Kolloquium Parkbauten
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2510-7763
expert verlag Tübingen
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Technische Akademie EsslingenDie Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen unter Beachtung der bauaufsichtlichen Bestimmungen – Erfahrungsbericht über Betoninstandsetzungsmaßnahmen
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Michael Fiebrich
Im sprichwörtlichen „Dschungel der Verordnungen und Vorschriften“ stehen die Sachkundigen Planer nach dem Verstreichen der Übergangsfristen zwischen Wegfall der Ü-Kennzeichnung und neuer CE-Kennzeichnung von Bauprodukten der großen Herausforderung gegenüber, bereits mit der Wahl eines Instandsetzungsverfahrens die zur Auswahl stehenden Bauprodukte für eine Betoninstandsetzung so präzise zu spezifizieren, dass bei der Instandsetzung die Grundanforderungen an Bauwerke eingehalten werden. Damit wird es den Bauausführenden an die Hand gegeben, entsprechende Produkte einzukaufen, die – dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend –nicht nur aus Herstellersicht sondern insbesondere unabhängig nachprüfbar die geforderten technischen Eigenschaften aufweisen. Der Beitrag beschäftigt sich anhand von zwei Erfahrungsberichten damit, wie die aus der Ist-Zustandsermittlung abgeleiteten Anforderungen an die einzusetzenden Bauprodukte ermittelt werden können, um letztlich in das Leistungsverzeichnis übernommen werden zu können.
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9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 441 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen unter Beachtung der bauaufsichtlichen Bestimmungen - Erfahrungsbericht über Betoninstandsetzungsmaßnahmen Dr.-Ing. Michael Fiebrich BauIngenieurSozietät (BIS) Sasse & Fiebrich, Aachen, Deutschland Zusammenfassung Im sprichwörtlichen „Dschungel der Verordnungen und Vorschriften“ stehen die Sachkundigen Planer nach dem Verstreichen der Übergangsfristen zwischen Wegfall der Ü-Kennzeichnung und neuer CE-Kennzeichnung von Bauprodukten der großen Herausforderung gegenüber, bereits mit der Wahl eines Instandsetzungsverfahrens die zur Auswahl stehenden Bauprodukte für eine Betoninstandsetzung so präzise zu spezifizieren, dass bei der Instandsetzung die Grundanforderungen an Bauwerke eingehalten werden. Damit wird es den Bauausführenden an die Hand gegeben, entsprechende Produkte einzukaufen, die - dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend -nicht nur aus Herstellersicht sondern insbesondere unabhängig nachprüfbar die geforderten technischen Eigenschaften aufweisen. Der Beitrag beschäftigt sich anhand von zwei Erfahrungsberichten damit, wie die aus der Ist-Zustandsermittlung abgeleiteten Anforderungen an die einzusetzenden Bauprodukte ermittelt werden können, um letztlich in das Leistungsverzeichnis übernommen werden zu können. 1. Baurechtliche Grundlagen für sachkundige Planung Die baurechtlichen Grundlagen für die sachkundige Planung von Instandhaltungsmaßnahmen finden sich in den nachstehend aufgelisteten Dokumenten: a) Musterbauordnung 2016-05, § 3, Absatz 1 [1] b) Bauproduktenverordnung 2011, Verordnung (EU) Nr. 305/ 2011, Anhang I [2] c) Musterbauordnung 2016-05 § 16c einschließlich zugehöriger Begründung [3] d) Vollzugshinweise Land Nordrhein-Westfalen [4] e) Prioritätenliste 2017-12 der Bauministerkonferenz [5] f) Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) 2017/ 1, Abschnitt A 1.2.3.2 sowie Anlage A 1.2.3/ 5 1.1 Musterbauordnung, § 3, Abs. 1 [ 1 ] Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instandzuhalten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden; dabei sind die Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang 1 der Verordnung (EU) Nr. 305/ 2011) zu berücksichtigen. Die Begründung der Bauministerkonferenz zur Ergänzung des § 3, Absatz 1 lautet: Zu Absatz 1 in Satz 1 werden nunmehr klarstellend die in Anhang I der Bauproduktenverordnung enthaltenen Grundanforderungen in Bezug genommen. Die Verwendung des Wortes „dabei“ zeigt an, dass die nationalen Schutzziele die Grundanforderungen mit umfassen, sie in der Verwaltungsvorschrift nach § 85a konkretisiert werden und ... 1.2 Bauproduktenverordnung 2011, Anhang I [2] Artikel 3 (1) Die Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang I sind die Grundlage für die Ausarbeitung von Normungsaufträgen und harmonierter technischer Spezifikationen. Anhang I 1. Mechanische Festigkeit und Standsicherheit Das Bauwerk muss derart entworfen und ausgeführt sein, dass die während der Errichtung und Nutzung möglichen Einwirkungen keines der nachstehenden Ereignisse zur Folge haben: a) Einsturz des gesamten Bauwerks oder eines Teils b) größere Verformungen in unzulässigem Umfang, c) Beschädigungen anderer Teile des Bauwerks oder Einrichtungen und Ausstattungen infolge zu großer Verformungen der tragenden Baukonstruktion, d) Beschädigungen durch ein Ereignis in einem zur ursprünglichen Ursache unverhältnismäßig großem Ausmaß 10.1 Fiebrich.indd 441 15.01.20 23: 48 442 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen 2. Brandschutz 3. Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz Das Bauwerk muss derart entworfen und ausgeführt sein, dass es während seines gesamten Lebenszyklus weder die Hygiene noch die Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern, Bewohnern oder Anwohnern gefährdet und sich über seine gesamte Lebensdauer hinweg weder bei Errichtung noch bei Nutzung oder Abriss insbesondere durch folgende Einflüsse übermäßig stark auf die Umweltqualität oder das Klima auswirkt a) Freisetzung giftiger Gase; b) Emission von gefährlichen Stoffen, flüchtigen organischen Verbindungen; Treibhausgasen oder gefährlichen Partikeln in die Innen- oder Außenluft; c) Emission gefährlicher Strahlen; d) Freisetzung gefährlicher Stoffe in Grundwasser, Meeresgewässer, Oberflächengewässer oder Boden; e) Freisetzung gefährlicher Stoffe in das Trinkwasser oder von Stoffen, die sich auf andere Weise negativ auf das Trinkwasser auswirken; f) unsachgemäße Ableitung von Abwasser, Emission von Abgasen oder unsachgemäße Beseitigung von festem oder flüssigem Abfall; g) Feuchtigkeit in Teilen des Bauwerks und auf Oberflächen im Bauwerk. 4. Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung 5. Schallschutz 6. Energieeinsparung und Wärmeschutz 1.3 Musterbauordnung (MBO) § 16c einschließlich Begründung der Bauministerkonferenz [ 3 ] § 16c der MBO 2016-05 lautet: Ein Bauprodukt, dass die CE-Kennzeichnung trägt, darf verwendet werden, wenn die erklärten Leistungen den in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes festgelegten Anforderungen für diese Verwendung entsprechen. Die Bauministerkonferenz begründet und erläutert die Formulierung des § 16c wie folgt: - Aus der Regelung ergibt sich, dass das Bauprodukt verwendet werden darf, wenn die erklärten Leistungen den Anforderungen entsprechen. Dabei müsen alle Leistungen erklärt sein, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Anforderungen, und zwar alle durch und aufgrund der MBO gestellten bauwerksseitigen Anforderungen, erfüllt sind. - Die MBO macht sich dabei den Ansatz der BauPVO zu eigen, nachdem die CE-Kennzeichnung nicht die Brauchbarkeit des Bauproduktes oder seine Übereinstimmung mit den Vorgaben der harmonisierten technischen Spezifikationen belegt sondern lediglich die nach den Vorgaben der harmonisierten technischen Spezifikation festgestellte Konformität des Bauprodukts mit der erklärten Leistung. - Insbesondere dürfen für solche Produkte keine Verwendbarkeitsnachweise und Übereinstimmungsbestätigungen gefordert werden. - Es ist Aufgabe der am Baubeteiligten, sicherzustellen, dass die für ein Bauprodukt erklärten Leistungen ausreichend sind, um die Anforderungen zu erfüllen, die sich für die Bauprodukte aus den Bauwerksanforderungen ergeben. - Erreichen die erklärten Leistungen nicht (alle) das Anforderungsniveau, weichen die Randbedingungen, unter denen die Bauprodukte verwendet werden von den in der harmonisierten technischen Spezifikation vorgesehenen Randbedingungen ab oder sind zu bestimmten Merkmalen, die sich im konkreten Verwendungszusammen auf die Erfüllung der Anforderungen auswirken, keine Leistungen ausgewiesen ... so müssen die am Bau beteiligten entscheiden, ob die Defizite so gering sind, dass von der Erfüllung der Bauwerksanforderungen trotzdem ausgegangen werden kann; in diesem Fall kann das Bauprodukt trotzdem verwendet werden. - Liegt im Hinblick auf die zu erfüllenden Bauwerksanforderungen keine ausreichende Leistungserklärung vor, so kann das Bauprodukt nicht aufgrund von § 16c verwendet werden. 1.4 Vollzugshinweise des Landes Nordrhein-Westfalen, Ausgabe 2016-10 [ 4 ] Im Erlass des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW vom Oktober 2016 (auch umgangssprachlich „Vollzugshinweise“ genannt) wird Nachstehendes ausgeführt: Mit Urteil vom 16.10.2014 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Verwaltungspraxis für unzulässig erklärt. Deutschland hat der Europäischen Kommission (KOM) mitgeteilt, dass es unter Wahrung des bisherigen nationalen Sicherheitsniveaus die Herstellung vollständiger Europarechtskonformität anstrebe, aufgrund der erkannten europaweiten Defizite in der Umsetzung der Bauproduktenverordnung sich aber auch vorbehalte, sämtliche darin vorgesehenen Regelungsvorbehalte und Verfahren auszuschöpfen ... Die durch die CE-Kennzeichnung erklärte Leistung eines Bauprodukts reicht aber nicht immer aus, um die bauordnungsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, die an ein Bauvorhaben gestellt werden. Soweit zum Nachweis der Erfüllung bauaufsichtlicher Anforderungen an die bauliche Anlage erforderlich, können neben Leistungserklärungen auf Basis von harmonisierten Normen (hEN) bzw. Europäischen Technischen Bewertungen (ETA) eine abZ [allgemeine bauaufsichtliche Zulassung] oder ein AbP [Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis] während ihrer ausgewiesenen Geltungsdauer herangezogen werden. Bei abZ und abP ist von dem Nachweis der bauwerksseitig gestellten Anforderungen weiterhin regelmäßig auszugehen, wenn fest steht, dass die in der bZ oder dem abP enthaltenen Nebenbestimmungen [Fremdüberwachung der Produktion; A.d.V.] weiter erfüllt sind. 10.1 Fiebrich.indd 442 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 443 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen 1.5 Priorirätenliste der Bauministerkonferenz, Ausgabe 2017-12 [5] Die Bauministerkonferenz hat in einem Schriftsatz vom Mai 2017 an das Deutsche Institut für Normung (DIN) in Auszügen Folgendes formuliert: ... Die Gremien der Bauministerkonferenz der Länder haben festgestellt, dass zahlreiche harmonisierte europäische Produktnormen (hEN), die im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 305/ 2011 erarbeitet wurden, harmonisierte Verfahren und Kriterien für die Bewertung der Leistungen dieser Bauprodukte in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale vermissen lassen ... Teilweise fehlen „wesentliche Merkmale“ vollständig, obwohl sie vom Normungsauftrag (Mandat) erfasst und von Relevanz zur Erfüllung der Grundanforderungen an Bauwerke in Deutschland sind. Diesem Anschreiben ist eine Prioritätenliste beigefügt, in der alle harmonisierten Normen aufgelistet sind, die „Lücken“ aufweisen. Lücken bedeutet in diesem Fall, dass Leistungen, die für die Erfüllung der Bauwerksanforderungen erforderlich sind, nicht nach der technischen Spezifikation erklärt werden können. Beispielhaft findet sich für die mörteltechnischen kunststoffmodifizierten Betonersatzstoffe unter der lfd. Nr. 11 die DIN EN 1503: 2005 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betonbauwerken. Die zugehörige Liste findet sich auf den nachfolgenden Bildern. Bild 1: Auszug aus „Prioritätenliste“ („Lückenliste“) 10.1 Fiebrich.indd 443 15.01.20 23: 48 444 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 2: Auszug aus „Prioritätenliste („Lückenliste“)“ 1.6 Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) 2017/ 1 [6] Im Abschnitt A 1.2.3.2 ist in der MVV TB die DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen, Ausgabe 2001-10 [7] mit der 2. Berichtigung 2005 und 3. Berichtigung 2014-09 als baurechtlich relevantes Dokument, dass bei der Planung von Betoninstandsetzungsmaßnahmen zu berücksichtigen ist, adressiert. In der Anlage A 1.2.3/ 5 findet sich folgende Anmerkung: Wenn in der DAfStb-Instandsetzungs-Richtlinie Produktmerkmale angesprochen werden, die als wesentliche Merkmale nach der EU-Bauproduktenverordnung europäisch harmonisiert sind, so ist die für die Erfüllung der jeweiligen Bauwerksanforderungen erforderliche Leistung vom Sachkundigen Planer gemäß der jeweiligen harmonisierten technischen Spezifikation festzulegen. Für die betroffenen Produkte sind die Festlegungen zum Übereinstimmungsnachweis und zur Kennzeichnung mit dem Ü-Zeichen nicht anzuwenden. Da nach der Prioritätenliste unter Berücksichtigung des § 16c des MBO und der Vollzugshinweise jedoch eine Vielzahl von technischen Leistungsmerkmalen der Bauprodukte nicht nach der harmonisierten Norm erklärt werden können, ist der vorgenannte Satz obsolet. 1.7 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Aus den unter den Abschnitten 1.1 bis 1.6 in Auszügen aufgelisteten/ zitierten baurechtlichen Dokumenten ergeben sich die nachfolgend stichwortartig zusammengefassten Schlussfolgerungen im Hinblick auf die sachkundige Planung von Instandsetzungsmaßnahmen: a) Sachkundige Planer haben die Grundanforderungen an Bauwerke nach Musterbauordnung und Bauproduktenverordnung einzuhalten. b) Die CE-Leistungserklärung beinhaltet keine Aussage über die objektspezifische Verwendbarkeit des Bauprodukts. c) Es müssen alle Leistungen erklärt sein, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob alle Grundanforderungen an Bauwerke erfüllt sind und die primären Schutzziele des Bauordnungsrechts über die Nutzungszeit gewährleistet werden. d) Der Planer muss objektspezifisch die Leistungsmerkmale/ Anforderungen aufstellen, die aus der Bauwerksexposition resultieren. e) Die harmonisierten Normen für Instandsetzungsprodukte weisen Lücken auf: Mit der CE-Leistungserklärung können nicht alle Leistungen erklärt werden, die zur Erfüllung der Bauwerksanforderungen erforderlich sind. 10.1 Fiebrich.indd 444 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 445 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen f) Zum Nachweis der bauordnungsrechtlichen Anforderungen bieten die „Lückenliste“ der Bauministerkonferenz, die Vollzugshinweise der Bundesländer sowie die MVV TB, Abschnitt d3) Optionen (Bild 3). Bild 3: Optionen zum Nachweis bauordnungsrechtlicher Anforderungen an Bauprodukte 2. Instandsetzungskonzept und Instandsetzungsplan nach Gelbdruck der Instandhaltungs-Richtlinie [8] 2.1 Allgemeines Für zwei realisierte Instandsetzungsobjekte (Tiefgarage und Regenüberlaufbecken) werden nachfolgend die Arbeitsschritte zur Präzisierung des Instandsetzungskonzeptes und des Instandsetzungsplans nach dem Gelbdruck der Instandhaltungs-Richtlinie [8] beschrieben. Die Arbeitsschritte umfassen im Einzelnen: - Untersuchungen zur Ermittlung und Bewertung des Ist-Zustands - Festlegen des Mindestsollzustands unter Berücksichtigung der (siehe hierzu auch Bild 4) - vorhandenen Restnutzungsdauer - planmäßigen Restnutzungsdauer - erreichbaren Restnutzungsdauer - Wahl des Instandsetzungsprinzips und -verfahren und des Betonersatzsystems - Aufstellen des Leistungsmerkmale und quantitativen Anforderungen an die Betonersatzstoffe nach Teil 2 des Gelbdrucks [8]. Die übergeordneten Instandsetzungsziele gemäß Gelbdruck, Teil 1, sind: a) Erfüllung der Grundanforderungen an das Bauwerk ([8], Teil 1, Absatz 4) b) Korrosionsschutz des Betons und der Bewehrung c) Sicherstellung der Beständigkeit des Instandsetzungssystems über die Nutzungsdauer d) Sicherstellung der Dauerhaftigkeit des Verbundes Instandsetzungssystem/ Untergrund über Adhäsions und/ oder Verankerung (siehe auch [8], Teil 1, Abschnitt 5.2) 10.1 Fiebrich.indd 445 15.01.20 23: 48 446 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 4: Vorhandene, planmäßige und erreichbare Restnutzungsdauer 2.2 Tiefgarage 2.2.1 Bauwerksdaten und Geschichte Die Tiefgarage ist in Stahlbetonbauweise (nominelles Baujahr 1966) erstellt und verfügt über insgesamt fünf Parkdeckebenen mit rd. 500 PKW-Einstellplätzen; Gesamtfläche rd. 11.000 m2.) Die Stahlbetonkonstruktion ist statisch unbestimmt. Die Vertikallasten werden sowohl über Einzelstützen mit Pilzkopfdeckenkonstruktion als auch über die Umfassungs- und Mittelwände aus Stahlbeton in den Baugrund eingetragen. Die Gründung erfolgt auf Streifen- und Einzelfundamenten. Das Bauwerk steht im Grundwasser, die Bodenplatte übernimmt keine wasserdruckhaltende Funktion. Das Grundwasser wird seit der Errichtung permanent abgepumpt. Es erfolgt kein hydrostatischer Druck von der Rückseite. Das Bauwerk ist in vier unterschiedliche Bauteile eingeteilt die in Querrichtung durch drei Bauwerksfugen voneinander getrennt sind. Das Parkhaus wird über eine zentrale Zu- und Abfahrt erschlossen, es ist überbaut (bis zu 6 Geschosse) wobei die Überbauung aus Büros, Gewerberäumen (Restaurants/ Geschäfte) sowie Wohnungen besteht. Die Planung erfolgte nach DIN 1045, Ausgabe November 1959. In den Bestandsbewehrungsplänen wird fallweise zu den verwendeten Baustoffgüten spezifiziert: Betonstahl IIIb, Beton B 300, Mindestzementgehalt 300 kg/ m³. 2.2.2 Ist-Zustand, Mindestsollzustand, erreichbare Restnutzungsdauer, Leistungsmerkmale und Anforderungen an Betonersatzprodukte Nach 34 Jahren wurde erstmalig eine Oberflächenschutzbeschichtung aufgetragen. 15 Jahre nach Applikation dieser Oberflächenschutzbeschichtung (OS 8 System) haben sich folgende Schadenserscheinungsformen auf den beschichteten Oberflächen eingestellt (hierzu Bilder 5 und 6): - Hohllieger in Beschichtungsflächen - Rissbildungen in der Beschichtung und den Betonflächen - Abplatzungen der Betondeckung und frei liegende Bewehrung an Deckenunterseiten - aufgerissene Beschichtung unter darunter liegendes bröseliges durch Korrosion strukturell geschädigtes Betongefüge. 10.1 Fiebrich.indd 446 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 447 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Die Ergebnisse zur Präzisierung des Instandsetzungskonzeptes und Instandsetzungsplans sind in Bild 7 zusammenfassend dargestellt und werden nachstehend stichwortartig erläutert. Ist-Zustand Die Deckenplattenoberseite wird für die Planung der Instandsetzung in die Expositionsklassen XC 3, XD 3 und XSTAT eingestuft ([8] Tabellen 4.2 und 4.3). Die Altbetonklasse wurde gemäß Tabelle 4.4 von [8] mit A 4 eingestuft. Bild 5 Boden Bild 6 Mindestsollzustand - planmäßige Restnutzungsdauer Aufgrund der Schäden und der Chloridkontamination ist keine vorhandene Restnutzungsdauer mehr verfügbar. Die planmäßige Restnutzungsdauer wurde in Abstimmung mit dem Bauherrn auf 30 Jahre begrenzt. Das gewählte Instandsetzungsprinzip gemäß Tabelle 5.2 (Bild 8) in [8] ist: - Wiederherstellung der Passivität durch Ersatz des chloridhaltigen Betons Das hier in Betracht gezogene Verfahren ist „Betonieren oder Vergießen“ (3.2) nach Tabelle 5.1(Bild 9) in [8] und wurde mit Vergussbeton umgesetzt. Aus dem Teil 1, Tabelle C2 in [8] wurde Vergussbeton der Schwindklasse SK VB 0 ausgewählt mit einer Mindestschichtdicke von 60 mm. Instandsetzungsplan Die Leistungsmerkmale für den Vergussbeton als auch die Anforderungen sind der Tabelle C2 in Teil 2 in [8] zu entnehmen, wobei als Eingangsgrößen die Expositionen gemäß Ist-Zustandsermittlung und die zughörige Altbetonklasse A4 gewählt wurden. Ergänzend wurden nach den Tabellen 5.4, 5.5 und 5.6 des Teils 1 in [8] die erforderliche Rautiefenklasse für das Untergrundvorbereitungsverfahren Höchstdruckwasserstrahlen präzisiert. 10.1 Fiebrich.indd 447 15.01.20 23: 48 448 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 7 Bild 8 10.1 Fiebrich.indd 448 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 449 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 9 Bild 10: Bewehrungsergänzung Bild 11: „Schwindbewehrung“ 2.3 Regenüberlaufbecken 2.3.1 Bauwerksdaten Das Regenüberlaufbecken in Stahlbetonbauweise ist im Jahre 1981 in Betrieb genommen worden. Die rechteckigen Grundrissmaße betragen 30,8 m x 20,8 m zuzüglich eines Notablaufes von 12,7 m x 1,9 m. Es besteht aus drei Segmentbauteilen - zwei Randsegmenten und einem Mittelsegment - von je rd. 10 m Breite und Länge 20,8 m. Die drei Segmente sind an ihren Stoßstellen mit einem innenliegenden Fugenband flüssigkeitsdicht miteinander verbunden. Die Außenwanddicke des Beckens beträgt 40 cm, die Dicke der Sohle beträgt 50 cm zuzüglich 10 cm Sauberkeitsschicht. Die Planung des Beckens erfolgte nach DIN 1045, Ausgabe 1978. 2.3.2 Ist-Zustand, Mindestsollzustand, erreichbare Restnutzungsdauer, Leistungsmerkmale und Anforderungen an Betonersatzprodukte Das präzisierte Instandsetzungskonzept und die Angaben zum Instandsetzungsplan sind zusammenfassend in Bild 12 wiedergegeben. 10.1 Fiebrich.indd 449 15.01.20 23: 48 450 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 12 Ist-Zustand Die Bauwerksuntersuchungen umfassten zerstörungsfreie Betondeckungsmessungen, Messungen zur Karbonatisierungstiefe, Druckfestigkeitsprüfungen an entnommenen Bohrkernproben, Prüfungen der Oberflächenzugfestigkeit sowie die Ermittlung von Restquer-schnitten ausgewählter freiliegender Stabstähle. Ausgewählte Erhaltungszustände sind auf den Bildern 13 bis 16 wiedergegeben. Man findet frei liegende Bewehrung mit zuvor abgeplatzter Betondeckung aufgrund der Depassivierung infolge Karbonatisierung. Ferner ist auffällig, dass sich die Klinkerplatten teilweise großflächig abgelöst haben, ebenso sind ausgeprägte Schäden im Bereich der Bauteilsegmentfugen registriert worden. Die Expositionsklassen sind: XC4, XF1, XF3, XM, XSTAT, XW2. Bei den Werten der Abreißzugfestigkeitsprüfungen werden erhebliche Streuungen festgestellt (Diagramm 1), die hier zugrunde gelegte Altbetonklasse (Betonklasse des Bestandsbetons) variiert je nach Bauteil zwischen A2 und A3. Bild 13: Rückhaltebecken Bild 14: Ausschnitt aus Bild 13 10.1 Fiebrich.indd 450 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 451 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Bild 15: Trockenwetterbecken Bild 16: Ausschnitt aus Bild 15 Mindestsollzustand, Planmäßige Restnutzungsdauer, vorhandene Restnutzungsdauer Aus der Grenzzustandsbetrachtung ergibt sich eine vorhandene Restnutzungsdauer bezogen auf das Jahr 2019 von rd. 2 Jahren gemäß Diagramm 2. Die vom Bauherrn spezifizierte planmäßige Restnutzungsdauer ist mit 30 Jahren vorgegeben worden. Erreichbare Restnutzungsdauer, Instandsetzungsprinzip, Schichtdicke und Wahl des Betonersatzsystems Das für die Instandsetzung gewählte Instandsetzungsprinzip entsprechend Tabelle 5.2 (Bild 8) ist „Realkalisierung von karbonatisiertem Beton durch Diffusion.“ Dieses Prinzip ist umgesetzt worden durch das Verfahren 3.3 „Spritzauftrag“ gemäß Tabelle 5.1 (Bild 9). Der Spritzauftrag erfolgt nach entsprechendem Abtrag des Bestandsbetons von rd. 10 mm zur Gewährleistung einer ausreichenden Oberflächenzugfestigkeit. Als Betonersatz wurde Spritzmörtel (SRM: Sprayed Repair Mortar) mit einer Mindestschichtdicke von 20 mm entsprechend Tabelle C3 gemäß Teil 1 in [8] gewählt. Für die Altbetonklassen A2 und A3 wurde in Abhängigkeit von dem gewählten Verfahren 7.4 und der „Verbundvariante“ Adhäsion Betonersatz im Spritzauftrag (SRM, d ≤ 4 mm) gewählt (siehe hierzu Bild 17) Diagramm 1 10.1 Fiebrich.indd 451 15.01.20 23: 48 452 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Diagramm 2 Bild 17 10.1 Fiebrich.indd 452 15.01.20 23: 48 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 453 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen Leistungsmerkmale und Anforderungen gemäß Instandsetzungsplan Zur Spezifikation der Leistungsmerkmale und der zugehörigen Anforderungen kommt für das gewählte Betonersatzsystem (SRM) die Tabelle C6 gemäß Teil 2 in [8] in Frage. Die Eingangsgrößen für die Tabelle C6 sind die im Zuge der Ist-Zustandsaufnahme ermittelten Expositionen sowie die zugehörige Altbetonklasse (siehe hierzu Bild 21). Untergrundvorbereitung Entsprechend Tabellen 5.4 und 5.5 in [8] wurde die für den Betonersatz SRM vorgeschlagene Rautiefenklasse RT 1,0 spezifiziert. Als Untergrundvorbereitungsverfahren wurde Höchstdruckwasserstrahlen gemäß Tabelle 5.6 in [8] gewählt mit einer Mindestabtragsrate von 10 mm. Ausgewählte Teilflächenbereiche nach der Untergrundvorbereitung sind auf den Bildern 18, 19 und 20 wiedergegeben. Bild 18 Bild 19 Bild 20 Bild 18 10.1 Fiebrich.indd 453 15.01.20 23: 48 454 9. Kolloquium Parkbauten - Februar 2020 Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen 3. Erfahrungen mit der Vergabe 3.1 Vorgaben des Sachkundigen Planers im Leistungsverzeichnis (LV) Um die Auswertung der Bieterunterlagen baurechtskonform zu gestalten sind vom Sachkundigen Planer u. a. nachfolgende Festlegungen bezüglich der Leistungsmerkmale der auszuwählenden Bauprodukte festgelegt worden: Die in dem Leistungsverzeichnis spezifizierten Bauprodukte müssen nach dem Einbau in das hier in Rede stehende Objekt den primären Schutzzielen des Bauordnungsrechts (§ 3, Absatz 1 der MBO 2016-5) sowie den Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang 1 der Bauproduktenverordnung entsprechen. Aus diesem Grund hat der Bieter für die hier ausgeschriebenen Instandsetzungsprodukte die gültigen allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisse vorzulegen oder alternative Nachweise, damit der Bauherr prüfen kann, ob die Grundanforderungen an Bauwerke erfüllt sind (siehe hierzu auch § 16c MBO). Gemäß Prioritätenliste der Bauministerkonferenz sind CE-Leistungserklärungen unzureichend. Sie entsprechen daher nicht den Anforderungen dieses Leistungsverzeichnisses. Darüber hinaus geht der Bauherr davon aus, dass die auf der Baustelle verwendeten Chargen einer unabhängigen Fremdüberwachung der Produktion unterliegen. Die entsprechenden Übereinstimmungsnachweise über die Fremdüberwachung der Produktion hat der Bieter bei Angebotslegung einzureichen. Diese Unterlagen sind zur Angebotsbewertung zwingend erforderlich; das Beifügen der technischen Merkblätter ist nicht ausreichend, da sie im Hinblick auf die Leistungsmerkmale der einzusetzenden Baustoffe nicht rechtsverbindlich sind („.Änderungen vorbehalten“). Übereinstimmungsbestätigung Zur Qualitätssicherung der auf der Baustelle zu verarbeitenden Baustellenchargen ist im LV in einem Titel „Qualitätssicherung der Ausführung“ folgende Positionsbeschreibung mit aufgenommen worden: Fremdüberwachung laufende Produktion Fremdüberwachung der laufenden Produktion für die Instandsetzungsmörtel, die am Objekt für die Instandsetzungsarbeiten geliefert und verwendet werden. Liefern und Bereitstellen der Prüfergebnisse über die Fremdüberwachung der Produktion der an der Baustelle gelieferten und verarbeiteten Betonersatzprodukte. Es sind die in der Instandsetzungs-Richtlinie, Teil 2, Tabellen 4.11 bzw. 4.12 durchzuführenden Fremdüberwachungsprüfungen an den Ausgangsstoffen (Kornzusammensetzung, Festkörpergehalt bzw. Trockenrückstand, Thermogravimetrische Analyse, IR-Spektrum), Prüfungen am Frischmörtel sowie Prüfungen am Festmörtel durchzuführen. Die Prüfergebnisse sind dem Bauherrn rechtzeitig vor Beginn der Arbeiten zu übergeben. Die Prüfungen sind von einer zertifizierten Prüfanstalt durchzuführen. Die Prüfanstalt ist mit dem Bauherrn abzustimmen. Die Prüfergebnisse sind als Prüfzeugnis mit allen Einzelergebnissen bereitzustellen. 3.2 Rückläufe durch Bieter Die Ergebnisse mit den Unterlagen der Bieter werden nachfolgend stichwortartig zusammengefasst: a) Nur 6 bis 10 % der Bieter haben Unterlagen eingereicht, die man näherungsweise als vollständig bezeichnen könnte. b) Unvollständig und teilweise nicht nachvollziehbar waren die Ergebnisse von Fremdüberwachungsprüfungen. Die Ergebnisse der Fremdüberwachungsprüfungen aus der laufenden Produktion wurden mit dem Pauschalsatz bewertet, die Prüfergebnisse lägen innerhalb der zulässigen Toleranzen. c) Zu den durchgeführten Fremdüberwachungsprüfungen wurden keine Angaben bezüglich der durchgeführten Einzelprüfungen bzw. deren Ergebnissen gemacht. d) Ein Bieter hat vor der Vergabe einen Bieterkommentar geäußert: „Die Ausschreibung widerspricht dem europäischen Baurecht.“ e) Es konnte der Eindruck gewonnen werden, dass eine Vielzahl von Bietern die Zusammenhänge, wie sie im LV unter Berücksichtigung der in den Abschnitten 1.1 bis 1.6 ausgeführten Regelungen dargestellt werden, nicht kannten bzw. nicht verstanden. Zudem wurden sie offensichtlich von den Bauproduktlieferanten unzureichend aufgeklärt bzw. nicht bedingungsgemäß beraten. f) Lediglich jene Bieter, die in die enge Auswahl kamen, haben fallweise nach Aufklärungsgesprächen die erforderlichen Mindestunterlagen zur Verfügung gestellt. Literatur [1] Musterbauordnung (MBO) 2016-05, § 3, Absatz 1 [2] Bauproduktenverordnung 2011 (Verordnung EU) Nr. 305/ 2011, Anhang 1 [3] Musterbauordnung 2016-05 § 16c einschließlich zugehöriger Begründung [4] DIN EN 1405- 4: 2006-03 [4] Vollzugshinweise Land Nordrhein-Westfalen [5] Prioritätenliste 2017-12 der Bauministerkonferenz [6] Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) 2017/ 1, Abschnitt A 1.2.3.2 sowie Anlage A 1.2.3/ 5 [7] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb): Richtlinie für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie), Ausgabe 2001, inklusive 2. und 3. Berichtigung [8] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb): Instandhaltung von Betonbauteilen (Instandhaltungs-Richtlinie), Gelbdruck, Stand 2018-06-08 10.1 Fiebrich.indd 454 15.01.20 23: 48