eJournals Kolloquium Parkbauten 9/1

Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
0201
2020
91 Technische Akademie Esslingen

Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten?

0201
2020
Frank Fingerloos
Christoph Gehlen
kpb910209
9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 209 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Frank Fingerloos Berlin Christoph Gehlen München 1. Anlass Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und der Dauerhaftigkeit von Betonbauwerken werden seit einigen Jahren im Rahmen von nationalen und internationalen Forschungsarbeiten leistungsbezogene („Performance-basierte“) Konzepte zur differenzierteren Abschätzung des Bauteilwiderstandes (Betondichtheit und Betondeckung) unter verschiedenen Umgebungsbedingungen entwickelt und auch schon in einzelnen Bauprojekten erprobt. In einigen europäischen Normungsgremien des CEN wird vor diesem Hintergrund über die Einführung so genannter „Widerstandsklassen“ für Beton beraten („Exposure Resistance Classes - ERC“). Im Zuge der bereits begonnenen Überarbeitung des Eurocode 2 und der Weiterentwicklung der EN 206 „Beton“, die erst jenseits des Jahres 2020 abgeschlossen sein werden, wird derzeit in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von CEN/ TC 250/ SC 2 (Bemessung - Eurocode 2) sowie CEN/ TC 104/ SC 1 (Baustoffe - Beton) und CEN/ TC 104/ SC 2 (Bauausführung) unter Einbindung der Technischen Komitees für Zement (CEN/ TC 51) und Fertigteile (CEN/ TC 229) ein entsprechendes neues Dauerhaftigkeitskonzept insbesondere für die Bewehrungskorrosion infolge von Carbonatisierung und Chloridmigration entwickelt. In Deutschland wurden grundlegende wissenschaftliche Forschungsarbeiten für die leistungsbezogene Dauerhaftigkeitsbemessung und -konstruktion insbesondere an der TU München vorangetrieben. Aus diesen Forschungsarbeiten haben sich einige interessante Dissertationen und Veröffentlichungen zur Beurteilung der Bewehrungskorrosion in Stahlbetonbauteilen ergeben, auf die im Rahmen dieses Beitrags speziell vor dem Hintergrund der Beanspruchungen in Parkbauten eingegangen werden soll. Es sind dies: - DAfStb-Heft 622: Stefanie von Greve-Dierfeld: Bemessungsregeln zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit XC-exponierter Stahlbetonbauteile. Dissertation TU München, 2016 [1], - DAfStb-Heft 626: Amir Rahimi: Semiprobabilistisches Nachweiskonzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauteilen unter Chlorideinwirkung. Dissertation TU München, 2017 [2], - BAW-Merkblatt: Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauwerken bei Karbonatisierung und Chlorideinwirkung (MDCC). Ausgabe 2017 [3], - DAfStb-Instandhaltungs-Richtlinie (Entwurf bzw. „Gelbdruck“, Stand: Juni 2016) - Teil 5 (informativ): Nachweisverfahren zur Ermittlung der Restnutzungsdauer und der Bemessung von Schichtdicken für Betonersatz bei Karbonatisierung und Chlorideinwirkung [4]. In diesem Beitrag soll es insbesondere darum gehen, auf den aktuellen Stand der Wissenschaft - z. T. auch Stand der Technik - einzugehen und auf Chancen und Risiken bei der Anwendung solcher leistungsbezogener Dauerhaftigkeitskonzepte aufmerksam zu machen. Beispielhaft wird die Anwendung für den Widerstand gegen chloridinduzierte Bewehrungskorrosion in der Expositionsklasse XD3 bei Stahlbetonbauteilen in Parkbauten detaillierter erläutert. Darüber hinaus wird der aktuelle Wissensstand zur Korrosionsintensität von Betonstahlbewehrung in Rissen zusammengefasst, in die über maximal eine Wintersaison Chloride aus Tausalz eingedrungen sind. Diese Frage ist essentiell für die Stahlbetonbauweisen in Parkbauten mit und ohne Oberflächenschutzsystemen, insofern wurde sie auch im DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ aufgegriffen. 2. Grundlagen der Dauerhaftigkeitsbemessung Die grundlegenden Überlegungen zur Thematik haben Gehlen et al. in [5] beschrieben, die im Folgenden auszugsweise zitiert und ergänzt werden. Die in einer statischen Berechnung angesetzten Bauteilwiderstände werden größtenteils als zeitunabhängig betrachtet. Die Tragwerkssicherheit, aber auch die Gebrauchstauglichkeit unterliegen jedoch auch zeitlichen Einflüssen. Bei einem Verlust der Standsicherheit droht neben möglichen Konsequenzen für Leib und Leben immer auch ein wirtschaftlicher Totalverlust. Aus diesem Grund ist ein Tragwerksversagen mit normativ festgelegter, sehr hoher buch2.indb 209 13.01.20 15: 40 210 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Wahrscheinlichkeit zu vermeiden. Von einer gebrauchstauglichen Konstruktion wird erwartet, dass sie unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen eine ausreichend zuverlässige Funktionalität aufweist. Bewehrungskorrosion beispielsweise, findet sie über entsprechend lange Zeiträume statt, kann nicht nur die Gebrauchstauglichkeit von Stahlbetonbauwerken herabsetzen (Rissbildung, Rostfahnen, Betonabplatzungen), sondern auch - bei stärkerer Ausprägung - die Tragfähigkeit von bewehrten Betonbauteilen beeinträchtigen (signifikanter Querschnittsverlust der Bewehrung). Im Zusammenhang mit zeitabhängigen Korrosionsprozessen von Betonstahl und Beton wird im Allgemeinen von einem Dauerhaftigkeitsproblem gesprochen. Mit Veröffentlichung der seinerzeit neuen Bemessungsnorm DIN 1045-1 und der europäischen Betonnorm DIN EN 206-1 mit den deutschen Anwendungsregeln in DIN 1045-2 und der Norm für die Bauausführung DIN 1045-3 im Jahr 2001 fand das Dauerhaftigkeitsproblem eine deutliche Aufwertung in der Normung. Zur Erinnerung: Im Eurocode 2 DIN EN 1992-1-1 [6], [7] werden u. a. folgende Anforderungen an die Dauerhaftigkeit formuliert: - Die Anforderung nach einem angemessen dauerhaften Tragwerk ist erfüllt, wenn dieses während der vorgesehenen Nutzungsdauer seine Funktion hinsichtlich der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit ohne wesentlichen Verlust der Nutzungseigenschaften bei einem angemessenen Instandhaltungsaufwand erfüllt. - Der erforderliche Schutz des Tragwerks ist unter Berücksichtigung seiner geplanten Nutzung und Nutzungsdauer, der Einwirkungen und durch Planung der Instandhaltung sicherzustellen. - Der mögliche Einfluss von direkten und indirekten Einwirkungen, von Umgebungsbedingungen und von daraus folgenden Auswirkungen muss berücksichtigt werden. - Der Schutz der Bewehrung vor Korrosion hängt von Dichtheit, Qualität und Dicke der Betondeckung und der Rissbildung ab. Die Dichtheit und die Qualität der Betondeckung werden durch Begrenzung des Wasserzementwertes und durch einen Mindestzementgehalt (siehe DIN EN 206-1) erreicht. Diese Anforderungen können in Bezug zu einer Mindestbetondruckfestigkeitsklasse gebracht werden. - Um die angestrebte Lebensdauer des Tragwerks zu erreichen, müssen angemessene Maßnahmen ergriffen werden, die jedes einzelne Bauteil vor den jeweiligen umgebungsbedingten Einwirkungen schützen. - Die Anforderungen an die Dauerhaftigkeit müssen berücksichtigt werden bei dem Tragwerksentwurf, der Baustoffauswahl, den Konstruktionsdetails, der Bauausführung, der Qualitätskontrolle, der Instandhaltung, den Nachweisverfahren und bei besonderen Maßnahmen (z. B. Verwendung von nichtrostendem Stahl, Beschichtungen, kathodischem Korrosionsschutz). - Eine angemessene Dauerhaftigkeit des Tragwerks gilt als sichergestellt, wenn neben den Anforderungen aus den Nachweisen in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit und den konstruktiven Regeln der Kapitel 8 und 9 die Anforderungen des Kapitels 4 sowie die Anforderungen an die Zusammensetzung und die Eigenschaften des Betons nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 und an die Bauausführung nach DIN 1045-3 bzw. DIN EN 13670 erfüllt sind und das Bauwerk bzw. Bauteil einer geplanten Instandhaltung inklusive Inspektion, Wartung und Instandsetzung unterliegt (siehe DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“). Um eine ausreichende Dauerhaftigkeit von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken sicherzustellen, werden in den aktuellen Normen bisher lediglich Konstruktionsregeln vorgeschrieben. Zur Vermeidung von Bewehrungskorrosion sind in den Normen [7], [9] relativ unscharf unterteilte Expositionsklassen definiert, die sowohl die Umwelteinwirkungen beschreiben sollen, als auch zur deskriptiven Festlegung des Bauteilwiderstandes (Mindestbetondeckung, rechnerisch einzuhaltende Rissbreite, Anforderungen an die Betonzusammensetzung und die Nachbehandlung) dienen. Diese Art der Dauerhaftigkeitsbemessung ist historisch gewachsen (d. h., sie beruht auf nicht vollständig dokumentierten oder dokumentierbaren Erfahrungswerten) und steht im deutlichen Gegensatz zur statischen Tragwerksbemessung. Trotzdem wird die Dauerhaftigkeitsbemessung auf deskriptiver Grundlage bis heute weltweit praktiziert. Ein Nachteil der historisch gewachsenen, oft geänderten Normregeln ist, dass bei der Bemessung gegenüber dauerhaftigkeitsrelevanten Einwirkungen für den planenden Ingenieur nicht ersichtlich ist, welche Bedeutung und Wertigkeit einzelne Kennwerte haben. Diese vorgenannte unvollständige Datenlage, daraus folgende Unklarheiten zum erzielbaren rechnerischen Zuverlässigkeitsniveau, eine regelmäßig nur auf 50 Jahre geplante hochbautypische Nutzungsdauer und in Einzelfällen aufgetretene Dauerhaftigkeitsprobleme haben Forscher motiviert, ein besser nachvollziehbares, wahrscheinlichkeitstheoretisch abgestütztes Bemessungsmodell zu entwickeln. Dieses Modell soll einen Zusammenhang zwischen normativ fixierten Konstruktionsregeln und bislang erarbeiteten, gesicherten Forschungserkenntnissen für eine neue, transparentere Konzeption hinsichtlich der Dauerhaftigkeitsbemessung von Stahlbetonbauteilen herstellen. Die in den neuen DAfStb-Heften 622 [1] und 626 [2] hergeleiteten Ansätze und Hilfsmittel (Bemessungsnomogramme) für eine differenziertere Dauerhaftigkeitsbemessung sollen die zuvor formulierten Anforderungen an die Dauerhaftigkeit aus dem Eurocode 2 unter bestimmten Voraussetzungen auch erfüllen. Dabei entsprechen sie in ihrer Vorgehensweise den vertrauten Bemessungsformaten der statischen Bemessung, bei der Einwirkungen (wie Lasten) und Bauteilwiderstände (wie Querschnittstragfähigkeiten) gegenübergestellt werden. buch2.indb 210 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 211 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Bei einer leistungsbezogenen Dauerhaftigkeitsbemessung müssen bei Anwendung des Berechnungsmodells auch Annahmen und Konventionen zur Bauwerkszuverlässigkeit getroffen werden, die von der Bauteilexposition und den etwaigen Schadensfolgen abhängen. Die dazugehörigen rechnerischen Zuverlässigkeitsindizes werden als Zielwerte in den probabilistischen Berechnungen zugrunde gelegt (siehe auch Abschnitt 3). An die Stelle der einwirkenden (statischen) Lasten treten Umwelteinwirkungen, wie z. B. CO2- oder Chloridkonzentrationen, und der Bauteilwiderstand wird statt durch den Bewehrungsgehalt, die Bauteilgeometrie und die Betondruckfestigkeit beispielsweise durch die Dicke der Betondeckung und die Transporteigenschaften des Betons (CO2- oder Chlorid-Diffusionskoeffizienten) charakterisiert. Ausgehend von dem international erreichten Entwicklungsstand der vollprobabilistischen Dauerhaftigkeitsbemessung hat die fib (fédération internationale du béton) einen „Model Code for Service Life Design“ veröffentlicht [10]. Das darin entwickelte Dauerhaftigkeitsbemessungskonzept wurde teilweise auch in den 2013 herausgegebenen fib „Model Code 2010“ [11] integriert. Allerdings findet die probabilistische Dauerhaftigkeitsbemessung bisher nur für die Schädigungsmechanismen chlorid- und karbonatisierungsinduzierte Korrosion von ungerissenem Beton als leistungsbezogenes Entwurfsverfahren Anwendung [12]. Der Bezug auf die ungerissene Betondeckung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass als rechnerischer „Ersatz-“Grenzzustand der Dauerhaftigkeit der klar definierbare Zeitpunkt der Depassivierung der Bewehrung festgelegt wurde (Konvention). Im Bereich eines offenen Risses wird die Depassivierung wegen der schnelleren Karbonatisierung der Rissufer bzw. wegen der deutlich schnelleren Depassivierung der risskreuzenden Bewehrung durch über den Riss eingedrungende Chloride, in kürzerer Zeit erreicht. Die Korrosion der Bewehrung kann hier, örtlich auf die risskreuzenden Bewehrungsoberflächen beschränkt, daher wesentlich schneller beginnen. Das wird aber im derzeitigen deskriptiven Bemessungskonzept auch hingenommen, da tatsächlich kritische Bauteilzustände praktisch erst erreicht werden, wenn die fortschreitende Bewehrungskorrosion zu Abplatzungen oder Rissverbreiterungen in der Betondeckung oder zu einer standsicherheitsrelevanten Querschnittsschwächung führt (vgl. auch Bild 2). In Deutschland bot der informative Anhang J der DIN EN 206-1 [8] erstmals die normative Möglichkeit zur Anwendung einer leistungsbezogenen Dauerhaftigkeitsbemessung - u. a. auch gemäß der Ansätze in [10] - an. Danach sollten leistungsbezogene Entwurfsverfahren quantitativ jeden maßgebenden Zerstörungsmechanismus berücksichtigen und entweder auf zufriedenstellenden baupraktischen Erfahrungen unter örtlichen Umgebungsbedingungen oder Daten eines anerkannten Prüfverfahrens für den maßgebenden Schädigungsmechanismus oder der Anwendung erprobter Vorhersagemodelle beruhen. Allerdings enthält der Anhang J [8] keine weiteren Hinweise zur praktischen Umsetzung. Um diese Lücke zu schließen, hat der Deutsche Ausschuss für Stahlbeton zum einen ein Positionspapier [12], [13] erarbeitet und zum anderen gemeinsam mit der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) mehrere Forschungsvorhaben gefördert, deren Ergebnisse auch Eingang in die beiden Dissertationen von v. Greve-Dierfeld [1], bzw. Rahimi [2] fanden. Bisher ist dieser Weg allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen und Zustimmungen im Einzelfall vorbehalten gewesen. Darüber hinaus hat auch die Bundesanstalt für Wasserbau die Forschungsergebnisse für leistungsbezogene Nachweisverfahren aufgegriffen und im BAW-Merkblatt „Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauwerken bei Karbonatisierung und Chlorideinwirkung (MDCC)“ [3] umgesetzt. Dieses BAW-Merkblatt soll allen am Ingenieur-Wasserbau Beteiligten einen transparenten Umgang mit der Bemessung und Bewertung der Dauerhaftigkeit hinsichtlich karbonatisierungs- und chloridinduzierter Betonstahlkorrosion, z. B. insbesondere auch bei geplanten Nutzungsdauern von 100 Jahren, ermöglichen. Mit dem Einführungserlass WS 12/ 5257.23/ 22 vom 3. November 2017 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) die ZTV-W, Leistungsbereich 219, Ausgabe 2017 [14] sowie das BAW- Merkblatt (MDCC), Ausgabe 2017 [3] für den Geschäftsbereich der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes eingeführt. Sie sind bei allen einschlägigen Bauleistungen zu Grunde zu legen. 3. Was bedeutet „geplante Nutzungsdauer“? Im Zusammenhang mit der Bemessung von Tragwerken in Bezug auf die Dauerhaftigkeit ist der Begriff der „geplanten Nutzungsdauer“ eines Bauwerks (oder Bauteils) von Bedeutung. Das Prinzip ist in DIN EN 1990 [15] wie folgt beschrieben: „2.4 Dauerhaftigkeit: (1)P Das Tragwerk ist so zu bemessen, dass zeitabhängige Veränderungen der Eigenschaften das Verhalten des Tragwerks während der geplanten Nutzungsdauer nicht unvorhergesehen verändern. Dabei sind die Umweltbedingungen und die geplanten Instandhaltungsmaßnahmen zu berücksichtigen.“ Die „geplante Nutzungsdauer“ ist klar vom Begriff „Lebensdauer“ zu unterscheiden. Die Definition ist in DIN EN 1990 [15] enthalten: „1.5.2.8 geplante Nutzungsdauer: angenommene Zeitdauer, innerhalb der ein Tragwerk unter Berücksichtigung vorgesehener Instandhaltungsmaßnahmen für seinen vorgesehenen Zweck genutzt werden soll, ohne dass jedoch eine wesentliche Instandsetzung erforderlich ist.“ Quantitativ unbestimmt bleibt, was eine „wesentliche Instandsetzung“ bedeutet und wann diese wirklich erforderlich wird. Ein Tragwerk beginnt naturgemäß nutzungs- und physikalisch bedingt mit dem Tag nach seiner Herstellung zu buch2.indb 211 13.01.20 15: 40 212 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? „altern“. Das wird durch die zeitabhängigen Veränderungen seiner Eigenschaften bestimmt. Das probabilistische Konzept der Eurocodes beruht darauf, planmäßigen Einwirkungen (E d ) einen Bauteilwiderstand (R d ) entgegenzusetzen. In Bezug auf die Dauerhaftigkeit beinhaltet der Bauteilwiderstand auch einen Abnutzungsvorrat, der i. d. R. über die Nutzungsdauer planmäßig abgebaut wird. Die Abnutzung (oder das „Altern“) einer Betondeckung wird in der Regel u. a. durch den Fortschritt der Karbonatisierungsfront oder durch das fortlaufende Eindringen von Chloriden in die Betonrandzone bestimmt. In diesem Prozess können auch erste hinnehmbare Korrosionserscheinungen an der Bewehrung und Rissbildungen infolge der Volumenvergrößerung der Korrosionsprodukte auftreten. Der Bauteilwiderstand zum Zeitpunkt t = 0 (R act , 0 ) kann planmäßig bis zum Erreichen eines Mindestbauteilwiderstandes (R min ) über die geplante Nutzungsdauer abnehmen, ohne dass die Nutzungsfähigkeit des Tragwerks verloren geht (vgl. rote Linie in Bild 1). Bei Erreichen von R min ist dann eine „wesentliche“ Instandsetzung notwendig, mit der der verlorene Abnutzungsvorrat (ΔR) aufgefüllt und eine weitere Nutzung ermöglicht wird. Dabei kann die Abnutzung auch durch schädigende Ereignisse, z. B. entweder durch Betonstahlermüdung oder durch ein frostbedingtes Abplatzen bzw. durch eine mechanische Beschädigung der Betondeckung, beschleunigt werden, so dass der verbleibende Abnutzungsvorrat (R act ) bei gleichbleibenden Einwirkungen nicht ausreicht, um bei planmäßigem weiterem Abbau des Vorrats die vorgesehene Zuverlässigkeit des Bauwerks bis zum Ende der geplanten Nutzungsdauer zu erhalten (Kurve R act,ur in Bild 1). Dann kann auch im Rahmen der vorgesehenen Instandhaltung eine Instandsetzung vor Erreichen der planmäßigen Nutzungsdauer notwendig werden, mit der der durch eine Beschädigung verlorene Abnutzungsvorrat aufgefüllt wird (ΔR in Bild 1). Bild 1: Reduzierung des Abnutzungsvorrats der Betondeckung - Beispiel: geplante Nutzungsdauer 50 Jahre (nach [16]) Die Reduzierung eines Abnutzungsvorrats ist demnach der Stahlbeton- und Spannbetonbauweise immanent. Dies wird auch bei einer leistungsorientierten Beurteilung der Dauerhaftigkeit berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund muss bei einer probabilistisch basierten Dauerhaftigkeitsbemessung ein zweckmäßiger Grenzzustand der Dauerhaftigkeit definiert werden, der mit einer bestimmten Zuverlässigkeit nicht erreicht wird. Der Schädigungsverlauf der Bewehrungskorrosion kann in eine Einleitungsphase und eine Schädigungsphase unterteilt werden [5]. Während der Einleitungsphase dringen Kohlendioxid oder Chloride in den Beton ein. Die Einleitungsphase endet mit der Depassivierung der Bewehrungsoberfläche, wenn die Karbonatisierungsfront die Bewehrung erreicht oder der Chloridgehalt an der Bewehrungsoberfläche einen kritischen Chloridgehalt übersteigt. Die Bewehrungskorrosion setzt erst in der an die Depassivierung anschließenden Schädigungsphase ein. Die Depassivierung der Bewehrungsoberfläche stellt noch keine Schädigung des Bauwerks dar. Da jedoch für die sich anschließende Schädigungsphase derzeit noch keine ausreichend validierten Modelle vorliegen, wird für Dauerhaftigkeitsbemessungen in der Regel der Grenzzustand „Depassivierung“ stellvertretend für andere, sich zeitlich danach einstellende verschiedene Grenzzustände betrachtet [5], [12] (siehe auch Bild 2). Bild 2: Zeitlicher Schädigungsverlauf der Bewehrungskorrosion beispielhaft für Expositionsklasse XD3 (nach [5], hier angepasst) Die Dauer der Einleitungsphase und der Grad der folgenden Schädigungen in der Schädigungsphase unterscheiden sich unter verschiedenen Umgebungsbedingungen (d. h. zwischen den Expositionsklassen). Um diese unterschiedlichen Prozessgeschwindigkeiten näherungsweise zu berücksichtigen, werden bisher differenzierte Zuverlässigkeiten in der probabilistischen Analyse verwendet. Das Zuverlässigkeitsniveau ergibt sich aus den Anforderungen an die Betonzusammensetzung (Wasserzementwert, Bindemittelauswahl) und der Mindestbetondeckung. Ein dazugehöriger Zuverlässigkeitsindex soll in Abhängigkeit vom Aufwand zur Risikominimierung bezogen auf den Instandsetzungsaufwand gewählt werden. In Deutschland wurde hierfür als Orientierung für die Zielgröße in den Expositionsklassen XS1/ XD1, XC2 und XC4 ein Zuverlässigkeitsindex β Ziel = 1,5 empfohlen. In der Expositionsklasse XC3 („mäßige Feuchte“) ist nach der relativ schnell erreichten Depassivierung (bei in der Regel eher trockenen Umgebungsbedingungen) ein nur geringer Korrosionsabtrag der Bewehrung über einen längeren Zeitraum gegeben. Daher wird für XC3 ein Zuverlässigkeitsindex β Ziel = 0,5 akzeptiert [12]. Bei den aggressiveren Expositionsklassen mit stärkerer Chlorid- und Feuchteeinwirkung XS2/ XD2 und buch2.indb 212 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 213 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? XS3/ XD3 können sich in der Schädigungsphase relativ schnell Korrosionsabträge der Bewehrung einstellen („Lochfraß“). Vergleichsrechnungen zeigten, dass bei Einhaltung der Mindestanforderungen der Normen (Mindestbetondeckung 40 mm, w/ z-Werte ≤ 0,50 bzw. 0,45, Mindestzementgehalte z ≥ 320 kg/ m³) für die hinsichtlich Chlorideindringung ungünstigste Betonzusammensetzung mit CEM I-Zement der Zuverlässigkeitsindex β deutlich unter 1,5 liegt [26]. In Bild 2 werden diese Zusammenhänge am Beispiel der Expositionsklasse XD3 qualitativ dargestellt. Das Erreichen der geplanten Nutzungsdauer ist bauteilbezogen je nach Schädigungsgrad und Funktionsfähigkeit des Bauteils unterschiedlich. Gekennzeichnet ist dies durch Erreichen eines standsicherheitsrelevanten Querschnittsverlustes oder durch Risse und Betonabplatzungen, die durch expandierende Korrosionsprodukte verursacht werden, vgl. hierzu auch [27]. Ein Querschnittsverlust der Bewehrung von etwa 40 % braucht die Sicherheit aus den Teilsicherheitsbeiwerten für die Bemessung der Bewehrung im GZT theoretisch auf ( ϒE × ϒS ≈ 1,4 × 1,15 = 1,6). Der zu erwartende „übliche“ Instandsetzungsaufwand während und der „wesentliche“ Instandsetzungsaufwand am Ende der geplanten Nutzungsdauer ist bei chloridinduzierter Bewehrungskorrosion i. Allg. als hoch einzuschätzen. Einem hohen Aufwand zur Risikominimierung bzgl. der Bewehrungskorrosion steht bei starken Chloridbelastungen ein vergleichbar hoher Instandsetzungsaufwand gegenüber. Der Instandsetzungsaufwand ist aber auch davon abhängig, wie rechtzeitig ein sich anbahnender Korrosionsschaden entdeckt und instand gesetzt wird. Bei frühzeitiger Instandsetzung ist der Aufwand am geringsten. Instandsetzungsmaßnahmen im fortgeschrittenen Korrosionsstadium erfordern einen signifikant höheren Aufwand. Daher wurden die Forderung nach obligatorischer Instandhaltungsplanung (Inspektion, Wartung, Instandsetzung) mit vorgeschriebenen Instandhaltungsintervallen auch im aktuellen Nationalen Anhang zu Eurocode 2 DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1-Änderung: 2015-12 und im DBV-Merkblatt [17] verankert. Soll bei diesen Expositionsklassen XS2/ XD2 und XS3/ XD3 ein leistungsbezogener Nachweis einer ausreichenden Dauerhaftigkeit geführt werden, ist die Mindestzuverlässigkeit gegenüber Depassivierung in Verbindung mit der Instandhaltung projektspezifisch zu definieren. 4. Leistungsbezogene Dauerhaftigkeitsbemessung bei chloridinduzierter Bewehrungskorrosion Am Beispiel direkt befahrener, chlorid- und feuchtebeanspruchter Beton-Parkdecks (Beispiel Bild 3) wird im Folgenden die leistungsbezogene Bemessung auf der Grundlage des fib Model Codes for Service Live Design [10] bzw. auf Grundlage der Arbeit von Rahimi im DAfStb-Heft 626 (Dissertation [2]) erläutert. Zuvor soll jedoch die derzeitige Bemessungspraxis kurz beschrieben werden. Bild 3: Beispiel für ein direkt befahrenes Parkdeck in wechselnd nassen und trockenen Umgebungsbedingungen (Ausführungsvariante A nach [17], Foto aus [18]) a) Deskriptive Dauerhaftigkeitsbemessung für eine geplante Nutzungsdauer von 50 Jahren (derzeitige Bemessungspraxis) In Tabelle 1 werden zunächst die in Deutschland aktuell geltenden deskriptiven Regeln im Hochbau für die chloridinduzierte Bewehrungskorrosion (Chloriden und Feuchte ausgesetzter Beton mit Bewehrung) bei direkt befahrenen Außenbauteilen zusammengefasst. 1 Umgebungsbedingungen: Wechselnd nass und trocken a) a) Die Feuchteangaben beziehen sich auf den Zustand innerhalb der Betondeckung der Bewehrung (i. Allg. entsprechend den Umgebungsbedingungen des Bauteils, außer bei einer Sperrschicht zwischen Beton und Umgebung). 2 Expositionsklasse XD3 (Korrosion, ausgelöst durch Chlorideintrag aus Tausalzen) b) b) Hinweis: Außerdem: XF2 Frost-Tau-Angriff mit mäßiger Wassersättigung mit Taumittel (z. B. überdachte Parkdecks) oder XF4 mit hoher Wassersättigung mit Taumittel (z. B. Freidecks) und immer Feuchtigkeitsklasse WA häufig oder längere Zeit feucht und häufige oder langzeitige Alkalizufuhr von außen. 3 Informative Beispiele: befahrene Verkehrsflächen mit rissvermeidenden Bauweisen ohne Oberflächenschutz oder ohne Abdichtung c) ; befahrene Verkehrsflächen mit dauerhaftem lokalen Schutz von Rissen c) d) . c) Für die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit ist ein Instandhaltungsplan im Sinne der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [19] aufzustellen. d) Für die Planung und Ausführung des dauerhaften lokalen Schutzes von Rissen gilt DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [19]. buch2.indb 213 13.01.20 15: 40 214 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? 4 Bei min C35/ 45: Mindestbetondeckung Betonstahl cmin,dur = 40 mm e) e) Zusätzlich Mindestbetondeckung c min,b aus der Verbundbedingung nach DIN EN 1992-1-1 mit NA [7], 4.4.1.2 (3) beachten. 5 Bei min C45/ 55 f) : Mindestbetondeckung Betonstahl cmin,dur = 35 mm e) e) Zusätzlich Mindestbetondeckung c min,b aus der Verbundbedingung nach DIN EN 1992-1-1 mit NA [7], 4.4.1.2 (3) beachten. f) Die Mindestbetondeckung 40 mm darf für Bauteile aus Normalbeton, deren Betonfestigkeit um mindestens zwei Festigkeitsklassen höher liegt, als für die Expositionsklasse mindestens erforderlich ist, um 5 mm vermindert werden (DIN EN 1992-1-1 mit NA [7], Tab. 4.3DE). Dies entspricht etwa einer Reduktion des maximalen ω/ z-Wertes gemäß DIN 1045-2 um -0,10 (also ω/ z ≤ 0,35). 6 Anforderungen an die Betonzusammensetzung: Bei min C35/ 45: Wasser-Zementwert: w/ z ≤ 0,45; Mindestzementgehalt g) h) : z ≥ 320 kg/ m³ (z ≥ 270 kg/ m³ bei Anrechnung von Zusatzstoffen). g) Bei Gesteinskörnung mit dg = 63 mm darf der Mindestzementgehalt um 30 kg/ m³ reduziert werden. h) Grundsätzlich sind alle Zemente einsetzbar. Ausnahmen gemäß DIN 1045-2 [9], Tabelle F.3.1: Für die Expositionsklasse XD3 dürfen z. B. die kalkreichen Portlandflugaschenzemente CEM II/ A/ B-W, der Portlandkalksteinzement CEM II/ B-LL/ L, die Portlandkompositzemente CEM II/ A/ B-M, der stark hüttensandhaltige Hochofenzement CEM III/ C sowie bestimmte Puzzolanzemente CEM IV und Kompositzemente CEM V nicht verwendet werden. 7 Begrenzung der rechnerischen Rissbreite auf ωk ≤ 0,3 mm unter quasi-ständiger Einwirkungskombination. Bei Dach- oder Verkehrsflächen mit einer Chloridbeaufschlagung aus Tausalzen ist das Eindringen von Chloriden in Risse dauerhaft zu verhindern. Tabelle 1: Deskriptive Dauerhaftigkeitsbemessung für eine geplante Nutzungsdauer von 50 Jahren für direkt befahrene Parkflächen Die normativ gestattete Reduktion um eine Festigkeitsklasse auf C30/ 37 bei Verwendung von Luftporenbeton (z. B. bei XF-Expositionsklassen) ist in der Kombination mit den nicht reduzierbaren XD3-Betonanforderungen für die Dauerhaftigkeit der Bewehrung (insbesondere Beibehaltung w/ z £ 0,45) praktisch nicht vorhanden. Für alle Ausführungsvarianten bei tausalzbeanspruchten Verkehrsflächen wird ausdrücklich ein In-standhaltungsplan im Sinne der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [19] gefordert. Diese Richtlinie [19] wird auch für die Planung und Ausführung eines dauerhaften lokalen Schutzes von Rissen in Bezug genommen (z. B. für Rissbandagen) [17]. Die in der Vergangenheit (bis Ende 2015) zulässige Reduktion der Mindestbetondeckung um 10 mm bei dauerhafter, flächiger rissüberbrückender Beschichtung auf Parkdecks in der Expositionsklasse XD3 unter Einbeziehung einer regelmäßigen und in definierten Abständen vorzunehmenden erweiterten Wartung und Instandsetzung ist nicht mehr zulässig. Es gilt für alle XD-Klassen c min,dur = 40 mm bei Betonstahl und 50 mm bei Spannstahl (∆c dur,add = 0 mm [7]). Bei entsprechender ausführlicher Risikoberatung des Bauherrn und zugehöriger Dokumentation der Entscheidung für diese Variante kann diese Kompensationsmöglichkeit aber weiterhin bei Bestandsparkbauten mit geringer vorhandener Betondeckung zweckmäßig sein [20]. 4.1 Leistungsbezogene Dauerhaftigkeitsbemessung In fib bulletin 76 [26] ist ausgehend von den zuvor beschriebenen nationalen Regeln (Bild 4 a)) die zeitabhängige Zuverlässigkeit von chloridexponierten Bauteilen betrachtet worden. Für verschiedene europäische Länder und den USA sind Zuverlässigkeiten, die sich unter Beachtung der jeweiligen nationalen Regeln ergeben würden, u. a. auch für XD3-exponierte Bauteile berechnet worden, vgl. Bild 4 b). In dieser hier betrachteten Expositionsklasse XD3 wurden jeweils zu erwartende Chloirideinwirkungen bzw. die berücksichtigten Materialwiderstände so angesetzt, dass sich Bemessungssituationen ergaben, die sich entweder am oberen Zuverlässigkeitsrand („favourable“) oder am unteren Rand („unfavourable“) befanden. In Bild 4 b) werden die Zuverlässigkeitskorridore verglichen, die sich nach einer 50jährigen Exposition rechnerisch einstellen würden. buch2.indb 214 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 215 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Bild 4: Vergleich der deskriptiven Normanforderungen verschiedener Länder und der zugehörigen rechnerischen Zuverlässigkeitskorridore (Grenzzustand: Depassivierung der Bewehrung) für Expositionsklasse XD3, aus [26] Für Deutschland wurden unter „favourable“ (oberer Rand des Zuverlässigkeitskorridors) normenkonforme Betonzusammensetzungen hergestellt mit den Zementen CEM II A-V bzw. CEM III/ B betrachtet. Beide erfüllen die Erwartungen an die üblicherweise bei Gebrauchsgrenzzuständen (hier: Depassivierung der Bewehrung) geforderte Zuverlässigkeit (β > 1,5). Eine weitere normenkonforme Betonzusammensetzung hergestellt mit CEM I, die unter „unfavourable“ den unteren Rand des Zuverlässigkeitsrandes markiert, unterschreitet die Erwartungen deutlich. U. a. in der Expositionsklasse XD3 wurde im deutschen Normenkonzept vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Abwägungen zwischen dem Aufwand für einen hohen Bauteilwiderstand und dem gegenüberstehenden Aufwand für planmäßige Instandhaltungsmaßnahmen während der geplanten Nutzungsdauer ein etwas höheres Korrosionsrisiko mit Zuverlässigkeitsindizes von i. M. β ≈ 0,5 akzeptiert (vgl. [12], [13]). Um ein Korrosionsrisiko für die Bewehrung auch in dieser Expositionsklassen in möglichst allen Fällen auf möglichst niedrigem Niveau halten zu können, wird im DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [17] daher der folgende Hinweis gegeben: „Für ungeschützte chloridbeanspruchte Betonflächen bewehrter Bauteile in der Exposition XD wird empfohlen, Betone mit hohem Chlorideindringwiderstand zu wählen. Dies sind insbesondere Betone mit hüttensandhaltigen Zementen (CEM II/ A-S, CEM II/ B-S oder CEM III) - aber auch andere Betone z. B. mit CEM I oder CEM II/ A-LL, wenn diesen reaktive Zusatzstoffe zugegeben werden (vgl. auch fib Bulletin No. 76: Benchmarking of deemed-to-satisfy provisions in standards - Durability of reinforced concrete structures exposed to chlorides. 2015).“ In der DAfStb-Richtlinie „Massige Bauteile aus Beton“ [28] wird für Bauteile mit Mindestdicken von über 0,80 m mit dem Ziel der Hydratationswärmeminimierung gegenüber den Standardanforderungen für die Expositionsklasse XD3 in DIN 1045-2 [9] alternativ der Mindestzementgehalt auf 300 kg/ m³ reduziert und der zulässige ω/ z-Wert auf 0,50 vergrößert (min C30/ 37). Dafür wird eine Einschränkung auf hüttensandhaltige Zemente bzw. ein Ersatz hydratationswärmerelevanter Portlandzementklinkeranteile durch Flugasche vorgeschrieben, so dass sich, eine angemessene Nachbehandlung vorausgesetzt, überdurchschnittlich dichte, im Hinblick auf die Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung günstige Betonzusammensetzungen ergeben sollen. Eine mittlere Zuverlässigkeit von β = 0,5 sollte damit i. d. R. auch erreichbar sein. Die Mindestbetondeckung in DAfStb-Heft 622 [1] a min = c min für das leistungsbezogene Bemessungsformat ist definiert als 5%-Quantil der Betondeckung ([1], 7.1.2). Dies entspricht auch der Definition nach Eurocode 2 für alle Expositionsklassen (außer XC1). Für chlorid- und feuchtebeanspruchte Bauteile hat Rahimi im DAfStb-Heft 626 (Dissertation [2]) eine dem Vorgehen nach [1] ähnliche probabilistische Vorgehensweise gewählt, die ebenfalls in Bemessungsnomogrammen für die praktische vereinfachte Anwendung mündet. Es wurden Nachweiskonzepte entwickelt, um eine leistungsbezogene Bemessung und Bewertung von Stahlbetonbauten bei chloridinduzierter Betonstahlkorrosion bei der Errichtung von Neubauten, der Abschätzung der Restnutzungsdauer bestehender Bauwerke und der Instandsetzung mittels Betonersatz bei Wahrung der bisherigen Sicherheitsanforderungen zu ermöglichen. Die Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung mit Nomogrammen erfolgt unter Berücksichtigung der Einwirkung (Expositionsklasse und Chloridangebot), des im Labor oder am Bauwerk ermittelten Materialwiderstands (Parameter Chloridmigrationskoeffizient DRCM eines Betons mittels Diffusions- oder Migrationsversuchen), der Mindestbetondeckung und der vorgesehenen Nutzungsdauer (Nomogramme für 10, 20, 30, 40, 50, 70 und 100 Jahre). Die Nomogramme aus DAfStb-Heft 626 [2] wurden ebenfalls in das BAW-Merkblatt MDCC [3] als auch in buch2.indb 215 13.01.20 15: 40 216 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Teil 5 des Entwurfs der DAfStb-Instandhaltungsrichtlinie [4] übernommen. Ein wesentlicher Unterschied zur leistungsbezogenen Dauerhaftigkeitsbemessung bei karbonatisierungsinduzierter Korrosion besteht also in DAfStb-Heft 626 [2] darin, dass der Widerstand nicht durch eine Klassenbildung allein auf Zementart und Wasserbindemittelwert, sondern auf versuchsgestützter Bestimmung des Chloridwiderstandes der jeweiligen Betonzusammensetzung im Labor oder am Bauwerk beruht. Eine abgestimmte Differenzierung des Materialwiderstands durch die Einführung von Chlorideindringwiderstandsklassen steht noch aus und ist derzeit Gegenstand europäischer Normungsaktivitäten (siehe auch Kapitel 1). Dadurch könnten dann auch zukünftig Betone mit ähnlicher Leistungsfähigkeit in Widerstandsklassen zusammengefasst werden. Für eine Berücksichtigung von Einflüssen aus der Ausführung auf den Chlorideindringwiderstand des Bauteils in der Bemessung, insbesondere Nachbehandlung und Schalungsart, sind noch weitere systematische Untersuchungen vorzunehmen. 5. Oberseitige Risse in direkt befahrenen Parkflächen Die leistungsbezogene Dauerhaftigkeitsbemessung auf Basis eines Chlorideindringwiderstands ist auf eine ungerissene Betondeckung bezogen. Dass im Bereich eines offenen Risses die Bewehrungskorrosion schneller beginnen kann, wird wie im derzeitigen deskriptiven Bemessungskonzept auch hier hingenommen (vgl. Abschnitte 2 und 3) oder durch zusätzliche Anforderungen an Rissabdichtungen kompensiert. Bei oberseitigen Rissen auf vorwiegend horizontalen Bauteiloberflächen, auf die direkt chloridhaltiges Wasser von oben einwirkt, können auch bei wesentlich kleineren Rissbreiten unter den für die Expositionsklassen XD grundsätzlich rechnerisch zulässigen 0,30 mm erhebliche Korrosionserscheinungen infolge der in Risse tief eindringenden Chloride auftreten. Bei befahrenen Flächen von Parkdecks, die in die Expositionsklasse XD3 eingestuft werden, ist demnach die Begrenzung der Rissbreite allein kein geeignetes Mittel zur Erzielung einer ausreichenden Dauerhaftigkeit. Offene Trennrisse sind hinsichtlich der Korrosionsintensität dabei kritischer zu bewerten als Biegerisse (vgl. [21], [22]). Hier sind daher zusätzliche Maßnahmen, wie z. B. das Aufbringen eines rissüberbrückenden Oberflächenschutzsystems oder lokaler Rissbandagen erforderlich. Je nach Ausführungsvariante (mit Abdichtung, mit Oberflächenschutzsystem, mit lokalen Bandagen oder bei direkt chloridbeaufschlagten Betonflächen) ist vom Tragwerksplaner stets ein passender Entwurfsgrundsatz in Bezug auf die Rissbreitenbegrenzung zu wählen. Werden Oberflächenschutz- oder Abdichtungssysteme der Betonflächen geplant, sind die maximal zu erwartende Rissbreite auf der Bauteiloberfläche sowohl bei der Erstrissbildung als auch bei dynamischer Änderung von Rissen nach Applikation und die Leistungsfähigkeit des Systems aufeinander abzustimmen. Dies gilt auch für rissbegleitende Behandlungen wie z. B. rissüberbrückende Bandagen. Dabei ist zu beachten, dass die rechnerische Rissbreite einen streuenden und gemittelten Wert im Wirkungsbereich der rissbreitenbegrenzenden Bewehrung darstellt. Die Aussagegenauigkeit des Rechenmodells für die Rissbreite nach DIN EN 1992-1-1/ NA nimmt mit der Rissbreite ab (etwa 90 % bei w k = 0,3 mm und etwa 80 % bei w k = 0,2 mm [23]). Außerdem nimmt der Unterschied zwischen dem Rechenwert w k und der für Oberflächenschutzsysteme oder Abdichtungen relevanten auftretenden Rissbreite an der Bauteiloberfläche mit der Betondeckung zu [23]. Im DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [17] werden daher Empfehlungen für den Ansatz eines Rechenwertes der Rissbreite unter Annahme eines erfahrungsgemäß sicheren Vorhaltemaßes gegeben, die auf die geprüfte Rissüberbrückungsfähigkeit verschiedener Schutzmaßnahmen abgestimmt sind. In gerissenen Bereichen kann nicht ausgeschlossen werden, dass Chloride aus Tausalz bereits bei kurzzeitiger Einwirkung in die Risse eingedrungen sind und zur Korrosion der Bewehrung geführt haben können. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist bei kurzen Einwirkzeiten (maximal eine Wintersaison) i. d. R. nicht mit relevanten Korrosionsschäden der Bewehrung zu rechnen [17]. Diese Risse sind daher immer kurzfristig und dauerhaft unmittelbar nach der Wintersaison rissüberbrückend im Sinne der DAfStb-Instandsetzungsrichtlinie [19] zu schließen, sodass eine weitere Chlorid- und Feuchtezufuhr verhindert wird [20], [24], [25]. Im DBV-Heft 35 „Korrosion der Bewehrung in Trennrissen“ [25] wird allerdings darauf hingewiesen, dass die durch Rissverpressung instandgesetzten Prüfkörper anhand der beobachteten Untersuchungsergebnisse bezüglich ihrer momentanen Tragfähigkeit und ihrer Dauerhaftigkeit in den meisten Fällen als unkritisch bewertet werden können. Die Ergebnisse gelten jedoch zunächst nur für vollständige Verpressung unter Laborbedingungen, die in der Praxis nicht unbedingt erreicht wird. Auch deshalb ist es nicht ganz auszuschließen, dass unter ungünstigen Bedingungen teilweise noch ein signifikanter Querschnittsverlust zu verzeichnen ist. Deshalb sollte diese lnstandsetzungsmethode von Rissen stets mit einer intensiven Überwachung, z. B. durch Applikation eines Monitoringsystems zur Überwachung der Austrocknung durch Korrosionsströme und elektrische Widerstände des Betons verbunden werden. Die aktuellsten von Keßler et al. [24] bis 2017 durchgeführten umfangreichen Untersuchungen zeigten, dass bei Biegerissen die alleinige Beschichtung der Betonoberfläche tatsächlich schon eine wirksame Maßnahme darstellt, um eine kurzzeitig an der risskreuzenden Bewehrung initiierte Makrozell-korrosion nach zeitweiser Chloridexposition, wie sie in Parkhäusern über eine Winterperiode im unbe-schichteten Zustand zu erbuch2.indb 216 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 217 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? warten ist, wieder zu deaktivieren. Die festgestellten Querschnittsverluste der Bewehrung sind als nicht standsicherheitsrelevant einzuschätzen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sind diese Ergebnisse vermutlich auch auf beschichtete Trennrisse übertragbar, da die weitere Chloridzufuhr nach der Beschichtung genauso verhindert wird. Welche Auswirkungen der gegenüber Biegerissen abweichende Chlorideintrag in die Trennrisse genau hat, wird augenblicklich in einer zweiten, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Versuchsreihe untersucht. 6. Leistungsbezogene Dauerhaftigkeitsbemessung in der zukünftigen DAfStb-Instandhaltungsrichtlinie - Teil 5 Der Entwurf („Gelbdruck“) der neuen DAfStb-Instandhaltungs-Richtlinie [4] sieht die Einführung eines neuen informativen Richtlinien-Teils 5 mit leistungsbezogenen Nachweisverfahren zur Ermittlung von Restnutzungsdauern und Schichtdicken von Betonersatzsystemen für karbonatisierungs- und chloridinduzierte Bewehrungskorrosion vor. Um eine Instandhaltung von Stahlbetonbauteilen zielführend zu planen, wird in dem Entwurf vorgeschlagen, die projektspezifisch festzulegende Restnutzungsdauer zu berücksichtigen. Der Richtlinienentwurf [4] enthält diesbezüglich Bemessungswerkzeuge, mit deren Hilfe die Restnutzungsdauer und die notwendigen Schichtdicken für entsprechende Instandsetzungsmaßnahmen bestimmt werden können. Im informativen Teil 5 [4] sollen dem Sachkundigen Planer hierfür Nomogramme als Bemessungswerkzeuge an die Hand gegeben werden. Bei der Instandsetzung spielt die festzulegende Restnutzungsdauer eine zentrale Rolle, um die Schichtdicken zu bemessen. Basis hierfür sind die relevanten Expositionsklassen, die Einhaltung nachzuweisender Mindestbetondeckungen sowie die dazugehörigen Anforderungen an die Baustoffe und die Bauausführung. Im Teil 5 des Richtlinienentwurfs sind darüber hinaus Nachweisverfahren angegeben, die unter bestimmten Bedingungen eine leistungsbezogene Schichtdickenbemessung erlauben, indem sie die Eigenschaften der unterschiedlichen Betonersatzprodukte zielgerichteter ausnutzen. Im Vergleich zu den deskriptiven Ansätzen bietet sich ein Nachweis der Schichtdicken in folgenden Fällen an: - Die Restnutzungsdauer weicht von den 50 Jahren ab, die im deskriptiven Ansatz zugrunde gelegt werden. - Die Betonersatzprodukte sollen höher ausgenutzt werden. - Es handelt sich um stärker beanspruchte Bauwerke oder Bauteile, die eines genaueren Nachweises bedürfen. Die in [4] aufgenommenen Bemessungs-Nomogramme können angewendet werden, wie bereits im Abschnitt 4 erläutert. Mit ihrer Hilfe lässt sich auch die Schichtdicke eines neu aufzubringenden Betonersatzsystems leistungsbezogen bestimmen. Weiterhin bietet Teil 5 des Richtlinienentwurfs die Möglichkeit zur Abschätzung der Restnutzungsdauer ohne Instandsetzungsmaßnahmen unter Anwendung des Wurzel-Zeit-Gesetzes. Benötigt werden hierfür die bei einer Inspektion am Bauteil festgestellten Karbonatisierungstiefen. Analog kann bei chloridinduzierter Bewehrungskorrosion verfahren werden. Bisherige Einsprüche und Kommentare der Fachöffentlichkeit im Zuge des Gelbdruckverfahrens zur neuen Instandhaltungsrichtlinie zeigten jedoch noch eine gewisse Zurückhaltung mit Blick auf eine generelle, standardisierte Anwendbarkeit o. g. Nachweisverfahren. Zwar handelt es sich hierbei um Verfahren, die in DAfStb-Heften [1], [2] vorgestellt wurden und mittlerweile eine gewisse Praxisreife, z. B. in Form des BAW-Merkblatts [3], erlangt haben. Jedoch werden die hier gespiegelten Praxiserfahrungen nicht für alle Bereiche des Stahlbetonbaus als repräsentativ angesehen. Aus diesem Grund wurden diese Nachweisverfahren bewusst aus dem normativen Planungsteil des Richtlinienentwurfs ausgelagert. Sie sind nun Gegenstand eines separaten, informativen Richtlinienteils. Damit erfolgte eine klare Abgrenzung zu den übrigen verbindlichen Richtlinienteilen. Damit sollen der Fachwelt einerseits diese Bemessungswerkzeuge zur Sammlung von Praxiserfahrungen angeboten werden, ohne sie jedoch andererseits als Standardanwendungen mit Richtliniencharakter stets einzufordern. Ein Zwischenergebnis der Diskussionen innerhalb des Gelbdruckverfahrens sind daher auch die nachfolgend zitierten ergänzenden Formulierungen zum Anwendungsbereich des Teils 5 (aus: überarbeiteter Richtlinienentwurf, Stand Februar 2018): (3) Die Anwendung dieser Nachweisverfahren setzt besondere Fachkunde voraus. (4) Die angewendeten Transportmodelle zur Prognose der CO 2 -Eindringtiefe bzw. des tiefenabhängigen Chloridgehalts sowie das Verfahren zur Abschätzung der Restnutzungsdauer bestehender Bauwerke gelten für intakte ungerissene Betonbereiche. Ist ein passiver Schutz der Bewehrungsoberfläche vor Korrosion durch den umhüllenden Beton nicht gegeben - z. B. aufgrund von Fehlstellen, bewehrungskreuzenden Trennrissen etc. - ist die Dauerhaftigkeit des Bauteils gesondert zu betrachten. (red. Hinweis: Darüber hinaus soll ein Hinweis zum Umgang mit kleinflächiger Instandsetzung ergänzt werden.) (5) Die Dauerhaftigkeitsbemessung und die Abschätzung der Restnutzungsdauer sind stets auf Bauteilbereiche zu beziehen, für die eine Gleichmäßigkeit der Betonzusammensetzung, der Ausführungsart und -qualität und der Einwirkungsbedingungen angenommen werden kann. buch2.indb 217 13.01.20 15: 40 218 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? Die o. g. Formulierungen enthalten neben der Forderung nach besonderer Fachkunde des Anwenders also folgende Einschränkungen bzw. Anforderungen: - Anwendung nur für intakte, ungerissene Betonbereiche, d. h. ohne Fehlstellen und Trennrisse, - gleichmäßige Betonzusammensetzung, - gleichmäßige Ausführungsart und -qualität, - gleichmäßige Einwirkungsbedingungen. Die im jeweiligen Einzelfall vorliegenden Randbedingungen erfordern im Vorfeld der angestrebten Verfahrensanwendungen eine detaillierte Beurteilung durch den Sachkundigen Planer. Für die oft weniger voluminösen Bauteile des allgemeinen Hochbaus, wie Stahlbetonstützen, -unterzüge und -decken mit aus Lasteinträgen und Expositionen hochbeanspruchten Querschnitten sind eventuelle Ungleichmäßigkeiten der o. g. Aspekte von größerer Relevanz als etwa bei massigeren Betonbauteilen. Insbesondere wenn diese Inhomogenitäten den verbleibenden Altbeton betreffen (wie z. B. mehr oder weniger karbonatisierte oder chloridbelastete Rissufer, Gefahr des Abplatzens der Betondeckung), sind bei derartigen Bauteilen gesonderte Bewertungen seitens des Sachkundigen Planers erforderlich. Denkbar ist eine Anwendung dieser Nachweisverfahren eher für großvolumige und großflächige Stahlbetonbauteile, wie im Ingenieur-, Wasser und Verkehrswegebau (Konstruktionen in den Bereichen der ZTV-ING und ZTV-W). Wenn die Instandsetzung mit einem Abtrag des geschädigten Altbetons bis mindestens zur Bewehrung und dem Ersatz mit z. B. DIN 1045-2-Beton einhergeht und der Bewehrungsquerschnitt noch nicht wesentlich reduziert bzw. wiederhergestellt ist, kann eine Anwendung der leistungsbezogenen Bemessung genauso in Frage kommen wie bei Neubauteilen. An dieser Stelle kommt der vorhandenen Bausubstanz und damit dem Planer und der von ihm im Vorfeld durchzuführenden Bauwerksdiagnose erhebliche Bedeutung für die Entscheidung zur Anwendbarkeit der hier erläuterten leistungsbezogenen Nachweisverfahren zu. 7. Chancen und Risiken Die Chancen der vorgestellten leistungsbezogenen Dauerhaftigkeitsbemessung bestehen darin, Folgendes zu ermöglichen: - projektbezogen optimierte Kombinationen aus unterschiedlich widerstandsfähigen Betonzusammensetzungen und Mindestbetondeckungen, - wirtschaftlichere Entwürfe im Neubau (Bauteildicken, Materialkosten, Gewichtsersparnis), - normenunabhängige Lösungen für kürzere oder längere geplante Nutzungsdauern, - individuellere Bewertung und Instandsetzung von Bestandsbauteilen, - qualifizierte Einschätzung von Restnutzungsdauern im Neubau und im Bestand, - bauaufsichtliche Anerkennung im BMVI-Regelungsbereich für die Bundeswasserstraßen. Mit einem solchen Konzept sind aber auch Risiken verbunden, wie: - regional eingeschränkte Verfügbarkeit des Betons (insbesondere der vorausgesetzten Bindemittel), - Änderungen in der Betonrezeptur auf der Baustelle werden stärker beschränkt, - bei größeren Betondeckungsreduktionen entstehen ggf. zusätzliche Risiken bei Rissen oder Betonierfehlstellen; zusätzliche Bewertungen und ggf. Maßnahmen können erforderlich werden, - auf Altbeton in Bestandsbauteilen nicht o. W. anwendbar (z. B. Schwierigkeiten bei der Bestimmung der vorhandenen Betonzusammensetzung, vorhandene Risse sind schon karbonatisiert bzw. chloridbelastet), - eine intensivere Abstimmung zwischen allen am Bau Beteiligten ist erforderlich (wie z. B. konkretere Festlegungen zur Betonzusammensetzung und Nachbehandlungsdauer), - noch fehlende allgemeine bauaufsichtliche Anerkennung im Hochbau und im Brückenbau. Bei Anwendung: Zustimmung im Einzelfall oder vorhabenbezogene Bauartgenehmigung oder allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich. Literatur [1] von Greve-Dierfeld, St.: Bemessungsregeln zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit XC-exponierter Stahlbetonbauteile. - In: DAfStb-Heft 622. Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton. Berlin: Beuth-Verlag 2016, Dissertation TU München. [2] Rahimi, A.: Semiprobabilistisches Nachweiskonzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauteilen unter Chlorideinwirkung. - In: DAfStb-Heft 626. Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton. Berlin: Beuth-Verlag 2017, Dissertation TU München. [3] BAW-Merkblatt: Dauerhaftigkeitsbemessung und -bewertung von Stahlbetonbauwerken bei Karbonatisierung und Chlorideinwirkung (MDCC). Ausgabe 2017. Hrsg.: Bundesanstalt für Wasserbau (BAW). [4] DAfStb-Instandhaltungs-Richtlinie (Entwurf bzw. „Gelbdruck“, Stand: Juni 2016) - Teil 5 (informativ): Nachweisverfahren zur Ermittlung der Restnutzungsdauer und der Bemessung von Schichtdicken für Betonersatz bei Karbonatisierung und Chlorideinwirkung. [5] Gehlen, Ch.; Mayer, T. F.; von Greve-Dierfeld, St.: Lebensdauerbemessung. - In: Berlin: Ernst & Sohn, Betonkalender 2011/ 2, S. 229-278. [6] Eurocode 2: DIN EN 1992-1-1: 2011-01: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau mit DIN EN 1992-1-1/ A1: 2015-03: A1-Änderung. buch2.indb 218 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 219 Was bedeutet die „geplante Nutzungsdauer“ im Konzept der Dauerhaftigkeitsbemessung bei Parkbauten? [7] Eurocode 2: DIN EN 1992-1-1/ NA: 2013-04: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau mit DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1: 2015-12: A1-Änderung. [8] DIN EN 206-1: 2001-07: Beton - Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität und A1-Änderung: 2004-10 und A2-Änderung: 2005-09. [9] DIN 1045-2: 2008-08: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 2: Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1. [10] Schießl, P. et al: fib Model Code for Service Life Design. Ed.: The International Federation for Structural Concrete. fib Bulletin N° 34. 2006. [11] fib Model Code for Concrete Structures 2010. Ed.: The International Federation for Structural Concrete. October 2013. [12] Positionspapier des DAfStb zur Umsetzung des Konzepts von leistungsbezogenen Entwurfsverfahren unter Berücksichtigung von DIN EN 206-1, Anhang J. Fassung 2008-12 (www.dafstb.de à Aktuelles). [13] Gehlen, Ch.; Schießl, P.; Schießl-Pecka, A.: Hintergrundinformationen zum Positionspapier des DAfStb zur Umsetzung des Konzepts von leistungsbezogenen Entwurfsverfahren unter Berücksichtigung von DIN EN 206-1, Anhang J, für dauerhaftigkeitsrelevante Problemstellungen. - In: Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 12, S. 840-851. [14] ZTV-W-LB 219: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen - Wasserbau (ZTV-W) für die Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken (Leistungsbereich 219). Hrsg.: Bundesanstalt für Wasserbau. Ausgabe 2017. [15] Eurocode DIN EN 1990: 2010-12: Grundlagen der Tragwerksplanung. [16] Meyer, L.; Litzner, H.-U.: Maintenance Strategy Versus Simplified Deem-to-Satisfy Rules. - In: Proceedings of the International Conference on Concrete Repair, Rehabilitation and Retrofitting (ICCRRR), Kapstadt, Südafrika, November 2005, Balkema Publ. Rotterdam (Hrsg. M. Alexander et al.), 2005, S. 115-116. [17] DBV-Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen. Hrsg.: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., 3.überarbeitete Ausgabe. Fassung Januar 2018. [18] DBV-Heft 42 „Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten - Beispielsammlung“ Fassung Januar 2019. [19] DAfStb-Richtlinie für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungsrichtlinie). Ausgabe Oktober 2001 mit Berichtigungen 2002-01 und 2005-12. Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V., Berlin: Beuth-Verlag. [20] Fingerloos, F.; Flohrer, C.; Räsch, D.: Dauerhaftigkeit von Parkbauten in Deutschland. In: Betonkalender 2019/ 2, Berlin: Ernst & Sohn, S. 515-582. [21] Schießl, P.: Grundlagen der Neuregelung zur Beschränkung der Rißbreite. In: DAfStb-Heft 400. Berlin: Beuth-Verlag. 1. Auflage 1989, 3. berichtigter Nachdruck 1994. [22] Sodeikat, Ch.; Mayer, T. F.: Instandsetzung von Tiefgaragen und Parkhäusern. In: Betonkalender 2019/ 2, Berlin: Ernst & Sohn, S. 713-793. [23] DBV-Merkblatt: Begrenzung der Rissbildung im Stahlbeton- und Spannbetonbau. Hrsg.: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Fassung Mai 2016. [24] Keßler, S.; Hiemer, F.; Gehlen, Ch.: Einfluss einer Betonbeschichtung auf die Mechanismen der Bewehrungskorrosion in gerissenem Stahlbeton. In: Beton- und Stahlbetonbau 112 (2017), Heft 4, S. 198- 206. [25] DBV-Heft 35: Korrosion der Bewehrung im Bereich von Trennrissen nach kurzzeitiger Chlorideinwirkung. Hrsg.: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Fassung Juni 2015. [26] Gehlen, Ch. et al: fib Bulletin No. 76: Benchmarking of deemed-to-satisfy provisions in standards - Durability of reinforced concrete structures exposed to chlorides. 2015. [27] Müller, H. S.; Bohner, E.: Rissbildung infolge Bewehrungskorrosion Mechanismen und Prognosemodelle. - In: Beton- und Betonstahlbau 107 (2012), Heft 2, S. 68-78. [28] DAfStb-Richtlinie Massige Bauteile aus Beton. Ausgabe April 2010. Hrsg.: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V., Berlin: Beuth-Verlag. buch2.indb 219 13.01.20 15: 40