eJournals Kolloquium Parkbauten 9/1

Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
0201
2020
91 Technische Akademie Esslingen

Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen

0201
2020
Udo Antons
Helena Eisenkrein-Kreksch
Rainer Krankenhagen
Florian Jonietz
Die Anwendung von Polymerbeschichtungen im Bauwesen hat über die letzten Dekaden stetig zugenommen. Neben ästhetischen Aspekten sind vor allem die Verbesserung der Dauerhaftigkeit des Bauwerks und damit einhergehend die Verlängerung der Nutzungsdauer ausschlaggebende Gründe für die Wahl einer Beschichtung. Um die jeweiligen Bauteile vor Alterung, Verschleiß und Schädigung effektiv und zielsicher schützen zu können ist die Einhaltung der von den Herstellern vorgegebenen Mindestschichtdicken von essenzieller Bedeutung. Aus diesem Grund ist es notwendig die Schichtdicke der Beschichtung nach erfolgter Applikation zu überprüfen. Für den in diesem Zusammenhang anspruchsvollen mineralischen Untergrund Beton stehen für die Baustelle bislang allerdings nur zerstörende Prüfverfahren zur Verfügung. Aufbauend auf den Ergebnissen zur photothermischen Schichtdickenbestimmung von Polymerbeschichtungen im Rahmen des Forschungsprojektes IRKUTSK werden derzeit im WIPANO Projekt PHOBOSS weitreichende Untersuchungen durchgeführt, um diese zerstörungsfreie Untersuchungsmethode auf den Baubereich anzuwenden. Ziel des WIPANO Projektes PHOBOSS ist neben der Verfeinerung und Validierung der Mess- und Auswertungsmethodik die Erstellung eines Normenentwurfes welcher Rahmenbedingungen und Anforderungen für Messung und Messgerät enthalten soll. Im Rahmen dieser Veröffentlichung werden Einblicke in das zur Schichtdickenbestimmung entwickelte Thermografieverfahren gegeben. Die Funktionsweise des Verfahrens für die Messung von Oberflächenschutzsystemen wird anhand von Labor- und In Situ-Messungen illustriert und der für die Messungen verwendete Prototyp vorgestellt.
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9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 287 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen Dr.- Ing. Udo Antons, Dipl.-Ing. Helena Eisenkrein-Kreksch Kiwa GmbH, Deutschland Dr. rer. nat. Rainer Krankenhagen, Dr. rer. nat. Florian Jonietz Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Berlin Kurzfassung Die Anwendung von Polymerbeschichtungen im Bauwesen hat über die letzten Dekaden stetig zugenommen. Neben ästhetischen Aspekten sind vor allem die Verbesserung der Dauerhaftigkeit des Bauwerks und damit einhergehend die Verlängerung der Nutzungsdauer ausschlaggebende Gründe für die Wahl einer Beschichtung. Um die jeweiligen Bauteile vor Alterung, Verschleiß und Schädigung effektiv und zielsicher schützen zu können ist die Einhaltung der von den Herstellern vorgegebenen Mindestschichtdicken von essenzieller Bedeutung. Aus diesem Grund ist es notwendig die Schichtdicke der Beschichtung nach erfolgter Applikation zu überprüfen. Für den in diesem Zusammenhang anspruchsvollen mineralischen Untergrund Beton stehen für die Baustelle bislang allerdings nur zerstörende Prüfverfahren zur Verfügung. Aufbauend auf den Ergebnissen zur photothermischen Schichtdickenbestimmung von Polymerbeschichtungen im Rahmen des Forschungsprojektes IRKUTSK werden derzeit im WIPANO Projekt PHOBOSS weitreichende Untersuchungen durchgeführt, um diese zerstörungsfreie Untersuchungsmethode auf den Baubereich anzuwenden. Ziel des WIPANO Projektes PHOBOSS ist neben der Verfeinerung und Validierung der Mess- und Auswertungsmethodik die Erstellung eines Normenentwurfes welcher Rahmenbedingungen und Anforderungen für Messung und Messgerät enthalten soll. Im Rahmen dieser Veröffentlichung werden Einblicke in das zur Schichtdickenbestimmung entwickelte Thermografieverfahren gegeben. Die Funktionsweise des Verfahrens für die Messung von Oberflächenschutzsystemen wird anhand von Labor- und In Situ-Messungen illustriert und der für die Messungen verwendete Prototyp vorgestellt. 1. Einleitung In verschiedenen Anwendungsfällen werden Betonoberflächen mit Beschichtungen versehen, um bestimmte Funktionalitäten zu erreichen. Oberflächenschutzsysteme (OS) auf Polymerbasis werden u.a. eingesetzt, um die Abriebfestigkeit oder die Widerstandsfähigkeit gegen mechanischer Einwirkung, betonschädigender Substanzen, Chemikalien oder Umwelteinflüsse zu erhöhen, z.B. bei Fußböden in Parkhäusern (siehe Bild 1). Bei der Realisierung dieser OS ist die tatsächlich erreichte Schichtdicke der Beschichtung ein wesentlicher Parameter, welcher über die Funktionalität und Langzeitstabilität der aufgetragenen Schicht entscheidet. Leider bieten sich nach dem derzeitigen Stand der Technik nur zerstörende Verfahren als bezahlbare und probate Möglichkeit zur Schichtdickenmessung am Bauwerk an. Das genaueste Verfahren, die Entnahme von Bohrkernen mit späterer mikroskopischer Vermessung der Schichtdicke im Labor, beeinträchtigt neben der Struktur des Oberflächenschutzsystems ein, ebenfalls den eigentlich zu schützenden Betonkörper. Aufgrund der erst im Labor bestimmten Schichtdicken sind im Zweifelsfall mehrfache Vor-Ort-Termine notwendig. Im Rahmen des ZIM-Forschungsprojektes IRKUTSK entwickelten die Projektpartner BAM und IBOS in den vergangenen Jahren gemeinsam einen funktionstüchtigen Prototyp eines Messgerätes zur zerstörungsfreien Schichtdickenmessung auf Basis thermischer Anregung und thermographischer Analysen. In diesem Beitrag wird zunächst das Messkonzept erläutert. Danach erfolgt die Validierung der Methode unter Laborbedingungen. Die Vorstellung des Prototyps sowie erster Ergebnisse schließen die Darstellung ab. Bild 1: Parkhaus mit OS 8. In der Bildmitte steht der mobile Prototyp zur zerstörungsfreien Schichtdickenmessung buch2.indb 287 13.01.20 15: 41 288 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen 2. Beschreibung des Funktionsprinzips Das allgemeine Funktionsprinzip der photothermischen Schichtdickenmessung ist bereits seit längerem bekannt (siehe z.B. [1]) und findet z.B. bei Beschichtungen auf nicht magnetischen Untergründen ihren Einsatz. Dabei wird die Abkühlung einer kurzzeitig erwärmten Oberfläche betrachtet. Aus dem zeitlichen Verlauf der Abkühlungskurve kann unter bestimmten Voraussetzungen die Dicke einer applizierten Beschichtung ermittelt werden. In Bild 2 wird eine solche berechnete Abkühlungskurve dargestellt. Betrachtet wurde hierbei eine dünne Polymerschicht auf einem dicken Betonprobekörper nach Erwärmung der Oberfläche mit einem Dirac-Puls mit 0,6 J/ cm² Energiedichte. Nähere Einzelheiten zum angewendeten Modell und den für die Berechnung notwendigen Materialkennwerten sind [2] zu entnehmen. Bild 2: Simulierte Abkühlung eines polymerbeschichteten Betonprobekörpers für verschiedene Beschichtungsdicken, die schwarz gepunktete Linie steht für den unbeschichteten Probekörper, die Pfeile markieren den Zeitpunkt der Abweichung von der idealen Kurve des unbeschichteten Probekörpers Im dargestellten Fall führte der Dirac-Puls zu einer Erhöhung der simulierten Oberflächentemperatur von knapp über 100 K. Durch einen Vergleich der berechneten Temperaturverläufe zwischen beschichtetem und unbeschichtetem Beton ist klar erkennbar, dass die Zeitpunkte, an denen der Temperaturverlauf sich vom idealen Verlauf einer unbeschichteten Probe unterscheidet, stark von der Schichtdicke abhängt. Im Fall der dünnsten Beschichtung mit 0,1 mm Schichtdicke tritt eine Abweichung bereits nach 10 ms auf. Mit zunehmender Schichtdicke verschiebt sich der Zeitpunkt der Abweichung signifikant auf 1200 ms (1 mm) bzw 34000 ms (5mm). Dieser Effekt bildet die Grundlage der photothermischen Schichtdickenmessung. Die Erwärmung der Beschichtung und die Aufzeichnung des Temperaturverlaufes kann bei dieser Messmethode berührungslos erfolgen. Hierfür wird die Messfläche mit einer leistungsstarken Lampe bestrahlt, während simultan die Oberflächentemperatur mit einem Pyrometer erfasst wird. Als Bezugsgröße für die spätere Berechnung dient hierbei die relative Temperaturerhöhung über die Messfläche in Relation zu der durch den Puls eingetragenen Wärmeenergie. 3. Umsetzung der Messung unter Laborbedingungen und Ergebnisse 3.1 Laboruntersuchung zur Temperaturmessung Aus der in Bild 2 gezeigten Simulation lassen sich wichtige Rückschlüsse auf die grundlegenden technischen Anforderungen an eine berührungslose Temperaturmessung ziehen. Der Sensor muss für eine belastbare Schichtdickenbestimmung mindestens folgende Anforderungen erfüllen: - möglichst hohe Abtastraten von mindestens 100 Hz, um dünne Schichten vermessen zu können - Genauigkeit der Temperaturauflösung von mindestens 0,1 K, um dicke Schichten vermessen zu können - Sensor muss empfindlich sein für Temperaturen unter 100 °C (ambient temperature sensor) - Sensor muss möglichst unempfindlich für die Reststrahlung der erlöschenden Lampe sein (der Einsatz eines gekühlten Shutters wurde verworfen) Diese Randbedingungen stellten, neben dem Kostenfaktor, für den Temperatursensor des Prototyps eine stark limitierende Einschränkung dar. Nach ausführlichen Tests fiel die Entscheidung eine IR-Kamera mit den unten aufgeführten Spezifikationen als Temperatursensor zu verwenden. Nähere Einzelheiten zur Sensorauswahl und Überprüfung sind in [3] beschrieben. Die für den Prototyp ausgewählte Kamera weist folgende technischen Spezifikationen auf: - Ungekühlter Bolometer-Detektor mit 160x120 Pixeln - Bis 100 Hz Bildfrequenz - Temperaturbereich -20°C … 850°C - Spektralbereich 7,5 … 13 μm Zur Bewertung der Leistungsfähigkeit der ausgewählten Kamera wurden simultan Messungen mit einer hochauflösenden IR-Kamera (gekühlter Detektor mit 640*512 Pixel, 100 Hz Aufnahmerate, Spektralbereich 8…9,4 μm). Im Folgenden wird diese, sonst in der Forschung angesiedelte IR-Kamera, als Referenz bezeichnete. Als Wärmequelle wurde bei den Laboruntersuchungen und später im Prototyp ein handelsüblicher Bühnenstrahler mit 1 kW Anschlussleistung und integrierter Fokussieroptik ausgewählt. In Bild 3 sind die gemessenen Temperaturverläufe beider Kameras für einen beschichteten Betonprobekörper während und nach einer Erwärmung durch einen Impuls mit 10 s Länge gegenübergestellt. Die abgebildeten Temperaturverläufe entsprechen hierbei dem Mittelwert über einer 0,5 cm x 1 cm großen Messfläche Die Referenzmessung wurde simultan an der gleichen Fläche durchgeführt. buch2.indb 288 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 289 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen Bild 3: Zeitliche Entwicklung der Oberflächentemperatur während und nach 10 s Erwärmung eines OS-beschichteten Probekörper, Vergleich des Rohsignals der ausgewählten IR-Kamera mit einer kalibrierten Referenz Als wesentliche Maßnahme zur Kompensation der in Bild 3 erkennbaren Messabweichungen zwischen Prototypen- und Referenzkamera wurde eine Driftkorrektur mit einem internen Referenzkörper installiert. Bei Betrachtung der relevanten Temperaturdifferenzen konnte nach Korrektur eine hinreichend genaue Übereinstimmung mit der Referenz erzielt werden (siehe Bild 4). Bild 4: Darstellung des gleichen Signalverlaufs wie in Bild 3 als Temperaturdifferenz zum Ausgangszustand, das Signal der IR-Kamera wurde bezüglich Drift und Absolutwert korrigiert Mittels eines iterativen Berechnungsalgorithmus wird das zugrundeliegende analytische Modell an die gemessenen Temperatur-Zeitverläufe mit hinreichender Genauigkeit angepasst. Die gesuchte Schichtdicke stellt dabei einen der Fitparameter dar. Aufgrund der Anzahl der im Model angewendeten Parameter, welche den berechneten zeitlichen Verlauf der Erwärmungs- und Abkühlungskurve beeinflussen, wurde für die praktische Umsetzung ein zweistufiges Verfahren konzipiert. Dabei werden die im Model berücksichtigten thermischen Eigenschaften und eine eventuelle Teiltransparenz des Beschichtungsmaterials als materialspezifischer Parametersatz separat unter Laborbedingungen bestimmt. Anhand der Vor-Ort Messung. kann dann die Schichtdicke sehr effektiv bestimmt werden. Einzelheiten der Modellierung und der Anpassung sind in [2] beschrieben. 3.2 Schichtdickenmessung unter Laborbedingungen Wie in Kapitel 3.1 beschrieben wurden für die im Folgenden beschriebenen Messungen eines OS 8 Systems vorab die für die Berechnung notwendigen Materialparameter bestimmt. Des Weiteren erfolgten die dargestellten Messungen im Labor unter Verwendung der Referenzkamera. Aufgrund einer über die Fläche applikationsbedingt uneinheitlich dicken Beschichtung waren Schichtdicken innerhalb eines Streubereiches am Probekörper präsent. Bild 5 zeigt ein Thermogramm des kompletten Probekörpers mit 20 cm Kantenlänge nach 10 s Erwärmung. Deutlich erkennbar ist eine inhomogene Erwärmung durch den kreisförmigen Halogenstrahler. Im Zentralbereich wurden Werte von 30-34°C erreicht, Ausgangstemperatur war 22,5°C. Für den Vergleich der zerstörungsfrei und herkömmlich bestimmten Schichtdicken wurden die Temperaturverläufe entlang der in Bild 5 gestrichelten Linie an mehreren Stellen bestimmt und ausgewertet. Danach wurde der Probekörper entlang der Linie geschnitten und die korrespondierenden Schichtdicken mikroskopisch gemessen. In Bild 6 sind die photothermisch bestimmten Schichtdicken über den mikroskopisch bestimmten Werten aufgetragen worden. Es zeigt sich eine gute Übereinstimmung zwischen beiden Messverfahren. Bild 5: Thermogramm der Oberfläche eines OSS-beschichteten Probekörpers nach 10 s Erwärmung, Anfangstemperatur war 22,5°C, die Zahlen zeigen tatsächliche Schichtdicken entlang der gestrichelten Linie an buch2.indb 289 13.01.20 15: 41 290 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen Bild 6: Vergleich geometrisch bestimmter und photothermisch bestimmter Schichtdicken für dem Bild 5 gezeigten Probekörper, die gestrichelte Linie verkörpert ideale Übereinstimmung, die vier vergrößerten Messpunkte entsprechen den im Bild 5 gezeigten Positionen. 4. Umsetzung im Prototyp und erste Ergebnisse 4.1 Aufbau des Prototyps Die ausgewählten Komponenten wurden zusammen mit einem Steuerrechner in ein Gehäuse integriert. Der komplette Aufbau ist im Bild 7 gezeigt. Bild 8 stellt den inneren Aufbau dar. Das gesamte Gehäuse ist ungekühlt, transportabel und wird über einen normalen 220 V Netzanschluss versorgt. Die untersuchte Fläche pro Messung beträgt 5 cm x 5 cm. Über diese Fläche kann ein variables Raster von Messpunkten für die spätere Berechnung der jeweiligen Schichtdicke gelegt werden. Die Auswertung soll in einer späteren Ausbaustufe direkt vor Ort vorgenommen werden können. Als erstes Testobjekt unter Laborbedingungen wurde der im Bild 9 gezeigte Probekörper genutzt, welcher in 3 Quadranten 3 unterschiedliche Schichtdicken der gleichen Beschichtung auf Epoxidharz-Basis aufweist. Durch eine zerstörende Messung (PIG-Schichtdickenmessgerät mit Ritzerzeugung) wurden jeweils 4- 6 Schichtdicken in den verschiedenen Quadranten ermittelt. Im Bild 9 sind die senkrecht verlaufenden Ritzspalten innerhalb der rot umrandeten Bereiche erkennbar. Das von der IR-Kamera unmittelbar nach einer Erwärmung von 5 s erfasste Thermogramm ist in Abb. 10 gezeigt. Man erkennt, dass der maximale Temperaturanstieg der Schicht rund 6 K betrug. Die thermografische Schichtdickenbestimmung erfolgte innerhalb des eingezeichneten Quadrates an den gleichen Stellen, an denen im späteren Verlauf auch die Schichtdicken zerstörend gemessen wurden. Im dargestellten Fall erfolgte die Schichtdickenbestimmung an 15 Stellen. Bild 7: Geöffneter Prototyp mit Laptop zur Steuerung der Messung und Vorauswertung vor Ort Bild 8: Blick ins Innere des Prototyps mit folgenden Komponenten: 1 Lampe mit Optik, 2 IR-Kamera, 3 Referenzkörper, 4 Relais für Lampe, 5 Messfeld, die Linie zeigt die optische Achse der IR-Kamera buch2.indb 290 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 291 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen Bild 9: Betonplatte mit 3 verschiedenen Schichtdicken einer Epoxidharz-Beschichtung beschichtet, die Schichtdicken wurden zerstörend entlang eines Ritzes bestimmt Bild 10: Thermogramm des von der IR-Kamera erfasstes Messfeldes unmittelbar nach der Erwärmung, die jeweilige Auswertung der Schichtdickte erfolgte innerhalb des eingezeichneten Quadrates an etwa 15 Stellen An jeder dieser Messstellen erhält man einen Temperatur-Zeitverlauf, welcher separat mit dem Modell ausgewertet wird. In Bild 11 ist ein Verlauf exemplarisch gezeigt (blaue Kurve). Aus der mit dem analytischen Modell angepassten Kurve resultierte eine Schichtdicke von 104 µm (rote Kurve). Insgesamt wurde die Schichtdicke an 44 Stellen innerhalb der in Bild 9 gezeigten Bereiche ermittelt. In der folgenden Grafik sind die berechneten Schichtdicken über den zerstörend gemessenen Schichtdicken aufgetragen. Der Vergleich der Messungen ergab eine Standardabweichung von 40 µm, wobei die mittlere Abweichung mit zunehmender Schichtdicke ansteigt. In Relation zur herkömmlich bestimmten Schichtdicke liegt der Fehler bei rund 10%. Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass das gewählte Verfahren zur Schichtdickenbestimmung relativ robust bezüglich der Einsatzgrenzen ist. Bild 11: Vergleich von Messdaten und optimiertem Fit mit einer Schichtdicke von 104 µm Bild 12: direkter Vergleich von zerstörend am Ritz gemessenen Schichtdicken und thermografisch (photothermisch) ermittelten Schichtdicken, die blaue Linie entspricht einer linearen Regression mit einer Standardabweichung von 40 µm 4.2 Ergebnisse beim Vor-Ort-Einsatz im Parkhaus Im ersten Vor-Ort-Einsatz sollte vor allem die Praxiseignung des Prototyps in einem Parkhaus überprüft werden. Insgesamt wurden 8 Messstellen auf 2 Ebenen untersucht. Aufgrund der erwarteten Schichtdicke des im Parkhaus vorliegenden OS11a Oberflächenschutzsystems und der erst im Anschluss im Labor durchgeführten Auswertung der Messergebnisse wurde die Dauer für jede Einzelmessung mit 9 Minuten extrem lang gewählt. Die bei diesem Messeinsatz gewonnenen Daten konnten mit dem in [2] beschriebenen analytischen Modell angefittet werden. Die Qualität der Modellanpassung ist im Bild 13 dargestellt. buch2.indb 291 13.01.20 15: 41 292 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen Bild 13: Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Oberflächentemperatur eines mit OS11a beschichteten Fußbodens eines Parkhauses, die Anpassung der mit dem analytischen Modell simulierten Kurve (rot) an die Messdaten (blau) ergab eine Gesamtdicke von 5,5 mm für die gesamte Beschichtung Für das vorliegende OS11a ergab sich eine zerstörungsfrei bestimmte mittlere Gesamtschichtdicke von 5,5 mm. Im Anschluss an die thermografische Schichtdickenbestimmung konnten an einigen Messstellen Bohrkerne entnommen und im Labor mikroskopisch vermessen werden. Bild 14 zeigt exemplarisch die Gesamtschichtdicke des OS11a Systems unter dem Mikroskop. Die mikroskopisch bestimmte mittlere Gesamtschichtdicke lag bei 5,9 mm. Bild 14: Exemplarische Darstellung der mikroskopischen Schichtdickenmessung an einem Bohrkern aus der zuvor mit dem Prototyp gemessenen Stelle. Die mittlere Gesamtschichtdicke liegt bei 5,9 mm Der Vor-Ort-Einsatz belegte die Praxistauglichkeit des entwickelten Prototyps jedoch auch eine relativ grobe Übereinstimmung der vorliegenden Schichtdicke. 5. Zusammenfassung und Ausblick Es konnte gezeigt werden, dass eine photothermische Schichtdickenmessung an OS-Systemen auf Beton unter Laborbedingungen realisierbar ist. Zur quantitativen Auswertung wird ein analytisches Modell verwendet, welches neben den Materialparametern und Pulsform auch Wärmeverluste berücksichtigt [2]. Die Berechnung der Schichtdicken basiert auf einer Multiparameter-Anpassung, wobei die Schichtdicke einen der Parameter darstellt. Für ein epoxidharzbasiertes OS-System konnte auf diese Weise die Schichtdicke exakt und zerstörungsfrei bestimmt werden. Bei der Überführung des Messprinzips in einen baustellentauglichen Aufbau konnte nach der Einbindung von Korrekturalgorithmen eine preisgünstige IR-Kamera als Temperatursensor ausgewählt werden, was sich positiv auf die Gerätekosten auswirkt. Die praxisnahe Anwendung des Geräts an einer realen Beschichtung auf einer Betonplatte ergab eine Messungenauigkeit von rund 10%, bezogen auf die vorliegende Schichtdicke. Des Weiteren konnte der Prototyp seine Praxistauglichkeit bei einem Vor-Ort-Einsatz in einem Parkhaus beweisen. Die Vor-Ort-Messungen zeigten jedoch auch, dass das auf gleichbleibenden Materialparametern basierende analytische Modell bei der Anwendung auf mehrschichtigen Systemen mit divergierenden Materialparametern an seine Grenzen stößt. Die Anpassung des Modells ist Gegenstand der laufenden Untersuchungen. Die Evaluierung des gesamten Verfahrens ist Gegenstand eines Nachfolgeprojektes, bei dem am Ende der Projektlaufzeit ein Normentwurf für das neue Verfahren verfasst werden soll. Die dafür notwendigen Messreihen werden sowohl im Labor als auch mit dem entwickelten Prototyp zurzeit durchgeführt. Bei erfolgreichem Abschluss stünde ein zerstörungsfreies Messverfahren für OS-Systeme auf Betonböden zur Verfügung, welches die bisher verfügbaren zerstörenden Verfahren ablösen könnte. 6. Schlusswort Die hier vorgestellte Arbeit war Gegenstand des ZIM-Projektes IRKUTSK mit dem Förderkennzeichen KF2201089AT4 und wurde gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Das Folgeprojekt wird gefördert durch „WIPANO - Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen“ vom Forschungszentrum Jülich durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Literatur [1] D. P. Almond and P. M. Patel, Photothermal Science and Techniques (PHYSICS AND ITS APPLICA- TION). London: Chapman & Hall, 1996, p. 241. buch2.indb 292 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 293 Thermografische Schichtdickenbestimmung von Oberflächenschutzsystemen [2] S. Altenburg, R. Krankenhagen, and F. Bavendiek, “Thickness determination of polymeric multilayer surface protection systems for concrete by means of pulse thermography,” in QNDE conference 2016 - Review of progress in quantitative nondestructive evaluation, Atlanta, GA, 2016, vol. 1806: AIP Publishing. [3] R. Krankenhagen and S. J. Altenburg, “Direct comparison of two pyrometers and a low-cost thermographic camera for time resolved LWIR temperature measurements,” (in English), Thermosense: Thermal Infrared Applications XXXIX, vol. 10214, 2017. buch2.indb 293 13.01.20 15: 41