Kolloquium Parkbauten
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2510-7763
expert verlag Tübingen
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Technische Akademie EsslingenreLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben
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Jürgen Feix
Johannes Lechner
Ein Großteil der in Deutschland erstellten Ingenieurbauwerke wurde in den 1950er bis 1970er Jahren errichtet und ist somit heute rund über 50 Jahre alt. Aus wirtschaftlichen Gründen und Gründen der Nachhaltigkeit sollen diese Bauten häufig weiterverwendet, vergrößert oder umgenutzt werden. Damit einhergehen meist eine Lasterhöhung auf das Tragwerk und geänderte Bemessungsansätze der Normung, wodurch eine Verstärkung des Tragwerks erforderlich wird. In vielen Fällen ergeben sich drastische Defizite an vorhandener Querkraft- bzw. Durchstanzbewehrung in bestehenden Stahlbetonbauten. Aus diesem Grund wurde in den vergangenen Jahren an der Universität Innsbruck ein neues Verfahren entwickelt, das auf der Verwendung von sogenannten Betonschrauben als nachträgliche Bewehrung beruht. Die aus der Verankerungstechnik bekannten Betonschrauben haben aufgrund ihres mechanischen Verbundes mit der existierenden Struktur ein sehr robustes Tragverhalten und können von einer Seite des Tragwerks installiert werden, wodurch sich große Vorteile hinsichtlich der Nutzung des Bauwerks während der Verstärkungsmaßnahme ergeben.
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9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 25 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben Jürgen Feix Universität Innsbruck, Innsbruck, Österreich Johannes Lechner Prof. Feix Ingenieure, München, Deutschland Zusammenfassung Ein Großteil der in Deutschland erstellten Ingenieurbauwerke wurde in den 1950er bis 1970er Jahren errichtet und ist somit heute rund über 50 Jahre alt. Aus wirtschaftlichen Gründen und Gründen der Nachhaltigkeit sollen diese Bauten häufig weiterverwendet, vergrößert oder umgenutzt werden. Damit einhergehen meist eine Lasterhöhung auf das Tragwerk und geänderte Bemessungsansätze der Normung, wodurch eine Verstärkung des Tragwerks erforderlich wird. In vielen Fällen ergeben sich drastische Defizite an vorhandener Querkraftbzw. Durchstanzbewehrung in bestehenden Stahlbetonbauten. Aus diesem Grund wurde in den vergangenen Jahren an der Universität Innsbruck ein neues Verfahren entwickelt, das auf der Verwendung von sogenannten Betonschrauben als nachträgliche Bewehrung beruht. Die aus der Verankerungstechnik bekannten Betonschrauben haben aufgrund ihres mechanischen Verbundes mit der existierenden Struktur ein sehr robustes Tragverhalten und können von einer Seite des Tragwerks installiert werden, wodurch sich große Vorteile hinsichtlich der Nutzung des Bauwerks während der Verstärkungsmaßnahme ergeben. 1. Einleitung Steigende Mobilität und die damit verbundene starke Zunahme der KFZ Neuzulassungen im mitteleuropäischen Raum in den letzten Jahrzehnten zum einen, aber auch die zunehmende Urbanisierung führt zu einem immer stärker zunehmenden Bedarf an Park- und Abstellflächen für Pkws und andere Kraftfahrzeuge. So zeigt die Abbildung 1 die zeitliche Entwicklung der zugelassenen Pkw in Deutschland. Seit dem Jahr 1980 hat sich die Zahl der Fahrzeuge entsprechend verdoppelt. Abbildung 1: Anzahl der zugelassenen Pkw in Deutschland, Daten aus [1] Gleichzeitig führt die zunehmende Urbanisierung in Deutschland zu steigenden Grundstückspreisen im innerstädtischen Raum und immer weniger werdenden Flächen, die für Parkraum und Parkbauten zur Verfügung stehen. Parallel mit der Zunahme der KFZ Zulassungen, nehmen auch die äußeren Abmessungen und Leergewichte der Fahrzeuge in den letzten Jahrzehnten immer mehr zu, wie die Entwicklung in Abbildung 2 zeigt. Bestehende Garagen und Stellplätze sind häufig nicht auf diese Anforderungen ausgelegt. Abbildung 2: Abmessungen und Gewicht der 50 am meisten gekauften Pkw in den Niederlanden, Daten aus [2] Vor diesem Hintergrund nimmt der Aus- und Umbau von bestehenden Parkgaragen und Parkhäusern immer mehr zu. So werden einerseits immer mehr Stellplätze benötigt, andererseits müssen die Abmessungen der Stellplätze, aber auch die Durchfahrtshöhen etc. an die Erbuch2.indb 25 13.01.20 15: 39 26 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben fordernisse der modernen KFZ angepasst werden. Häufig geschieht dies durch den Ausbau oder Umbau von bestehenden Parkgaragen. Im Zuge von größeren Umbau- und vor allem bei Ausbaumaßnahmen ist die statische Neubewertung der existierenden Struktur erforderlich. Aufgrund von geänderten Normenvorschriften hinsichtlich der Bemessungvon Stahlbetonstrukturen aber vor allem durch höhere Lasten beim Ausbau bestehender Tragwerke ist in den meisten Fällen die vorhandene Bewehrung in den Stahlbetontragwerken nicht ausreichend. Wie verschiedene Untersuchungen zeigen (vgl. [3] und [4]) haben sich in den letzten Jahrzehnten gerade die Bemessungsregeln der Schubtragfähigkeit in der Normung deutlich geändert. Dies führt bei der Nachrechnung von bestehenden Stahlbetonstrukturen sehr häufig zu einem Defizit an vorhandener Querkraftbewehrung in Form von Bügelbewehrung oder Schubaufbiegungen. 2. Betonschrauben als Verstärkungselement Um diese Defizite an vorhandener Querkraftbewehrung in bestehenden Strukturen auszugleichen braucht es innovative Verstärkungssysteme. Diese müssen nicht nur eine hohe Verstärkungswirkung bei geringem Einsatz an Verstärkungselementen aufweisen, sondern auch eine möglichst schnelle und einfache Installation ermöglichen. Der Einsatz von Betonschrauben als nachträgliche Querkraft- und Durchstanzverstärkung kann diese Erfordernisse erfüllen. Daher wurde in den vergangenen zehn Jahren an der Universität Innsbruck an diesem neuen Verstärkungssytem geforscht und in zahlreichen Versuchsserien anhand von Bauteilversuchen die Eignung der Schrauben als nachträgliche Bewehrung untersucht. Auf Basis dieser Untersuchungen wurden im September 2019 zwei bauaufsichtliche Zulassungen für das System durch das Deutsche Institut für Bautechnik erteilt. Die Zulassung Z-15.1-339 [5] regelt den Einsatz der Betonschrauben als nachträgliche Querkraftbewehrung, die Zulassung Z-15.1-340 den Einsatz als nachträgliche Durchstanzverstärkung. 2.1 Tragwirkung der Betonschrauben Betonschrauben sind seit Beginn der 1990er Jahre als Verankerungselement in Stahlbetonstrukturen bekannt und wurden in den vergangenen Jahren vermehrt eingesetzt. Ein großer Vorteil von Betonschrauben gegenüber anderen Ankermitteln sind die schnelle Installation und die sofortige Belastbarkeit, welche sich durch den mechanischen Verbund der Schraube mit der Betonstruktur ergibt. Betonschrauben werden in ein vorgebohrtes Loch mit entsprechendem Durchmesser eingedreht und schneiden sich dabei ein Gewinde in die Bohrlochwandung, wodurch eine Verzahnung mit dem Beton erzeugt wird. Damit ergibt sich eine kraftschlüssige Verbindung, die sofort belastet werden kann, wie in Abbildung 3 ersichtlich ist. Abbildung 3: Tragwirkung der Verbundankerschrauben als Kombination aus mechanischem und Klebeverbund Um die Tragfähigkeit der Betonschrauben weiter zu erhöhen, wurden die sogenannten Verbundankerschrauben entwickelt, bei denen ein Vinylesthermörtel vor dem Eindrehen der Schrauben in das Bohrloch injiziert wird. Damit wird der existierende Ringspalt zwischen Schraube und Beton verfüllt, was durch die größere Auflagefläche des Gewindes und den Klebeverbund (vgl. Abbildung 3) zu größeren Traglasten führt. Der Auszugswiderstand der Schrauben kann mittels Verklebung um etwa 40 % gesteigert werden, wie auch in [7] gezeigt wird. 2.2 Betonschrauben für die Tragwerksverstärkung Diese Verbundankerschrauben werden für den Einsatz als nachträgliche Querkraft- und Durchstanzverstärkung gemäß den Zulassungen verwendet. Für diesen Einsatz wurden die Schrauben etwas modifiziert, um den abgeänderten Anforderungen zu entsprechen. Während Betonschrauben als Ankermittel externe Lasten in die Struktur ableiten müssen, werden beim Einsatz als nachträgliche Bewehrung interne Kräfte der bestehenden Struktur aufgenommen und müssen wieder in der Struktur abgeleitet werden. Dementsprechend ist es erforderlich nicht nur Kräfte an der Schraubenspitze über das Verbundgewinde aufgenommen werden, sondern diese am anderen Ende der Schraube auch wieder abgeleitet werden. Dafür wird beim System reLAST eine Unterlegplatte mit einer Keilsicherungsfederscheibe und eine Mutter am ISO-Gewinde der Schraube an der Außenbuch2.indb 26 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 27 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben seite des Tragwerks angeordnet. Über die Mutter an der Außenseite ist es auch möglich eine Vorspannung in der Schraube durch Andrehen zu erzeugen. Diese Konfiguration ist in Abbildung 4 dargestellt, die die zugelassenen Typen der Betonschrauben als nachträgliche Querkraft- und Durchstanzverstärkung zeigt. Abbildung 4: Zugelassene Schraubentypen des Systems reLAST nach den Zulassungen Z-15.1-339 [5] und Z-15.1-340 [6] Wie die Abbildung 4 zeigt, sind die Schraubentypen TSM-22 und TSM-16, welche sich hinsichtlich des Bohrlochnenndurchmessers (d0 = 22 mm bzw. d0 = 16 mm) unterscheiden, zugelassen. Eine weitere Unterscheidung wird hinsichtlich des jeweiligen Anschlussgewindes, welches als genormtes ISO-Gewinde ausgeführt ist) vorgenommen. Die Länge der Schrauben kann an das jeweilige Verstärkungsprojekt angepasst werden und ist in den Zulassungen über die maximale Bohrlochtiefe (200 cm für die Querkraftverstärkung, 100 cm für die Durchstanzverstärkung) begrenzt. Bei Bohrungen über 170 mm für die TSM-16 bzw. 210 mm für die TSM-22 Schrauben sind Stufenbohrungen auszuführen, um das korrekte Eindrehen der Schrauben zu gewährleisten. Alle Schrauben des zugelassenen Systems werden aus Stahl mit einer charakteristischen Fließspannung von mindestens fyk = 500 MPa gefertigt und mit einem speziellen Korrosionsschutzsystem versehen. Dieser Schutz gewährleistet eine Korrosionsschutzklasse nach C5-I gemäß DIN EN ISO 12944-6. Der Einsatz des Verbundmörtels erhöht den Korrosionsschutz zusätzlich. 3. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Zulassung Vor einigen Jahren wurde an der Universität Innsbruck am Arbeitsbereich Massivbau und Brückenbau begonnen den Einsatz von Verbundankerschrauben als nachträgliche Bewehrung experimentell zu untersuchen. Dazu wurden drei Versuchsreihen an Stahlbetonbalken durchgeführt, um die Eignung der Schrauben als Querkraftverstärkung zu untersuchen, die Details des Versuchsaufbaus und der Versuchsergebnisse dieser Testreihen können z.B. [8] entnommen werden. Zeitgleich wurde in insgesamt vier Versuchsreihen an plattenförmigen Versuchskörpern die Möglichkeit der nachträglichen Durchstanzverstärkung untersucht. Im Zuge dieser Versuche konnte die Eignung des Systems in verschiedenen Konfigurationen nachgewiesen werden, wie auch in [9], [10], [12] und [13] gezeigt wird. Abbildung 5: Kraft-Verformungsdiagramme einiger durchgeführter Durchstanzversuche mit dem reLAST Verstärkungssystem und erzielte Traglaststeigerungen buch2.indb 27 13.01.20 15: 39 28 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben Abbildung 5 zeigt die Versuchsergebnisse einiger durchgeführter Durchstanzversuche mit den erzielten Traglaststeigerungen gegenüber Referenzversuchen ohne Durchstanzverstärkung. Es zeigt sich, dass je nach Konfiguration Traglaststeigerungen zwischen 20 % und 50 % erzielt werden konnten. 3.1 Versuche für die Erlangung der Zulassung Neben den bereits durchgeführten 29 Balkenversuchen mit Verbundankerschrauben als nachträgliche Querkraftbewehrung mussten für die Erlangung der Zulassung weitere experimentelle Untersuchungen, speziell an Platten durchgeführt werden. Die Versuchsergebnisse dieser Versuche sind unter anderem in [11] diskutiert. Abbildung 6: Versuchsergebnisse der durchgeführten Querkraftversuche an Plattenstreifen zur Erlangung der bauaufsichtlichen Zulassung Abbildung 6 zeigt die Querkraft-Verformungskurven der durchgeführten Versuche an Plattenstreifen mit einer Breite von 88 cm bei einer Höhe von 32 cm. Jede Platte war mit jeweils 12 Schrauben in verklebter Installation verstärkt, wobei der Schraubendurchmesser (TSM-22 und TSM-16) sowie die Installationstiefe variiert wurden. Die Installationstiefe wurde zum einen mit d = 29 cm so gewählt, dass die Spitze der Schraube auf Höhe der Oberkante der oberen Längsbewehrung lag, zum anderen mit d = 26 cm so, dass die Schraube unter der oberen Längsbewehrung lag. Die Versuchsergebnisse zeigen dementsprechend einen Einfluss der Verankerung unter oder auf Höhe der oberen Längsbewehrung, wie in Abbildung 6 ersichtlich ist. So liegt die erzielte Traglaststeigerung mit 90 % bei größerer Bohrlochtiefe deutlich über den erzielten 64 % Traglaststeigerung, wenn unter der oberen Längsbewehrung verankert wird. Nahezu identisch stellt sich dies bei Verwendung der Schrauben mit kleinerem Nenndurchmesser dar, wobei hier die erzielbaren Traglaststeigerungen generell mit 84 % bzw. 53 % generell etwas unter denen der Schrauben mit größerem Durchmesser liegen. 3.2 Bemessungskonzept Auf Basis der durchgeführten Versuche wurde sowohl für das System der Querkraftverstärkung als auch für die Durchstanzverstärkung ein Bemessungsmodell abgeleitet, welches in die Zulassung aufgenommen wurde. Beide Bemessungskonzepte basieren auf den Bemessungsmodellen des Eurocode 2 und somit auf der akutellen Normung für die Stahlbetonbemessung. Bei der Bemessung der erforderlichen Querkraftverstärkung wird das erweiterte Fachwerkmodell für die Bemessung von Betonstrukturen mit Querkraftbewehrung verwendet, wobei der nach Eurocode 2 variable Druckstrebenwinkel θ bei der Bemessung der Betonschraubenverstärkung mit θ = 45° fixiert wird. Ebenso wird der Winkel der Betonschrauben mit α = 90° gegenüber der Stablängsachse fest definiert. Der Nachweis der Betondruckstrebe V Rd.max des Fachwerkmodells erfolgt unter Berücksichtigung dieser beiden Winkel unverändert zu den Regelungen des EC 2. Der Nachweis der Zugstrebe, also der erforderlichen Verstärkung, erfolgt ebenfalls mit der Gleichung des Eurocode 2 bei Beachtung der beiden genannten Winkel. Allerdings wird anstelle des vollen Bemessungswerts der Streckgrenze der Querkraftbewehrung eine effektive Fließspannung der Schrauben f ywd.ef in der Bemessung verwendet. Da die Gleichung zur Ermittlung der Fließspannung aus den Versuchsergebnissen durch statistische Verfahren abgeleitet wurde, gehen darin über zwei Faktoren c 1 und c 2 der Schraubendurchmesser und die Verankerungstiefe ein, die einen wesentlichen Einfluss auf die Verstärkungswirkung haben, wie Abbildung 6 zeigt. Bei der Bemessung der Durchstanzverstärkung mit dem reLAST-System wird ebenfalls das Bemessungskonzept des Eurocode 2 verwendet. Bei Überschreiten des Durchstanzwiderstandes des Betons V Rd.c darf der Durchstanzwiderstand V Rd.cs bis zu einer Größe von 1.4 • V Rd.c mit Verbundankerschrauben gesteigert werden. Dafür wird ähnlich zur Querkraftverstärkung ein effektiver Bemessungswert der Streckgrenze der Durchstanzbewehrungselemente ermittelt, welcher ebenfalls auf den Ergebnissen der durchgeführten Durchstanzversuche basiert und unter anderem der Schraubendurchmesser einfließt. Neben den Gleichungen zur Ermittlung der notwendigen Verstärkungselemente geben die Zulassungen ebenfalls Regelungen zur konstruktiven Anordnung der Verstärkung an, welche zum einen auf den Versuchsergebnissen, aber auch auf den konstruktiven Regeln des Eurocode 2 basieren. buch2.indb 28 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 29 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben 4. Pilotprojekte an Parkbauten Mit Hilfe der Erkenntnisse aus den Versuchen und dem Bemessungsmodellen war es möglich erste Pilotprojekte erfolgreich umzusetzen und die Tragfähigkeit von bestehenden Tragwerken mit reLAST Schrauben zu erhöhen. Neben einigen Verstärkungen von Brückentragwerken wurden auch zwei Pilotprojekte an Parkbauten realisiert. 4.1 Parkhaus Flughafen Innsbruck Das Parkhaus am Flughafen in Innsbruck wurde als eine der ersten Bauten in Österreich mit vorgespannten Flachdecken nach dem Konzept der freien Spanngliedlage errichtet. Durch diese vorgespannten Flachdecken war es möglich große Spannweiten zu realisieren und die Stützen am vorderen Ende der Stellplätze anzuordnen. Wie die Abbildung 7 zeigt, spannt die Flachdecke einachsig von den seitlichen Stützen auf einen in der Mitte liegenden Unterzug. Aufgrund des Unterzuges und der damit verbundenen, geringen Durchfahrtshöhe in der Mitte des Parkhauses wurde die Verbindung der beiden Seiten des Parkhauses außerhalb über Rampen realisiert. Abbildung 7: Ansicht des Parkhauses am Flughafen Innsbruck Wegen der außenliegenden Verbindung der beiden Seiten des Parkhauses kam es bei geringer Besetzung immer wieder dazu, dass für Querungen der direkte Weg unter dem Unterzug hindurch gewählt wurde, wodurch es bei höheren Pkws immer wieder zu Schäden an den Fahrzeugen und dem Unterzug kam. Dementsprechend entschied der Betreiber weitere Durchfahrten in der Mitte des Parkhauses nachträglich zu ermöglichen und dafür die Höhe des bestehenden Unterzugs zu verringern, um die notwendige Durchfahrtshöhe zu erhalten. Für die Verringerung der Höhe des Unterzuges wurde in einem ersten Schritt der Bereich um den Unterzug mittels Bauhilfsstützen unterstellt, um den Unterzug zu entlasten. Anschließend wurde der Unterzug bis zur Unterkante der Platte mittels Hochdruckwasserstrahlen abgetragen und die vorhandene Bewehrung freigelegt, wie die Abbildung 8 zeigt. Um die Tragfähigkeit bei geringerer Bauteilhöhe aufrechtzuerhalten wurde anschließend zusätzliche Biegebewehrung ergänzt und die vorhandene Bügelbewehrung in der Höhe angepasst und die Bügel über Verschweißen wieder geschlossen, siehe auch Abbildung 8. Abbildung 8: Freigelegte und ergänzte Bewehrung des Unterzuges mit nachträglich eingebauten Betonschrauben als ergänzende Querkraftbewehrung vor der Reprofilierung mit Spritzbeton Da die geringere Höhe des Unterzuges auch Auswirkungen auf die Querkrafttragfähigkeit hat war die statische erforderliche Querkraftbewehrung durch die vorhandenen Bügel nicht mehr gewährleistet. Aus diesem Grund wurde mittels nachträglich eingebohrter Verbunankerschrauben vom Typ reLAST die Querkraftbewehrung ergänzt, die auch in der Abbildung 8 ersichtlich sind. Durch den Einbau der Betonschrauben von der Unterseite konnte unter Zuhilfenahme der Bauhilfsstützen der Einbau der Verstärkung unter laufendem Betrieb erfolgen, wobei lediglich ein kleiner Bereich des Parkhauses um den betreffenden Unterzug gesperrt werden musste. Ein aufwändiger Abtrag des Bodenbelages auf der Flachdecke konnte durch den Einbau von unten vermieden werden. Nach dem Einbau der Verstärkung wurde der Unterzug mittels Spritzbeton reprofiliert. Die Rückverankerung der Schrauben wurde dabei innerhalb des neuen Unterzugs angeordnet, um die Durchfahrtshöhe weiter zu vergrößern und einen wirkungsvollen Korrosions- und Brandschutz zu erhalten. buch2.indb 29 13.01.20 15: 39 30 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben 4.2 P+R Haus Harburg Die Park & Ride-Anlage in Harburg bei Hamburg soll zur Steigerung der Kapazität um ein Stockwerk erhöht werden. Dazu wird eine neue Stahlstruktur auf die bestehende Stahlbetonstruktur errichtet, was zu einer Lasterhöhung auf das bestehende Tragwerk führt. Dieses besteht zum einen aus einem dreihüftigen Stahlbetonrahmen über 4 Geschoße und einen daran angebauten zweihüftigen Stahlbetonrahmen über 3 Geschoße, welcher um eine halbe Geschoßhöhe versetzt ist. Aufgrund der Lasterhöhung im Bestandstragwerk ergeben sich auch höhere Querkräfte in den Rahmenstielen. Die darin angeordnete Bügelbewehrung reicht zur Aufnahme dieser Kräfte nicht mehr aus, wodurch eine Verstärkung erforderlich wird. Aufgrund der beiden direkt nebeneinander errichteten Rahmenkonstruktionen sind nicht alle Rahmenstiele von beiden Seiten zugänglich wodurch der Einbau der Verstärkung von einer Seite erfolgen muss. Daher wird die Verstärkung in den bis zu einen Meter dicken Rahmenstielen mit entsprechend langen reLAST Verbundankerschrauben realisiert, wie die Abbildung 9 zeigt. Abbildung 9: geplante Verstärkung der Rahmenstiele des Parkhauses P+R Harburg mit reLAST Verbundankerschrauben Wie die Abbildung 9 zeigt, soll die Verstärkung zwischen der vorhandenen Längsbewehrung erfolgen. Dazu wird mittels zerstörungsfreier Prüfverfahren vor Beginn der Bohrungen die vorhandene Bewehrung detektiert und am Tragwerk angezeichnet, um die Bohrpunkte entsprechend anpassen zu können. Aufgrund der verschiedenen Geometrien der Rahmenstiele und den unterschiedlichen Querkraftbeanspruchungen in den Stielen war es im Zuge der Planung erforderlich die Verstärkung für jeden Stiel individuell zu bemessen und anzupassen, um ein möglichst wirtschaftliches Verstärkungssystem zu erzielen. Abbildung 10: erstellte Bohrlöcher in einem Rahmenstiel unter Aufrechterhaltung der Nutzung des Parkhauses Abbildung 10 zeigt die detektierte und angezeichnete Bewehrung an einem Rahmenstiel und einige der bereits erstellten Bohrlöcher vor dem Einbau der Verbundankerschrauben. Wie in der Abbildung ebenfalls ersichtlich ist, kann der Einbau des Systems unter fortlaufender Nutzung des Tragwerks erfolgen, da nur einzelne Bereiche rund um die zu verstärkenden Bauteile abgesperrt werden müssen. 5. Zusammenfassung Seit Anfang September 2019 sind die reLAST Verbundankerschrauben als nachträgliche Querkraft- und Druchstanzbewehrung durch das Deutsche Institut für Bautechnik zugelassen. Dem gingen jahrelange wissenschaftliche buch2.indb 30 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 31 reLAST - Bauwerksverstärkung mit Betonschrauben Untersuchungen und zahlreiche Bauteilversuche an der Universität Innsbruck voraus. Diese Versuche zeigten, dass mit Hilfe der nachträglich eingebauten Betonschrauben die Traglasten gegenüber Referenzversuchen ohne Schubbewehrung um bis zu 100 % bei Querkraftverstärkung und um bis zu 50 % bei Durchstanzverstärkung gesteigert werden können. Auf Basis der Versuchsergebnisse wurden anschließend Bemessungskonzepte abgeleitet, die auf den Bemessungsmodellen des Eurocode 2 und somit auf der aktuellen Normung basieren. Diese Bemessungskonzepte, die nun auch in den Zulassungen enthalten sind, ermöglichen dem planenden Ingenieur eine einfache Dimensionierung der Verstärkung mit Hilfe der bekannten Gleichungen der Normung. Wie zahlreiche durchgeführte Pilotprojekte gezeigt haben, liegt der große Vorteil der nachträglichen Verstärkung mit reLAST Verbundankerschrauben in der einfachen Installation und sofortigen Belastbarkeit der Schrauben. Das Verstärkungssystem kann aufgrund der Tragwirkung auf dem Prinzip des Hinterschnitts über das Verbundgewinde im Bohrloch von einer Seite in die zu verstärkende Struktur eingebaut werden. Damit entfällt der Abtrag von Fußboden- oder Fahrbahnaufbauten auf der Oberseite des Tragwerks, welche bei anderen Verstärkungssystemen oftmals notwendig ist. Damit kann die Verstärkung unter laufendem Betrieb durchgeführt werden, wobei lediglich kleine Bereiche für den Einbau der Verbundankerschrauben gesperrt werden müssen, wie die beiden exemplarisch gezeigten Pilotprojekte beweisen. Das neue System der Tragwerksverstärkung mit reLAST Betonschrauben zeichnet sich somit durch die einfache und schnelle Installation während des laufenden Betriebs des Tragwerks aus. Literatur [1] Kraftfahrt-Bundesamt, Bestand in den Jahren 1960 bis 2019 nach Fahrzeugklasse, https: / / www.kba.de/ DE/ Statistik/ Fahrzeuge/ Bestand/ Fahrzeugklassen- Aufbauarten/ b_fzkl_zeitreihe.html, abgerufen am 21.10.2019 [2] BOVAG-RAI Mobiliteit, Mobiliteit in Cijfers, Auto’s 2019-2020, Amsterdam, 2019 [3] G. Schacht, L. Müller, M. Curbach, und S. Marx, „Schubbruchgefahr von hochbautypischen Stahlbetonplattentragwerken“, Beton- und Stahlbetonbau, Bd. 108, Nr. 9, S. 592-602, 2013. [4] O. Fischer, A. Müller, T. Lechner, M. Wild, und K. Kessner, „Ergebnisse und Erkenntnisse zu durchgeführten Nachrechnungen von Betonbrücken in Deutschland“, Beton- und Stahlbetonbau, Bd. 109, Nr. 2, S. 107-127, 2014. [5] Deutsches Institut für Bautechnik, Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung / Allgemeine Bauartgenehmigung Z-15.1-339, TOGE TSM BC SB reLAST für die Querkraftverstärkung, September 219 [6] Deutsches Institut für Bautechnik, Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung / Allgemeine Bauartgenehmigung Z-15.1-340, TOGE TSM BC SB reLAST für die Durchstanzverstärkung, September 219 [7] J. Lechner, N. Fleischhacker, C. Waltl, und J. Feix, „Zum Verbundverhalten von Betonschraubdübeln mit großem Durchmesser“, Beton- und Stahlbetonbau, Bd. 112, Nr. 9, S. 589-600, 2017. [8] J. Lechner, „Ein neues Verfahren zur nachträglichen Querkraftverstärkung von Stahlbetonbauteilen“, Dissertation, Universität Innsbruck, 2017. [9] R. Walkner, M. Spiegl, und J. Feix, „Innovative Durchstanzertüchtigung von Plattenbrücken mittels Betonschrauben“ Technischer Abschlussbericht zum VIF-Projekt „InnovDstanzSchrauben“, Innsbruck, 2017. [10] R. Walkner, M. Spiegl, und J. Feix, „Folgeversuche zum Forschungsprojekt ‚Innovative Durchstanzertüchtigung von Plattenbrücken mittels Betonschrauben“ Technischer Abschlussbericht zum Forschungsprojekt „Durchstanzen 2“, Innsbruck, 2019. [11] J. Lechner, J. Feix, und R. Hertle, „Strengthening of a City Center Tunnel with Concrete Screw Anchors under Special Boundary Conditions“, in 20th Congress of IABSE, 2019, S. 1493-1502 [12] J. Feix, J. Lechner, R. Walkner, und M. Spiegl, „Betonschrauben als Querkraftverstärkung für dynamisch belastete Betonbauteile“, in 3. Grazer Betonkolloqium, 2016, S. 65-73 [13] J. Feix, P. Wörle, und A. Gerhard, „Ein neuer Ansatz zur Steigerung der Durchstanztragfähigkeit bestehender Stahlbetonbauteile“, Beton- und Stahlbetonbau, Bd. 87, Nr. 4, S. 149-155, 2012 buch2.indb 31 13.01.20 15: 39