eJournals Kolloquium Parkbauten 9/1

Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
0201
2020
91 Technische Akademie Esslingen

Objektbericht PH Karstadt Bielefeld

0201
2020
Detlef Koch
Björn Neuberger
Im Zuge der Sanierung des Karstadt-Parkhauses in Bielefeld sollte einerseits die statische Tragfähigkeit sichergestellt, andererseits das Gebäude mit einem kathodischen Korrosionsschutzsystem geschützt werden. Dazu wurde ein von der Koch GmbH entwickelter KKS-Carbonbeton verwendet, der die Kombination beider Ansprüche verbindet.
kpb910065
9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 65 Objektbericht PH Karstadt Bielefeld Detlef Koch Koch GmbH, Kreuztal, Deutschland Björn Neuberger Koch GmbH, Kreuztal, Deutschland Zusammenfassung Im Zuge der Sanierung des Karstadt-Parkhauses in Bielefeld sollte einerseits die statische Tragfähigkeit sichergestellt, andererseits das Gebäude mit einem kathodischen Korrosionsschutzsystem geschützt werden. Dazu wurde ein von der Koch GmbH entwickelter KKS-Carbonbeton verwendet, der die Kombination beider Ansprüche verbindet. 1. Bauwerk Das Parkhaus Karstadt in Bielefeld zählt mit 675 Stellplätzen zu den größten Parkhäusern der Stadt. Es wurde 1965 in Stahlbetonbauweise erbaut und besitzt neun Parkebenen, die mit Rampen verbunden sind. Die Bruttogesamtfläche beträgt in etwa 19.000 m² bei einer geringen Durchfahrtshöhe von 1,80 m. Besonders ist auch, dass auf Grund der hohen Frequentierung eine durchgehende Öffnungszeit an allen Tagen der Woche gegeben ist und der Wunsch des Betreibers besteht, maximal 40 % der gesamten Stellplätze gleichzeitig zu sperren. Auf der Ortbetonfläche wurde im Zuge früherer Instandsetzungen ein Gussasphaltestrich mit einer Dicke von 3-8 cm appliziert und bei einer nochmals späteren Sanierung beschichtet. Abbildung 1 Ausbruch im Bereich des Stützenanschlusses 1.1 Schäden und Ursachen Über das gesamte Bauwerk waren Risse und Abplatzungen (z. B. Abb. 1) vorhanden, wodurch bereits eine kritische Menge an Schadstoffen (v. a. Chloride) in das Bauwerk eindringen konnten. Die oberste Bewehrungslage der Decken, Stützen und Wänden war bereits stark durch Korrosion geschädigt (Abbildung 2-4). Dabei lag oftmals Lochfraßkorrosion vor. Abbildung 2 Geschädigter Bereich eines Stützensockels buch2.indb 65 13.01.20 15: 39 66 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Objektbericht PH Karstadt Bielefeld Abbildung 3 Stark korrodierter im Bereich einer Stütze Abbildung 4 Flächige Korrosion im Durchstanzbereich In den Durchstanzbereichen der Stützen (Abbildung 4) und den Wandanschlüssen entstand durch Unterläufigkeit des hohlliegenden Gussasphaltestrichs flächige Korrosion der Mattenbewehrung. 2. Instandsetzungskonzept Der Bauherr und Betreiber (Q-Park, Grevenbroich) entschied sich für ein bedarfsgerechtes Sanierungskonzept, welches die Instandsetzung der Decken-, Boden- und Wandflächen bei laufendem Betrieb mit minimaler Störung ermöglichte. Ohne noch schwerwiegendere Eingriffe in die Bauwerkssubstanz, sollte in kurzer Zeit ein kathodischer Korrosionsschutz (KKS) installiert werden, der die bereits entstandenen Querschnittsverluste kompensierte, dass Bauwerk aussteifte und im Rissbereich zu einer vielfachen Rissverteilung führte. Dafür wurde der vorhandene Gussasphalt inkl. Bodenbeschichtung auf der gesamten Fläche entfernt und ein Carbongelege zur Ertüchtigung gewählt. Das Gelege (Abb. 6) wurde zusätzlich als KKS-Anode eingesetzt, um den Schutz der oberen Bewehrung vor Korrosion zu gewährleisten. Die Reprofilierung bzw. das Einbetten erfolgte dabei in einem für den KKS geeigneten PPC-I-M3 Mörtel. Abbildung 5 MMO-Titanbandanoden im Stütz- und Sockelbereich In Bereichen, in denen ein hoher Bewehrungsgrad vorhanden war (Plattenoberseite in Stützenbereichen (Abb. 6), Wandsockeln (Abb. 5) und Überzüge) kam ein MMO-beschichtetes Titananodenband als Anode für den KKS zum Einsatz. Zusätzlich wurden die Decken im Bereich der Stützen und entlang der Bauwerksfugen durch Bewehrungsergänzungen verstärkt. Dabei erwiesen sich sowohl GFK-Bewehrung in Bereichen mit Kurzschlussgefahr, als auch konventionelle Stabstahlbewehrung als besonders wirtschaftlich und effektiv. Die Glasfaserverbundbewehrung wurde in Bereichen mit geringer Betondeckung zur Einhaltung des Abstands zwischen Anode und Bewehrung (Kathode) eingesetzt, da sowohl das KKS-Carbongelege als auch die Titan-Bandanoden direkt auf dem Bestandsbeton verlegt wurden. Abbildung 6 Kombination der verschiedenen Anodenmaterialien (Carbon in Feldmitte, Titan im Stützenbereich) Das Bauwerk wurde zusätzlich mittels starrer Beschichtung (OS 8) langfristig abgedichtet und vor Verschleiß geschützt (Abbildung 7, 8). buch2.indb 66 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 67 Objektbericht PH Karstadt Bielefeld Abbildung 7 Beschichtete Oberfläche Abbildung 8 Fertige Parkebene 2.1 Carbonbeton Bei der Herstellung von Carbongelegen wird zuerst eine Vielzahl von einzelnen Carbonfilamenten mit einer Schlichte versehen und durch bündeln zu Rovings mit bis zu 50.000 Einzelfilamenten verarbeitet. Über spezielle Maschinen werden anschließend die individuellen Bewehrungsstrukturen gelegt und vernäht. Abschließend werden diese Gelege mit einer Tränkung versehen. Typische Maschenweiten können so zwischen 8 und 23 mm rechteckig oder quadratisch variiert werden. Die spezifischen Gewichte der entstehenden Armierungsgelege reichen dabei typischerweise zwischen 310 und 650 g/ m², wobei Flächenquerschnitte von 30-142 mm²/ m erzielt werden. [1] Durch anwendungsbezogene Tränkungen und Oberflächenmodifikation erhöhen sich der Verbund zu Mörtel-/ Betonmatrix, sowie die ausnutzbare Zugfestigkeit um ein Vielfaches. Dies kann sich zudem günstig auf die Rissanzahl bzw. Rissabstand und Rissbreiten auswirken (v. a. bei besandeten Gelegen). [2] Die Vorteile von Carbonbeton gegenüber Stahlbeton sind vielfältig. So ist das verwendete Carbon beispielsweise korrosions- und oxidationsbeständig. Auch mechanisch hebt sich Carbon vor allem durch eine deutlich höhere Zugfestigkeit (1700-4000 N/ mm²) von Stahl-, Glasfaser- oder Basaltbewehrungen ab. Der gute Verbund, sowie die hohe Beständigkeit gegenüber chemischen Einwirkungen ermöglichen deutlich geringere Betondeckungen, wodurch zusätzliche Materialeinsparungen möglich sind. Die gängigsten Einbettmaterialien sind zementgebundene Mörtel und Feinbetone. Aber auch Fließbeschichtungen, sowie kunststoffmodifizierte Zementprodukte, kommen immer häufiger zum Einsatz. Dabei können auch elastische Lösung konzipiert werden, die entweder großflächig den Boden verstärken und abdichteten oder kleinere Bereiche wie Risse oder Fugen schützten. [3] 2.2 KKS Beim kathodischen Korrosionsschutz wird durch Einleitung eines Gleichstromes der Korrosionsvorgang von un- oder niedriglegierten Stählen (Betonstahl) in einem ausgedehnten Elektrolyten (Beton) elektrisch beeinflusst. [4] Durch den Gleichstrom findet eine Verschiebung des elektrochemischen Potentials des zu schützenden Metalls in negative Richtung statt. Die Metalloberfläche wird dabei kathodisch polarisiert und die schädigende Korrosion unterbunden. Der Schutzstrom wird durch eine dauerhafte und korrosionsresistente Anode (z.B. MMO-Titan oder Carbon) an den Beton angekoppelt und an den Pluspol eines als Spannungsquelle dienenden Gleichrichters angebracht. Der Minuspol wird an die zu schützende Bewehrung angeschlossen. [4] Auf Grund der vorhandenen Gleichspannung wird der zu schützende Stahl kathodisch polarisiert und die Korrosion bei geeignetem Schutzstrom auf ein Minimum reduziert. 2.3 KKS - Carbonbeton Das Carbonbetonsystem wird nach Abbildung 9 aufgebaut und direkt auf die vorbereiteten Betonoberflächen aufgebracht. Dabei wird ein speziell modifiziertes Carbongelege mit einem KKS-geeigneten Einbettmörtel eingebracht. [5] Mechanische Kennwerte wie E-Modul, Druck- und Biegezugfestigkeiten etc. sind dabei auf den speziellen Anwendungsfall angepasst. Die Polarisation im KKS-Carbonbeton gelingt, indem die Bewehrung des Stahlbetons buch2.indb 67 13.01.20 15: 39 68 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Objektbericht PH Karstadt Bielefeld an den Minuspol einer Gleichstromquelle angeschlossen wird, bei gleichzeitiger anodischer (Pluspol) Schaltung des Carbongeleges. Eine Stromeinspeisung erfolgt dabei über MMO-beschichtete Titanbänder. Diese dienen dabei als Primäranode. [5] Abbildung 9 Aufbau des KKS-Carbonbetons [5] 3. Zustimmung im Einzelfall Im Rahmen dieses Instandsetzungsprojektes wurde die erste Zustimmung im Einzelfall für den KKS-Carbonbeton erfolgreich erlangt. Dazu wurden die Ergebnisse einer Vielzahl an Untersuchungen und Gutachten herangezogen und analysiert. 3.1 Gutachten Corr-less Die CORR-LESS Isecke & Eichler Consulting GmbH & Co. KG wurde beauftragt, eine gutachtliche Stellungnahme zur Verwendbarkeit von Carbontextilien für den kathodischen Korrosionsschutz zu verfassen. Für die gutachtliche Stellungnahme wurde u. a. ein KKS-System, welches bereits seit 2012 erfolgreich betrieben wird, untersucht. Des Weiteren wurde diese Auswertung für Schwimmbad Projekt im Jahr 2017 angewandt. Das Gutachten verlief dabei positiv. [6] 3.2 Dauerstandsversuche KKS-Carbonbeton In Anlehnung an die bauaufsichtliche Zulassung des Tudalit Textilbetons wurden vielfältige, mechanische Untersuchungen an der TU Dresden durchgeführt. Dazu zählen vor allem Tastversuche zur Ermittlung der Eigenschaften im Verbundsystem, sowie Dauerstandsversuche unter Strom. Das Ergebnis der Untersuchungen bestätigt, dass die ermittelten Verbundfestigkeiten für den Anwendungsbereich der Instandsetzung von Parkbauten gut geeignet sind und ein zusätzlicher Einfluss der Bestromung auf die Tragfähigkeit der Materialien (Carbon und Beton) nicht feststellbar ist. Die Materialkombination erfüllt die geltenden statischen Anforderungen. 3.3 Dauerhaftigkeit von Carbon als KKS-Anode Im Rahmen einer Dissertation am Institut für Bauforschung, Bauwerkserhaltung und Polymerkomposite (Ibac) der RWTH-Aachen wurde die Dauerhaftigkeit von Carbonanoden in KKS-Systemen untersucht. Dazu wurden unter anderem nasschemische als auch betontechnologische Versuche zu Abbauprodukten unter Bestromung durchgeführt. Dabei konnten trotz starker Beaufschlagungen mit Strom keine nachteiligen Folgen für den KKS und die statische Tragfähigkeit beobachtet werden. [7] 4. 4. Fazit Am Parkhaus Karstadt in Bielefeld konnten die Vorteile von Kombinationen aus konventioneller und innovativer Instandsetzungen beobachtet werden. Durch das in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro plan² hallmann | partner (Lünen) erarbeitete Instandsetzungskonzept konnten Wirtschaftlichkeit (Kosteneinsparungen, Bauzeitverkürzung, Langlebigkeit) und Effektivität (hoher Verstärkungsgrad, dauerhafter Schutz, Minimalinvasivität, Baustellenlogistik) ideal miteinander kombiniert werden. Dabei zeigt sich, dass Carbonbeton eine der vielversprechendsten Innovationen für die Instandsetzung ist. Die KKS-Ausführung ist für vielfältige Problemstellungen der chloridinduzierten Korrosion eine wirtschaftliche und schnelle Lösung. Carbonbeton lässt sich als sehr dünnschichtige Lösung individuell auf “Problemzonen“ anwenden. Auch im Vergleich zu anderen KKS-Systemen bietet die Verwendung von Carbonbeton eine kostengünstige Alternative zu konventionellen Instandsetzungen mit KKS. Grenzen werden dem KKS-System bei sehr großen Stahloberflächen und trockenem Beton aufgezeigt. Hier sollte, wie auch im beschriebenen Objekt, weiterhin Titan als Anode zum Einsatz kommen. Ein wesentlicher Vorteil einer Anode aus Carbongelege liegt vor allem darin, dass durch die sehr große Oberfläche und die leichte Polarisierbarkeit Probleme anodische Ansäuerungen, wie sie bei Bandanoden häufiger Vorkommen, fast auszuschließen sind. Unter vorsichtiger Einhaltung seiner elektrischen, mechanischen und statischen Grenzen ist der Carbonbeton eine ideale Ergänzung in der Betoninstandsetzung von Parkbauten. buch2.indb 68 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 69 Objektbericht PH Karstadt Bielefeld Literaturverzeichnis [1] C. Kulas, Zum Tragverhalten getränkter textiler Bewehrungselemente für Betonbauteile, RWTH Aachen: Dissertation, 2013. [2] D. Koch und B. Neuberger, Der Zukunftspreis in Parbauten, Esslingen: Tagungsband Parkbauten, TAE, 2017. [3] D. Koch und B. Neuberger, „Neue Anwendungsmöglichkeiten für Carbonbeton in der Betoninstandsetzung,“ Der Bausachverständige, Nr. 5, 2019. [4] W. Beckmann und W. Schwenk, Handbuch des Kathodischen Korrosionsschutz, 1999. [5] A. Asgharzadeh, M.Raupach, D.Koch und M. Mahjoori, kathodischer Korrosionsschutz für Parkbauten mit carbontextilbewehrtem Spezialmörtel, 2016. [6] T. Eichler, „Gutachtliche Stellungnahme zur Verwendbarkeit von Materialien für den kathodischen Korrosionsschutz im Rahmen der Instandsetzung des PH in der Elsa-Brandström-Str. in Bielefeld,“ Isecke & Eichler Consulting, 2017. [7] A. Asgharzadeh, Durability of Polymer Impregnated Carbon Textiles as CP Anode for Reinforced Concrete, RWTH Aachen, Dissertation, 2019. buch2.indb 69 13.01.20 15: 39