eJournals Kolloquium Parkbauten 9/1

Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
0201
2020
91 Technische Akademie Esslingen

Einflussfaktoren für hoch verschleißfeste Parkhausbeschichtungen

0201
2020
Thomas Pusel
Sandro La Spina
Stefan Kühner
Die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonkonstruktionen wird in befahrenen Bauwerken wie Parkhäusern oder Tiefgaragen durch Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) sichergestellt. Immer wieder wird in der Baubranche über die Lebensdauer dieser Parkhausbeschichtungen diskutiert. Es steht hierbei der nutzungsbedingte Verschleiß, der hauptsächlich durch die mechanische Beanspruchung der Fahrzeuge auftritt, im Mittelpunkt der Diskussionen. Geprüft werden befahrene Oberflächenschutzsysteme u. a. mit Prüfverfahren, wie beispielsweise der DIN EN ISO 5470-1 „Bestimmung des Abriebwiderstandes“ (Taber-Abrieb), welche jedoch die tatsächlichen Beanspruchungen der Praxis nicht widerspiegelt und somit ebenso wenig ein Maß für die Verschleißbeständigkeit ist wie die häufig zitierten Materialhärten nach Shore A und D. Der Vortrag zeigt, warum der PAT-Test derzeit das einzig sinnvolle Verfahren zur Prüfung der Verschleißbeständigkeit ist und warum Prüfungen wie Taber-Abrieb und Shore-Härte nur unzureichende Kennwerte liefern.
kpb910191
9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 191 Einflussfaktoren für hoch verschleißfeste Parkhausbeschichtungen Dr. Thomas Pusel Sika Deutschland GmbH, Stuttgart, Deutschland Sandro La Spina Sika Deutschland GmbH, Stuttgart, Deutschland Dr. Stefan Kühner Sika Deutschland GmbH, Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung Die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonkonstruktionen wird in befahrenen Bauwerken wie Parkhäusern oder Tiefgaragen durch Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) sichergestellt. Immer wieder wird in der Baubranche über die Lebensdauer dieser Parkhausbeschichtungen diskutiert. Es steht hierbei der nutzungsbedingte Verschleiß, der hauptsächlich durch die mechanische Beanspruchung der Fahrzeuge auftritt, im Mittelpunkt der Diskussionen. Geprüft werden befahrene Oberflächenschutzsysteme u. a. mit Prüfverfahren, wie beispielsweise der DIN EN ISO 5470-1 „Bestimmung des Abriebwiderstandes“ (Taber-Abrieb), welche jedoch die tatsächlichen Beanspruchungen der Praxis nicht widerspiegelt und somit ebenso wenig ein Maß für die Verschleißbeständigkeit ist wie die häufig zitierten Materialhärten nach Shore A und D. Der Vortrag zeigt, warum der PAT-Test derzeit das einzig sinnvolle Verfahren zur Prüfung der Verschleißbeständigkeit ist und warum Prüfungen wie Taber-Abrieb und Shore-Härte nur unzureichende Kennwerte liefern. 1. Allgemein Die genormten Prüfverfahren testen in Bezug auf das Verschleißverhalten nicht eine Systemeigenschaft, sondern nur eine Produkteigenschaft. Ein befahrenes Oberflächenschutzsystem besteht aus verschiedenen Produkten und somit spielen auch mehrere Faktoren für das Verschleißverhalten des Parkhausbeschichtungssystems eine Rolle. Neben den verschiedenartigen mechanischen Belastungen (Schub- und Scherkräfte im Kurvenbereich, Anfahren und Abbremsen, etc.) an sich sind sowohl das Abstreukorn bzgl. der Größe, Festigkeit und Menge als auch das Bindemittel bzgl. der Schichtdicke, Polymervernetzung und Sandeinbindeverhalten wichtige Faktoren, die das Verschleißverhalten einer Beschichtung beeinflussen. Die Wahl des Bindemittels hat somit aus unserer Sicht einen größeren Einfluss für die Beständigkeit der Verschleißschicht bzw. für die Beschichtung im Gesamtsystem als das Einstreukorn. Das wurde z.B. durch die TU Kaiserslautern bei ihren Untersuchungen am Verschleißverhalten von OS-Systemen so bestätigt [1]. Die Untersuchungen zeigten, dass sowohl zwischen den unterschiedlichen Arten von Beschichtungssystemen (OS 8, OS 11, OS 13) als auch innerhalb der Systemgruppen deutlich messbare Unterschiede hinsichtlich des Verschleißverhaltens festgestellt werden konnten. 2. Normative Prüfverfahren Mit den Prüfverfahren Taber Abriebverfahren (DIN EN ISO 5470-1), BCA-Verfahren (DIN EN 13892-4) sowie dem RWA-Verfahren (DIN EN 13892-5) erfolgt der normative Nachweis der Dauerhaftigkeit von Beschichtungssystemen [2]. Diese Verfahren sind ursprünglich zur Verschleißbestimmung an anderen Materialien und auch für andere Anwendungsgebiete entwickelt worden. Aufgrund der vorgegebenen Beanspruchungsart, der Belastung als auch der anschließenden Auswertung führen diese Verfahren bei Beschichtungssystemen zu keinen praxisrelevanten Ergebnissen und sind daher auch in der Fachwelt umstritten. Im Zuge der Grundprüfung für ein Oberflächenschutzsystem wird an den gemischten Stoffen der Härtungsverlauf über die Entwicklung der Shore-Härte A bzw. D ermittelt. Die Härte des Kunstharzes wird gemäß der DIN EN ISO 868 „Kunststoffe und Hartgummi - Bestimmung der Eindruckhärte mit einem Durometer (Shore-Härte)“ ermittelt. 3. Taber Abriebverfahren Der Anwendungsbereich des Taber Abriebverfahren ist die Bestimmung des Abriebwiderstandes von beschichteten Textilien. Gemäß der DIN EN 1504-2 ist es buch2.indb 191 13.01.20 15: 40 192 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Einflussfaktoren für hoch verschleißfeste Parkhausbeschichtungen für Imprägnierungen und Beschichtungen auf Beton zu prüfen, wenn deren physikalische Widerstandsfähigkeit nachgewiesen werden soll [3]. Im Prinzip versteht man bei diesem Verfahren unter Abrieb den fortschreitenden Materialverlust der abgeriebenen Oberfläche eines Beschichtungsmaterials, der durch die schneidende oder kratzende Wirkung eines Reibrades hervorgerufen wird. Zur Präzision des Prüfverfahrens liegen bisher keine Ergebnisse aus Ringversuchen vor, so dass darüber keine Aussagen getroffen werden können. Es ist jedoch zu vermuten, dass aufgrund der vielen Parameter, die genauestens eingehalten werden müssen, (z.B. die Abstände der einzelnen Bauteile und die Anbringung der Gegengewichte) die Abweichungen in den Prüfergebnissen relativ hoch ausfallen werden[4]. Diese Vermutung zur (geringen) Präzision des Prüfverfahrens konnte in einem Ringversuch an Industriefußböden bestätigt werden. In den Ringversuch wurden acht Labore, davon vier akkreditierte Prüfinstitute, in vier Ländern mit einbezogen. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Streuung war so groß, dass eine Vergleichbarkeit nicht möglich war (Abb. 1). Somit ist eine Reproduzierbarkeit des Verfahrens nicht gewährleistet. Abb. 1: Taber Abrieb (CS11/ 1000/ 1000) in µg an zwei verschiedenen Polyurethan-Beschichtungen. Inwieweit nun dieses genormte Abriebverfahren Rückschlüsse auf das Verschleißverhalten von Beschichtungen für Parkbauten zulässt, ist fragwürdig. Denn das tatsächliche reale Belastungsszenario wird durch das Prüfverfahren nicht abgebildet - so werden z.B. das Anfahren und Bremsen, der Haftverbund zwischen den einzelnen Schichten, der Verbund zwischen dem Beschichtungssystem und dem Untergrund mit den dadurch entstehenden Schub- und Scherspannungen, sowie die intensiven Druckkräfte, dabei nicht berücksichtigt. 4. Härteprüfung nach Shore A und Shore D Diese Methode dient zur Bestimmung der Härte mit den Shore A und Shore D Härteprüfgeräten. Sie ermöglicht die Bestimmung der Härte nach der vollständigen Aushärtung an Probekörpern und Erzeugnissen aus Kunststoffen und Hartgummi (DIN EN ISO 868). Unter der Härte versteht man die Größe des Widerstandes, den ein fester Körper (insbesondere seine Oberfläche) dem Eindringen eines anderen Körpers entgegensetzt. Bei physikalischen Härtebestimmungen wird ein definierter Probenkörper mit bestimmter Kraft stoßfrei einige Zeit lang gegen die Oberfläche des zu prüfenden Materials gedrückt. Unter der Härte nach Shore wird der Widerstand gegen das Eindringen eines Körpers bestimmter Form unter definierter Federkraft verstanden. Der eindringende Probekörper ist ein Metallstift, der beim Härteprüfgerät nach Shore A kegelförmig ist, eine abgeflachte Spitze hat und für Messungen an Elastomeren geeignet ist. Beim Härteprüfer nach Shore D ist der Metallstift kegelförmig und spitz zulaufend. Die Prüfung wird mit unverfülltem Material mit einer Mindestschichtdicke von 4,0 mm durchgeführt. Die Probekörper dürfen keine runde, unebene oder raue Oberfläche haben. Die Verschleißschichten von Oberflächenschutzsystemen sind in der Regel mit Quarzsand vorgefüllt und werden im Nachgang noch mit Quarzsand im Überschuss abgestreut. Somit unterscheiden sich die vom Prüfverfahren vorgesehenen Prüfkörper grundlegend von den Verschleißschichten in der Praxis, was eine Korrelation ausschließt. 5. Bestimmung der Verschleißbeständigkeit nach dem PAT-Verfahren Sowohl an der Technischen Universität Kaiserslautern [1] als auch bei der Sika Deutschland GmbH [5] werden Verschleißuntersuchungen durchgeführt, bei dem ein PKW-Reifen den Einparkvorgang simuliert. Hierbei handelt es sich um den Parking Abrasion Test (PAT), der das Belastungsszenario realitätsnah nachstellt (Abb. 2). Mit Hilfe dieser Prüfmethode sind gezielte Entwicklungen von Beschichtungen mit hoher Abnutzungsbeständigkeit möglich, da anhand von Vergleichsreihen Produkte und Systemkomponenten mit den robustesten Gesamteigenschaften ausgewählt werden können. Ein Beispiel ist die neue Generation von Polyurethanen auf Basis der i-Cure® Technologie. Hier konnten signifikante Unterschiede im Verschleißverhalten in Relation zur Feuchtigkeitsempfindlichkeit gezeigt werden [6]. Die neue i-Cure® Technologie ermöglicht dabei eine gleichbleibend hohe Abriebbeständigkeit des Beschichtungsmaterials gerade auch bei kritischen klimatischen Bedingungen während der Applikation. buch2.indb 192 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 193 Einflussfaktoren für hoch verschleißfeste Parkhausbeschichtungen Abb. 2: Prüfstand Parking Abrasion Test der Sika Deutschland GmbH Abb. 3 zeigt ein totales Versagen bereits nach 5.000 Zyklen von einem Standard-PU-Beschichtungssystem, welches bei 8°C und 80% rLf appliziert wurde. Im Gegensatz dazu ist der bei Raumtemperatur beschichtete Prüfkörper auch bei 20.000 Zyklen nur minimal beschädigt. Herkömmliche mechanische Untersuchungen können diese Unterschiede nicht abbilden. Im Unterschied dazu zeigt Abb. 4 eine feuchtetolerante Beschichtung basierend auf der i-Cure® Technologie. Die Ergebnisse zeigen keinen Einfluss von den Applikationsbedingungen. Abb. 3: PAT Prüfung eines Standard-PU-Beschichtungssystems beschichtet bei 8°C 80% rLf (links) und 23°C 50% rLf (rechts) nach jeweils 5.000 Zyklen Abb. 4: PAT Prüfung eines iCure-PU-Beschichtungssystems beschichtet bei 8°C 80% rF (links) und 23°C 50% rLf (rechts) nach jeweils 5.000 Zyklen 6. Zusammenfassung Die Bestimmung der Lebensdauer von Parkhausbeschichtungen ist ein häufig diskutiertes Thema. Der nutzungsbedingte Verschleiß, durch die mechanische Beanspruchung der Fahrzeuge, wird häufig korreliert mit Verfahren, wie beispielsweise Taber-Abrieb oder der Shore Härte. Diese Prüfverfahren sind jedoch nicht geeignet ein praxisnahes Verschleißverhalten abzubilden. Der PAT-Test derzeit das einzig sinnvolle Verfahren zur Prüfung der Verschleißbeständigkeit. Mit dem PAT-Test lassen sich nicht nur Unterschiede an einzelnen Materialien, sondern auch an Applikationsbedingungen und unterschiedlichen OS-Systemaufbauten aufzeigen. Literatur [1] Ladner, E.-M., Breit, W.: Oberflächenschutzsysteme im praxisnahen Verschleißtest - Bestimmung von Materialparameter unter verschiedenen Randbedingungen und deren Einfluss auf das Verschleißverhalten von Oberflächenschutzsystemen, in Beiträge zur 5. DAfStb-Jahrestagung mit 58. Forschungskolloquium Band 1 20./ 21. September 2017 Technische Universität Kaiserslautern, S. 13-21, 20.-21.09.2017 [2] EN 1505-2: 2004, „Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken Teil2: Oberflächenschutzsysteme für Beton“ [3] EN ISO 5470-1: Bestimmung des Abriebwiderstandes. Teil 1: Taber-Abriebprüfgerät DIN EN ISO 5470-1: 09.1999 [4] Breit, W.; Ladner, E.-M.; Krams, J.: Nachweis der Verschleißbeständigkeit von Parkhausbeschichtungssystemen unter realitätsnahen Prüfbedingungen. Forschungsinitiative Zukunft Bau, F 2954, SF-10.08.18.7-11.26/ II 3-F20-10-074 vom 12. Dezember 2014 [5] Pusel, T.; Zilg, C.; Bänzinger, H.: Abnutzungsprüfung von OS Parkhaussystemen unter “Real-Bedingungen”. In: 3. Verkehrsbauten vom 29.-30. Januar 2008 in Ostfildern, Technische Akademie Esslingen, Ostfildern, 2008 [6] Pusel, T.; Grötzinger, J.; La Spina, S.: Parkhausbeschichtungen mit erhöhter Feuchtigkeitstoleranz vom Januar 2018 in Ostfildern, Technische Akademie Esslingen, Ostfildern, 2018 buch2.indb 193 13.01.20 15: 40