Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
0201
2020
91
Technische Akademie EsslingenPraxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten
0201
2020
Gerhard Stenzel
Klaus Schöppel
Seit dem Erscheinen der 3., überarbeiteten Auflage des DBVMerkblatts Parkhäuser und Tiefgaragen, Fassung Januar 2018) im März 2018 besteht bei Objekt- und Tragwerksplanern immer noch große Unsicherheit bei Entwurf, Planung und Konstruktion von Parkbauten. Nach wie vor werden Parkbauten meistens als Hochbauten aufgefasst und auch so entworfen, bemessen und konstruiert. Tatsächlich werden Parkbauten aber eher wie Verkehrsbauwerke (Brücken und Tunnel) beansprucht und sollten deshalb auch dementsprechend geplant und ausgerüstet werden. Während oberirdische Parkplätze und Verkehrsbauwerke ohne Gefälle, ohne wirksame Entwässerung und ohne dauerhafte Abdichtung von Fahrbahnflächen unvorstellbar sind, wird bei Parkbauten immer wieder von der grundlegenden Anforderung an alle Baukonstruktionen: „Wasser weg von tragenden Bauteilen“ abgewichen. Falls vertraglich nichts Abweichendes geregelt ist, sind bei Planung, Konstruktion, Gebäudeausrüstung und Bauausführung die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten, damit das fertiggestellte Bauwerk abnahmefähig ist. Bei den verschiedenen Varianten hinsichtlich der Bauweise von Parkhäusern und Tiefgaragen ergibt sich jedoch die Frage, welche der Varianten als anerkannte Regel der Technik anzusehen sind. In Folge ihres unterschiedlichen Instandhaltungsaufwands sind die Varianten nicht als gleichwertig zu bewerten. Daher sind eine eindeutige Aufklärung des Bauherrn und die Festlegung der angestrebten Beschaffenheit einschließlich des zu erwartenden Instandhaltungsaufwands unabdingbar. Letztendlich müssen Parkhäuser und Tiefgaragen so geplant werden, dass bei der vereinbarten Bauweise mit dem dazu gehörigen objektspezifischen Instandhaltungsplan die angestrebte Mindestnutzungsdauer (in der Regel 50 Jahre) zielsicher erreicht werden kann. Dieser Sachverhalt ist bei der Planung, bei der Ausführung und bei der Abnahme der Baumaßnahme von dem jeweiligen Verantwortlichen umzusetzen und zu kontrollieren. Dabei kommt bei Parkbauten dem Tragwerksplaner eine besondere Bedeutung zu, weil er sich zu einem sehr frühen Planungszeitpunkt mit den verschiedenen zu planenden Schutzmaßnahmen für die Fahrbahnflächen, Stützen- und Wandfüße beschäftigen muss, um diese dann in Abstimmung mit dem Bauherrn und dem Objektplaner festzulegen. Der objektspezifische Instandhaltungsplan als Teil des angestrebten Konstruktionsprinzips ist ebenfalls in der frühen Planungsphase zu erstellen. Darüber hinaus muss das fertige Bauwerk funktionstauglich sein, also seinem Zweck entsprechend nutzbar sein. Hierfür muss der Objektplaner das Gebäude unter Anderem so entwerfen, dass eine planmäßige Entwässerung möglich ist. Dazu gehört im Regelfall die Planung von mindestens 2,5 % Gefälle auf allen befahrenen Flächen und Stellplätzen. Weichen Objekt- oder Tragwerksplaner von den anerkannten Regeln der Technik ab, so muss jeder für sich über diese Abweichungen und über die Konsequenzen für die folgenden 50 Jahre (Regel-Nutzungsdauer) den Bauherrn eindeutig aufklären und dies auch dokumentieren, um spätere Haftungsrisiken zu vermeiden.
kpb910233
9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 233 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten Dr.-Ing. Gerhard Stenzel ö. b. v. Sachverständiger für Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbau ALLVIA Ingenieurgesellschaft mbH, Maisach Dr.-Ing. Klaus Schöppel ö. b. v. Sachverständiger für Betontechnologie, Betonschäden und Instandsetzung von Betonbauteilen Ingenieurbüro Dr.-Ing. Klaus Schöppel Zusammenfassung Seit dem Erscheinen der 3., überarbeiteten Auflage des DBVMerkblatts Parkhäuser und Tiefgaragen, Fassung Januar 2018) im März 2018 besteht bei Objekt- und Tragwerksplanern immer noch große Unsicherheit bei Entwurf, Planung und Konstruktion von Parkbauten. Nach wie vor werden Parkbauten meistens als Hochbauten aufgefasst und auch so entworfen, bemessen und konstruiert. Tatsächlich werden Parkbauten aber eher wie Verkehrsbauwerke (Brücken und Tunnel) beansprucht und sollten deshalb auch dementsprechend geplant und ausgerüstet werden. Während oberirdische Parkplätze und Verkehrsbauwerke ohne Gefälle, ohne wirksame Entwässerung und ohne dauerhafte Abdichtung von Fahrbahnflächen unvorstellbar sind, wird bei Parkbauten immer wieder von der grundlegenden Anforderung an alle Baukonstruktionen: „Wasser weg von tragenden Bauteilen“ abgewichen. Falls vertraglich nichts Abweichendes geregelt ist, sind bei Planung, Konstruktion, Gebäudeausrüstung und Bauausführung die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten, damit das fertiggestellte Bauwerk abnahmefähig ist. Bei den verschiedenen Varianten hinsichtlich der Bauweise von Parkhäusern und Tiefgaragen ergibt sich jedoch die Frage, welche der Varianten als anerkannte Regel der Technik anzusehen sind. In Folge ihres unterschiedlichen Instandhaltungsaufwands sind die Varianten nicht als gleichwertig zu bewerten. Daher sind eine eindeutige Aufklärung des Bauherrn und die Festlegung der angestrebten Beschaffenheit einschließlich des zu erwartenden Instandhaltungsaufwands unabdingbar. Letztendlich müssen Parkhäuser und Tiefgaragen so geplant werden, dass bei der vereinbarten Bauweise mit dem dazu gehörigen objektspezifischen Instandhaltungsplan die angestrebte Mindestnutzungsdauer (in der Regel 50 Jahre) zielsicher erreicht werden kann. Dieser Sachverhalt ist bei der Planung, bei der Ausführung und bei der Abnahme der Baumaßnahme von dem jeweiligen Verantwortlichen umzusetzen und zu kontrollieren. Dabei kommt bei Parkbauten dem Tragwerksplaner eine besondere Bedeutung zu, weil er sich zu einem sehr frühen Planungszeitpunkt mit den verschiedenen zu planenden Schutzmaßnahmen für die Fahrbahnflächen, Stützen- und Wandfüße beschäftigen muss, um diese dann in Abstimmung mit dem Bauherrn und dem Objektplaner festzulegen. Der objektspezifische Instandhaltungsplan als Teil des angestrebten Konstruktionsprinzips ist ebenfalls in der frühen Planungsphase zu erstellen. Darüber hinaus muss das fertige Bauwerk funktionstauglich sein, also seinem Zweck entsprechend nutzbar sein. Hierfür muss der Objektplaner das Gebäude unter Anderem so entwerfen, dass eine planmäßige Entwässerung möglich ist. Dazu gehört im Regelfall die Planung von mindestens 2,5 % Gefälle auf allen befahrenen Flächen und Stellplätzen. Weichen Objekt- oder Tragwerksplaner von den anerkannten Regeln der Technik ab, so muss jeder für sich über diese Abweichungen und über die Konsequenzen für die folgenden 50 Jahre (Regel-Nutzungsdauer) den Bauherrn eindeutig aufklären und dies auch dokumentieren, um spätere Haftungsrisiken zu vermeiden. 1. Einführung Die meisten Schäden von Parkbauten haben ihre Ursache in einer fehlenden oder mangelhaften Gefälleausbildung, weil das von den Fahrzeugen eingeschleppte Tausalzwasser nicht zügig abgeleitet wird, sondern sich an Stützenfüßen, Wandfüßen und Tiefpunkten sammelt und dort lange auf den Beton einwirken kann. Besonders anfällig sind hierbei Bereiche, in denen Risse aufgetreten sind, die Betonoberfläche eine mangelhafte Dichtigkeit aufweist, Arbeitsfugen vorhanden sind und/ oder die vorhandene Betondeckung zu gering ist. Weil durchgehende Trennrisse und einzelne Fehlstellen beim Herstellungsprozess von Betonoberflächen nicht vollständig bzw. lückenlos vermieden werden können, haben sich unbeschichtete und gleichzeitig ohne ausreichendes Gefälle hergestellte befahrene Betonoberflächen im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit nicht bewährt. buch2.indb 233 13.01.20 15: 40 234 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten 2. Expositionsklassen Die Betonbestellung und Betonlieferung erfolgt in Deutschland seit dem Jahr 2001 „nach Eigenschaften“. Die Eigenschaften des Betons werden durch sogenannte Expositionsklassen der Bauteile definiert. In Abhängigkeit von den Expositionsklassen bestehen in den Fachnormen Anforderungen, insbesondere an den maximalen w/ z-Wert und die Zementart. Die vom Tragwerksplaner fürAusschreibung und Bauausführung festzulegenden Expositionsklassen sind in den Fachnormen DIN 1045 bzw. Eurocode 2 (DIN EN 1992 mit Nationalem Anhang für Deutschland) definiert und beziehen sich auf die Angriffsgrade aus den Umgebungsbedingungen und die Feuchteverhältnisse im Bereich der Betondeckung des betreffenden Betonbauteils. So sollte für Fundamente (wechselnd nass und trocken) immer die Expositionsklasse XC4 (ist in der Regel zutreffend) gewählt werden, was automatisch zu einem praxisgerechten Verlegemaß der Bewehrung von 40 mm bei Fundamenten führt. Sofern eine annähernd waagerechte und bewehrte Betonoberfläche mit Tausalz beaufschlagt werden kann, ist eine Einstufung in die Expositionsklasse XD3 erforderlich. Wechselnd nass und trocken beanspruchte und/ oder rissgefährdete Betonoberflächen und Flächen ohne Gefälleausbildung müssen darüber hinaus zusätzlich geschützt werden. Eine Ausnahme bilden annähernd senkrechte Flächen, die nur von tausalzhaltigem Sprühnebel (kein Spritzwasser oder Sickerwasser) betroffen sind, hier genügt eine Einstufung in die Expositionsklasse XD1 mit einem zugehörigen Verlegemaß der Bewehrung von 55 mm bei einer Nutzungsdauer von 50 Jahren und einem Verlegemaß der Bewehrung von 65 mm bei einer planmäßigen Nutzungsdauer von 100 Jahren. Gemäß aktueller Auslegung des Nationalen Anhangs zur DIN EN 1992-1-1 müssen durch tausalzhaltiges Sickerwasser (zum Beispiel unter Pflasterbelägen) beanspruchte senkrechte Betonoberflächen im Erdreich in der Expositionsklasse XD2 ausgeführt werden. Bei Bauteilen im Frostbereich sind auch die Klassen XF1 bis XF4 im Rahmen der Planung anzugeben. Um Schäden infolge einer Alkali-Kieselsäure-Reaktion zu vermeiden, ist bei Parkbauten auch die Expositionsklasse WF (feucht) bzw. WA (feucht plus Tausalz-beaufschlagung) für die Betonbestellung vorzugeben. Nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erreichen die gemäß aktueller Normung hergestellten XDBetone nicht immer einen ausreichenden Widerstand gegen das Eindringen von Chlorid, z. B. dann, wenn Portlandkalksteinzemente oder bestimmte Portlandzemente verwendet werden. Deshalb wurde in das DBVMerkblatt der Hinweis aufgenommen, dass für ungeschützte chloridbeanspruchte Betonflächen bewehrter Bauteile nur Betone mit hohem Chlorideindringwiderstand gewählt werden sollen. Dies sind insbesondere Betone mit hüttensandhaltigen Zementen. Die rissbreitenbeschränkende Bewehrung von Parkdeckflächen ist auf die Rissüberbrückungsfähigkeit der Beschichtung abzustimmen. Bei einer Rissüberbrückungsfähigkeit der Beschichtung von 0,3 mm (z. B. einer üblichen OS 11-Beschichtung) sollte eine Rissbreitenbeschränkung von 0,2 mm rechnerisch angesetzt werden, weil einzelne Risse um bis zu 50 % größere Rissbreiten aufweisen können und die rechnerische Ermittlung der Rissbreite auf die Lage der Bewehrung bezogen ist und nicht auf die Betonoberfläche. Für die Bemessung der Bewehrung ist in der Regel der Lastfall Zwang in spätem Alter zu berücksichtigen. Neben der Tragfähigkeit muss auch die Dauerhaftigkeit der Parkbauten für eine zu erwartende Nutzungsdauer von mindestens 50 Jahren sichergestellt werden. Somit müssen auch die zusätzlichen Schutzmaßnahmen (Beschichtung oder Abdichtung) eine entsprechende Lebensdauer aufweisen. Dies ist bei Kunststoffbeschichtungen grundsätzlich nicht gegeben. Deshalb ist ein objektspezifischer Instandhaltungsplan als Teil des gewählten Konstruktionsprinzips für alle Oberflächen-schutzmaßnahmen (Beschichtungen und Abdichtungen) unabdingbar. Dieser Plan muss alle in den nächsten 50 Jahren zu erwartenden Schäden und die dafür erforderlichen Instandsetzungskonzepte enthalten. Bei Zwischendecken und frei bewitterten Parkdächern ist eine unterlaufsichere, bahnenförmige Abdichtung nach ZTV-ING eine sinnvolle Alternative zu rissüberbrückenden Beschichtungen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich durch die zusätzlichen Gussasphaltschichten die Eigenlasten erhöhen und die Dicke des Belags bei der lichten Höhe der einzelnen Ebenen berücksichtigt werden muss. Grundsätzlich sollte auf die unterlaufsichere, bahnenförmige Abdichtung eine Gussasphaltschutzschicht und eine Gussasphaltnutzbelagsschicht aufgebracht werden. Nur in Sonderfällen sollte eine Gussasphaltschutz- und Gussasphaltnutzbelagsschicht als eine Lage ausgeführt werden. Die Anschlüsse an aufgehende Bauteile, Sockel und Einläufe erfordern handwerklich große Sorgfalt. Alternativ können die Anschlüsse und Hochzüge mit hitzebeständiger Flüssigfolie mit Vlieseinlage hergestellt werden. Hofkellerdecken und frei bewitterte Rampen erfordern im Regelfall eine unterlaufsichere, bahnenförmige Abdichtung mit zusätzlichen Schutzschichten (Schutzbeton oder Gussasphalt). 3. Konstruktionsregeln Durch die Unterteilung der verschiedenen Konstruktionsprinzipien in Regel- und Sonderbauweisen sollte dem Planer verdeutlicht werden, dass es erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Anforderungen an die Planung und an die Aufklärung über die Risiken der verschiedenen Bauweisen gibt. Dieser Sachverhalt wird leider auch im neuen Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen des DBV nicht in der Eindeutigkeit dargestellt wie es für die Praxis erforderlich wäre [K. Schöppel; G. Stenzel: buch2.indb 234 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 235 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten Regel- und Sonderbauweisen von Parkbauten und Tiefgaragen. In: Baurecht - eine anspruchsvolle Realwissenschaft - Festschrift für Dieter Kainz, Werner Verlag, ISBN: 978-3-5336-3]. 3.1 Regelbauweisen Die Regelbauweise stellt eine Bauweise dar, die der durchschnittliche Planer auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung bei der täglichen Arbeit beherrscht. Auch eine Regelbauweise birgt gewisse Risiken und bedarf einer sorgfältigen Planung, aber insgesamt weist sie gegenüber einer Sonderbauweise deutlich geringere Risiken auf. Die von Dr.-Ing. Klaus Schöppel und mir im Mai 2012 veröffentlichten Konstruktionsregeln wurden entsprechend fortgeschrieben, siehe folgendes Bild: 3.2 Regelbauweisen für Stützenfüße Die Ausführungsmöglichkeiten der im folgenden Bild dargestellten Stützenfüße entsprechen nach aktuellem Kenntnisstand den anerkannten Regeln der Technik, weil sie sich in der Praxis bewährt haben: buch2.indb 235 13.01.20 15: 40 236 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten 3.3 Regelbauweisen für Stapelparkergruben Gemäß DIN 1045 bzw. DIN EN 199211 wäre bei rissefreien Stapelparkergruben eine Ausführung in der Expositionsklasse XD3 ausreichend, weil der Fußboden von Fahrzeugen nicht direkt befahren wird. Weil in den Gruben aber häufig Wasser stehen bleibt und das Tropfwasser von den Plattformen direkt an die Außenwände läuft oder spritzt, bestehen in der Betondeckung von Stapelparkergruben die gleichen Umgebungs- und Feuchtebedingungen wie bei direkt befahrenen Fahrbahnplatten (wechselnd nass und trocken). Deshalb und weil eine regelmäßige Wartung und Reinigung nur sehr schwer möglich ist, ist zusätzlich zu einer Ausführung in der Expositionsklasse XD3 die Anordnung einer raumseitigen Schutzmaßnahme erforderlich, mindestens durch Ausführung einer Beschichtung. Der Fußboden benötigt ein Gefälle und eine planmäßige Entwässerung, die Stapelparker müssen auf Betonsockeln montiert werden, siehe RS1 und RS2: 3.4 Sonderbauweisen Eine Sonderbauweise erfordert ein besonderes Wissen hinsichtlich der Planung, der Ausschreibung, der Bauausführung, der Bauüberwachung und bezüglich der Aufklärung des Bauherrn und stellt somit automatisch eine besondere Leistung im Sinne der HOAI dar. Die Risiken bei der Bauausführung von Sonderbauweisen sind gegenüber einer Regelbauweise größer, weil bereits geringe Abweichungen von dem geplanten Soll-Zustand zu einer Mangelhaftigkeit des Bauteils führen können. Deshalb ergibt sich bei einer Sonderbauweise auch ein höherer Vergütungsanspruch des Planers. Im Folgenden sind die wichtigsten, nach derzeitigem Kenntnisstand sinnvoll möglichen, Sonderbauweisen dargestellt: Ungeschützte WUBodenplatten können nur dann ohne Schutzmaßnahme ausgeführt werden, wenn auf die WU-Bodenplatte ständiger Wasserdruck von unten wirkt und die Bodenplatte für die Standsicherheit nicht erforderlich ist. Für eine ausreichende Gebrauchsfähigkeit wird neben einer Rissbreitenbeschränkung auf 0,1 mm für Biegezwang in spätem Alter eine Verdoppelung der infolge von Wasserdruck statisch erforderlichen Bewehrung empfohlen, damit für 50 Jahre eine ausreichende Abnutzungsreserve besteht. Bei der Sonderbauweise 2 wurde die im aktuellen DBVMerkblatt beschriebene Möglichkeit aufgegriffen, buch2.indb 236 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 237 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten bei WU-Bodenplatten die in der Wasserwechselzone liegen, mit einer besonders sorgfältigen Ausführung eines Oberflächenschutzsystems OS 11a mit doppelter Grundierung (nachzuweisende Mindest-Oberflächenzugfestigkeit 2,0 N/ mm² des Betons) eine funktionierende Schutzmaßnahme zu erzielen. Oftmals wird von Planern bei WU-Bodenplatten eine für rückseitige Durchfeuchtung geeignete starre Beschichtung OS 8 als Schutzmaßnahme vorgeschlagen. Eine derartige starre Beschichtung stellt jedoch keinen dauerhaften Schutz dar, weil die Beschichtung im Bereich von Trenn- und Biegerissen ebenfalls reißt und die dafür erforderliche „begleitende Rissbehandlung“ im Regelfall für Eigentümer und Nutzer wegen des damit verbundenen Nutzungsausfalls unzumutbar ist. Gemäß den aktuellen Forschungsergebnissen erfordert ein aufgetretener Trennriss eine vollständige Verpressung des Risses, das Aufbringen einer dauerhaft elastischen Bandage und ein laufendes Monitoring. Die Tiefgarage wird dann zum Forschungs- und Entwicklungsobjekt. Weiterhin ist zu beachten, dass eine lange Einwirkungsdauer von alkalischem Wasser auf Epoxidharzbeschichtungen einen chemischen Angriff bedingen kann. Das folgende Bild zeigt einen Riss mit ausgefransten Rissufern im Bereich eines Oberflächenschutzsystems OS 8: Sonderbzw. Sparlösungen können selbstverständlich mit dem Bauherrn vertraglich vereinbart werden, solange die Mindestanforderungen der Technischen Baubestimmungen erfüllt werden oder eine Gleichwertigkeit im Sinne der Schutzziele der jeweiligen Länderbauordnungen erreicht wird. Dazu muss zu Planungsbeginn (spätestens in der Leistungsphase 2 der HOAI) der Bauherr über die Vor- und Nachteile der zur Diskussion stehenden Sonderbauweisen eindeutig aufgeklärt werden, was zum Beispiel bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft normalerweise nicht möglich ist, weil diese bei Planungsbeginn noch nicht existiert. In diesem Fall ist die gewählte Konstruktionsvariante einschließlich des Instandhaltungsplans im Kaufvertrag zu beschreiben. Eine Ausführung ohne Gefälle ist grundsätzlich als Sonderbauweise anzusehen, weil eine Gebrauchsfähigkeitseinschränkung durch Pfützenbildung besteht und die Verkehrssicherheit bei eventueller Eisbildung gefährdet ist. Außerdem wird die Dauerhaftigkeit negativ beeinflusst, weil chloridhaltiges Wasser nicht auf direktem Weg abgeführt wird, sondern lange auf den Beton einwirken kann. Die Varianten A1, A2 und B1 des aktuellen DBVMerkblatts Parkhäuser und Tiefgaragen Fassung Januar 2018 sind als Sonderbauweisen zu betrachten, weil sie sich insbesondere bei der heute üblichen Konstruktionspraxis mit großen Dehnfugenabständen in der Praxis nicht bewährt haben und dem Bauunternehmer bei der Arbeitsvorbereitung, Nachunternehmer- und Personalauswahl sowie der Bauausführung eine betontechnische Sorgfalt abverlangen, wie sie heute nicht mehr als allgemein vorhanden vorausgesetzt werden kann. Darüber hinaus erfordert die Bauüberwachung überdurchschnittliche betontechnologische und ausführungstechnische Kenntnisse des Planers sowie im Terminplan vorgesehene, witterungsbedingte Zeitpuffer bei einer Ausführung unter freiem Himmel. Auch Sonderbauweisen müssen die Mindestanforderungen der Technischen Baubestimmungen (TB, MVV TB, BayTB, HVV TB, VwV TB, …, vormals: Eingeführte Technische Baubestimmungen ETB) erfüllen, können aber von der allgemein zu erwartenden Beschaffenheit teilweise abweichen. Planungen von Sonderbauweisen und die Anfertigung von Wartungs- und Instandhaltungsplänen sind als besondere Leistungen gemäß HOAI zusätzlich zu honorieren. Falls der Bauherr eine Sonderbauweise wünscht, ist der Bauherr vom Planer auf den gegebenenfalls höheren Instandhaltungsaufwand und die geringere Dauerhaftigkeit und Werthaltigkeit der Immobilie eindeutig und nachvollziehbar hinzuweisen. 4. Folgerungen Bei der Planung und Ausführung eines hochwertigen Parkhauses beziehungsweise einer hochwertigen Tiefgarage ist üblicherweise der Instandhaltungsaufwand gering um eine Mindestlebensdauer von 50 Jahren und eine für Parkbauten übliche Dauerhaftigkeit und Funktionstauglichkeit sicherzustellen. buch2.indb 237 13.01.20 15: 40 238 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten buch2.indb 238 13.01.20 15: 40 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 239 Praxisgerechte Planung und Konstruktion von Parkbauten Werden Sonder- oder Sparlösungen gewählt, so ist mit Einschränkungen bei der Funktionstauglichkeit und bei der Dauerhaftigkeit zu rechnen. Um die angestrebte Mindestlebensdauer von 50 Jahren zu erreichen, können aufwändige Wartungs-, Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten vorzeitig erforderlich werden. Eine regelmäßige NassReinigung der Parkbauten (mindestens 1 x pro Jahr nach dem Winter) ist bei Regelbauweisen und Sonderbauweisen gleichermaßen unverzichtbar, um abgelagerte Tausalzreste (und Müll) zu entfernen. Ist jedoch eine intensive Instandhaltung infolge des gewählten Konstruktionsprinzips erforderlich, dann ist der Parkbau zusätzlich vor Einbruch des Winters zu reinigen um eventuell vorhandene Schadstellen im Bereich der Schutzmaßnahmen vor dem Winter instandsetzen zu können. Eine regelmäßige Überprüfung der Standsicherheit von Parkbauten entsprechend der VDI-Richtlinie 6200 wird dringend empfohlen. Gute Pflege und Instandhaltung von Parkbauten dienen nicht nur dazu die Bauwerkssicherheit zu erhalten, sondern sie gewährleisten auch einen reibungslosen und wirtschaftlichen Parkbetrieb. Objekt- und Tragwerksplaner seien daran erinnert, dass sie den Erfolg ihrer Planungsleistung schulden. („Der beauftragte Planer … trägt allein das Risiko der Auswahl der Konstruktion … Dieses Risiko kann er nicht auf seinen Auftraggeber verlagern, indem er diesen vor der Ausführung in seine Planungsüberlegungen einbezieht und seine Zustimmung einholt. Denn diese Zustimmung steht zumindest stillschweigend unter der Bedingung des Gelingens.“ Siehe auch: OLG Celle, Urteil vom 15.02.2017, 7 U 72/ 16) Der Planungserfolg besteht nicht darin, Normen, Richtlinien und Merkblätter stur anzuwenden, sondern unter Berücksichtigung der zu erwartenden Lebenszykluskosten dem Bauherrn und dem Bauunternehmer die Errichtung eines hochwertigen, mangelfreien und auf Dauer funktionstauglichen Bauwerks zu ermöglichen. buch2.indb 239 13.01.20 15: 40
