Kolloquium Parkbauten
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2510-7763
expert verlag Tübingen
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Technische Akademie EsslingenUntersuchungen der Robustheit rissüberbrückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern
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Christoph Dauberschmidt
Felix Becker
Andreas Fraundorfer
Befahrene Beschichtungssysteme im Anwendungsgebiet von Parkhäusern und Tiefgaragen können im Laufe ihrer Lebensdauer hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt sein. Zur Erzielung eines ausreichenden Widerstands des Betons vor Chlorideintrag und Karbonatisierung müssen die Beschichtungssysteme eine ausreichende Dichtheit über einen möglichst langen Nutzungszeitraum sicherstellen. Dabei hat die Schichtdicke entscheidende Bedeutung. Je größer diese ist, desto länger kann tendenziell eine Aufrechterhaltung der Dichtigkeit erfolgen, denn Verschleiß und Witterung (im Bereich von Parkdecks) beanspruchen die Beschichtungssysteme fortlaufend. Speziell weichere Komponenten, die zur Erzielung einer gewissen Elastizität und dadurch Rissüberbrückungsfähigkeit essenziell sind, neigen bei mechanischer Beanspruchung aufgrund innerer Reibungsprozesse schneller zu einem Abrieb, als starre Bestandteile. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens mit der StoCretec GmbH wurden durch die Hochschule München Verschleißuntersuchungen an den Beschichtungssystemen von zwei rd. 20 Jahre alten Bestandsparkhäusern in Abhängigkeit der Nutzung erstellt.
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9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 183 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Christoph Dauberschmidt Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Felix Becker Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Andreas Fraundorfer Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Zusammenfassung Befahrene Beschichtungssysteme im Anwendungsgebiet von Parkhäusern und Tiefgaragen können im Laufe ihrer Lebensdauer hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt sein. Zur Erzielung eines ausreichenden Widerstands des Betons vor Chlorideintrag und Karbonatisierung müssen die Beschichtungssysteme eine ausreichende Dichtheit über einen möglichst langen Nutzungszeitraum sicherstellen. Dabei hat die Schichtdicke entscheidende Bedeutung. Je größer diese ist, desto länger kann tendenziell eine Aufrechterhaltung der Dichtigkeit erfolgen, denn Verschleiß und Witterung (im Bereich von Parkdecks) beanspruchen die Beschichtungssysteme fortlaufend. Speziell weichere Komponenten, die zur Erzielung einer gewissen Elastizität und dadurch Rissüberbrückungsfähigkeit essenziell sind, neigen bei mechanischer Beanspruchung aufgrund innerer Reibungsprozesse schneller zu einem Abrieb, als starre Bestandteile. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens mit der StoCretec GmbH wurden durch die Hochschule München Verschleißuntersuchungen an den Beschichtungssystemen von zwei rd. 20 Jahre alten Bestandsparkhäusern in Abhängigkeit der Nutzung erstellt. 1. Einleitung Oberflächenschutzsysteme sollen durch Einhaltung der geforderten Eigenschaften die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauteilen über die angestrebte Lebensdauer des Bauwerks sicherstellen. Dazu gehört im Bereich von Parkhäusern und Tiefgaragen überwiegende die Sicherstellung einer hinreichenden Dichtheit gegenüber anstehenden chloridhaltigen Wässern, die über die Wintermonate durch Autos in die Parkbauten eingeschleppt werden. Gelangen Chloride in einem erhöhten Maße durch die Betondeckung an die Bewehrung führt dies in der Regel zu Querschnittsverlusten infolge von Lochkorrosion und einer daraus folgenden Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit bis hin zum Verlust der Tragfähigkeit der Stahlbetonbauteile. Damit die befahrenen Oberflächenschutzsysteme eine wirksame Barriere gegenüber den anstehenden Chlorid-Ionen bieten, müssen die Eigenschaften des Beschichtungssystems so gewählt werden, dass die Systeme selbst eine ausreichende Lebensdauer aufweisen und den aus der Konstruktion und der Nutzung auftretenden Einwirkungen einen ausreichenden Widerstand entgegen bringen. Hinsichtlich ihrer Eigenschaften lassen sich die auf dem Markt befindlichen befahrbaren Oberflächenschutzsysteme nach RL-SIB [RIL1] in zwei maßgebliche Kategorien aufteilen: - starre Beschichtungssysteme - rissüberbrückende Beschichtungssysteme. Praxiserfahrungen aus z.B. [SCU1] und [WOL1] zeigen auf, dass rissüberbrückenden Beschichtungssysteme wie OS 11a bzw. OS 11b häufig einen deutlich geringeren Verschleißwiderstand aufweisen als die klassische starre OS 8. Dies führt über die angestrebte Lebensdauer der Parkhäuser zu den Notwendigkeit, die Beschichtungen zu überarbeiten und damit entsprechend zu höheren Instandhaltungsmaßnahmen und daraus folgenden zu höheren Lebenszykluskosten. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Einwirkung auf die Systeme in den Veröffentlichungen und Praxisberichten häufig rein qualitativ beschrieben werden und die Systeme über eine Kategorisierung in OS 11a bzw. OS 11b hinaus in der Regel nicht erfolgt, obwohl sich die Zusammensetzungen herstellerbedingt zum Teil deutlich unterscheiden. Laborversuche z.B. aus [LAD1] zeigen beim Verschleißwiderstand ein deutlich differenziertes Bild bei Betrachtung von unterschiedlibuch2.indb 183 13.01.20 15: 40 184 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern chen rissüberbrückenden Beschichtungssystemen in Abhängigkeit Ihrer tatsächlichen Zusammensetzung. Vor diesem Hintergrund wurde auch das Forschungsvorhaben der Hochschule München zusammen mit der StoCretec GmbH erarbeitet, bei dem Verschleißuntersuchungen an Beschichtungssystemen von zwei rd. 20 Jahre alten Bestandsparkhäusern in Abhängigkeit der Nutzung durchgeführt wurden. 2. Untersuchte Parkhäuser und Beschichtungen Die untersuchten Parkhäuser wurden im Jahr 1997/ 98 mit einem EP/ PU-Hybridsystem beschichtet, das zum Zeitpunkt der Applikation (1997) zur Sparte ispo Concretin der ispo GmbH (seit 2003 Teil der StoCretec GmbH) gehörte. Damit entsprach das Alter der Beschichtungssysteme zum Untersuchungszeitraum im Jahr 2018 rd. 20 Jahren. Zum Zeitpunkt der Applikation des Beschichtungssystems existierte die RL-SIB [RIL1] noch nicht. Das aufgebrachte System war entsprechend zum damaligen Zeitpunkt noch nach keinem heute gültigen Regelwerk geprüft. Von Aufbau und Art der Einzelkomponenten ist das Beschichtungssystem vergleichbar mit einem Oberflächenschutzsystem OS 11 nach [RIL1]. Bei Parkhaus 1 wurde das System zweischichtig aufgebracht (analog OS 11a. Bei Parkhaus 2 wurde das System als Einschichter appliziert (analog OS 11b) 2.1 Parkhaus 1: Das Split-Level-Parkhaus wurde Mitte der 1980er Jahren aus Stahlbeton erbaut und hat Grundrissabmessungen von ca. 35 m x 30 m. Im Rahmen einer Instandsetzungsmaßnahme wurde das untersuchte Beschichtungssystem 1997 appliziert. Insgesamt erstrecken sich die rd. 200 Stellplatzflächen über sieben Etagen, die sich in jeweils zwei Split-Level unterteilen. Die engen Platzverhältnisse in der Tiefgarage erlauben nur geringe Fahrgeschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge (an-nähernd Schrittgeschwindigkeit). Über dem Parkhaus befindet sich zusätzlich ein Wohngebäude. Die Nutzung des Parkhauses erfolgt vornehmlich durch die Kunden der umliegenden Einkaufsmöglichkeiten. Eine Ansicht des Parkhauses und der Grundriss kann nachfolgenden Abb. 1 und Abb. 2 entnommen werden. Abb. 1: Ansicht Parkhaus 1 mit darüber liegender Wohnbebauung Abb. 2: Grundriss Parkhaus 1 buch2.indb 184 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 185 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Der Beschichtungsaufbau in Parkhaus 1 bestand gem. Herstellerangabe aus nachfolgenden Komponenten: - Grundierung: ispo Concretin IHS-BV (EP-Basis) - Schwimmschicht: ispo Concretin TEP Multi-Top (EP/ PU-Basis) - Verschleißschicht: ispo Concretin TEP Multi-Top (EP/ PU-Basis) - Deckversiegelung: ispo Concretin PH-DV (EP-Basis) 2.2 Parkhaus 2: Das Split-Level-Parkhaus wurde 1998 als Stahlskelettbau mit Zwischendecken aus Stahlbzw. Spannbetonfertigteilplatten errichtet und hat Grundrissabmessungen von ca. 140 m x 35 m. Zu dem Errichtungszeitpunkt wurde ebenfalls das untersuchte Beschichtungssystem appliziert. Insgesamt erstrecken sich die rd. 700 Stellplätze über sechs Etagen, die sich in insgesamt elf Split- Level unterteilen. Die obersten Split-Level-Ebenen sind Freidecks. Die Nutzung des Parkhauses findet vornehmlich für die Benutzung des nahegelegenen Hauptbahnhofs und für Einkaufsmöglichkeiten statt. Eine Ansicht und der Grundriss des Parkhauses ist in nachfolgenden Abb. 3 und Abb. 4 dargestellt. Die Stellplätze des Parkhauses wurden abweichend zu den restlichen Bereichen planmäßig ohne Deckversiegelung ausgeführt. Abb. 3: Satellitenbild Parkhaus 2 (Quelle: Google Maps) Abb. 4: Grundriss Parkhaus 2 Der Beschichtungsaufbau in Parkhaus 2 bestand gem. Herstellerangabe aus nachfolgenden Komponenten: - Grundierung: ispo Concretin IHS-BV (EP-Basis) - Verschleißschicht: ispo Concretin TEP Multi-Top (EP/ PU-Basis) - Deckversiegelung: ispo Concretin PH-DV (EP-Basis) Im Vergleich zu Parkhaus 1 waren in Parkhaus 2 vor Ort durch den langgestreckten Grundriss und die breiteren Rampen deutlich höhere Fahrgeschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge festzustellen. Beide Parkhäuser waren an den Gebäudeaußenkanten teilweise offen, sodass die Bauteiltemperaturen weitgehend den Außentemperaturen folgen. Anderweitige Witterungseinflüsse (z.B. UV-Strahlung) können bei den untersuchten Stellen aufgrund der Lage jedoch großteils ausgeschlossen werden. 3. Durchgeführte Untersuchungen Vor Ort wurden Untersuchungsstellen (23 und 26 Stk.) an verschieden stark befahrenen Bereichen festgelegt. Je Untersuchungsstelle wurde die Haftzugfestigkeit vor Ort ermittelt und die Schichtdicken an den gewonnen Bohrkeren mittels Auflichtmikroskopie am Schnittbild im Labor bestimmt, vgl Abb. 5 und Abb. 7. Zur Bestimmung des Verschleißes wurde die Gesamtschichtdicke von Schwimm-, Verschleißschicht und Deckversiegelung ohne Grundierung ermittelt. Abb. 5: Bestimmung der Haftzugfestigkeit vor Ort buch2.indb 185 13.01.20 15: 40 186 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Abb. 6: exemplarische Aufzeichnung der Rollspurbereiche und Untersuchungsstellen aus Parkhaus 2 Abb. 7: Ermittlung der Schichtdicke im Labor Anhand der Nutzungsstatistiken der Parkhausbetreiber fand eine Hochrechnung der Überrollungen der einzelnen Bereiche statt. Anhand der Lage der Untersuchungsstellen und den Ergebnissen der Hochrechnung aus der Frequentierung wurde eine Einteilung in Beanspruchungskategorien vorgenommen. Diese Ergebnisse wurden mit den Werten der Haftzugprüfung und der Schichtdickenmessung statistisch korreliert. Dabei wurden Bereiche hoher Frequentierung (z.B. Einfahrtsbereich und Rampentiefpunkt), mittlerer Frequentierung (Fahrgassen im Bereich höherliegender Geschosse) und Referenzbereiche geringer Frequentierung (Stellplatzmitten und nicht befahrbare Randbereiche) geschossübergreifend unterschieden. Auf eine weitere Unterteilung der Kategorien wurde verzichtet, da dies eine unrealistisch hohe Genauigkeit suggerieren würde. Vor Ort wurden die Untersuchungsstellen an möglichst repräsentativen Stellen festgelegt. Eine exemplarische Aufzeichnung der Bereiche kann Abb. 6 entnommen werden. 4. Hochrechnung der Nutzungsstatistiken und Überrollungshäufigkeiten Die Nutzungshistorien wurden seitens der Parkhausbetreiber zur Verfügung gestellt. Nachfolgend wird die Hochrechnung der Frequentierung und der Überrollungshäufigkeiten am Beispiel von Parkhaus 2 erläutert. Die Auswertung für Parkhaus 1 erfolgte in analoger Weise, wobei dort aufgrund der abweichenden Größe die nachfolgend beschriebene Faktorisierung den Gegebenheiten vor Ort angepasst wurde. Als Nutzungsfrequenz ist seitens des Parkhausbetreibers von Parkhaus 2 über die letzten sechs Jahre eine Spanne von 250.000 bis 320.000 Fahrzeugeinfahrten jährlich angegeben worden. Gemäß Angaben des Parkhausbetreibers kann für eine Hochrechnung der Mittelwert der angegebenen Frequentierungen über sämtliche Nutzungsjahre als realistisch angenommen werden. Demnach ergab sich für die jährliche Nutzung eine Frequentierung von: ((250.000+320.000))/ 2≈285.000 Fz/ a Gl. 1 Zur Verifizierung wurden Ergebnisse aus [LOH1] und [PEC1] hinsichtlich anzunehmender Frequentierungen mit berücksichtigt. Das untersuchte Parkhaus liegt in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Bei rd. 700 Stellplätzen ergäbe sich für das Parkhaus gem. Tafel 1.7 aus [LOH1] (vgl. nachfolgende Abb. 8) eine jährliche Nutzung von: 700 Stp*900 Fz/ (a*Stp) ≈ 630.000 Fz/ a Gl. 2 Dieser Wert entspricht etwa der 2,2-fachen Nutzungsfrequenz im Vergleich zu den Daten des Parkhausbetreibers. Für die weitere Interpretation der Ergebnisse wurde der auf der sicheren Seite liegende Wert von 285.000 Fz/ a angesetzt, der die Verschleißbeanspruchbarkeit des Systems im Vergleich zu Ergebnissen aus [LOH1] unterschätzt. Daraus ergab sich als Eingangswert für die weitere Berechnung eine Nutzung aller Jahre seit 1998 von: 285.000 Fz/ a*20 a ≈ 5.700.000 Fz Gl. 3 buch2.indb 186 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 187 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Abb. 8: Tafel 1.7 nach [LOH1] Aufgrund der einzigen Ein- und Ausfahrtssowie Ausgangsmöglichkeit des Gebäudes im untersten Geschoss werden die unteren Ebenen tendenziell stärker genutzt. Insgesamt besitzt das Parkhaus ca. 700 Stellplätze, die sich auf 11 Ebenen (P1 bis P11) verteilen. Da P1 und P11 eine kleinere Anzahl an Stellplätzen aufweisen, wurden diese zusammen als eine Ebene angesetzt. Aufgrund einer fehlenden Kennzahl für die Auslastung der einzelnen Ebenen ist von einer gleichmäßigen Parknutzung aller Ebenen ausgegangen worden. Die jeweils untersuchte Ebene wird nicht von jedem im Parkhaus einfahrenden PKW passiert. Dies ist mit einem Faktor (nachfolgend als F1 bezeichnet) berücksichtigt worden. Je nach Lenkverhalten der Autofahrer trifft ebenfalls nicht jeder PKW, der die Ebene befährt, auf die Untersuchungsstellen, weshalb für jeden Bereich eine Verrechnung mit einem Faktor (nachfolgend als F2 bezeichnet) erfolgte. Ebenfalls wird speziell im Kurvenbereich die Überfahrung nicht durch das Vorder- und das Hinterrad jedes PKW erfolgen. Im Rampenbereich, sowie in den langgezogenen Fahrgassen kann aufgrund der geradlinigen Führung davon ausgegangen werden, dass der Hinterreifen auch sehr wahrscheinlich die gleichen Stellen des Vorderreifens überrollt. Die Verrechnung der Spurtreue wurde nachfolgend mit einem Faktor F3 berücksichtigt. Bei der Berechnung wurde davon ausgegangen, dass jeder PKW jede Untersuchungsstelle nach Zufahrt maximal einmal passieren konnte (mehrfache Umfahrungen der Stellen durch Parkplatzsuche, sowie Beanspruchung aus Rangiervorgängen blieben unberücksichtigt). Die Endwerte der Überrollungen durch ein PKW Rad (nr) ergeben sich durch nachfolgende Berechnung: nr = 5.700.000 * F1 * F2 * F3 Gl. 4 Die Faktoren wurden anhand der örtlichen Randbedingungen speziell für das untersuchte Parkhaus gewählt. Nachfolgend wird die Wahl der einzelnen Faktoren für den jeweiligen Untersuchungsbereich beschrieben. Faktor F1 zur Berücksichtigung der Ebenen-Befahrung: Dieser Faktor teilt sich auf die zehn Ebenen (P2 bis P11) gleichmäßig auf. Für P3 ergibt sich ein Wert für F1 von 8/ 10 (also 80 % der Fahrzeuge fahren bis P3). Im Rampenbereich P4 zu P3 ergibt sich F1 zu 7/ 10. Für Ebene P8 beträgt F1 demnach 3/ 10. Im Bereich von Stellplätzen wird annähernd von einer gleichen Parkverteilung über alle Stellplätze (rd. 700 Stellplätze in allen Ebenen) ausgegangen. Stellplätze werden daher mit einem Faktor F1 von 1/ 700 angesetzt. Faktor F2 zur Berücksichtigung der Rollspur-Varianz: In Bereichen, die aufgrund der Platzverhältnisse wenig Spielraum zur Befahrung lassen, wurde Faktor F2 zu 1/ 3 gewählt. Hierunter zählen Rampen und Bereiche, an denen sich mehrere Rollspuren überlagern. In Rollspurbereichen, die aufgrund der Breite der Fahrgasse mehrere Möglichkeiten der Befahrung lassen, wurde F2 mit 1/ 10 gewählt. Im Bereich der sehr wenig befahrenen Radspur ist F2 mit 1/ 100 verrechnet worden. Im Bereich von Stellen, die aufgrund ihrer Lage kaum befahrbar sind, wurde F2 zu 1/ 200 gewählt. Kein Bereich wurde gänzlich ohne Befahrung angegeben, da auch in kaum befahrbaren Bereichen eine Überrollung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann (z.B. durch Krafträder). Faktor F3 zur Berücksichtigung der Spurtreue: F3 wurde außer im geraden Rampenbereich und Bereich von geraden Fahrspuren mit 1,5 angesetzt. Im geraden Bereich von Rampen und Fahrspuren wurde F3 mit 1,9 angesetzt, da hier aufgrund der linearen Führung eine Überrollung aus Vorder- und Hinterrad sehr wahrscheinlich ist. Auf Grundlage der Hochrechnung ergaben sich am Parkhaus 1 bis zu rd. 1,6 Mio. Überrollungen der Beschichtung an den einzelnen Untersuchungsstellen. Bei Parkhaus 2 wurden bis zu rd. 2,9 Mio. Überrollungen der Beschichtung an den einzelnen Untersuchungsstellen ermittelt. 5. Auswertung Zusätzlich zur Überrollungshäufigkeit wurde eine Einteilung in mechanische Beanspruchungsgrade vorgenommen (gering, mittel, hoch). Die Unterteilungen resultieren aus der Überlegung, dass eine Stelle im Kurvenbereich im Vergleich zu einer gleich häufig überfahrenen Stelle in der Geraden, eine höhere Scher- oder Schubbeanspruchung erfährt. Ebenfalls ist davon auszugehen, dass der Bereich von Rampenhochpunkten bei gleicher Frequentierung wie ein Bereich am Rampentiefpunkt weniger stark durch Schubkräfte beim Anfahren und Bremsen belastet wird. buch2.indb 187 13.01.20 15: 40 188 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Abb. 9: Haftzugfestigkeiten in Abhängigkeit von Überrollung und mechanischen Beanspruchung (Parkhaus 2) Abb. 10: Schichtdicken in Abhängigkeit von Überrollung und mechanischen Beanspruchung (Parkhaus 2) Im Bereich von Stellplätzen kommt trotz der teilweise geringen Nutzungsfrequenz eine erhöhte Beanspruchung durch Reifendrehungen im Stand hinzu. Somit wurden beispielsweise Stellplatzbereiche zwischen den Radaufstandspunkten in die Kategorie „gering“ eingeordnet. Stellplatzbereiche an den Radaufstandspunkten (Drehbewegung der Reifen beim Parken, aber geringe Geschwindigkeit) wurden wie gerade Bereiche in Fahrspuren (teilweise Brems- und Anfahrvorgängen, aber keine nennenswerten Lenkbewegungen) in die Beanspruchungskategorie „mittel“ eingeordnet. Kurvenbereiche in Rampen (hohe Fahrgeschwindigkeit und Scherkräfte durch Lenkeinschlag) sowie Anfahr- und Bremsbereiche in der Schrägen wurden der Beanspruchungskategorie „hoch“ zugewiesen. Die Ergebnisse der Korrelation von Verbundfestigkeit / Haftzugfestigkeit und Schichtdicke zur Überrollungshäufigkeit und mechanischen Beanspruchung können Abb. 9 und Abb. 10 entnommen werden. Die Beanspruchungskategorie „gering“ bezieht sich in Parkhaus 2 auf die Stellplatzbereiche. Da diese ohne planmäßig ohne Deckversiegelung ausgeführt wurden, sind diese aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit zu den anderen Untersuchungsstellen nicht in den Diagrammen dargestellt. buch2.indb 188 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 189 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Bei einer Gesamtbetrachtung aller Stellen waren die in der [RIL1] geforderten Haftzugwerte für ein OS 11b-System eingehalten. Betrachtet man die Bereiche mit unterschiedlichen Beanspruchungen als eigenständige Bauteile werden die Anforderungen an die Verbundfestigkeiten (Haftzugfestigkeiten) eines OS 11b Systems gem. [RIL1] in allen Bereichen eingehalten, außer bei den stark befahrenen Kurven- und Rampenbereichen. Bei gesonderter Betrachtung der hoch beanspruchten Bereiche sind die Haftzugfestigkeiten dort im Mittel kleiner als die Anforderung nach [RIL1] von 1,5 N/ mm², wobei jeder Einzelwert über dem geforderten Wert von 1,0 N/ mm² liegt. Die Haftzugfestigkeiten nahmen mit zunehmender mechanischer Beanspruchung im vorliegenden Fall im Mittel ab, wobei die Streuungen größer werden. Vergleicht man die häufig überfahrenen aber mechanisch mittleren Schubbeanspruchungen ausgesetzten Rollspuren in den Fahrgassen mit den mechanisch höher belasteten Kurvenbereichen, fällt auf, dass die Anzahl der Überrollungen nicht der alleinig entscheidende Faktor für den Verschleiß des Beschichtungssystems ist. Die auffällig große Streuung der Kurven- und Rampenbereiche mit mittlerer Überrollungshäufigkeit resultierten dabei maßgeblich aus der Mischung von Bereichen mit intakter und abgefahrener Deckversiegelung. In Bereichen mit abgefahrener Deckversiegelung zeigen die Ergebnisse der Haftzugprüfung, dass noch eine Korneinbindung zum Zeitpunkt der Untersuchung vorhanden war. Die Haftzugfestigkeiten sind in diesen Bereichen allerdings geringer und das Bruchbild verlagerte sich vom Betonuntergrund in die Korneinbindung der Verschleißschicht. Mit zunehmender mechanischer Belastung aus der Scherbeanspruchung im Kurvenbereich fährt sich die Beschichtung schneller ab als durch gleich viele Überfahrungen ohne hohe Scherbeanspruchung. Die Schichtdicken sind generell herstellungsbedingten Streuungen unterworfen, wie die wenig befahrenen Referenzbereiche zeigen. Die Streuungen nehmen erwartungsgemäß mit zunehmender mechanischer Beanspruchung zu. Hier addieren sich die Streuungen aus der Herstellung mit den Streuungen der Abnahme der Schichtdicke durch mechanischen Beanspruchung bzw. Überrollungshäufigkeit. Auch hier ist allerdings der maßgebliche Faktor die mechanische Scherbeanspruchung, da eine Überrollung in der Geraden zu verhältnismäßig wenig Verschleiß am Beschichtungssystem führte Generell konnten auch Bereiche mit komplett abgefahrener Verschleißschicht bis auf die Grundierung, sowie bereits überarbeitete Bereiche festgestellt werden. Ebenfalls auffällig ist die geringere Schichtdicke in Rollspurbereichen im Vergleich zu Nachbarbereichen mit jeweils nicht abgefahrener Deckversiegelung. Eine Ursache hierfür kann ein Kriechen der Beschichtung durch die Überfahrungen sein, die zu einer Verdrückung im Bereich der Rollspuren führt. Eine Spurrinnenbildung konnte im vorliegenden Fall optisch jedoch nicht festgestellt werden. Abweichend zu Parkhaus 2 konnte in Parkhaus 1 keine Korrelation aus Überrollungshäufigkeit, mechanischer Beanspruchung und Schichtdicke, sowie Haftzugfestigkeit gefunden werden. Alle Haftzugfestigkeiten entsprachen nach rd. 20 Jahren Nutzung noch den Werten der [RIL1]. Bei den ermittelten Schichtdicken war der Einfluss aus der Verarbeitung bei der Applikation der dominierende Faktor. Die Deckversiegelung war augenscheinlich an allen Stellen in den untersuchten Ebenen mit Ausnahme von abgefahrenen Kornspitzen der Einstreuung intakt. Die Rissüberbrückungsfähigkeit des Beschichtungssystems wurde nicht explizit untersucht, es zeigten sich im untersuchten Bereich aber keine Risse mit einer Rissbreite von unter 0,25 mm. 6. Fazit Die Ergebnisse der Untersuchungen waren in beiden Parkhäusern signifikant unterschiedlich. 6.1 Parkhaus 1: Aufgrund des kleinen Grundrisses werden hier nur langsame Fahrgeschwindigkeiten erreicht. Trotz ermittelten Überrollungshäufigkeiten von bis zu 1,6 Mio. an den vielbefahrenen Untersuchungsstellen konnte keine Korrelation zwischen Haftzugfestigkeiten, Schichtdicken und Überrollungshäufigkeit gefunden werden. Die Deckversiegelung war an allen untersuchten Bereichen intakt und nur an den Kornspitzen abgefahren. Die Haftzugwerte lagen alle in einem Bereich, an dem sowohl das kleinste Einzelwertkriterium, als auch das Mittelwertkriterium nach RL-SIB für ein OS 11a-System eingehalten wurden. Generell wies das Beschichtungssystem für das Alter und die Nutzungsfrequenz einen sehr geringen Verschleiß auf. 6.2 Parkhaus 2: Der langgestreckte Grundriss und die größeren Rampenradien im Vergleich zu Parkhaus 1, führen hier zu höheren Fahrgeschwindigkeiten der Nutzer. In Parkhaus 2 konnte eine tendenzielle Abnahme der Haftzugfestigkeiten und der Schichtdicken zu der Beanspruchung korreliert werden. Bis auf zwei Bereiche lagen ebenfalls alle Haftzugfestigkeiten in den Grenzen des kleinsten Einzelwertkriteriums, als auch des Mittelwertkriteriums nach RL-SIB für ein OS 11b-System. Die hier tendenziell niedrigeren Haftzugwerte aus hoch beanspruchten und gering beanspruchten Bereichen resultierten maßgeblich aus der abgefahrenen Deckversiegelung. Ist die Deckversiegelung verschlissen, findet bei der Prüfung ein Kohäsionsversagen in der Verschleißschicht aufgrund einer verschlechterten Korneinbindung statt. Bei höherer Beanspruchung sind auch tendenziell geringere die Schichtdicken feststellbar. buch2.indb 189 13.01.20 15: 40 190 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Untersuchungen der Robustheit rissüberbückender Beschichtungssysteme nach 20 Jahren Nutzung in Bestandsparkhäusern Sowohl die abnehmenden Haftzugfestigkeit, als auch die geringeren Schichtdicken korrelieren dabei nicht primär mit den Überrollungshäufigkeiten, sondern vielmehr mit der Scherbeanspruchung aus Kurvenfahrten sowie Anfahren und Bremsen im Bereich der Rampen. So wiesen Bereiche in geraden Rollspuren mit rd. 2,9 Mio. Überrollungen teilweise nur minimale Verschleißspuren in ihrer Deckversiegelung auf, während Stellen mit rd. 900 Tsd. Überrollungen im Kurvenbereich bis in die Verschleißschicht abgefahren waren. Das Beschichtungssystem wies in den meisten Bereichen dennoch einen für das Alter und die Nutzungsfrequenz einen geringen Verschleiß auf. Eine noch vorhandene Rissüberbrückungsfähigkeit der Systeme ist nicht explizit untersucht worden. Anhand der augenscheinlichen Ergebnisse vor Ort, ist jedoch von einer immer noch vorhandenen üblichen Rissüberbrückungsfähigkeit der Systeme auszugehen. Literatur [LAD1] E. M. Ladner, W. Breit, Praxisnahe Bewertung des Verschleißverhaltens von befahrenen Oberflächenschutzsystemen-Praxistest vs. Normprüfung, Endbericht F 250-9201547 vom 09.11.2018 der Technischen Universität Kaiserslautern [LOH1] G. Lohmeyer und K. Ebeling, Parkdecks: Hinweise und Empfehlungen zur Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit für Parkbauten aus Beton, Bau + Technik, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, 2014. [PEC1] A. Pech, G. Warmuth, K. Jens und J. Zeininger, Baukonstruktionen Sonderband; Parkhäuser - Garagen; Grundlagen, Planung, Betrieb, Wien: SpringerWienNewYork, 2. Auflage, 2009. [RIL1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie), Berlin, 10/ 2001. [SCU1] M. Schubert, C. Dauberschmidt, C. Eltschig, D. Nechvatal, M. Rapolder, T. Schedl, Untersuchungen zu Herstellungs- und Instandhaltungskosten von unterschiedlichen Konzepten zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von Parkbauten; Beton und Stahlbetonbau, 111: 564-575. Doi 10.1002/ best2015000068 [WOL1] L. Wolff, M. Raupach Beschichtungsschäden- Schadensmechanismen und Lösungsansätze, Technische Akademie Esslingen, in Verkehrsbauten - Schwerpunkt Parkhäuser und Brücken 3. Kolloquium 2008. Ostfildern TAE S. 313-324 buch2.indb 190 13.01.20 15: 40
