Spurhalteassistent zweckdienlich, der Kollisionen mit Bauteilen am Karosseriekörper und an den Felgen verhindert, insbesondere beim Befahren enger Kurven, Fahrgassen und Rampen. Bild 34: Einparkhilfe der Parkassistent beim VW Golf (Bildquelle: https: / / cdn.volkswagen.at/ media/ Theme_Lightbox_Gallery_Image_Component/ 22280-gallery-52752-image/ dh-3840- 8973f1/ 334ac5de/ 1488302536/ vw-volkswagen-parklenkassistent-park-assist.jpg) 11. Emissions- und Immissionsschutz an Parkbauten Der Emissions- und Immissionsschutz an Parkbauten spielt bereits im Genehmigungsverfahren eine unverzichtbare Rolle im Interesse einer nachhaltigen Integration in das jeweilige städtebauliche Umfeld. 11.1 Blendschutz bei oberirdischen Parkhäusern Ein ausreichender Blendschutz (Bilder 35 und 37) ist ein elementarer Bestandteil für eine umweltverträgliche Integration offener Parkbauten, um Beeinträchtigungen der Nachbarschaft durch die Scheinwerfer der in einem Parkhaus fahrenden Fahrzeuge zu vermeiden. Bild 35: Lamellenfassade im unteren Bereich des Parkhauses am Universitätsklinikum Jena als kombinierter Lärm- und Blendschutz 11.2 Lärmschutz bei Parkbauten Der Nachweis eines ausreichenden Lärmschutzes gehört heute in Korrespondenz zum BImSchG zu den elementaren und der Nachhaltigkeit dienenden Grundlagen bei Parkbauten. Hierzu sind verschiedene Maßnahmen zielführend, so über die Schalldämmwerte der Fassaden (Bilder 35 und 37) und die Schallabsorption an den Decken (Bild 36). Bild 36: Schallabsorbierende Deckenelemente im Parkhaus am Universitätsklinikum Jena Bild 37: Kombinierte Fassadenelemente mit unterschiedlichen lärmschutz- und luftdurchlässigen Eigenschaften als kombinierter Lärm- und Blendschutz am offenen Parkhaus am Universitätsklinikum Düsseldorf 11.3 Naturierung von Parkhausdächern und Fassaden Die Naturierung von Parkhausdächern (Bild 38) gehört heute zu den häufig anzutreffenden Maßnahmen im Interesse des Umweltschutzes. Während sich extensive Begrünungen als relativ pflegeleicht erweisen gibt es insbesondere durch das Zuwuchern mit Kletterpflanzen begrünter Fassaden Probleme im Sinne einer nachhaltigen Funktionalität als offene oberirdische Großgarage. buch2.indb 271 13.01.20 15: 40 272 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? Bild 38: Zu 50 % extensiv begrüntes Dach des Parkhauses am Universitätsklinikum Jena 12. Parkbauten als Mobilitätsschnittstelle Betrieblich bieten Parkbauten je nach ihrem Standort interessante Potenziale als Mobilitätsschnittstelle, so wie dies heute schon relativ häufig an Bahnhöfen und Flughäfen praktiziert wird. Im Umland einiger Städte wie zum Beispiel München wird ein ganzes System von P+R-Anlagen mit den entsprechenden Serviceeinrichtungen betrieben (Bilder 39 und 40) Bild 39: Blick auf das P+R-Parkhaus und den U-Bahnhof München-Frötmaning Bild 40: Monitor mit den Abfahrtzeiten der U-Bahn im P+R-Parkhaus Messestadt Ost in München Andere typische Mobilitätsdienstleistungen in öffentlichen Parkbauten beziehen sich auf Stationen von Fahrzeugvermietern und Carsharing und in zunehmendem Maße auch mit Fahrradparkbereichen sowie Fahrradvermietung und der Vermietung alternativer Fahrzeuge - entweder durch den Parkhausbetreiber selbst oder einen dritten Anbieter betrieben. Weitere wichtige Dienstleistungen innerhalb von Parkhäusern können sich zum Beispiel beziehen auf - Sanitäreinrichtungen mit Wickeltisch, - Kioske und Verkaufsautomaten für den örtlich relevanten Reisebedarf, - Paketdienstleistungen für KEP-Dienste bis hin zur Annahme von Paketen in freigeschalteten Fahrzeugen, - Informationen online oder als Drucksachen zum Umfeld des Parkhauses oder zu weiteren Reiseverbindungen, - Gepäckschließfächer, - Verleih von Kinderwagen, Regenschirmen u. a., - Fahrzeugwäsche, meist als Dienstleistung Dritter. - Schuhputzmaschinen, - Alkoholtester. 13. Fazit Die Nachhaltigkeit von Parkbauten umfasst faktisch den Gesamtkomplex der Planung, des Baus und Betriebs und geht deutlich über die Anforderungen einer formalen Zertifizierung hinaus. Sie ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil. Literaturverzeichnis [1] DGNB System - Kriterienkatalog Gebäude Neubau Version 2018. - Technische Qualität TEC3.1 / MO- BILITÄTSINFRASTRUKTUR. - Stuttgart, DGNB GmbH. - Internet-Download am 13.12.2019 [2] Benutzerfreundliche Parkhäuser - ein Leitfaden für die Praxis. - ADAC Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e. V" Ressort Verkehr. - München, 2013 [3] EPA - European Parking Association: Checklist for the EUROPEAN STANDARD PARKING AWARD. http: / / www.europeanparking.eu/ [4] Muster einer Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen (Muster-Garagenverordnung M-Gar- VO) - Fassung Mai 1993 -, geändert durch Beschlüsse vom 19.09.1996, 18.09.1997 und 30.05.2008. - Herausgeber Fachkommission Bauaufsicht der ARGEBAU [5] Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Arbeitsgruppe Straßenentwurf. - Ausgabe 2005, Köln [6] Bemessungsfahrzeuge und Schleppkurven zur Überprüfung der Befahrbarkeit von Verkehrsfläbuch2.indb 272 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 273 Nachhaltigkeit von Parkbauten - ein Muss oder nur Kür? chen. - FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Köln 2001 [7] Schuster, Sattler, Hoffmann: Bestimmen der aktuellen Abmessungen differenzierter Personen-Bemessungsfahrzeuge. - Westsächsische Hochschule Zwickau, 2011 [8] Hinweise zum Fahrradparken. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Arbeitsgruppe Straßenentwurf. - Ausgabe 2012, Köln [9] Irmscher, I. u. a.: Handbuch und Planungshilfe Parkhäuser und Tiefgaragen. - Dom publishers, Berlin, 2012 [10] ERA Empfehlungen für Radverkehrsanlagen. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Ausgabe 2010, Köln [11] VDI Richtlinie 2166 Blatt 2 - Entwurf: Planung elektrischer Anlagen in Gebäuden - Hinweise für die Elektromobilität, - VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik, 2019-06 Bildquellen: ©GIVT mbH Berlin, sofern nicht anders gekennzeichnet buch2.indb 273 13.01.20 15: 40 buch2.indb 274 13.01.20 15: 40 Prüfverfahren buch2.indb 275 13.01.20 15: 40 buch2.indb 276 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 277 Automatisierte Erfassung von Rissen in Betonflächen Dipl.- Ing. Hans-Joachim Ebers IFSB Institut für Schadensbewertung GmbH, Barleben, Sachsen-Anhalt Cher Sze Tan, M.Eng. IFSB Institut für Schadensbewertung GmbH, Barleben, Sachsen-Anhalt Zusammenfassung Parkhäuser und Tiefgaragen sind überwiegend Stahlbetonkonstruktionen die bei angemessenem Wartungs- und Instandhaltungsaufwand eine Lebensdauer von 50 Jahren + erreichen sollten. Gefährdet wird dieses Ziel durch Chlorid belastete Risse im Beton. Im Ergebnis können nicht rechtzeitig erkannte und geschlossene Risse zu einer extrem hohen Korrosionsgeschwindigkeit und in der Folge zu sehr hohen Sanierungskosten und Mietausfällen führen. Bisher werden Risse im Beton in der Regel per Hand aufgenommen, mit Fotos dokumentiert und in Baupläne übertragen. Die Zustandserfassung per Hand ist sehr zeitaufwendig und unterliegt der subjektiven Genauigkeit der Ermittelnden. Die aufgenommenen Daten sind daher wenig reproduzierbar. Eine Langzeitüberwachung der Schadensentwicklung (Rissmonitoring) ist aus diesem Grund nur bedingt möglich. Zusammen mit Fachleuten verschiedener Kompetenzbereiche aus dem Bausektor (Bauinstandhaltung, -Sanierung und Ingenieurbau) wurde ein innovatives, interdisziplinäres 3D Bauwerksaufnahmeverfahren zur Erzeugung und Erhebung von umfangreichen Bauwerksinformationen entwickelt. Basierend auf den erhobenen Daten und Informationen können nachhaltige digitale Planunterlagen erstellt werden und somit fundiertere Einzelfallentscheidungen im Bereich IST-Zustandsfeststellung und Schadensbewertung unterstützt werden. Die digitale Bauwerks- und Schadensaufnahme besteht aus einem mehrdimensionalen 3D Aufnahmeverfahren. Kernstück des Aufnahmeverfahrens ist das ACD-Verfahren zur automatisierten Erfassung von Betonrissen in Bodenflächen. Dieses Verfahren zur digitalen Rissanalyse liefert eine hohe Analysegenauigkeit und macht ein exaktes und zuverlässiges Monitoring zu Abschätzung des künftigen Schadensverlaufes möglich, wodurch Präventivmaßnahmen zur Vermeidung größerer Schäden rechtzeitig veranlasst werden können. Abbildung 1: Schadenskartierung (Bodenrisse) buch2.indb 277 13.01.20 15: 41 278 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Automatisierte Erfassung von Rissen in Betonflächen Die aufgenommenen und verarbeitenden Ergebnisdaten (Risskonturen und -Eigenschaften) werden in neue Bestandspläne (AS-BUILT) übertragen, wodurch eine eindeutige Schadenslokalisierung (vor Ort) gewährleistet werden kann. Ergänzt durch ein weiteres 3D Aufnahmeverfahren durch das die Gebäudekubatur dreidimensional kartografiert und mit hochauflösenden Fotos dokumentiert wird, werden exakte Grundrisse erzeugt. Aus dem 3D Gebäudeaufmaß lassen sich zudem noch weitere Übersichtspläne ableiten, die zur weiteren Steigerung der Planungssicherheit führen können. Die Kombination aus automatisierter Rissdetektion in Bodenflächen und einer begleitenden 3D Foto Dokumentation des Bestandsobjektes bietet eine neue digitale Planungsgrundlage für das Sachverständigenwesen. Dieses neuartige Verfahren ist ein technisches Werkzeug, entwickelt zur Ergänzung der klassischen Bauwerksdiagnostik. Die ortsbezogenen Schadensdaten eignen sich u.a. zur Beweissicherung und zur Dokumentation. Die eigentliche Schadensbewertung und Ableitung der zu ergreifenden Maßnahmen erfolgt weiterhin ausschließlich durch die sachkundigen Planer. 1. ACD-Verfahren zur automatisierten Rissdetektion IFSB hat sich auf die Aufnahme, Speicherung und Verarbeitung von digitalen Bauwerksinformationen im Bestandswesen spezialisiert. Der Schwerpunkt liegt aktuell in der IST-Zustandsfeststellung und Dokumentation von Gebäudeschäden. Zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung in Magdeburg und in Kooperation mit der Flughafen Düsseldorf GmbH wurde das ACD-Verfahren zur digitalen Erfassung, Segmentierung und Visualisierung von Rissen in Gebäuden und Bauteilen entwickelt. Das ACD-Verfahren umfasst eine reproduzierbare Kartierung dieser Risse sowie die automatische Risserkennung und -auswertung. Das ACD Verfahren ist ein automatisches, bildgebendes Risserkennungs- und Messverfahren. Es handelt sich um ein zerstörungsfreies Betonprüfverfahren mit folgenden Leistungsmerkmalen: - Risslänge: Keine Begrenzung - Rissbreite: ≥0,2 Millimeter - Aufnahmeleistung: ≥5.000 qm / Arbeitstag - Einsatzbereich: Zunächst Bodenflächen - Objekte: Parkhäuser, Tiefgaragen, Industriehallen - Verfahren: Kartierung der Risse mit Bezug zu umliegenden Wänden (Lokalisierung im Gebäude-Koordinatensystem), Monitoring der Risse über die Zeit (Verlaufskontrolle) - Konformität zu allen CAD Standards. - Statistik - Aufgenommene Fläche: ca. 120.000 qm - Anzahl detektierte Risse: ca. 115.000 Stk - Gesamtlänge Risse: ca. 3.500 lfm Für den Auftraggeber bietet eine vollständig ausgeführte digitale Risserfassung eine neue Perspektive, um in der Sanierung nachhaltig aktiv zu werden und die Bausubstanz des Parkhauses dauerhaft gegen Feuchtigkeit und Chloride zu schützen. Nur ein langanhaltender Schutz des Gebäudes kann den Betrieb über viele Jahre sicherstellen und so dauerhafte Mieteinnahmen garantieren. 2. Digitale Bauwerksdiagnose Basierend auf dem ACD-Verfahren wurde von IFSB ein Gesamtverfahren für die digitale Bauwerksdiagnose im CAD Umfeld entwickelt. Abbildung 2: Ebenen Modell digitale Bauwerksdiagnose Bestandteile: 1. Floor Plan - Bestandsplan (AS-BUILT) 2. Concrete Crack Plan - Rissschadenskataster (Bodenflächen) 3. Ground Leveling - Höhennivellement der Bodenflächen 4. Concrete Reinforcement and Oxidation Hotspots - Bewehrungslage und Korrosionsmessung* 5. Building Service Equipment - Technische Gebäudeausrüstung (TGA) etc.* *Leistungserbringung durch Fremdleister Die digitale Gebäudefachmodellierung unterstützt mittels Visualisierung der erfassten Schadensdaten die eindeutige Identifizierung und Lokalisierung von Schadens HotSpots. Abbildung 3: Schadens „HotSpots“ buch2.indb 278 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 279 Korrosionsdetektion an Parkbauten: konventionell und innovativ Alberto A. Sagüés, Leonidas Emmenegger, Sylvia Keßler Abstrakt Die geplante Lebensdauer von Parkhäusern und Tiefgaragen wird häufig aufgrund von chloridinduzierter Bewehrungskorrosion erheblich reduziert. Überall dort, wo in den Wintermonaten mit Tausalzauftrag auf Verkehrsflächen zu rechnen ist, wird chloridkontaminierter Schnee oder Wasser in Parkbauten eingetragen. Die Chloride dringen in den Beton ein und sobald ein kritischer Chloridgehalt an der Bewehrung angekommen ist, wird Korrosion initiiert. Infolge von Korrosion kann es zu Rissen und Abplatzungen des Betons kommen und die Verkehrssicherheit und in einem fortgeschrittenen Schädigungsgrad kann auch die Tragfähigkeit nicht mehr gewährleistet werden. Im Zuge der Bauwerksinspektion ist daher die Detektion der Bewehrungskorrosion unerlässlich, um zu klären, ob Korrosion bereits initiiert wurde und in welchem Umfang das Bauwerk davon betroffen ist. Erst auf Basis dieser Daten können Inspektionsintervalle und Instandsetzungsmaßnahmen zielgerichtet, nachhaltig und ökonomisch geplant werden. Die konventionelle Methode zur Detektion von Bewehrungskorrosion ist die Potentialfeldmessung, bei der das Potential zwischen der Bewehrung und einer auf dem Beton aufgesetzten Bezugselektrode ermittelt wird. Die Bezugselektrode wird rasterförmig versetzt und aus der Gesamtheit der Potentialwerte können Orte mit hoher Korrosionswahrscheinlichkeit eingegrenzt werden. In den letzten Jahren wurde zudem an der University of South Florida eine innovative Art der Korrosionsdetektion ermittelt, die auf dem Prinzip der Kelvinsonde basiert. Die Methode hat den großen Vorteil, dass kein Kontakt zum Beton erforderlich ist. Die Lage und die Verteilung der mit der Kelvinsonde gemessenen Oberflächenpotentiale zeigen in Vergleichsmessungen eine sehr gute Übereinstimmung mit Messwerten aus der Potentialfeldmessung. Ziel des Vortrages ist die Vorstellung beider Messmethoden inklusive der Diskussion ihrer Vor- und Nachteile. Dieser Beitrag ist als Zeitschriftenartikel in der Bautechnik erschienen und ist unter dem folgenden Link abrufbar: http: / / onlinelibrary.wiley.com/ doi/ 10.1002/ bate.201900069/ abstract buch2.indb 279 13.01.20 15: 41 buch2.indb 280 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 281 Wie lässt sich die Rautiefe gemäß WU-Richtlinie an Elementwandinnenoberflächen überprüfen? Rolf-Rainer Schulz FFin Frankfurter Forschungsinstitut für Architektur · Bauingenieurwesen · Geomatik Frankfurt University of Applied Sciences Frankfurt am Main, Deutschland Zusammenfassung Werden Tiefgaragen als Weiße Wannen ausgeführt, kommen als Wandkonstruktion Betonfertigteile mit Ortbetonergänzung, sogenannte Elementwände, Doppelwände oder Dreifachwände, in Betracht. Um einen ausreichenden Verbund des nachträglich eingebrachten Kernbetons mit dem Halbfertigteil sicherzustellen, fordert die aktuelle Ausgabe der WU-Richtlinie Ausg. 2017-12 [1] vollflächig kornraue Elementwandinnenflächen. Statt bisher 0,9 mm müssen nun mittlere Rautiefen von 1,5 mm an der Innenseite beider Schalen nachgewiesen werden. In der laufenden Produktion und auf der Baustelle genügt normalerweise eine Sichtprüfung und der Vergleich mit einer Referenzoberfläche. In Zweifelsfällen ist jedoch mit dem Sandflächenverfahren oder mit lasergebundenen Verfahren zu prüfen. Das Sandverfahren kann aber aus naheliegenden Gründen nicht im Inneren von Bauteilen angewandt werden, erst recht nicht an stehend gelagerten oder bereits eingebauten Wandelementen. Hier müssten lasergebundene Verfahren zum Einsatz kommen. Allerdings gibt die Richtlinie keinerlei Hinweise, wie diese Messungen durchzuführen sind. Diese Lücke möchte dieser Beitrag schließen und in diesem Zusammenhang einige generelle Aspekte der Rauheitsmessung erörtern. 1. 1. Einleitung Beim Bau von Untergeschossen einschließlich Tiefgaragen hat sich Elementwandbauweise inzwischen zu einer beliebten Alternative zur klassischen Ortbetonbauweise entwickelt (Bild 1). Dabei bilden zwei Betonfertigteilschalen, die mittels Gitterträgern auf Abstand gehalten werden, einen Hohlraum, der erst auf der Baustelle mit Ortbeton verfüllt wird (Bild 2). Durch die Gewichtseinsparung lassen sich relativ große Wandelemente im Werk vorfertigen und zur Baustelle transportieren. Bild 1: Elementwände für die Tiefgarage eines Wohngebäudekomplexes Dort ergeben sich vor allem Zeit- und Kostenvorteile dadurch, dass Schalarbeiten entfallen. Außerdem sind auf diese Weise qualitativ hochwertige Sichtbetonflächen zielsicherer herstellbar als mit Ortbeton, und die Rissproblematik ist bei dickeren Wänden besser beherrschbar als bei herkömmlich hergestellten Wänden. Bei fachgerechter Ausführung erfüllen solche Bauteile sicher die Anforderungen an Weiße Wannen. Dazu müssen nicht nur die eingesetzten Betone wasserundurch lässig sein, sondern insbesondere auch die Fugen. Bild 2: Bereits mit Ortbeton verfüllte Elementwände im Bereich einer Tiefgaragenzufahrt buch2.indb 281 13.01.20 15: 41 282 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wie lässt sich die Rautiefe gemäß WU-Richtlinie an Elementwandinnenoberflächen überprüfen? Dies betrifft sowohl alle Anschlussfugen zwischen benachbarten Elementen und angrenzenden Bauteilen als auch den Verbund zwischen den Fertigteilschalen und dem nachträglich eingebrachten Ortbeton. Weil zwischen zwischen dem bereits ausgehärteten und dem frischen Beton keine nennenswerten chemischen Rektionen zu erwarten sind, muss die Verbindung im Wesentlichen durch mechanische Verklammerung zustande kommen. Dies setzt eine gewisse Rauheit der Elementinnenoberflächen voraus. Da dieser Aspekt im Hinblick auf die Wasserundurchlässigkeit verstärkt im Fokus steht, gelten seit Erscheinen der neuen WU-Richtlinie die obengenannten erhöhten Anforderungen, die damit nun auch konform mit dem EC2 [2] sind. Zwar wurde auch in der vorherigen Ausgabe der WU-Richtlinie [3] eine vollflächig kornraue Oberfläche gefordert, doch wird erst jetzt im Nachgang zur Neuausgabe der Richtlinie deutlich darauf hingewiesen, dass diese Forderung auch für die schwer zugänglichen Bereiche unter den Gitterträgern gilt [4]. Dies ist nicht nur herstellungstechnisch schwer umzusetzen, sondern mit den bisherigen Methoden auch kaum objektiv nachzuprüfen. Ersteres liegt vor allem daran, dass es von der nicht sehr genau und zuverlässig einstellbaren Frischbetonkonsistenz abhängt, wie tief das grobe Korn beim Verdichten einsinkt. Während es bei der zuerst hergestellten Schale nach dem Verdichten noch möglich ist, mittels Rechen zusätzlich aufzurauen, ist die zweite Schale nach dem Verdichten und dem Einwenden der ersten Schale nur noch in den Randbereichen begrenzt zugänglich. Zudem besteht beim Einsatz eines Rechens und zu steifer Konsistenz die Gefahr, dass Körner herausgerissen werden und anschließend lose aufliegen. Deshalb bemüht sich die Industrie zurzeit intensiv um die Entwicklung neuer Technologien für das Aufrauen. Eine davon ist der Einsatz eines Teleskoprechens, mit dem man auch in die Zonen innerhalb der Gitterträger gelangt. Ob das Ziel erreicht wird, lässt sich am fertigen Bauteil bisher kaum überprüfen. Bild 3: Blick ins Innere einer Elementwand mit aufgerauten Innenoberflächen Die beengten Platzverhältnisse und die begrenzte Zugänglichkeit stehen dem Einsatz des nach WU-Richtlinie [1] priorisierten Sandflächenverfahrens bei der Überprüfung der Rauheit entgegen, insbesondere dann, wenn die Wände bereits aufgestellt sind. Eine Lösungsmöglichkeit ergibt sich dadurch, dass die WU-Richtlinie für die Rauheitsmessung auch lasergebundene Verfahren zulässt. Völlig offen bleibt jedoch, nach welchen Regeln diese Messungen durchzuführen und auszuwerten sind. Die geforderte Rautiefe R t von 1,5 mm entspricht der Kategorie „rau“ nach EC2 [2] und Heft 600 DAfStb [5]. Darin geht es in erster Linie um den Schubverbund, der sich mit der nächsthöheren Kategorie „verzahnt“ noch steigern ließe. Zum Erreichen dieser Kategorie sind u.a. auch trapezförmige Aussparungen möglich, die jedoch hinsichtlich der Wasserundurchlässigkeit unvorteilhaft sind, weil sie wenig Kontaktfläche bieten und die Umlaufwege für eventuell eindringendes Wasser kaum verlängern. Dies gilt ganz besonders dann, wenn diese Textur mit Hilfe von glatten Kunststoffprofilen erzeugt wird. Deshalb sind im Sinne der WU-Richtlinie Verbesserungen des Verbundes nur durch eine Steigerung der Kornrauheit oder damit vergleichbare Texturen (z.B. mittels Rechen erzeugte Rillen) möglich. 2. Prüfverfahren 2.1 Sandflächenverfahren Wie schon im nationalen Anhang des EC2 [2] bzw. im Heft 600 DAfStb [5] wird auch in der WU-Richtlinie [1] der Begriff Rauheit wie selbstverständlich mit der Rautiefe nach dem Sandflächenverfahren verknüpft. Die folgenden Ausführungen zeigen jedoch, dass dies für den angestrebten Zweck zu kurz gegriffen und nicht gerechtfertigt ist. Zwar hat das altbekannte und wegen seiner Einfachheit und seines geringen materiellen Aufwandes unter Praktikern beliebte Sandflächenerfahren seine Berechtigung für die Bestimmung des Materialbedarfs bei der Reprofilierung von Oberflächen sowie für die Bestimmung des Verdrängungsraums von gleitmittelbelasteten Böden, doch für die Beschreibung der Rauheit im Hinblick auf die Verbundeigenschaften ist es eher untauglich. Als volumetrisches Verfahren (Bezeichnung gemäß DIN EN 13036-1 [6]) liefert es nur einen pauschalen Kennwert, der weder den Charakter der Oberflächentopografie noch die Größe und Verteilung der Texturelemente zu beschreiben vermag. Die erzielbaren Aussagen sind viel zu pauschal, z.T. sogar irreführend, und außerdem sind die Ergebnisse von vielen Einflüssen abhängig und mit sehr großen Streuungen behaftet. Bild 4 verdeutlicht, warum volumetrische Methoden daran scheitern, die unterschiedlichen Eigenschaften von Oberflächen hinsichtlich Verklammerung und Verzahnung zu erfassen. So wurden auf einer mit PE-Folie geschalten, aber leicht welligen Oberfläche bereits nennenwerte Rautiefen von R t = 0,25 mm gemessen, obwohl eigentlich eine Einstufung in die Kategorie sehr glatt gerechtfertigt gewesen wäre (Bild 5). buch2.indb 282 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 283 Wie lässt sich die Rautiefe gemäß WU-Richtlinie an Elementwandinnenoberflächen überprüfen? Bild 4: Gleiche Rautiefenkennwerte Rt für die Fälle a) und b) trotz offensichtlicher Texturunterschiede [7] Bild 5: Diese auf PE-Folie geschalte sehr glatte, aber leicht wellige Oberfläche ergab mit dem Sandflächenverfahren eine scheinbare Rautiefe von R t = 0,25 mm. Bild 6: Modellversuch zur Erläuterung des Einflusses nichtneutraler Texturen: Trotz gleicher Noppenhöhe (3,2 mm) bei unterschiedlicher Anzahl von Noppen stark differierende mittlere Rautiefen (links R t = 1,95 mm, rechts R t = 2,7 mm) Der in Bild 6 dargestellte Modellversuch demonstriert, wie fragwürdig die Ergebnisse sind, wenn es sich nicht um neutrale Texturen handelt, d.h. wenn die Anzahl der Erhebungen und Vertiefungen nicht in einem annähernd ausgewogenen Verhältnis steht. Es ist also möglich, bei Betonen, bei denen nur vereinzelte grobe Körner aus der Oberfläche herausragen, wie das bei der Sieblinie C der Fall ist, bei gleicher Kornspitzenhöhe bessere Rautiefen R t zu erzielen als bei einer Sieblinie mit höherem Grobkornanteil. Die auf diese Weise gemessene Rautiefe ist also im hohen Maße manipulierbar und kann nicht im Sinne des angestrebten Verbundverhaltens sein. Im Gegensatz dazu schneiden plateauförmige Oberflächen mit tiefen Poren oder Rillen bei der Bewertung tendenziell ungünstig ab, obwohl sich eine Rillentextur, wie sie beim Einsatz des Rechens entsteht, in der Praxis bewährt hat und hinsichtlich der gewünschten Verklammerung und Verzahnung sehr zweckdienlich ist. Hinzu kommt, dass die WU-Richtlinie eine besonders problematische Variante des Sandflächenverfahrens vorschreibt. Das Verfahren nach DIN EN 1766 [8] erfordert nämlich als Prüfmedium Quarzmehl im Korngrößenbereich zwischen 0,05 mm bis 0,1 mm. Eine solche Korngruppe ist in Deutschland nicht oder nur schwer zu beschaffen. Außerdem sind die entsprechenden Siebe selten und in den meisten Laboren nicht vorhanden, sodass das Absieben aus benachbarten Korngruppen kaum in Betracht kommt, zumal bei Quarzmehlen dieser Feinheit mit einem erhöhten lungengängigen Anteil zu rechnen ist und entsprechend aufwendige Staubschutzmaßnahmen erforderlich wären. Es steht zu daher zu vermuten, dass die meisten Anwender als Notlösung auf gängige Korngruppen ausweichen und somit nur in Anlehnung an diese Norm prüfen. Bild 7a: Sandfleck mit nicht eindeutig zu bestimmendem Rand Bild 7b: Vergrößerter Ausschnitt aus Bild 7a Bild 7c: Grafische Darstellung zur Verdeutlichung der Problematik buch2.indb 283 13.01.20 15: 41 284 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wie lässt sich die Rautiefe gemäß WU-Richtlinie an Elementwandinnenoberflächen überprüfen? Da es sich um ein rein manuelles Verfahren handelt, hängen die Ergebnisse entscheidend von der Vorgehensweise und Sorgfalt der prüfenden Person ab. Das Abmessen des Prüfsandes, mögliche Verdichtung des Sandes beim Befüllen des Gefäßes, der Andruck der Verteilerscheibe und die Intensität beim Verteilen des Sandes werden sehr individuell gehandhabt. Ein besonders großer subjektiver Einflussfaktor ist jedoch die Bestimmung des Sandfleckdurchmessers. Nicht nur dass bei Abweichungen von der Kreisform die Zahl der Durchmesserbestimmungen angemessen erhöht werden müsste, es wird auch mit größer werdenden Rautiefen zunehmend schwieriger, den Rand des Sandflecks zu definieren (Bilder 7a bis 7c). Entsprechend nehmen ab Rautiefen von etwa R t = 1,5 mm die Abweichungen zwischen den Ergebnissen verschiedener Prüfer stark zu und können nicht selten sogar mehr als 25 % betragen. Dieses Problem lässt sich dadurch etwas reduzieren, dass man bei größeren Rauheiten ein möglichst großes Sandvolumen einsetzt - also besser 50 ml als 25 ml - weil sich die Ableseunsicherheiten bei größerem Sandfleckdurchmesser weniger stark auf das Ergebnis auswirken (Bilder 8 und 9). Daher wird empfohlen, das Sandvolumen grundsätzlich so zu wählen, dass der Sandfleckdurchmesser mindestens 150 mm beträgt. Bild 8: Abnahme der Messunsicherheiten mit zunehmendem Sandfleckdurchmesser bei einer angenommenen Saumbreite von 5 mm (vgl. Bilder 7a bis 7c) Bild 9: Abnahme der Messunsicherheiten mit zunehmendem Sandvolumen bei einer angenommenen Saumbreite von 5 mm Da in der WU-Richtlinie Angaben zur Prüfhäufigkeit fehlen, empfiehlt sich, die Rautiefe in Anlehnung an Heft 600 DAfStb [5] als Mittelwert von mindestens drei Messungen nachzuweisen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass beide Elementschalen unterschiedliche Herstellprozesse durchlaufen und daher separat geprüft werden müssen. 2.2 Laser-Profilmessverfahren Die WU-Richtlinie lässt alternativ zum Sandflächenverfahren auch lasergebunde Verfahren zu, jedoch ohne Details zu nennen. Hier wäre der Hinweis auf DIN EN ISO 13473-1 [9] hilfreich, eine Norm, die zwar aus dem Straßenbau stammt, doch recht gut auch auf die vorliegenden Verhältnisse anwendbar ist. Darin wird sowohl die Prüfungsdurchführung als auch die Auswertung ausführlich beschrieben. In der mitgeltenden Norm DIN ISO 13473-3 [10] finden sich Anforderungen an die einzusetzenden Geräte. Damit sind die Voraussetzungen für reproduzierbare und vergleichbare Prüfergebnisse gegeben, zumal die Versuche weitgehend automatisiert ablaufen. Beschrieben werden Laser-Profilmessungen, bei denen ein Laserpunkt mit Hilfe eines Linearantriebs die Oberfläche linienförmig abtastet [11], [12]. In Betracht kommen auch Linienlaser, die die gesamte Messstrecke in einem Arbeitsgang erfassen, ohne dass der Laser bewegt werden muss [11], [12], [13]. Die Messstrecken sollen mindestens 100 mm lang sein und je Prüfabschnitt sind mindestens 10 Messungen erforderlich. Bild 10: Ermittlung von Rauheitsparametern aus gemessenen Oberflächenprofilen nach verschiedenen Vorschriften Die Auswerteprozedur soll sicherstellen, dass Profilneigungen ebenso wie die nicht zur Rauheit gehörende Welligkeit eliminiert werden. Die einzusetzenden Filtermethoden helfen dabei, etwaige Unstetigkeiten im Messprofil zu eliminieren und Differenzen zwischen Lasern mit unterschiedlicher Auflösung zu egalisieren. Solche Unstetigkeiten und Messfehler können an scharfen Kanten und bei stark reflektierenden Partikeln wie Glimmer in der Oberfläche auftreten. Auch starke Fremdlichteinwirkungen und Nässe sind zu vermeiden. Die auf diese buch2.indb 284 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 285 Wie lässt sich die Rautiefe gemäß WU-Richtlinie an Elementwandinnenoberflächen überprüfen? Weise bestimmte mittlere Profiltiefe MPD (mean profile depth) entspricht dem Rauheitsparameter Rp (siehe Bild 10) gemäß DIN EN ISO 4287 [10] und korreliert, wie Bild 11 zeigt, recht gut mit der Rautiefe nach dem Sandflächenverfahren. Bild 11: Korrelation zwischen Rp (Laser) und Rt (Sandfleck), eigene Messwerte (vgl. [11], [12]) ergänzt durch Daten aus [15] Die Umrechnung kann demnach ebenso wie nach den neuesten Erkenntnissen in [16] mit R t = 1,1 * Rp vorgenommen werden. Dieser Umrechnungsfaktor ist deutlich kleiner als derjenige, der sich aus Tabelle H6.1 in Heft 600 DAfStb [5] ergibt. Dazu ist zu anzumerken, dass die Angaben in [5] auf einer sehr geringen Anzahl von Versuchen basieren und mit Mess- und Auswertemethoden gewonnen wurden, die schon mehr als 20 Jahre zurückliegen. Dieses Umrechnungsverhältnis gilt deshalb als überholt und sollte nicht mehr angewandt werden, zumal es deutlich auf der unsicheren Seite liegt. Solange es allerdings nur darum geht, Ergebnisse zu erhalten, die mit der Rautiefe R t des Sandflächenverfahrens vergleichbar sind, bleibt das zuvor beschriebene Problem bestehen, dass Abweichungen von einer neutralen Textur zu Fehlinterpretationen führen können. Mit Hilfe weiterer Parameter wie Rz und Rv zusätzlich zu Rp (s. Bild 10) lässt sich jedoch erkennen, ob eine extrem positive (Rp/ Rv >> 1 ) oder negative Textur (Rp/ Rv<<1) vorliegt und die Ergebnisse mit entsprechendem Vorbehalt gewertet werden müssen. Bild 12: SL-Laser-Profilometer, das neue mobile Messsystem Der Anwendung des Laserverfahrens für die vorliegende Aufgabenstellung stand bisher neben den relativ hohen Kosten auch entgegen, dass die verfügbaren Geräte zu schwer und zu sperrig waren. Außerdem musste eine Lösung für Messungen tiefer im Inneren der Elementwände gefunden werden. Vor diesem Hintergrund wurde ein kostengünstiges, mobiles und universell einsetzbares Gerät entwickelt und bereits sowohl im Labor als auch bei verschiedenen Einsätzen auf Baustellen erfolgreich getestet (Bild 12). Der in die Steuereinheit integrierte Mikrocomputer ermöglicht Einzel- und Gesamtauswertungen nach jeder Messung. Die Ergebnisse korrelieren sehr gut mit denen anderer Laser-Geräte sowie mit dem Sandflächenverfahren (Bilder 13 und 14). Bild 13: Korrelation zwischen den Messergebnissen des ELAtextur ® -Gerätes und des SL-Profilometers Bild 14: Korrelation zwischen den Rautiefen Rp (SL-Profilometer) und Rt (Sandfleck) Für Messungen im Inneren von Elementwänden wurde der Linearantrieb im vorderen Teil eines 2 m langen Aluprofils untergebracht, welches durch eine spezielle Haltevorrichtung geführt und in verschiedenen Höhen fixiert werden kann (Bild 15). Bei Schrägstellung des Lasers reicht der Laserpunkt sogar bis in den Bereich des Gitterträgers hinein. Die Gitterstäbe werden von der Software als Unstetigkeiten erkannt und ebenso wie die Neigung des Lasers bei der Ermittlung der Rauheitsparameter rechnerisch eliminiert. Derzeit wird das Messsystem einer ausgiebigen Praxiserprobung unterzogen. buch2.indb 285 13.01.20 15: 41 286 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wie lässt sich die Rautiefe gemäß WU-Richtlinie an Elementwandinnenoberflächen überprüfen? Bild 15: Laser-Profilmessungen im Inneren einer Elementwand 3. Fazit Die erhöhten Rauheitsanforderungen der neuen WU-Richtlinie an die Innenoberflächen von Elementwänden sollen den Verbund zwischen den Fertigteilschalen und dem nachträglich eingebrachten Beton fördern und außerdem die Umlaufwege für evtl. in die Verbundzonen eindringendes Wassers verlängern. Die Erzeugung der geforderten Rautiefe stellt die Industrie vor große Probleme sowohl was die Ausführung als auch was den Nachweis der tatsächlich erzielten Rauheit betrifft. Die Kornrauheit kann über die Betonzusammensetzung, die Frischbetonkonsistenz und Verdichtung nur mit einer verhältnismäßig großen Streubreite eingestellt werden, zumal die Konsistenz kein verlässlich steuerbarer Parameter ist. Der bei Halbfertigdecken gebräuchliche maschinelle Rechen lässt sich bei Elementwänden geometriebedingt nur sehr begrenzt einsetzen. Die Industrie ist daher gezwungen neue bzw. modifizierte Aufraumethoden zu entwickeln. Geometriebedingte Einschränkungen betreffen auch das Sandflächenverfahren, welches gemäß WU-Richtlinie die vorrangige Prüfmethode zum Nachweis der Rautiefe ist. Wie dieser Beitrag zeigt, weist dieses Prüfverfahren noch weitere Schwächen auf. Immerhin lässt die WU-Richtlinie auch lasergebundene Verfahren zu. Auf dieser Basis wurde ein mobiles, komfortabel einsetzbares Prüfsystem entwickelt, welches die Rauheit auch im Inneren der Elementwände messen kann. Sogar die Bereiche innerhalb der Gitterträger lassen sich damit erfassen. Über den integrierten Mikrocomputer kann die Auswertung gemäß DIN EN ISO 13473-1 [8] vor Ort wahlweise nach jeder Einzelmessung oder nach einer Messreihe einschließlich statistischer Auswertung erfolgen. Es werden neben einem der Rautiefe R t vergleichbaren Parameter noch weitere Kenngrößen bestimmt, die die Aussagesicherheit und Interpretationsmöglichkeiten verbessern. In umfangreichen Untersuchungen wurde die Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit nachgewiesen. Zurzeit werden mit diesem Gerät Praxiserfahrungen im Dauerbetrieb gesammelt. Literatur [1] DAfStb-Richtlinie Wasserundurchlässige Bauteile aus Beton (WU-Richtlinie). Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb). Berlin: Beuth Verlag, Dezember 2017. [2] DIN EN 1992-1-1/ NA: 2013-04: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2. [3] DAfStb-Richtlinie Wasserundurchlässige Bauteile aus Beton (WU-Richtlinie). Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb). Berlin: Beuth Verlag, November 2003. [4] Kiltz, D.; Schwabach, E.; Lindorf, A.; Fingerloos, F.: Elementwände nach neuer WU-Richtlinie - erste Erfahrungen. In: Betonwerk und Fertigteiltechnik 85 (2019), Nr. 7, S. 34-39. [5] DAfStb-Heft 600: Erläuterungen zu DIN EN 1992- 1-1 und DIN EN 1992-1-1/ NA (Eurocode 2), Berlin: Beuth Verlag, 2012. [6] DIN EN 13036-1: 2010-10: Oberflächeneigenschaften von Straßen und Flugplätzen - Teil 1: Messung der Makrotextur-tiefe der Fahrbahnoberfläche mit Hilfe eines volumetrischen Verfahrens. [7] Feix, J.; Andreatta, A.: Vortrag „Verstärkung von Brückentragwerken mittels Aufbeton ohne Verdübelung“. Brückenmanagementtagung Innsbruck 8.5.2008. [8] DIN EN 1766: 2000-03: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Referenzbetone für Prüfungen. [9] DIN EN ISO 13473-1: 2004-07: Charakterisierung der Textur von Fahrbahnbelägen unter Verwendung von Oberflächenprofilen, Teil 1: Bestimmung der mittleren Profiltiefe. [10] DIN ISO 13473-3: 2004-07: Charakterisierung der Textur von Fahrbahnbelägen unter Verwendung von Oberflächen-profilen. Teil 3: Anforderungen an und Einteilung von Profilo-metern. [11] Schulz, R.-R.: Fortschritte bei der Rauheitsbewertung von Betonoberflächen. In: beton, 66 (2016), Nr. 12, S. 502-510. [12] Schulz, R.-R.: Laser schlägt Sand. In: B+B Bautenschutz und Bausanierung, 40 (2017), Nr. 4, S. 44-48. [13] Wieneke, K.; Herbrand, M.; Vogler, N.; Schwermann, R.; Blankenbach, J.: Messverfahren zur Bestimmung der Rautiefe von Betonoberflächen. In: Bauingenieur 83 (2018), Nr. 9, S. 365-372. [14] DIN EN ISO 4287: 2010-07: Geometrische Produktspezifikation (GPS) - Oberflächenbeschaffenheit: Tastschnitt-verfahren - Benennungen, Definitionen und Kenngrößen der Oberflächenbeschaffenheit. [15] Persönliche Mitteilung von Prof. C. Sodeikat vom 22.03.2017. Ingenieurbüro Schiessl, Gehlen, Sodeikat. [16] DIN EN ISO 13473-1: 2017-08: (Entwurf) Charakterisierung der Textur von Fahrbahnbelägen unter Verwendung von Oberflächenprofilen, Teil 1: Bestimmung der mittleren Profiltiefe. buch2.indb 286 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 287 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen Dr.- Ing. Udo Antons, Dipl.-Ing. Helena Eisenkrein-Kreksch Kiwa GmbH, Deutschland Dr. rer. nat. Rainer Krankenhagen, Dr. rer. nat. Florian Jonietz Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Berlin Kurzfassung Die Anwendung von Polymerbeschichtungen im Bauwesen hat über die letzten Dekaden stetig zugenommen. Neben ästhetischen Aspekten sind vor allem die Verbesserung der Dauerhaftigkeit des Bauwerks und damit einhergehend die Verlängerung der Nutzungsdauer ausschlaggebende Gründe für die Wahl einer Beschichtung. Um die jeweiligen Bauteile vor Alterung, Verschleiß und Schädigung effektiv und zielsicher schützen zu können ist die Einhaltung der von den Herstellern vorgegebenen Mindestschichtdicken von essenzieller Bedeutung. Aus diesem Grund ist es notwendig die Schichtdicke der Beschichtung nach erfolgter Applikation zu überprüfen. Für den in diesem Zusammenhang anspruchsvollen mineralischen Untergrund Beton stehen für die Baustelle bislang allerdings nur zerstörende Prüfverfahren zur Verfügung. Aufbauend auf den Ergebnissen zur photothermischen Schichtdickenbestimmung von Polymerbeschichtungen im Rahmen des Forschungsprojektes IRKUTSK werden derzeit im WIPANO Projekt PHOBOSS weitreichende Untersuchungen durchgeführt, um diese zerstörungsfreie Untersuchungsmethode auf den Baubereich anzuwenden. Ziel des WIPANO Projektes PHOBOSS ist neben der Verfeinerung und Validierung der Mess- und Auswertungsmethodik die Erstellung eines Normenentwurfes welcher Rahmenbedingungen und Anforderungen für Messung und Messgerät enthalten soll. Im Rahmen dieser Veröffentlichung werden Einblicke in das zur Schichtdickenbestimmung entwickelte Thermografieverfahren gegeben. Die Funktionsweise des Verfahrens für die Messung von Oberflächenschutzsystemen wird anhand von Labor- und In Situ-Messungen illustriert und der für die Messungen verwendete Prototyp vorgestellt. 1. Einleitung In verschiedenen Anwendungsfällen werden Betonoberflächen mit Beschichtungen versehen, um bestimmte Funktionalitäten zu erreichen. Oberflächenschutzsysteme (OS) auf Polymerbasis werden u.a. eingesetzt, um die Abriebfestigkeit oder die Widerstandsfähigkeit gegen mechanischer Einwirkung, betonschädigender Substanzen, Chemikalien oder Umwelteinflüsse zu erhöhen, z.B. bei Fußböden in Parkhäusern (siehe Bild 1). Bei der Realisierung dieser OS ist die tatsächlich erreichte Schichtdicke der Beschichtung ein wesentlicher Parameter, welcher über die Funktionalität und Langzeitstabilität der aufgetragenen Schicht entscheidet. Leider bieten sich nach dem derzeitigen Stand der Technik nur zerstörende Verfahren als bezahlbare und probate Möglichkeit zur Schichtdickenmessung am Bauwerk an. Das genaueste Verfahren, die Entnahme von Bohrkernen mit späterer mikroskopischer Vermessung der Schichtdicke im Labor, beeinträchtigt neben der Struktur des Oberflächenschutzsystems ein, ebenfalls den eigentlich zu schützenden Betonkörper. Aufgrund der erst im Labor bestimmten Schichtdicken sind im Zweifelsfall mehrfache Vor-Ort-Termine notwendig. Im Rahmen des ZIM-Forschungsprojektes IRKUTSK entwickelten die Projektpartner BAM und IBOS in den vergangenen Jahren gemeinsam einen funktionstüchtigen Prototyp eines Messgerätes zur zerstörungsfreien Schichtdickenmessung auf Basis thermischer Anregung und thermographischer Analysen. In diesem Beitrag wird zunächst das Messkonzept erläutert. Danach erfolgt die Validierung der Methode unter Laborbedingungen. Die Vorstellung des Prototyps sowie erster Ergebnisse schließen die Darstellung ab. Bild 1: Parkhaus mit OS 8. In der Bildmitte steht der mobile Prototyp zur zerstörungsfreien Schichtdickenmessung buch2.indb 287 13.01.20 15: 41 288 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen 2. Beschreibung des Funktionsprinzips Das allgemeine Funktionsprinzip der photothermischen Schichtdickenmessung ist bereits seit längerem bekannt (siehe z.B. [1]) und findet z.B. bei Beschichtungen auf nicht magnetischen Untergründen ihren Einsatz. Dabei wird die Abkühlung einer kurzzeitig erwärmten Oberfläche betrachtet. Aus dem zeitlichen Verlauf der Abkühlungskurve kann unter bestimmten Voraussetzungen die Dicke einer applizierten Beschichtung ermittelt werden. In Bild 2 wird eine solche berechnete Abkühlungskurve dargestellt. Betrachtet wurde hierbei eine dünne Polymerschicht auf einem dicken Betonprobekörper nach Erwärmung der Oberfläche mit einem Dirac-Puls mit 0,6 J/ cm² Energiedichte. Nähere Einzelheiten zum angewendeten Modell und den für die Berechnung notwendigen Materialkennwerten sind [2] zu entnehmen. Bild 2: Simulierte Abkühlung eines polymerbeschichteten Betonprobekörpers für verschiedene Beschichtungsdicken, die schwarz gepunktete Linie steht für den unbeschichteten Probekörper, die Pfeile markieren den Zeitpunkt der Abweichung von der idealen Kurve des unbeschichteten Probekörpers Im dargestellten Fall führte der Dirac-Puls zu einer Erhöhung der simulierten Oberflächentemperatur von knapp über 100 K. Durch einen Vergleich der berechneten Temperaturverläufe zwischen beschichtetem und unbeschichtetem Beton ist klar erkennbar, dass die Zeitpunkte, an denen der Temperaturverlauf sich vom idealen Verlauf einer unbeschichteten Probe unterscheidet, stark von der Schichtdicke abhängt. Im Fall der dünnsten Beschichtung mit 0,1 mm Schichtdicke tritt eine Abweichung bereits nach 10 ms auf. Mit zunehmender Schichtdicke verschiebt sich der Zeitpunkt der Abweichung signifikant auf 1200 ms (1 mm) bzw 34000 ms (5mm). Dieser Effekt bildet die Grundlage der photothermischen Schichtdickenmessung. Die Erwärmung der Beschichtung und die Aufzeichnung des Temperaturverlaufes kann bei dieser Messmethode berührungslos erfolgen. Hierfür wird die Messfläche mit einer leistungsstarken Lampe bestrahlt, während simultan die Oberflächentemperatur mit einem Pyrometer erfasst wird. Als Bezugsgröße für die spätere Berechnung dient hierbei die relative Temperaturerhöhung über die Messfläche in Relation zu der durch den Puls eingetragenen Wärmeenergie. 3. Umsetzung der Messung unter Laborbedingungen und Ergebnisse 3.1 Laboruntersuchung zur Temperaturmessung Aus der in Bild 2 gezeigten Simulation lassen sich wichtige Rückschlüsse auf die grundlegenden technischen Anforderungen an eine berührungslose Temperaturmessung ziehen. Der Sensor muss für eine belastbare Schichtdickenbestimmung mindestens folgende Anforderungen erfüllen: - möglichst hohe Abtastraten von mindestens 100 Hz, um dünne Schichten vermessen zu können - Genauigkeit der Temperaturauflösung von mindestens 0,1 K, um dicke Schichten vermessen zu können - Sensor muss empfindlich sein für Temperaturen unter 100 °C (ambient temperature sensor) - Sensor muss möglichst unempfindlich für die Reststrahlung der erlöschenden Lampe sein (der Einsatz eines gekühlten Shutters wurde verworfen) Diese Randbedingungen stellten, neben dem Kostenfaktor, für den Temperatursensor des Prototyps eine stark limitierende Einschränkung dar. Nach ausführlichen Tests fiel die Entscheidung eine IR-Kamera mit den unten aufgeführten Spezifikationen als Temperatursensor zu verwenden. Nähere Einzelheiten zur Sensorauswahl und Überprüfung sind in [3] beschrieben. Die für den Prototyp ausgewählte Kamera weist folgende technischen Spezifikationen auf: - Ungekühlter Bolometer-Detektor mit 160x120 Pixeln - Bis 100 Hz Bildfrequenz - Temperaturbereich -20°C … 850°C - Spektralbereich 7,5 … 13 μm Zur Bewertung der Leistungsfähigkeit der ausgewählten Kamera wurden simultan Messungen mit einer hochauflösenden IR-Kamera (gekühlter Detektor mit 640*512 Pixel, 100 Hz Aufnahmerate, Spektralbereich 8…9,4 μm). Im Folgenden wird diese, sonst in der Forschung angesiedelte IR-Kamera, als Referenz bezeichnete. Als Wärmequelle wurde bei den Laboruntersuchungen und später im Prototyp ein handelsüblicher Bühnenstrahler mit 1 kW Anschlussleistung und integrierter Fokussieroptik ausgewählt. In Bild 3 sind die gemessenen Temperaturverläufe beider Kameras für einen beschichteten Betonprobekörper während und nach einer Erwärmung durch einen Impuls mit 10 s Länge gegenübergestellt. Die abgebildeten Temperaturverläufe entsprechen hierbei dem Mittelwert über einer 0,5 cm x 1 cm großen Messfläche Die Referenzmessung wurde simultan an der gleichen Fläche durchgeführt. buch2.indb 288 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 289 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen Bild 3: Zeitliche Entwicklung der Oberflächentemperatur während und nach 10 s Erwärmung eines OS-beschichteten Probekörper, Vergleich des Rohsignals der ausgewählten IR-Kamera mit einer kalibrierten Referenz Als wesentliche Maßnahme zur Kompensation der in Bild 3 erkennbaren Messabweichungen zwischen Prototypen- und Referenzkamera wurde eine Driftkorrektur mit einem internen Referenzkörper installiert. Bei Betrachtung der relevanten Temperaturdifferenzen konnte nach Korrektur eine hinreichend genaue Übereinstimmung mit der Referenz erzielt werden (siehe Bild 4). Bild 4: Darstellung des gleichen Signalverlaufs wie in Bild 3 als Temperaturdifferenz zum Ausgangszustand, das Signal der IR-Kamera wurde bezüglich Drift und Absolutwert korrigiert Mittels eines iterativen Berechnungsalgorithmus wird das zugrundeliegende analytische Modell an die gemessenen Temperatur-Zeitverläufe mit hinreichender Genauigkeit angepasst. Die gesuchte Schichtdicke stellt dabei einen der Fitparameter dar. Aufgrund der Anzahl der im Model angewendeten Parameter, welche den berechneten zeitlichen Verlauf der Erwärmungs- und Abkühlungskurve beeinflussen, wurde für die praktische Umsetzung ein zweistufiges Verfahren konzipiert. Dabei werden die im Model berücksichtigten thermischen Eigenschaften und eine eventuelle Teiltransparenz des Beschichtungsmaterials als materialspezifischer Parametersatz separat unter Laborbedingungen bestimmt. Anhand der Vor-Ort Messung. kann dann die Schichtdicke sehr effektiv bestimmt werden. Einzelheiten der Modellierung und der Anpassung sind in [2] beschrieben. 3.2 Schichtdickenmessung unter Laborbedingungen Wie in Kapitel 3.1 beschrieben wurden für die im Folgenden beschriebenen Messungen eines OS 8 Systems vorab die für die Berechnung notwendigen Materialparameter bestimmt. Des Weiteren erfolgten die dargestellten Messungen im Labor unter Verwendung der Referenzkamera. Aufgrund einer über die Fläche applikationsbedingt uneinheitlich dicken Beschichtung waren Schichtdicken innerhalb eines Streubereiches am Probekörper präsent. Bild 5 zeigt ein Thermogramm des kompletten Probekörpers mit 20 cm Kantenlänge nach 10 s Erwärmung. Deutlich erkennbar ist eine inhomogene Erwärmung durch den kreisförmigen Halogenstrahler. Im Zentralbereich wurden Werte von 30-34°C erreicht, Ausgangstemperatur war 22,5°C. Für den Vergleich der zerstörungsfrei und herkömmlich bestimmten Schichtdicken wurden die Temperaturverläufe entlang der in Bild 5 gestrichelten Linie an mehreren Stellen bestimmt und ausgewertet. Danach wurde der Probekörper entlang der Linie geschnitten und die korrespondierenden Schichtdicken mikroskopisch gemessen. In Bild 6 sind die photothermisch bestimmten Schichtdicken über den mikroskopisch bestimmten Werten aufgetragen worden. Es zeigt sich eine gute Übereinstimmung zwischen beiden Messverfahren. Bild 5: Thermogramm der Oberfläche eines OSS-beschichteten Probekörpers nach 10 s Erwärmung, Anfangstemperatur war 22,5°C, die Zahlen zeigen tatsächliche Schichtdicken entlang der gestrichelten Linie an buch2.indb 289 13.01.20 15: 41 290 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen Bild 6: Vergleich geometrisch bestimmter und photothermisch bestimmter Schichtdicken für dem Bild 5 gezeigten Probekörper, die gestrichelte Linie verkörpert ideale Übereinstimmung, die vier vergrößerten Messpunkte entsprechen den im Bild 5 gezeigten Positionen. 4. Umsetzung im Prototyp und erste Ergebnisse 4.1 Aufbau des Prototyps Die ausgewählten Komponenten wurden zusammen mit einem Steuerrechner in ein Gehäuse integriert. Der komplette Aufbau ist im Bild 7 gezeigt. Bild 8 stellt den inneren Aufbau dar. Das gesamte Gehäuse ist ungekühlt, transportabel und wird über einen normalen 220 V Netzanschluss versorgt. Die untersuchte Fläche pro Messung beträgt 5 cm x 5 cm. Über diese Fläche kann ein variables Raster von Messpunkten für die spätere Berechnung der jeweiligen Schichtdicke gelegt werden. Die Auswertung soll in einer späteren Ausbaustufe direkt vor Ort vorgenommen werden können. Als erstes Testobjekt unter Laborbedingungen wurde der im Bild 9 gezeigte Probekörper genutzt, welcher in 3 Quadranten 3 unterschiedliche Schichtdicken der gleichen Beschichtung auf Epoxidharz-Basis aufweist. Durch eine zerstörende Messung (PIG-Schichtdickenmessgerät mit Ritzerzeugung) wurden jeweils 4- 6 Schichtdicken in den verschiedenen Quadranten ermittelt. Im Bild 9 sind die senkrecht verlaufenden Ritzspalten innerhalb der rot umrandeten Bereiche erkennbar. Das von der IR-Kamera unmittelbar nach einer Erwärmung von 5 s erfasste Thermogramm ist in Abb. 10 gezeigt. Man erkennt, dass der maximale Temperaturanstieg der Schicht rund 6 K betrug. Die thermografische Schichtdickenbestimmung erfolgte innerhalb des eingezeichneten Quadrates an den gleichen Stellen, an denen im späteren Verlauf auch die Schichtdicken zerstörend gemessen wurden. Im dargestellten Fall erfolgte die Schichtdickenbestimmung an 15 Stellen. Bild 7: Geöffneter Prototyp mit Laptop zur Steuerung der Messung und Vorauswertung vor Ort Bild 8: Blick ins Innere des Prototyps mit folgenden Komponenten: 1 Lampe mit Optik, 2 IR-Kamera, 3 Referenzkörper, 4 Relais für Lampe, 5 Messfeld, die Linie zeigt die optische Achse der IR-Kamera buch2.indb 290 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 291 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen Bild 9: Betonplatte mit 3 verschiedenen Schichtdicken einer Epoxidharz-Beschichtung beschichtet, die Schichtdicken wurden zerstörend entlang eines Ritzes bestimmt Bild 10: Thermogramm des von der IR-Kamera erfasstes Messfeldes unmittelbar nach der Erwärmung, die jeweilige Auswertung der Schichtdickte erfolgte innerhalb des eingezeichneten Quadrates an etwa 15 Stellen An jeder dieser Messstellen erhält man einen Temperatur-Zeitverlauf, welcher separat mit dem Modell ausgewertet wird. In Bild 11 ist ein Verlauf exemplarisch gezeigt (blaue Kurve). Aus der mit dem analytischen Modell angepassten Kurve resultierte eine Schichtdicke von 104 µm (rote Kurve). Insgesamt wurde die Schichtdicke an 44 Stellen innerhalb der in Bild 9 gezeigten Bereiche ermittelt. In der folgenden Grafik sind die berechneten Schichtdicken über den zerstörend gemessenen Schichtdicken aufgetragen. Der Vergleich der Messungen ergab eine Standardabweichung von 40 µm, wobei die mittlere Abweichung mit zunehmender Schichtdicke ansteigt. In Relation zur herkömmlich bestimmten Schichtdicke liegt der Fehler bei rund 10%. Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass das gewählte Verfahren zur Schichtdickenbestimmung relativ robust bezüglich der Einsatzgrenzen ist. Bild 11: Vergleich von Messdaten und optimiertem Fit mit einer Schichtdicke von 104 µm Bild 12: direkter Vergleich von zerstörend am Ritz gemessenen Schichtdicken und thermografisch (photothermisch) ermittelten Schichtdicken, die blaue Linie entspricht einer linearen Regression mit einer Standardabweichung von 40 µm 4.2 Ergebnisse beim Vor-Ort-Einsatz im Parkhaus Im ersten Vor-Ort-Einsatz sollte vor allem die Praxiseignung des Prototyps in einem Parkhaus überprüft werden. Insgesamt wurden 8 Messstellen auf 2 Ebenen untersucht. Aufgrund der erwarteten Schichtdicke des im Parkhaus vorliegenden OS11a Oberflächenschutzsystems und der erst im Anschluss im Labor durchgeführten Auswertung der Messergebnisse wurde die Dauer für jede Einzelmessung mit 9 Minuten extrem lang gewählt. Die bei diesem Messeinsatz gewonnenen Daten konnten mit dem in [2] beschriebenen analytischen Modell angefittet werden. Die Qualität der Modellanpassung ist im Bild 13 dargestellt. buch2.indb 291 13.01.20 15: 41 292 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen Bild 13: Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Oberflächentemperatur eines mit OS11a beschichteten Fußbodens eines Parkhauses, die Anpassung der mit dem analytischen Modell simulierten Kurve (rot) an die Messdaten (blau) ergab eine Gesamtdicke von 5,5 mm für die gesamte Beschichtung Für das vorliegende OS11a ergab sich eine zerstörungsfrei bestimmte mittlere Gesamtschichtdicke von 5,5 mm. Im Anschluss an die thermografische Schichtdickenbestimmung konnten an einigen Messstellen Bohrkerne entnommen und im Labor mikroskopisch vermessen werden. Bild 14 zeigt exemplarisch die Gesamtschichtdicke des OS11a Systems unter dem Mikroskop. Die mikroskopisch bestimmte mittlere Gesamtschichtdicke lag bei 5,9 mm. Bild 14: Exemplarische Darstellung der mikroskopischen Schichtdickenmessung an einem Bohrkern aus der zuvor mit dem Prototyp gemessenen Stelle. Die mittlere Gesamtschichtdicke liegt bei 5,9 mm Der Vor-Ort-Einsatz belegte die Praxistauglichkeit des entwickelten Prototyps jedoch auch eine relativ grobe Übereinstimmung der vorliegenden Schichtdicke. 5. Zusammenfassung und Ausblick Es konnte gezeigt werden, dass eine photothermische Schichtdickenmessung an OS-Systemen auf Beton unter Laborbedingungen realisierbar ist. Zur quantitativen Auswertung wird ein analytisches Modell verwendet, welches neben den Materialparametern und Pulsform auch Wärmeverluste berücksichtigt [2]. Die Berechnung der Schichtdicken basiert auf einer Multiparameter-Anpassung, wobei die Schichtdicke einen der Parameter darstellt. Für ein epoxidharzbasiertes OS-System konnte auf diese Weise die Schichtdicke exakt und zerstörungsfrei bestimmt werden. Bei der Überführung des Messprinzips in einen baustellentauglichen Aufbau konnte nach der Einbindung von Korrekturalgorithmen eine preisgünstige IR-Kamera als Temperatursensor ausgewählt werden, was sich positiv auf die Gerätekosten auswirkt. Die praxisnahe Anwendung des Geräts an einer realen Beschichtung auf einer Betonplatte ergab eine Messungenauigkeit von rund 10%, bezogen auf die vorliegende Schichtdicke. Des Weiteren konnte der Prototyp seine Praxistauglichkeit bei einem Vor-Ort-Einsatz in einem Parkhaus beweisen. Die Vor-Ort-Messungen zeigten jedoch auch, dass das auf gleichbleibenden Materialparametern basierende analytische Modell bei der Anwendung auf mehrschichtigen Systemen mit divergierenden Materialparametern an seine Grenzen stößt. Die Anpassung des Modells ist Gegenstand der laufenden Untersuchungen. Die Evaluierung des gesamten Verfahrens ist Gegenstand eines Nachfolgeprojektes, bei dem am Ende der Projektlaufzeit ein Normentwurf für das neue Verfahren verfasst werden soll. Die dafür notwendigen Messreihen werden sowohl im Labor als auch mit dem entwickelten Prototyp zurzeit durchgeführt. Bei erfolgreichem Abschluss stünde ein zerstörungsfreies Messverfahren für OS-Systeme auf Betonböden zur Verfügung, welches die bisher verfügbaren zerstörenden Verfahren ablösen könnte. 6. Schlusswort Die hier vorgestellte Arbeit war Gegenstand des ZIM-Projektes IRKUTSK mit dem Förderkennzeichen KF2201089AT4 und wurde gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Das Folgeprojekt wird gefördert durch „WIPANO - Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen“ vom Forschungszentrum Jülich durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Literatur [1] D. P. Almond and P. M. Patel, Photothermal Science and Techniques (PHYSICS AND ITS APPLICA- TION). London: Chapman & Hall, 1996, p. 241. buch2.indb 292 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 293 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen [2] S. Altenburg, R. Krankenhagen, and F. Bavendiek, “Thickness determination of polymeric multilayer surface protection systems for concrete by means of pulse thermography,” in QNDE conference 2016 - Review of progress in quantitative nondestructive evaluation, Atlanta, GA, 2016, vol. 1806: AIP Publishing. [3] R. Krankenhagen and S. J. Altenburg, “Direct comparison of two pyrometers and a low-cost thermographic camera for time resolved LWIR temperature measurements,” (in English), Thermosense: Thermal Infrared Applications XXXIX, vol. 10214, 2017. buch2.indb 293 13.01.20 15: 41 buch2.indb 294 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 295 Wie lange noch? - Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkdecks mit Chlorideinwirkung mittels Einbezug von LIBS-Untersuchungen Dr. Matthias Lierenfeld Valtest AG, CH-Lalden Nathan Metthez Valtest AG, CH-Lalden Philipp Truffer Valtest AG, CH-Lalden Zusammenfassung Bei Tragwerken müssen die Anforderungen an die Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit eingehalten werden. Um die vereinbarte Nutzungsdauer zu erreichen, müssen sie zudem noch dauerhaft sein, damit sie bei Beanspruchungen durch Einwirkungen aus Betrieb und Umwelt genügend beständig sind. Bei Neubauten wird die Dauerhaftigkeit der Betonbauteile aktuell noch durch die Einhaltung von empirischen Erfahrungswerten erreicht. Diese normbasierten Regelungen umfassen in Abhängigkeit der Exposition des Bauteils im Wesentlichen Vorgaben bezüglich der Mindestzementmenge, dem maximalen Wasser-Zementwert sowie der Einhaltung einer minimalen Bewehrungsüberdeckung. Bei der Beurteilung von bestehenden Betonbauwerken und insbesondere bei Fragestellungen, inwieweit die vorgesehene Nutzungsdauer aufgrund des Alters und der Beanspruchung erreicht werden kann, liefern die oben erwähnten deskriptiven Regelungen jedoch keine Hilfestellung. In den letzten Jahren wurden vermehrt leistungsbasierte Konzept zur Bemessung der Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauwerken hinsichtlich Betonstahlkorrosion entwickelt. Mittels sogenannten semiprobabilistischen Nachweiskonzepten zur Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung stehen heute entsprechende Hilfsmittel zur Beantwortung der oben aufgeführten Fragestellungen zur Verfügung. Im vorliegenden Beitrag wird hierauf unter Einbezug von Messdaten und -auswertungen aus LIBS (Laser-induzierte Breakdown Spektroskopie) -Untersuchungen eingegangen. 1. Ausgangslage Bauwerke müssen tragsicher, gebrauchstauglich und im Normalfall auch dauerhaft sein. “Damals dachte man, Beton halte ewig.” - eine Aussage des Brückenbauers Michel Virogeux1 zum Einsturz des Polcevera-Viadukts 2018 in Genua. Das Thema Dauerhaftigkeit von Beton ist nicht erst seit der erwähnten Katastrophe aktuell. Ihr wird seit längerer Zeit vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Gemäss Prof. Ueli Angst von der ETH Zürich verursachen korrosionsbedingte Schäden jährlich Kosten in der Grössenordnung von 3% des Bruttoinlandprodukts in der Schweiz. Stahlbeton ist unter der Voraussetzung, dass er fachgerecht hergestellt und verarbeitet sowie optimal nach- 1 Schweizerische Bauzeitung TEC21, 22.02.2019, Nr. 7-8 behandelt wurde, eigentlich ein dauerhafter Baustoff. Stark und Wicht definieren in [14] die Dauerhaftigkeit von Beton dementsprechend, dass Bauteile aus Beton bei Beanspruchungen durch Einwirkungen aus Betrieb und Umwelt über die vorgesehene Nutzungsdauer bei ausreichender Wartung und Instandhaltung genügend beständig sind. Während für den Nachweis der Tragsicherheit und der Gebrauchstauglichkeit entsprechende Bemessungs- und vielfach normenbasierte Nachweisverfahren vorhanden sind, werden die Anforderung an die Dauerhaftigkeit über erfahrungsbasierte, empirische Regeln abgehandelt. Je nach Exposition des Betonbauteils muss der Beton hierbei eine Mindestzementmenge, einen maximalen Wasser-Zementwert und eine mininale Bewehrungsüberdeckung aufweisen sowie eine optimale Nachbehandlung gewährleistet werden. Es handelt sich bei diesen Vorgaben um rein empirische Werte. Mit der Einhaltung buch2.indb 295 13.01.20 15: 41 296 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wie lange noch? - Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkdecks mit Chlorideinwirkung mittels Einbezug von LIBS-Untersuchungen dieser deskriptiven Regelungen aus der Betonnorm EN 206 [10] wird davon im Grundsatz ausgegangen, dass damit Bauteile aus Beton eine Nutzungsdauer von 50 Jahren erreichen. Betonbauteile unterliegen vielfältigen und hohen Beansprchungen aus nutzungs- und umweltbedingten Einwirkungen. Die dadurch ausgelösten Schäden nehmen über das Bauteilalter progressiv zu und verursachen erhebliche Kosten. Bei Fragen zur weiteren Schadensentwicklung und zur Restnutzungsdauer, versagen jedoch oben erwähnte deskriptive Ansätze mangels fehlender Informationen zur Zusammensetzung der Baustoffe. Bei Einwirkungen auf Betonbauteile infolge Karbonatisierung und/ oder Chloridbeaufschlagung liefern semiprobabilistische Bemessungsansätze hierzu bessere und wertvolle Lösungsansätze. 2. Bemessung der Dauerhaftigkeit und Lebensdauerprognose Bei neu zu erstellenden Bauwerken gilt es die Dauerhaftigkeit (Lebensdauer) zu bemessen, bei bestehenden Bauten wird hingegen eine Lebensdauerprognose (wie lange noch? ) erforderlich. Grundsätzlich bestehen bei semiprobabilistischen Dauerhaftigkeitsbemessungen, welche nachfolgend näher erläutert werden, keine Unterschiede ob diese bei einer Dauerhaftigkeitsbemessung (Neubau) oder einer Lebensdauerprognose (Bestandesbau) zur Anwendung kommen. Es finden die gleichen Schädigungs-Zeit-Gesetze, probabilistischen Methoden und Grenzzustandsdefinitionen Verwendung. Nachfolgend wird schwergewichtig auf die Lebensdauerprognose bei bestehenden Bauwerken eingegangen werden. Eine nachhaltige Instandsetzungsplanung erfordert gemäss der DAfStb-Instandsetzungsrichtlinie [1] eine detaillierte aktuelle Zustandserfassung des betroffenen Betonbauwerks. Hierbei gilt es u.a. auch Schäden und deren Schädigungsentwicklung zu bewerten, welche einen wesentlichen Einfluss auf die Dauerhaftigkeit des Betons ausüben. Mit dem heutigen deskriptiven Ansatz ist eine wirkliche Dauerhaftigkeitsbemessung jedoch nicht möglich. Trotzdem sollten Fachleute fundierte Aussagen zur weiteren Entwicklung der Schädigung am Bauwerk (Lebensdauerprognose) und über mögliche einzuleitende Massnahmen machen können, damit das Bauwerk die angestrebte Nutzungsdauer erreicht. Aussagen zur Restnutzungsdauer oder zu Instandsetzungsmassnahmen sollten nicht willkürlich getätigt werden, sondern auf der Berechnung des fortschreitenden d.h. zeitabhängigen Dauerhaftigkeitsverlusts beruhen. 3. Dauerhaftigkeitsrelevante Schädigungen Im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauteilen ist die karbonatisierungs- und chloridinduzierte Bewehrungskorrosion bei zahlreichen Bauwerken die wesentlichste Schadensbeanspruchung. Für die Beurteilung dieser Schädigungsmechanismen können heutzutage semiprobabilistische Nachweiskonzepte zur Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung angewandt werden. Bei der Frost-Tausalz-Beanspruchung von Beton laufen derzeit Forschungsvorhaben mit dem Ziel ebenfalls Modelle für eine entsprechende Lebensdauerbemessung zu erhalten (siehe [15]). Nachfolgend wird dabei schwergewichtig auf die Bewehrungskorrosion im Beton eingegangen. Der Stahl im Beton ist durch die Alkalität der Porenlösung (pH-Wert 12.5 bis 13.5) vor Korrosion geschützt. Die mikroskopisch dünne Passivschicht unterbindet dabei die anodische Eisenauflösung. Wenn der pH-Wert des Betons infolge Karbonatisierung unter ca. 9.0 abfällt oder der Chloridgehalt des Betons einen charakteristischen kritischen Grenzwert überschreitet, geht die Passivschicht und damit auch der Korrosionsschutz der Bewehrung verloren. Der entsprechende Schädigungsablauf verläuft bei einer karbonatisierungs- oder chloridinduzierten Bewehrungskorrosion grundsätzlich gleich ab (siehe Abb. 3-1). In der Einleitungs- oder Initiierungsphase dringen die Karbonatisierungfront, Chloride oder andere schädlichen Bestandsteile aus der Umgebung zur Oberfläche der Bewehrung vor. Während dieser Phase sind am Bauwerk noch keine eigentlichen Schädigungen festzustellen. Am Ende dieser Phase ist die Passivschicht nicht mehr stabil, d.h. die Bewehrung ist depassiviert. Abb. 3-1: zeitliche Entwicklung der Bauteilschädigung durch Bewehrungskorrosion [Tuutti, K., CBI Research No. Fo 4: 82] In der Zerstörungsphase beginnt die eigentliche Schädigung der Bewehrung aufgrund der einsetzenden Korrosion , welche sich je nach Grad der Schädigung zuerst in Form von auftretenden Rissen und anschliessend fortschreitend mit Abplatzungen über den Bewehrungen zeigt. Das Erreichen des Grenzzustands bedeutet schliesslich, dass ein bestimmter Grad der Zerstörung erreicht worden ist, bei welchem entweder eine umgehende Instandsetzung/ Verstärkung erforderlich wird oder das Ende der Lebensdauer des Bauteils erreicht worden ist. buch2.indb 296 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 297 Wie lange noch? - Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkdecks mit Chlorideinwirkung mittels Einbezug von LIBS-Untersuchungen 4. Deskriptiver Dauerhaftigkeitsansatz Bei der Beurteilung des aktuellen (Korrosions)-Zustands und der Einleitung von möglichen Massnahmen bei Stahlbetonbauten stehen heute zahlreiche Grundlagen in Form von Richtlinien und Normen zur Verfügung. So sind in der DAfStb-Instandsetzungsrichtlinie [1] verschiedene Prinzipien und Verfahren bei unterschiedlichen Einwirkungen und Schädigungsgraden beschrieben. Dabei wird beispielsweise beim Verfahren 7.2 „Ersatz von schadstoffhaltigem oder karbonatisiertem Beton“ vorgeschlagen, bei grossen Chlorideindringtiefen den Beton bis mindestens 30 mm hinter die Bewehrung zu entfernen. Dabei darf der Chloridgehalt im verbleibenden Altbeton 1.5 M-% bezogen auf den Zementgehalt nicht überschreiten (siehe Abb. 4-1). Bei dieser Vorgabe handelt es sich um einen Erfahrungswert. Abb. 4-1: Verfahren 7.2 „Ersatz von schadstoffhaltigem oder karbonatisiertem Beton“ (aus [1]), Tiefe des kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalts über 30 mm hinter der Bewehrung (deskriptiver Ansatz) Höhere verbleibende Chloridgehalt über 1.5 M-% bez. auf den Zement sind nur bei entsprechenden Nachweisen zulässig. Im Kapitel 5 der erwähnten Richtlinie sind hierzu informative Verfahren zur einfachen Abschätzung sowie auf semiprobabilistischer und probabilistischer Grundlage aufgeführt. Das Verfahren 7.7 „Beschichtung“ darf bei Chlorideinwirkung nur dann angewendet werden, wenn sichergestellt ist, dass durch die Umverteilung der bereits im Altbeton vorhandenen Chloride über den Zeitraum der Restnutzungsdauer keine Depassivierung der Bewehrung erfolgen kann. Dies kann als gegeben angenommen werden, wenn der Abstand des kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalts zur Bewehrungsoberfläche mindestens 10 mm beträgt (siehe Abb. 4-2). Abb. 4-2Verfahren 7.7 „Beschichtung“ (aus [1]), Tiefe des kritischen korrosionsauslösenden bei Chloridbeaufschlagung (deskriptiver Ansatz) Diese und andere Vorgaben berücksichtigen nicht die konkrete materialtechnologische Situation oder die effektiv vorhandene Exposition. Es handelt sich dabei um eine Art „Rezeptvorschläge“, um auf die sichere (? ) Seite zu gelangen. 5. Semiprobabilistisches Bemessungsmodell 5.1 Modellansatz Im Bereich der Tragsicherheit und der Gebrauchstauglichkeit hat sich das semiprobabilistische Sicherheitskonzept auf der Basis von Grenzzuständen durchgesetzt. Dabei werden zufallsverteilte Einwirkungen E den ebenfalls zufallsverteilten Tragwiderständen R gegenübergestellt. Da für beide Zufallsgrössen vielfach unzureichende empirische Kenntnisse vorliegen, wird der Ansatz dementsprechend so gewählt, dass zwischen den Bemessungswerten der jeweiligen Verteilungsfunktionen ein genügend grosser Sicherheitsabstand vorliegt. Ein Versagen des Tragwerks d.h. Überschreiten des Grenzzustands wird vermieden, wenn folgende Bedingung eingehalten wird: R - E > 0 (1) Bei der leistungsbezogenen Dauerhaftigkeitsbemes-sung wird nun das gleiche Grundprinzip herangezogen. Den möglichen Beton- und Bauteilwiderständen werden die zu erwartenden umgebungsbedingten Beanspruchungen aus der jeweiligen Exposition gegenübergestellt. Als Grenzzustand bei der Bewehrungskorrosion wird festgelegt, das eine Depassivierung der Betonstahloberfläche ausgeschlos-sen werden kann. Die Stahloberfläche wird dabei, wie oben beschrieben, entweder durch die Karbonatisierung oder durch eindringende Chloride depassiviert. Beim semiprobabilistischen Nachweiskonzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung von Stahlbetonbauteilen unter Chlorideinwirkungen wird eine mögliche Depassivierung des Betonstahls durch das Erreichen eines kribuch2.indb 297 13.01.20 15: 41 298 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wie lange noch? - Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkdecks mit Chlorideinwirkung mittels Einbezug von LIBS-Untersuchungen tischen korrosionsauslösenden Chloridgehalts auf Höhe der Betonstahloberfläche zugrunde gelegt [4]. Mit dem Erreichen dieses kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalts an der Betonstahloberfläche ist der Grenzzustand für die chloridinduzierte Betonstahlkorrosion erreicht [3]. Es gilt dann folgende Grenzzustandsgleichung g(X,t) = C crit - C(c, t SL ) (2) Darin sind: C crit kritischer korrosionsauslösender Chloridgehalt [M-%/ b] C(c,t SL ) Chloridgehalt an der Betonstahloberfläche zum Zeitpunkt t SL [M-%/ b] c Bewehrungsüberdeckung [m] t SL Nutzungsdauer (Service Life) [Jahr] Die Zustandsprognose erfolgt durch eine Zuverlässigkeitsanalyse mit Hilfe der Grenzzustandsgleichung (2) und durch Festlegung eines Zielwertes des Zielzuverlässigkeitsindex β 0 , mit welchem die Anforderung an die Sicherheit des Bauwerks für den betrachteten Zeitpunkt ausgedrückt wird. Bei der vorliegenden Modellbetrachtung gilt es zu beachten, dass sich die Aussagen ausschliesslich auf den Zeitpunkt der Korrosionsinitiierung d.h. den Beginn der Schädigungsphase (siehe Abb. 3-1) beziehen. Der weitere Korrosionsprozess kann aktuell modellmässig noch nicht abgebildet werden. Zudem gilt das Modell nicht im Bereich von gerissenen Bauteilen, da hier andere, sich z.T. überlagernde Transportmechanismen wirken. 5.2 Widerstand In der Grenzzustandsgleichung (2) stellt der kritische korrosionsauslösende Chloridgehalt den Widerstand dar. Dabei handelt es sich um einen angenommenen Schwellenwert, der u.a. von der Dicke und Qualität der Betondeckung abhängig ist. In der Wissenschaft ist man sich im Grundsatz einig, dass es nicht einen fixen für alle Anwendungen gleichbleibenden Wert für den kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt gibt. Er ist von einer Vielzahl von Parametern abhängig. Die Schweizer Norm SIA 269/ 2 [17] beschreibt, dass bei Chloridgehalten < 0.4 M-%/ Z kaum Korrosion vorhanden und zwischen 0.4 bis 1.0 M-%/ Z Korrosion möglich ist. In [8] wird ein unterer Grenzwert des Chloridgehalts von 0.5 M-% bez. auf den Zementgehalt für den kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt bestätigt. Verschiedenste Untersuchungen zeigen, dass der kritische korrosionsauslösende Chloridgehalt sehr stark streuen kann (0.04 … 8.34 % Chlorid bezogen auf das Zementgewicht [11]). „Eine verlässliche Abschätzung der verbleibenden Zeit bis zur Korrosionsinitiierung ist damit nach dem heutigen Stand des Wissens nicht möglich.“ [11]. Bei den vereinfachten Methoden der semiprobabilistischen Dauerhaftigkeitsbemessung wird für den kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt eine statistische Betaverteillung mit einem Mittelwert von 0.6 M-%/ z eq angenommen [4]. Es handelt sich folglich zwar um eine Zufallsgrösse mit einer entsprechenden Streuung, aber berücksichtigt damit weder die lokalen noch die materialtechnologischen Gegebenheiten. Angst et al. beschreibt in [11] ein standardisiertes Verfahren zur Bestimmung des kritischen Chloridgehalts im Labor. Dabei werden Probekörper aus einem chloridbelasteten Bauwerk entnommen und nach einer entsprechenden Präparation ausgelagert (Chloridexponierung). Durch einen Chlorideintrag durch den Überdeckungsbeton wird rein über Diffusion ein Chloridtransport bis zur Bewehrung ausgelöst. Die Detektion der Korrosionsinitiierung erfolgt mittels Potenzialmessung. Sobald das Potenzial ausgehend von einem ursprünglich definierten Passivlevel innerhalb von 24 Stunden um 150 mW abfällt und anschliessend das Potenzial während 7 Tagen auf diesem Niveau verweilt, so wird dies als der stabile Anfang der Korrosionsinitiierung angenommen (siehe Abb. 5-1). Abb. 5-1Kriterium der Korrosionsinitiierung zur Bestimmung des kritischen Chloridgehalts gemäss RILEM TC 235-CTC (aus [11]) Die Untersuchungen von Angst et al. zeigten, dass teilweise sehr hohe Chloridgehalte tolerierbar sind, ohne das Korrosion einsetzt. Der oben erwähnte kritische Chloridgehalt von 0.4 M-%/ Z kann dabei als sehr konservativ betrachtet werden. Insgesamt steht folglich ein Instrument zur Verfügung, welches es ermöglicht bauteilbezogen im konkreten Fall den effektiven kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt zu bestimmen. 5.3 Einwirkung Der vorhandene Chloridgehalt an der Betonstahloberfläche zum Zeitpunkt t repräsentiert die Einwirkung [3]. Die Grenzzustandsgleichung (2) kann somit auch wie folgt beschrieben werden: g(X,t) = c x crit (t SL ) (3) buch2.indb 298 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 299 Wie lange noch? - Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkdecks mit Chlorideinwirkung mittels Einbezug von LIBS-Untersuchungen x crit (t SL ) Tiefenlage des kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalts zum Zeitpunkt t SL [m] Zur Abschätzung des Zeitraums vom Beginn der Chloridbeaufschlagung bis zur Depassivierung des Betonstahls (Initiierungsphase) wird der zeit- und tiefenabhängige Chlorideindringverlauf im Beton bestimmt. Es handelt sich dabei um einen Diffusionsprozess gemäss des zweiten Fick’schen Diffusionsgesetz (aus [4]). (4) C(x,t) Chloridgehalt [M-%/ z eq ] in der Tiefe x von der Bauteilbzw. Probekörperoberfläche [mm] zum Zeitpunkt t C S,Δx Chloridgehalt an der Bauteiloberfläche (bei Δx=0) bzw. in der Tiefe Δx zum Beoachtungszeitpunkt in Abhängigkeit der anstehenden Chloridquelle, welche als konstante Einwirkung angenommen wird (Oberflächenchloridgehalt) [M-%/ z eq ] Δx Tiefenbereich, in dem ggf. das Chlorideindringverhalten durch intermittierende Chlorideinwirkung vom Fick’schen Diffusionsverhalten abweicht [mm] C 0 Eigenchloridgehalt des Betons [M-%/ z eq ] D app(t) scheinbarer Chloriddiffusionskoeffizient des Betons [mm 2 / Jahr] zum Zeitpunkt t t Zeitdauer vom Beginn der Beaufschlagung bis zur Inspektion bzw. die Lebensdauer [Jahr] erfc Komplementäre der Gauss’schen Fehlerfunktion (=1-erf) Für die Ermittlung der Restnutzungsdauer werden folgende Parameter bestimmt: - scheinbarer Chloriddiffusionskoeffizient D app(t0) - der Altersexponent α app (siehe Abb. 5-3) - der Oberflächenchloridgehalt bzw. der Chloridgehalt in der Tiefe Δx (Konvektionszone) C S, Δx - die Mindestdeckung c min (5%-Quantil der am Bauteil gemessenen Betondeckung) Weitere Eingangsparameter werden aus dem Chloridprofil abgeleitet. Der scheinbare Chloriddiffusionskoeffizient zum Zeitpunkt der Inspektion D app(tinsp) sowie der Oberflächenchloridgehalt bzw. der Chloridgehalt in der Tiefe Δx (Konvektionszone) C S, Δx,insp werden durch eine Regressionsanalyse unter Verwendung der Gleichung (4) berechnet [4]. Abb. 5-2: Ermittlung von D test(t0) und C s,0 bzw. C s,Δx anhand von Chloridprofilen aus bestehenden Bauwerken oder Laborkurzzeitversuch [3] Abb. 5-3: Ermittlung des Altersexponenten α nss mittels Regressionsanalyse an Chloridiffusionskoeffizienten D nss [3] buch2.indb 299 13.01.20 15: 41 300 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wie lange noch? - Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkdecks mit Chlorideinwirkung mittels Einbezug von LIBS-Untersuchungen 6. Laser-induzierte Breakdown Spektroskopie (LIBS) Die Laser-induzierte Breakdown Spektroskopie (LIBS) ist ein berührungsloses Analyseverfahren zur Untersuchung von Baustoffen. Das Resultat ist eine zweidimensionale Darstellung der Elementverteilung der untersuchten Baustoffoberfläche. Bei der Messung kann die Probenoberfläche mit einem minimalen Raster von 0.1 x 0.1 mm automatisiert abgescannt werden. Mit einem hochenergetischen Laserpuls werden kleinste Materialmengen an der Oberfläche der Probe verdampft und in ein Plasma (Temperaturen von > 10.000° K) überführt, in dem die chemischen Bindungen aufgebrochen werden. Nach Beendigung der Energiezufuhr kühlt das Plasma ab und zerfällt wieder («breakdown»). Durch Spektralanalyse des vom Plasma emittierten Lichts können Spektrallinien identifiziert werden, was eine Analyse von einzelnen Elementen ermöglicht. Durch dieses Messprinzip sind grundsätzlich alle Elemente des Periodensystems zeitgleich nachweisbar. Es können alle für die Zusammensetzung des Zements und der Gesteinskörnung sowie die für die Schädigungsprozesse im Beton relevanten Elemente (z.B. Chlor, Schwefel, Natrium, Kalium, Kohlenstoff und Stickstoff) erfasst und bestimmt werden. Durch die Verwendung von Standards kann eine Kalibrierung und somit auch eine Quantifizierung der Ergebnisse ermöglicht werden. Abb. 6-1a) Schematische Darstellung des verwendeten Messprinzips des LIBS-Messgeräts bei der Valtest AG. b) Foto eines erzeugten Plasmas auf einer Betonoberfläche. c) Typischen Messspektrum eines Betons im Wellenlängenbereich von 276 nm zu 322 nm (modifiziert nach BAM (2018)). LIBS kann u.a. bei den folgenden Fragestellungen angewendet werden: - Nachweis der Chlorverteilung und des -gehalts in der Bindemittelmatrix - Nachweis der Karbonatisierungsfront und -verteilung im Beton - Ermittlung von bauschädlichen Salzen z.B. Sulfatgehalt und -verteilung bei biogener Schwefelsäurekorrosion - Bestimmung des Eintrags von Alkalien (Alkaliengehalt) in den Beton bei AAR-Untersuchungen - Visualisierung von Transport- und Umverteilungsvorgängen innerhalb des Betons - Kennwertermittlung (scheinbarer Chloridiffusionskoeffizient) bei semiprobabilistischen Dauerhaftigkeitsbemessungen (Ermittlung von Restnutzungsdauern oder Bemessung von Schichtdicken für Betonersatz bei Chloridbeaufschlagung) - Identifizierung von Zusatzstoffen wie z.B. Silikastaub im Festbeton - Nachweis von Zusatzmitteln wie z.B. Beschleuniger im Spritzbeton - Bestimmung von Schadstoffen oder Kontaminationen im Beton - Messung der Eindringtiefe des Wirkstoffs bei Hydrophobierungen - Nachweis von spezifischen Elementen bei belastetem Strahlenschutzbeton Das LIBS-Verfahren bietet dabei folgende Vorteile: - Die Probe wird zweidimensional abgescannt und die Elementverteilung ortsaufgelöst dargestellt. Die Heterogenität des Betons wird bei der Ergebnisdarstellung berücksichtigt, da die Gesteinskörnung durch die Verwendung von bestimmten Algorithmen ausgeschlossen werden kann). buch2.indb 300 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 301 Wie lange noch? - Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkdecks mit Chlorideinwirkung mittels Einbezug von LIBS-Untersuchungen - Die Elementgehalte können quantifiziert dargestellt werden. - Durch die simultane Detektion von unterschiedlichen Elementen können mehrere für eine mögliche Schädigung in Frage kommende Einflussgrössen gleichzeitig analysiert werden (Multi-Element-Analyse). - Die Probenvorbereitung und -präparation ist einfach und schnell. Durch das automatisierte Messverfahren liegen die Resultate innert kürzester Zeit vor. Mittels Auswertungen von Chloridprofilen aus LIBS-Messungen ist es nun möglich die erforderlichen Eingangsparameter für eine semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung zu bestimmen. 7. Anwendungen Nachfolgend sollen einige konkrete Anwendungen von LIBS-Analysen bei Dauerhaftigkeitsbemessungen vorgestellt werden. Die nachfolgenden Auswertungen beruhen auf durchgeführten LIBS-Untersuchungen an aus dem Bauwerk entnommenen Bohrkernen. Dabei ist zu beachten, dass dabei der kritische korrosionsauslösende Chloridgehalt jeweils angenommen und nicht mit dem unter Kapitel 5.2. beschriebenen Verfahren von Angst et al. bestimmt wurde. 7.1 Beispiel Parkhausdecke ohne Schutzbeschichtung Bauwerksalter: 40 Jahre Abb. 7-1oben: flächige Darstellung der Chlorverteilung mit Ausschluss der Gesteinskörnung unten: Chloridtiefenprofil mit dem Konvektionsbereich in einer Tiefe zwischen rund 5 bis 10 mm Konvektionsbereich Abb. 7-2: Mittels Regressionsanalyse (Methode der kleinsten Fehlerquadrate) wurden die gefittete Kurve und daraus die Eingangsparameter für die Lebensdauerbemessung ermittelt: - C 0 =0.04 M-%/ Z - C s,Δx,insp =0.83 M-%/ Z - D app(tinsp) =0.328·10 -12 m 2 / s - Δx=9.75 mm 7.2 Beispiel Parkhausdecke mit Hartbetonbelag Bauwerksalter: 12 Jahre Die ortsaufgelöste Darstellung der Chlorverteilung in Abb. 7-3 zeigt, dass der porösere Hartbetonbelag (Schichtstärke ca. 35 mm) die Chloride wie ein Schwamm aufgesogen hat. Abb. 7-3: oben: flächige Darstellung der Chlorverteilung mit Ausschluss der Gesteinskörnung unten: nummerisch ermittelte Fittingkurve Bei einem zweischichtigen System erfolgt die Bestimmung der gefitteten Kurve nummerisch. Es wurden dabei folgende statistischen Parameter gewählt: - Zuverlässigkeitsindex β 0 =1.5 - Teilsicherheitsbeiwert für den Altersexponent γ a =1.2 - Mindestbewehrungsüberdeckung 5%-Quantil buch2.indb 301 13.01.20 15: 41 302 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wie lange noch? - Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkdecks mit Chlorideinwirkung mittels Einbezug von LIBS-Untersuchungen Die Auswertung lieferte folgende Ergebnisse: 7.3 Beispiel Parkhausdecke mit nachträglicher Schutzbeschichtung Parkhaus mit Hartbetonbelag, Bauwerksalter 2 Jahre (siehe Beispiel in 7.2.) In diesem Beispiel sind erste Überlegungen aufgezeigt, was geschieht, wenn auf eine chloridbelastete Betonoberfläche nachträglich ein wasser- und dampfdichtes Oberflächenschutzsystem aufgebracht wird. Kommt es zu einer Umverteilung der Chloride im Beton und in welcher Zeit? Die Abbildung 7-4 stellt den Ist-Zustand dar. Abb. 7-4Ist-Situation , oben: flächige Darstellung der Chlorverteilung mit Ausschluss der Gesteinskörnung unten: Chloridtiefenprofil Die folgende Abbildung 7-5 zeigt die Analyse der Chloridverteilung zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach der Applikation eines vollflächigen Oberflächenschutzsystems. Nachdem eine weitere Chloridzufuhr nicht mehr möglich ist, kommt es im Hartbeton mit der Zeit zu einem Konzentrationsausgleich. Gleichzeitig steigt im bewehrten Konstruktionsbeton der Chloridgehalt an, erreicht aber auch mit fortschreitendem Alter nicht einen vergleichbaren Wert wie im Hartbeton. Der kritische Chloridgehalt auf Höhe der Bewehrung wird nach rund weiteren 25 Jahren (Restnutzungsdauer) erreicht. Abb. 7-5: Chloridumverteilung im Hartbeton und Konstruktionsbeton über die Zeit 8. Fazit Mittels LIBS-Auswertungen erhält man eine, gegenüber nasschemisch ermittelten Chloridprofilen, präzisere Datengrundlagen für semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessungen. Wenn zusätzlich noch die effektiv vorhandene kritische korrosionsauslösende Chloridgehalt am Bauwerk bestimmt werden kann, sind relativ gute d.h. fundierte Aussagen hinsichtlich einer Restnutzungsdauer des Bauwerks möglich. Dabei sind jedoch folgende Einschränkungen zu beachten: - Die Auswertungen beruhen auf punktuell ermittelten Probenahmen am Bauwerk. Hierzu folgendes Zitat aus [3]: «Die Lage der Probestellen sowie der Ablauf der Probenahme sind vor grosser Bedeutung. Die Chloridproben müssen expositionsgerecht und aus repräsentativen Stellen entnommen werden und keine Singularitäten z.B. Risse beinhalten. Eine nicht sachgerechte Probenahme und Festlegung von Probenahmestellen führt zu Ermittlung von Chloridgehalten, die zu fehlerhaften Bewertung des Bauteils sowie des Modells führen.» - Die Aussagen beziehen sich auf ungestörte bzw. ungeschädigte Betonbauteile. So sind beispielsweise bei Rissen separate Betrachtungen erforderlich. - Die Ergebnisse beziehen sich auf das Ende der Einleitungsphase bzw. den Beginn der Schädigungsphase. Wie und in welcher Zeitspanne der anschliessende Korrosionsprozess abläuft, kann mit dem vorliegenden semiprobabilistischen Bemessungsmodell nicht vorhergesagt werden. buch2.indb 302 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 303 Wie lange noch? - Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkdecks mit Chlorideinwirkung mittels Einbezug von LIBS-Untersuchungen Literatur [1] DAfStb Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: DAfStb-Richtlinie Instandhaltung von Betonbauteilen, Gelbdruckentwurf (Stand: 2016-06-04) [2] DAfStb Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: Dauerhaftigkeitsbemessung von Stahlbetonbauteilen auf Bewehrungskorrosion, Teil 1: Systemparameter der Bewehrungskorrosion, Heft 601, 2012, Teil 2: Rissbildung infolge Bewehrungskorrosion, Heft 602, 2012 [3] Rahimi A.: Semiprobalistisches Nachweiskonzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauteilen unter Chlorideinwirkung, DAfStb Deutscher Ausschus für Stahlbeton, 2017, Heft 626 [4] BAW Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe: Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauwerken bei Carbonatisierung und Chlorideinwirkung (MDCC), BAW-Merkblatt Ausgabe 2017 [5] Rahimi A.: Vereinfachtes Nachweiskonzept zur leistungsbezogenen Bemessung von Stahlbetonbauten hinsichtlich chloridinduzierter Betonstahlkorrosion, BAW Mitteilungen Nr. 100/ 2017 [6] Rahimi A.; Gehlen Ch.: Semiprobabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung von Stahlbetonbauteilen unter Chlorideinwirkung Beton- und Stahlbetonbau 113(2018), Heft 1 [7] Rahimi A., Gehlen Ch.: Leistungsbezogene Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung hinsichtlich chloridinduzierter Betonstahlkorrosion - Ermittlung der Restnutzungsdauer und Schichtdickenbemessung beim Betonersatz, 5. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken, 2017, Technische Akademie Esslingen [8] Breit W. et al: Zum Ansatz eines kritischen Chloridgehaltes bei Stahlbetonbauwerken, Beton- und Stahlbetonbau 106(2011), Heft 5 [9] Kapteina, G.: Eindringen von Chlorid in Strassenbauwerke, 5. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken, 2017, Technische Akademie Esslingen [10] EN 206: 2013 Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität [11] Angst U. et al: Methode zur Bestimmung des kritischen Chloridgehaltes an bestehenden Stahlbetonbauwerken, Forschungsauftrag AGB 2012/ 010 Bundesamt für Strassen, Bern [12] Weise F., Millar St., Wilsch G.: Analyse des Tausalzeintrags in Fahrbahndeckenbetone mit neurartiger Prüftechnik, Beton- und Stahlbeton 113 (2018), Heft 9 [13] Millar St. et al. Laser Induced Breakdown Spektroscopy (LIBS) im Bauwesen - automatisierte Baustoffanalyse; Beton- und Stahlbetonbau 110 (2015), Heft 8 [14] Stark J., Wicht B.: Dauerhaftigkeit von Beton, SpringerVieweg, 2013 [15] Müller M. et al: Frost-Tausalz-Angriff auf Beton, Beton- und Stahlbetonbau 114(2019), Heft 6 [16] Gartz B., Warkus J.: Tiefgaragen und andere Parkbauten, Fraunhofer IRB-Verlag [17] SIA 269/ 2: 2011 Erhaltung von Tragwerken - Betonbau buch2.indb 303 13.01.20 15: 41 buch2.indb 304 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 305 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) Steven Millar 1,3 1 CORR-LESS Isecke & Eichler Consulting GmbH & Co. KG Cassian Gottlieb 2,3 2 SECOPTA analytics GmbH Gerd Wilsch 3 , Tobias Günther 3 , Tobias Völker 3 3 Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung Zusammenfassung Die chemische Analyse von Beton gehört bei der Ermittlung des Ist-Zustandes von Stahl- und Spannbetonbauwerken zu den grundlegenden Untersuchungen bei der Zustandserfassung. Der tiefenabhängige Chloridgehalt sowie der Karbonatisierungsfortschritt müssen bei der Bewertung des Ist-Zustandes, beim Instandsetzungsbedarf und ggf. bei der Planung eines erforderlichen Instandsetzungskonzeptes mit einbezogen werden. Seit Mitte der 1990er Jahre wird an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung die laserinduzierte Plasmaspektroskopie (engl. Laser-induced Breakdown Spectroscopy) - kurz LIBS - stetig für die chemische Analyse von Beton weiterentwickelt. In diesem Beitrag wird der aktuelle Stand der Forschung/ Technik und der Normungsarbeit präsentiert, sowie zukünftig mögliche Anwendungen vorgestellt. Mit den aktuellen LIBS-Systemen (mobiles LIBS-System sowie kommerziell erhältliche Laborsysteme) ist es möglich den Chloridgehalt ortsaufgelöst in wenigen Minuten zu quantifizieren, sogenannte Elementlandkarten zu erstellen und somit die Elementverteilung innerhalb des Betons zu visualisieren. Durch das Scannen eines Bohrkernquerschnittes und der simultanen Erfassung von mehreren Elementen mit einer Messung, ist es zudem möglich, die Gesteinskörnung in den Messdaten zu identifizieren und den Chloridgehalt auf die Zementsteinmatrix zu beziehen. Fehlerquellen aus der Umrechnung der betonbezogenen Chloridgehalte können dadurch minimiert werden. Neben den Grundlagen von LIBS werden vor allem aktuelle Praxisbeispiele vorgestellt, die die aktuellen Möglichkeiten des Verfahrens veranschaulichen. 1. 1. Motivation Die Quantifizierung des tiefenabhängigen Chloridgehaltes sowie die Ermittlung des Karbonatisierungsfortschrittes gehören zu den grundlegenden Prüfungen bei der Erfassung des Zustandes von Stahl- und Spannbetonbauwerken. In Zusammenhang mit weiteren Parametern (bspw. Sichtprüfung, lokale Bauteilöffnungen, Potentialfeldmessung, Ermittlung der Betondeckung, elektrischer Betonwiderstand, etc.) lässt sich das Korrosionsrisiko von Stahl in Beton abschätzen und der aktuelle Zustand von Bauteilen bzw. Bauwerken bewerten. Eine empirische Ermittlung des Transportfortschritts im Zuge von zeitlich wiederkehrenden Inspektionen erlaubt zudem probabilistische Aussagen zur Restnutzungsdauer des Bauwerkes, welche in die Investitionsplanungen von Eigentümern und Betreibern betreffender Bauwerke einfließen können [1-4]. Die Karbonatisierungstiefe und die damit einhergehende Neutralisation der für den Stahl inhibierenden Alkalität der Betonporenlösung kann vergleichsweise einfach mit einer 1 %-igen Phenolphthaleinlösung ermittelt werden. Durch Bestäubung frischer Betonbruchflächen mit der Indikatorlösung kann die Karbonatisierungsfront visualisiert werden. Bei pH-Werten größer 9 - 10 verfärbt sich die Indikatorlösung violett und bei weitestgehend neutraler Betonporenlösung bleibt ein Farbumschlag aus [5]. Die Quantifizierung des Chloridgehaltes über die Tiefe des Bauteils ist ungleich aufwendiger. Allgemein hat sich in der Praxis, aufgrund des Verlustes der Chlorid-bindekapazität von Beton bzw. der Zementsteinphasen bei geringen pH-Werten, zur Erfassung des Korrosionsrisikos, die Quantifizierung des Gesamtchloridgehaltes bezogen auf die Zementmasse durchgesetzt. Konventionelle Methoden nach [6, 7], wie potentiometrische Titration, Direktpotentiometrie, Volhard Titration oder Photometrie erfassen den säurelöslichen Chloridgehalt des Betons. Üblicherweise werden Bohrkerne oder Bohrmehle in 10 - 20 mm Tiefenstaffelung bei buch2.indb 305 13.01.20 15: 41 306 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) 105 °C bis zur Massenkonstanz getrocknet, analysefein gemahlen und anschließend das Chlorid mit einem Säureaufschluss aus dem Probenmaterial extrahiert. An der Aufschlusslösung erfolgt schlussendlich die analytische Quantifizierung des gelösten Halogens. Die ermittelten Chloridgehalte beziehen sich in diesen Fällen auf die eingewogene Gesamtmasse, den Beton. Um die Analysewerte auf die Zementmasse beziehen zu können, muss die Zusammensetzung des untersuchten Probenmaterials bekannt sein, ermittelt oder abgeschätzt werden. Eine direkte Berücksichtigung des mehrphasigen Betons ist mit den Verfahren nicht möglich. Ergebnisse veröffentlichter Ringversuche zur Quantifizierung von Chlorid in Beton zeigen, dass mit den genannten Verfahren relative Unsicherheiten von ± 12 - 19 % bei der reinen Analytik erzielt werden [8-15]. Infolge der Umrechnung der Analysewerte von der Betonauf die Zementmasse erhöht sich wiederum die relative Unsicherheit auf Werte zwischen ± 14 - 34 % [10-13]. Nicht berücksichtigt sind zwangsläufige Abweichungen aus variierenden Anteilen von Zementstein, Gesteinskörnungen und Analyt innerhalb des entnommenen Probenmaterials, die nicht mit einem globalen Umrechnungsfaktor erfasst werden können. Aus der Limitierung heraus, die Gesteinskörnung und die Zementsteinphase bei der Quantifizierung des Chloridgehaltes in Beton nicht getrennt voneinander berücksichtigen zu können, wird seit Mitte der 1990er Jahre an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, durch die Forschergruppe um Wilsch et.al., die laserinduzierte Plasmaspektroskopie (engl. Laser Induced Breakdown Spectroscopy - LIBS) stetig für die ortsaufgelöste Analytik von Beton weiterentwickelt [16-27]. Neben LIBS wurden parallel von anderen Forschergruppen weitere spektroskopische Verfahren, wie bspw. die Mikro-RFA (Mikro-Röntgen-fluoreszenzanalyse) [28-30], EMPA (Electron Microprobe Analysis) [31] oder LA-ICP-MS (Laser Ablation - Inductively Coupled Plasma - Mass Spectroscopy) [32-34] für die ortsaufgelöste Messung von Chlorid in Beton entwickelt und eingesetzt. Der Umstand, dass diese Verfahren noch keinen Einzug in die Praxis erhalten haben, begründet sich u.a. in der Schwierigkeit der ortsaufgelösten Quantifizierung infolge von sog. Matrixeffekten, der vergleichsweise hohen Investitionskosten, der Ermangelung an kommerziell erhältlichen Systemen sowie der fehlenden Standardisierung. Aufgrund einer immer schneller werdenden Entwicklung der Laser- und Detektortechnologie sowie anderer relevanter Systemkomponenten (bspw. Optik, Elektronik oder industrielle Computer) sind LIBS-Systeme heutzutage erschwinglich geworden und werden vermehrt in der Praxis, wie bspw. beim Recycling von Kunststoffen oder feuerfesten Materialien sowie Qualitätskontrollen in der Metallurgie eingesetzt. Die schnelle, simultane Erfassung von mehreren Elementen mit einer Messung in Kombination mit chemometrischen Auswertemethoden eröffnet LIBS zudem ein nahezu unerschöpfliches Optimierungspotential. Aus jahrelanger, interdisziplinärer Zusammenarbeit in diversen Forschungsvorhaben mit der BAM ist speziell für die Baustoffanalytik durch die SECPOTA analytics GmbH nunmehr ein kommerziell erhältliches LIBS-System entwickelt worden, das die ortsaufgelöste Quantifizierung von Chlorid und anderen Analyten ermöglicht. Anhand jüngster Ergebnisse aus der Forschung und Entwicklung zur laserbasierten Messtechnik mit LIBS, im Kontext der Betonanalytik, konnten die Effekte hinsichtlich der Laser-Material-Wechselwirkung beschrieben sowie eine für die Praxis hinreichende Genauigkeit bei der ortsaufgelösten Quantifizierung von Chlorid in Beton nachgewiesen werden. Im nachfolgenden Beitrag wird auf die wesentlichen Erkenntnisse der Forschungsarbeiten sowie auf weitere Möglichkeiten, die das spektroskopische Verfahren LIBS eröffnet, eingegangen. 2. Laserinduzierte Plasmaspektroskopie (LIBS) Die laserinduzierte Plasmaspektroskopie gehört zu den Verfahren der optischen Emissionsspektroskopie (OES). Seit der Entwicklung des ersten Lasers in den 1960er-Jahren wird das Potenzial von Lasern in der spektroskopischen Analytik untersucht. Schon zu Beginn wurde festgestellt, dass durch die Fokussierung eines Laserpulses auf eine Probenfläche ein Plasma erzeugt werden kann, dessen Emission sich für die spektroskopische Analyse eignet. Mit der Weiterentwicklung von Lasern, Spektrometern und Detektoren, vergrößerten sich auch rasant die Anwendungsfelder in denen LIBS eingesetzt werden kann. Spätestens seit der Verwendung von Computern, mit denen die Steuerung der Systeme sowie die Auswertung der Messdaten erheblich erleichtert wurde, wird LIBS in vielen Bereichen eingesetzt [35]. Im Vergleich zu anderen spektroskopischen Analyseverfahren zeichnet sich das Messprinzip von LIBS vor allem durch dessen Einfachheit aus. Üblicherweise wird für die Messung ein gepulster Laserstrahl auf eine Probenoberfläche fokussiert, ein Plasma erzeugt und dessen Emission für die Ermittlung der Elementzusammensetzung des Materials genutzt. Trifft der fokussierte Laserstrahl mit ausreichender Leistungsdichte (einige GW/ cm², materialabhängig) auf die Probenoberfläche eines Feststoffes, wird das Material durch Absorption der Strahlung innerhalb von kürzester Zeit aufgeheizt, geschmolzen und verdampft. Die hohe Leistungsdichte führt gleichzeitig zur Atomisierung des abgetragenen Materials und zur teilweisen Ionisierung der Probenatome. Dieser Zustand wird allgemein als Plasmaphase bezeichnet. Bei der Relaxation des Plasmas wird elementspezifische Strahlung in Form von Photonen freigesetzt, die über optische Komponenten (bspw. Lichtleitfaser, Linsen oder Spiegel) zum Spektrometer geführt werden, Im Spektrometer wird die Plasmastrahlung gebeugt, aufgefächert und anschließend auf einem buch2.indb 306 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 307 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) Detektor abgebildet. Als Resultat der Messung wird, in Abhängigkeit des betrachteten Wellenlängenbereiches, ein Spektrum erzeugt, das die elementare Zusammensetzung der Probe wiedergibt. 2.1 LIBS im Bauwesen Für die Analytik von zementgebundenen Baustoffen wird LIBS seit den 1990er Jahren eingesetzt und stetig weiterentwickelt. Zur Berücksichtigung des mehrphasigen Betons, sprich die Gesteinskörnung und die Zementsteinphase getrennt voneinander erfassen zu können, wurde bereits zu Beginn des Entwicklungsprozesses ein Positioniertisch für die zweidimensionale Messung von Betonprobekörpern implementiert. Anhand der ortsaufgelösten Messungen, d.h. der ortsabhängigen Erzeugung eines Plasmas und Detektion der elementspezifischen Strahlung, konnte somit eine 2D-Datenmatrix erzeugt werden [16]. Infolge der Auswertung der ortsabhängig detektierten Spektren können Elementverteilungen innerhalb der gemessenen Probenfläche visualisiert werden. Folglich ist für eine tiefenabhängige Information, wie es bei der Ermittlung des Chlorideintrags oder des Karbonatisierungsfortschrittes verlangt wird, ein optischer Zugang zur relevanten Fläche zu erzeugen. Dies kann erreicht werden, indem ein Bohrkern orthogonal zur exponierten Bauteiloberfläche durch Brechen oder Schneiden geteilt wird. Die Möglichkeit mit LIBS die Karbonatisierungstiefe zu ermitteln wurde bereits 1998 aufgezeigt [16]. Als Indikator wurde das Element Kohlenstoff herangezogen. Der Eintrag von CO 2 konnte allein anhand der qualitativen Auswertung der Emissionslinie C I 193,1 nm visualisiert werden und korreliert mit den Ergebnissen des Phenolphthalein-Tests (vgl. [36]). Zusätzlich zu Kohlenstoff konnten simultan Emissionslinien von Calcium, Silizium, Eisen, Aluminium, Magnesium, Natrium und Sauerstoff erfasst werden, die sich durch die ortsaufgelösten Messungen u.a. für die Unterscheidung zwischen Gesteinskörnungen und Zementsteinphase eignen. In der Folge wurde die weitere Entwicklung von LIBS für die chemische Analytik von zementgebundenen Baustoffen an der BAM forciert. Neben der Differenzierung der Zementsteinphase und den Gesteinskörnungen stand vor allem die Quantifizierung von Spurenelementen wie Schwefel und Chlor im Fokus der Forschung [16-27]. Weitere Forschergruppen beschäftigten sich mit der Detektion von Kohlenstoff zur Ermittlung der Karbonatisierungstiefe [37], der Analyse von Curium bei der Lagerung von giftigen und radioaktiven Stoffen in Betonbehältnissen [38] oder der Quantifizierung der Hauptelemente von Rohzementen bei der Herstellung [39, 40]. Durch die vergleichsweise einfache Detektion von leichten Elementen fand LIBS in den letzten Jahren zudem Anwendung bei der Erfassung von Lithium, Natrium und Kalium. Im Kontext der Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) konnte ein Beitrag zum Verständnis des Elementtransportes in Fahrbahndeckenbetonen infolge der Alkalizufuhr durch Tausalzbeaufschlagung im Winterdienst geleistet werden [41-44]. Die schnelle Multielementdetektion gekoppelt mit multivariater Datenanalysen wurde wiederum für die Sortierung von Altbeton bzw. dessen Bestandteile (u.a. Zement, Gesteinskörnung, Stahl, PVC, Glass, Holz) in Recyclingprozessen genutzt [45]. Das Hauptaugenmerk lag aber auch international auf der Quantifizierung des Chloridgehaltes in Beton [46-52]. 2.2 Beispiel eines LIBS-Aufbaus Die nachfolgend in Abschnitt 3 vorgestellten Ergebnisse wurden überwiegend mit dem in Abbildung 1 dargestellten, kommerziell erhältlichen LIBS-System erzielt. In der Tabelle 1 sind zusätzlich die instrumentellen Komponenten einschließlich der relevanten Parameter zusammengefasst. Unter Berücksichtigung von speziell für die Betonanalytik erforderlichen Randparametern (bspw. max. Durchmesser des fokussierten Laserspots), lassen sich die Ergebnisse durchaus mit anderen Systemaufbauten reproduzieren. Abbildung 1: Schematische Darstellung des verwendeten LIBS-Systems buch2.indb 307 13.01.20 15: 41 308 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) Mikrochiplaser NdCr: YAG Wellenlänge 1064 nm Repetitionsrate 100 Hz Pulslänge 1,5 ns Pulsenergie 3 mJ Spotdurchmesser ca. 80 µm Leistungsdichte 39 GW/ cm² Spektrometer Avantes USL-2048XL Gitter 1200 mm-1 Spaltgröße 10 µm und 50 µm (NIR) Spektralbereich DUV 177 - 357 nm NIR 765 - 956 nm (VIS 471 - 711 nm) Detektor Pixel 1 × 2048 Pixelgröße 14 µm Pixeltiefe 500 µm Dispersion 0,09 nm/ Pixel Spektrale Auflösung 0,30 nm Tabelle 1: Übersicht der instrumentellen Komponenten des verwendeten LIBS-Systems Für die Erzeugung des Plasmas wird bei dem vorgestellten System ein Dioden-gepumpter NdCr: YAG Mikrochiplaser mit einer Wellenlänge von 1064 nm, einer Repetitionsrate von 100 Hz und einer Pulsenergie von 3 mJ eingesetzt. Mit einer Pulslänge von 1,5 ns und einem Laserspotdurchmesser von ca. 80 µm wird eine Leistungsdichte von ca. 39 GW/ cm² im Fokusbereich erzeugt. Die emittierte Strahlung des laserinduzierten Plasmas wird über zwei Parabolspiegel und eine optische Faser zu zwei Kompaktspektrometern (beide Avantes USL-2048XL) geführt. Beide Spektrometer sind nach einer Czerny-Turner Anordnung aufgebaut. Zur Beugung und Auffächerung des einfallenden Lichts werden Reflektionsgitter mit 1200 Linien/ mm verwendet. Ein Spektrometer wird für die Erfassung des UV-Bereiches von 177 - 357 nm eingesetzt, das andere für den NIR-Bereich von 765 - 956 nm. Als Detektor dient jeweils eine CCD-Zeile aus 2048 Pixeln. Sofern notwendig, können auch weitere Spektrometer zur Erfassung anderer Wellenlängenbereiche (bspw. VIS-Bereich 471 - 510 nm) eingesetzt werden. Zur Veranschaulichung sind exemplarisch in den Abbildungen 3 (UV-Bereich) und 4 (NIR-Bereich) mit dem System aufgenommene Spektren von Quarz und hydratisiertem Portlandzement dargestellt. Der Messkopf kann sowohl vertikal (z-Achse) als auch horizontal (x-Achse) verfahren werden. Der zu messende Probekörper wird für eine Messung auf eine Platte positioniert, die zusätzlich in y-Richtung verfahrbar ist. Aufgrund der drei Achsen sind zwei- und dreidimensionale Messungen von Probenoberflächen möglich. Unebenheiten oder Bruchflächen können über einen Höhenscan der Probenoberfläche vor den jeweiligen Messungen berücksichtigt werden. Damit der Laser durchgehend im Fokusbereich arbeitet, wird der Messkopf entsprechend des Höhenscans nachgeführt. Zur Vermeidung von atmosphärischen Einflüssen oder zur Verbesserung der Empfindlichkeit einzelner Emissionslinien, kann ggf. ein Prozessgas verwendet werden, das über eine gesonderte Düse dem Plasma zugeführt wird. Abbildung 2: Spektren von hydratisiertem Zement und Quarz gemessen im UV-Bereich (230 nm - 350 nm) Abbildung 3: Spektren von hydratisiertem Zement (C Cl = 2,38 M.-%, C Na = 1,30 M.-%) und Quarz gemessen im NIR-Bereich 3. Aktuelle Forschungsergebnisse Die jüngste Forschung und Entwicklung von LIBS in der Baustoffanalytik zielte im Wesentlichen auf die Erfassung und Beschreibung möglicher Einflussfaktoren bei der ortsaufgelösten Quantifizierung von Chlorid in Beton, sowie die Ableitung der daraus gewonnenen Erkenntnisse auf die Anforderungen an Referenzproben buch2.indb 308 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 309 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) zur Kalibrierung von LIBS-Systemen, ab. Aufgrund der während der Messung stetig variierenden Probenzusammensetzung innerhalb der bestrahlten Fläche ist die in der analytischen Praxis übliche Verwendung von möglichst matrixähnlichen Referenzproben nicht zielführend. Abbildung 4: Stetige Änderungen des analysierten Probenmaterials innerhalb des Laserspots bei ortsaufgelösten Messungen (aus [53]) Wie in der Abbildung 4 leicht ersichtlich ist, ändern sich in Abhängigkeit der Lage des Laserpulses auf der Betonoberfläche, die Anteile von Zementstein und Gesteinskörnung innerhalb des Laserspots. Zudem sind aufgrund der großen Variation möglicher Mörtel- und Betonzusammensetzungen, weitere Einflussmöglichkeiten, aus bspw. Zementart, Kation des Chlorids und w/ z-Wert, gegeben, deren Auswirkungen auf die Quantifizierung mit LIBS ebenfalls untersucht worden sind. Auf Grundlage der neuen Erkenntnisse, wird nachfolgend aufgezeigt, wie und unter welchen Voraussetzungen eine zementsteinbezogene Ermittlung des Chloridgehaltes ohne aufwendige Probenvorbereitung mit LIBS möglich ist und welche Vorteile sich aus der ortsaufgelösten Chloridquantifizierung für die Praxis ergeben. Zur Veranschaulichung der Möglichkeiten werden abschließend ausgewählte Praxisbeispiele vorgestellt. 3.1 Einfluss feiner Gesteinskörnungsanteile auf die Quantifizierung Die Berücksichtigung von Gesteinskörnungen bei ortsaufgelösten Messungen ist je nach Messstrategie und Laserspotdurchmesser begrenzt möglich. D.h., dass in Abhängigkeit der maximal möglichen Auflösung ein Teil der feinen Gesteinskörnung nicht bei der Analyse berücksichtigt werden kann und ein entsprechender Mehlkornanteil innerhalb eines jeden Messpunktes vorkommt (vgl. Abbildung 4). Die Gesteinskörnung, die noch eindeutig mit dem verwendeten Laserspot (dL) erfasst werden kann, beträgt nach [54] ~ 2dL. Mit dem verwendeten LIBS-System sind demnach Fraktionen < 160 µm nicht eindeutig zu identifizieren. Aus den genannten Gründen wurde der analytische Einfluss aus nicht aufzulösenden Mehlkornanteilen ausführlich in [53] untersucht und beschrieben. Neben Untersuchungen zu den optischen Eigenschaften der Ausgangsstoffe Quarz und Zement, konnte anhand von Mischungsreihen, bei denen Zementsteinmehl mit einem definierten Chloridgehalt systematisch Quarzmehl mit variierender Korngröße zugesetzt worden ist, festgestellt werden, dass die durch den Laserpuls zugeführte Energie primär durch die Zementsteinphase absorbiert wird [55]. Die absorbierte Energie durch Quarz ist bis zu Fraktionen von 30 µm vernachlässigbar gering, sodass die analytische Information primär aus der Zementsteinphase herrührt. Erst kleinere Kornfraktionen oder Massenanteile von mehr als 40 M.-% führen zu signifikanten Abweichungen gegenüber Messungen an reinem Zementstein. Als Ergebnis konnte festgehalten werden, dass Kornfraktionen kleiner als die gewählte laterale Auflösung und größer 30 µm sowie deren Anteile von bis zu 40 M.-% keinen signifikanten Einfluss auf die zementsteinbezogene Quantifizierung des Chloridgehaltes ausüben. Übertragen auf ortsaufgelöste LIBS-Messungen an Beton hat die nicht-stöchiometrische Ablation von Zementstein und Gesteinskörnung einen positiven Einfluss. Demnach kann bzw. muss für eine korrekte Quantifizierung durch den Ausschluss von Messdaten, die nicht der Zementsteinphase zuzuordnen sind, lediglich sichergestellt werden, dass der Mehlkornanteil in den verbleibenden Messdaten < 40 M.-% ist. 3.2 Kalibrierung des LIBS-Systems Aufgrund des zuvor beschriebenen Matrixeffektes, d.h. der nicht-stöchiometrische Ablation von Zementstein und Gesteinskörnungen, und des allgemeinen Ziels, den Chloridgehalt bezogen auf die Zementsteinmatrix zu quantifizieren, sind folglich für die ortsaufgelösten Messungen an Beton Referenzproben auf Basis von Zementstein zielführend. Für die Kalibrierung des LIBS-Systems wurden deshalb homogenisierte Zementsteinproben auf Basis eines Portlandzementes (CEM I) mit definierten Massenanteilen von Chlorid hergestellt. Als Salz wurde Natriumchlorid verwendet, das beim Herstellungsprozess im Zugabewasser gelöst wurde. Die hydratisierten Zementsteinproben wurden nach einem Trocknungsprozess zur Sicherstellung einer möglichst homogenen Verteilung des Analyten, analog zur nasschemischen Probenvorbereitung, gebrochen und gemahlen (vgl. [6, 7]). Die Homogenisierung des Probenmaterials ist zwingend notwendig, da im Zuge der Lagerung der Proben keine gleichförmige Verteilung des Analyten gewährleistet werden kann. Eine Kalibrierung direkt an Querschnitts- oder Oberflächen von Zementsteinproben hat in den überwiegenden Fällen eine signifikante Fehlanalyse schon direkt bei der Kalibrierung des Systems zur Folge [56]. Im vorliegenden Fall wurden insgesamt 15 Zementsteinpulver mit Chloridgehalten zwischen 0,05 M.-% und 2,38 M.-% bezogen auf die Gesamtmasse (Zementstein mit ca. 15 M.-% gebundenem Wasseranteil) hergestellt und zu Pulvertabletten gepresst. Für buch2.indb 309 13.01.20 15: 41 310 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) die in Abbildung 5 dargestellte Kalibrierung des Systems wurden je Referenzprobe 400 Spektren aufgenommen und das Signal-Untergrund-Verhältnis (SUV) für die Emissionslinie von Chlor (Cl I 837,6 nm) ausgewertet. Über die Korrelation der jeweiligen SUV mit den bekannten Chloridgehalten kann eine lineare Regression erstellt werden, die nachfolgend eine Quantifizierung der qualitativen Datensätze an unbekannten Proben erlaubt. Allgemein ist festzuhalten, dass mit LIBS der Gesamtchloridgehalt erfasst wird und nicht zwischen gelösten und gebundenen Chloriden unterschieden werden kann. Aufgrund der Tatsache, dass das Element Chlor in Beton nur als Ion vorkommen kann, ist eine Korrelation des Gesamtchloridgehaltes mit den Intensitäten der Emissionslinie von Chlor möglich. Abbildung 5: Kalibrierung des LIBS-Systems für die Quantifizierung von Chlorid Der guten Praxis zur Qualitätssicherung in der analytischen Chemie folgend, sind zur Beschreibung der Präzision des Regressionsmodells und Ermittlung des Arbeitsbereiches, innerhalb dessen das LIBS-System Chloridgehalte quantifizieren kann, eine Reihe statistischer Parameter zu ermitteln [57-61]. Die Präzision des Regressionsmodells im betrachteten Konzentrationsbereich des Analyten kann mit der Verfahrensstandardabweichung s x0 , oder als relatives Maß ausgedrückt V x0 (Verfahrensvariationskoeffizient) beschrieben werden. Für das in Abbildung 5 dargestellte Regressionsmodell ergibt sich innerhalb des Arbeitsbereiches eine Präzision von s x0 = 0,03 M.-% bzw. 2,8 %. Die Nachweisgrenze (x NWG ), d.h. der kleinste Gehalt des Analyten, der noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % detektiert werden kann, beträgt im vorliegenden Fall 0,02 M.-%. Der kleinste Gehalt, der mit einer vorgegebenen Richtigkeit und Präzision quantitativ erfasst werden kann, wird wiederum durch die Bestimmungsgrenze (x BG ) beschrieben. Mit einem gewählten Signifikanzniveau von α = 5 % und einer relativen Ergebnisunsicherheit von 33 % (mit 1/ k, k = 3) ergibt sich für das Regressionsmodell ein x BG von 0,07 M.-%. Der Arbeitsbereich des Regressionsmodells ergibt sich aus x BG und dem höchstem Chloridgehalt des verwendeten Referenzprobensets (hier 2,38 M.-%). Mit der ermittelten Präzision des Regressionsmodells kann zudem das Prognoseintervall wiedergegeben werden, in dem ein unbekannter Analytgehalt mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit anzutreffen ist. Die vorhergesagte Unsicherheit bei der Quantifizierung beträgt für das hier vorgestellte Regressionsmodell maximal ± 0,08 M.-%. Anhand der statistischen Parameter zur Beschreibung der Präzision, lässt sich bereits vor der Analyse prüfen, inwiefern das verwendete LIBS-System für die vorgesehene Anwendung geeignet ist, oder ob ggf. weitere Optimierungsschritte eingeleitet werden müssen. Eine detaillierte Beschreibung zum Vorgehen bei der Kalibrierung des LIBS-Systems sowie zur Ermittlung der einzelnen Parameter kann [56] entnommen werden. Neben der hier beschriebenen univariaten Auswertemethode können ggf. auch multivariate Ansätze für die Quantifizierung zielführend sein, vgl. [62]. In jedem Falle sind die Grenzen der verwendeten Methode bzw. des verwendeten Systems anzugeben. 3.3 Einfluss der Zementart, des Kations und initiierter w/ z-Werte auf die Quantifizierung von Cl Zur Ermittlung der Richtigkeit des gewählten Quantifizierungsansatzes und zur Erfassung möglicher Einflussfaktoren aus veränderter Probenzusammensetzung, wurde das Regressionsmodell validiert [63]. Insgesamt wurden 85 Proben mit Chloridgehalten zwischen 0,03 M.-% und 2,41 M.-% hergestellt, deren Zusammensetzung systematisch verändert wurde. Abbildung 6: Validierung der Chloridquantifizierung an Pulverproben mit LIBS buch2.indb 310 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 311 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) Proben PZ HÜS KS SFA w/ b Salz ΔCCl Stk. M.-% M.-% M.-% M.-% - M.-% M.-% 15 100 - - - 0,5 KCl ± 0,04 6 100 - - - 0,43 LiCl ± 0,05 6 100 - - - 0,43 CaCl 2 ± 0,02 10 50 50 - - 0,5 NaCl ± 0,04 10 70 - 30 - 0,5 NaCl + 0,06 4 100 - - - 0,4 NaCl ± 0,05 4 100 - - - 0,6 NaCl ± 0,05 14 10-100 0-90 - - 0,5 NaCl ± 0,04 8 65-100 - 0-35 - 0,5 NaCl + 0,04 8 65-100 - - 0-35 0,5 NaCl ± 0,04 Tabelle 2: Übersicht Zusammensetzung der Validierproben inklusive Fehleranalyse der Cl-Quantifizierung mit LIBS Untersucht wurden mögliche Einflüsse aus Chloridsalzen (NaCl, KCl, LiCl und CaCl2), unterschiedlichen initiierten w/ zbzw. w/ b-Werten (0,4 - 0,6) sowie Zusatzstoffen (Hüttensandmehl - HÜS, Steinkohleflugasche - SFA, Kalksteinmehl - KS) (vgl. Tabelle 2). Die Proben wurden analog zu den Kalibrierproben hergestellt (vgl. Abschnitt 3.2) und der jeweilige Chloridgehalt mit der potentiometrischen Titration (PT) quantifiziert. Ein Vergleich, der mit LIBS und PT quantifizierten Chloridgehalte ist der Abbildung 6 zu entnehmen. Zusätzlich sind in Tabelle 2 die ermittelten Abweichungen in Abhängigkeit der hergestellten Probenserien zusammengefasst. Es wird deutlich, dass die mittleren Abweichungen (ΔCCl) innerhalb der erwarteten Unsicherheit des Regressionsmodells (max. ± 0,08 M.-%) wiederzufinden sind. Einzig für den inerten Zusatzstoff Kalksteinmehl wurden systematische Abweichungen, analog zu den Untersuchungen zum Einfluss von Quarzmehlen (vgl. Abschnitt 3.1), vorgefunden, was ebenfalls auf eine nicht-stöchiometrische Ablation von Zementstein und Kalksteinmehl schließen lässt. Allerdings liegen die mittleren Abweichungen (+ 0,06 M.-% bzw. + 0,04 M.-%) ebenfalls innerhalb des Prognoseintervalls des Regressionsmodells, sodass die daraus resultierende Unsicherheit an dieser Stelle tolerierbar ist. Unterschiedliche Chloridsalze, initiierte w/ z bzw. w/ b-Werte sowie Zusatzstoffe, die sich am Hydratationsprozess beteiligen, haben offensichtlich keinen signifikanten Einfluss auf die Quantifizierung des Chloridgehaltes mit LIBS. 3.4 Ortsaufgelöste Quantifizierung von Cl - Für die ortsaufgelöste Quantifizierung von Chlorid mit LIBS werden üblicherweise Messungen im Raster von 0,5 mm × 0,5 mm durchgeführt. Zum einen wird dadurch ein ausreichender Detaillierungsgrad bei der bildgebenden Darstellung der Elementverteilung erreicht und zum anderen eine kurze Messzeit gewährleistet. Sofern gefordert, können aber auch höhere laterale Auflösungen gefahren werden (bis dL). Für die in Abbildung 7 (oben) dargestellte Querschnittsfläche eines Mörtelprismas mit den Abmessungen 40 mm × 40 mm wurden mit dem genannten Messraster 6400 Spektren in einer Messzeit von ca. 10 min aufgenommen. Das Prisma ist eines von sieben Mörtelproben, die zur Validierung der ortsaufgelösten Quantifizierung von Chlorid hergestellt wurden. Zur Einstellung von aufsteigenden Chloridgehalten zwischen 0,07 M.-% und 1,77 M.-% bezogen auf den Zementstein (CP, engl. Cement Paste), wurde bei der Herstellung NaCl im Zugabewasser gelöst. Alle Prismen wurden mit Portlandzement, Normsand und einem w/ z-Wert von 0,5 hergestellt. Nach einer 90-tägigen Lagerung in einem Klimaraum bei 60 % relativer Luftfeuchte und 23 °C wurde der Chloridgehalt sowohl nasschemisch mit der PT als auch mit LIBS quantifiziert. Die mit der PT ermittelten Chloridgehalte wurden zum Vergleich auf die Zementsteinmasse umgerechnet, da der Ausgangsstoff Zement als solcher nicht mehr vorliegt und die LIBS-Ergebnisse, ohne weitere Annahmen, auf die Zementsteinmatrix bezogen sind. Für die korrekte Quantifizierung sind alle Spektren, die nicht dem Zementstein zuzuordnen sind, aus dem Datensatz auszuschließen. Der Ausschluss kann entweder über eine Klassifizierung, Clustering-Methoden [54] oder einfache Schwellwerte von ausgewählten Merkmalen [21, 22], die durch den Anwender festgelegt werden, erfolgen (hier die Intensitäten von Emissionslinien). Die Spektren, die an calciumarmen Gesteinskörnungen (bspw. Quarz) erfasst worden sind, unterscheiden sich deutlich von denen des Zementsteins (vgl. Abbildungen 2 und 3). Daher reicht es für einen Ausschluss i.d.R. schon aus, die Emissionslinien von Calcium auszuwerten. Zur Berücksichtigung von calciumreichen Gesteinskörnungen muss auf die Information mehrerer Elemente zurückgegriffen werden. Wie in Abbildung 7 (Mitte/ oben und Mitte/ unten) dargestellt, kann für die Zuordnung der Spektren von quarzhaltigen Gesteinskörnungen und Portlandzement das Ca/ Si-Verhältnis der Emissionslinien Ca I 315,9 nm und Si I 288,3 nm verwendet werden. Mit dem verwendeten System und der durchgeführten Auswertung konnte buch2.indb 311 13.01.20 15: 41 312 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) sichergestellt werden, dass Spektren mit Ca/ Si-Verhältnissen > 3,0 der Zementsteinphase zuzuordnen sind. Die Quantifizierung des Chloridgehaltes erfolgt durch Verwendung des zuvor erstellten Regressionsmodells (vgl. Abschnitt 3.2). Wie in Abbildung 7 (unten) dargestellt, erhält man als Ergebnis eine zweidimensionale, quantitative Chloridverteilung über die gemessene Querschnittsfläche der Probe. Abbildung 7: Oben: Foto der Querschnittsfläche des Mörtelprismas; Mitte/ oben: Verteilung des Ca/ Si-Verhältnisses über die Querschnittsfläche; Mitte/ unten: Ausschluss aller Messpunkte mit Ca/ Si-Verhältnis < 3,0; Unten: Quantitative Chloridverteilung innerhalb der Zementsteinmatrix der Querschnittsfläche Für das dargestellte Prisma wurde mit der PT ein zementsteinbezogener Chloridgehalt von 1,50 M.-% ermittelt, was in etwa dem berechneten Chloridgehalt entspricht. Anhand des bildgebenden LIBS-Ergebnisses wird hingegen deutlich, dass sich durch die Lagerung der Proben eine inhomogene Chloridverteilung eingestellt hat. Im Wesentlichen ist die Umverteilung des Chlorids auf die Karbonatisierung der Randzone und den damit einhergehenden Verlust der Chloridbindekapazität der Zementsteinphasen zurückzuführen [64]. Infolge der Konzentrationsdifferenz zwischen karbonatisiertem Randbereich und dem Probeninneren hat sich ein chemisches Potential ausgebildet, was wiederum eine Diffusion der freien Chloride in Richtung des Probenkerns zur Folge hatte [65]. Aufgrund der ortsaufgelösten Messungen und dem höheren Detaillierungsgrad bei LIBS-Messungen konnte aufgezeigt werden, dass die Chloridgehalte innerhalb der Probe zwischen 0,50 M.-% und 2,25 M.-% streuen. Um einen Vergleich mit der PT herzustellen, wurde der arithmetische Mittelwert, der mit LIBS quantifizierten Chloridgehalte ermittelt. Die Ergebnisse der beiden Verfahren sind in Abbildung 8 gegenübergestellt. Die mittlere Abweichung der quantifizierten Chloridgehalte beträgt ± 0,03 M.-%. Die an den Mörtelprismen ermittelte Ergebnisunsicherheit liegt folglich innerhalb des prognostizierten Bereiches des Regressionsmodells. Zu beachten ist, dass lediglich die über die Fläche gemittelten Chloridgehalte mit den Ergebnissen der PT verglichen wurden. Örtlich variierende bzw. abweichende Chloridgehalte können mit der PT nur mit größerem Aufwand erfasst werden. Abbildung 8: Validierung der ortsaufgelösten Chloridquantifizierung mit LIBS buch2.indb 312 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 313 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) Expositionsklasse Beschreibung Beispiele Umrechnungsfaktor LIBS XD1, XS1 Mäßig feucht, salzhaltige Luft ohne Meerwasserkontakt Einzelgaragen, Bauteile im Sprühnebelbereich, Außenbauteile in Küstennähe 1,5 XD3, XS3 Wechselnd nass/ trocken, Tidebereich, Spritzwasser- und Sprühnebelbereich Teile von Brücken mit häufiger Spritzwasserbeanspruchung, Fahrbahndecken, direkt befahrene Parkdecks, Teile von Meerwasser-bauwerken 1,5 XD2, XS2 Nass, selten trocken, unter Wasser Solebäder, Bauteile, die chloridhaltigen Industrieabwässern ausgesetzt sind, Teile von Meerwasserbauwerken 2,0 Tabelle 3: Faktoren für die vereinfachte Umrechnung von zementsteinbezogenen LIBS-Analysen auf die Zementmasse Um auf den Zementgehalt bezogene Analysewerte zu erhalten, ist im Falle von LIBS der Gesamtwassergehalt der Proben zu berücksichtigen. Momentan ist das ausschließlich über Annahmen oder parallele Trocknung oder ggf. Glühen von bspw. der zweiten, nicht für die LIBS-Analyse notwendigen Probenhälfte möglich. Die Analysewerte sind dann wie folgt umzurechnen: C A,z = C A,CP · (1 + w t / z) (1) mit dem zementbezogenen Analytgehalt C A,z (M.-%/ z), dem zementsteinbezogenen Analytgehalt C A,CP (M.-%/ CP) und der auf die Zementmasse z normierten Masse des in der Probe enthaltenen Wassers w t . Wird für eine vereinfachte Umrechnung der LIBS-Analysewerte das Modell von Powers und Brownyard [66- 68] angesetzt, kann unter Berücksichtigung der Exposition des Bauteils und unter Annahme eines teilgesättigten Porenraums ein Umrechnungsfaktor von 1,5 verwendet werden. Für die Annahme eines nahezu vollständig gesättigten Porenraums ist, auf der sicheren Seite liegend, ein Umrechnungsfaktor von 2,0 anzusetzen (vgl. Tabelle 3). Die beiden Umrechnungsfaktoren wurden an der BAM infolge von Vergleichsmessungen an Laborals auch an Praxisproben bestätigt. Eine weiterführende Verifizierung der beiden Umrechnungsfaktoren bzw. eine Optimierung des Vorgehens bei der Umrechnung der zementsteinbezogenen Analysewerte wird u.a. in aktuell anlaufenden Forschungsvorhaben unter Beteiligung weiterer Baustofflabore, Institute und Universitäten, die sich mit der Betonanalytik mit LIBS beschäftigen, angestrebt. 3.5 Ausgewählte Praxisbeispiele Tiefenabhängige Informationen werden mit LIBS üblicherweise über die Messung von Querschnittsflächen von Bohrkernen generiert. Die Bohrkerne sollten mindestens einen Durchmesser von 50 mm vorweisen, damit eine ausreichend hohe statistische Aussagekraft bei der Datenerhebung erhalten bleibt. Der optische Zugang zur Querschnittsfläche des Bohrkerns ist nach Möglichkeit mit einem trockenen Schnitt oder durch Brechen herzustellen. Die Verwendung von Wasser als Kühlmittel des Sägeblattes kann ungewollte Transportprozesse von Ionen initiieren und folglich nicht für das Bauteil repräsentative Ergebnisse herbeiführen. Andere Kühlmittel, wie bspw. Petroleum, sollten vor Gebrauch auf ihre Verwendbarkeit für die jeweilige Anwendung geprüft werden. Ist ein optischer Zugang hergestellt, kann die Querschnittsfläche mit der gewählten lateralen Auflösung gemessen werden. Ein wesentlicher Vorteil von LIBS ist die simultane Erfassung von mehreren Elementen mit einer Messung. Mit dem verwendeten LIBS-System wurden für den in Abbildung 9 dargestellten Bohrkern aus einem Parkhaus die Elemente Ca, Si, Fe, Cl, Na, Al, Mg, O, C, S und K simultan erfasst. Nicht dargestellt sind weitere, in den betrachteten Wellenlängenbereichen vorkommende, Elemente, wie bspw. Ti, Zn oder Li. Abbildung 9: Exemplarisches Beispiel qualitativer Elementverteilungen innerhalb der Querschnittsfläche eines Bohrkerns buch2.indb 313 13.01.20 15: 41 314 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) Die Messung der 65 mm x 80 mm großen Querschnittsfläche dauerte mit einer gewählten lateralen Auflösung von 0,5 mm x 0,5 mm etwa 25 Minuten. Dabei wurden insgesamt 20800 Spektren aufgenommen. Für die Quantifizierung des Chlorideintrags ist wiederum das System entsprechend Abschnitt 3.2 zu kalibrieren sowie die nicht der Zementsteinphase zuzuordnenden Spektren aus der Datenmatrix zu extrahieren. Der Ausschluss der Daten erfolgte im vorliegenden Beispiel durch Verwendung der Emissionslinien von Ca, Si und Mg. Anhand des erstellten Regressionsmodells können die qualitativen Daten quantifiziert werden. Als Ergebnis erhält man die in Abbildung 10 dargestellte quantitative Chloridverteilung über den gemessenen Querschnitt des Bohrkerns. Zusätzlich kann über die qualitative Darstellung der Kohlenstoffverteilung, indirekt auf den Karbonatisierungsfortschritt geschlossen werden (vgl. Abbildung 11). Ein Vergleich des ermittelten Chloridprofils mit der PT kann der Abbildung 12 entnommen werden. Abbildung 10: Quantitative, zementsteinbezogene Chloridverteilung über die Querschnittsfläche des in Abbildung 9 dargestellten Bohrkerns aus einem Parkhaus Abbildung 11: Visualisierung des CO2-Eintrags und indirekte Ermittlung des Karbonatisierungsfortschrittes anhand der Emissionslinie C I 909,5 nm von Kohlenstoff Das mit LIBS ermittelte Chloridprofil erlaubt eine detaillierte Erfassung karbonatisierter und/ oder konvektiv beeinflusster Randzonen von Bauteilen. Im betrachteten Beispiel ist die Chloridbindekapazität innerhalb der ersten 10 mm des Bohrkerns infolge von Karbonatisierung stark reduziert bzw. nicht mehr vorhanden. Die ortsaufgelöste Messung und vergleichsweise hohe Anzahl von Einzelmessungen erlaubt mit LIBS eine detaillierte Darstellung des Chloridprofils inklusive Erfassung möglicher Einflüsse aus intermittierender Exposition innerhalb der Randzone. Die Umrechnung der nasschemisch ermittelten Chloridgehalte erfolgte auf Grundlage, der in DIN EN 14629 [6] beschriebenen Empfehlung zur Abschätzung der Betonzusammensetzung. Folglich wurde ein Zementgehalt von 350 kg/ m³ bei einer Betonrohdichte von 2400 kg/ m³ angenommen. Der Umrechnungsfaktor für die Analysewerte beträgt entsprechend 6,9. Für die zementsteinbezogenen LIBS-Werte wurde, aufgrund der Expositionsklasse XD3 und unter Annahme eines teilgesättigten Porenraums, ein Umrechnungsfaktor von 1,5 angesetzt. Die Gegenüberstellung der zementbezogenen Chloridprofile verdeutlichen eine gute Übereinstimmung der Verfahren. Abbildung 12: Vergleich von Chloridprofilen, ermittelt mit LIBS und PT inkl. exemplarische Umrechnung der Analysewerte auf den Zementgehalt Die Ermittlung von ortsaufgelösten Chloridverteilungen ist vor allem in solchen Bereichen vorteilhaft, in denen der Chlorideintrag infolge von bspw. Rissen oder Bauteilfugen ungleichmäßig erfolgen kann. In solchen Fällen ist der Chlorideintrag mit konventionellen Verfahrensweisen nur schwer oder mit erhöhtem Aufwand zu erfassen und u.U. fehlerbehaftet [69, 70]. Durch die Entnahme eines Bohrkerns und einem Schnitt quer zum Rissverlauf lässt sich mit LIBS vergleichsweise einfach der Chlorideintrag über den Riss selbst sowie über die Rissflanken in das Bauteil visualisieren. Wie in Abbildung 13 buch2.indb 314 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 315 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) dargestellt, kann das quantitative Chloridprofil, je nach gewünschtem Informationsgehalt für verschiedene Bereiche der Querschnittsfläche dargestellt werden. Aus der Datenmatrix können die Chloridprofile sowohl vertikal, entlang der Rissflanken (Profil 2) oder im ungerissenen Bereich (Profil 3), als auch horizontal, in verschiedenen Tiefenlagen (Profil 1), extrahiert werden. Weitergehende Untersuchungen zum Chlorideintrag über Risse unter Verwendung von LIBS kann [71] entnommen werden. Abbildung 13: Quantitative Visualisierung des Chlorideintrags über einen Riss Alle vorgestellten Ergebnisse können ebenfalls mit einem, eigens für in-situ Messungen entwickelten, mobilen LIBS-Systems erzielt werden (vgl. Abbildungen 14 und 15) (vgl. [72]). Die instrumentellen Komponenten des mobilen Systems entsprechen weitestgehend, denen des Laborsystems (vgl. Tabelle 1). Für die Möglichkeit ortsaugelöster Messungen kann der Messkopf über ein Scannersystem mit drei Achsen verfahren werden. Über eine Unterdruckvorrichtung lässt sich die Scanneinrichtung auch an vertikalen Flächen befestigen. Die zurzeit maximal mögliche Messfläche beträgt 140 mm × 170 mm. Oberflächenmessungen eignen sich insbesondere für die Ermittlung der Chloridexposition (bspw. Expositionshöhe an Wänden- oder Stützensockeln) oder für den Nachweis eines ausreichenden Abtrags von chloridkontaminiertem Beton im Zuge von Instandsetzungsarbeiten. Für tiefenabhängige Informationen sind wiederum Probenentnahmen erforderlich. Eine mobile Anwendung ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Informationen kurzfristig vor Ort ohne lange Unterbrechung der Instandsetzungsarbeiten benötigt werden. Aufgrund der hohen Messgeschwindigkeit und einer automatisierten Auswertung, kann der Chlorid- und CO2-Eintrag in wenigen Minuten ermittelt werden. Das an der BAM befindliche mobile LIBS-System ist zurzeit ein Prototyp und wird stetig über Praxisanwendungen optimiert und weiterentwickelt. Auf Anfrage können Messeinsätze geplant und Vor-Ort Messungen realisiert werden. Abbildung 14: Mobiles LIBS-System für in-situ-Messungen Abbildung 15: Messkopf des mobilen LIBS-Systems inkl. Scanneinrichtung für ortsaufgelöste Messungen an vertikalen und horizontalen Flächen 4. Zusammenfassung und Ausblick Die jüngsten Ergebnisse der Forschung und Entwicklung zur laserbasierten Messtechnik mit LIBS, im Kontext der Betonanalytik, konnten sowohl die Effekte der Laser-Material-Wechselwirkung in Bezug auf zweidimensionale Messungen an Beton beschreiben, als auch eine hinreichende Genauigkeit bei der ortsaufgelösten Quantifizierung von Chlorid in Beton nachweisen. Aufgrund der bevorzugten Absorption von Energie durch die Zementsteinphase, ist ein analytischer Bezug zur Zementsteinmatrix auch bei Gesteinskörnungsanteilen von bis zu 40 M.-% innerhalb des Messpunktes (Laserspots) möglich. Die Validierung der Chloridquantifizierung veranschaulicht, dass Zusatzstoffe, die sich am Hydratationsprozess beteiligen (z.B. Steinkohleflugasche, Hüttensandmehl), keinen signifikanten Einfluss auf die buch2.indb 315 13.01.20 15: 41 316 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Chemische Zustandsanalyse von Stahlbetonbauwerken mit der laserinduzierten Plasmaspektroskopie (LIBS) Quantifizierung mit LIBS ausüben. Selbiges gilt für unterschiedliche Salze des Chlorids (NaCl, KCl, CaCl2, LiCl) und differente initiierte w/ z-Werte (0,4 - 0,6). Es konnte zudem nachgewiesen werden, dass die Ergebnisunsicherheit auch bei zweidimensionalen Messungen an Querschnittsflächen von Mörtel- und Betonprobekörpern nicht zunimmt. Die mit dem Regressionsmodel für die Kalibrierung des LIBS-Systems prognostizierte, maximale Ergebnisunsicherheit von ± 0,08 M.-% konnte im gesamten Validierungsprozess bestätigt werden. Größere Unsicherheiten aus der Betonzusammensetzung sind nur dann zu erwarten, wenn die inerten Bestandteile innerhalb des Laserspots einen Anteil von 40 M.-% überschreiten bzw. vermehrt Fraktionen < 30 µm enthalten sind. Ist die Bedingung erfüllt, kann mit LIBS in sehr kurzer Zeit (einige Minuten) der Chloridgehalt ortsaufgelöst quantifiziert werden und die Elementverteilung für den Anwender visualisiert werden. Neben der hohen Anzahl an Messwerten und einer erhöhten statistischen Aussagekraft der LIBS-Ergebnisse gegenüber konventionellen Verfahren, stellt insbesondere die quantitative Darstellung des Chlorideintrags infolge von Rissen oder Bauteilfugen einen Mehrwert bei der chemischen Zustandserfassung dar. Zudem kann der Karbonatisierungsfortschritt gleichzeitig indirekt über die Kohlenstoffverteilung visualisiert werden. Hervorzuheben ist weiterhin die simultane Erfassung einer Vielzahl relevanter Elemente wie bspw. Ca, Si, Fe, Cl, Na, Al, Mg, O, C, S, K, Ti, Zn oder Li mit einer Messung. Die Entwicklung kommerziell erhältlicher LIBS-Systeme, die speziell für die Baustoffanalytik optimiert sind, hat das Interesse an der Anwendung der LIBS-Analytik im Bauwesen in den letzten Jahren stark gesteigert. Zur Qualitätssicherung sowie der Weiterentwicklung des Verfahrens für andere Anwendungen im Bauwesen, wurde deshalb der Unterausschuss LIBS (UA LIBS) bei der Deutschen Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung e.V. (DGZfP) gegründet. In Zusammenarbeit mit Baustofflaboren, Instituten und Universitäten wird in naher Zukunft der Validierungsprozess für die Quantifizierung von Chlorid in Beton fortgeschrieben und ein einheitliches Vorgehen beim Quantifizierungsprozess angestrebt. Ziel ist es, den aktuellen Stand zu verifizieren und um weitere Parameter, wie bspw. Probenvorbereitung, Ermittlung von Grenzen bei der Quantifizierung (Mörtel bzw. Betonzusammensetzung, Auswertemethoden und Systemparameter) oder Einflüsse aus Labor und Laborpersonal, zu ergänzen und diese in einem Merkblatt festzuhalten. Um die gesamte Leistungsfähigkeit von LIBS im Bauwesen ausschöpfen zu können, wird zukünftig die ortsaufgelöste Quantifizierung möglichst aller für die Betonanalytik relevanter Elemente angestrebt. Kalibrierprobensets für die Quantifizierung von Na, K, Li und S liegen bereits vor und können aktuell schon eingesetzt werden. Weitergehende Untersuchungen zur Klassifizierung von Zement- und Gesteinskörnungsarten mit chemometrischen Methoden zeigen zudem vielversprechende Ergebnisse, sodass die Ermittlung der Festbetonzusammensetzung einen weiteren Themenschwerpunkt für die nahe Zukunft darstellt. 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Stützenraster für Parkhäuser von etwa 5 mal 16 Metern sind ideal abbildbar. Niedrige Bauhöhe durch deckengleiche Unterzüge und schnelle Montage sind die Schlagworte, die begeistern. Dabei wird eine hohe Feuerwiderstandsdauer erreicht. Durch die bereits komplette Anlieferung einschließlich Bewehrung und ausgehärteten hochfestem Beton -, die als biegesteifes Verbundelement zusammenwirken, kann der Hybridbeam unterstützungsfrei verlegt werden und sofort mit den Decken belegt werden. Dabei sind durch hohe Torsionssteifigkeit nicht einmal besondere Verlege Reihenfolgen notwendig. Die architektonisch klare Deckenunteransicht macht Lichtführungen ob Belichtung oder Beleuchtung im Parkhaus einfach und die Installation der TGA ist ohne hervorstehende Unterzüge schneller und einfacher als je zuvor. Wirtschaftlich gibt es hier ein großes Bündel an Vorteilen. 1. Hybridbeam Der Hybridträger (Bilder 1 und 2) ist ein deckengleicher schlanker weitspannender Verbundträger für ein Parkhaus Deckensystem, das überwiegend aus darauf aufgelegten vorgespannten Hohldiele-Deckenelementen besteht. Bild 1: Hybridbeam Bild 2: Röntgenblick 2. Anwendungen in Deckenarten Diese Hybridbeam-Darstellung beschäftigt sich mit einem neuen Konzept von Stahlbeton-Verbunddecken (Bilder 3) in diesem Raster von 7,5 x 16 Metern oder auch 5 x 16 Metern ideal für Parkhäuser, um Materialverschwendung von Beton und Stahl zu vermeiden (Bilder 4) buch2.indb 323 13.01.20 15: 41 324 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Hybridbeam - mehr als die Summe eines Stahlträgers und Beton Bild 3: Hybridbeam deckengleich in Hohldielendecke Bild 4: Parken mit Hybridbeam und Spannbetodielen Diese Art der Deckenplatte besteht aus neu konstruierten Stahl- und Beton-Verbundträgern im Verbund, die durch Bewehrungsstäbe mit einer vorgefertigter Hohldielendecke (Bild 5) oder mit Holzverbunddeckenbalken (Bild 6) verbunden sind. Diese Bauweisen sind besonders effektiv, weil extrem schnell verlegbar ohne große Kranzeiten und ohne Betonmischer und -pumpenzeiten. Genauso sind jedoch auch Elementdecken mit Aufbeton (Bild 7) oder vor Ort geschalte und gegossene Ortbeondecken (Bild 8) einfach ausführbar. Hier muss nur in der Deckenrichtung einachsig unterstützt und betoniert werden. Bild 5: Spannbetondielendecke Bild 6: Holzverbunddecke Bild 7: Elementdecke mit Ortbetonergänzung Bild 8: Geschalte Ortbetondecke 3. Drei Verbundwirkungen in und um den Verbundbalken Die erste Verbundwirkung ist der klassische betonstahlkorb in hochfestem Beton als Stahlbetonbalken (Bild 9). Zweitens wirkt dieser Stahlbetonbalken durch innen angeordnete Verbunddübel mit dem U-förmigen Stahlträger mit dem auskragenden Untergurt zusammen. Drittens wird durch die quer eingesteckte Bewehrung und die Verzahnung oben am Betonträger nach dem Verguss der Zwischenspalten eine mitwirkende Breite im oberen Druckbereich aktiviert. Bild 9: Verbundwirkungen in Überlagerung 4. Aktivierung einer Mitwirkung der Deckendruckzone Mit Hilfe von durch den Hybridträger durchgesteckten Bewehrungsstäben erfolgt eine Wechselwirkung von Decke und Hybridträger. Im oberen Bereich ist der Hybridbeam im Betonkörper verzahnt. Durch Verguss der Restbuch2.indb 324 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 325 Hybridbeam - mehr als die Summe eines Stahlträgers und Beton spalten mit recht wenig Mörtel, wird der ganze Bereicht kraftschlüssig verbunden. Damit wirkt hier in der Druckzone eine größere effektive Breite der Verbunddecke, die merklich größer ist als die Breite des Hybridbeams. Es liegt dort lokal im Prinzip ein Plattenbalken vor. In Kombination mit der Überhöhung des Hybridbeams werden kleine Biegeverformungen festgestellt. Die Nulllinie (Bild 10) wandert nach Verguss der Hohldielenspalten mit ihrer Anschlussquerbewehrung merklich nach oben, was zu einer deutlich höheren Steifigkeit führt, weil die Bewehrung eine größeren Hebelarm aufweist und eine große Betondruckzone entsteht und mitwirkt. Somit ist der Biegewiderstand sehr viel größer als die Summe der Steifigkeiten. Bild 10: Verlagerung der Nulllinie im Verbund Bild 11: Prüfbelastung im Großversuch unkaputtbar Versuchsreihen (Bild 11) haben die Aktivierung einer sehr großen Mitwirkung einer fiktiven Plattenbreite gezeigt. Die Versagenslasten lagen deutlich über allen rechnerischen Prognosen. Die derzeitigen Standards erlauben dessen Ausnutzung nur zum Teil, daher wird gerade an einer allgemeinen bauaufsichtliche Zulassung gearbeitet. Zwischenzeitlich weist des Hybridbeam Technikzentrum die Decken per statischen Nachweis einzeln nach. 5. Nachhaltigkeit - durch mehr als die Summe der einzelnen Teile Die wirtschaftlichen und auch rein technischen Vorteile sind eine positive Seite. Noch mehr aber ist es aber auch in jüngster Zeit der Aspekt der Nachhaltigkeit, dem hohe Bedeutung beigemessen wird. Durch das ausgeklügelte und aufeinander genau abgestimmte Interaktionssystem zwischen verschiedenen Materialien und zwischen verschiedenen Bauelementen schafft man mehr als nur die Summe der Effekte. Das spart Material, Produktionsenergie, Kohlendioxidausstoß. Jeder Träger ist zudem genau ausgelegt und geplant und einzeln nummeriert mit nachvollziehbaren Dokumenten. Damit ist er nach dem Ersteinsatz jederzeit wiederverwendbar. Dies ist ein bedeutender Beitrag zur Nachhaltigkeit, was gerade bei der Ungewissheit für die zukünftige Nutzung von Parkhäusern eine wichtige Eigenschaft ist. Statt Müllerzeugung wird hier eine Weiterverwendung planbar. Sollte dies nicht gewünscht oder machbar sein, so lassen sich die rückgebauten Träger mit hohen Anteil hochwertigen Bau- und Betonstahls vollständig recyceln einschließlich des gebrochenen Betons. 6. Feuerwiderstand Die Deckenplatten werden durch die seitlich auskragenden Flansche gehalten. Daher könnte man vermuten, dass buch2.indb 325 13.01.20 15: 41 326 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Hybridbeam - mehr als die Summe eines Stahlträgers und Beton durch deren Erhitzung die Tragfähigkeit verloren ginge. Dem ist aber nicht so, weil durch die eingesteckten Z-förmig gekröpften Querbewehrungsstäbe, die durch beide Seiten ein geschoben werden, die Decke im Brandfall durch diese Aufhängebewehrung gesichert und gehalten ist (Bild 12). Die innere Bewehrung hat eine ausreichend hohe Betondeckung und ist so von der unteren Beflammung ausreichend weit entfernt um eine hohe Widerstandsdauer zu erreichen. Eine Feuerwiderstandsdauer von 60 Minuten ist somit ohne zusätzliche Maßnahmen erzielbar. Insbesondere sind auch die Verbunddübel im Inneren so weit oben am Steg angeordnet, dass sie kaum erwärmt werden. Deren Wirkung über die stützenden Stege bleibt also immer erhalten. Für den Fall höherer Widerstandsdauer bis zu 120 Minuten Feuer Widerstandsdauer ist es möglich eine Flammschutzbeschichtung des Untergrundes vorzunehmen, die werksseitig industriell aufgebracht wird und bei Hitze eine entsprechend isolierende Schaumbildung ermöglicht. Diese Beschichtung ist sehr unempfindlich. Lokale Beschädigungen können durch Nachwalzen ausgebessert werden, so dass der langjährige Erhalt der Wirksamkeit einer solchen Flammschutzbeschichtung gewährleistet ist. Die Feuerwiderstandsdauer von 120 Minuten ist mit der bauaufsichltlich zugelassenen Flammschutzbeschichtung einfach nachweisbar. Bild 12: Beflammter Hybridbeam mit hoher Betondeckung über den Betonstahllagen 7. Vorteile eines deckengleichen Unterzugs hoher Steifigkeit Die Vorteile eines deckengleichen Unterzugs für Gebäude aller Art sind vielfältig (Bild13). Erstens ist es ein deckengleicher Unterzug, der nicht aus der Decke unter oder an der Oberseite herausragt. Bild 13 Parkhaus ohne Deckenbarrieren Große Spannweiten sind ohne Stützen und auch ganz ohne Unterstützungen auf der Baustelle durch die hohe Steifigkeit des fertigen Hybridträgers auf der Baustelle erreichbar (Bild 14). Durch die Einsparung von Bauhöhe spart man sich ab etwa 13 Geschosse ein Geschoss ein, was zu einer 7% höheren Grundnutzung im Verwaltungsbau führen kann. Bild 14 Hybridbeam freitragend bei Montage Der Widerstand gegen Verdrehung macht ihn unabhängig von der Reihenfolge der Belastung bei der Montage (Bild 15). Bild 15 Deckenmontage ohne Wartezeit und Unterstützung Der hohe Feuerwiderstand sorgt für problemlose Anwendung bei Verwaltungsgebäuden, Krankenhäusern, Schulen. Und das Bauen in einer Stadt wird dramatisch beschleunigt, da die Deckenplatten unmittelbar nach dem Hybridbalken platziert werden können, ohne auf Festbeton zu warten! Weniger Lärm, Staub und Stau ist das positive Ergebnis dieses komplett vorgefertigten, anspruchsvollen Hybridbeams. 8. Abschluss Der Hybridbeam ist ein deckengleicher Unterzug, bevorzugt für vorgefertigte Fertigteildecken, wie sie gerade im Parkhausbau bevorzugt eingesetzt werden. Große Spannweiten bei gleichzeitig schlanker Bauweise integriert in buch2.indb 326 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 327 Hybridbeam - mehr als die Summe eines Stahlträgers und Beton die Bauhöhe der Decke erzeugt große Nutzervorteile beim Ausbau der TGA und beim der täglichen Nutzung. Technisch wirkt er in mehreren Verbundebenen zusammen und ist so optimiert für hohen Lastabtrag bei schonenden Resourceneinsatz. Feuerwiderstandsdauer bis 60 Minuten ist ohne Zusatzmaßnahmen möglich. Die besonders schnelle unterstützungsfreie Montage macht ihn wirtschaftlich außerordentlich interessant. Literatur [1] EN 1991-1-7 Eurocode 1: Actions on structures - Part 1-7: General actions - Accidental actions [2] EN 1992-1-1: 2010 Eurocode 2: Design of concrete structures - Part 1-2: General rules - Structural fire design [3] EN 1993-1-1: 2009 Eurocode 3: Design of steel structures - Part 1-1: General rules and rules for buildings [4] EN 1994-1-2 Eurocode 4: Design of composite steel and concrete structures - Part 1-2: General rules - Structural fire design [5] PFEIFER Hybridbeam - In die Zukunft weit und schlank bauen? [6] PFEIFER Steel Production Poland, brochure 12- 2018, Wroclaw buch2.indb 327 13.01.20 15: 41 buch2.indb 328 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 329 Betonfertigteile für die Umkehrdachbauweise - Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Herstellers Dipl. Ing. (FH) Dirk-Uwe Spengler BTE stelcon GmbH, Germersheim, Deutschland Zusammenfassung: Die Umkehrdachbauweise hat sich in den letzten 60 Jahren weltweit durchgesetzt und bietet aufgrund der besonderen Konstruktion eine Vielzahl von Vorteilen gegenüber anderen Dachsystemen. Dies sind der Schutz der Dachabdichtung vor allen Witterungseinflüssen sowie mechanischen Beanspruchungen und der Schutz bzw. die Reduzierung vor Niederschlagswasser, das auf die Abdichtungsebene gelangt. Die einfache und nicht kraftschlüssige Bauweise mit der Abdichtungsebene, der Dämmstoffschicht sowie aller weiterer darauffolgenden Schichten (Kies, Begrünung, Plattenbelag, etc.) sind leicht in der Umsetzung und somit gut kalkulierbar. Auch der geringe Materialmix mit langer Lebensdauer stellt einen wesentlichen Vorteil dar. Mit dem Einsatz von Betonfertigteilplatten als Flächenbelag wird das schon sehr große Potential der Umkehrdachbauweise noch weiter gesteigert. Es garantiert die höchsten Ansprüche an den Fahrbahnbelag in der Nutzung, sowie eine einfache und leichte Revisionierbarkeit bei Wartungs- oder Ausbesserungsarbeiten. 1. Historischer Abriss vom Flachdach bis zur Umkehrdachbauweise Bereits 3000 v. Chr. war die Flachdachbauweise in weiten Teilen des Mittelmeerraums, Amerika und Asien verbreitet. Eines der ältesten und bekanntesten gebauten Beispiele für ein Flachdach sind die „hängenden Gärten der Semiramis“ aus Babylon, aus dem 6. Jahrhundert. Das Bauwerk steigt treppenförmig an und mit einem speziellen Bewässerungssystem war es möglich die Gärten zu bewässern. Die Abdichtung bestand aus Schichten von Asphaltplatten, Backsteinen und Mörtel. Zur Zeit der Renaissance fand man Flachdächer vorwiegend auf Schlössern, in der Epoche des Barocks und der Entwicklung des Holzzementdaches um 1839 war das Flachdach in den Großstädten weit verbreitet. Mit der Industrialisierung und der Erfindung des Stahlbeton und der Stahlskeletkonstruktion setzte sich das Flachdach auch bei Industriebauten durch. Ab dem 20 Jhd. prägte Le Corbusier die Nutzung des Flachdaches als Wohnterasse und somit als Erweiterung des Wohnraumes. [1] Das Umkehrdach - eine Variante Flachdachbauweise - wurde Anfang der Fünfzigerjahre in den USA von Ravago Buildings Solutions entwickelt und wird wie folgt erzählt: „Aus einem Zufall geboren in den USA: In einem bestehenden Fabrikgebäude war es im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt. Wegen der großen Temperaturunterschiede wurde auch die Dachabdichtung stark strapaziert und musste ständig erneuert werden. So kam man auf die Idee, die blauen Extruderschaumplatten auf das Dach zu legen, um die Abdichtung zu schützen. Ein weiterer Effekt stellte sich in der Fabrikhalle sehr schnell ein: Im Winter war es nicht mehr kalt und im Sommer nicht mehr zu heiß. Mit den Jahren merkte man auch, dass die Dachabdichtung nicht so oft erneuert werden musste, weil die blauen Extruderschaumplatten die Dachabdichtung schützten. Und das war die Geburtsstunde des Umkehrdaches.“ [2] Diese Bauweise hat sich weltweit seit mehr als 60 Jahren erfolgreich bewährt. Durch den einfachen Aufbau und die damit verbundene einfache Handhabung und ein geringer Materialmix mit langer Lebensdauer zeigen, dass das Umkehrdach Maßstäbe gegenüber anderen Systemen setzt. Die leistungsfähigen Wärmedämmstoffe aus XPS-Hartschaum machen diese besondere Dachkonstruktion überhaupt möglich und sorgen dank ihrer hochdämmenden Eigenschaften speziell bei der energetischen Sanierung für die Erfüllung der Anforderungen der EnEV. Damit stellt die Umkehrdachkonstruktion in nicht wenigen Fällen auch eine wirtschaftliche Alternative zur Komplettsanierung dar. [3] 2. Systemüberblick über die befahrbare Umkehrdachweise Das Umkehrdach gehört wie das Warmdach zu den unbelüfteten Flachdachbauten mit dem Unterschied, dass 6.2 Spengler.indd 329 15.01.20 23: 18 330 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Betonfertigteile für die Umkehrdachbauweise - Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Herstellers der konrtuktive Aufbau eine anderen Reihenfolge der Schichten aufweist. Der Regelschichtaufbau beim Umkehrdach ist von Außen nach Innen betrachtet: - Kies oder Plattenbelag - Filtervlies (je nach Aufbau) - Extrudierte Polystyrol-Hartschaumplatten (XPS) mit Stufenfalz - Abdichtung (= Dampfsperre) - Trenn-/ Schutzschicht (empfehlenswert) - Dachtragkonstruktion (bevorzugt Stahlbeton) Auf der tragenden Unterkonstruktion liegt die Dachhaut, darauf die Wäremdämmung und darüber eine Auflast bestehend aus Filterviles (wenn erforderlich) und Kies oder Ortbeton, Pflasterbelag bzw. Betonfertigteilplatten. Mit dieser Aufbauweise ist die Dachhaut vor Temperaturschwankungen geschützt, jedoch die Wärmedämmung stärker dem Regen ausgesetzt. Aus diesem Grund sollte die Wärmedämmung wasserumempfindlich sein und z.B. aus Schaumglas, Polyurethan (PUR) oder Polystyrol (PS) bestehen. Die Auslast (Kies, Pflaster, Ortbeton oder Betonfertigteilplatten) verhindern das Wegwehen, Unterspülen oder Aufschwimmen der Dämmung. Stehende Feutigkeit diffundiert durch die Dämmschicht hindurch und entweicht durch die diffusionsoffene Auflast aus Kies oder aufgestelzten Betonfertigteilplatten an die Außenluft. 2.1 Befahrbares Umkehrdach mit örtlich direkt auf der Dämmung hergestellten Betonfahrbahnbelag Bild 1: befahrbares Umkehrdach mit Ortbeton (Quelle: JACKON Insulation GmbH) (7) Ortbeton (6) Dachvlies (5) XPS-Dämmung (4) Gussasphalt I Estrich (3) 2-lagige Abdichtung mit Voranstrich (2) Stahlbetondecke (1) Innenputz 2.2 Befahrbares Umkehrdach mit Pflasterbelag Bild 2: befahrbares Umkehrdach mit Verbundsteinpflaster auf Bettungsschicht (Quelle: JACKON Insulation GmbH) (8) Verbundsteinpflaster mit Füllsand (7) Bettungsschicht (6) Dachvlies (5) XPS-Dämmung (4) Gussasphalt I Estrich (3) 2-lagige Abdichtung mit Voranstrich (2) Stahlbetondecke (1) Innenputz 2.3 Befahrbares Umkehrdach mit Betonfertigteilbelag Bild 3: befahrbares Umkehrdach mit Betonplatten auf Stelzlager (Quelle: JACKON Insulation GmbH) (6) Betonfertigteilplatte (5) gummierte Lagerplatte als Stelzlager (4) Gussasphalt (3) ebene Abdichtung (2) Stahlbetondecke (1) Innenputz 3. Anforderungen an die Betonfertigteile für ein befahrbares Umkehrdach Die grundsätzlichen Eigenschaften für die Betonfertigteile ergeben sich aus dem Einsatzzweck. Auf dem Parkdach sind die Betonfertigteile dem gleichen Verkehr und 6.2 Spengler.indd 330 15.01.20 23: 19 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 331 Betonfertigteile für die Umkehrdachbauweise - Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Herstellers den gleichen Witterungsverhältnissen wie im öffentlichen Raum ausgesetzt. Somit sollten die gleichen Anforderungen an die Betonfertigteile für ein Umkehrdach wie für einen Fahrbahndeckenbeton für Straßen in Ansatz gebracht werden: - Hohe Druck- und Biegezugfestigkeit (Verformungsstabilität) - Hoher Verschleißwiederstand - Hoher Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand - Hohe Oberflächenqualität hinsichtlich Ebenheit, Griffigkeit und Farbe 3.1 Betoneigenschaften Aus den Anforderungen für einen Fahrbahndeckenbeton ergeben sich folgende betontechnologische Kennwerte: - Mindestdruckfestigkeit ≥ C 30/ 37 - Biegezugfestigkeit ≥ 3,5 N/ mm² - Expositionsklassen XF4, XM1 Weitere Eigenschaftswerte für den Fahrbahndeckenbeton sind: - Frost-/ Tausalz-Widerstand - Prüfung nach BAW-Merkblatt „Frostprüfung von Beton“ (Ausgabe 2012) gem. ZTV-Ing Zeil 3 (12/ 2014) Grenzwert nach 28 Frost-Tauwechsel ≤ 1.500 g/ m² im Mittelwert - Abriebwiderstand - Prüfung nach „Böhme“ - ≤ 15 cm³/ 50 cm² - Ebenheit - Prüfung in Anlehnung an die DIN EN 1338 und TL Pflaster-StB - konvex ≤ 2,0 mm bzw. konkav ≤ 1,5 mm - Griffigkeit - Prüfung nach TP Griff-StB (SRT) - Anforderungen an Besenstrich - in Besenstrichrichtung mind. 50 SRT-Einheiten und quer zur Besenstrichrichtung mind. 55 SRT-Einheiten 3.2 Abmessungen der Betonfertigteile für ein befahrbares Umkherdach Die Abmessungen der Betonfertigteile für ein befahrbares Umkehrdach unterliegen keiner allgemeingültigen Regelung oder Norm und können durch den Hersteller frei gewählt werden. In der Bauteilkonfiguration sollten zwei Eckwerte beachtet werden. 3.2.1 Kantenlänge Bei einer Kantenlänge ≤ 100 cm fällt die Betonfertigteilplatte unter die DIN EN 1339 bzw. TL Plaster-StB - auszugsweise „Platten aus Beton“ und wird dann danach bewertet. Betonfertigteile mit einer Kantenlänge > 100 cm sind außerhalb der DIN EN 1339 und richten sich dann nach den jeweiligen Herstellerangaben. 3.2.2 Bauteildicke Bei der Wahl der Bauteildicke ist das spezifische Eigengewicht in Verbindung mit der einwirkenden Drucklast zu berücksichtigen. Die Erfahrung zeigt, dass sich eine Betonfertigteildicke von 10 cm bewährt hat. Das Eigengewicht der Betonfertigteilplatte beträgt 250 kg/ m² und ist somit für herkömmliche Verlegemaschinen mit Vakuumtechnik noch händelbar. Geringe Bauteildicken sind möglich, jedoch sollte die Systemtragfähigkeit je nach Aufbau überprüft werden. 3.3 Lagestabilität Durch die lose und offene Bauweise des befahrbaren Umkehrdachs kommt der Lagestatbilität eine besondere Bedeutung zu. Es hat sich gezeigt, dass trotz des hohen Eigengewichts der Betonfertigteilplatten, von bis zu 250 kg/ m², sich auch die Betonfertigteilplatten in Laufe der Nutzung verschieben können wenn sie, wie beim Pflasterbelag auf Fuge mit herkömmlichen Fugenkreuzen, lose verlegt werden. Diese Verschiebungen entstehen zum einem durch die jahreszeitlichen Witterungseinflüsse in Form der materialbedingten Ausdehnung und des zusammenziehen (Ausdehnungskoeffizient) und zum anderen, durch die Einwirkung der Schub- und Bremskräfte aus dem Karftfahrzeugverkehr auf den Fahrbahnbelag. Um diesem Erscheinungsbild entgegenzuwirken, ist ein dauerhafter Form- oder Form-Kraftschluss zwischen den einzelnen Betonfertigteilplatten erforderlich. Hier haben sich zwei Methoden im Markt bewährt. 3.3.1 Verspannung im Fugenkreuz der Betonfertigteilplatten Bild 5: Schnitt Verspannung von Betonfertigteilplatten (Quelle: Zoontjens Deutschland GmbH) Bild 6: Systembild Verspannung (Quelle: Zoontjens Deutschland GmbH) 6.2 Spengler.indd 331 15.01.20 23: 19 332 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Betonfertigteile für die Umkehrdachbauweise - Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Herstellers Das Wirkungsprinzip der Verspannung im Fugenkreus besteht in der Verdrückung einer Spannschraube mit einem Ausdehnungskörper, der die anliegenden Betonfertigteilplatten auseinandertreibt und somit eine Druckspannug zwischen den Betonfertigteilplatten erzeugt. Damit wird der Betonfertigteilbelag auf Spannung verlegt und somit ein Kraft-Formschluss erzeugt, der die Lagestabiltät gewährleistet. Durch den jeweiligen Materialausdehnungskoeffizienten müssen die Verspannungspunkte nach einer gewissen Nutzungsdauer nachgespannt werden. 3.3.2 Verkettung der Betonfertigteilplatten Bild 7: Schnitt Verkettung von Betonfertigteilplatten (Quelle: BTE stelcon GmbH) Bild 8: Detailauszug Verkettung (Quelle: BTE stelcon GmbH) Bild 9: Systembild Verkettung (Quelle: BTE stelcon GmbH) Das Wirkungsprinzip der Verkettung beruht auf einem einfachen Formschluss der Betonfertigteilplatten an zwei Fixpunkten je Plattenseite mitteils einem Fixierstück. Dieses Fixierstück wird bei der Verlegung der Betonfertigteilplatten eingesetzt und auf der Unterseite durch das Stelzlagen, hier Gummigranulatteller, vor dem herausfallen gehalten. Durch den einfachen Formschluss sind alle Betonfertigteilpaltten miteinander verbunden und wirken so wie eine vollflächige Betonplatte am Stück. Diese Verbindung hat gegenüber der Kraft-Formschluss-Verbindung den Vorteil, dass der jeweilige Matrialausdehnungskoeffizient auf das System keine Auswirkung hat und somit unterhaltungs- und wartungsfreundlich ist. 4. Anforderungen an die Aufbauflächen für die Umkehrdachbauweise mit Betonfertigteilen 4.1 Aufbau - Grundprinzip 3 Schichten Bild 10: Aufbauprinzip Umkehrdach (Quelle: BTE stelcon GmbH) 1. Abdichtung 2. Wärmedämmung (XPS) 3. Fahrbahnbelag (Betonfertigteil) Der sogenannte 3-Schichten-Aufbau ist nicht kraftschlüssig untereinander verbunden. 4.2 Betondecke Für einen lagestabilen Systemaufbau zu erhalten gelten an die Betondecke folgende Anfoderungen: Ebenheit nach DIN 18202 (Tolerenzen in Hochbau), Zeile 2 Tabelle 3 „Nichtflächenfertige Oberseite von Decken mit erhöhten Anforderuengen“ - sollten diese Anforderungen nicht eingehalten werden können, so sind entsprechende Ausgleichmaßnahmen vorzusehen. Höhenversprünge (Höhendifferenzen) zwischen zwei benachbarten Deckenplatten sollten nicht größer als 4 mm sein. Auch hier gilt, wenn diese nicht eingehalten werden können, dann sind entsprechende Ausgleichmaßnahmem zu treffen. 6.2 Spengler.indd 332 15.01.20 23: 19 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 333 Betonfertigteile für die Umkehrdachbauweise - Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Herstellers 4.3 Abdichtung Im Grundaufbau sollte für die Abdichtung eine robuste Verbundandichtung mit zwei PYE-Bitumenbahnen zur Ausführung kommen. Durch diesen zweilagigen Verbundaufbau wird die Unterlaufsicherheit gewährleistet. Aufbauend auf die Betondeckenebenheit gelten für die Abdichtungsarbeiten, dass an den Überlappungen der Nähte und Stöße keine großen Höhenversprünge, <5mm auftreten. Größere Höhenversprünge sind durch Ausgleichsmaßnahmen, wie zum Beispiel das Aufbringen von einem Bitumendeckenaufstrich, vorzunehmen. 4.4 Wärmedämmung In der Verwendung dürfen nur Wärmedämmplatten mit einer bauaufsichtlichen Zulassung vom Deutschen Institut für Bautechnik für diesen Anwendungsfall eingesetzt werden. Diese Anforderungen werden durch die Extruderschaumplatten, so genante XPS-Platten, erfüllt. 5. Herstellung einer Parkdachfläche in der Umkehrdachbauweise mit Betonfertigteilen 5.1 Planung Bedingt durch die gewünschte Nutzung der Parkdachfläche, d.h. welche Fahrzeugklassen sollen auf dieser Fläche abgestellt werden können, ≤ 2,5 to oder > 2,5 to bis 7,5 to oder > 7,5 to Fahrzeuggewicht, richtet sich der zu wählende Systemaufbau. In der DIN 1055 („Einwirkung auf Tragwerke - Teile 3: Eigen- und Nutzlasten für Hochbau“) wird von einer Regellast für PKW’s (Gesamtlast) von 25 kN ausgegangen. Auf dieser Grundlage werden auch die bauaufsichtlichen Zulassungen für Wärmedämmlatten erstellt, so dass auch diese eine Begrenzung der Geamtlast für Personenkarftfahrzeuge oder ähnliche Kraftfahrzeuge von ≤ 25 kN haben. Da in der Praxis seit einigen Jahren der Anteil an Personenkraftfahrzeugen mit einem höheren Gesamtgewicht von > 25 kN auftreten, geben einige Hersteller auch eine höhere zulässige Gesamtlast an. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Einer weiteren Bedeutung bei der Planung in der Umkehrdachbauweise kommt der Entwässerung zu. Hier bei ist darauf zu achten, dass bei gefällelosen oder mit geringen Gefälle ausgebildeten Parkdächern, kein Wasserstau vor den jeweiligen Abläufen auftritt. Um dies zu verhindern, ist bei der Planung darauf zu achten, das die Abläufe abgesenkt eingebaut werden, d.h. dass keine Wulst beim Eindichten des Ablaufflansches entsteht. Bild 11: Dachablauf integriert in der Umkehrdachbauweise (Quelle: BTE stelcon GmbH) Auch muß die Verkehrsgeschwindigkeit bei der Planung einer Parkdachfläche, unabhänig des Fahrbahnbelages, berücksichtigt werden. Zum einen bewegen sich die Verkehrsteilnehmer in einem begrenzten Gebäude bzw. Fläche, wo durch zu schnelles Fahren gefährliche Situationen entstehen können und zum anderen vervielfachen sich die Brems- und Beschleunigungskräft, die eine negative Wirkung auf das Gesamtsystem, insbesondere auf die XPS-Hartschaumdämmung haben kann. Bei der Planung der Parkdachfläche unter Berücksichtigung der aufkommenden Fahrzeuggeschwindigkeit haben sich zwei Varianten bewährt: 1. Eine abbiegende (S-Förmige) Verkehrsführung - hier werden längere Geraden vermieden um den Beschleunigungsdrang der Verkehrsteilnehmer durch das Abbiegen zu unterbinden. 2. Die Integration von s.g. Tempohemmschweller, die eine Erhöhung in der Fahrbahn darstellen und so den Verkehrsteilnehmer zum abbremsen annimieren sollen. Bild 12: Tempohemmschwelle aus Beton (Quelle: BTE stelcon GmbH) 5.2 Ausführungsdetails Die Umkehrdachbauweise mit Betonfertigteilplatten deckt alle geläufigen Einbau-, Anbau- oder Umbaudetails ab. Es gibt kaum eine Situation, wo nicht eine Detaillösung mit Betonfertigteilen zur Umsetzung kommen kann. 6.2 Spengler.indd 333 15.01.20 23: 19 334 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Betonfertigteile für die Umkehrdachbauweise - Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Herstellers Bild 13: Ausführung der Randfuge an einer schiefwinkligen Gebäudemauer (Quelle: BTE stelcon GmbH) Bild 14: Ausführung Schrammbord (Quelle: BTE stelcon GmbH) [Bild 15]: Ausführung Wassereinlauf vom Fallrohr (Quelle: BTE stelcon GmbH) Bild 16: Ausführung Entwässerungsrinne (Quelle: BTE stelcon GmbH) Bild 17: Ausführung Aufkantung mit Warnstreifen (Quelle: BTE stelcon GmbH) Bild 18: Ausführung Schrankenanlage (Quelle: BTE stelcon GmbH) 6.2 Spengler.indd 334 15.01.20 23: 19 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 335 Betonfertigteile für die Umkehrdachbauweise - Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Herstellers 6. Wirtschaftliche Betrachtung der Umkehrdachbauweise mit Betonfertigteilen Im Zuge von immer weiter steigenden Grundstücks- und Gebäudepreisen ist die effiziente Nutzung des Gebäudekörperes ein wesentlicher Bestandteil bei der betriebswirtschaftlichen Betrachtung. Die mögliche „Doppelnutzung“, d.h. Nutzung sämtlicher Innenräume und Parken oberhalb der Dachfäche, ist ein großer Vorteil für den Bau eines Umkehrdachs. Betiebswirtschaftlich sprechen drei Entscheidungsaspekte für den Bau eines Umkehrdachs. 1. Mit der Wärmedämmung erfüllen Sie die Anforderungen an den Wärmeschutz und demzufolge der Energieeinsparung. 2. Mit der Umkehrdachbauweise können zusätzliche Nutzungsflächen in ein einem begrenzten Baufeld geschaffen und somit eine effiziente Nutzung des Baugrundstücks sicher gestellt werden. 3. Mit der Bewirtschaftung der Nutzungsflächen entsteht die Möglichkeit einer zusätzlichen Einnahmequelle durch Vermietung und Verpachtung. 6.1 Herstellungskosten Je nach Ausführung und indiviuellen Wünschen der Bauherrenschaft können folgende Richtpreise (inkl. Material und Verlegung) für die Herstellung eines Umkehrdachs mit Betonfertigteilplatten zur Kalkulation angesetzt werden: 1. Abdichtung (2-lagig) 35 - 45 €/ m² 2. Wärmedämmung (XPS) 30 - 40 €/ m² 3. Fahrbahnbelag (BFP) 65 - 75 €/ m² 6.2 Wartungskosten Jede Nutzfläche bedarf einer auf ihre Nutzungsweise und -intensität abgestimmte Wartung. Durch eine regelmäßig durchgeführte Wartung wird die Langlebigkeit des Systems bzw. der Nutzungsdauer erhöht. Auch werden kostenintensive Schäden durch eine regelmäßige Instandhaltung vermieden, die insbesondere bei vermieteten Flächen umso spürbaren sind. Bei den Wartungskosten spielt die Umkehrdachbauweise mit Betonfertigteilplatten ihre ganze Stärke aus. Durch den nicht kraftschlüssigen Aufbau können sämtliche Schichten sektional aufgenommen, begutachtet bzw. gewartet und danach wieder verschlossen werden. Somit sind großflächige Öffnungen in der Fahrbahnfläche nicht erforderlich und stören auch nicht bei der Durchführung der Wartungs- oder Revisionsarbeiten die gebräuchliche Nutzung der Parkfkäche. Bei einem jährlichen Wartungsrhythmus betragen die Wartungskosten weniger als 1,00 €/ m² (>1.000 m² Flächen und max. 300 km Anfahrt). Literaturverzeichnis [1] http: / / www.baunetzwissen.de/ Flachdach/ Einführung/ Die-Geschichte-des-Flachdachs-155933 [2] Ravago Building Solutions; Seite 3; Einleitung [3] Dipl.-Ing. (FH) Antje Berger; „Umkehr mit vielen Vorteilen“; dach+holzbau, 04/ 2012 6.2 Spengler.indd 335 15.01.20 23: 19 6.2 Spengler.indd 336 15.01.20 23: 19 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 337 Praxisorientierte Lösungsmöglichkeiten für eine fachgerechte Parkdeckentwässerung Mathias Johr ACO Passavant GmbH, Dermbach, Thüringen Werner Art ACO Passavant GmbH, Dermbach, Thüringen Zusammenfassung Bei unserer täglichen Arbeit müssen wir immer wieder klimatische Einflüsse beachten. Regen- und Tauwasser muss von genutzten und auch ungenutzten Flächen abgeleitet werden. Die Entwässerung ist notwendig um, um Schäden an Personen oder an den Gebäuden abzuwenden. Bei der Planung einer Dach- und Parkfläche sind neben den Regenspenden, den Anstauhöhen, auch die Temperatur- oder die Materialbeständigkeit der Abdichtungsschicht und der Abläufe zu beachten. 1. Normative Grundlagen der Auslegung von Parkdeckentwässerungen Bei der Entwässerung von Parkdeckflächen müssen drei Anwendungsfälle unterschieden werden. Frei bewitterte Parkflächen oder die frei bewitterten Auffahrten können analog eines Flachdachs ausgelegt werden. Die Berechnung der Regenwassermenge ist sehr gut in den relevanten Normen beschrieben. Einfahrten zu Tiefgaragen, also Flächen unterhalb der Rückstauebene, werden mit einer anderen Regenspen-de berechnet. Sonst sind hier die Lage der Rückstau-ebene und ein Gefälle zur öffentlichen Kanalisation zu beachten. Die Auslegung und der Einsatz einer Hebeanlage oder einer Pumpstation kann auch in Hinblick auf die Rückstausicherheit notwendig sein. Flächen, die überdacht sind, müssen auch entwässert werden. Eine Berechnung der Regen- oder Tauwasser-menge ist in den Normen nicht beschrieben. Die Menge des abzuleitenden Wassers muss also abgeschätzt werden. Je nach Region und Schneeintensität können schnell 40 l pro Fahrzeug angenommen werden. 2. Parkdecks und die Entwässerung von Rampen Die Abläufe und Rinnen sind nicht nur wichtig für ein funktionierendes Entwässerungssystem. Gerade die sichere Verbindung der Abdichtschicht mit dem Ablauf ist entscheidend für den Bauwerksschutz. Sie sorgt dafür das keine schädigenden Verbindungen in den Baukörper eindringen können. Die Abläufe und Rinnensysteme sollten mit ihren Flanschen auf die Abdichtungssysteme namhafter Hersteller von Oberflächenschutzsystemen, z.B. Fa. Triflex, abgestimmt sein. 3. Praktische Umsetzung der Entwässerung Die Entwässerung kann über Punktabläufe oder Rinnen erfolgen. Die auftretenden Kräfte, z.B. die Belastung durch das Fahrzeuggewicht, dürfen die Roste der Abläufe nicht beschädigen. In öffentlichen Bereichen kann eine Verriegelung des Rostes Vandalismus vorbeugen. In frostgefährdeten Bereichen kann eine Beheizung der Abläufe und/ oder der Rohrleitung notwendig sein. Es sollten Abläufe ohne Geruchverschluss eingesetzt werden, da sonst die Wasservorlage einfrieren kann. Die angeschlossene Rohrleitung muss als Freispiegelleitung mit einem Gefälle berechnet werden. Unter Umständen muss auch der Brandschutz beachtet werden. buch2.indb 337 13.01.20 15: 41 338 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Praxisorientierte Lösungsmöglichkeiten für eine fachgerechte Parkdeckentwässerung 4. Wartung und Instandhaltung Fahrscheine, Zigarettenkippen oder Kassenbons sind nur Beispiele für Dinge, die die Entwässerung verstopfen können. Selbst der größte Schmutzfangeimer kann nicht jeden Schmutz zurückhalten. Sie sind bei der Wartung zu entleeren. Die Wartung von Abläufen und Rinnen ist mind. 2mal im Jahr durchzuführen. Nur wenn das Entwässerungssystem korrekt ausgelegt, fachgerecht installiert und fristgerecht gewartet wird, haben Sie die Sicherheit, dass die Entwässerung auch zum Bauwerksschutz betragen kann. ACO Haustechnik möchte Ihnen mit dem Vortrag „Praxisorientierte Lösungsmöglichkeiten für eine fachgerechte Parkdeckentwässerung“ die wichtigen Punkte anreißen und Impulse für Ihre tägliche Arbeit geben. buch2.indb 338 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 339 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details Dipl.- Ing. Martin Mossau buch2.indb 339 13.01.20 15: 41 340 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 340 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 341 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 341 13.01.20 15: 41 342 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 342 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 343 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 343 13.01.20 15: 41 344 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 344 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 345 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 345 13.01.20 15: 41 346 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 346 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 347 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 347 13.01.20 15: 41 348 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 348 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 349 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 349 13.01.20 15: 41 350 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 350 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 351 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 351 13.01.20 15: 41 352 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 352 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 353 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 353 13.01.20 15: 41 354 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 354 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 355 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 355 13.01.20 15: 41 356 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 356 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 357 Anforderungsgerechte Lösungen - Lösungen für die schnelle Abdichtung und Beschichtung von Parkbauten und Details buch2.indb 357 13.01.20 15: 41 buch2.indb 358 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 359 Abdichtungen beim Bau von Tiefgaragen insbesondere zum Schutz von Heil- und Mineralquellen Ralf Ziegler, Dipl. Ing (FH) Bermüller & Co. GmbH, Nürnberg, Deutschland Fridolin Sturm, B.Sc. Bermüller & Co. GmbH, Nürnberg, Deutschland Zusammenfassung Eine Abdichtung ist von wesentlicher Bedeutung im Hinblick auf den Umwelt- und Grundwasserschutz, sowie für die Gebrauchsfähigkeit und die Lebensdauer von Bauwerken. Es soll hiermit ein Überblick, der auf Kunststoffen basierenden technischen Barrieren, zur Abdichtung von Tiefgaragen, Baugruben und Außenanlagen zum Schutz von Heil- und Mineralquellen in Baden-Württemberg gegeben werden. 1. Verordnung Aufgrund mehrerer Verordnungen des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart, darf keine Wasser aus den Gebäuden oder Außenanlagen in den geschützten Bereichen versickert werden. Daher sind Bereiche, wie z.B. Tiefgaragen, welche ohne entsprechende ausgebildete Betonbodenplatte errichtet werden sollen, gegen den Untergrund abzudichten. Abdichtungsmöglichkeiten mit Geokunststoffen Es sind in den letzten Jahren eine Vielzahl von Abdichtungsmöglichkeiten unter der Verwendung von Kunststoffen entstanden. Hier sollen nun die mattenartigen Produkte vorgestellt werden. Diese als Rollenware hergestellten Produkte bieten häufig eine verhältnismäßig günstige und schnelle Abdichtungsmöglichkeit dar. Aufgrund der unterschiedlichen Randbedingungen haben sich Produkte mit unterschiedlichen Eigenschaften etabliert. Die Betrachtung der Möglichkeiten wird gegen Ende des Beitrags durchgeführt 2. Schutzschichten Generell gilt aber für alle für alle Produktarten, dass ein gut verdichtetes, ausreichend tragfähiges Planum mit einer guten Ebenflächigkeit vorhanden sein sollte. Ob auf oder unter den Dichtungsbahnen Schutzlagen erforderlich sind, hängt von deren Empfindlichkeit gegenüber mechanischen Beanspruchungen ab. Die mechanischen Beanspruchungen können sich einerseits aus der Qualität des Untergrundes und andererseits aus der Art und Zusammensetzung des Abdeckmaterials, sowie der späteren potentiellen Belastung aus Verkehrslasten ergeben. Für viele Dichtungsbahnen gibt es produktabhängige Zulassungen, in denen die Schutzlagen definiert werden. Des Weiteren wird in Verlegeanleitungen der Hersteller darauf hingewiesen. Bild 1: BETEX TP Schutzvliesstoff Als unabhängige Orientierung dient auch das FGSV Merkblatt M Geok E 2016 [1]. In diesem ist in Kapitel „7.2.6.3 Schutz von Dichtungsbahnen“ angegeben, welche Eigenschaften Schutzvliesstoffe in Abhängigkeit von Bodenklasse und Kornart aufweisen müssen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass die Produkte die Geo-textilrobustheitslasse 5 aufweisen müssen. Zusätzlich wird eine Mindestdicke des Vliesstoffes verlangt.. buch2.indb 359 13.01.20 15: 41 360 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Abdichtungen beim Bau von Tiefgaragen insbesondere zum Schutz von Heil- und Mineralquellen 3. Kunststoffdichtungsbahnen Werden als Abdichtung im Deponiebau, Straßenbau, Eisenbahnbau, Tiefbau eingesetzt und erfüllen die höchsten Anforderungen hinsichtlich Sicherheit und chemischer Beständigkeit. Optimale Eigenschaften bieten dafür Kunststoffdichtungsbahnen aus dem Rohstoff PEHD. Polyethylen hoher Dichte (PEHD) gehört zur Kunststoffgruppe der Thermoplaste. Durch die hohe Dichte von PEHD (0,94 - 0,96 g/ cm³) besitzt das Material ausgezeichnete Sicherheit gegenüber der Permeation von Schadstoffen. PEHD Kunststoffdichtungsbahnen werden, je nach Anwendungsgebiet, in verschiedenen Dicken angeboten. Die Oberfläche ist üblicherweise beidseitig glatt. Bei Abdichtung zum Schutz des Grundwassers werden meist Bahnen mit 2 mm Dicke verbaut. PEHD - Kunststoffdichtungsbahnen werden durch qualifizierte Fachbetriebe verlegt und verschweißt. Zum mechanischen Schutz sind mineralische oder/ und geosynthetische Schutzlagen vorzusehen. 4. Bentonitmatten Geosynthetische Tondichtungsbahnen (GTD), auch Bentonitmatten genannt, sind geotextile Verbundstoffe, die seit Jahren mit Erfolg als natürliche Abdichtung gegen Flüssigkeiten und Gase in verschiedensten Anwendungsgebieten eingesetzt werden. Das Spektrum reicht vom Deponiebau, über den Straßen- und Wasserbau, bis hin zum Bau von Speicher- und Regenrückhaltebecken. Gegenüber der Bauweise mit mineralischen Dichtstoffen, wie z. B. Ton, bieten Bentonitmatten eine gleichbleibend gute Produktqualität und deutliche wirtschaftliche Vorteile. BENTOMAT Tondichtungsbahnen bestehen in der Regel aus drei Komponenten: - geotextilen Deckschicht - Bentonitgranulat - geotextilen Trägerschicht. Bild 2: Aufbau BENTOMAT Üblicherweise handelt es sich bei den Geotextilien um einen mechanisch verfestigten Vliesstoff auf der einen und einem Geogewebe auf der anderen Seite. Die Lagen sind vollflächig, über alle Komponenten kraftschlüssig vernadelt und gleichmäßig mit Bentonit-Granulat gefüllt. Hauptbestandteil von BENTOMAT ist das Mineral Natriumbentonit, welches zu ca. 90 % aus Montmorillonit besteht. Das vulkanische Tonmineral Bentonit ist im Laufe von 200 Mio. Jahren, unter Einwirkung von Wasser und Druck, von der Natur gebildet worden. Für die Herstellung der BENTOMAT Tondichtungsbahnen wird ausschließlich hochwertiger Bentonit in granulierter Form verwendet. Die sehr gute Quellfähigkeit des Bentonits bei Kontakt mit Feuchtigkeit bewirkt die sichere und schnelle Dichtwirkung von BENTOMAT. Diese besondere Eigenschaft des Bentonits ermöglicht es, dass durch den Einbau oder die spätere Nutzung auftretende, mechanische Beschädigungen der Dichtungslage durch einen Selbstheilungsprozess wieder sicher abgedichtet werden. Für mineralische Tondichtungen sind Schichtdicken von bis zu 100 cm nötig. BENTOMAT erzielt eine vergleichbare Dichtwirkung bereits bei einer Dicke von nur ca. 1 cm. Die geringe Dicke von BENTOMAT Tondichtungsbahnen spart nicht nur natürliche Rohstoffe und Bodenaushub, sondern ermöglicht auch ein vergleichsweise größeres Abfallvolumen auf Deponien. Der Einsatz von Bentonitmatten ist somit umweltfreundlicher und wirtschaftlicher gegenüber der herkömmlichen Bauweise. Da BENTOMAT industriell hergestellt wird und über eine lückenlose Qualitätsüberwachung verfügt, ist eine in ihren Eigenschaften homogene Dichtungsschicht garantiert.Der Einbau von BENTOMAT Tondichtungsbahnen ist schnell und einfach. BENTOMAT wird in Rollen angeliefert und ohne aufwändige Schweißarbeiten überlappend verlegt. Der notwendige Überlappungsbereich von 30 cm ist auf der Matte bereits werksseitig gekennzeichnet. Um in den Überlappungen die gleiche Dichtwirkung wie in der Fläche zu erreichen wird auf der Baustelle in den Markierungsbereich eine Lage loses Bentonit-Granulat eingestreut. Um die höchstmögliche Dichtwirkung zu erzielen, benötigen Bentonitmatten eine permanente Auflast mit geeignetem Deckmaterial in einer Dicke von mindestens 30 cm. Diese Überdeckung gewährleistet zusätzlich, dass BENTOMAT Tondichtungsbahnen dauerhaft feucht gehalten und vor mechanische Beschädigungen geschützt werden. BENTOMAT GDA CL Bild 3: Aufbau BENTOMAT GDA CL buch2.indb 360 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 361 Abdichtungen beim Bau von Tiefgaragen insbesondere zum Schutz von Heil- und Mineralquellen Für die höchsten Anforderungen an Dichtungssysteme wurde BENTOMAT GDA CL entwickelt. Bei diesem Produkt wird die Bentonitmatte mit einer PEHD-Dichtungsbahn flächig zu einem Kombinationsprodukt verbunden. Die aufgebrachte Membrane stellt dabei einen zusätzlichen Schutz gegen Austrocknung und Durchwurzelung dar. Umgekehrt stellt die Bentonitmatte eine Schutzlage für die Dichtungsbahn dar. Durch die Kombination der Produktarten stellt BENTOMAT GDA CL ein in sich redundantes Abdichtungssystem für höchste Sicherheitsanforderungen dar. 5. Betonmatten Die Betonmatte CC Concrete Canvas ist eine Verbundmatte, sie besteht aus: Standard Type: 1. Deckschicht aus faserarmierter Oberfläche 2. Vernadelung mit dreidimensionale Fasermatrix 3. Füllung aus Trockenbeton-Mischung 4. Trägerschicht aus wasserundurchlässiger, kunststoffbeschichteter Unterseite (PVC) Bild 4: Aufbau CC Hydro Type: 1. Deckschicht aus faserarmierter Oberfläche 2. Vernadelung mit dreidimensionale Fasermatrix 3. Füllung aus Trockenbeton-Mischung 4. Trägerschicht aus wasserundurchlässiger, kunststoffbeschichteter Unterseite (PVC) 6. Kohlenwasserstoffbeständige Geomembran-Unterseite mit Schweißstreifen (5) für eine prüfbare Schweißnaht Bild 5: Aufbau CC Hydro Hauptbestandteil von CC ist die von der Fasermatrix eingespannte Trockenbetonmischung. Welche nach dem Zutritt von Wasser abbindet. Sie muss zum Zweck der Befeuchtung mit mind. 50 % des Flächengewichtes der Matte in trockenem Zustand bewässert werden. Um die richtige Wassermenge abschätzen zu können., muss die Matte einige Minuten nach der Bewässerung noch feucht sein. Bei Einbau unter sehr trockenen Bedingungen ist ggf. alle 2 Stunden erneut zu wässern, dabei ist ein Überwässern der Matte nicht möglich. Nach 24 h ist die Matte ausgehärtet und besitzt ihre Anfangsdruckfestigkeit von 50 MPa. Nach 28 Tagen erreicht sie 80 MPa. Die Matten gibt es in unterschiedlichen Qualitäten, wobei Sie sich einerseits in der Robustheit, Dicke und Dichtungsqualität unterscheiden. Es ist dabei nicht notwendig die Matte in irgendeiner Weise zu schützen oder zu beschütten. Andererseits ist sie so robust, dass sie mit einer Körnung 0/ 100 beschüttet werden darf. buch2.indb 361 13.01.20 15: 41 362 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Abdichtungen beim Bau von Tiefgaragen insbesondere zum Schutz von Heil- und Mineralquellen 6. Gegenüberstellung Eigenschaften KDB Bentonitmatte BENTOMAT GDA Bentonitmatte mit Folienkaschierung BENTOMAT CL Betonmatte CC Betonmatte mit Folie CC Hydro Überlappt Verschweißt Überlappt Verschweißt Dichtungswirkung (k-Wert) gemäß ASTM D 5887: Dicht (kein Wasserdurchfluss messbar) 5 x E-11 5 x E-11 Dicht (kein Wasserdurchfluss messbar) mind. 1 x E- 8 mind. 1 x E-8 mind. 1 x E-13 Auflast Mineralische Schutzschicht mind. 50 cm Mineralische Schutzschicht Mineralische Schutzschicht Nicht erforderlich Nicht erforderlich Nicht erforderlich Schutzschichten Sandschicht oder Vliesstoffe mind. 400g GRK 5 Gegebenenfalls Sandschicht oder Vliesstoffe mind. 400g GRK 5 Sandschicht oder Vliesstoffe mind. 400g GRK 5 Sandschicht oder Vliesstoffe mind. 400g GRK 5 Nicht erforderlich Nicht erforderlich Nicht erforderlich Verarbeitung Sehr aufwendig, Fachverleger erforderlich Einfach Einfach Aufwendig Fachverleger erforderlich Einfach Einfach Sehr aufwendig, Fachverleger erforderlich Abdeckmaterial Sand bis Tragschicht 0/ 22 möglich Sand Sand Nach Aushärtung bis 0/ 100 Nach Aushärtung bis 0/ 100 Nach Aushärtung bis 0/ 100 Tabelle 1 Anwendungsmöglichkeiten KDB PEHD 2 mm glatt Bentonitmatte BENTOMAT GDA Bentonitmatte mit Folienkaschierung BENTOMAT CL Betonmatte CC Betonmatte CC Hydro Überlappt Verschweißt Überlappt Verschweißt Keine Überdeckung X X X Geringe Aufbauhöhe < 50 cm X X X X X X Beengte und wechselnde Verhältnisse X X X X Einfache, schnelle Verlegung X X X X Höhere Anforderung an Dichtungswirkung X X X Direkter Kontakt zu Frischbeton X X X X X Sicherheit gegenüber Schadstoffen XXX X XX XXX X X XXX Kosten/ m² X XXXX XXX XX XXX XX X Tabelle 2 buch2.indb 362 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 363 Abdichtungen beim Bau von Tiefgaragen insbesondere zum Schutz von Heil- und Mineralquellen 7. Ausführungsbeispiele Ein Beispiel aus Stuttgart mit BENTOMAT Bild 6 und 7: Tiefgaragenabdichtung mit Bentonitmatten Weitere Beispiele werden in der Präsentation detailliert gezeigt. Literaturangaben [1] FGSV Merkblatt M Geok E 2016 buch2.indb 363 13.01.20 15: 41 buch2.indb 364 13.01.20 15: 41 Forschung und Entwicklung buch2.indb 365 13.01.20 15: 41 buch2.indb 366 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 367 Chloridbeständigkeit eines hochlegierten Bewehrungsstahls im Trennrissbereich von Stahlbetonbauteilen Christoph Dauberschmidt Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Andreas Fraundorfer Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Zusammenfassung Die Dauerhaftigkeit von chloridbeaufschlagten Stahlbetonbauteilen hängt in hohem Maße vom Korrosionsverhalten des Bewehrungsstahls im chloridbelasteten Rissbereich ab. Wenn chloridhaltiges Wasser in Trennrisse eindringt, findet an unlegierten Bewehrungsstählen meist rasch eine Initiierung von Lochfraßkorrosion statt. Bedingt durch die örtlich begrenzte Ausprägung des Angriffs ergeben sich hohe Abtragsraten auf kleiner Stahlfläche, die zu signifikanten Querschnitts- und damit zu Tragfähigkeitsverlusten des Betonstahls führen. Als Alternative zu herkömmlichem Bewehrungsstahl bietet sich die Verwendung von meist teuren Bewehrungsalternativen wie GFK oder nichtrostendem Edelstahl an. Die gängigen Edelstahlsorten für Chloridexposition sind dabei die Werkstoffnummern 1.4571, 1.4401, 1.4301 u.a. Eine wirtschaftlichere Alternative zu den gängigen austenitischen Edelstählen stellt in vielen Anwenungsbereichen die Verwendung von korrosionsarmen, hochlegierten ferritischen Stählen dar. Im Baustofflabor des Instituts für Material- und Bauforschung der Hochschule München werden dazu aktuell Untersuchungen an einem Bewehrungsstahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand („Top12“ der Swiss Steel AG; Werkstoffnummer 1.4003) an gerissenen Stahlbetonbalken im Rahmen eines Forschungsvorhabens durchgeführt. Nachfolgend werden die aktuellen Ergebnisse aus den noch laufenden Versuchen vorgestellt. 1. Einleitung Die Dauerhaftigkeit von bewehrten Betonbauteilen wird maßgeblich durch die konstruktive Ausführung, die Widerstandsfähigkeit und die Dichtigkeit des Betons, sowie den einwirkenden Umgebungsbedingungen bestimmt. Der Bewehrungsstahl im Beton wird dabei durch die hohe Alkalität des Betons geschützt. Das basische Milieu des Betons führt zur Bildung einer Passivschicht auf der Oberfläche des Stahls, die zu dessen Korrosionsbeständigkeit führt. Für eine dauerhafte Sicherstellung des Korrosionsschutzes von Stahlbetonbauteilen ist daher eine ausreichend dichte und dicke Betondeckung der Bauteile erforderlich. Korrosion am Bewehrungsstahl, die zu Schäden am Bauteil führen kann, wird initiiert, wenn die Passivschicht zerstört wird. Die am häufigsten in der Praxis vorkommenden Schäden unter üblichen Umgebungsbedingungen resultieren dabei aus karbonatisierungs- und chloridinduzierter Korrosion. Anders als die karbonatisierungsinduzierte Korrosion, die nur bei unzureichender Betondeckung, Fehlstellen (z.B. Verdichtungsfehlern) und sehr breiten Rissen maßgebend wird, kann chloridinduzierte Korrosion auch bei norm- und sachgerechter Ausführung innerhalb der angestrebten Lebensdauer des Bauwerks eintreten. Chloridinduzierte Korrosion ist hinsichtlich der Tragfähigkeit eines Bauteils besonders gefährlich, da es meist zu einem sehr lokalen Angriff des Stahls kommt, wodurch ein signifikanter Querschnittsverlust am Betonstahl nach kurzen Einwirkungszeiten eintreten kann. Rissbereiche, in die Chloride eindringen, sind aufgrund der meist kurzen Einleitungsphase besonders gefährdet. Ein Chlorideintrag in den Beton findet dabei meist über Kontakt mit in Wasser gelöstem Tausalz in den Wintermonaten statt (z.B. bei Brücken und Tiefgaragen). Chloride können aber auch aus Meerwasser (z.B. bei Hafenbauwerken und Brückenpfeilern im Meerwasser) und anderweitigen Expositionen (z.B. bei PVC-Bränden, bei Industrieanlagen und in Schwimmbädern) in das Stahlbetonbauteil gelangen. Sobald der Beton auf Höhe der Bewehrung mit Chloriden in kritischer Konzentration belastet ist, setzt Lochfraßkorrosion ein, die häufig aufwendige Instandsetzungsmaßnahmen zur Folge hat. Im Rissbereich können können bereits geringe Mengen chloridhaltiger Wässer zu einer Korrosionsinitiierung führen. buch2.indb 367 13.01.20 15: 41 368 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Chloridbeständigkeit eines hochlegierten Bewehrungsstahls im Trennrissbereich von Stahlbetonbauteilen Zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von chloridexponierten Bauteilen bieten sich vielfältige Möglichkeiten. Meistens wird eine über den Nutzungszeitraum wartungsintensive Beschichtung oder eine Abdichtung mit Verschleißschicht auf den Beton aufgebracht, um einen Chlorideintrag in den Beton auszuschließen. Werden die Beschichtungssysteme nicht korrekt gewartet und eine Rissbildung bleibt unentdeckt, kann bereits eine Winterperiode [RAU1] ausreichend sein, um Korrosion im Bauteil aufgrund des dabei stattgefundenen Chlorideintrags zu initiieren. Der Grenzwert von 0,5 M-% Cl - / z, ab dem laut [RIL1] ein sachkundiger Planer das Korrosionsrisiko bewerten soll und der als unterer Grenzwert für eine eintretende Korrosion angesehen wird, bezieht sich hierbei maßgeblich auf den ungerissenen Beton und auf unlegierten Bewehrungsstahl. Eine Möglichkeit, das Korrosionsrisiko weitestgehend auszuschließen, besteht in der Verwendung von nichtrostender Bewehrung (gängig: Edelstahl- oder GFK-Bewehrung). Während GFK-Bewehrung kostenintensiver als unlegierter Betonstahl und das Biegen auf der Baustelle nicht mehr möglich ist, ist die Verwendung der gängigen hochlegierten, austenitischen Edelstähle 1.4571 und 1.4401 (früher V4A) nochmals teurer (etwa Faktor 10 zu unlegiertem Bewehrungsstahl) und nur in wenigen Fällen wirtschaftlich. Eine weitere Ausführungsvariante besteht in der Verwendung des deutlich kostengünstigeren, hochlegierten, ferritischen Chromstahls 1.4003. Die Korrosionsbeständigkeit eines solchen auf dem Markt erhältlichen Bewehrungsstahls in chloridhaltigen Rissbereichen bei Stahlbetonbauteilen ist aktueller Forschungsgegenstand am Institut für Material- und Bauforschung der Hochschule München. [Dau1] 2. Unlegierte und legierte Bewehrungsstähle Als gängige, unlegierte Betonstähle finden Stähle der Werkstoffnummern 1.0438 (B500A, normalduktil) oder 1.0439 (B500B, hochduktil) Verwendung [DIN1]. Die Bezeichnung Edelstahl bezieht sich auf einen Stahl besonderer Reinheit, bezogen auf die unerwünschten Eisenbegleiter wie Phosphor und Schwefel. Der Begriff Edelstahl intendiert noch keinen rostfreien Stahl. Damit Stähle bei normalen Umwelteinflüssen „rostfrei“ werden, ist ein hoher Anteil an Chrom (10,5 % und mehr [DIN3], praktisch jedoch i.d.R. erst ab 12 %) erforderlich. Solche Stähle mit hohem Chromanteil bilden eine schützende Passivschicht aus Chromoxiden an der Stahloberfläche. Abhängig von Art und Gehalt an Legierungselementen, sowie der Herstellung, können nichtrostende Stähle in verschiedenen Gefügearten (Ferrit, Austenit, Martensit, eine Mischung aus Austenit und Ferrit (Duplexstahl) oder eine Mischung aus Ferrit und Martensit (Dualphasenstahl)) vorliegen, die auf einer anderen räumlichen Gitteranordnung der Atome beruhen [GRE1]. Dadurch werden u.a. auch Korrosionsneigung, Härte und Festigkeit beeinflusst. Austenitbildende Legierungselemente sind z.B. Nickel, Kohlenstoff, Stickstoff und Mangan. Chrom und Molybdän sind zwei Vertreter der ferritstabilisierenden Legierungselemente. Ein Maß für die Korrosionsbeständigkeit, speziell gegen Loch- und Spaltkorrosion von hochlegierten Edelstählen in chloridhaltigen Medien, ist dabei die Wirksumme (WS): WS = % Cr + 3,3 ∙ % Mo + 30 ∙ % N Für Duplexstähle wird abweichend beim Stickstoffgehalt der Faktor 16 herangezogen. Stickstoff nimmt bei austenitischen Werkstoffen u.a. hinsichtlich Korrosionsresistenz dabei keineswegs die Rolle eines störenden Begleitelements ein, sondern wird gezielt als Legierungselement verwendet. Durch seine begrenzte Löslichkeit im Gefüge ist die Zulegierbarkeit allerdings begrenzt. Wie an der Wirksumme zu erkennen ist, spielt außerdem der Molybdängehalt eine entscheidende Rolle für die Beständigkeit in chloridhaltiger Umgebung [893]. Wie jedoch die nachfolgend in Tab. 2 dargestellten Versuchsergebnisse aus [GRE1] zeigen, hat die Oberflächenbearbeitung in der Herstellung ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf die Korrosionsresistenz. Damit stellt die Wirksumme ein nützliches Hilfsmittel dar, das aber nicht alleine betrachtet werden sollte. Eine Besonderheit austenitischer Stähle ist der gegenüber ferritischen Stählen um den Faktor 1,5 höhere Wärmeausdehnungskoeffizient. Dadurch können theoretisch bei hohen Bewehrungsgraden und starken Temperaturschwankungen Zwangspannungen und damit einhergehend Verbundstörungen auftreten. In der Praxis sind solche Phänomene jedoch nicht beobachtet worden [KUN1]. Der im Rahmen dieser Versuche untersuchte Edelstahl ist der Werkstoffnummer 1.4003, Werkstoffkurzname X2CrNi12 nach [DIN2] zuzuordnen. Die Werkstoffnummer 1.4003 beschreibt einen korrosionsträgen, hochlegierten, ferritischen Chromstahl mit 10,5 bis 12,5 % Chromanteil und Nickelzusatz. Der Anteil an Kohlenstoff liegt bei 0,02 %. Dabei steht die Bezeichnung X für den mittleren Legierungsanteil eines Elements von mindestens 5 % [DIN2]. Im Vergleich zu den geläufigeren Edelstahlbewehrungen aus Chrom-Nickel-Stählen, wie 1.4401 (X5CrNiMo17-12-2, ehemals V4A), wird beim 1.4003 auf Molybdän als Legierungselement verzichtet. Der Chromgehalt ist reduziert. Nickel ist nur bis 1 % zugesetzt, wodurch der Stahl deutlich günstiger hergestellt werden kann als die gängigen Austenite. Im speziellen Fall des hier untersuchten Edelstahls („Top12“) handelt es sich um einen ferritischen Stahl mit mindestens 12 % Chromanteil. Die Herstellerangaben zur Zusammensetzung sind in nachfolgender Tab. 1 gegeben: buch2.indb 368 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 369 Chloridbeständigkeit eines hochlegierten Bewehrungsstahls im Trennrissbereich von Stahlbetonbauteilen C Si Mn P S Cr Ni N Ø 0,015 0,7 0,5 max. 0,025 max. 0,005 mind. 12,0 0,5 0,02 Tab. 1: Zusammensetzung Top12-500 nach [SWI1] Eine Analyse mittels Röntgenfluoreszenanalyse der getesteten Stähle an der Hochschule München ergab einen Chromgehalt von ca. 12,5 %. Das Gefüge des Stahls liegt durch den deutlich geringeren Nickelgehalt nicht als Austenit vor. Dadurch ist der Stahl im Vergleich zu 1.4571, 1.4401 u. a. hinsichtlich Lochfraßkorrosion in chloridhaltigen Medien anfälliger, weist aber durch den dennoch hohen Chromanteil von mindestens 12 % eine deutlich bessere Korrosionsbeständigkeit als unlegierter Bewehrungsstahl bei gleichzeitig höherer Streckgrenze und Festigkeit auf. Die Beständigkeit hinsichtlich Spannungsrisskorrosion in chloridhaltiger Umgebung ist bei ferritischen Chromstählen dabei i.d.R. höher als bei austenitischen Chrom-Nickel-Stählen (sehr hohe Nickelgehalte über rd. 20 % ausgenommen). Ein Materialmix im Stahlbetonbauteil aus Edelstahlbewehrung und unlegiertem Betonstahl (Mischbewehrung) führt hierbei zu keiner Unverträglichkeit durch eine eintretende Kontaktkorrosion. Solange der unlegierte Bewehrungsstahl durch die Alkalität des Betons ausreichend passiviert ist, sind Ruhepotential von Edelstahl und unlegiertem Stahl nahezu identisch, wodurch sich keine anodischen und kathodischen Bereiche ausbilden können [NÜR1]. Bei hochlegierten, sehr korrosionsbeständigen Stahlwerkstoffen basiert die Reaktionsträgheit auf der Bildung einer sehr stabilen Passivschicht aus Chromoxiden, die unter einem weiten Bereich von pH-Werten und Einwirkungen stabil ist. Verglichen mit unlegiertem Bewehrungsstahl findet dabei eine Korrosionsinitiierung erst unter deutlich ungünstigeren Randbedingungen, die wie bei herkömmlichem Betonstahl in alkalischer Umgebung mit einer Auflösung der Passivschicht verbunden ist, statt. Sobald die Passivschicht des hochlegierten Stahls jedoch verletzt ist, treten meist lokal begrenztere Depassivierungen als bei normalem Bewehrungsstahl auf. Die Korrosionsrate ist bei hochlegierten Edelstählen im Vergleich zu unlegiertem Stahl kleiner, die Abtragstiefe dadurch jedoch etwa vergleichbar groß [SCH1]. Hinzu kommt, dass bei kleineren Lochfraßnarben eine schlechtere Belüftung des Elektrolyten in der Narbe stattfindet, was eine zusätzliche Ansäuerung bewirkt, die den Abtrag weiter verstärkt. In [NÜR1] wurden Versuche an geschweißten Bewehrungsstählen in karbonatisiertem und nicht karbonatisiertem Normal- und Leichtbeton mit und ohne Chlorideinwirkung durchgeführt. Dabei wurde auch ein 1.4003 (X2Cr11) getestet. In karbonatisiertem Beton ohne gleichzeitiger Chlorideinwirkung erwies sich der 1.4003 als beständig. Bei geschweißten Stählen mit hohem Chromgehalt kann jedoch eine Chromverarmung um die Schweißzone erfolgen, indem sich im warmen Werkstoff mit dem vorhandenen Kohlenstoffgehalt im Stahl Chromkarbide abscheiden. Dadurch ist die Passivschichtbildung an dieser Stelle behindert und eine leichter eintretende Korrosion im Randbereich der Schweißnaht ist die Folge. In [NÜR1] wurde dabei an geschweißten 1.4003-Proben nach einer Auslagerungsdauer von 0,5 Jahren in einem Beton mit einem Chloridgehalt von 2,5 M.-%/ z deutliche Lochfraßnarbenbildung an der Randzone der Schweißnaht festgestellt. An Lollipop-Versuchen in Mörteln wurden in [BIS1] unlegierte und niedriglegierte Betonstähle auf deren kritischen Chloridgehalt hin untersucht. In [GRE1] wurden die Versuche mit den Ergebnissen an Proben aus 1.4003 („Top12“) gegenübergestellt, wobei die Untersuchungen in zementhaltigen Mörteln mit CEM I und CEM II/ B-M (S-T) Zementen (hüttensand- und schieferhaltig) durchgeführt wurden. Der 1.4003 wurde mit und ohne Walzhaut getestet. Die Ergebnisse sind in nachfolgender Tab. 2 zusammengestellt. B500B 1.4003 mit Walzhaut 1.4003 ohne Walzhaut CEM I 1,25 2,05 4,90 CEM II/ B-M (S-T) 1,76 3,84 5,97 Tab. 2: kritische Chloridgehalte in M.-%/ b nach [GRE1] im Mittel Die entgegen der Erwartung höheren, kritischen Chloridgehalte im CEM II-Zement wurden in einer längeren Vorpassivierungsdauer der CEM II-Proben vermutet. Ebenfalls deutlich zu erkennen ist der negative Einfluss der Walzhaut. Diese wird jedoch bei dem untersuchten Betonstahl in den heute üblichen Produktionsschritten durch einen Beizvorgang entfernt. In [SCH2] wurden kritische Chloridgehalte unter praktischen Beanspruchungsbedingungen an ausgelagerten Proben im Naxbergtunnel ermittelt. Getestet wurden die Stahlsorten B500B, 1.4003 (mit Walzhaut) und Duplexstahl 1.4462. Dabei wurden verschiedene Betone und Betondeckungen erfasst, wobei die geringen Betonüberdeckungen teilweise karbonatisiert waren. Dabei wurden folgende kritische Gesamtchloridgehalte ermittelt: B500B: 0,4 bis 0,9 M.-%/ b 1.4003: 0,9 bis 1,4 M.-%/ b Beim Duplexstahl (C krit > 3 M.-%/ b) konnte keine Korrosion festgestellt werden. Diese Ergebnisse decken sich auch in etwa mit den Ergebnissen aus Laborversuchen in [SCH1]. Dabei wurde ebenfalls ein deutlicher Einfluss der Walzhaut des 1.4003 auf die Korrosionsbeständigkeit festgestellt. [Dau1] buch2.indb 369 13.01.20 15: 41 370 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Chloridbeständigkeit eines hochlegierten Bewehrungsstahls im Trennrissbereich von Stahlbetonbauteilen 3. Fragestellung der durchgeführten Versuche Wie dargestellt, gibt es durchaus zahlreiche Untersuchungen zum Korrosionsverhalten von Bewehrungsstählen mit der Werkstoffnummer 1.4003 in chloridhaltigem Beton. Bis dato sind aber nur wenige Versuche zum Korrosionsverhalten dieser Stäbe in chloridbelasteten Rissen durchgeführt worden. Dieses Korrosionsverhalten ist insofern von hoher Praxisrelevanz, da durch die gezielte Auswahl von bestimmten Zementen bzw. Betonen die Einleitungsphase von z.B. ungerissenen und unbeschichteten Tiefgaragenbodenplatten mit herkömmlicher Bewehrung auf mehr als 50 Jahre auslegt werden kann. Allerdings führt das Entstehen eines Risses, in den Chloride eindringen können, zu einer hohen Korrosionswahrscheinlichkeit der Bewehrung im Rissbereich. Die heute häufig angewandte Methode, die Bodenplatte mit einer rissüberbrückenden Beschichtung zu versehen, ist aber sehr wartungs- und instandhaltungsintensiv. Auch können bei hohen Wasserdrücken von außen Blasen und Ablösungen entstehen. Insofern würde die Einsatzmöglichkeit eines Bewehrungsstahls 1.4003 mit einer nachgewiesenen hinreichenden Korrosionsbeständigkeit im chloridbeaufschlagten Riss eine wirtschaftliche und robuste Bauweise von z.B. Tiefgaragen-Bodenplatten ermöglichen. Ziel des Forschungsvorhabens ist die Ermittlung der Beständigkeit des 1.4003 Bewehrungsstahls im chloridbelasteten, nicht karbonatisierten Trennrissbereich. Als Ergebnis wird die Ermittlung eines Verhältniswertes angestrebt, der angibt, um welchen Faktor die untersuchte Chromstahlbewehrung eine höhere Chloridkonzentration im Riss erträgt als unlegierter, warmgewalzter Bewehrungsstahl. Sämtliche Proben des 1.4003 wurden gebeizt (ohne Walzhaut) geprüft, das der aktuellen Lieferform des „Top12“ zur Baustelle entspricht. Aus Voruntersuchungen an der Hochschule München wurde bereits ein Vorgehen für die Untersuchung entwickelt [Dau2]. 4. Versuchsaufbau Für die Versuche wurden Stahlbetonbalken mit Trennriss erstellt. Untersucht werden Stahlbetonproben mit 1.4003 sowie mit unlegiertem Bewehrungsstahl 1.0439 (B500B), der als Referenz dient. Die verschiedenen Probekörper werden regelmäßig mit Chloridlösungen unterschiedlicher Konzentration beaufschlagt, um einen Chloridgehalt in der Rissflanke zu ermitteln, ab dem eine erste stabile Korrosionsinitiierung gemessen werden kann. Je Stahlbetonbalken wurde ein Bewehrungsstab zentrisch einbetoniert. Die Balken erhielten umlaufend eine Sollbruchstelle über eingelegte Dreikantleisten, durch die später die Risserzeugung erfolgte s. Abb. 1. Abb. 1: Skizze des Prüfkörperaufbaus Bis auf den Bereich um den Trennriss wurde der Bewehrungsstahl mit einer PU-Beschichtung versehen, um eine Verfälschung der Messergebnisse durch Karbonatisierung der Randzone auszuschließen und um eine definierte Anodenfläche zu erhalten. Als Referenz- und Gegenelektroden wurden Ringe aus einem Titanmischoxidband verwendet. Der Abstand zur Bewehrung wurde über einen Kunststoffabstandhalter sichergestellt, vgl. Abb. 2. Abb. 2: 1.4003 mit Titanmischoxidelektroden Die Verbindungsstellen der Messkabel wurden ebenfalls mit einer PU-Beschichtung versehen, um eine Kontaktkorrosion zu unterbinden. Für den Betonentwurf wurde ein CEM I 42,5 N Zement mit einem w/ z-Wert = 0,45 und eine A/ B 8 Sieblinie verwendet. Nach Aushärtung des Betons wurde ein Trennriss in der Prüfmaschine über eine Doppelbiegung in einem Dreipunkt-Biegeversuch erstellt und mittels rostfreier Edelstahlplättchen offen gehalten. (w k = 0,25 mm), vgl. Abb. 3. buch2.indb 370 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 371 Chloridbeständigkeit eines hochlegierten Bewehrungsstahls im Trennrissbereich von Stahlbetonbauteilen Abb. 3: Probekörper mit erstelltem Trennriss Nach einer ausreichenden Erhärtungsphase von 28 Tagen wurde zuerst eine Leitungswasserbeaufschlagung und Nullmessung gestartet, anschließend erfolgte die Beaufschlagung mit chloridhaltigem Wasser. 5. Versuchsdurchführung Die externe Beaufschlagung mit chloridhaltigem Wasser erfolgt durch eine NaCl-Lösung in verschiedenen Konzentrationen. Diese wird in den seitlich verdämmten und nur einseitig für die Beaufschlagung offenen Rissbereich gegeben. Dabei können Chloride aus der Lösung teilweise in den Beton eindiffundieren, großteils ist jedoch auch ein „Huckepacktransport“ der Chloride durch kapillare Saugvorgänge in den zwischenzeitlich immer wieder trocken gelagerten Probekörper möglich. In regelmäßigen Zyklen wurden die Balken im Rissbereich mit chloridhaltigen Lösung beaufschlagt, deren Konzentration auf Grundlage der Vorversuche aus [Dau2] ermittelt wurden. Im Anschluss erfolgte eine mehrtägige Trocknungsphase. Wöchentlich werden die freien Korrosionspotentiale, Elementströme, Polarisationswiderstände, sowie Elektrolytwiderstände der Proben erfasst. Ein Teil des tatsächlichen Korrosionsstroms ist durch die Korrosionsstrom-Messung nicht korrekt erfassbar, da Anode und Kathode räumlich nicht vollständig voneinander getrennt werden können. Ströme, die für die Kathodenreaktion auf der Anode verbraucht werden, sind somit nicht gesondert identifizierbar [HEI1]. Nachfolgend wird der Begriff Elementstrom als Strom zwischen der vermeintlichen Anode und der Kathode verwendet. Näherungsweise wird dieser dem Korrosionsstrom gleichgesetzt. Nach jeder Elementstrommessung wurde der absolute Wechselstromwiderstand (Impedanz) bei 1 kHz Messfrequenz ermittelt. Dieser Wert dient zum Abgleich mit den Elementströmen. Dadurch ist ein Rückschluss möglich, ob ein Stromanstieg lediglich auf einem verringerten Elektrolytwiderstand oder auf einer Veränderung der anodischen Korrosionsaktivität beruht. Für die korrekte Erfassung des sehr kleinen Elementstroms wurde ein Potentiostat verwendet, der als Nullwiderstandsstrommessgerät (Zero Resistance Amperemeter, kurz: ZRA) geschalten wurde. Für diese Messanordnung wird eine Zwei-Elektroden-Anordnung verwendet, wobei auf eine separate Referenzelektrode zur Potentialerfassung verzichtet wird. Die Gegenelektrode wird zeitgleich als Referenz genutzt, vgl. Abb. 6. Zu Beginn der Messung wird dabei das Ruhepotential zwischen Gegenelektrode (Titanmischoxidband) und Arbeitselektrode (1.4003 bzw. B500B) ermittelt. Danach wird die Potentialdifferenz zwischen Arbeits- und Gegenelektrode zu Null geregelt und gehalten. Der dazu nötige Strom wird über die Zeit aufgezeichnet. Je länger die Messung dauert, desto stärker konvergiert der Verlauf des „Kurzschlussstroms“ dem Elementstrom, der tatsächlich bei einem dauerhaften Kurzschluss von Arbeits- und Gegenelektrode fließen würde. Abb. 6: Messanordnung (ZRA) im Versuch Eine Problematik bei der Versuchausauswertung der Elementströme ergibt sich bei der Bestimmung der Anodenfläche im Rissbereich, die zur Bestimmung der Elementstromdichte und damit zur quantitativen Bestimmung des Querschnittsverlust erforderlich wäre. Der Elementstrom entspricht dabei nicht exakt dem Korrosionsstrom, da die Arbeitselektrode (für die Messung als Anode betrachtet) auch kathodische Bereiche ausbildet, durch die ein Teil des Korrosionsstroms als Elektrolytreaktion verbraucht wird. Hier besteht nun eine Unwägbarkeit hinsichtlich der Korrosionsaktivität des Stahls in der Randzone der Rissflanken. Die im Riss befindliche und damit mathematisch ableitbaren Stahloberfläche als Anodenfläche anzusetzen ist hier nicht zielführend. Die mitwirkende Anodenfläche hängt von zu vielen Einflussfaktoren ab. Insgesamt ist eine korrekte Flächenbestimmung der Anode bei Lochfraßkorrosion, wie im vorliegenden Fall untersucht wird, durch die Narbenbildung und die damit verbundene immer größer werdende Aushöhlung der Narbe versuchstechnisch kaum möglich. Anhand der Darstellung in Abb. 7 werden die Problematiken deutlich. buch2.indb 371 13.01.20 15: 41 372 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Chloridbeständigkeit eines hochlegierten Bewehrungsstahls im Trennrissbereich von Stahlbetonbauteilen Abb. 7: Modell der Korrosion im Rissbereich nach [SCH1] und [GOT1] 6. Auswertung Als Abbruchkriterium für die Versuche wurde die erste stabile Korrosionsinitiierung ohne Repassivierungsvorgänge gewählt. Diese zeichnet sich in einem Sprung in den freien Korrosionspotentialen, sowie einem signifikante Anstieg der Elementströme ab, die nach zwei Wochen der Nicht-Beaufschlagung auch nicht wieder den Ursprungswert erreichen. Zu diesem Zeitpunkt war auch erst sichtbare Korrosion an den herausgetrennten Stahlproben zu erkennen. Der exemplarische Verlauf einer Probe mit und ohne Korrosionsinitiierung kann Abb. 6 entnommen werden. Abb. 6: Verlauf eine Probe mit (lila) und ohne (orange) Korrosionsinitiierung Zum Versuchsende werden in den Rissflanken die tatsächlich vorhandenen Chloridgehalte im Beton am Rissbereich photometrisch ermittelt. Danach wurden die Proben gespalten und fotografisch dokumentiert. Die Darstellung eines Ausgebauten Stahls (B500B) mit Korrosion aus der Versuchsreihe kann Abb. 6 entnommen werden. Die Darstellung einer 1.4003 Probe mit Korrosion ist in Abb. 6 dargestellt. Hier zeigt sich deutlich die zum Trennrissbereich exzentrisch versetzte Narbe nach Abb. 7. Abb. 6: ausgebauter Schwarzstahl mit Korrosion vor gespaltener Betonprobe Abb. 6: 1.4003 Bewehrungsstahl in gespaltener Betonprobe mit Korrosionsnarbe exzentrisch zum Trennriss Je zu untersuchender Betonstahlsorte werden 18 Prüfkörper geprüft. Dabei sind alle 18 Proben untereinander identisch hergestellt und dienen der üblichen Ermittlung von Streuungen bei den Versuchen. Zum aktuellen Zeitpunkt dieser Veröffentlichung zeigten von den untersuchten unlegierten Betonstählen bereits alle 18 Proben die untersuchte Korrosionsinitiierung bei Chloridgehalten zwischen 0,2 bis 1,2 M.-%/ z. Von den untersuchten 1.4003 Bewehrungsstählen zeigten zwei der 18 Proben eine stabile Korrosionsinitiierung bei Chloridgehalten von 1,8 bis 2,0 M.-%/ z. Aufgrund der ermittelten Streuung der Werte der unlegierten Stahlproben ist davon auszugehen, dass die kritishcen Chloridgehalte auch bei den 1.4003-Proben deutlich streuen werden. buch2.indb 372 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 373 Chloridbeständigkeit eines hochlegierten Bewehrungsstahls im Trennrissbereich von Stahlbetonbauteilen 7. Fazit In karbonatisiertem Beton ohne Chlorideinwirkung erweist sich der 1.4003 gemäß Untersuchungen aus der Literatur als beständig. Vergleicht man die Versuche aus der Literatur hinsichtlich der Chloridbeständigkeit, fällt eine deutliche Abhängigkeit des festgestellten kritischen Chloridgehalts des 1.4003 von der Oberflächenbeschaffenheit, der Zementart und der Versuchsdurchführung auf. Der Einfluss von Walzhaut, Schweißnähten und Rippung, sowie die gewählte Zementart kann die Ergebnisse teilweise zwischen kritischen Chloridgehalten von deutlich unter 1 M-% bis über 5 M-% des untersuchten Betonstahls 1.4003 („Top12“) variieren lassen. Liegt die Bewehrung aus 1.4003 im karbonatisierten Beton bei gleichzeitiger Chloridbeanspruchung, fällt die Korrosionsresistenz signifikant. Die durchgeführten Versuche im Rissbereich ergaben eine Korrosionsinitiierung der 18 untersuchten unlegierten, warmgewalzten B500B-Proben bei Chloridgehalten von 0,2 bis 1,2 M.-%/ z im nicht karbonatisierten Trennrissbereich bei Verwendung einer Betonrezeptur mit CEM I- Zement. Von den ebenfalls 18 untersuchten 1.4003-Proben, zeigten aktuell zwei Proben eine Korrosionsinitiierung bei Chloridgehalten von 1,8 bis 2,0 M.-%/ z. Vergleicht man die hier dargestellten Untersuchungen am 1.4003 und die Untersuchungen aus der Literatur, fällt der starke Einfluss von gleichzeitiger Karbonatisierung des Betons und Chlorideinwirkung auf. Demzufolge zeichnen sich folgende Anwendungsgebiete als zielführend für den 1.4003 ab: die Verwendung in Bauteilen mit nur sehr geringer (möglicher) Betonüberdeckung unter Ausschluss einer gleichzeitigen Chloridbeanspruchung (z.B. Fassadenelemente) oder die Verwendung in Bauteilen mit mäßiger chloridbeanspruchung und ausreichend hoher Betonüberdeckung, wodurch eine Karbonatisierung bis auf Höhe der Bewehrung während der Nutzungsdauer ausgeschlossen werden kann (z.B. Sprühnebel beaufschlagte Tunnelwände). Als Anwendungsfall ist bei den aktuellen Ergebnissen auch die Verwendung in unbeschichteten Tiefgaragenbodenplatten mit Rissbehandlung (Bandage oder Verpressen) denkbar. Im ungerissenen Bereich ist die Dauerhaftigkeit hierbei über eine ausreichende dichte und dicke Betonüberdeckung und die Verwendung eines Betons mit hohem Chlorideindringwiderstand steuerbar. Im gerissenen Bereich erhält man bei Verwendung der hier untersuchten Chromstahlbewehrung eine deutliche Sicherheitsreserve bei der Wartung: selbst wenn Risse über einen gewissen Zeitraum auch im Winter offen bleiben, besteht die Möglichkeit diese je nach Nutzungsintensität auch noch zu einem späteren Zeitpunkt zu verschließen, ohne dass eine aufwendige Betoninstandsetzung der Bereiche notwendig wird. Literatur [893] Informationsstelle Edelstahl Rostfrei: Merkblatt 893 Edelstahl Rostfrei für die Wasserwirtschaft: Link: http: / / www.edelstahl-rostfrei.de/ downloads/ iser/ MB_893.pdf, zuletzt aufgerufen am: 18.10.2017 [BIS1] Bisschop, J.; Schiegg, Y.; Linden, C.: Effect of rebar and cement type on the critical chloride content of reinforced concrete. Proceedings of EUROCORR, Montpellier (F), September 2016 [CHE1] Chess P. M.; Broomfield J. M.: Cathodic Protection of Steel in Concrete and Masonry - Second Edition. CRC Press -Taylor & Francis Group, A Spoon Press Book, 2014 [Dau1] Dauberschmidt, C.; Fraundorfer, A.: Korrosionsverhalten eines hochlegierten, korrosionsarmen Bewehrungsstahls in chloridbelasteten Rissen von Stahlbetonbauteilen. 8. Kolloquium Parkbauten, 23. und 24.01.2018, TAE, Ostfildern [Dau2] Dauberschmidt, C.; Fraundorfer, A.: Corrosion behaviour of rebars 1.4003 in cracks of RC structures containing chlorides, 19 - 21.11.2018, ICCRRR, Cape Town [DIN1] DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN 488-1: Betonstahl - Teil1: Stahlsorten, Eigenschaften, Kennzeichnung, August 2009 [DIN2] DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN EN 10027-1: Bezeichnungssysteme für Stähle - Teil 1: Kurznamen; Deutsche Fassung EN 10027-1: 2016; Januar 2017 [DIN3] DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN EN 10088-1: 2014-12: Nichtrostende Stähle - Teil 1: Verzeichnis der nichtrostenden Stähle; Deutsche Fassung EN 10088-1: 2014; Dezember 2014 [GEH1] Gehlen C: Probabilistische Lebensdauerbemessung von Stahlbetonbauwerken - Zuverlässigkeitsbetrachtungen zur wirksamen Vermeidung von Bewehrungskorrosion, DAfStb (2000), Heft 510 der Schriftenreihe [GOT1] Goto Y.: Cracks formed in concrete around deformed tension bars. Journal oft the American Concrete Institute, 68: 244-251, 1971 [GRE1] Greve-Dierfeld S., Bisschop J., Schiegg Y.: Nichtrostende Bewehrungsstähle zur Verlängerung der korrosionsfreien Lebensdauer von Stahlbetonbauwerken. Beton und Stahlbetonbau 112 (2017), Heft 9 [GUN1] Gunkel, P.: Die Bindung von Chlorid im Zementstein und die Zusammensetzung chloridhaltiger Porenlösungen. Duisburg: Forschungsgemeinschaft Eisenhüttenschlacken, In: Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft Eisenhüttenschlacken (1991), Nr. 1, S. 64-88. buch2.indb 373 13.01.20 15: 41 374 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Chloridbeständigkeit eines hochlegierten Bewehrungsstahls im Trennrissbereich von Stahlbetonbauteilen In: Beton-Informationen 29 (1989), Nr. 1, S. 3-11 [HEI1] Heitz E., Henkhaus R., Rahmel A.: Korrosionskunde im Experiment, Untersuchungsverfahren - Messtechnik - Aussagen, 2. überarbeitete Auflage; VCH Verlagsgesellschaft mbH, 1990 [KUN1] Kunze E.: Korrosion und Korrosionsschutz Band 5: Korrosion und Korrosionsschutz in verschiedenen Gebieten, Teil 2. WILEY-VCH, 2001 [NÜR1] Nürnberger U., Beul W., Onuseit G.: Korrosionsverhalten geschweißter nichtrostender Bewehrungsstähle in Beton. Bauingenieur 70 (1995) 73-81 und Werkstoffe und Korrosion 44 (1993) 159-160 [RAU1] Raupach M., Kosalla M.: Korrosion der Bewehrung im Bereich von Trennrissen nach kurzzeitiger Chlorideinwirkung, 2. Jahrestagung und 55. Forschungskolloquium des DAfStb Düsseldorf, 26.-27.11.2014 [RIL1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen, Oktober 2001 [SCH1] Schiegg Y., Hunkeler F; Voûte, C..: Korrosionsbeständigkeit von nichtrostenden Betonstählen. Forschungsbericht zum Forschungsauftrag AGB 2005/ 010,2012; Schweizerische Eidgenossenschaft, November 2012 [SCH2] Schiegg Y.; Hunkeler F.; Keller D., Ungricht H.: Maßnahmen zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit - Fortsetzung des Feldversuchs Naxberg, AS- TRA Forschungsprojekt AGB 2005/ 01, 2017 [SWI1] Swiss Steel: TOP12-500 Nichtrostender Betonstahl; Produktdatenblatt X2CrNi12 1.4003; Swiss Steel AG; http: / / www.swiss-steel.com/ fileadmin/ files/ swiss-steel.com/ documents/ dokumente/ Unternehmensentwicklung/ Produktdatenblatt_Top12-500_D-CH_PP9.pdf; zuletzt aufgerufen am 18.10.2017 buch2.indb 374 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 375 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen Dr. Marc Zintel Swiss Steel AG, Emmenbrücke, Schweiz Christian Linden Swiss Steel AG, Emmenbrücke, Schweiz Zusammenfassung Gepflasterte Parkflächen gehören mittlerweile zu den gängigsten Ausführungsvarianten, um die relativ kostenintensiven und zu beschichtenden Stahlbetonbodenplatten als Fahrbahn zu vermeiden. Von PKWs eingeschleppte Chloride gelangen über Spritzwasser an die aufgehenden Bauteile und durch den durchlässigen Pflasterbelag an die Fundamente. Untersuchungen der Hochschule München an Bestandstiefgaragen belegen, dass es sowohl an den aufgehenden Bauteilen sowie an den Fundamenten zu einer signifikanten Chloridbelastung kommt. Zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit sind bei Stahlbetonbauteilen mit Chloridexposition vom Planer zusätzliche Maßnahmen vorzusehen. In der Regel kommen als zusätzliche Maßnahme chloriddichte Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) oder Abdichtungen zum Einsatz. Alternativ zu einem OS-System kann gemäß dem neuen DBV Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ auch nichtrostende Edelstahlbewehrung im Stützenfuß und Wandsockelbereich sowie in zugehörigen Fundamenten eingesetzt werden. Im Beitrag wird die alternative Ausführungsvariante mit Top12 als neue kostengünstige nichtrostender Edelstahlbewehrung der üblichen Variante mit Beschichtung oder OS-System gegenübergestellt. Zur Bewertung der beiden Ausführungsvarianten werden neben Herstellungs- und Lebenszykluskosten auch „Baupraktische Gesichtspunkte“ berücksichtigt. 1. Einleitung Gepflasterte Parkflächen sind eine wirtschaftliche Alternative, um kostenintensive und letztlich zu beschichtende Stahlbetonbodenplatten als Fahrbahn zu vermeiden. Die Lasten werden über Einzel- und Streifenfundamente in den Baugrund abgeleitet. Von PKWs eingeschleppte Chloride (Tausalze) gelangen über Spritzwasser an die aufgehenden Bauteile und durch den durchlässigen Pflasterbelag an die Fundamente, siehe Bild 1. Bild 1: Schematische Darstellung des Chlorideintrags unter Pflasterbelägen, gemäß [1] In Abhängigkeit des Bauteilbzw. Betonwiderstands können Chloride durch Transportvorgänge tief in den Beton bis zur Bewehrung vordringen. Überschreitet die Chloridkonzentration auf Höhe der Bewehrung den sogenannten kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt (Ccrit), kommt es gewöhnlich zur Bewehrungskorrosion. Die DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (RL SIB) spricht in diesem Zusammenhang für konventionellen Betonstahl (B500B) von einem Chloridschwellenwert von 0,5 M.-%/ z [2]. 2. Hohe Chloridbelastungen durch Tausalzeintrag Untersuchungen von Prof. Dauberschmidt an Bestandstiefgaragen [1] belegen, dass es sowohl an den aufgehenden Bauteilen sowie an den Fundamenten zu einer hohen Chloridbelastung kommt, vgl. Bild 2. buch2.indb 375 13.01.20 15: 41 376 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen Bild 2: Chloridbelastungen an neuralgischen Punkten gepflasterter Bestandstiefgaragen nach Dauberschmidt [1] Nachfolgend die wesentlichen Erkenntnisse für die neuralgischen Punkte: - Stützenfüße (über OK Pflaster): Die Chloridbelastung lag bei 65% der untersuchten Bauteile über 0,5 M.-%/ z, bei 42% sogar über 1,0 M.-%/ z. - Arbeitsfuge: In diesem Bereich wurden bei 44% aller untersuchten Bauteile Chloridbelastungen von über 0,5 M.-% festgestellt. - Fundamentoberseite: Selbst in den tiefergelegenen Bereichen wurden bei 28% aller untersuchten Bauteile Chloridwerte größer 0,5 M.-%/ z festgestellt. Die Ergebnisse für gepflasterte Tiefgaragen belegen eindrücklich, dass in der Praxis bei ungeschützten Tiefgaragenstützen oder -wänden aufgrund der hohen Chloridbelastung vor der geplanten Lebensdauer (i.d.R. 50 Jahre) mit Korrosionserscheinungen in den genannten neuralgischen Stellen zu rechnen ist. In Bild 3 sind exemplarisch korrosionsbedingte Materialverluste an der aufgehenden Bewehrung eines Stützenfußes dargestellt. Bild 3: Beispielhafte Bewehrungskorrosion an einem Stützenfuß infolge Chlorideinwirkung (Quelle: Hochschule München) Entsprechend sind zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit in Anlehnung an die DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1 bei Stahlbetonbauteilen mit Chloridexposition vom Planer zusätzliche Maßnahmen vorzusehen. [1] 3. Zusätzliche Maßnahmen zum Schutz vor Korrosion notwendig In der Regel kommen als zusätzliche Maßnahme chloriddichte Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) oder Abdichtungen zum Einsatz. Aus Kostengründen werden meist OS-Systeme bevorzugt. In Bild 4 ist die übliche Ausführung mit einem vollflächigen Schutz durch ein OS-System beispielhaft dargestellt. Bild 4: Übliche Ausführung mit einem vollflächigen Oberflächenschutzsystem bzw. einer Abdichtung [3] Laboruntersuchungen eines vom DBV geförderten Forschungsvorhabens [1] zeigen jedoch, dass OS-Systeme von Stahlbetonbauteilen durch den Einbau des Pflasterbelags geschädigt werden können und dann gegen anstehende Chloride nur eine ungenügende Barriere darstellen. Um OS-Systeme speziell in der Herstellungsphase vor Schäden zu schützen, muss gemäß [5] ein zusätzlicher Anprallschutz z.B. in Form einer Noppenbahn -vorgesehen werden (Zusatzkosten zur Beschichtung). Weiterhin sind konventionelle OS-Systeme auch unterhalb von Pflasterbelägen formell wartungspflichtig, was die Erstellung eines Wartungsplans und entsprechende Betriebskosten durch Wartungsaufwendungen über die geplante Nutzungsdauer (i.d.R. 50 Jahre) bedingt. buch2.indb 376 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 377 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen Alternativ zu einem OS-System kann gemäß dem neuen DBV Merkblatt Parkhäuer und Tiefgaragen [3] nichtrostende chloridbeständige Betonstahlbewehrung im Stützenfuß- und Wandsockelbereich eingesetzt werden. 4. Top12 - Chloridbeständige nichtrostende Edelstahlbewehrung für gepflasterte Parkbauten Mit Top12 stellt die Swiss Steel AG einen neuen kostengünstigen nichtrostenden Betonstahl mit der Werkstoffnr. 1.4003 und einem Chromgehalt ≥ 12,0% her. Der warmgewalzte, ferritische Betonstahl wird zur Erhöhung des Korrosionsschutzpotentials zusätzlich nach Herstellung in einem speziellen Verfahren gebeizt. Seit 2016 liegt für Top12 als B500B NR eine Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung durch das DIBt für D = 8 - 14 mm vor. Im Jahr 2018 liegt zudem für Top12 B670B NR (Stabstahl) für die Durchmesser 16, 20, 25 und 28 mm eine weitere Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung durch das DIBt vor. Preislich (€/ t) liegt Top12 aktuell lediglich ca. Faktor 4 über den Kosten für konventionellen B500B. Für die Chloridbeständigkeit von Top12 sorgt ein von der Bundesanstalt für Materialprüfung nachgewiesener kritischer korrosionsauslösender Chloridgehalt (Ccrit) von 2,7 M.-%/ z [5]. Damit liegt der Chloridwiderstand von Top12 im Vergleich zu konventionellem Betonstahl (B500B) um ein Vielfaches höher. Vergleicht man die maximalen Chloridbelastungen an den neuralgischen Punkten gepflasterter Tiefgaragen (vgl. Bild 2 mit geschätzt ca. 2,0 - 2,5 M.-%/ z) mit dem Chloridwiderstand von Top12 (Ccrit = 2,7 M.-%/ z), so kann von einem zuverlässigen Schutz vor korrosionsbedingten Schäden über die üblichen geplanten 50 Jahre Lebensdauer ausgegangen werden. In Lebensdauerberechnungen nach [6] wurden im ungerissenen Bereich für die Top12-Ausführungsvarianten (vgl. Kap. 5) selbst mit ungünstigem Bindemittel mehr als 100 Jahre Lebensdauer nachgewiesen. Konventioneller B500B erreichte bei gleichem Bindemittel hingegen nur 20 Jahre. In diesem Zusammenhang kann von einer Lebensdauerverlängerung durch Top12-Einsatz von mindestens Faktor 5 gesprochen werden. 5. Top12 - Ausführungsvarianten Um Top12 gezielt nur in Bereichen mit vorherrschender Chloridbelastung einzusetzen und letztlich die höherpreisigen Stahlmengen zu minimieren, wird Top12 prinzipiell in Mischbewehrung, d.h. in Kombination mit konventionellem B500B eingesetzt. Trotz elektrischem Kontakt beider Stahlsorten kann Kontaktkorrosion ausgeschlossen werden [7]. 5.1 Top12-Variante - Stütze/ Fundament Top12 wird im unteren Stützenbereich verwendet, wo auch mit Tausalzbelastungen zu rechnen ist (vgl. Bild 1) und normalerweise ein OS-System oder ein Abdichtungssystem eingesetzt wird. Entsprechend wird im Fundament (i.d.R. Einzelfundamente) die Bewehrung an der Oberseite wie auch an den Seitenflächen in Top12 ausgeführt. Die aufgehende Stützenbewehrung wird ausgehend von der Verankerung im Fundament bis in eine Höhe von 0,5 m über OK Pflaster plus Übergreifungsstoß in Top12 hochgeführt (inkl. Bügel). Im oberen Teil der Stütze (d.h. ab 0,5 m) und für die Durchstanzbewehrung an der Fundamentunterseite kommt aufgrund fehlender Chloridbelastung konventioneller Betonstahl (B500B) zum Einsatz. Bei notwendigen Übergreifungsstößen von Top12 und B500B (Mischbewehrungsansatz) ist prinzipiell darauf zu achten, dass die Stöße in nicht-chloridbelasteten Bereichen eingeplant werden. Die Arbeitsfuge wird mit einer zementären Hohlkehle zusätzlich geschützt. Gemäß [3] ist der Stützenbereich mindestens der Expositionsklasse XD2 zuzuordnen. Aufgrund der direkten Spritzwasserbelastung durch vorbeifahrende PKW wird von den Autoren jedoch XD3 (w/ z = 0,45) empfohlen. Die Fundamentoberseiten sind mit Gefälle in XD2 bzw. ohne Gefälle in XD3 einzustufen [3]. Auf ein Oberflächenschutzsystem oder eine Abdichtung kann mit dieser Ausführungsvariante komplett verzichtet werden. In Bild 5 ist die erläuterte Top12-Variante „Fundament/ Stütze“ grafisch dargestellt. Bild 5: Top12-Ausführungsvariante „Stütze/ Fundament“ ohne Oberflächenschutzsystem oder Abdichtung, Fundament an der Oberseite bewehrt Werden Fundamente lediglich mit einer Durchstanzbewehrung, d.h. ohne äußere Bewehrungslage an den Fundamentoberseiten und Seitenflächen geplant, entfällt demnach dort ein Top12-Einsatz. Reduzierte Mengen an Top12 stehen in gleichem Maße reduzierten Beschichtungsflächen gegenüber. In Bild 6 ist die erläuterte Top12-Variante grafisch dargestellt. buch2.indb 377 13.01.20 15: 41 378 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen Bild 6: Top12-Ausführungsvariante „Stütze/ Fundament“ ohne Oberflächenschutzsystem oder Abdichtung, Fundament an der Oberseite unbewehrt gemäß [8] 5.2 Top12-Variante - Wand/ Fundament Im analogen Fall von Streifenfundamenten und eines Wandanstelle eines Stützenanschlusses wird entsprechend der i.d.R. einseitigen Chloridbelastung Top12 auch nur einseitig eingesetzt. D.h., Top12 kommt selektiv nur auf der chloridzugewandten Seite zum Einsatz, wo normalerweise OS-Systeme oder Abdichtungen angebracht werden. Top12 wird damit nicht nur über die Bauteilhöhe, sondern auch über die Bauteiltiefe selektiv in Mischbewehrung mit konventionellem B500B eingesetzt. Die umlaufende Bügelbewehrung bleibt in Top12. Auch hier ist bei notwendigen Übergreifungsstößen von Top12 und B500B darauf zu achten, dass diese im nicht-chloridbelasteten Bereich eingeplant werden. In Bild 7 ist die erläuterte Top12-Variante „Wand/ Stütze“ grafisch dargestellt. Bild 7: Top12-Ausführungsvariante „Wand/ Fundament“ ohne Oberflächenschutzsystem oder Abdichtung, Fundament an der Oberseite bewehrt In der Regel stehen die im Vergleich zur Variante “Stütze/ Fundament“ durch den selektiven Ansatz reduzierten Mengen an Top12 in gleichem Maße den geringeren erforderlichen Beschichtungsflächen gegenüber. 6. Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen 6.1 Herstellungskosten Eine Kostenschätzung der Hochschule München [9] zeigt, dass die Herstellungskosten für die Top12-Variante analog Bild 5 und der Einsatz eines Oberflächenschutzsystems vergleichbar sind, siehe Bild 8. Das heißt, die Herstellungskosten für Top12 entsprechen dem Aufwand zum Einsatz einer Beschichtung (Material & Arbeitsaufwand). Bild 8: Vergleich der Herstellungskosten möglicher Varianten nach DBV Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“, gemäß [9] Hier ergänzend die Annahmen für den durchgeführten Kostenvergleich: - Abmessungen Stütze 0,3 m * 0,5 m; - Fundament 2,5 m * 2,5 m * 1,0 m; - Bewehrungsgehalt: Stütze 250 kg/ m³ - Fundament 120 kg/ m³ bzw. 80 kg/ m³; - Beschichtung bis 1,0 m über OK Fundament; - Top12: 2 m über OK Fundament Der in der Studie [9]verwendete Top12-Bewehrungsgehalt lag bei ca. 11 kg/ m² chloridbeaufschlagter Oberfläche. 6.2 Lebenszykluskosten Der Einsatz von Top12 als nichtrostende Edelstahlbewehrung spart im Vergleich zu einer Beschichtung über den Betrieb weitere Kosten. Ist kein OS-System vorhanden, entfallen demnach auch alle zugehörigen Folgekosten im Betrieb, d.h. Reinigungs-, Wartungs und Instandsetzungskosten infolge notwendiger Beschichtungserneuerungen. buch2.indb 378 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 379 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen Vergleicht man demnach verschiedene Ausführungsvarianten lediglich anhand der Herstellungskosten, so ist das nur ein sehr kurzsichtiger Fokus. Will man Varianten ganzheitlich betrachten und vergleichen, müssen neben den Herstellungskosten zumindest auch die Folgekosten in der Nutzung bzw. während des Betriebs berücksichtigt werden. Nicht selten übersteigen die Betriebskosten die Herstellungskosten. Bezieht man Herstellungs- und Betriebskosten in die Betrachtung mit ein, spricht man vereinfacht von Lebenszykluskosten. Mit dieser Fragestellung hat sich das IB Schießl Gehlen Sodeikat im Rahmen einer Gutachterlichen Stellungnahme [6, 10] befasst. Die Ergebnisdarstellung der Lebenszykluskosten für verschiedene Varianten kann beispielsweise über die Nutzungsdauer dargestellt werden. In Bild 9 ist für die Bauteilsituation „Stütze/ Fundament, oberseitig bewehrt“ (Top12-Bewehrungsgehalt = 5,1 kg/ m², vgl. Bild 5) exemplarisch die Lebenszykluskosten als Absolutwerte im zeitlichen Verlauf für folgende drei Varianten abgebildet: - Ohne präventive Maßnahmen - Einsatz eines OS 5b-Systems - Einsatz von Top12 anstelle eines OS-Systems Bild 9: „Stütze/ Fundament, oberseitig bewehrt“: Entscheidungsrelevante Lebenszykluskosten (Absolutwerte) über die Nutzungsdauer von 50 Jahren [6] Es ist zu erkennen, dass die Top12-Variante nach 50 Jahren mit 200 €/ Bauteil im Vergleich zur OS 5b-Variante (492 €/ Bauteil) die mit Abstand geringsten Lebenszykluskosten verursacht (entspricht einer Reduzierung der Lebenszykluskosten um ca. 59%). Die Variante „Ohne präventive Maßnahmen“ sprengt bereits nach weniger als 10 Jahren den Kostenrahmen aufgrund bereits notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen. Selbst die Herstellungskosten (vgl. Jahr 0 in Bild 9) fallen mit Top12 bei dem betont geringen Top12-Bewehrungsgrad von 5,1 kg/ m² im Vergleich zur OS 5b-Variante signifikant geringer aus (ca. -53%). Gleiche Herstellungskosten liegen für Top12 bei einem Top12-Bewehrungsgrad von ca. 11 kg/ m² vor. D.h., sind die Top12-Bewehrungsgrade < 11 kg/ m², ist sogar von geringeren Herstellungskosten im Vergleich zu üblichen OS-Systemen auszugehen. Da der wirtschaftliche Vorteil von Top12 (Herstellungsund/ oder Lebenszykluskosten) in hohem Maße vom Top12-Bewehrungsgehalt (Menge des selektiven Ersatzes von B500B durch Top12 pro m² chloridbeaufschlagter Fläche) abhängt, wurde in [6] eine sog. Sensitivitätsanalyse durchgeführt, um die Sensibilität der Lebenszykluskosten auf variierende Bewehrungsgehalte zu untersuchen. Zur vereinfachten Darstellung wurde ein „Rentabilitätsfaktor Top12“ gebildet, welcher den Verhältniswert der „Entscheidungsrelevanten Lebenszykluskosten für eine Bauteilvariante X“ zur „Top12-Bauteilvariante“ darstellt. Im nachfolgenden Fall bedeutet ein „Rentabilitätsfaktor Top12“ > 1,0, dass die Bauteilvariante mit Top12 im Vergleich zur OS 5b-Variante im Lebenszyklus günstiger ist, bei einem Wert < 1,0 wäre entsprechend die OS 5b-Variante günstiger. In Bild 10 ist die Entwicklung des „Rentabilitätsfaktor Top12“ für einen Top12-Bewehrungsgehalt von ca. 5 bis 24 kg/ m² chloridbeaufschlagter Fläche dargestellt. Bild 10: Top12-Ausführungsvariante „Stütze/ Fundament, oberseitig bewehrt“: „Rentabilitätsfaktor Top12“ und resultierende Lebenszykluskostenreduzierungen in % in Abhängigkeit des Top12-Bewehrungsgehaltes gemäß [6, 10] Wie erwartet, wird mit größeren Top12-Bewehrungsgehalten der „Rentabilitätsfaktor Top12“ bzgl. OS-System kleiner (Ursache: je größer der Top12-Bewehrungsgehalt bei gleicher zu beschichtender Oberfläche, desto weniger rentabel ist der Einsatz von Top12). Zu erkennen ist weiterhin, dass für Top12-Bewehrungsgehalte < 17 kg/ m² die Vorteile hinsichtlich Lebenszykluskostenreduzierung (Werte in %) progressiv zunehmen. Passend zum Bild 9 entspricht der Wert von 2,4 für den „Rentabilitätsfaktor Top12“ einer Reduzierung der Lebenszykluskosten um ca. 59%. Erfahrungsgemäß liegen die Top12-Bewehrungsgehalte in der Praxis zwischen 5-12 kg/ m², was einer durchschnittlichen Reduzierung der Lebenszykluskosten im Vergleich zu einem OS-System von ca. 44% entspricht. buch2.indb 379 13.01.20 15: 41 380 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen 6.3 Baupraktische Gesichtspunkte [6, 10] Neben der Dauerhaftigkeit (vgl. Kap. 4) und den entscheidungsrelevanten Lebenszykluskosten (Kap. 6.2) sollten bei einer abschließenden Bewertung auch baupraktische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Hier bietet der Top12 gegenüber den Oberflächenschutzsystemen weitere Vorteile: (a) Unabhängigkeit von klimatischen Bedingungen beim Einbau: Oberflächenschutzsysteme dürfen im Gegensatz zu Top12 nur unter bestimmten klimatischen Bedingungen appliziert werden (Beachtung des Taupunktes, Mindesttemperaturen etc.) (b) Unabhängigkeit von der Ausführungsqualität auf der Baustelle: Die dauerhaftigkeitsrelevanten Eigenschaften von Top12 werden unabhängig von der Ausführungsqualität auf der Baustelle erreicht. Bei Oberflächenschutzsystemen ist eine gute Ausführungsqualität (Untergrundvorbereitung, Auftragsmenge, Sorgfalt beim Auftrag etc.) für die Funktionalität entscheidend. (c) Größere Kostensicherheit: Bei der Verwendung von Top12 sind bei den hier betrachteten Lebenszyklen keine Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich. Demzufolge ist die Kostenermittlung bei der Planung von Bauteilvarianten mit Top12 mit deutlich geringeren Unsicherheiten behaftet als die der Planung von Bauteilvarianten mit nachträglichen Instandsetzungsmaßnahmen (z.B. mit regelmäßigem Neuauftrag des OS-Systems) 7. Fazit Stahlbetonbauteile unter Pflasterbelägen sind stark chloridbelastet. Zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit sind vom Planer zusätzliche Maßnahmen vorzusehen. Als zusätzliche Maßnahme werden aus Kostengründen meist OS-Systeme (OS 5b) eingesetzt (Randbedingungen: dauerhaft und nachweislich wasserbeständig, zus. Schutzmaßnahmen gegen mechanische Schädigung erforderlich, OS-Systeme sind formal wartungspflichtig). Bei i.d.R. kostenneutralen Herstellungskosten (mittlere Top12-Bewehrungsgehalte, vgl. Kap. 6.2) kann alternativ zu einem OS-System z.B. auch Top12 als neue kostengünstige Edelstahlbewehrung im relevanten Stützen- und Fundamentbereich eingesetzt werden. Der Einsatz von Top12 spart im Vergleich zu einer Beschichtung über den Betrieb weitere Kosten. Ist kein OS-System vorhanden, entfallen auch alle Folgekosten im Betrieb, d.h. Reinigungs-, Wartungs- und Instandsetzungskosten infolge notwendiger Beschichtungserneuerungen. Die Bauteilvarianten mit Top12 (vgl. Kap.5.1 und 5.2) schneiden bei geringen Bewehrungsgehalten durchweg besser ab als die mit OS-System. Die Top12-Variante verursacht bei praxisrelevanten Bewehrungsgehalten im Vergleich zu üblichen Beschichtungen die geringsten Lebenszykluskosten. Je nach Top12-Bewehrungsgehalt können die Lebenszykluskosten maximal um bis zu 59% im Vergleich zu OS 5b-Systemen reduziert werden. Die durchschnittliche Reduzierung der Lebenszykluskosten liegt für Bewehrungsgehalte von 5-12 kg/ m² bei 44%. Bei hohen Bewehrungsgehalten (> 17 kg/ m²) sind die Lebenszykluskosten der Bauteilvarianten mit Top12 ggf. etwas höher als die der Bauteilvarianten mit OS-System. Aufgrund der baupraktischen Gesichtspunkte (vgl. Kap. 6.3) ist der Einsatz von Top12 jedoch in vielen Fällen selbst dann immer noch zielführender [6]. Es bleibt in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass bei den Lebenszykluskosten-Berechnungen keine Kosten durch eingeschränkte Verfügbarkeit oder Nutzungsausfälle infolge Instandsetzungsmaßnahmen berücksichtigt wurden. Top12 - Kostenneutral auf Beschichtungen bei gepflasterten Parkbauten verzichten und Lebenszykluskosten im Vergleich zu üblichen Beschichtungen um bis zu 59% reduzieren. Literaturverzeichnis [1] C. Dauberschmidt, F. Becker: Neue Forschungsergebnisse zum Schutz von Bauteilen unter Pflasterbelägen. Beton- und Stahlbetonbau 113 (2018), Heft 10, S.737-745. [2] DAfStb Positionspapier 2015: Positionspapier des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton zum aktuellen Stand der Technik - Kritischer korrosionsauslösender Chloridgehalt. In Beton- und Stahlbetonbau 110 (2015), Heft 11, S.784-786. [3] DBV Merkblatt "Parkhäuser und Tiefgaragen“, 3. Überarbeitete Ausgabe, Berlin, 2018. [4] DBV-Heft 42 „Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten - Beispielsammlung“, Fassung Januar 2019, Berlin, S.81. [5] G. Ebell, A. Burkert: Elektrochemische Untersuchungen zum kritischen Korrosion auslösenden Chloridgehalt in Mörteln. Gutachten des Fachbereichs 7.6 „Korrosion und Korrosionsschutz“ der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM). Aktenzeichen: 16017800, 20.02.2019. [6] A. Schießl-Pecka, A. Rausch: Lebenszykluskosten für Parkbauten. Gutachterliche Stellungnahme 18- 369/ 1.1.2 vom 24.10.2019, Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat, München. [7] Nürnberger, U.: Nichtrostender Betonstahl. Merkblatt 866 der Informationsstelle Edelstahl Rostfrei. Düsseldorf, 2011. [8] F. Fingerloos, A. Meier: Dauerhaftigkeit von Betonbauteilen und Fundamenten unter durchlässigem Fahrbahnbelag. Beton- und Stahlbetonbau 106 (2011), Heft 9, S.622-628. buch2.indb 380 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 381 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen [9] F. Becker: Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauteilen unter Pflasterbelägen. Vortrag auf 3. Münchner Bausymposium, 26.09.2018. [10] Schießl-Pecka A., Rausch A., Zintel M., Linden C.: Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten. In Tagungsband: Kolloquium „Parkbauten“, 4-5 Februar 2020, TAE - Technische Akademie Esslingen, Esslingen. buch2.indb 381 13.01.20 15: 41 buch2.indb 382 13.01.20 15: 41 Regelwerke buch2.indb 383 13.01.20 15: 41 buch2.indb 384 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 385 Planung trifft Ausführung - wechselseitige Herausforderungen Dr.-Ing. Jörg Dietz DEUTSCHER BETON- UND BAUTECHNIK-VEREIN E.V., Bauberatung Mitte/ Südwest; Abraham-Lincoln-Straße 30, 65189 Wiesbaden Zusammenfassung Immer wieder kommt es zu Problemen, weil die Vorgaben der Planung auf der Baustelle nicht umgesetzt werden oder nicht umgesetzt werden können. Der Vortrag soll daher der Frage nachgehen, wie sich die Ausführungsvarianten zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von Parkbauten nach DBV-Merkblatt planerisch so umsetzen lassen, dass die Planung zielsicher auf der Baustelle ausgeführt werden kann. Ausgehend von dem zur jeweiligen Ausführungsvariante passenden Entwurfsgrundsatz hinsichtlich Rissbildung wird zunächst anhand von Praxisbeispielen aus planerischer Sicht auf die Konstruktion und die Bemessung von Parkhäusern und Tiefgaragen eingegangen und anschließend aus Sicht der Bauausführung die Umsetzung auf der Baustelle diskutiert. Der Beitrag soll zur Klärung der Schnittstellen zwischen Planung und Ausführung beitragen und Vorschläge für eine reibungslose Schnittstellenkoordination unterbreiten. 8.1 Dietz.indd 385 14.01.20 17: 22 8.1 Dietz.indd 386 14.01.20 17: 22 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 387 Die DBV-Beispielsammlung - DBV-Heft 42 zu Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten Frank Fingerloos Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V. Serdar Bilgin Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V. Zusammenfassung Das DBV-Heft 42 „Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten - Beispielsammlung“ [1] wurde im Januar 2019 vom Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein E.V. aufgrund der Vielzahl möglicher Ausführungsvarianten und -details zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von feuchte- und chloridbeanspruchten Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen in Parkbauten als Ergänzung zum DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ von 2018 [2] veröffentlicht. Dieses Heft präsentiert auf dem aktuellen Stand der Technik einen umfangreichen Erfahrungsschatz von Experten aus dem DBV-Arbeitskreis zum Merkblatt und soll die in der Praxis tätigen Ingenieure bei Planung, Ausschreibung und Ausführung von Parkbauten mit Beispielen unterstützen. Mit diesem Beitrag wird ein Einblick in das DBV-Heft 42 gegeben. 1. Einleitung Das DBV-Heft 42 „Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten - Beispielsammlung“ [1] wurde im Januar 2019 vom Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein E.V. aufgrund der Vielzahl möglicher Ausführungsvarianten und -details zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von feuchte- und chloridbeanspruchten Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen in Parkbauten als Ergänzung zum DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ von 2018 [2] veröffentlicht (Erläuterungen und Hintergründe zum DBV-Merkblatt siehe auch in [3], [4]). In über 90 Beispielen werden im DBV-Heft 42 [1] den Planern und Ausführenden Hilfestellungen bei der Umsetzung der Hinweise und Empfehlungen des DBV-Merkblatts [2] und für Ausschreibungen gegeben. Es werden dort auch zusätzliche Varianten und Sonderfälle behandelt, die den Umfang des DBV-Merkblatts zu sehr vergrößert hätten. Alle gezeigten Beispiele erfüllen die deutschen Dauerhaftigkeitsprinzipien gemäß Eurocode 2 DIN EN 1992-1- 1 mit Nationalem Anhang [5] und dem DAfStb-Heft 600 [6]. Wo bestimmte besondere Randbedingungen hierfür einzuhalten sind, werden diese genannt (siehe Auszüge Beispiele 1.1.2, 3.1.4, 6.1.2 und 6.2.2 aus DBV-Heft 42 [1] am Ende dieses Beitrags). Alle Beispiele werden mit allgemeinen Hinweisen sowie notwendigen Instandhaltungshinweisen erläutert. Die Beispiele gelten nur für die jeweils endgültige Konstruktion und nicht für die Phasen der Bauausführung bzw. für Bauzustände. Die Beispiele aus dem DBV-Heft 42 sollen nur im Zusammenhang mit dem DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ verwendet werden, da die normativen und technischen Grundlagen, auf denen die Beispiele fußen, ausführlich im DBV-Merkblatt [2] beschrieben werden. Die Beispiele sind thematisch eingeteilt in die Kapitel: 1 Parkdecks 2 Ungedämmte Freidecks 3 Wärmegedämmte Parkdecks und Parkdächer 4 WU-Bodenplatten in Tiefgaragen 5 Rampen 6 Aufgehende Bauteile - Stützen und Wände 7 Besondere Ausführungsdetails (z. B. zu Bewegungsfugen, Entwässerungseinrichtungen, Durchdringungen, Schrammborden, Leiteinrichtungen) 2. Beispiele für Ausführungsvarianten befahrener Parkflächen Für die direkt befahrenen Verkehrsflächen von Parkhäusern und Tiefgaragen in Deutschland sind Ergänzungen in den informativen Beispielen in [5] für die Expositionsklassen XD3, XD1 und XC3 vorgenommen worden. Diese Beispiele wurden für direkt befahrene Verkehrsflächen über die Änderung DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1: 2015-12 [5] neu zugeordnet und ersetzen die frühere Fußnote b) der Tabelle 4.1 in den Fassungen des Nationalen Anhangs DIN EN 1992-1-1/ NA von 2011 und 2013 (erforderliche „zusätzliche Maßnahme“ bei direkt befahrenen Parkdecks in XD3). 8.2 Fingerloos.indd 387 14.01.20 17: 22 388 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die DBV-Beispielsammlung - DBV-Heft 42 zu Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten Im DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ von 2018 [2] wurden diese Beispiele mit den Ausführungsvarianten A (XD3), B (XD1) und C (XC3) detaillierter aufgegriffen. Im DBV-Heft 42 wurden diese und weitere Ausführungsvarianten weiter spezifiziert (siehe Tabelle 1 und hier Auszug aus Beispiel 1.1.2 in [1]). Bei Bestandsparkbauten oder in besonderen Fällen können die vorgenannten für den Neubau geltenden Prinzipien und Beispiele aus [1] und [2] analog angewendet werden. Im DBV-Heft 42 wird auch auf Abdichtungsvarianten der DIN 18532-Normenreihe „Abdichtung von befahrbaren Verkehrsflächen aus Beton“ [8] eingegangen. Insbesondere werden Konkretisierungen bei der Herstellung der Unterlaufsicherheit der direkt auf den Konstruktionsbeton aufgebrachten Abdichtungen im Kapitel 1.3 vorgenommen, die der Ausschreibung zugrunde gelegt werden sollen. Dabei geht es darum, die gemäß DIN EN 1992-1- 1/ NA/ A1-Änderung [5] und DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [2] erforderliche Eigenschaft „unterlaufsichere Abdichtung“ in einer Qualität sicherzustellen, die eine Einstufung des abgedichteten Stahlbeton- oder Spannbetonbauteils in die Expositionsklasse XC3 (mäßige Feuchte ohne Chloridzutritt) bzgl. der Dauerhaftigkeit (Bauteilschutz) rechtfertigt. Bei eventuellen Schad- oder Fehlstellen der Abdichtungsschicht darf keine Wasserweiterleitung mit einer Ausbreitung von chloridhaltigem Wasser auf dem Betonuntergrund (Unterläufigkeit) stattfinden. Die Abdichtungsschicht muss eine vollflächige, kraftschlüssige Verbindung zur Betonunterlage haben (siehe hier Auszug aus Beispiel 3.1.4 in [1]). Zweckmäßige Alternativen für die Ausführungsvarianten nach [2] können auch die Verwendung von nichtrostender chloridbeständiger Bewehrung (Variante „ROST- FREI“ nach allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen) oder der Einsatz eines präventiven kathodischen Korrosionsschutzsystems (Variante „KKS“) sein, sodass die Bewehrung unter Chloridbeanspruchung nicht korrodiert (siehe Tabelle 1). Die Expositionsklasse XC1 reicht i. d. R. bezüglich der Betondeckung und Rissbreitenbegrenzung aus Dauerhaftigkeitsanforderungen für die nichtrostende chloridbeständige Bewehrung aus. Bei allein mit KKS-Variante geschützten Bauteilen sind diese mindestens in XD1 einzustufen. Aus Gebrauchstauglichkeitsanforderungen sind in beiden Alternativen auf Geschossdecken und Parkdecks auftretende Trennrisse und Fugen so abzudichten, dass kein tropfender Wasserdurchtritt in darunterliegende Geschosse auf Parkhausnutzer und PKW erfolgen kann. Hinsichtlich der Ausführung des Bauteilschutzes (ohne oder mit Beschichtung oder mit Abdichtung), der Wahl des Entwurfsgrundsatzes zum Umgang mit Rissen und der darauf abgestimmten Instandhaltung unter Einhaltung der Dauerhaftigkeitsprinzipien, werden mögliche beispielhafte Varianten in Tabelle 5 des DBV-Merkblatts „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [2] und dem DBV-Heft 42 [1] ausführlicher aufgezeigt und erläutert, siehe hier Tabelle 1. Unabhängig von der Wahl der Ausführungsvariante nach [2] und [1] ist eine Instandhaltung der Konstruktion oder der zusätzlichen Schutzmaßnahmen stets notwendig und muss geplant werden (siehe DIN EN 1990 [11], 2.4: Dauerhaftigkeit). Daher müssen stets in geeigneten Intervallen Inspektionen vorgenommen werden, die - je nach Ergebnis - zu weiteren Wartungs- oder Instandsetzungs- und Instandhaltungshaltungsmaßnahmen führen können. Es ist ein Prinzip der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [7], dass die Instandhaltung, unabhängig von der Wahl der Ausführungsvariante, bauwerksspezifisch zu planen ist. Das DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [2] und das DBV-Heft 42 [1] enthalten detailliertere Angaben zu der Festlegung von Wartungsintervallen und Hinweise zu einer Auswahl sinnvoller Instandsetzungsmaßnahmen für den vom Planer zu erstellenden Instandhaltungsplan. 3. Beispiele für Ausführungsvarianten aufgehender Stützen und Wände Für die oberirdischen aufgehenden Bauteile, die nicht mindestens in Expositionsklasse XD2 (Spritzwasserbereich von Verkehrsflächen) eingestuft werden, ist eine Beschichtung oder Abdichtung der chloridbeanspruchten Bauteiloberflächen im unteren Bauteilbereich erforderlich (siehe auch hier Auszug aus Beispiel 6.1.2 in [1]). Die Arbeitsfugen von Wand- oder Stützenfüßen im chloridbeanspruchten Bereich müssen in jedem Fall zusätzlich geschützt werden. Ungeschützte tragende Stahlbetonbauteile im erdberührten Bereich unter durchlässigen Fahrbelägen (z. B. unter Pflaster bei Parkflächen), können durch hindurchsickerndes tausalzhaltiges Wasser oder an aufgehenden Bauteilen ablaufendes Spritzwasser mit Chloriden beaufschlagt werden. Nach Beispiel 6.2.2 aus dem DBV- Heft 42 [1] sind unterirdische Oberflächen ohne oder mit nur geringem Gefälle und damit möglicher Chloridaufkonzentration in XD3 einzustufen (z. B. horizontale Fundamentoberflächen). Überwiegend vertikale Oberflächen (z. B. Wände, Stützen, Fundamentseitenflächen) und Oberflächen mit größerem Gefälle (mindestens 2,5 %) sind unterhalb durchlässiger Fahrbeläge in XD2 einzustufen. Gesondert geschützt werden müssen immer bewehrte Arbeitsfugen zwischen Fundamenten und aufgehenden Bauteilen. Diese Änderungen gegenüber den früheren Auslegungen zu DIN 1045-1 wurden erst im Oktober 2017 mit den NABau-Auslegungen zu DIN EN 1992-1-1/ NA [12] veröffentlicht. Wenn die Stahlbetonbauteile unterhalb des durchlässigen Fahrbelags mit einer flüssig aufzubringenden oder bahnenförmigen Abdichtung nach DIN 18533 [10] dauerhaft geschützt und damit nicht mit Chlorid beaufschlagt wer- 8.2 Fingerloos.indd 388 14.01.20 17: 22 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 389 Die DBV-Beispielsammlung - DBV-Heft 42 zu Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten den, ist eine Einstufung in XC3 ausreichend. Eine Einstufung in die XD-Klassen ist somit nicht erforderlich (vgl. auch hier Auslegungen des NA 005-07-01 AA zu DIN EN 1992-1-1 mit NA [12]). 4. Zusammenfassung In diesem Beitrag wird das neue DBV-Heft 42 „Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten - Beispielsammlung“ kurz vorgestellt. Der Deutsche Beton- und Bautechnik-Verein E.V. als Herausgeber geht davon aus, dass diese Beispielsammlung den planenden und ausführenden Ingenieuren in der Praxis eine willkommene Hilfestellung und Anregung für die eigenverantwortliche Projektarbeit bei Parkhäusern und Tiefgaragen sein wird. Literatur [1] DBV-Heft 42: Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten - Beispielsammlung. Fassung Januar 2019. [2] DBV-Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen. 3. überarbeitete Ausgabe, Fassung Januar 2018. [3] Fingerloos, Frank; Meyer, Lars; Bastert, Heinrich: Das überarbeitete DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“, Fassung Januar 2018. In: Bautechnik 95 (2018), Heft 4, S. 324-335. [4] Fingerloos, Frank; Flohrer, Claus; Räsch, Dieter: Dauerhaftigkeit von Parkbauten in Deutschland. In: Beton-Kalender 2019/ 2. Berlin: Ernst & Sohn, S. 515-582. [5] DIN EN 1992-1-1: 2011-01: Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau - mit DIN EN 1992-1-1/ A1: 2015-03: A1-Änderung, - mit DIN EN 1992-1-1/ NA: 2013-04: Nationaler Anhang - mit DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1: 2015-12: A1-Änderung. [6] Erläuterungen zu Eurocode 2 (DIN EN 1992-1-1). In: DAfStb-Heft 600. Berlin: Beuth-Verlag, Ausgabe 2010. [7] DAfStb-Richtlinie für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungsrichtlinie). Berlin: Beuth-Verlag, Ausgabe Oktober 2001 mit Berichtigungen 2002-01 und 2005-12. [8] DIN 18532: Abdichtung von befahrbaren Verkehrsflächen aus Beton: Teil 1: 2017-07: Anforderungen, Planungs- und Ausführungsgrundsätze, Teil 2: 2017-07: Abdichtung mit 1 Lage Polymerbitumen-Schweißbahn und 1 Lage Gussasphalt, Teil 3: 2017-07: Abdichtung mit 2 Lagen Polymerbitumenbahnen, Teil 6: 2017-07: Abdichtung mit flüssig zu verarbeitenden Abdichtungsstoffen. [9] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten - ZTV-ING. Hrsg.: Bundesanstalt für Straßenwesen. Ausgabe November 2017. [10] DIN 18533: Abdichtung von erdberührten Bauteilen: Teil 1: 2017-07: Anforderungen, Planungs- und Ausführungsgrundsätze, Teil 2: 2017-07: Abdichtung mit bahnenförmigen Abdichtungsstoffen, Teil 3: 2017-07: Abdichtung mit flüssig zu verarbeitenden Abdichtungsstoffen. [11] DIN EN 1990: 2010-12: Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung mit DIN EN 1990/ NA: 2010-12: Nationaler Anhang mit DIN EN 1990/ NA/ A1: 2012- 08: A1-Änderung. [12] Auslegungen des NA 005-07-01 AA zu DIN EN 1992-1-1 mit NA (Stand: 01.06.2019) - In: Auslegungen zu Normen des NABau - Antworten zu Auslegungs-Anfragen. www.nabau.din.de. [13] Fingerloos, Frank; Bilgin, Serdar: Eine Beispielsammlung von Ausführungsvarianten für dauerhafte Betonbauteile in Parkbauten - Das neue DBV-Heft 42. In: Bautechnik 96 (2019), Heft 9, S. 710-715 und Beton- und Stahlbetonbau 114 (2019), Heft 9, S. 692-697. 8.2 Fingerloos.indd 389 14.01.20 17: 22 390 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die DBV-Beispielsammlung - DBV-Heft 42 zu Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten Variante Untervariante EGS Klassen A: ohne flächiges Oberflächenschutzsystem, ohne Abdichtung a) A1: rissvermeidende Bauweise EGS-a XD3, XC4, XF2 (ggf. XF4), WA A2: lokaler Schutz der Risse und Fugen mit begleitender Rissbehandlung b) (z. B. rissüberbrückende Bandage) EGS-c B: mit flächigem Oberflächenschutzsystem a) d) B1: vollflächig starr beschichtet: OS 8 mit begleitender Rissbehandlung b) (z. B. rissüberbrückende Bandage) EGS-a EGS-c XD1, XC3, XF1, WF B2: vollflächig rissüberbrückend beschichtet: OS 11 oder OS 10 mit Nutzschicht EGS-a EGS-b C: mit flächiger, rissüberbrückender Abdichtung und Schutzschicht a) d) C1: OS 10 oder unterlaufsichere c) bahnenförmige Abdichtung, jeweils mit Dichtungs- und Schutzschicht aus Gussasphalt EGS-a EGS-b XC3, (ggf. XF1), WF C2: unterlaufsichere c) zweilagige bahnenförmige Abdichtung mit Schutzschicht C3: unterlaufsichere c) einlagige Polymerbitumen-Schweißbahn auf Konstruktionsbeton unterhalb und zweilagige Polymerbitumenbahnen oberhalb der Wärmedämmung (Warmdach) C4: Abdichtung mit einlagigem Flüssigkunststoff FLK-DA unterhalb der Wärmedämmung (Umkehrdach) KKS: Präventiver Kathodischer Korrosionsschutz ohne Beschichtung, ohne Abdichtung, jedoch Abdichtung von Trennrissen und Arbeitsfugen in Parkdecks erforderlich EGS-a EGS-c XD1, XF2 (ggf. XF4), WA ROSTFREI: Nichtrostende chloridbeständige Bewehrung mit abZ ohne Beschichtung, ohne Abdichtung, jedoch Abdichtung von Trennrissen und Arbeitsfugen in Parkdecks erforderlich EGS-a EGS-c XF2 (ggf. XF4), WA a) Für alle Varianten ist ein Instandhaltungsplan im Sinne der DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen [7] erforderlich. b) Planung und Ausführung des dauerhaften lokalen Schutzes von Rissen und Fugen nach DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen [7]. c) Voraussetzung für die Unterlaufsicherheit einer direkt auf dem Betonuntergrund aufgebrachten Abdichtungsschicht ist eine vollflächige, dauerhaft kraftschlüssige Verbindung zur Betonunterlage. Der Betonuntergrund ist dazu vor Aufbringen der Abdichtungsbahn durch Kugelstrahlen vorzubereiten und mit Epoxidharz zu behandeln. Dabei sollen die Verfahren, Stoffe und Nachweise für Brückenbeläge auf Beton nach ZTV-ING [9], Teil 7, Abschnitt 1: 2003-01 (eine Dichtungsschicht aus einer Bitumen-Schweißbahn), Abschnitt 2: 2010-04 (eine Dichtungsschicht aus zwei Bitumen-Schweißbahnen), Abschnitt 3: 2003-01 (eine Dichtungsschicht aus Flüssigkunststoff) zugrunde gelegt werden. d) Alternative Produkte oder Bauarten sind möglich, wenn deren Gleichwertigkeit mit den Oberflächenschutzsystemen oder Abdichtungen nachgewiesen wird. Tabelle 1. Im DBV-Heft 42 spezifizierte Ausführungsvarianten für befahrene Parkflächen aus Stahlbeton oder Spannbeton [1] 8.2 Fingerloos.indd 390 14.01.20 17: 22 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 391 Die DBV-Beispielsammlung - DBV-Heft 42 zu Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten Beispiel 1.1.2. Variante A2 - Beton direkt beansprucht, lokaler Schutz der Risse aus DBV-Heft 42 [1] (Auszug) Prinzipskizze Rissbandagen ohne Sollrissfugen Legende zur Prinzipskizze 1 tragende Stahlbeton- oder Spannbetonplatte, direkt befahren 2 Biegeriss (oben) oder Trennriss (ideal: mit planmäßiger Sollrissfuge) 3 Verkrallungsschlitze, ggf. Einfräsung und Grundierung für Rissbandage 4 rissüberbrückende Bandage (als begleitende Rissbehandlung oder Fugenabdichtung) Randbedingungen Entwurfsgrundsatz EGS-c: wenige Risse möglichst an definierten Stellen (z. B. Sollrissfugen); Expositions- und Feuchtigkeitsklassen: XD3, XC4, XF2 (XF4 in frei bewitterten Bereichen), WA; Mindestbetondeckung oben: Betonstahl/ Spannstahl: c min,dur = 40 mm/ 50 mm; Planung und Ausführung des dauerhaften lokalen Schutzes von Rissen nach DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“. Hinweise … Instandhaltung … 8.2 Fingerloos.indd 391 14.01.20 17: 22 392 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die DBV-Beispielsammlung - DBV-Heft 42 zu Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten Beispiel 3.1.4. Variante C3 - unterlaufsichere einlagige Polymerbitumen-Schweißbahn auf Konstruktionsbeton unterhalb und zweilagige Polymerbitumenbahnen oberhalb der Wärmedämmung (Warmdach) aus DBV-Heft 42 [1] (Auszug) Prinzipskizze Legende zur Prinzipskizze 1 tragende Stahlbeton- oder Spannbetonplatte 2 Biegeriss (oben) oder Trennriss 3 Untergrundvorbereitung und Untergrundbehandlung gemäß Abschnitt 1.3.0.1 - Variante U1 (nach ZTV-ING, Teil 7) oder 1.3.0.2 - Variante U2 4 einlagige Polymerbitumen-Schweißbahn nach DIN 18532-2 (unterlaufsichere Abdichtungslage gleichzeitig als Dampfsperre) 5 ggf. Ausgleichsschicht (z. B. Asphalt) nach DIN 18532-3 6 Wärmedämmschicht nach DIN 18532-3 7 auf die Wärmedämmung abgestimmte Ausgleichsschicht nach DIN 18532-3 8 zweilagige Polymerbitumen-Schweißbahnen oder Polymerbitumenbahnen nach DIN 18532-3 (Abdichtung) 9 Schutzlage (bzw. Trennlage oder Gleitlage) nach DIN 18532-3 10 Lastverteilungsschicht aus Ortbeton oder Betonfertigteilen, ggf. zugleich Nutzschicht 11 ggf. separate Nutzschicht Randbedingungen - Entwurfsgrundsätze: EGS-a oder EGS-b (oberseitige Rissbreite auf Abdichtung angepasst); - Expositions- und Feuchtigkeitsklassen: XC3, WF; - Mindestbetondeckung oben: Betonstahl/ Spannstahl: c min,dur = 20 mm/ 30 mm. Hinweise … Instandhaltung … 8.2 Fingerloos.indd 392 14.01.20 17: 22 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 393 Die DBV-Beispielsammlung - DBV-Heft 42 zu Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten Beispiel 6.1.2. Stütze/ Wand mit Sockelschutz im Spritzwasserbereich bei Varianten A und B aus DBV-Heft 42 [1] (Auszug) Prinzipskizze Legende zur Prinzipskizze 1 Stütze/ Wand mindestens in XC3 (Außenbauteile in XC4, XF1*), WF 2 Stahlbeton- oder Spannbetonplatte (Variante B -> Bild a) oder Variante A à Bild b)) 3 Arbeitsfuge (geschützt) 4 gefügedichte Dreiecksbzw. Hohlkehle (mindestens 30 mm x 30 mm) 5 Arbeitsfugen- und Sockelschutz mindestens 500 mm hoch und mindestens 150 mm breit (Bild b)) 6 Oberflächenschutzsystem bei Variante B (bis OK Hohlkehle), darüber Sockelschutz 5 (Bild a)) Randbedingungen - Sockelschutz: - Lunker- und Porenspachtelung, Grundierung mit 2-facher Kopfversiegelung (jeweils auf Reaktionsharzbasis) eines OS 8- oder OS 11-Systems, - - oder OS 5b-System, - oder Flüssigabdichtung FLK-DA mit Vlieseinlage nach DIN 18532-6 [R3]; - Schutz der Arbeitsfuge gleichzeitig mit Sockelschutz; - dadurch auch: ungeschützter Bereich Stütze/ Wand außerhalb einer Chloridbeanspruchung (kein Spritzwasser) à aufgehende Bauteile in reduzierter Expositionsklasse mindestens XC3. Hinweise … Instandhaltung … * XF-Klassifizierung hier korrigiert 8.2 Fingerloos.indd 393 14.01.20 17: 22 394 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die DBV-Beispielsammlung - DBV-Heft 42 zu Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten Beispiel 6.2.2. Stütze/ Wand und Stahlbetonfundament nur mit Arbeitsfugenschutz aus DBV-Heft 42 [1] Prinzipskizze Legende zur Prinzipskizze 1 Stütze/ Wand XD2, XF2, (ggf. XA), WA 2a) bewehrtes Einzel- oder Streifenfundament mit oberseitigem Gefälle ³ 2,5 %: XD2 a) , (ggf. XA), WA 2b) bewehrtes Einzel- oder Streifenfundament ohne oberseitiges Gefälle: XD3 a) , (ggf. XA), WA 3 ggf. Sauberkeitsschicht 4 durchlässiger Fahrbelag (z. B. Pflaster) 5 Arbeitsfuge 6 flüssig zu verarbeitende Abdichtung nach DIN 18533-3 [10] oder OS 5b mit abP als Abdichtung nach DIN 18533 oder streifenförmige WU-Fugenabdichtung mit abP 7 gefügedichte Dreiecksbzw. Hohlkehle (mindestens 30 mm x 30 mm) 8 Schutz gegen Beschädigung beim Verfüllen 9 ggf. Randstein 10 Fuge zwischen Fahrbelag und Stütze/ Wand 11 Baugrund mit Chloridbelastung, unter Fahrbelag mit Bettungsschicht und verdichteter Tragschicht … a) Bei nur untenliegender Biegezugbewehrung (ohne Querkraftbewehrung) darf das Fundament 2 alternativ in mindestens XC3 eingestuft werden (kein Chloridzutritt an die untere Bewehrung, Oberseite rissfrei). Dann keine Trennfolie auf der Sauberkeitsschicht 3, um Unterläufigkeit auf der Folie zu vermeiden. Randbedingungen - Schutz der unterirdischen Arbeitsfuge erforderlich; - Abdichtungen bzw. OS 5b müssen mit zusätzlichen Schutzmaßnahmen vor dem anstehenden Bettungssplitt und unsachgemäßem Verfüllen ausgeführt werden (z. B. Noppenbahn, Geotextil, Bautenschutzmatte). Hinweise … Instandhaltung … 8.2 Fingerloos.indd 394 14.01.20 17: 22 Fugen buch2.indb 395 13.01.20 15: 41 buch2.indb 396 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 397 Dauerhafte Abdichtung von Fugen in Betonbauwerken mit Kompressions-Dichtprofilen Gerhard Gebhards DENSO GmbH, 51371 Leverkusen, Deutschland Lutz Schröder DENSO GmbH, 51371 Leverkusen, Deutschland Zusammenfassung Kompressionsdicht-Profile werden seit Jahrzehnten für die Abdichtung der Fugen von Betonbauwerken verwendet und bewähren sich bestens. Die Profile bestehen in der Regel aus Gummi und werden mit nahezu kreisförmigem Querschnitt hergestellt. Für Fugen mit unterschiedlichen Breiten werden Kompressions-Dichtprofile mit unterschiedlichen Durchmessern eingesetzt, für eine Fuge mit 20 mm Breite kann ein Profil mit 27 mm Durchmesser eingesetzt werden. Die Bemessung erfolgt auf Basis der Geometrien der Fugen und des zu erwartenden maximalen Wasserdrucks. Damit die Bemessung und die Verarbeitung mit der erforderlichen Qualität erfolgen, sollten ausschließlich geschulte und zertifizierte Fachfirmen beauftragt werden. Die Profile können in waagerecht und senkrecht verlaufende Fugen sowie in Fugen mit Gefälle eingebaut werden. Da die Kompressions-Dichtprofile durch den Anpressdruck wirken, sie brauchen beispielsweise nicht verklebt zu werden, können sie nahezu witterungsunabhängig verarbeitet werden. Die Verarbeitung erfolgt maschinell oder manuell und die Fugen können sofort danach beansprucht werden. 1. Grundlagen Gummi entsteht durch Vulkanisation aus Kautschuk, einem natürlichen Rohstoff. Bei der Vulkanisation werden chemische Querverbindungen erzeugt, deren Anzahl die Härte des Gummis bestimmt. Es bilden sich Elastomere mit stark verknäuelten lange Molekülketten. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird industriell Syntheskautschuk hergestellt. Im Gegensatz zu den übrigen Kunststoffen, können Elastomere bei Belastung in die Länge gezogen werden. Da sie sich bei Entlastung wieder zusammenziehen (rückverformen), ist Gummi elastisch. Die Eigenschaften werden durch Temperatureinfluss kaum verändert. Kompressions-Dichtprofile aus Gummi sind daher sehr gut für die Ausbildung von Fugen geeignet, die der Witterung und damit Temperaturschwankungen ausgesetzt sind. Kompressions-Dichtprofile sind Elastomere mit geschlossenzelliger Struktur, glatter Außenhaut und nahezu kreisförmigem Querschnitt (Abb. 1). Diese Profile werden seit Jahrzehnten mit besten Ergebnissen für die Abdichtung von Fugen in Betonbauwerken eingesetzt. Abbildung 1: Kompressions-Dichtprofile 2. Materialeigenschaften, Kennwerte Kompressions-Dichtprofile bestehen aus unterschiedlichen Materialien, Profile aus einem Chloropren-Kautschuk beispielsweise sind in einem gewissen Umfang widerstandsfähig gegen aggressive Medien (Benzin, Mineralöl und Heizöl, Alkohol) sowie gegen Witterungseinfüsse. Die Profile können bei Temperaturen von -5 °C bis +50 °C eingebaut werden und sind gegen 9.1 Gebhards.indd 397 14.01.20 17: 24 398 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Dauerhafte Abdichtung von Fugen in Betonbauwerken mit Kompressions-Dichtprofilen Temperatureinflüsse von max. 200 °C (zumindest kurzfristig) widerstandsfähig. Die Reißfestigkeit liegt zwischen 2 und 3 N/ mm² und die Reißdehnung bei 150 - 350 %. Der Druckverformungsrest (DVR) liegt nach Lagerung über 24 h bei 70 °C unterhalb von 26 % und die Druckspannungsrelaxation, nach 105 h bei 20 °C, ist geringer als 20 %. Die Prüfungen erfolgten in Anlehnung an DIN EN 681-3 [1]. Die Profile bestehen in der Regel aus geschlossenzellig Gummi, so dass keine Flüssigkeit eindringen kann. 3. Prüfungen, Nachweise Die Materialqualität der Kompressions-Dichtprofile wird durch interne und externe Prüfungen laufend überwacht und damit sichergestellt. Die Eignung bestimmter Profile für die vorgesehene Anwendung wurde in Laborversuchen (Abb. 2) und in Praxisversuchen nachgewiesen. Unter den in den Produktdatenblättern definierten Bedingungen sind die mit diesen Profilen abgedichteten Fugen bis zu einem Wasserdruck von 1,0 bar dicht, wenn fachgerecht gearbeitet wird. In Laborversuchen [2] wurde für diese Kompressions-Dichtprofile nachgewiesen, dass die damit abgedichteten Fugen bei der maximalen Einbaukompression nach 24 Stunden bei einem Druck von maximal 4,8 bar (entsprechend 48 Meter Wassersäule) noch dicht waren. In einem weiteren Versuch wurde für eine Primärabdichtung nachgewiesen, dass die Fugen in einer Betonrohrleitung bis zu einem Wasserdruck von 1,0 bar dicht waren [3]. Abbildung 2: Versuchsaufbau für die Dichtigkeitsprüfung von Kompressionsdichtprofilen (Abb. MPA Bau Hannover) 4. Anwendung, Verarbeitung 4.1 Anwendung der Profile Kompressionsdicht-Profile werden seit Jahrzehnten mit besten Ergebnissen für die Abdichtung horizontal und vertikal verlaufender Fugen von Betonbauwerken eingesetzt. In Einzelfällen werden die Profile auch zwischen Metallbauteilen eingebaut. In der Regel werden sie als Sekundärdichtung eingesetzt und sollen verhindern, dass Fremdstoffe in die Fugen gelangen und Schäden anrichten. Die Profile können jedoch auch als Primärdichtung eingesetzt werden. Angewendet werden die Profile in Parkhäusern, Kläranlagen, Rückhaltebecken, Staumauern und Beton-Rohrkanälen. Abhängig von den örtlichen Bedingungen, beispielsweise Fugenbreiten und zu erwartende Wasserdrücke, werden Kompressions-Dichtprofile mit unterschiedlichen Durchmessern eingesetzt. Für eine Fuge mit 20 mm Breite kann beispielsweise ein bestimmtes Profil mit 27 mm Durchmesser eingesetzt werden, wenn ein Wasserdruck von maximal 1,0 bar zu erwarten ist [4]. Die Bemessung erfolgt auf der Basis der Geometrien der Fugen und des zu erwartenden maximalen Wasserdrucks. Damit die Bemessung und die Verarbeitung mit der erforderlichen Qualität erfolgen, sollten damit ausschließlich geschulte und zertifizierte Fachfirmen beauftragt werden. Da die Kompressions-Dichtprofile durch den Anpressdruck wirken, sie brauchen beispielsweise nicht verklebt zu werden, können sie nahezu witterungsunabhängig verarbeitet werden. Die Verarbeitung kann maschinell (Abb. 4) oder manuell (Abb. 3) erfolgen. An Kreuzungspunkten etc. sowie an Verbindungsstellen werden die Kompressions-Dichtprofile mit einem speziellen Sekundenkleber miteinander verbunden. Die abgedichteten Fugen können unmittelbar nach dem Einbau der Profile beansprucht werden. Es ist keine Aushärtezeitraum oder dergleichen zu beachten, was bei Verwendung von Dichtstoffen in der Regel der Fall ist. Abbildung 3: Einbau eines Kompressions-Dichtprofils mit Hilfe eines Kunststoffkeils. 9.1 Gebhards.indd 398 14.01.20 17: 24 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 399 Dauerhafte Abdichtung von Fugen in Betonbauwerken mit Kompressions-Dichtprofilen Abbildung 4: Maschineller Einbau eines Kompressions-Dichtprofils. 4.2 Fugen, Anforderungen an die Geometrie und an die Fugenflanken Die Fugenanordnung und -geometrie ist bereits bei der Planung festzulegen. Für die Funktionssicherheit der Kompressionsdichtung muss die Vorgabe an die erforderliche Mindestverformung eingehalten und müssen die Beanspruchungen der Bauteile berücksichtigt werden. Der zu erwartende Wasserdruck, mögliche Temperaturschwankungen, die Änderungen der Fugenspaltweite(n) sowie eventuell zu erwartende Beanspruchungen durch aggressive Medien sind beispielsweise Randbedingungen, die bei der Planung zu beachten sind. Für die Fugen gilt gemäß der DIN 18540, dass die Fugeninnenflächen bis zu einer Tiefe t, entsprechend der zweifachen Fugenbreite, parallel verlaufen müssen. Im Bereich der Fugen muss die Betonoberfläche dicht sein und muss der Beton ausreichend verdichtet und genügend fest sein. Mörtel zur Ausbesserung schadhafter Stellen im Fugenbereich muss ausreichend fest und rissfest erhärtet sein, eine weitgehend porenfreie Oberfläche haben und ausreichend am Beton haften. Bei Bedarf muss die Betonoberfläche im Fugenbereich imprägniert werden, damit keine Hinterläufigkeit der Fugen entsteht. 5. Erfahrungen aus der Praxis Die Aussschreibung der Bauleistungen soll eindeutig sein, damit zuverlässig geplant und kalkuliert werden kann. In der Praxis werden häufig andere Bedingungen angetroffen, als die vorher beschriebenen. Beispiele sind Fugenspalte, deren Abmessungen unregelmäßig sind oder Fugenspalte, die im Bereich von kreuzenden Fugen versetzt verlaufen (Abb. 5). In den Fällen muss vor Ort über das weitere Vorgehen entschieden warden. Wenn die Anforderungen an die Fugenspalte und Fugenflanken nicht erfüllt warden, muss nachgearbeitet warden, soweit das möglich ist. Fugenspalte können nachgeschnitten warden, wenn die Breite nicht korrekt ist oder der Fugenverlauf unregelmäßig ist. Fugenflanken können reprofiliert werden, wenn Ausbrüche vorliegen oder Kanten abgebrochen sind. Mit diesen Arbeiten sind fachkundige Firmen zu beauftragen, damit die erforderliche Qualität erreicht wird. Abbildung 5: Versprung im Verlauf einer Fuge Literaturverzeichnis [1] DIN EN 681-3, Elastomerdichtungen, Beuth Verlag, Berlin 2006. [2] Prüfbericht 101 100, Materialprüfanstalt für das Bauwesen, Hannover, 2010. [3] Prüfbericht Nr. 22 0007302-1, MPA NRW, Dortmund, 2009. [4] Firmenunterlagen DENSO GmbH, FERMA- DUR®-Profile, 2019. 9.1 Gebhards.indd 399 14.01.20 17: 24 9.1 Gebhards.indd 400 14.01.20 17: 24 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 401 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise Stefan Trichlin buch2.indb 401 13.01.20 15: 41 402 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 402 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 403 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 403 13.01.20 15: 41 404 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 404 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 405 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 405 13.01.20 15: 41 406 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 406 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 407 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 407 13.01.20 15: 41 408 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 408 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 409 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 409 13.01.20 15: 41 410 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 410 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 411 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 411 13.01.20 15: 41 412 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 412 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 413 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 413 13.01.20 15: 41 414 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 414 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 415 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 415 13.01.20 15: 41 416 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 416 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 417 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 417 13.01.20 15: 41 418 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 418 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 419 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 419 13.01.20 15: 41 420 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 420 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 421 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 421 13.01.20 15: 41 422 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 422 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 423 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 423 13.01.20 15: 41 424 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 424 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 425 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 425 13.01.20 15: 41 426 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 426 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 427 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 427 13.01.20 15: 41 428 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 428 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 429 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 429 13.01.20 15: 41 430 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 430 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 431 Fugenprofile in Carbon-Verbundbauweise buch2.indb 431 13.01.20 15: 41 buch2.indb 432 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 433 Wassermanagement in Parkbauten - Fugensysteme und Rinnen - Planung und Ausführung Dipl.-Ing. Stephan Sinz Migua Fugensysteme GmbH, Wülfrath Zusammenfassung In Parkbauten ist, auch in den Zwischengeschossen, allein durch den fahrzeugbedingten Eintrag stets mit Wasser zu rechnen. Da dieses im Winter immer chloridbelastet ist, müssen Vorkehrungen zum Schutz des Bauwerks getroffen werden. Deshalb ist sowohl bei der Planung als auch bei der Ausführung von Fugen-Profilsystemen und Rinnen in Parkbauten mit äußerster Sorgfalt vorzugehen. In diesem Beitrag werden die notwendigen Planungsaspekte aufgeführt und Hinweise für die Ausführung gegeben. 1. Planung Eine Bewegungsfuge ist eine geplante Unterbrechung einer Konstruktion zur Vermeidung von Rissen. Wenn die erforderlichen Fugensysteme nicht sorgfältig geplant und gewissenhaft ausgeführt werden, sind weitreichende Schäden zu erwarten. Fugen, die richtig in einen Baukörper gesetzt sind, bieten viele Vorteile: Spannungen werden gefahrlos abgebaut, entstehende Bewegungen übernommen, einfachere und segmentierte Bauweisen sind möglich. Diese Bauteilbzw. Bewegungsfugen sind für den Gebrauch bis in die Oberkante des Fußbodens mit Hilfe von Fugenprofilsystemen so zu übernehmen, dass die Gebrauchstauglichkeit dauerhaft gegeben ist. Rinnen haben die Aufgabe, das angefallene Wasser kontrolliert und schadlos abzuleiten. Bild 1: Schäden durch Chlorid-induzierte Korrosion Der Planer hat die Aufgabe, die wesentlichen Bemessungsdaten für Fugensysteme und Rinnen festzulegen und Produkte auszuschreiben, die ein aktuelles allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP) als Verwendbarkeitsnachweis nach deutschem Baurecht haben. Die Geometrie der Fugen und Rinnen ist festzulegen und die wesentlichen Anforderungen an das Profils- und Rinnensystem zu beschreiben. Dazu gehören neben der Festlegung der technischen Daten der Fugen insbesondere die Besonderheiten der Nutzung sowie die Erarbeitung von Anschlussdetails. Die vom Planer festgelegte Bemessungswassermenge wird in Rinnen, die in verschiedenen Breiten und Höhen hergestellt werden, abgeleitet. Das für die Rinnen notwendige Gefälle, die Abläufe und geeignete Anschlüsse an das Oberflächenschutzsystem sind ebenfalls vorab zu planen. Untersuchungen zeigen, dass gerade unsachgemäß geplante und ausgeführte Fugen- und Entwässerungssysteme zu den typischen Mängeln gehören. buch2.indb 433 13.01.20 15: 41 434 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wassermanagement in Parkbauten - Fugensysteme und Rinnen - Planung und Ausführung Bild 2: Typische Mängel bei Parkbauten Immer noch sieht man Parkbauten, in denen Fugen dauerelastisch mit Weichmaterialien versiegelt sind. Dabei ist bekannt, dass diese weder die in Parkbauten auftretenden Bewegungen, noch den erforderlichen Kantenschutz der Fugenflanke gewährleisten können. Auch ist die Wasserdichtigkeit nur bedingt herstellbar und die Dauerhaftigkeit nur begrenzt. Gleiches gilt für Füllungen aus Polyurethan oder vergleichbaren Massen, die zwar schleifbar, aber nur begrenzt einsetzbar sind und zwingend einer regelmäßigen Wartung bzw. Austausch bedürfen. Sinusförmig ineinandergreifende Faserplatten sind zwar eben überfahrbar, bergen aber das Risiko von zunächst unerkannten Schäden. Da die Zähne jeweils auf der Gegenseite der Fuge aufliegen, sind bei Setzungen oder bereits bei einfachen Schwingungen der Decke Risse oder Brüche des Systems zu erwarten. Bei diesen Profilen führt eine Bewegung der Fuge oft zu unlösbaren Problemen, wenn die Fuge im weiteren Verlauf verspringt und Formteile erforderlich werden. Die zwingend geforderte Wasserdichtigkeit ist mit den oben genannten Verfahren insbesondere an Formteilen und Endstücken oft nicht herstellbar. Bild 3: Bemessungsdaten für Fugenprofilsysteme 2. Bemessungsdaten Zu den festzulegenden Bemessungsdaten eines Fugensystems gehören zunächst die Fugenbreite sowie die Fugenbewegung in allen drei Dimensionen. Für die Bewegungsaufnahme im Profil ist die vektorielle Addition aller drei Kennwerte entscheidend. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Bewegung quer zur Fuge bei einem Fugenverlauf, der um 90° verspringt, zu einer Verschiebung/ Scherung des Profils führt. Bild 4: Berücksichtigung aller Bewegungen Als nächstes ist die Einbauhöhe festzulegen. Diese ist vom Bodenaufbau abhängig und sollte in Abhängigkeit der Ebenheitstoleranzen festgelegt werden. Dabei wird das Profil/ Rinne immer auf einen ausgleichenden Fugenglattstrich gesetzt und benötigt einen lastabtragenden Untergrund, meist die Geschossdecke. Besondere Berücksichtigung bedarf der Festlegung der einwirkenden Lasten. Die Profilbemessung erfordert die Angabe von Linienlasten oder den direkten Bezug auf die DIN 1991- 1. Bei Befahrung durch Stapler, die oft nicht mit der DIN-geregelten Luftbereifung betrieben werden, sind unbedingt Einzelfallbetrachtungen der Radlasten durchzuführen. Rinnen sind nach DIN EN 1433 in Lastklassen eingeteilt. Gitterroste sollten die vorgesehenen Lasten gefahrlos abtragen. Bild 5: Anschlussdetails an Türdurchgang mit Fugen und vorgelagerter Rinne Wie bereits erwähnt, ist die durch den Baukörper vorgegebene Fugengeometrie in dem einzusetzenden Fugenprofil zwingend zu übernehmen. Wenn dies nicht berücksichtigt wird, können die Bauteilbewegungen nicht im Profil übernommen werden. Schäden und Abrisse sind die Folge. Bild 6: Ausgeführte Formteile - Kreuzung von Fugen buch2.indb 434 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 435 Wassermanagement in Parkbauten - Fugensysteme und Rinnen - Planung und Ausführung Die notwendige Passgenauigkeit wird mit Formteilen erreicht. Das Fugenbzw. Rinnensystem muss die Vielzahl der möglichen Formteilvarianten abbilden können. Endaufkantungen sind für die Dichtigkeit und Bewegungsaufnahme an den Profilenden zwingend notwendig. Bild 7: Beispielhafte Formteilgeometrien Der Verzicht auf Formteile und Endstücke ist unweigerlich mit Undichtigkeiten verbunden. Bei unterschiedlichen Fußbodenaufbauten auf beiden Seiten der Fuge können gute Profilsysteme an die Höhe angepasst werden. Fugenprofile sollten in der Fugenbreite und -bewegung anpassbar sein, um bei ungeplant großen Bewegungen eine Anpassung zu ermöglichen. Bild 8: Rinne mit Sonderformteil Schrammbord Da die Chlorid-induzierte Bewehrungskorrosion das größte Schadenspotential in sich trägt, ist zwingend der Einsatz von wasserdichten Fugensystemen mit der Möglichkeit des Anschlusses an ein Oberflächenschutzsystem zu planen und auszuführen. Dabei muss die Kompatibilität der eingesetzten Materialien vorab abgestimmt werden. Sowohl für Beschichtungen, bituminöse Abdichtungen als auch für Anschlüsse an Flüssigkunststoffabdichtungen sollten wasser-dichte Anschlüsse zum Fugenprofil vorliegen. Bei Rinnen ist darauf zu achten, dass diese absolut wasserdicht über Anschlussfolien mit der Oberflächenabdichtung verbunden werden können. Bild 9: Anschluss Fugensystem an verschiedene Oberflächenschutzsysteme Hoch- und Tiefpunkte sind beim Fugenprofil zwingend zu übernehmen. Kreuzungen zu Abläufen und Rinnen sind unbedingt zu beachten. Bei Sanierungen ist zu berücksichtigen, dass die Statik oftmals keine großen Gefällemodellierungen erlaubt und deshalb mit zahlreichen Abläufen zu planen ist. Bilder 10+11: Wasserdichter Anschluss einer Rinne an eine bituminöse Abdichtung Eine fachgerechte Planung wird Baukörperfugen möglichst an Hochpunkten und Entwässerungs-rinnen an Tiefpunkten der Baukonstruktion vorsehen. In der Praxis ist dies jedoch nicht immer umsetzbar, so dass die Entwässerung von Parkbauten manchmal neben einem Fugenprofil oder in Extremfällen über ein Fugenprofil erfolgt. Für diese parallellaufenden Rinnen und Fugen gibt es spezielle Kombinationen in verschiedenen Varianten. buch2.indb 435 13.01.20 15: 41 436 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wassermanagement in Parkbauten - Fugensysteme und Rinnen - Planung und Ausführung Bild 12: Beispiel einer Fugen-Rinnen-Kombination Sofern sich jedoch Fuge und Rinne kreuzen, entstand bisher das Problem, dass der Rinnenkörper vor der Fuge enden und ein eigenständiger, zusätzlicher Ablauf angeordnet werden musste. Teilweise war sogar eine Umkehr der Fließrichtung mit allen seinen Folgen erforderlich. Mit der Entwicklung dieser einzigartigen Fugen-Rinnen-Kreuzung kann nun direkt der Rinnenkörper an das Fugenprofil angeschlossen und über dieses entwässert werden. Dieses zum Patent angemeldete System kann mit allen bekannten Abdichtungssystemen kombiniert werden. Bild 13: Neu entwickelte Fugen-Rinnen-Kreuzung 3. Sichtfläche gleich Dichtfläche Migua bietet mit dem System Sichtfläche = Dichtfläche die Besonderheit für Fugenprofile wie auch Rinnen an, dass direkt an der sichtbaren Oberfläche des Profils abgedichtet wird. Im Unterschied zu anderen Herstellern wird die Dichtebene nicht unter dem Fugenprofil durchgeführt. Somit entsteht kein Wasseraufstau im Profil mit den damit verbundenen Nachteilen. Durch die einzigartige Konstruktionsart kann auch bei bituminöser Abdichtung das Wasser komplett außerhalb des Profils gehalten und die Dichtigkeit des Profils schon an der Oberfläche erkannt werden. Bild 14: Einflussfaktoren auf die Profilbemessung Sofern optische Aspekte wichtig sind, stehen für die Profile ansprechende Abdecksysteme in verschiedenen Varianten zur Verfügung. Mit diesen ist in Bereichen vor Aufzügen oder Eingängen zu Treppenhäusern auch die geforderte Rutschhemmung gewährleistet, die aus Arbeitsschutzgründen einzuhalten ist. Für Rinnen gibt es als Alternative zu Gitterrosten hochwertige Abdeckungen aus Edelstahl in unterschiedlichen Rutschhemmklassen. Bild 15: Rinne mit Designabdeckung, Klasse R10 V10 Auch wenn Fugenprofile nicht zum konstruktiven Brandschutz eingesetzt werden, gibt es Profilsysteme, die nach Brandschutzrichtlinien zertifiziert wurden. Bild 16: Freideck mit Gefälle buch2.indb 436 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 437 Wassermanagement in Parkbauten - Fugensysteme und Rinnen - Planung und Ausführung 4. Materialien Oft werden für Profilsysteme verschiedene Materialien gemeinsam verwendet. Dabei ist darauf zu achten, dass keine Materialien oder Materialkombinationen verwendet werden, die für den Anwendungsfall nicht geeignet sind. Die die Fugenbewegung aufnehmende Bewegungseinlage ist meistens aus einem öl- und säurebeständigen, UV-stabilem Kunststoff. Die nicht medienberührten Bauteile des Profils sind vorzugsweise aus einer hochwertigen Aluminiumlegierung, da diese optimale Gestaltungsmöglichkeiten und Geometrien der Form erlauben. Alle medienberührten Teile oberhalb der Abdichtung sind zwingend aus Edelstahl mit mindestens V2A oder höherwertigerer Qualität auszuführen, um Korrosion auszuschließen. Damit ergibt sich ein Gesamtkonzept, welches in der Praxis bewährt und Jahrzehnte erfolgreich nutzbar ist. Bild 17: Rinne mit Anschluss an Gussasphalt 5. Montage Wenn das Profil gut geplant und ausgeschrieben wurde, gilt es fachgerecht einzubauen. Dieses sollte unbedingt von geschulten Fachunter-nehmen durchgeführt werden. Bei der Ausführung sind die tatsächlichen Fugendaten mit der Planung zu vergleichen, die notwendigen Einbautemperaturen einzuhalten und für die notwendige Baufreiheit zu sorgen. Die Auswahl des Fugenglattstrichs sowie des Verfüllmaterials sollte vorab in Abhängigkeit der Einbausituation und der Nutzung festgelegt werden. Der höhengleiche Einbau der Profilsysteme zum angrenzenden Belag ist eine wesentliche Notwendigkeit für eine lange und störungsfreie Nutzung. Eine aufmerksame Bauleitung stimmt die handwerklichen und technischen Anforderungen mit den Beteiligten im Vorfeld ab. Oft hängen Mängel direkt mit der handwerklichen Qualität der Montage zusammen. So führt eine Hohllagigkeit oder die Verwendung falscher Mörtel und Verankerungen schnell zu einer vermeidbaren Reklamation. Da es bei evtl. auftretenden Mängeln meistens einen Zusammenhang zu einer nicht ordnungsgemäß durchgeführten oder abgestimmten Montage gibt, ist dem Aufmaß sowie der fachgerechten Montage der Profilsysteme hohe Beachtung zu schenken. Wie auch bei anderen Gewerken sollte für Fugensysteme und Rinnen ein Wartungs- und Instandhaltungsplan erstellt werden. Eine zweimal im Jahr durchgeführte Untersuchung mit Behebung evtl. Mängel sorgt für eine lange Nutzungsdauer. Kontakt zum Autor: Dipl.-Ing. Stephan Sinz Leiter Produktmanagement MIGUA Fugensysteme GmbH, Wülfrath Sinz@migua.de buch2.indb 437 13.01.20 15: 41 buch2.indb 438 13.01.20 15: 41 Sachkundiger Planer buch2.indb 439 13.01.20 15: 41 buch2.indb 440 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 441 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen unter Beachtung der bauaufsichtlichen Bestimmungen - Erfahrungsbericht über Betoninstandsetzungsmaßnahmen Dr.-Ing. Michael Fiebrich BauIngenieurSozietät (BIS) Sasse & Fiebrich, Aachen, Deutschland Zusammenfassung Im sprichwörtlichen „Dschungel der Verordnungen und Vorschriften“ stehen die Sachkundigen Planer nach dem Verstreichen der Übergangsfristen zwischen Wegfall der Ü-Kennzeichnung und neuer CE-Kennzeichnung von Bauprodukten der großen Herausforderung gegenüber, bereits mit der Wahl eines Instandsetzungsverfahrens die zur Auswahl stehenden Bauprodukte für eine Betoninstandsetzung so präzise zu spezifizieren, dass bei der Instandsetzung die Grundanforderungen an Bauwerke eingehalten werden. Damit wird es den Bauausführenden an die Hand gegeben, entsprechende Produkte einzukaufen, die - dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend -nicht nur aus Herstellersicht sondern insbesondere unabhängig nachprüfbar die geforderten technischen Eigenschaften aufweisen. Der Beitrag beschäftigt sich anhand von zwei Erfahrungsberichten damit, wie die aus der Ist-Zustandsermittlung abgeleiteten Anforderungen an die einzusetzenden Bauprodukte ermittelt werden können, um letztlich in das Leistungsverzeichnis übernommen werden zu können. 1. Baurechtliche Grundlagen für sachkundige Planung Die baurechtlichen Grundlagen für die sachkundige Planung von Instandhaltungsmaßnahmen finden sich in den nachstehend aufgelisteten Dokumenten: a) Musterbauordnung 2016-05, § 3, Absatz 1 [1] b) Bauproduktenverordnung 2011, Verordnung (EU) Nr. 305/ 2011, Anhang I [2] c) Musterbauordnung 2016-05 § 16c einschließlich zugehöriger Begründung [3] d) Vollzugshinweise Land Nordrhein-Westfalen [4] e) Prioritätenliste 2017-12 der Bauministerkonferenz [5] f) Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) 2017/ 1, Abschnitt A 1.2.3.2 sowie Anlage A 1.2.3/ 5 1.1 Musterbauordnung, § 3, Abs. 1 [ 1 ] Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instandzuhalten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden; dabei sind die Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang 1 der Verordnung (EU) Nr. 305/ 2011) zu berücksichtigen. Die Begründung der Bauministerkonferenz zur Ergänzung des § 3, Absatz 1 lautet: Zu Absatz 1 in Satz 1 werden nunmehr klarstellend die in Anhang I der Bauproduktenverordnung enthaltenen Grundanforderungen in Bezug genommen. Die Verwendung des Wortes „dabei“ zeigt an, dass die nationalen Schutzziele die Grundanforderungen mit umfassen, sie in der Verwaltungsvorschrift nach § 85a konkretisiert werden und ... 1.2 Bauproduktenverordnung 2011, Anhang I [2] Artikel 3 (1) Die Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang I sind die Grundlage für die Ausarbeitung von Normungsaufträgen und harmonierter technischer Spezifikationen. Anhang I 1. Mechanische Festigkeit und Standsicherheit Das Bauwerk muss derart entworfen und ausgeführt sein, dass die während der Errichtung und Nutzung möglichen Einwirkungen keines der nachstehenden Ereignisse zur Folge haben: a) Einsturz des gesamten Bauwerks oder eines Teils b) größere Verformungen in unzulässigem Umfang, c) Beschädigungen anderer Teile des Bauwerks oder Einrichtungen und Ausstattungen infolge zu großer Verformungen der tragenden Baukonstruktion, d) Beschädigungen durch ein Ereignis in einem zur ursprünglichen Ursache unverhältnismäßig großem Ausmaß 10.1 Fiebrich.indd 441 15.01.20 23: 48 442 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen 2. Brandschutz 3. Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz Das Bauwerk muss derart entworfen und ausgeführt sein, dass es während seines gesamten Lebenszyklus weder die Hygiene noch die Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern, Bewohnern oder Anwohnern gefährdet und sich über seine gesamte Lebensdauer hinweg weder bei Errichtung noch bei Nutzung oder Abriss insbesondere durch folgende Einflüsse übermäßig stark auf die Umweltqualität oder das Klima auswirkt a) Freisetzung giftiger Gase; b) Emission von gefährlichen Stoffen, flüchtigen organischen Verbindungen; Treibhausgasen oder gefährlichen Partikeln in die Innen- oder Außenluft; c) Emission gefährlicher Strahlen; d) Freisetzung gefährlicher Stoffe in Grundwasser, Meeresgewässer, Oberflächengewässer oder Boden; e) Freisetzung gefährlicher Stoffe in das Trinkwasser oder von Stoffen, die sich auf andere Weise negativ auf das Trinkwasser auswirken; f) unsachgemäße Ableitung von Abwasser, Emission von Abgasen oder unsachgemäße Beseitigung von festem oder flüssigem Abfall; g) Feuchtigkeit in Teilen des Bauwerks und auf Oberflächen im Bauwerk. 4. Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung 5. Schallschutz 6. Energieeinsparung und Wärmeschutz 1.3 Musterbauordnung (MBO) § 16c einschließlich Begründung der Bauministerkonferenz [ 3 ] § 16c der MBO 2016-05 lautet: Ein Bauprodukt, dass die CE-Kennzeichnung trägt, darf verwendet werden, wenn die erklärten Leistungen den in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes festgelegten Anforderungen für diese Verwendung entsprechen. Die Bauministerkonferenz begründet und erläutert die Formulierung des § 16c wie folgt: - Aus der Regelung ergibt sich, dass das Bauprodukt verwendet werden darf, wenn die erklärten Leistungen den Anforderungen entsprechen. Dabei müsen alle Leistungen erklärt sein, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Anforderungen, und zwar alle durch und aufgrund der MBO gestellten bauwerksseitigen Anforderungen, erfüllt sind. - Die MBO macht sich dabei den Ansatz der BauPVO zu eigen, nachdem die CE-Kennzeichnung nicht die Brauchbarkeit des Bauproduktes oder seine Übereinstimmung mit den Vorgaben der harmonisierten technischen Spezifikationen belegt sondern lediglich die nach den Vorgaben der harmonisierten technischen Spezifikation festgestellte Konformität des Bauprodukts mit der erklärten Leistung. - Insbesondere dürfen für solche Produkte keine Verwendbarkeitsnachweise und Übereinstimmungsbestätigungen gefordert werden. - Es ist Aufgabe der am Baubeteiligten, sicherzustellen, dass die für ein Bauprodukt erklärten Leistungen ausreichend sind, um die Anforderungen zu erfüllen, die sich für die Bauprodukte aus den Bauwerksanforderungen ergeben. - Erreichen die erklärten Leistungen nicht (alle) das Anforderungsniveau, weichen die Randbedingungen, unter denen die Bauprodukte verwendet werden von den in der harmonisierten technischen Spezifikation vorgesehenen Randbedingungen ab oder sind zu bestimmten Merkmalen, die sich im konkreten Verwendungszusammen auf die Erfüllung der Anforderungen auswirken, keine Leistungen ausgewiesen ... so müssen die am Bau beteiligten entscheiden, ob die Defizite so gering sind, dass von der Erfüllung der Bauwerksanforderungen trotzdem ausgegangen werden kann; in diesem Fall kann das Bauprodukt trotzdem verwendet werden. - Liegt im Hinblick auf die zu erfüllenden Bauwerksanforderungen keine ausreichende Leistungserklärung vor, so kann das Bauprodukt nicht aufgrund von § 16c verwendet werden. 1.4 Vollzugshinweise des Landes Nordrhein-Westfalen, Ausgabe 2016-10 [ 4 ] Im Erlass des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW vom Oktober 2016 (auch umgangssprachlich „Vollzugshinweise“ genannt) wird Nachstehendes ausgeführt: Mit Urteil vom 16.10.2014 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Verwaltungspraxis für unzulässig erklärt. Deutschland hat der Europäischen Kommission (KOM) mitgeteilt, dass es unter Wahrung des bisherigen nationalen Sicherheitsniveaus die Herstellung vollständiger Europarechtskonformität anstrebe, aufgrund der erkannten europaweiten Defizite in der Umsetzung der Bauproduktenverordnung sich aber auch vorbehalte, sämtliche darin vorgesehenen Regelungsvorbehalte und Verfahren auszuschöpfen ... Die durch die CE-Kennzeichnung erklärte Leistung eines Bauprodukts reicht aber nicht immer aus, um die bauordnungsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, die an ein Bauvorhaben gestellt werden. Soweit zum Nachweis der Erfüllung bauaufsichtlicher Anforderungen an die bauliche Anlage erforderlich, können neben Leistungserklärungen auf Basis von harmonisierten Normen (hEN) bzw. Europäischen Technischen Bewertungen (ETA) eine abZ [allgemeine bauaufsichtliche Zulassung] oder ein AbP [Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis] während ihrer ausgewiesenen Geltungsdauer herangezogen werden. Bei abZ und abP ist von dem Nachweis der bauwerksseitig gestellten Anforderungen weiterhin regelmäßig auszugehen, wenn fest steht, dass die in der bZ oder dem abP enthaltenen Nebenbestimmungen [Fremdüberwachung der Produktion; A.d.V.] weiter erfüllt sind. 10.1 Fiebrich.indd 442 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 443 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen 1.5 Priorirätenliste der Bauministerkonferenz, Ausgabe 2017-12 [5] Die Bauministerkonferenz hat in einem Schriftsatz vom Mai 2017 an das Deutsche Institut für Normung (DIN) in Auszügen Folgendes formuliert: ... Die Gremien der Bauministerkonferenz der Länder haben festgestellt, dass zahlreiche harmonisierte europäische Produktnormen (hEN), die im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 305/ 2011 erarbeitet wurden, harmonisierte Verfahren und Kriterien für die Bewertung der Leistungen dieser Bauprodukte in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale vermissen lassen ... Teilweise fehlen „wesentliche Merkmale“ vollständig, obwohl sie vom Normungsauftrag (Mandat) erfasst und von Relevanz zur Erfüllung der Grundanforderungen an Bauwerke in Deutschland sind. Diesem Anschreiben ist eine Prioritätenliste beigefügt, in der alle harmonisierten Normen aufgelistet sind, die „Lücken“ aufweisen. Lücken bedeutet in diesem Fall, dass Leistungen, die für die Erfüllung der Bauwerksanforderungen erforderlich sind, nicht nach der technischen Spezifikation erklärt werden können. Beispielhaft findet sich für die mörteltechnischen kunststoffmodifizierten Betonersatzstoffe unter der lfd. Nr. 11 die DIN EN 1503: 2005 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betonbauwerken. Die zugehörige Liste findet sich auf den nachfolgenden Bildern. Bild 1: Auszug aus „Prioritätenliste“ („Lückenliste“) 10.1 Fiebrich.indd 443 15.01.20 23: 48 444 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 2: Auszug aus „Prioritätenliste („Lückenliste“)“ 1.6 Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) 2017/ 1 [6] Im Abschnitt A 1.2.3.2 ist in der MVV TB die DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen, Ausgabe 2001-10 [7] mit der 2. Berichtigung 2005 und 3. Berichtigung 2014-09 als baurechtlich relevantes Dokument, dass bei der Planung von Betoninstandsetzungsmaßnahmen zu berücksichtigen ist, adressiert. In der Anlage A 1.2.3/ 5 findet sich folgende Anmerkung: Wenn in der DAfStb-Instandsetzungs-Richtlinie Produktmerkmale angesprochen werden, die als wesentliche Merkmale nach der EU-Bauproduktenverordnung europäisch harmonisiert sind, so ist die für die Erfüllung der jeweiligen Bauwerksanforderungen erforderliche Leistung vom Sachkundigen Planer gemäß der jeweiligen harmonisierten technischen Spezifikation festzulegen. Für die betroffenen Produkte sind die Festlegungen zum Übereinstimmungsnachweis und zur Kennzeichnung mit dem Ü-Zeichen nicht anzuwenden. Da nach der Prioritätenliste unter Berücksichtigung des § 16c des MBO und der Vollzugshinweise jedoch eine Vielzahl von technischen Leistungsmerkmalen der Bauprodukte nicht nach der harmonisierten Norm erklärt werden können, ist der vorgenannte Satz obsolet. 1.7 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Aus den unter den Abschnitten 1.1 bis 1.6 in Auszügen aufgelisteten/ zitierten baurechtlichen Dokumenten ergeben sich die nachfolgend stichwortartig zusammengefassten Schlussfolgerungen im Hinblick auf die sachkundige Planung von Instandsetzungsmaßnahmen: a) Sachkundige Planer haben die Grundanforderungen an Bauwerke nach Musterbauordnung und Bauproduktenverordnung einzuhalten. b) Die CE-Leistungserklärung beinhaltet keine Aussage über die objektspezifische Verwendbarkeit des Bauprodukts. c) Es müssen alle Leistungen erklärt sein, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob alle Grundanforderungen an Bauwerke erfüllt sind und die primären Schutzziele des Bauordnungsrechts über die Nutzungszeit gewährleistet werden. d) Der Planer muss objektspezifisch die Leistungsmerkmale/ Anforderungen aufstellen, die aus der Bauwerksexposition resultieren. e) Die harmonisierten Normen für Instandsetzungsprodukte weisen Lücken auf: Mit der CE-Leistungserklärung können nicht alle Leistungen erklärt werden, die zur Erfüllung der Bauwerksanforderungen erforderlich sind. 10.1 Fiebrich.indd 444 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 445 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen f) Zum Nachweis der bauordnungsrechtlichen Anforderungen bieten die „Lückenliste“ der Bauministerkonferenz, die Vollzugshinweise der Bundesländer sowie die MVV TB, Abschnitt d3) Optionen (Bild 3). Bild 3: Optionen zum Nachweis bauordnungsrechtlicher Anforderungen an Bauprodukte 2. Instandsetzungskonzept und Instandsetzungsplan nach Gelbdruck der Instandhaltungs-Richtlinie [8] 2.1 Allgemeines Für zwei realisierte Instandsetzungsobjekte (Tiefgarage und Regenüberlaufbecken) werden nachfolgend die Arbeitsschritte zur Präzisierung des Instandsetzungskonzeptes und des Instandsetzungsplans nach dem Gelbdruck der Instandhaltungs-Richtlinie [8] beschrieben. Die Arbeitsschritte umfassen im Einzelnen: - Untersuchungen zur Ermittlung und Bewertung des Ist-Zustands - Festlegen des Mindestsollzustands unter Berücksichtigung der (siehe hierzu auch Bild 4) - vorhandenen Restnutzungsdauer - planmäßigen Restnutzungsdauer - erreichbaren Restnutzungsdauer - Wahl des Instandsetzungsprinzips und -verfahren und des Betonersatzsystems - Aufstellen des Leistungsmerkmale und quantitativen Anforderungen an die Betonersatzstoffe nach Teil 2 des Gelbdrucks [8]. Die übergeordneten Instandsetzungsziele gemäß Gelbdruck, Teil 1, sind: a) Erfüllung der Grundanforderungen an das Bauwerk ([8], Teil 1, Absatz 4) b) Korrosionsschutz des Betons und der Bewehrung c) Sicherstellung der Beständigkeit des Instandsetzungssystems über die Nutzungsdauer d) Sicherstellung der Dauerhaftigkeit des Verbundes Instandsetzungssystem/ Untergrund über Adhäsions und/ oder Verankerung (siehe auch [8], Teil 1, Abschnitt 5.2) 10.1 Fiebrich.indd 445 15.01.20 23: 48 446 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 4: Vorhandene, planmäßige und erreichbare Restnutzungsdauer 2.2 Tiefgarage 2.2.1 Bauwerksdaten und Geschichte Die Tiefgarage ist in Stahlbetonbauweise (nominelles Baujahr 1966) erstellt und verfügt über insgesamt fünf Parkdeckebenen mit rd. 500 PKW-Einstellplätzen; Gesamtfläche rd. 11.000 m2.) Die Stahlbetonkonstruktion ist statisch unbestimmt. Die Vertikallasten werden sowohl über Einzelstützen mit Pilzkopfdeckenkonstruktion als auch über die Umfassungs- und Mittelwände aus Stahlbeton in den Baugrund eingetragen. Die Gründung erfolgt auf Streifen- und Einzelfundamenten. Das Bauwerk steht im Grundwasser, die Bodenplatte übernimmt keine wasserdruckhaltende Funktion. Das Grundwasser wird seit der Errichtung permanent abgepumpt. Es erfolgt kein hydrostatischer Druck von der Rückseite. Das Bauwerk ist in vier unterschiedliche Bauteile eingeteilt die in Querrichtung durch drei Bauwerksfugen voneinander getrennt sind. Das Parkhaus wird über eine zentrale Zu- und Abfahrt erschlossen, es ist überbaut (bis zu 6 Geschosse) wobei die Überbauung aus Büros, Gewerberäumen (Restaurants/ Geschäfte) sowie Wohnungen besteht. Die Planung erfolgte nach DIN 1045, Ausgabe November 1959. In den Bestandsbewehrungsplänen wird fallweise zu den verwendeten Baustoffgüten spezifiziert: Betonstahl IIIb, Beton B 300, Mindestzementgehalt 300 kg/ m³. 2.2.2 Ist-Zustand, Mindestsollzustand, erreichbare Restnutzungsdauer, Leistungsmerkmale und Anforderungen an Betonersatzprodukte Nach 34 Jahren wurde erstmalig eine Oberflächenschutzbeschichtung aufgetragen. 15 Jahre nach Applikation dieser Oberflächenschutzbeschichtung (OS 8 System) haben sich folgende Schadenserscheinungsformen auf den beschichteten Oberflächen eingestellt (hierzu Bilder 5 und 6): - Hohllieger in Beschichtungsflächen - Rissbildungen in der Beschichtung und den Betonflächen - Abplatzungen der Betondeckung und frei liegende Bewehrung an Deckenunterseiten - aufgerissene Beschichtung unter darunter liegendes bröseliges durch Korrosion strukturell geschädigtes Betongefüge. 10.1 Fiebrich.indd 446 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 447 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Die Ergebnisse zur Präzisierung des Instandsetzungskonzeptes und Instandsetzungsplans sind in Bild 7 zusammenfassend dargestellt und werden nachstehend stichwortartig erläutert. Ist-Zustand Die Deckenplattenoberseite wird für die Planung der Instandsetzung in die Expositionsklassen XC 3, XD 3 und XSTAT eingestuft ([8] Tabellen 4.2 und 4.3). Die Altbetonklasse wurde gemäß Tabelle 4.4 von [8] mit A 4 eingestuft. Bild 5 Boden Bild 6 Mindestsollzustand - planmäßige Restnutzungsdauer Aufgrund der Schäden und der Chloridkontamination ist keine vorhandene Restnutzungsdauer mehr verfügbar. Die planmäßige Restnutzungsdauer wurde in Abstimmung mit dem Bauherrn auf 30 Jahre begrenzt. Das gewählte Instandsetzungsprinzip gemäß Tabelle 5.2 (Bild 8) in [8] ist: - Wiederherstellung der Passivität durch Ersatz des chloridhaltigen Betons Das hier in Betracht gezogene Verfahren ist „Betonieren oder Vergießen“ (3.2) nach Tabelle 5.1(Bild 9) in [8] und wurde mit Vergussbeton umgesetzt. Aus dem Teil 1, Tabelle C2 in [8] wurde Vergussbeton der Schwindklasse SK VB 0 ausgewählt mit einer Mindestschichtdicke von 60 mm. Instandsetzungsplan Die Leistungsmerkmale für den Vergussbeton als auch die Anforderungen sind der Tabelle C2 in Teil 2 in [8] zu entnehmen, wobei als Eingangsgrößen die Expositionen gemäß Ist-Zustandsermittlung und die zughörige Altbetonklasse A4 gewählt wurden. Ergänzend wurden nach den Tabellen 5.4, 5.5 und 5.6 des Teils 1 in [8] die erforderliche Rautiefenklasse für das Untergrundvorbereitungsverfahren Höchstdruckwasserstrahlen präzisiert. 10.1 Fiebrich.indd 447 15.01.20 23: 48 448 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 7 Bild 8 10.1 Fiebrich.indd 448 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 449 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 9 Bild 10: Bewehrungsergänzung Bild 11: „Schwindbewehrung“ 2.3 Regenüberlaufbecken 2.3.1 Bauwerksdaten Das Regenüberlaufbecken in Stahlbetonbauweise ist im Jahre 1981 in Betrieb genommen worden. Die rechteckigen Grundrissmaße betragen 30,8 m x 20,8 m zuzüglich eines Notablaufes von 12,7 m x 1,9 m. Es besteht aus drei Segmentbauteilen - zwei Randsegmenten und einem Mittelsegment - von je rd. 10 m Breite und Länge 20,8 m. Die drei Segmente sind an ihren Stoßstellen mit einem innenliegenden Fugenband flüssigkeitsdicht miteinander verbunden. Die Außenwanddicke des Beckens beträgt 40 cm, die Dicke der Sohle beträgt 50 cm zuzüglich 10 cm Sauberkeitsschicht. Die Planung des Beckens erfolgte nach DIN 1045, Ausgabe 1978. 2.3.2 Ist-Zustand, Mindestsollzustand, erreichbare Restnutzungsdauer, Leistungsmerkmale und Anforderungen an Betonersatzprodukte Das präzisierte Instandsetzungskonzept und die Angaben zum Instandsetzungsplan sind zusammenfassend in Bild 12 wiedergegeben. 10.1 Fiebrich.indd 449 15.01.20 23: 48 450 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 12 Ist-Zustand Die Bauwerksuntersuchungen umfassten zerstörungsfreie Betondeckungsmessungen, Messungen zur Karbonatisierungstiefe, Druckfestigkeitsprüfungen an entnommenen Bohrkernproben, Prüfungen der Oberflächenzugfestigkeit sowie die Ermittlung von Restquer-schnitten ausgewählter freiliegender Stabstähle. Ausgewählte Erhaltungszustände sind auf den Bildern 13 bis 16 wiedergegeben. Man findet frei liegende Bewehrung mit zuvor abgeplatzter Betondeckung aufgrund der Depassivierung infolge Karbonatisierung. Ferner ist auffällig, dass sich die Klinkerplatten teilweise großflächig abgelöst haben, ebenso sind ausgeprägte Schäden im Bereich der Bauteilsegmentfugen registriert worden. Die Expositionsklassen sind: XC4, XF1, XF3, XM, XSTAT, XW2. Bei den Werten der Abreißzugfestigkeitsprüfungen werden erhebliche Streuungen festgestellt (Diagramm 1), die hier zugrunde gelegte Altbetonklasse (Betonklasse des Bestandsbetons) variiert je nach Bauteil zwischen A2 und A3. Bild 13: Rückhaltebecken Bild 14: Ausschnitt aus Bild 13 10.1 Fiebrich.indd 450 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 451 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 15: Trockenwetterbecken Bild 16: Ausschnitt aus Bild 15 Mindestsollzustand, Planmäßige Restnutzungsdauer, vorhandene Restnutzungsdauer Aus der Grenzzustandsbetrachtung ergibt sich eine vorhandene Restnutzungsdauer bezogen auf das Jahr 2019 von rd. 2 Jahren gemäß Diagramm 2. Die vom Bauherrn spezifizierte planmäßige Restnutzungsdauer ist mit 30 Jahren vorgegeben worden. Erreichbare Restnutzungsdauer, Instandsetzungsprinzip, Schichtdicke und Wahl des Betonersatzsystems Das für die Instandsetzung gewählte Instandsetzungsprinzip entsprechend Tabelle 5.2 (Bild 8) ist „Realkalisierung von karbonatisiertem Beton durch Diffusion.“ Dieses Prinzip ist umgesetzt worden durch das Verfahren 3.3 „Spritzauftrag“ gemäß Tabelle 5.1 (Bild 9). Der Spritzauftrag erfolgt nach entsprechendem Abtrag des Bestandsbetons von rd. 10 mm zur Gewährleistung einer ausreichenden Oberflächenzugfestigkeit. Als Betonersatz wurde Spritzmörtel (SRM: Sprayed Repair Mortar) mit einer Mindestschichtdicke von 20 mm entsprechend Tabelle C3 gemäß Teil 1 in [8] gewählt. Für die Altbetonklassen A2 und A3 wurde in Abhängigkeit von dem gewählten Verfahren 7.4 und der „Verbundvariante“ Adhäsion Betonersatz im Spritzauftrag (SRM, d ≤ 4 mm) gewählt (siehe hierzu Bild 17) Diagramm 1 10.1 Fiebrich.indd 451 15.01.20 23: 48 452 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Diagramm 2 Bild 17 10.1 Fiebrich.indd 452 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 453 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Leistungsmerkmale und Anforderungen gemäß Instandsetzungsplan Zur Spezifikation der Leistungsmerkmale und der zugehörigen Anforderungen kommt für das gewählte Betonersatzsystem (SRM) die Tabelle C6 gemäß Teil 2 in [8] in Frage. Die Eingangsgrößen für die Tabelle C6 sind die im Zuge der Ist-Zustandsaufnahme ermittelten Expositionen sowie die zugehörige Altbetonklasse (siehe hierzu Bild 21). Untergrundvorbereitung Entsprechend Tabellen 5.4 und 5.5 in [8] wurde die für den Betonersatz SRM vorgeschlagene Rautiefenklasse RT 1,0 spezifiziert. Als Untergrundvorbereitungsverfahren wurde Höchstdruckwasserstrahlen gemäß Tabelle 5.6 in [8] gewählt mit einer Mindestabtragsrate von 10 mm. Ausgewählte Teilflächenbereiche nach der Untergrundvorbereitung sind auf den Bildern 18, 19 und 20 wiedergegeben. Bild 18 Bild 19 Bild 20 Bild 18 10.1 Fiebrich.indd 453 15.0