eJournals Kolloquium Parkbauten 10/1

Kolloquium Parkbauten
kpb
2510-7763
expert verlag Tübingen
0208
2022
101 Technische Akademie Esslingen

Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch?

0208
2022
Ilja Irmscher
Bei nahezu jedem Neubauvorhaben werden inzwischen neben Pkw-Stellplätzen auch Fahrradstellplätze baurechtlich gefordert, mitunter auch ausschließlich. Damit wird dem Mobilitätswandel Rechnung getragen, wobei aber in vielen Fällen die erforderliche Qualität und Differenzierung dieser Fahrradstellplätze nicht oder nur unzureichend definiert wird. Es reicht aber nicht aus, einfach nur die entlegensten ungenutzten Restflächen von Pkw-Parkbauten mit Fahrradständern auszustatten. Teilweise werden auch explizit Anteile für Stellplätze für Lastenfahrräder empfohlen bzw. gefordert. Besondere Herausforderungen ergeben sich neben den Anforderungen an ein benutzerfreundliches Layout und ebensolchen Parkeinrichtungen aus den Aspekten, dass – Rampen für Fahrradparkbauten nur eine Neigung von 6 % über maximal 65 m (ausnahmsweise 10 % über maximal 20 m) im Gegensatz zu den üblichen Anforderungen bei Pkw-Parkhäusern mit Neigungen zwischen 10 % und 15 % aufweisen dürfen; – die erforderliche lichte Höhe für einen fahrenden Radfahrer 2,50 m beträgt, während für Pkw-Parkbauten nach den EAR 05 nur eine lichte Höhe von 2,10 m bzw. nach den Garagenverordnungen von nur 2,00 m zu realisieren ist; – die im Pkw-Bereich üblichen Schrankenanlagen nicht für Radfahrer ausgelegt und abgesichert sind, woraus eine erhebliche Unfallgefahr resultiert. Bei der Planung von Parkbauten sind diese spezifischen Anforderungen umzusetzen, bei größeren und öffentlichen Objekten vorzugsweise durch eine konsequente Trennung der Pkw- und der Radverkehre. Nicht zu vergessen sind auch benutzerfreundliche Fahrradabstellanlagen, die neben einer fahrradschonenden Halterung vorzugsweise nach dem Anlehnprinzip im öffentlichen Bereich auch über eine doppelte Sicherungsmöglichkeit verfügen. Bei der Bemessung der Aufstellordnungen wird auf die FGSV-Hinweise zum Fahrradparken und als Mindestanforderung auf die DIN 7900-1 Stationäre Fahrradparksysteme – Teil 1: Anforderungen verwiesen.
kpb1010039
10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 39 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Ilja Irmscher GIVT Gesellschaft für Innovative VerkehrsTechnologien mbH, Berlin, BRD Zusammenfassung Bei nahezu jedem Neubauvorhaben werden inzwischen neben Pkw-Stellplätzen auch Fahrradstellplätze baurechtlich gefordert, mitunter auch ausschließlich. Damit wird dem Mobilitätswandel Rechnung getragen, wobei aber in vielen Fällen die erforderliche Qualität und Differenzierung dieser Fahrradstellplätze nicht oder nur unzureichend definiert wird. Es reicht aber nicht aus, einfach nur die entlegensten ungenutzten Restflächen von Pkw-Parkbauten mit Fahrradständern auszustatten. Teilweise werden auch explizit Anteile für Stellplätze für Lastenfahrräder empfohlen bzw. gefordert. Besondere Herausforderungen ergeben sich neben den Anforderungen an ein benutzerfreundliches Layout und ebensolchen Parkeinrichtungen aus den Aspekten, dass - Rampen für Fahrradparkbauten nur eine Neigung von 6 % über maximal 65 m (ausnahmsweise 10 % über maximal 20 m) im Gegensatz zu den üblichen Anforderungen bei Pkw-Parkhäusern mit Neigungen zwischen 10 % und 15 % aufweisen dürfen; - die erforderliche lichte Höhe für einen fahrenden Radfahrer 2,50 m beträgt, während für Pkw-Parkbauten nach den EAR 05 nur eine lichte Höhe von 2,10 m bzw. nach den Garagenverordnungen von nur 2,00 m zu realisieren ist; - die im Pkw-Bereich üblichen Schrankenanlagen nicht für Radfahrer ausgelegt und abgesichert sind, woraus eine erhebliche Unfallgefahr resultiert. Bei der Planung von Parkbauten sind diese spezifischen Anforderungen umzusetzen, bei größeren und öffentlichen Objekten vorzugsweise durch eine konsequente Trennung der Pkw- und der Radverkehre. Nicht zu vergessen sind auch benutzerfreundliche Fahrradabstellanlagen, die neben einer fahrradschonenden Halterung vorzugsweise nach dem Anlehnprinzip im öffentlichen Bereich auch über eine doppelte Sicherungsmöglichkeit verfügen. Bei der Bemessung der Aufstellordnungen wird auf die FGSV-Hinweise zum Fahrradparken und als Mindestanforderung auf die DIN 7900-1 Stationäre Fahrradparksysteme - Teil 1: Anforderungen verwiesen. 1. Vorbemerkungen Der Bestand an Fahrrädern betrug 2020 in Deutschland nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands 79,1 Mio. Stück mit einem Anteil von inzwischen 7,17 Mio. Elektrofahrrädern - bei reichlich 83 Mio. Einwohnern und 48,3 Mio. Pkw. Während der Bestand an Fahrrädern insgesamt nur langsam wuchs, vollziehen sich insbesondere im urbanen Bereich erhebliche Entwicklungen zur Fahrrad-Nutzung hin. Unabhängig davon, wie die jeweiligen Nutzungsanteile ermittelt wurden, weist z. B. das Greenpeace-Ranking für Münster einen Radverkehrsanteil von 39 % und für Freiburg eine von 34 % aus. Im Vergleich der größeren Städte erreicht Bremen 23,4 %. Bei nahezu jedem Neubauvorhaben werden inzwischen neben z. B. Pkw-Stellplätzen auch Fahrradstellplätze baurechtlich gefordert, mitunter auch ausschließlich (Berlin). Damit wird dem Mobilitätswandel Rechnung getragen, wobei aber in vielen Fällen die erforderliche Qualität und Differenzierung dieser Fahrradstellplätze nicht oder nur unzureichend definiert wird. Während es sich bei Pkw in der Regel um kippsichere Vierradfahrzeuge mit einem leistungsfähigen Fahrantrieb handelt, sind Fahrräder überwiegend zweirädrige Balancefahrzeuge mit Muskelkraftantrieb, die erst in den letzten Jahren auch mit elektrischen Zusatzantrieben angeboten werden. Ihre Nutzung erfordert damit ein gewisses fahrerisches Geschick und auch eine gewisse körperliche Kondition. Das ist generell bei der Planung von Radverkehrsanlagen und im speziellen auch bei Parkbauten für Fahrräder zu berücksichtigen. 40 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? 2. Bemessungsfahrrad als Planungsgrundlage Ebenso wie für die Planung von Straßenverkehrsanlagen im Allgemeinen und von Parkbauten für Pkw im Speziellen gibt es das Bemessungsfahrzeug „Fahrrad / Pedelec / E-Bike“ in der 2020/ 2021 veröffentlichten RBSV - Richtlinie für Bemessungsfahrzeuge und Schleppkurven zur Überprüfung der Befahrbarkeit von Verkehrsflächen [1] (Tab. 1, Bild 1). Eine weitere Differenzierung nach den verschiedenen Fahrradarten ist in den „Hinweisen zum Fahrradparken“ 2012 der FGSV [2] enthalten. Dabei werden keine Unterschiede zwischen jenen mit und ohne elektrischem Hilfsantrieb (Pedelecs) gemacht. Bild 1: Hauptabmessungen eines normalen Fahrrads; Bildquelle: Ziegler Metall, Bild modifiziert https: / / www.ziegler-metall.de/ media/ image/ 24/ 51/ 6a/ Platzbedarf_Abmessung_600x250Px.png Tab. 1: Typische Abmessungen von Fahrrädern [1, 2 u. a.] Abmessungen (m) Breite Länge Höhe Quelle Fahrrad / Pedelec / E-Bike 0,65 2,00 1,25 (1,50*) [1], [2] Tandem 0,65 2,60 1,25 [2] Liegerad 0,60 2,35 0,85 [2] Dreirad 1,00 2,20 1,25 (1,50*) [2] Anhänger 1,00 1,60 (zusätzlich) 1,10 [2] Lastenfahrräder allgemein / Individualnutzung max. 0,90 max 2,70 max. 1,40 Eigene Erfahrungen, vorläufige Ansätze, unverbindlich Lastenfahrräder für Logistikdienstleistungen, Normalausführungen max. 1,00 2,80 max. 2,00 *Fahrrad mit Kindersitz Bei den FGSV-Bemessungsfahrzeugen handelt es sich um virtuelle 85 % - Fahrzeuge, die aus dem Kollektiv der Fahrzeuge der jeweiligen Gruppe auf der Basis der Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) bestimmt wurden, so dass 85 % der Fahrzeuge dieser Gruppe nicht größer sind. So wird gewährleistet, dass Anlagen für den fließenden und ruhenden Fahrzeugverkehr nach repräsentativen, aber nicht mit einem selten auftretenden Maximalfahrzeug bemessen werden. Dies bedeutet aber auch, dass die Abmessungen des jeweiligen maximalen Fahrzeugs mit in Betracht gezogen werden müssen. Da Fahrräder typisch nicht in den Statistiken des KBA geführt werden, ist die Ermittlung repräsentativer Abmessungen für Fahrräder hilfsweise auf anderen empirischen Wegen durchzuführen. Damit lässt sich auch erklären, dass statistisch belastbare Angaben zu Abmessungen neuer Produkte wie Lastenfahrräder oder Kleinstkraftfahrzeuge erst einen gewissen Bestand an Fahrzeugen erfordern. Flottenfahrzeuge (z. B. KEP, Deutsche Post) unterliegen ebenso wenig wie die verschiedenen Motorroller und Motorräder im baurechtlichen und verkehrsplanerischen Sinn noch keiner qualifizierten standardisierten Bemessung in Deutschland, so dass sie quasi bislang bei der Planung von Parkbauten einschließlich der verschiedensten integrierten Parkierungsanlagen keine geordnete Rolle spielen. Diese Sonderformen müssen aber auch stärker bei Parkbauten berücksichtigt werden, wobei die Thematik des Ladens und Umladens (Logistik-Hubs) jeweils besondere Anforderungen begründen. Beim Bestand der Fahrräder spielt aktuell die Renaissance der Lastenfahrräder eine erhebliche Rolle. Sie wurden bereits im 19. Jahrhundert (Bild 2) eingesetzt und dann mit der allgemeinen Motorisierung größtenteils substituiert. Nunmehr werden sie seit einigen Jahren zunehmend sowohl im privaten Bereich als auch für die sog. letzten Meile im Bereich der urbanen Logistik und für verschiedene Transportaufgaben im professionellen Einsatz eingesetzt (Bilder 3 bis 6). Dabei wurden mit der Verfügbarkeit der modernen E-Antreibe und -Speicher die Voraussetzungen für eine kraftschonende hybride Mobilität geschaffen, die in hohem Maße den Anforderungen nach einer emissionsarmen Mobilität entspricht. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 41 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 2: Lastenfahrrad als zweispuriges Tandem im 19. Jahrhundert http: / / 3.bp.blogspot.com/ -JTBmQKWdzJU/ UX- VQPL1OqVI/ AAAAAAAAAmc/ ZntSk--m45E/ s1600/ lastenrad_1.jpg Bild 3: Einspurige Lastenfahrräder als Pedelecs (Hersteller: Riese & Müller) Bilder 4 und 5: Zweispuriges Lastenfahrrad / Pedelec für den professionellen Einsatz Bild 6: Zweispuriges Lastenfahrrad als Pedelec für den professionellen Einsatz mit Wechselcontainer In Einzelfällen werden auch größere Lastenfahrräder erprobt und eingesetzt (Bilder 7 und 8). Bild 7: XXL-Lastenfahrrad „Megaliner“ mit einer Länge von 7,00 m, einer Breite von 1,10 m und einer Höhe mit Aufbau von 1,60 m sowie einem Wendekreisdurchmesser von 5,0 m als Cargobike in Hamburg; Hersteller CargoCycle https: / / im-efahrer.chip.de/ files/ 6012dc9b0a- 9da-cargocycle-megaliner.JPG? imPolicy=IfOrientation&width=720&height=405&color=%23000000&hash=49a3ed518e06deecb3e- 860643ce6ab006506440ebfe37b7a475134b59147b172 42 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 8: XXL-Lastenfahrrad „Megaliner“ mit der Funktionalität eines Sattelzuges https: / / cargocycle.de/ wp-content/ uploads/ 2021/ 08/ cargocycle-galerie-04-c.jpg 3. Besonderheiten bei der Nutzung von Fahrrädern 3.1 Spezifik der Nutzung von Fahrrädern Die Nutzung des Fahrrades wird wesentlich durch dessen Möglichkeiten zur zielnahen und damit sehr flexiblen Mobilität bestimmt. Daher kommt es auf eine sehr differenzierte Planung der entsprechenden Abstellanlagen bis hin zu Parkbauten an. Dabei müssen Aspekte berücksichtigt werden wie - die Nutzer mit ihren spezifischen Wünschen und Gewohnheiten, - die Rolle des Fahrrades als universelles jederzeit zu nutzendem Verkehrsmittel, als einfacher Gebrauchsgegenstand oder als Sport- und Freizeitgerät, - die örtlichen städtebaulich-architektonischen Möglichkeiten einschließlich der relevanten Verkehrsanbindungen, - die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, - die erforderliche und gewünschte Sicherheit für das Fahrrad, - die Mitnahmemöglichkeiten mit dem ÖV und dem eigenen Auto oder deren Ausschluss, - die Bereitschaft zu Bike and Ride und zur Nutzung von Mietfahrrädern, - die Fahrradpopulation einschließlich Pedelecs. 3.2 Konflikte im Mischbetrieb Bei einem Mischbetrieb von Pkw und Fahrrädern können betrieblich insbesondere folgende Probleme auftreten: - Im Bereich der Ein- und Ausfahrten ist eine Mitnutzung der für Pkw ausgelegten Abfertigungsanlagen mit Schranken durch Radfahrende nicht möglich (Bild 9). Die grundsätzlich genutzten Induktionsschleifen können ein Fahrrad nicht ausreichend detektieren, so dass sich schließende Schranken eine akute Unfallgefahr für Radfahrende darstellen. - Es ist mit häufigen Beschädigungen der Schranken zu rechnen, da Radfahrende einen nicht ausreichend breiten Raum zwischen dem geschlossenen Schrankenbaum und dem angrenzenden Bereich zum Passieren haben und dabei den Schrankenbaum abreißen oder verbiegen können. - Einzelne Beschichtungsarten in Parkbauten sind bei Nässe aufgrund erheblicher Rutschgefahr mit Zweirädern nicht sicher befahrbar. - Eine Nutzung derselben Rampen durch Fahrräder und Pkw ist nicht möglich (siehe 3.3). Bild 9: Illegale oder zumindest nicht gewünschte Durchfahrt einer Radfahrerin an einer Schrankenanlage mit kurzem Schrankenbaum 3.3 Spezifische Unterschiede zwischen Parkbauten für Pkw und Fahrräder Besonders ist darauf hinzuweisen, dass es zwar vielerorts einen großen Bedarf zur Schaffung von Fahrradstellplätzen in Verbindung mit Parkbauten für Pkw gibt, dass sich dabei jedoch vorzugsweise eine klare verkehrliche Abgrenzung beider Fahrzeugarten und der von ihnen genutzten Verkehrsräume empfiehlt. Wesentliche Probleme sind dabei neben den allgemein zu erfüllenden Standards für die erforderliche Verkehrssicherheit vor allem bei der vertikalen und der inneren Erschließung: - Die typische Rampe für Fahrradparkbauten hat eine Neigung von 6 % über maximal 65 m (ausnahmsweise 10 % über maximal 20 m), was im Gegensatz zu den üblichen Anforderungen bei Pkw-Parkhäusern mit Neigungen zwischen 10 % und 15 % steht (Bilder 10 bis 12). 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 43 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 10: Typische Neigungen von Parkhausrampen für Pkw und Fahrräder im Vergleich Bild 11: Außen angeordnete langgestreckte 6%ige Fahrradrampe an der Fahrradgarage am Paulinum der Universität Leipzig Bild 12: Fahrradparkhaus am S-Bahnhof Bernau bei Berlin mit 10%igen Fahrradrampen und Wendestellen - Die lichte Höhe für Bereiche, in denen ein Radfahrer mit dem Fahrrad fährt, beträgt nach den ERA Empfehlungen für Radverkehrsanlagen 2,50 m (Bild 13) [3], was in Pkw-Parkhäusern im Regelfall mit den typischen lichten Höhen nach EAR 05 [4] von 2,10 m bzw. nach den Garagenverordnungen von nur 2,00 m [5] nicht gegeben ist. Bild 13: Lichtraumprofil und Sicherheitsraum eines fahrenden Radfahrers nach [3] - Fahrradtreppenrampen (Bilder 14 bis 16) sind zwar realisierbar, diese müssen jedoch ebenfalls baulich von Pkw-Bereichen abgetrennt realisiert werden und erfordern, dass die Radfahrer absteigen und ihr Fahrrad schieben. Bild 14: Fahrradtreppenrampe mit einer Schieberille nach [2] Bild 15: Fahrradtreppenrampe mit eben ausgeführten seitlichen Schiebebereichen in der Fahrradgarage der Mensa der Universität Leipzig 44 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 16: Fahrradtreppenrampe mit Schiebrillen in einem der Fahrradparkhäuser am Bahnhof Amsterdam Central - In einer Reihe von Fällen hat es sich bewährt, die Fahrräder mit Aufzügen zu transportieren, die als Durchlader auszuführen sind. Aufzüge, die durch Personen mit Fahrrad genutzt werden, sollten eine lichte Mindestbreite der Kabine von 1,2 m je zu transportierendem Radfahrer haben, bei öffentlicher Nutzung insgesamt mindestens 2,4 m aufweisen. Die Türen sollten nach Möglichkeit über die gesamte Breite öffnen, mindestens jedoch über eine Breite von 1,5 m bei Aufzügen für den Transport eines Fahrrades und 2,0 m für den Transport von zwei Fahrrädern. Die lichte Innenlänge der Kabine sollte mindestens 2,2 m, besser jedoch 2,4 m betragen. Vor und hinter den Aufzügen sollte sich ein mindestens 2,0 m breiter Weg befinden, wobei eine ausreichende Durchgangsmöglichkeit unter Berücksichtigung vorhandener Türen und anderer wartender Personen und Radfahrer gegeben sein sollte. Aus den o. g. Gründen ist bei öffentlichen Parkbauten und bei Großgaragen eine klare Trennung der Pkw- und der Radverkehre erforderlich. Es kann kein Radverkehr auf den Pkw-Rampen zugelassen werden. Gegebenenfalls muss ein StVO-Zeichen 254 „Verbot für Radfahrer“ oder die Aufforderung „Radfahrer absteigen“ mit einem Zusatzzeichen 1012-32 in Verbindung mit einem Hauptschild, zum Beispiel StVO-Zeichen 101 „Allgemeine Gefahrenstelle“ angebracht werden. 4. Fahrradparksysteme 4.1 Grundlagen Da Fahrräder bestenfalls über einen eigenen Ständer verfügen, muss für alle öffentlich zugänglichen Bereiche und in der Regel auch in Gemeinschaftsanlagen für das Parken von Fahrrädern bei Wohnanlagen, Schulen, Kita, Arbeitsstätten usw. in der Regel eine doppelt gesicherte Abstellung der Fahrräder oder eine Abstellung in verschließbaren Boxen möglich sein. Die Hinweise zum Fahrradparken formulieren im Konsens zu den allgemein üblichen Standards folgende Anforderungen [2, 6]: - guter Halt der Fahrräder durch ausreichend stabile und universell nutzbare Fahrradhalter, die auch die Fahrräder und ihr Zubehör nicht beschädigen; - gute Zugänglichkeit zum Ein- und Ausparken; - ausreichender Diebstahlschutz, Anschließmöglichkeiten für den Rahmen und ein Laufrad; - sicherer Betrieb und einfache Reinigung; - günstige Installation; - stadtgestalterische Verträglichkeit. Von ihrer grundsätzlichen Bauform her bewähren sich besonders sog. Anlehnhalter (Bild 17), die entweder als eigenständige Fahrradhalter oder mit ihrem Grundprinzip in größere Systeme integriert werden. Bild 17: Formen von Anlehnhaltern nach [2] als optimale Ausführung Reine Vorderradhalter erweisen sich in den meisten Ausführungsformen als ungünstig (Bild 19), weil das Fahrrad insgesamt nicht genügend gehalten wird, und weil leicht Querkräfte auf das Vorderrad aufgebracht werden können, die zu einer Verformung der Felgen führen. 4.2 Geometrische Bemessung von Fahrradabstellanlagen - Einfachaufstellung Bei der geometrischen Bemessung von Fahrradparkanlagen sind die Abstände so großzügig zu wählen, dass auch das in der Praxis erforderliche Handling des Fahrrades beim Ein- und Ausparken einschließlich dem Anschließen, dem Be- und Entladen und ggf. auch dem Hinein- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 45 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? setzen oder Herausnehmen eines Kleinkindes aus einem Kindersitz gefahrlos möglich ist. Diese Anforderungen werden besonders bei der differenzierten Bemessung in den Hinweisen zum Fahrradparken definiert. Bild 18: Nach dem Komfort und der Sicherheit differenziert geometrische Bemessung von Fahrradabstellanlagen nach [2] Die Fahrgasse muss eine Mindestbreite von 1,8 m aufweisen, besser jedoch 2,0 m. Bild 19: Räumlich großzügig eingerichteter Fahrradparkbereich in einem hochwertigen Wohnhaus in Berlin, jedoch mit ungünstigen Vorderradhaltern Die DIN 79008-1 fordert einen Mindestabstand bei Fahrradparksystemen auf einer Ebene von 0,7 m, bei abwechselnder Hoch-Tiefstellung von mindestens 0,5 m und bei einer Höhendifferenz der Standflächen der Vorderräder von mindestens 0,2 m (Bild 20). Diese Maße empfiehlt auch der ADFC [7]. Diese Maße dürfen keinesfalls unterschritten werden, und sie führen vor allem bei Doppelparkern zu Handlingproblemen vor allem an den unteren Fahrrädern. Bild 20: Beispiel für eine platzsparende Hoch-Tief-Aufstellung in der unteren Ebene von Fahrrad-Doppelparkern 4.3 Geometrische Bemessung von Fahrradabstellanlagen für Lastenfahrräder Es gibt bislang in den allgemeinen Regelwerken noch keine Aussagen zur Bemessung von Abstellflächen für Lastenfahrräder. Für Berlin wurden hierzu für das Parken von Lastenfahrrädern auf der Fahrbahn in Straßen mit einer zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/ h die Markierung derartiger Stellplätze definiert (Bild 21). Dies kann als gute Orientierung gelten. Bild 21: Vorgaben zur Markierung und Beschilderung von Stellplätzen für Lastenfahrräder; Quelle: Verkehrslenkung Berlin, RP373 Vom Grundsatz her können Stellplätze für Lastenfahrräder nach den Regeln für bequemes Parken nach [2], Bild 18, mit einem Zuschlag für die Stellplatzlänge (empfohlene Länge 3,0 m), die Fahrgasse (bei 900-Aufstellung empfohlene Breite von 2,8 m bis 3,0 m) sowie einem erweiterten Seitenabstand je nach dem angestrebten Zweck von etwa 1,5 m bemessen werden. 46 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? 4.4 Geometrische Bemessung von Fahrradabstellanlagen - Doppelaufstellung Bei einer doppelseitigen Aufstellung dürfen nach der DIN 79008-1 die vorderen Laufräder nicht weiter als bis zur Höhe der Vorderachsen überlappen (Bild 23). Bild 23: Doppelaufstellung mit der zulässigen Überlappung der Achsen nach DIN 79008-1 [6] Damit ergibt sich bei einer Doppelaufstellung bei einem entsprechenden seitlichen Versatz und ausreichenden Seitenabständen die Möglichkeit von 2 x 2 m auf insgesamt 3,50 m reduzieren. 4.5 Fahrrad-Doppelparker Vom Grundsatz her erscheint es naheliegend zu sein, unter der Voraussetzung einer ausreichenden Raumhöhe jeweils zwei Fahrräder übereinander zu parken, zumal Fahrräder überwiegend nicht allzu hoch sind und somit die Anordnung in zwei Ebenen übereinander sinnvoll erscheint (Bilder 24 und 25). Bild 24: Prinzipdarstellung eines Fahrrad-Doppelparkers [2] Bei Fahrrad-Doppelparkern sind insbesondere zwei Besonderheiten konstruktiv zu lösen: - Die Position des oberen Fahrrades muss so hoch sein, dass für das Handling des unteren Fahrrads genügend Platz zur Verfügung gestellt wird und keine Stoßgefahren für den Nutzer des unteren Fahrrads bestehen. - Das Heben und Absenken des Fahrrads, das jeweils in der oberen Position geparkt wird, muss ergonomisch für alle Nutzer beherrschbar sein. Es dürfen keine Quetsch- und Klemmgefahren zugelassen werden. Bild 25: Fahrrad-Doppelparker am Hauptbahnhof Erfurt mit einer Rückwand und Überdachung als Witterungsschutz In den Bildern 26 und 27 wird gezeigt, wie kritisch die Platzverhältnisse bei den unteren Stellplätzen sein können. Bilder 26 und 27: Fahrrad-Doppelparker mit beengten Platzverhältnissen für das Handling der unteren Fahrräder, wobei zusätzlich die Seitenabstände zu eng sind. Ein alternatives Doppelparksystem bieten die Doppelparker von Velopa, die das Aufhängen der Fahrräder an 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 47 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? der Decke in einem genügend großen Abstand zu der unteren Stellplatzreihe ermöglichen (Bilder 28 bis 31). Als Hubhilfe werden integrierte Gasfedern genutzt. Das Fahrrad wird im Bereich des Lenkers und des Sattels an den rot gekennzeichneten Haken eingehängt. Bilder 28 und 29: Velopa-Fahrrad-Doppelparker, die an der Decke aufgehängt werden und horizontal verschoben und dann abgesenkt bzw. gehoben werden können Bilder 30 und 31: Velopa-Fahrrad-Doppelparker, die an der Decke aufgehängt werden und horizontal verschoben und dann abgesenkt bzw. gehoben werden können; mit Hilfe den roten Haken wird es einfach aufgehängt 48 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? 4.6 Weitere Fahrradabstellsysteme Am Markt wird eine Vielzahl von Fahrradabstellsystemen angeboten, die teilweise den zuvor dargestellten Systemen und teilweise anderen Funktionsprinzipien zuzuordnen sind. Als problematisch erweisen sich insbesondere Abstellanlagen, bei denen die Fahrräder geneigt werden, wozu meist ein nicht unerheblicher Kraftaufwand beim Handling erforderlich ist. Außerdem können bei Fahrrädern mit Fahrradkorb Utensilien herausfallen. Die sicherste Möglichkeit für das Abstellen von Fahrrädern bieten Fahrradboxen, die entweder an Dauerparker oder auch an Gelegenheitsparker über ein entsprechendes Abrechnungssystem vermietet werden können. Sie bieten meist auch Anschlussmöglichkeiten für das Laden eines E-Bikes und einen Haken für das Anhängen eines Fahrradhelms. 5. Zugangskontrollen - Abfertigungsanlagen Bei öffentlichen Fahrradparkhäusern, die oft auch als Radstation bezeichnet werden, ist die Zugangskontrolle im Sinne einer Parkabfertigung der Nutzer von großer Bedeutung, vor allem immer dann, wenn eine Zugangsberechtigung nur für bestimmte Nutzer (z. B. Dauerparker mit einem Abonnement) erteilt werden soll, und wenn Kurzparker ebenso wie in einem öffentlichen Parkhaus mit einer Schrankenanlage kontrolliert ein- und ausgelassen werden sollen. Ein Beispiel für eine Drehkreuz-Anlage mit einem separierten Zugang für den Radfahrer und das Fahrrad an der Radstation am Hauptbahnhof in Potsdam ist in den Bildern 32 bis 35 zu sehen. Derartige Anlagen ermöglichen ein hohes Niveau der Sicherheit, bedingen aber auch erhebliche Investitionskosten, die sich wegen der relativ niedrigen Tarife nur schwer refinanzieren lassen, und erfordern einen personellen Standby zur Bewältigung technischer Störungen. Daher ist immer mit der Erstellung eines geeignetes Betriebskonzepts abzuwägen, wie ein Fahrradparkhaus bewirtschaftet und abgesichert werden soll. In vielen Fällen beschränkt man sich daher auf die Ausstattung mit einer Videokontrollanlage, die dann zum Beispiel auf die Sicherheitszentrale des jeweiligen Objektes aufgeschaltet wird. Bild 32: Eingang der Radstation am Hauptbahnhof Potsdam: im Innenraum befinden sich witterungsgeschützt die Ein- und Ausgangsanfertigungsanlagen Bilder 33 bis 35: Parkanfertigungsanlage mit einem separierten Zugang für den Radfahrer und das Fahrrad und einer monetären Bewirtschaftung im Sinne einer High-End-Lösung 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 49 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bilder 36 und 37: Eingang und Zugangskontrollanlage der Fahrradstation am Hauptbahnhof Karlsruhe die mit einem Drehkreuzsystem ausgestattet ist 6. Beispiele für Fahrradparkhäuser Die umfassendste Lösung für das Fahrradparken stellen Fahrradparkhäuser dar, die es inzwischen an verschiedenen zentralen Punkten mit einem besonders großen Bedarf an Fahrradabstellmöglichkeiten gibt, so insbesondere an Bahnhöfen und Universitäten. Ein charakteristisches Beispiel ist das Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof Münster, das bereits seit 1999 in Betrieb ist und 2001 erweitert wurde und ca. 3.400 Fahrradstellplätze in verschiedenen Qualitäten und ein umfassendes Dienstleistungsangebot aufweist (Bilder 38 bis 44). Bild 38: Radstation am Hauptbahnhof Münster mit ihrer gläsernen Architektur; die vielen Fahrräder an der Oberfläche resultieren aus dem großen Stellplatzbedarf an diesem Standort Bild 39: Fahrradtreppenrampe der Radstation am Hauptbahnhof Münster; Ausgang zur Innenstadt Bild 40: Bestandsplan der Radstation am Hauptbahnhof Münster mit einer langen Fahrradrampe links im Plan, einer Treppenrampenanlage oben und direkten Zugängen zum Bahnhof und Bahnhofsvorplatz; Quelle: WBI Westfälische Bauindustrie GmbH Münster 50 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 41: Radstation am Hauptbahnhof Münster: lange Fahrradrampe mit einer 6%igen Neigung und Zugangskontrollen Bild 42: Radstation am Hauptbahnhof Münster: Fahrradparkbereich mit Velopa-Doppelparkern Bild 43: Radstation am Hauptbahnhof Münster: Fahrradparkbereich; vorn rechts eine Fahrradwaschanlage Bild 44: Radstation am Hauptbahnhof Münster: gesondert abgeschlossener Parkbereich für angemeldete Dauerparker Bei der Radstation am Hauptbahnhof Potsdam handelt es sich um einen Bereich, der ursprünglich zur Tiefgarage gehörte (Bilder 32 bis 35 und 46). Von der Straßenseite her ist die Radstation sowie ein Fahrradservice erreichbar (Bild 45). Bild 45: Radstation am Hauptbahnhof Potsdam von der Straßenseite: Zugang und Service Bild 46: Die Radstation am Hauptbahnhof Potsdam wurde in einem Teilbereich der Tiefgarage eingerichtet Ein Beispiel für die Integration eines Fahrradparkbereichs mit separierten Zugängen zeigt ein Entwurf für das Parkhaus Güterbahnhof in Coburg (Bild 47). 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 51 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 47: Fahrrad-Parkbereich mit separiertem Zugang beim Entwurf für das Parkhaus Güterbahnhof in Coburg 7. Fahrrad-Services Es hat sich bewährt, dass bei Fahrradparkhäusern und größeren Fahrradparkanlagen einschlägige Serviceleistungen angeboten werden, so zum Beispiel die Bereitstellung von Reifenluft und Fahrradwerkzeugen (Bilder 48 und 49), von Schließfächern und E-Lademöglichkeiten (Bilder 50 und 51). Meistens werden diese Dienstleistungen unentgeltlich angeboten. Bilder 48 und 49: Fahrradwerkzeuge und manuelle Luftpumpe an einer Stele von DB Station Bild 50: Schließfächer in der Radstation am Hauptbahnhof Potsdam Für das Laden von Elektrofahrrädern kann entweder die Batterie ausgebaut (Bild 51), in einem speziellen Schließfach bzw. außerhalb geladen, oder das Fahrrad an einem speziellen Stellplatz mit E-Ladepunkt angeschlossen werden vorzugsweise auch innerhalb einer Fahrradbox. Bild 51: Radlager im Münster mit zusätzlichen Dienstleistungen: E-Lademöglichkeiten für ausgebaute Fahrradakkus und Reifenluft 52 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? 8. Automatische Fahrradparksysteme 8.1 Systematik In den Regelwerken gibt es keine Systematik für automatische Fahrradparksysteme. Die Übernahme von Systematiken aus dem Bereich der automatischen Parksysteme für Pkw ist ebenso wenig zielführend wie eine Systematik nach den allgemeinen Optionen, die aus fördertechnischer Sicht vorstellbar wären. Daher wurde eine Systematik entwickelt, die sich an den dem Autor seit etwa Mitte der 1990er Jahre bekannt gewordenen marktverfügbaren bzw. als Prototyp in Deutschland / Mitteleuropa (vor allem in A, CH, D, NL) Systemen orientiert. Tab. 2: Systematik für technisch realisierte automatische Fahrradparksyteme Automatische Fahrradparksysteme Systeme mit Direktzugriff ohne Lastaufnahmemittel Systeme mit Kabinen / Körben mit Lastaufnahmemittel Offene Lastaufnahmemittel Seitlich und hinten geschlossene Kabinen Parkregale Karusselle Umlaufparker Karusselle Umlaufparker Parkregale WÖHR BIKESAFE® Velominck NL 2010 Horizontalpaternoster KRUPS 1997 BIKEOMAT NL 1997 Vertikalpaternoster Koch & Partner radbox NUSSBAUM Technologies (6fach) Fahrradsafe® Fredenhagen 1996 Kühne 1997 Vertikalpaternoster V-Locker VELOMAT A 1997 Vertikal-paternoster GIVT 1997 Kompakt nur Unterbringung des Fahrrades mit fest befestigten Teilen Weniger kompakt auch Unterbringung von Gepäck / Helm möglich 8.2 Besondere Grundlagen für die Planung Aus der Systematik der verschiedenen automatischen Fahrradparksysteme ergeben sich spezifische Eigenschaften der Systeme, so dass die bislang oft aus der Sicht der Architektur und Stadtplanung gewählten Ansätze zur Auswahl und zum Einbau „passender“ Systeme zum Teil zu fatalen Problemen geführt haben, die der gewünschten Gebrauchstauglichkeit und Akzeptanz entgegenstehen. Daher ist dringend zu empfehlen in den Planungsprozess bis hin zur Inbetriebnahme eines automatischen Fahrradparksystems einen einschlägigen Fachplaner einzubeziehen. Wesentliche aus fachplanerischer Sicht zu beachtende Aspekte sind: - die Wahl eines verkehrlich optimalen Standortes, - die Dimensionierung für die entsprechenden Nutzergruppen mit ihren spezifischen Anforderungen, - die Schaffung optimaler Wegebeziehungen sowohl mit dem Fahrrad vom öffentlichen Straßenraum zum Parksystem als auch fußläufig zum Ziel und zurück, - die systemlogistische Dimensionierung entsprechend den zu erwartenden Tagesganglinien der Nutzer unter besonderer Berücksichtigung von Stoßbetriebsszenarien, - die Entwicklung eines nachhaltigen Betriebskonzepts mit allen allgemein betrieblichen und speziell anlagentechnischen Aspekten, - die Entwicklung eines möglichst langfristigen Fullservicevertrags einschließlich eines qualifizierten und schnell verfügbaren Entstörungsdienstes, - die sinnvolle Nutzung und Standardisierung von Zugangs- und Abrechnungssystemen, - die erforderlichen immissionsrechlichen Anforderungen, insbesondere zum Lärmschutz. 8.3 Projektbeispiele An verschiedenen Standorten wurden in den vergangenen Jahren einige automatische Fahrradparksysteme errichtet, von denen exemplarisch einige aufgeführt werden sollen. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 53 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Der Wöhr Bikesafe ist zum Beispiel in Baden-Württemberg im Schulzentrum Rutesheim und bei Bosch in Reutlingen in Betrieb (Bilder 52 bis 58). Bilder 52 und 53: Bikesafe der Wöhr Autoparksysteme GmbH als Pilotanlage im Schulzentrum Rutesheim Bildquelle Bild 53: Otto Wöhr GmbH Friolzheim Bild 54: Übergabebereich des Bikesafes im Schulzentrum Rutesheim Bild 55: Übergabebereich des Bikesafes bei der Übergabe eines Fahrrads Bild 56: Lagerbereich des Bikesafes Bild 57: Wöhr Bikesafe bei BOSCH in Reutlingen Bild 58: Übergabebereich des Bikesafes in Reutlingen - die BOSCH-Beschilderung weist nur auf den Eigentümer und Nutzerkreis hin Am Bahnhof Fellbach hat Koch & Partner, Bike Parking Systems AG (CH), einen Fahrradparkturm errichtet, der aus vier Vertikalpaternostern besteht (Bilder 59 bis 62). Das System erreicht eine relativ hohe fördertechnische Systemleistung, wobei zu beachten ist, dass das Fahrrad am selben Tor ausgelagert werden muss, an dem es auch eingelagert worden ist. 54 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 59: Vertikalpaternoster von Koch & Partner (CH) am Bahnhof Fellbach Bild 60: Zwei der vier Tore der Vertikalpaternoster von Koch & Partner (CH) am Bahnhof Fellbach Bild 61: Kabine der Vertikalpaternoster von Koch & Partner (CH) mit einer Führungsschiene und einem Haken für den Fahrradhelm Bild 62: Die Anmeldung bei dem Fahrradparksystem am Bahnhof Fellbach erfolgt nach der Anmeldung über eine App Die Schweizer Firma V-Locker bietet ebenfalls Vertikalpaternoster an, die modular aufgestellt werden. Daher ist die Höhe und die Anzahl der Stellplätze pro Anlage kleiner als bei stationär installierten Vertikalpaternostern (Bilder 63 und 64). Bild 63: Varianten der Vertikalpaternoster von V-Locker (CH); Quelle V-Locker 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 55 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 64: Vertikalpaternoster von V-Locker (CH) am Hauptbahnhof Halle/ Saale Die Nussbaum Technologies GmbH hat mehrere automatische Fahrradparkhäuser errichtet, die jeweils als einreihige Parkregale in einer Turmbauweise ausgeführt sind (Bilder 65 bis 70). Die Einlagerung der Fahrräder erfolgt jeweils in Lastaufnahmemittel mit 2x6 gegenüberliegenden Kabinen. Diese jeweils beiderseitig 6 kabinenartigen Stellplätze werden gleichzeitig auf einer der beiden Seiten in der Übergabeposition unten positioniert. Beim Einparken ist dies vorteilhaft, beim Ausparken kann dies im Stoßbetrieb zu chaotischen Zuständen führen, falls die auszulagernden Fahrräder über eine größere Anzahl von Lastaufnahmemittel verteilt sind. Bild 65: Automatisches Fahrradparksystem „RAD- HAUS“ am Bahnhof Waiblingen Bild 66: Sechs nebeneinander befindliche Zugangstüren auf der Seite A; das grüne Licht signalisiert, dass die dahinter liegende Kabine noch frei ist Bild 67: Kabine hinter dem Tor A4; der gelbe Bügel dient der Sicherung des eingelagerten Fahrrades Bild 68: Die Identifikation der Nutzer erfolgt am „RAD- HAUS“ Waiblingen nach Anmeldung mittels RFID- Karten, die die Parkierungsgesellschaft Waiblingen GmbH ausstellt 56 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bilder 69 und 70: Lagerbereich des automatischen Fahrradparksystems in Waiblingen; oben ist das Lager zu erkennen, das jeweils Lastaufnahmemittel für 2x6 Fahrräder aufnimmt, im unteren Bereich die vertikal schließendenTore sowie unten links die Struktur der gegenüber versetzt angeordneten Stellplätze innerhalb des Lastaufnahmemittels, das sich gerade in der Übergabeposition befindet 9. Fazit Die Schaffung qualifizierter, d. h. gebrauchstauglicher und nachhaltiger Stellplätze für Fahrräder aller an dem jeweiligen Standort anzutreffenden Arten von Fahrrädern, die gleichzeitig den Wünschen und Gewohnheiten der Nutzer entsprechen, stellt mehr denn je eine integrale Aufgabe bei der Planung und Realisierung nahezu aller Bauvorhaben dar. Sie ist mit spezifischen Anforderungen an die Kubaturen und Kosten verbunden und bedarf auch einer qualifizierten Fachplanung. Die dabei geltenden baurechtlichen Anforderungen beinhalten längst nicht alle wichtigen Ausführungsdetails nach den schon langjährig bekannten Regelwerken wie den z. B. FGSV-Hinweisen zum Fahrradparken. Literaturverzeichnis [1] RBSV Richtlinien für Bemessungsfahrzeuge und Schleppkurven zur Überprüfung der Befahrbarkeit von Verkehrsflächen - FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Köln Ausgabe 2020 [2] Hinweise zum Fahrradparken W1. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Ve r k e h r s wesen e. V., Arbeitsgruppe Straßenentwurf. - Ausgabe 2012, Köln [3] ERA Empfehlungen für Radverkehrsanlagen. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Ausgabe 2010, Köln [4] Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Arbeitsgruppe Straßenentwurf. - Ausgabe 2005, Köln [5] Muster einer Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen (Muster-Garagenverordnung M-GarVO) - Fassung Mai 1993 -, geändert durch Beschlüsse vom 19.09.1996, 18.09.1997 und 30.05.2008. - Herausgeber Fachkommission Bauaufsicht der ARGEBAU [6] DIN 79008-1 | 2016-05 Stationäre Fahrradparksysteme - Teil 1: Anforderungen [7] Technische Richtlinie TR6102-0911 - Empfehlenswerte Fahrrad-Abstellanlagen, Anforderungen an Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit, ADFC Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V., Bremen 79008-1 | 2016-05 Stationäre Fahrradparksysteme - Teil 1: Anforderungen [8] Irmscher, I. u. a.: Handbuch und Planungshilfe Parkhäuser und Tiefgaragen. - Dom publishers, Berlin, 2012 Bildquellen: ©GIVT mbH Berlin, sofern nicht anders gekennzeichnet Kontakt: Dr.-Ing. habil. Ilja Irmscher GIVT mbH Pasedagplatz 3-4 D-13088 Berlin Tel. +49 (0) 30 - 47 49 98 - 10 E-Mail irmscher@givt.de Internet www.givt.de