Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
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Technische Akademie EsslingenBauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking
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Richard Heierli
In einer vierstöckigen Tiefgarage der Zürcher Innenstadt werden die befahrbaren Flächen der drei oberen Geschosse mit dem kathodischen Korrosionsschutz (nachfolgend „KKS“) versehen, obwohl die Stahlbetonkonstruktion keine nennenswerten Schäden aufweist. Damit soll für die Zukuft chloridinduzierte Korrosion vermieden werden. Es werden die Hintergründe und Erfahrungen dieses Vorgehens dargelegt. Die Parkebenen werden mit Titananodenbändern versehen, welche in eingefräste Schlitze an der Oberfläche verlegt werden. Bei den Rampen werden Stabanoden von der Untersicht her eingebracht. Die Arbeiten wurden einem Totalunternehmer vergeben, wie auch der ursprüngliche Bau. Es wird auch über Baumängel und Unvorhergesehenes berichtet. Das City Parking wird aber in technischer, wirtschaftlicher und ästhetischer Hinsicht ausserordentlich positiv beurteilt.
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9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 99 Bauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking Prof. Richard Heierli City Parkhaus AG, Zürich Zusammenfassung In einer vierstöckigen Tiefgarage der Zürcher Innenstadt werden die befahrbaren Flächen der drei oberen Geschosse mit dem kathodischen Korrosionsschutz (nachfolgend „KKS“) versehen, obwohl die Stahlbetonkonstruktion keine nennenswerten Schäden aufweist. Damit soll für die Zukunft chloridinduzierte Korrosion vermieden werden. Es werden die Hintergründe und Erfahrungen dieses Vorgehens dargelegt. Die Parkebenen werden mit Titananodenbändern versehen, welche in eingefräste Schlitze an der Oberfläche verlegt werden. Bei den Rampen werden Stabanoden von der Untersicht her eingebracht. Die Arbeiten wurden einem Totalunternehmer vergeben, wie auch der ursprüngliche Bau. Es wird auch über Baumängel und Unvorhergesehenes berichtet. Das City Parking wird aber in technischer, wirtschaftlicher und ästhetischer Hinsicht ausserordentlich positiv beurteilt. 1. Kathodischer Korrosionsschutz 1.1 Wie kam es zum Entscheid für den KKS? Nach fünfzehnjähriger Betriebszeit schützen wir die Parkebenen und Rampen des City Parkings in Zürich kathodisch, obwohl der Stahlbeton keine sichtbaren Schäden aufweist. Warum? Zehn Jahre nach Betriebsaufnahme wurde der Zustand untersucht. Das Bauwerk schien intakt, für die Zukunft wurden aber Risiken diagnostiziert. Sie können mit dem kathodischen Korrosionsschutz auf ein vernach-lässigbares Mass beschränkt werden. Das ist zwar teuer, macht aber Reparaturen und Betriebs-einschränkungen in den nächsten Jahrzehnten äusserst unwahrscheinlich und ist deshalb wirtschaftlich. Hätte man den KKS schon beim Bau vorgesehen, so wäre viel Geld gespart worden. Ende der Neunzigerjahre haben wir bei der Pro-jektierung als Schutz der Parkebenen vor chloridindu-zierter Bewehrungskorrosion eine rissüberbrückende Parkdeckbeschichtung gewählt, etwa des Typs OS 11b. Nach meiner Erinnerung war der KKS damals in der Schweiz nur bei Gleichstrombahnen und Gasleitungen aktuell. Erste Versuche mit dem KKS bei Chlorid-einwirkung gab es an der Gotthardroute an einem Bauteil einer Brücke und an einem Portal des Strassen-tunnels. Bei Parkbauten war der KKS noch nie ange-wendet worden. Auch ich selbst kannte den KKS als Massnahme gegen chloridinduzierte Bewehrungs-korrosion nicht, trotz meiner vielen Erfahrungen bei Brückensanierungen, die ich während Jahren ge-sammelt hatte als Stadtingenieur, also als Chef des Tiefbauamtes der Stadt Zürich. 1997 bin ich altershalber in den Ruhestand getreten, aber bis heute Vorsitzender der Baukommission der City Parkhaus AG geblieben. Diese Baukommission ist gemeint, wenn ich „wir“ sage. Ihr sind vom Ver-waltungsrat weitgehende technische und finanzielle Befugnisse übertragen worden. Sie ist ein Dreier-gremium, bestehend aus dem Vertreter der Stadt im Verwaltungsrat, also meinem Nachfolger im Amt, dem Geschäftsführer der Gesellschaft und mir selbst. Als Experten ziehen wir seit einigen Jahren den Leiter der Fachstelle für Bauwerkserhaltung an der Fachhoch-schule Rapperswil bei. Das Parking wurde 2002 bis 2004 erstellt. Es hat sich ausserordentlich gut bewährt, was ich in meiner Schlussbemerkung noch kurz kommentieren werde. Es gibt nur kleine Einschränkungen, die später noch zu diskutieren sind. Jedenfalls präsentieren sich die befahrenen Flächen bisher einwandfrei, es sind kaum Gebrauchsspuren zu sehen. An der Untersicht der Decken kann man zwar bei genauem Hinsehen gewisse Fehlstellen im Beton erkennen. Sie waren aber in keinem Falle wasserführend. Der Kunststoffbelag schien also seine Funktion vollständig zu erfüllen. Allerdings stellte man bereits vor ein paar Jahren im Stützenbereich an der Oberfläche der Kunststoff-deckschicht feine Risse fest. Eine nach 10 Betriebsjahren durchgeführte Zustands-untersuchung ergab zunächst kaum relevante Bau-werksschäden, liess aber Fragen offen. Vertiefte Abklärungen mit verschiedenen Methoden zeigten, dass die rissüberbrückende Parkdeckbeschichtung ihre Funktion weit überwiegend, aber eben nicht hundertprozentig erfüllt hat. Bohrproben ergaben an gewissen Orten nicht unbeträchtliche Chloridkon-zentrationen. An Stellen, die als besonders kritisch beurteilt wurden, hat man deshalb die Bewehrung freigelegt. In einem einzigen Falle war buch2.indb 99 13.01.20 15: 39 100 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Bauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking Korrosion bereits eingetreten, der Querschnittsverlust belief sich auf etwa einen Zehntel, in einem andern Fall war der Stahl ganz leicht angerostet. Beide Fälle waren statisch ohne Bedeutung. Es war somit nicht dringlich, Massnahmen zu ergreifen. Zunächst haben wir uns auf das konventionelle Verfahren zur Sanierung der Risse konzentriert. Aber welche Risse waren zu sanieren? Wir haben keine Methode gefunden, mit der zweifelsfrei festgestellt werden konnte, wo Undichtigkeiten bestanden, und wo solche in Zukunft zu erwarten wären. Und kein Unter-nehmer garantiert unter den vorliegenden Umständen die langfristige Dichtigkeit eines dünnen rissüber-brückenden Kunststoffbelages. Ein moderner Brücken-belag mit Gussasphalt kam für uns nicht in Frage, dies aus Gründen der Ästhetik, des Lichtraumprofils, des Gewichts und der Reinigungsmöglichkeit. Im Jahre 2016 habe ich an einer TAE-Veranstaltung teilgenommen. Dort war der KKS für Stahlbetonbauten ein wichtiges Thema. Wir haben uns anschliessend ein-gehend damit befasst und uns überzeugt, dass der KKS in unserem Fall eine sinnvolle Investition für die Zu-kunft ist. Allerdings musste gegenüber den Schätzun-gen für die konventionelle Sanierung für den KKS ein vielfach höherer Betrag in Rechnung gestellt werden. Im Gegenzug erhalten wir einen durchgehenden Schutz, der auch dann funktioniert, wenn später aus irgendwelchen Gründen neue Risse auftreten sollten. 1.2 Wie wurde die Unternehmung gewählt und wie war die Ausführung? Die Firma Suicorr AG hatte inzwischen schon einige Bauten mit dem KKS versehen, darunter waren auch Parkbauten. Wir hatten also Referenzobjekte. Sie hat ferner auf einer unserer Parkebenen Probeflächen mit dem KKS ausgerüstet und uns dann ein interessantes Angebot unterbreitet. Wir haben sie aber auch als technisch kompetent beurteilt, und sie verfügt über versiertes Personal. Aus diesen Gründen erhielt sie den Zuschlag ohne weitere Ausschreibung. Die City Park-haus AG ist eine private Gesellschaft. Zwei der drei Parkebenen und die spiralförmigen Ein- und Ausfahrtsrampen sind nun bereits mit dem KKS versehen. Die Ergebnisse sind einwandfrei. Die Arbeit an den Parkebenen erfolgte während der Sommer-ferien, wo eines der vier Parkgeschosse ohne grössere Einbusse geschlossen werden konnte. Die dritte Park-ebene folgt im Sommer 2020. Auf eine Applikation im 4. Untergeschoss konnte verzichtet werden, da ein Eindringen von Chloriden in die Bodenplatte un-wahrscheinlich ist. In den drei übrigen Parkebenen wurde und wird für die Verlegung der Titananoden-bänder ohne Abschälen oder Abfräsen des Belages geschlitzt. Denn der Belag ist abgesehen von den er-wähnten feinen Rissen voll funktionsfähig. Es wäre schade gewesen, ihn zu entfernen, auch weil dadurch insgesamt etwa 50 m3 Sondermüll angefallen wären, deren Entsorgung beträchtliche Kosten verursacht hätte. Nach dem Einbau des KKS wird eine neue Deck-schicht aufgebracht. Der Belag ist damit wieder neuwertig, kann also nach unseren Erfahrungen min-destens weitere zwei Jahrzehnte lang den Dienst ver-sehen. Im Geschoss -1 wurde der KKS im Jahre 2018 einge-baut, es traten keine Schwierigkeiten auf. Hingegen wurde im Geschoss -2 im Jahre 2019 beim Fräsen der 2 cm tiefen Rinnen für die Aufnahme der Titanbänder an mehreren Stellen völlig unerwartet die Bewehrung angetroffen. Wir haben die Angelegenheit zusammen mit der Unternehmung sofort auf der Baustelle geprüft und festgestellt, dass aus statischer Sicht keine Bedenken bestehen, obwohl an mehreren Stellen Stahlstäbe angeritzt worden sind. Offensichtlich ist im Jahre 2003 die Bewehrung mangelhaft verlegt worden. Die Betondeckung hätte 4 cm betragen sollen. Wo dies auftrat, hat der Unternehmer breitere Schlitze gefräst und die Titanbänder horizontal verlegt. Wichtig war eine seriöse Isolation gegen die Bewehrung. Mit diesen Massnahmen konnte erreicht werden, dass auch im Geschoss -2 die Inbetriebsetzung des KKS klaglos gelang. Allerdings sind zusätzliche Kosten von einigen tausend Euro entstanden. Um im nächsten Sommer beim Geschoss -3 derartige Probleme zu vermeiden, werden wir demnächst mit Hilfe des Georadars die Höhenlage der Bewehrung messen, so dass der Unternehmer im Voraus Bereiche mit zu hoch liegender Bewehrung kennt und mit den geschilderten Massnahmen reagieren kann. Dies wird uns zusätzlich nochmals etwa 10‘000 EUR kosten. Bei den Parkebenen war der Einbau des KKS ohne Beeinträchtigung des Betriebs möglich. Bei den spiral-förmigen Ein- und Ausfahrtsrampen hätten aber Sperrungen hingenommen werden müssen, wenn man dieselbe Methode angewandt hätte. Das kam für uns nicht in Frage. Wenn man sich hingegen auf eine Sanierung der bestehenden Risse beschränkt, das sind etwa 150 m, können Betriebseinschränkungen vermie-den werden. Weil die Rissbildung nach 15 Jahren mit grosser Sicherheit abgeschlossen ist, konnte das ver-antwortet werden. Im Gegensatz zur vorbeugenden Anwendung des KKS bei den Parkebenen wurde bei den Rampen somit eine Reparatur vorgenommen und in Kauf genommen, dass die Konstruktion nicht durch-gehend mit dem KKS geschützt ist. Der Experte, der Unternehmer und auch wir sind einhellig der Meinung, dass damit eine vernünftige und ausreichend sichere Lösung gefunden wurde. Wir haben also durch die Unternehmung die Risse mit Stabanoden von der Untesicht her sanieren lassen. Der Unternehmer hat mit einer intelligenten Planung die Bohrungen sowie das Versetzen der Anoden und Drahtverbindungen so durchgeführt, dass keine Sperrungen nötig wurden. Ein unvorhergesehenes Ereignis hat allerdings kurz etwas Unruhe verursacht. Die Rampen sind teilweise nicht überdeckt und deshalb mit einer Wärmepumpen-heizung versehen. Beim Bohren von unten wurde im Einfahrtsbereich eine Leitung der Rampenheizung erwischt. Die beauftragte buch2.indb 100 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 101 Bauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking Unternehmung trifft keine Schuld, denn die Leitung ist in keinem Plan eingezeichnet. Wir haben deshalb die Zusatzkosten übernommen. Obwohl nicht sicher war, dass das Missgeschick nicht nochmals passiert, haben wir entschieden, mit der vorgesehenen Methode weiter zu arbeiten. Im fraglichen Bereich wurden aber nur 12 statt 17 cm lange Stabanoden versetzt, die Anzahl dafür erhöht. Denn die Rampenheizungsrohre sind natürlich möglichst oberflächennah angeordnet. Es durfte also erwartet werden, dass es sich beim geschilderten Missgeschick um einen Verlegefehler handelt. Das war tatsächlich der Fall. Auch dieses Missgeschick hat uns einige tausend Euro gekostet. Es wäre nur zu verhindern gewesen, wenn man genaue Pläne oder eine preiswerte Methode für die zentimetergenaue Ortung von im Beton verlegten Leitungen zur Verfügung gehabt hätte. Beides ist nicht der Fall. So ist der genannte Betrag ins Verhältnis zu setzen zu den Mehrkosten, welche eine andere Methode zur Folge gehabt hätte. Das hätte ein an der Untersicht aufgebrachtes Anodennetz sein können oder das Schlitzen von oben wie bei den Parkebenen. Beides hätte den Betrieb eingeschränkt und wäre damit viel teurer gewesen. Denn man darf nicht vergessen: ein Tag Betriebsausfall verursacht im Mittel Kosten von deutlich über 10‘000 EUR, an Samstagen das Doppelte. 1.3 Der KKS im Betrieb Die Parkebenen und die Rampen sind normkonform nach Abschluss der Arbeiten unter Strom gesetzt worden. In keinem Fall wurden Fehler festgestellt, und der Experte hat bestätigt, dass das Schutzziel schon nach kurzer Zeit erreicht worden ist. Ausser den drei Parkebenen und den Rampen werden keine Stahlbetonbauteile mit dem KKS geschützt. Im Geschoss -4 kann kein Chlorid eindringen, weil die massive Bodenplatte unter äusserem Wasserdruck steht, was später noch besprochen wird. Die Schlitz-wände und die übrigen Bauteile sind wenig proble-matisch. Einerseits haben wir beim Bau auf grosse Betonüberdeckung geachtet, anderseits wären konven-tionelle Reparaturen ohne wesentliche Betriebsein-schränkungen möglich, sollten in ferner Zukunft doch einmal Schäden auftreten. Zu den Kosten ist der übliche Vorbehalt anzubringen: man muss die örtlichen Gegebenheiten berück-sichtigen, wenn man Vergleiche anstellt. Das City Parking mit 620 Plätzen hat etwa 47 Mio. CHF gekostet, damals lag der Wechselkurs bei ungefähr 1,6 CHF pro EUR. Für den gesamten kathodischen Korrosionsschutz ist mit Kosten von etwa 5 bis 6% dieser ursprünglichen Baukosten zu rechnen, was vertretbar erscheint im Hinblick auf die verlängerte Gebrauchsdauer des Objektes. Heute würde man den KKS gerade beim Bau einrichten. Die Kosten würden sich dann auf einen Bruchteil des genannten Prozent-satzes verringern. Gesamthaft kann man feststellen: der KKS ist beim Zürcher City Parking bezüglich der Fläche haupt-sächlich präventiv eingesetzt worden, ich schätze zu deutlich mehr als drei Vierteln, nur beim Rest diente er der Behebung bereits vorhandener oder unmittelbar drohender Schäden. 2. Totalunternehmer 2.1 Der KKS-Totalunternehner Mit der Firma Suicorr AG wurde ein Totalunter-nehmervertrag abgeschlossen. Die Suicorr AG pro-jektiert, führt aus, beschafft soweit erforderlich Leistungen Dritter und überwacht die KKS-Anlage bis 2025. Damit ein solches Vorgehen erfolgreich ist, braucht es eine gute Vorbereitung. Der Bauherr muss genau beschreiben, was er will, die Abgrenzungen sauber definieren und einen Vertrag vorschlagen, der möglichst keinen Interpretationsspielraum offen lässt. Dem Unternehmer soll aber viel Freiheit belassen werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann man einen Pauschalpreis vereinbaren. Nach Vertrags-abschluss darf man aber nichts mehr ändern, weil sonst die Zusatzkosten hoch werden könnten. Nun sind bereits etwa drei Viertel der Arbeit getan. Für den KKS beim City Parking kann festgestellt werden: die Methode Totalunternehmer hat sich aus der Sicht der Bauherrschaft bewährt. Ob das auch für die Suicorr AG gilt, müsste ihr Chef selbst sagen. Wenn man mit einem Unternehmen vertragliche Bindungen eingeht, so darf man bekanntlich nicht nur, beinahe hätte ich gesagt „nicht vor allem“, auf die Endsumme des Angebotes schauen. Ein Blick hinter die Kulissen lohnt sich. Und da geht es vorwiegend um die Menschen. Ist der Chef vertrauenswürdig? Kennt er das Metier von Grund auf? Hat er Mitarbeiter, welche die Sache beherrschen und das Vorhaben auch dann durchziehen, wenn es Probleme gibt? Alle diese Fragen konnten bei der Suicorr AG vorbehaltlos mit Ja beantwortet werden. 2.2 Totalunternehmer bei der ursprünglichen Bauausführung Wir haben nicht nur für den KKS die Methode Totalunternehmer gewählt. Der Bau selbst ist seinerzeit ebenfalls einem Totalunternehmer übertragen worden, und es lohnt sich, über die Erfahrungen beim Bau und nach mehr als 15 Jahren Betrieb zu berichten. Natürlich war es damals bedeutend aufwändiger als beim KKS, das Bauwerk und die Randbedingungen zu definieren. Wir haben dafür viel Energie, Zeit und Geld investiert. Die Parkbaute war in schwierigem Baugrund, im Grundwasser, in unmittelbarer Nähe denkmalge-schützter Bauten, unter einer Hauptverkehrsachse und erst noch unter Verkehr zu erstellen. Das Haupt-problem war der Baugrund, der aus Gletscher- und Flussablagerungen besteht. Es kommen alle Korn-grössen von Blöcken bis zur Tonfraktion vor. Sondierungen wurden reichlich ausgeführt, und alle bekannten Baugrundaufschlüsse wurden dokumentiert. Besonders gründlich hat man die Grundwasserver-hältnisse buch2.indb 101 13.01.20 15: 39 102 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Bauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking untersucht. Unmittelbar vor Vertragsab-schluss konnte der Unternehmer nochmals weitere Aufschlüsse oder Informationen verlangen. Heute, nachdem alle Baumängel beseitigt oder mindestens bereinigt sind, kann festgestellt werden: auch beim Bau hat sich bei diesem Objekt das Totalunternehmerverfahren bewährt. Nur ein einziges Mal gab es während der Ausführung eine grössere Auf-regung. Im Untergrund wurden wie erwartet Blöcke angetroffen, von denen einige so gross und so hart waren, dass der Schlitzwandbagger mehrmals Schaden nahm. Das hat die oberste Leitung des internationalen Baukonzerns, der die Schweizer Firma übernommen hatte, zum Anlass genommen, mit der Baueinstellung zu drohen, sollte die Bauherrschaft nicht ein Einsehen haben, das heisst Geld nachzahlen. Aber der Vertrag war so eindeutig, dass die Drohung seitens der Bau-herrschaft mit einer - sagen wir mal - Alternativ-strategie - beantwortet werden konnte. Die Arbeit nahm dann ohne weiteres Aufheben ihren Fortgang. Zu reden gab am Anfang ferner ein örtlicher Chef, der die Zügel schleifen liess, was an diesem empfindlichen städtischen Ort eine ungeordnete Baustelle und damit Probleme mit dem Verkehr zur Folge gehabt hat. Auch hier haben die präzisen Vertragsbestimmungen ge-holfen, den Betreffenden rasch durch einen qualifi-zierten Ingenieur zu ersetzen. Und so konnte die Bau-stelle ordnungsgemäss abgewickelt werden. 3. Baumängel und Unvorhergesehes 3.1 Baumängel Abgesehen von Kleinigkeiten hat das City Parking drei Baumängel. Der erste ist die bereits eingehend geschilderte ungenügende Rissüberbrückung des Kunststoffbelages, der zweite die ungenügende Beton-deckung im Geschoss -2, der dritte wie erwähnt die Undichtigkeit der weissen Wanne. Der erstgenannte Mangel ist erst nach mehr als zehn Jahren festgestellt worden und konnte somit auch nicht mehr im Sinne eines verdeckten Mangels geltend gemacht werden. Wie damit umgegangen worden ist, wurde beim KKS dargelegt. Als im letzten Sommer anlässlich des KKS-Einbaus im Geschoss -2 die offensichtlich ungenügende Beton-deckung der Bewehrung festgestellt wurde, haben wir die Genauigkeit der Ausführung unter die Lupe genommen und entdeckt, dass nicht nur die Lage der Bewehrung, sondern auch diejenige der einbetonierten Stahlpilze um 9 bis 25 mm vom Sollwert abweicht. Das sind gravierende Mängel. Sie sind der Quali-tätskontrolle des damaligen Totalunternehmers entgan-gen, aber auch der Bauherrenvertreter hat sie nicht bemerkt. Gemäss einer ersten Prüfung sind keine Sofortmassnahmen nötig. Wir werden die Statik in-folge dieser Mängel genau prüfen lassen, insbesondere auch bezüglich des Durchstanzens. Die Schweizer Normen sind nämlich nach dem Bau des Parkings geändert worden. Dies und der erwähnte Fehler machen möglicherweise teure Verstärkungen nötig. Der dritte Baumangel hat zu Garantiearbeiten des Totalunternehmers während vieler Jahre geführt, und es ist trotzdem nicht gelungen, ihn vollständig zu beheben. Es geht um die Undichtigkeit der weissen Wanne. Das Parking ist gegen 300 m lang, die unteren Geschosse liegen mehrere bis viele Meter tief im Grundwasser. Der Unternehmer hat eine fugenlose weisse Wanne offeriert und vollständige Dichtheit garantiert. Das war bei Betriebsaufnahme im Sommer 2004 auch wirklich der Fall. Aber schon im folgenden Winter wurden im Belag Blasen beobachtet, aus denen plötzlich ganz feine, mehrere Dezimeter hohe Fontänen spritzten. Die Wassermengen waren vernachlässigbar klein, trotzdem konnte die Undichtigkeit nicht akzeptiert werden, weil das Wasser infolge der tiefen Temperaturen im untersten Geschoss sofort gefror. Der Unternehmer hat dann im Frühjahr die Risse in der Bodenplatte injiziert, Fugenbänder eingebaut und den Belag wieder hergestellt. Das Ganze wiederholte sich im folgenden Winter, wenn auch in geringerem Umfang. Nach meheren Jahren mit ähnlichen Er-scheinungen wurden die bereits vorhandenen Brand-schutztore motorisiert. Bei Kälte sind sie geschlossen und öffnen sich, wenn ein Fahrzeug naht. Damit ist die Eisgefahr beseitigt, gewisse geringe Undichtigkeiten traten aber im Winter weiterhin auf. Wir haben uns vor einiger Zeit mit dem Unternehmer auf einen Minder-wert geeinigt und werden in Zukunft selbst für die laufende Behebung des Missstandes sorgen, bis uns vielleicht einmal eine endgültige Lösung gelingt. 3.2 Unvorhergesehes Zum Unvorhergesehenen gehören in unserem Falle Hochwasser, Energiesparbemühungen und das Glas. Die Sihl ist ein wilder, dem Parking unmittelbar benachbarter Fluss mit einer mittleren Wassermenge von wenigen m3/ s. Sie kann aber bei Starkregen im Einzugsgebiet auf einige 100 m3/ s anschwellen. Dem Projekt wurde ein Hochwasserstand zugrunde gelegt, der den damaligen Auffassungen entsprach. Ein Jahr nach Inbetriebnahme ist nun eine Wassermenge abgeflossen, welche gegenüber den tiefst gelegenen Öffnungen des Parkings nur noch ein Freibord von etwa einem halben Meter offenliess. Da das Stark-regengebiet etwa 50 km weiter westlich in der Zentralschweiz lag, wo es enorme Schäden verur-sachte, hat man Modellrechnungen mit den dort effektiv aufgetretenen Niederschlägen angestellt. Sie ergaben weit höhere Werte als diejenigen, welche dem Projekt zugrunde gelegt worden waren. Da ein Voll-laufen der Parkbaute bei einem solchen - allerdings sehr seltenen - Ereignis grosse Schäden und einen monatelangen Betriebsunterbruch zur Folge haben würde, haben wir für etwa 150‘000 EUR Hochwasser-schutzmassnahmen eingerichtet. Es handelt sich um Verschlüsse für die erwähnten Öffnungen, Damm-balken im gefährdeten Ausbuch2.indb 102 13.01.20 15: 39 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 103 Bauherrenerfahrungen beim Zürcher City Parking fahrts- und Zugangs-bereich, ein Notstromaggregat für die Wasserhaltung bei Stromausfall und schliesslich um regelmässige Übungen mit dem Betriebspersonal. Natürlich nutzen wir auch das vom Kanton Zürich eingerichtete Warn-system. Wir hoffen, dass diese Dinge in ein paar Jahren überflüssig sein werden, dann nämlich, wenn ein Ent-lastungsstollen in Betrieb sein wird, der einen Teil der extremen Sihlhochwässer in den Zürichsee ableitet. Es handelt sich dabei um ein übergeordnetes dringliches Hochwasserschutzprojekt. Die Schäden in der Stadt würden nämlich bei einem Extremhochwasser astro-nomisch sein. Eine zweite unvorhergesehene Angelegenheit war die Energiewende, bei der die Stadt Zürich mit ihrer rot-grünen Regierung eine Vorreiterrolle übernimmt. Wir haben alle möglichen Energieeinsparungen überprüft. Als kurzfristig umsetzbar erwies sich nur der Ersatz der vielen hundert 40-Watt-Leuchtstoffröhren durch LED-Leuchten. Wir haben den Wechsel zeitlich vorgezogen, obwohl die ursprüngliche Beleuchtung noch viele Jahre lang ihren Dienst hätte leisten können. Bereits nach ganz kurzer Zeit ergaben sich Einsparungen. Dass es nun keine Farbunterschiede zwischen den beiden Wänden mehr gibt - sie waren bei den Leucht-stoffröhren aus ästhetischen und Orientierungsgründen bewusst gewählt worden - hat ausser uns und dem Betriebspersonal niemand bemerkt. Das dritte Unvorhergesehene ist erst im Laufe des letzten Jahres aufgetreten und hat vermutlich beträcht-liche finanzielle Folgen. Das City Parking ist mit viel Glas ausgerüstet. Die vier Treppenhäuser bzw. Lift-schächte sind von den oberirdischen Aufbauten bis zur Bodenplatte verglast. Damit liess sich die kellerartige Atmosphäre mildern. Die Verglasung musste aber den Brandschutzvorschriften entsprechen, was nicht ganz billig war. Kürzlich sind nun aber einige Brandschutz-gläser, die mindestens zwanzig Jahre überstehen soll-ten, schadhaft geworden, indem das zwischen den Gläsern eingearbeitete Gel auslief. Mehr als die Hälfte aller Gläser muss in absehbarer Zeit wohl ersetzt wer-den. Solche unvorhergesehene Dinge gehören auch zu den Erfahrungen, mit denen sich ein Bauherr aus-einandersetzen muss. Ich möchte es bei den genannten Beispielen bewenden lassen und zum Schluss das City Parking gesamthaft zu bewerten versuchen. Aus unserer Sicht ist die Parkbaute ein voller Erfolg: technisch, ökonomisch und ästhetisch. Technisch ist das nicht einfache Projekt gut gemeistert worden, und mit dem KKS dürfte die Gebrauchstauglichkeit für viele Jahrzehnte gewährleistet bleiben, ohne dass störende Reparaturen nötig würden. Ökonomisch zeigt ein Blick in die Jahresberichte der City Parkhaus AG das Folgende. Die Fremdmittel sind nach 15 Jahren vollständig zurückbezahlt, die Ab-schreibungen werden planmässig getätigt, und die Gesellschaft zahlt ihren Aktionären stets gute Dividenden. Davon profitiert auch die Stadt Zürich, nicht in erster Linie als Aktionärin, denn sie hat nur eine kleine Minderheitsbeteiligung, sondern durch die Konzessionsgebühren, weil sich das Parking auf öffentlichem Grund befindet. Die Ästhetik haben Ihnen die Fotos von Herrn Ober-hänsli vor Augen geführt. Aber eigentlich müssten Sie die Parkbaute vor Ort beurteilen. Vermutlich würden Sie feststellen, dass neben den üblichen Massnahmen wie gute Beleuchtung und Sauberkeit drei Dinge zu einem positiven Urteil beitragen. Das Erste ist der lange, fast gerade Grundriss und damit die Übersichtlichkeit. Das Zweite sind die roh belassenen Schlitzwände, welche den Eindruck von Nagelfluh vermitteln, einem Sedimentgestein, das in der Umgebung der Stadt vorkommt, das Dritte die reichliche, schon erwähnte Verglasung. Diese hat ihren Preis. Brandschutzverglaste Lift- und Treppenhaus-schächte sind bedeutend teurer als Betonwände, vor allem, wenn sie vorzeitig ersetzt werden müssen. Überdies verursachen sie viel Reinigungsaufwand, wenn sie gut aussehen sollen. Jedenfalls hat das City Parking den goldenen Award der European Parking Association erhalten. Er ist bisher in der Schweiz nur zwei Mal verliehen worden. buch2.indb 103 13.01.20 15: 39
