Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
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2020
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Technische Akademie EsslingenWirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen
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Marc Zintel
Christian Linden
Gepflasterte Parkflächen gehören mittlerweile zu den gängigsten Ausführungsvarianten, um die relativ kostenintensiven und zu beschichtenden Stahlbetonbodenplatten als Fahrbahn zu vermeiden. Von PKWs eingeschleppte Chloride gelangen über Spritzwasser an die aufgehenden Bauteile und durch den durchlässigen Pflasterbelag an die Fundamente. Untersuchungen der Hochschule München an Bestandstiefgaragen belegen, dass es sowohl an den aufgehenden Bauteilen sowie an den Fundamenten zu einer signifikanten Chloridbelastung kommt. Zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit sind bei Stahlbetonbauteilen mit Chloridexposition vom Planer zusätzliche Maßnahmen vorzusehen. In der Regel kommen als zusätzliche Maßnahme chloriddichte Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) oder Abdichtungen zum Einsatz. Alternativ zu einem OS-System kann gemäß dem neuen DBV Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ auch nichtrostende Edelstahlbewehrung im Stützenfuß und Wandsockelbereich sowie in zugehörigen Fundamenten eingesetzt werden. Im Beitrag wird die alternative Ausführungsvariante mit Top12 als neue kostengünstige nichtrostender Edelstahlbewehrung der üblichen Variante mit Beschichtung oder OS-System gegenübergestellt. Zur Bewertung der beiden Ausführungsvarianten werden neben Herstellungs- und Lebenszykluskosten auch „Baupraktische Gesichtspunkte“ berücksichtigt.
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9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 375 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen Dr. Marc Zintel Swiss Steel AG, Emmenbrücke, Schweiz Christian Linden Swiss Steel AG, Emmenbrücke, Schweiz Zusammenfassung Gepflasterte Parkflächen gehören mittlerweile zu den gängigsten Ausführungsvarianten, um die relativ kostenintensiven und zu beschichtenden Stahlbetonbodenplatten als Fahrbahn zu vermeiden. Von PKWs eingeschleppte Chloride gelangen über Spritzwasser an die aufgehenden Bauteile und durch den durchlässigen Pflasterbelag an die Fundamente. Untersuchungen der Hochschule München an Bestandstiefgaragen belegen, dass es sowohl an den aufgehenden Bauteilen sowie an den Fundamenten zu einer signifikanten Chloridbelastung kommt. Zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit sind bei Stahlbetonbauteilen mit Chloridexposition vom Planer zusätzliche Maßnahmen vorzusehen. In der Regel kommen als zusätzliche Maßnahme chloriddichte Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) oder Abdichtungen zum Einsatz. Alternativ zu einem OS-System kann gemäß dem neuen DBV Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ auch nichtrostende Edelstahlbewehrung im Stützenfuß und Wandsockelbereich sowie in zugehörigen Fundamenten eingesetzt werden. Im Beitrag wird die alternative Ausführungsvariante mit Top12 als neue kostengünstige nichtrostender Edelstahlbewehrung der üblichen Variante mit Beschichtung oder OS-System gegenübergestellt. Zur Bewertung der beiden Ausführungsvarianten werden neben Herstellungs- und Lebenszykluskosten auch „Baupraktische Gesichtspunkte“ berücksichtigt. 1. Einleitung Gepflasterte Parkflächen sind eine wirtschaftliche Alternative, um kostenintensive und letztlich zu beschichtende Stahlbetonbodenplatten als Fahrbahn zu vermeiden. Die Lasten werden über Einzel- und Streifenfundamente in den Baugrund abgeleitet. Von PKWs eingeschleppte Chloride (Tausalze) gelangen über Spritzwasser an die aufgehenden Bauteile und durch den durchlässigen Pflasterbelag an die Fundamente, siehe Bild 1. Bild 1: Schematische Darstellung des Chlorideintrags unter Pflasterbelägen, gemäß [1] In Abhängigkeit des Bauteilbzw. Betonwiderstands können Chloride durch Transportvorgänge tief in den Beton bis zur Bewehrung vordringen. Überschreitet die Chloridkonzentration auf Höhe der Bewehrung den sogenannten kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt (Ccrit), kommt es gewöhnlich zur Bewehrungskorrosion. Die DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (RL SIB) spricht in diesem Zusammenhang für konventionellen Betonstahl (B500B) von einem Chloridschwellenwert von 0,5 M.-%/ z [2]. 2. Hohe Chloridbelastungen durch Tausalzeintrag Untersuchungen von Prof. Dauberschmidt an Bestandstiefgaragen [1] belegen, dass es sowohl an den aufgehenden Bauteilen sowie an den Fundamenten zu einer hohen Chloridbelastung kommt, vgl. Bild 2. buch2.indb 375 13.01.20 15: 41 376 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen Bild 2: Chloridbelastungen an neuralgischen Punkten gepflasterter Bestandstiefgaragen nach Dauberschmidt [1] Nachfolgend die wesentlichen Erkenntnisse für die neuralgischen Punkte: - Stützenfüße (über OK Pflaster): Die Chloridbelastung lag bei 65% der untersuchten Bauteile über 0,5 M.-%/ z, bei 42% sogar über 1,0 M.-%/ z. - Arbeitsfuge: In diesem Bereich wurden bei 44% aller untersuchten Bauteile Chloridbelastungen von über 0,5 M.-% festgestellt. - Fundamentoberseite: Selbst in den tiefergelegenen Bereichen wurden bei 28% aller untersuchten Bauteile Chloridwerte größer 0,5 M.-%/ z festgestellt. Die Ergebnisse für gepflasterte Tiefgaragen belegen eindrücklich, dass in der Praxis bei ungeschützten Tiefgaragenstützen oder -wänden aufgrund der hohen Chloridbelastung vor der geplanten Lebensdauer (i.d.R. 50 Jahre) mit Korrosionserscheinungen in den genannten neuralgischen Stellen zu rechnen ist. In Bild 3 sind exemplarisch korrosionsbedingte Materialverluste an der aufgehenden Bewehrung eines Stützenfußes dargestellt. Bild 3: Beispielhafte Bewehrungskorrosion an einem Stützenfuß infolge Chlorideinwirkung (Quelle: Hochschule München) Entsprechend sind zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit in Anlehnung an die DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1 bei Stahlbetonbauteilen mit Chloridexposition vom Planer zusätzliche Maßnahmen vorzusehen. [1] 3. Zusätzliche Maßnahmen zum Schutz vor Korrosion notwendig In der Regel kommen als zusätzliche Maßnahme chloriddichte Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) oder Abdichtungen zum Einsatz. Aus Kostengründen werden meist OS-Systeme bevorzugt. In Bild 4 ist die übliche Ausführung mit einem vollflächigen Schutz durch ein OS-System beispielhaft dargestellt. Bild 4: Übliche Ausführung mit einem vollflächigen Oberflächenschutzsystem bzw. einer Abdichtung [3] Laboruntersuchungen eines vom DBV geförderten Forschungsvorhabens [1] zeigen jedoch, dass OS-Systeme von Stahlbetonbauteilen durch den Einbau des Pflasterbelags geschädigt werden können und dann gegen anstehende Chloride nur eine ungenügende Barriere darstellen. Um OS-Systeme speziell in der Herstellungsphase vor Schäden zu schützen, muss gemäß [5] ein zusätzlicher Anprallschutz z.B. in Form einer Noppenbahn -vorgesehen werden (Zusatzkosten zur Beschichtung). Weiterhin sind konventionelle OS-Systeme auch unterhalb von Pflasterbelägen formell wartungspflichtig, was die Erstellung eines Wartungsplans und entsprechende Betriebskosten durch Wartungsaufwendungen über die geplante Nutzungsdauer (i.d.R. 50 Jahre) bedingt. buch2.indb 376 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 377 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen Alternativ zu einem OS-System kann gemäß dem neuen DBV Merkblatt Parkhäuer und Tiefgaragen [3] nichtrostende chloridbeständige Betonstahlbewehrung im Stützenfuß- und Wandsockelbereich eingesetzt werden. 4. Top12 - Chloridbeständige nichtrostende Edelstahlbewehrung für gepflasterte Parkbauten Mit Top12 stellt die Swiss Steel AG einen neuen kostengünstigen nichtrostenden Betonstahl mit der Werkstoffnr. 1.4003 und einem Chromgehalt ≥ 12,0% her. Der warmgewalzte, ferritische Betonstahl wird zur Erhöhung des Korrosionsschutzpotentials zusätzlich nach Herstellung in einem speziellen Verfahren gebeizt. Seit 2016 liegt für Top12 als B500B NR eine Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung durch das DIBt für D = 8 - 14 mm vor. Im Jahr 2018 liegt zudem für Top12 B670B NR (Stabstahl) für die Durchmesser 16, 20, 25 und 28 mm eine weitere Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung durch das DIBt vor. Preislich (€/ t) liegt Top12 aktuell lediglich ca. Faktor 4 über den Kosten für konventionellen B500B. Für die Chloridbeständigkeit von Top12 sorgt ein von der Bundesanstalt für Materialprüfung nachgewiesener kritischer korrosionsauslösender Chloridgehalt (Ccrit) von 2,7 M.-%/ z [5]. Damit liegt der Chloridwiderstand von Top12 im Vergleich zu konventionellem Betonstahl (B500B) um ein Vielfaches höher. Vergleicht man die maximalen Chloridbelastungen an den neuralgischen Punkten gepflasterter Tiefgaragen (vgl. Bild 2 mit geschätzt ca. 2,0 - 2,5 M.-%/ z) mit dem Chloridwiderstand von Top12 (Ccrit = 2,7 M.-%/ z), so kann von einem zuverlässigen Schutz vor korrosionsbedingten Schäden über die üblichen geplanten 50 Jahre Lebensdauer ausgegangen werden. In Lebensdauerberechnungen nach [6] wurden im ungerissenen Bereich für die Top12-Ausführungsvarianten (vgl. Kap. 5) selbst mit ungünstigem Bindemittel mehr als 100 Jahre Lebensdauer nachgewiesen. Konventioneller B500B erreichte bei gleichem Bindemittel hingegen nur 20 Jahre. In diesem Zusammenhang kann von einer Lebensdauerverlängerung durch Top12-Einsatz von mindestens Faktor 5 gesprochen werden. 5. Top12 - Ausführungsvarianten Um Top12 gezielt nur in Bereichen mit vorherrschender Chloridbelastung einzusetzen und letztlich die höherpreisigen Stahlmengen zu minimieren, wird Top12 prinzipiell in Mischbewehrung, d.h. in Kombination mit konventionellem B500B eingesetzt. Trotz elektrischem Kontakt beider Stahlsorten kann Kontaktkorrosion ausgeschlossen werden [7]. 5.1 Top12-Variante - Stütze/ Fundament Top12 wird im unteren Stützenbereich verwendet, wo auch mit Tausalzbelastungen zu rechnen ist (vgl. Bild 1) und normalerweise ein OS-System oder ein Abdichtungssystem eingesetzt wird. Entsprechend wird im Fundament (i.d.R. Einzelfundamente) die Bewehrung an der Oberseite wie auch an den Seitenflächen in Top12 ausgeführt. Die aufgehende Stützenbewehrung wird ausgehend von der Verankerung im Fundament bis in eine Höhe von 0,5 m über OK Pflaster plus Übergreifungsstoß in Top12 hochgeführt (inkl. Bügel). Im oberen Teil der Stütze (d.h. ab 0,5 m) und für die Durchstanzbewehrung an der Fundamentunterseite kommt aufgrund fehlender Chloridbelastung konventioneller Betonstahl (B500B) zum Einsatz. Bei notwendigen Übergreifungsstößen von Top12 und B500B (Mischbewehrungsansatz) ist prinzipiell darauf zu achten, dass die Stöße in nicht-chloridbelasteten Bereichen eingeplant werden. Die Arbeitsfuge wird mit einer zementären Hohlkehle zusätzlich geschützt. Gemäß [3] ist der Stützenbereich mindestens der Expositionsklasse XD2 zuzuordnen. Aufgrund der direkten Spritzwasserbelastung durch vorbeifahrende PKW wird von den Autoren jedoch XD3 (w/ z = 0,45) empfohlen. Die Fundamentoberseiten sind mit Gefälle in XD2 bzw. ohne Gefälle in XD3 einzustufen [3]. Auf ein Oberflächenschutzsystem oder eine Abdichtung kann mit dieser Ausführungsvariante komplett verzichtet werden. In Bild 5 ist die erläuterte Top12-Variante „Fundament/ Stütze“ grafisch dargestellt. Bild 5: Top12-Ausführungsvariante „Stütze/ Fundament“ ohne Oberflächenschutzsystem oder Abdichtung, Fundament an der Oberseite bewehrt Werden Fundamente lediglich mit einer Durchstanzbewehrung, d.h. ohne äußere Bewehrungslage an den Fundamentoberseiten und Seitenflächen geplant, entfällt demnach dort ein Top12-Einsatz. Reduzierte Mengen an Top12 stehen in gleichem Maße reduzierten Beschichtungsflächen gegenüber. In Bild 6 ist die erläuterte Top12-Variante grafisch dargestellt. buch2.indb 377 13.01.20 15: 41 378 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen Bild 6: Top12-Ausführungsvariante „Stütze/ Fundament“ ohne Oberflächenschutzsystem oder Abdichtung, Fundament an der Oberseite unbewehrt gemäß [8] 5.2 Top12-Variante - Wand/ Fundament Im analogen Fall von Streifenfundamenten und eines Wandanstelle eines Stützenanschlusses wird entsprechend der i.d.R. einseitigen Chloridbelastung Top12 auch nur einseitig eingesetzt. D.h., Top12 kommt selektiv nur auf der chloridzugewandten Seite zum Einsatz, wo normalerweise OS-Systeme oder Abdichtungen angebracht werden. Top12 wird damit nicht nur über die Bauteilhöhe, sondern auch über die Bauteiltiefe selektiv in Mischbewehrung mit konventionellem B500B eingesetzt. Die umlaufende Bügelbewehrung bleibt in Top12. Auch hier ist bei notwendigen Übergreifungsstößen von Top12 und B500B darauf zu achten, dass diese im nicht-chloridbelasteten Bereich eingeplant werden. In Bild 7 ist die erläuterte Top12-Variante „Wand/ Stütze“ grafisch dargestellt. Bild 7: Top12-Ausführungsvariante „Wand/ Fundament“ ohne Oberflächenschutzsystem oder Abdichtung, Fundament an der Oberseite bewehrt In der Regel stehen die im Vergleich zur Variante “Stütze/ Fundament“ durch den selektiven Ansatz reduzierten Mengen an Top12 in gleichem Maße den geringeren erforderlichen Beschichtungsflächen gegenüber. 6. Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen 6.1 Herstellungskosten Eine Kostenschätzung der Hochschule München [9] zeigt, dass die Herstellungskosten für die Top12-Variante analog Bild 5 und der Einsatz eines Oberflächenschutzsystems vergleichbar sind, siehe Bild 8. Das heißt, die Herstellungskosten für Top12 entsprechen dem Aufwand zum Einsatz einer Beschichtung (Material & Arbeitsaufwand). Bild 8: Vergleich der Herstellungskosten möglicher Varianten nach DBV Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“, gemäß [9] Hier ergänzend die Annahmen für den durchgeführten Kostenvergleich: - Abmessungen Stütze 0,3 m * 0,5 m; - Fundament 2,5 m * 2,5 m * 1,0 m; - Bewehrungsgehalt: Stütze 250 kg/ m³ - Fundament 120 kg/ m³ bzw. 80 kg/ m³; - Beschichtung bis 1,0 m über OK Fundament; - Top12: 2 m über OK Fundament Der in der Studie [9]verwendete Top12-Bewehrungsgehalt lag bei ca. 11 kg/ m² chloridbeaufschlagter Oberfläche. 6.2 Lebenszykluskosten Der Einsatz von Top12 als nichtrostende Edelstahlbewehrung spart im Vergleich zu einer Beschichtung über den Betrieb weitere Kosten. Ist kein OS-System vorhanden, entfallen demnach auch alle zugehörigen Folgekosten im Betrieb, d.h. Reinigungs-, Wartungs und Instandsetzungskosten infolge notwendiger Beschichtungserneuerungen. buch2.indb 378 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 379 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen Vergleicht man demnach verschiedene Ausführungsvarianten lediglich anhand der Herstellungskosten, so ist das nur ein sehr kurzsichtiger Fokus. Will man Varianten ganzheitlich betrachten und vergleichen, müssen neben den Herstellungskosten zumindest auch die Folgekosten in der Nutzung bzw. während des Betriebs berücksichtigt werden. Nicht selten übersteigen die Betriebskosten die Herstellungskosten. Bezieht man Herstellungs- und Betriebskosten in die Betrachtung mit ein, spricht man vereinfacht von Lebenszykluskosten. Mit dieser Fragestellung hat sich das IB Schießl Gehlen Sodeikat im Rahmen einer Gutachterlichen Stellungnahme [6, 10] befasst. Die Ergebnisdarstellung der Lebenszykluskosten für verschiedene Varianten kann beispielsweise über die Nutzungsdauer dargestellt werden. In Bild 9 ist für die Bauteilsituation „Stütze/ Fundament, oberseitig bewehrt“ (Top12-Bewehrungsgehalt = 5,1 kg/ m², vgl. Bild 5) exemplarisch die Lebenszykluskosten als Absolutwerte im zeitlichen Verlauf für folgende drei Varianten abgebildet: - Ohne präventive Maßnahmen - Einsatz eines OS 5b-Systems - Einsatz von Top12 anstelle eines OS-Systems Bild 9: „Stütze/ Fundament, oberseitig bewehrt“: Entscheidungsrelevante Lebenszykluskosten (Absolutwerte) über die Nutzungsdauer von 50 Jahren [6] Es ist zu erkennen, dass die Top12-Variante nach 50 Jahren mit 200 €/ Bauteil im Vergleich zur OS 5b-Variante (492 €/ Bauteil) die mit Abstand geringsten Lebenszykluskosten verursacht (entspricht einer Reduzierung der Lebenszykluskosten um ca. 59%). Die Variante „Ohne präventive Maßnahmen“ sprengt bereits nach weniger als 10 Jahren den Kostenrahmen aufgrund bereits notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen. Selbst die Herstellungskosten (vgl. Jahr 0 in Bild 9) fallen mit Top12 bei dem betont geringen Top12-Bewehrungsgrad von 5,1 kg/ m² im Vergleich zur OS 5b-Variante signifikant geringer aus (ca. -53%). Gleiche Herstellungskosten liegen für Top12 bei einem Top12-Bewehrungsgrad von ca. 11 kg/ m² vor. D.h., sind die Top12-Bewehrungsgrade < 11 kg/ m², ist sogar von geringeren Herstellungskosten im Vergleich zu üblichen OS-Systemen auszugehen. Da der wirtschaftliche Vorteil von Top12 (Herstellungsund/ oder Lebenszykluskosten) in hohem Maße vom Top12-Bewehrungsgehalt (Menge des selektiven Ersatzes von B500B durch Top12 pro m² chloridbeaufschlagter Fläche) abhängt, wurde in [6] eine sog. Sensitivitätsanalyse durchgeführt, um die Sensibilität der Lebenszykluskosten auf variierende Bewehrungsgehalte zu untersuchen. Zur vereinfachten Darstellung wurde ein „Rentabilitätsfaktor Top12“ gebildet, welcher den Verhältniswert der „Entscheidungsrelevanten Lebenszykluskosten für eine Bauteilvariante X“ zur „Top12-Bauteilvariante“ darstellt. Im nachfolgenden Fall bedeutet ein „Rentabilitätsfaktor Top12“ > 1,0, dass die Bauteilvariante mit Top12 im Vergleich zur OS 5b-Variante im Lebenszyklus günstiger ist, bei einem Wert < 1,0 wäre entsprechend die OS 5b-Variante günstiger. In Bild 10 ist die Entwicklung des „Rentabilitätsfaktor Top12“ für einen Top12-Bewehrungsgehalt von ca. 5 bis 24 kg/ m² chloridbeaufschlagter Fläche dargestellt. Bild 10: Top12-Ausführungsvariante „Stütze/ Fundament, oberseitig bewehrt“: „Rentabilitätsfaktor Top12“ und resultierende Lebenszykluskostenreduzierungen in % in Abhängigkeit des Top12-Bewehrungsgehaltes gemäß [6, 10] Wie erwartet, wird mit größeren Top12-Bewehrungsgehalten der „Rentabilitätsfaktor Top12“ bzgl. OS-System kleiner (Ursache: je größer der Top12-Bewehrungsgehalt bei gleicher zu beschichtender Oberfläche, desto weniger rentabel ist der Einsatz von Top12). Zu erkennen ist weiterhin, dass für Top12-Bewehrungsgehalte < 17 kg/ m² die Vorteile hinsichtlich Lebenszykluskostenreduzierung (Werte in %) progressiv zunehmen. Passend zum Bild 9 entspricht der Wert von 2,4 für den „Rentabilitätsfaktor Top12“ einer Reduzierung der Lebenszykluskosten um ca. 59%. Erfahrungsgemäß liegen die Top12-Bewehrungsgehalte in der Praxis zwischen 5-12 kg/ m², was einer durchschnittlichen Reduzierung der Lebenszykluskosten im Vergleich zu einem OS-System von ca. 44% entspricht. buch2.indb 379 13.01.20 15: 41 380 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen 6.3 Baupraktische Gesichtspunkte [6, 10] Neben der Dauerhaftigkeit (vgl. Kap. 4) und den entscheidungsrelevanten Lebenszykluskosten (Kap. 6.2) sollten bei einer abschließenden Bewertung auch baupraktische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Hier bietet der Top12 gegenüber den Oberflächenschutzsystemen weitere Vorteile: (a) Unabhängigkeit von klimatischen Bedingungen beim Einbau: Oberflächenschutzsysteme dürfen im Gegensatz zu Top12 nur unter bestimmten klimatischen Bedingungen appliziert werden (Beachtung des Taupunktes, Mindesttemperaturen etc.) (b) Unabhängigkeit von der Ausführungsqualität auf der Baustelle: Die dauerhaftigkeitsrelevanten Eigenschaften von Top12 werden unabhängig von der Ausführungsqualität auf der Baustelle erreicht. Bei Oberflächenschutzsystemen ist eine gute Ausführungsqualität (Untergrundvorbereitung, Auftragsmenge, Sorgfalt beim Auftrag etc.) für die Funktionalität entscheidend. (c) Größere Kostensicherheit: Bei der Verwendung von Top12 sind bei den hier betrachteten Lebenszyklen keine Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich. Demzufolge ist die Kostenermittlung bei der Planung von Bauteilvarianten mit Top12 mit deutlich geringeren Unsicherheiten behaftet als die der Planung von Bauteilvarianten mit nachträglichen Instandsetzungsmaßnahmen (z.B. mit regelmäßigem Neuauftrag des OS-Systems) 7. Fazit Stahlbetonbauteile unter Pflasterbelägen sind stark chloridbelastet. Zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit sind vom Planer zusätzliche Maßnahmen vorzusehen. Als zusätzliche Maßnahme werden aus Kostengründen meist OS-Systeme (OS 5b) eingesetzt (Randbedingungen: dauerhaft und nachweislich wasserbeständig, zus. Schutzmaßnahmen gegen mechanische Schädigung erforderlich, OS-Systeme sind formal wartungspflichtig). Bei i.d.R. kostenneutralen Herstellungskosten (mittlere Top12-Bewehrungsgehalte, vgl. Kap. 6.2) kann alternativ zu einem OS-System z.B. auch Top12 als neue kostengünstige Edelstahlbewehrung im relevanten Stützen- und Fundamentbereich eingesetzt werden. Der Einsatz von Top12 spart im Vergleich zu einer Beschichtung über den Betrieb weitere Kosten. Ist kein OS-System vorhanden, entfallen auch alle Folgekosten im Betrieb, d.h. Reinigungs-, Wartungs- und Instandsetzungskosten infolge notwendiger Beschichtungserneuerungen. Die Bauteilvarianten mit Top12 (vgl. Kap.5.1 und 5.2) schneiden bei geringen Bewehrungsgehalten durchweg besser ab als die mit OS-System. Die Top12-Variante verursacht bei praxisrelevanten Bewehrungsgehalten im Vergleich zu üblichen Beschichtungen die geringsten Lebenszykluskosten. Je nach Top12-Bewehrungsgehalt können die Lebenszykluskosten maximal um bis zu 59% im Vergleich zu OS 5b-Systemen reduziert werden. Die durchschnittliche Reduzierung der Lebenszykluskosten liegt für Bewehrungsgehalte von 5-12 kg/ m² bei 44%. Bei hohen Bewehrungsgehalten (> 17 kg/ m²) sind die Lebenszykluskosten der Bauteilvarianten mit Top12 ggf. etwas höher als die der Bauteilvarianten mit OS-System. Aufgrund der baupraktischen Gesichtspunkte (vgl. Kap. 6.3) ist der Einsatz von Top12 jedoch in vielen Fällen selbst dann immer noch zielführender [6]. Es bleibt in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass bei den Lebenszykluskosten-Berechnungen keine Kosten durch eingeschränkte Verfügbarkeit oder Nutzungsausfälle infolge Instandsetzungsmaßnahmen berücksichtigt wurden. Top12 - Kostenneutral auf Beschichtungen bei gepflasterten Parkbauten verzichten und Lebenszykluskosten im Vergleich zu üblichen Beschichtungen um bis zu 59% reduzieren. Literaturverzeichnis [1] C. Dauberschmidt, F. Becker: Neue Forschungsergebnisse zum Schutz von Bauteilen unter Pflasterbelägen. Beton- und Stahlbetonbau 113 (2018), Heft 10, S.737-745. [2] DAfStb Positionspapier 2015: Positionspapier des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton zum aktuellen Stand der Technik - Kritischer korrosionsauslösender Chloridgehalt. In Beton- und Stahlbetonbau 110 (2015), Heft 11, S.784-786. [3] DBV Merkblatt "Parkhäuser und Tiefgaragen“, 3. Überarbeitete Ausgabe, Berlin, 2018. [4] DBV-Heft 42 „Ausführungsvarianten für dauerhafte Bauteile in Parkbauten - Beispielsammlung“, Fassung Januar 2019, Berlin, S.81. [5] G. Ebell, A. Burkert: Elektrochemische Untersuchungen zum kritischen Korrosion auslösenden Chloridgehalt in Mörteln. Gutachten des Fachbereichs 7.6 „Korrosion und Korrosionsschutz“ der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM). Aktenzeichen: 16017800, 20.02.2019. [6] A. Schießl-Pecka, A. Rausch: Lebenszykluskosten für Parkbauten. Gutachterliche Stellungnahme 18- 369/ 1.1.2 vom 24.10.2019, Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat, München. [7] Nürnberger, U.: Nichtrostender Betonstahl. Merkblatt 866 der Informationsstelle Edelstahl Rostfrei. Düsseldorf, 2011. [8] F. Fingerloos, A. Meier: Dauerhaftigkeit von Betonbauteilen und Fundamenten unter durchlässigem Fahrbahnbelag. Beton- und Stahlbetonbau 106 (2011), Heft 9, S.622-628. buch2.indb 380 13.01.20 15: 41 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 381 Wirtschaftlichere und dauerhaftere Alternative zu üblichen Beschichtungen - Einsatz nichtrostender Edelstahlbewehrung in gepflasterten Parkgaragen [9] F. Becker: Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauteilen unter Pflasterbelägen. Vortrag auf 3. Münchner Bausymposium, 26.09.2018. [10] Schießl-Pecka A., Rausch A., Zintel M., Linden C.: Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile in Parkbauten. In Tagungsband: Kolloquium „Parkbauten“, 4-5 Februar 2020, TAE - Technische Akademie Esslingen, Esslingen. buch2.indb 381 13.01.20 15: 41